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    • Yon
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  • 3. Juni 2014 um 09:11
  • Yon
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    • 23. Juni 2014 um 09:19
    • #21

    Am Anwesen

    Unterdessen trafen Alex und Semir an der Bushaltestelle Forsthaus ein und Alex verlangsamte die Fahrt. „Hier muss Ayda entlang gegangen sein“, meinte Semir und fügte angesichts der unbeleuchteten Landstraße, der beiderseitigen Gräben und dem dahinter liegendem Wald ein „Ich mag gar nicht daran denken“ hinzu.

    Alex ließ den Mercedes langsamer rollen, und beide Männer schauten angestrengt aus den Seitenfenstern. „Da!“, rief Semir plötzlich und wies auf ein Haus, das am Waldrand stand, „da ist das Haus mit dem Turm. Stell den Wagen hier oben ab, wir gehen zu Fuß weiter.“ Alex parkte seinen Dienstwagen, stieg aus und ging zum Kofferraum. Er reichte Semir, der sich zu ihm gesellt hatte, eine der schutzsicheren Westen, die sie sich jetzt beide unter den Jacken anzogen. Das war zwar etwas eng, aber die leuchtende Aufschrift „Polizei“ auf dem Rücken könnte sich bei dieser Aktion als kontraproduktiv erweisen.

    Semir blickte zu dem Haus mit dem runden Anbau, und jetzt erkannte auch er, warum der Turm Ayda an einen Leuchtturm erinnert hatte. Er war etwa 15m hoch und hatte einen auffallenden weißen Streifen auf dem ansonsten braun-grauen Betonputz. Kleine LED-Lämpchen erhellten den Turm etwas, so dass die Farbe auch nachts zu sehen war. Alex und Semir machten sich auf den Weg in den Wald. Wie bereits auf dem Foto im Internet zu erkennen gewesen war, war der Waldweg mit einer Schranke gesichert, die aus einem Baumstamm, etwa 20cm im Durchmesser, bestand, welcher auf der einen Seite fest in einer Halterung befestigt war und auf der anderen Seite lose auflag, hier aber mit einem Vorhängeschloss gegen unberechtigte Zufahrten zum Wald gesichert war.

    Etwa 1,5 km von der Straße entfernt, erkannten sie ein niedriges Steinhäuschen, welches sich beim Näherkommen als zwei Häuser herausstellte. Denn der linke Teil entpuppte sich als eigenständiges Haus, nicht als Anbau, für den Semir es zunächst hielt. Alex und Semir umrundeten das Anwesen innerhalb der Deckung durch Büsche und Bäume. Dann riss Alex, der zwei Schritte hinter seinem Partner lief, Semir plötzlich auf den Waldboden. „Runter!“, zischte er, „da ist jemand!“

    Im Gebüsch versteckt beobachteten die beiden Polizisten, was auf dem Anwesen vor sich ging. Eine Wache schlenderte über die Waldlichtung und näherte sich dem größeren der beiden Gebäude, das gerade von einem anderen Mann verlassen wurde, der ein Tablett in den Händen hielt, auf dem sich drei Becher, eine Kanne, sowie mehrere Kunststoffdosen befanden. „Frühstück“, flüsterte Alex. Semir nickte zustimmend. Die Männer unterhielten sich leise, dann ging der mit dem Tablett weiter in Richtung des kleinen Gebäudes und der andere setzte seinen Rundgang fort.

    „Spätestens gleich werden sie wissen, dass Ayda nicht mehr da hier ist und schlagen Alarm. Wir müssen eingreifen“, meinte Semir. Alex nickte. „Ich könnte die eine Wache ausschalten“, meinte er, „und du holst Andrea und Lilly aus der anderen Hütte. Es muss lautlos geschehen, und gleichzeitig, sie dürfen sich nicht gegenseitig warnen.“

    Alex wartete nicht erst die Antwort von Semir ab, sondern erhob sich und lief in gebückter Haltung auf die Lichtung, um hinter einem Stapel Feuerholz Deckung zu suchen. Mit dem Rücken an die Holzscheite gepresst, ging er einige Schritte zur Seite und lugte um die Ecke. Sein Gegner war nur etwa vier Schritte von ihm entfernt.

    Semir legte noch einige Meter in den Büschen zurück, bis er den kürzesten Weg zu der Hütte hatte, in der sie Andrea und Lilly vermuteten. Er lehnte sich an die Hüttenwand und atmete tief ein. Ein Blick nach oben zeigte ihm den Spalt, den Ayda angesprochen hatte. Die Mauer schloss nicht auf voller Länge mit dem Dach ab, sondern wies einen Abstand von dreißig Zentimetern auf. Das Dach ruhte lediglich auf einigen Holzbalken dieser Stärke. Als Semir um die Hausecke blickte, sah er, wie Alex sich dem Wachmann blitzschnell von hinten näherte, der Mann mit dem Tablett hatte die Hütte fast erreicht.

    Semir machte sich bereit zum Angriff.

    "Ich will mit Alex arbeiten - oder gar nicht!"

    Einmal editiert, zuletzt von Yon (23. Juni 2014 um 10:20)

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    • 24. Juni 2014 um 09:19
    • #22

    Befreiung

    Alex erledigte seinen Gegner mit einem einzigen vielfach geübten Handgriff und zog ihn bewusstlos hinter den Holzstapel, wo er ihm Hand- und Fußfesseln anlegte. Von dort sah er, dass Semir beinahe zeitgleich mit dem Frühstücksbringer die Hütte betrat, aber mehr Schwierigkeiten hatte, ihn zu überwinden, als er selbst vorhin mit seinem Gegner. Der Kerl war etwa einen Kopf größer als Semir und kräftig gebaut. Semir stürzte sich von hinten auf den Mann, der die Gegenstände vom Tablett gleiten ließ und sich mit diesem herumschwang und Semir das Tablett an den Kopf schlug. Mehr vor Schreck als Schmerz ließ dieser seine schon gezogene und entsicherte Waffe fallen.

    Andrea saß mit Lilly im Arm auf einer von zwei Matratzen, die in dem sonst unmöblierten Raum auf dem Fußboden lagen und erwartete das Frühstück. Auf der anderen Matratze hatte sie eine Decke zusammen gerollt unter die Bettdecke gelegt, um so die Anwesenheit von Ayda vorzutäuschen. Sie hoffte so sehr, dass Ayda es irgendwie in die Stadt geschafft hatte. Nach mehreren Tagen in dieser Hütte sah sie darin ihre letzte Möglichkeit. Der Spalt zwischen Wand und Decke hatte sie schon gleich am Samstagabend entdeckt, aber sie selbst hätte nicht hindurch gepasst, Lilly war zu klein für dieses Abenteuer, und Ayda hat sich dann gestern selbst angeboten, rauszugehen. Sie hatte noch hin und her überlegt, dann aber begriffen, dass es im Grunde nur diese eine Möglichkeit gab. Nachdem sie die Routinen ihrer Bewacher verinnerlicht hatte, war letzte Nacht die Gelegenheit gekommen, in der sie schweren Herzens ihre Tochter hochhob, so dass sie sich durch den Spalt unter dem Dach hindurchzwängen konnte und rückwärts an der Außenwand hinunterglitt. Bei dem Gedanken an diesen Augenblick traten ihr wieder die Tränen in die Augen. Sie hatte diese Nacht vor Sorge keinen Schlaf bekommen. Auch Lilly ist erst spät nach Aydas Weggang weinend in ihren Armen eingeschlafen. Jetzt erwarteten sie ihr Frühstück. Andrea hatte durch das kleine Fenster gesehen, wie ihre Wache das andere Haus mit einem Tablett verlassen hatte und sich auf den Weg zu ihrer Bleibe machte. Sie erwartete jeden Moment, dass die Tür aufgeschlossen wurde und der Mann eintrat. Sie hörte den Schlüssel im Schloss, sah die sich senkende Klinke. Aber dann erschrak sie!

    Gleichzeitig mit dem Wachmann stürzte sich katzengleich eine Gestalt in den Raum und riss ihn zu Boden, der Angreifer wurde von dem Tablett am Kopf getroffen und ließ seine Waffe fallen. Wie hypnotisiert starrte Andrea auf die silberfarbene Pistole mit dem Holzgriff. Semir? Dieser schien der Wache allerdings unterlegen zu sein. Im Laufe des entstandenen Zweikampfes, erhielt er einige empfindliche Schläge, bis die Wache in den Besitz der Waffe kam, auf Semir anlegte und zwei Mal abdrückte, bevor er von dem reinstürzenden Alex zurückgerissen und überwältigt werden konnte. Andrea hielt Lilly schnell die Augen zu und wandte den Kopf ihrer kleinen Tochter zur Seite, selbst starrte sie wie gebannt auf die Szenerie. In ihr fuhren die Gefühle Achterbahn. Die Erkenntnis, dass Ayda es geschafft haben musste und in Sicherheit war, wurde jetzt überlagert von der Sorge um Semir, der getroffen am Boden lag und sich nicht rührte.

    Nachdem Alex auch diesem Mann Fesseln angelegt hatte, ging er erschrocken neben Semir in die Knie, zog ihm den Reißverschluss der Jacke nach unten und öffnete die Klettverschlüsse der Schussweste, in der die Projektile stecken geblieben waren. „Semir! Los, Komm zu dir! Wir müssen uns beeilen!“ Er zog seinen sich jetzt langsam wieder regenden Partner in eine sitzende Position. „Was?“ fragte Semir mit schmerzverzerrtem Gesicht und griff sich mit einer Hand an die schmerzende Brust, „Oh Mann, das hat gesessen.“ Andrea fiel ein Stein vom Herzen und auch Lilly erkannte jetzt, wer in die Hütte gestürmt war und fiel ihrem Vater in die Arme. Dieser rappelte sich langsam an der Wand auf, hielt seine Tochter im Arm, hob dann seine Waffe vom Boden auf und sah Andrea an, die sich zögernd von der Matratze erhob.

    "Ich will mit Alex arbeiten - oder gar nicht!"

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    • 25. Juni 2014 um 08:19
    • #23

    Und weg

    „Papa, wir wussten, dass du kommst“, strahlte Lilly und Andrea fügt hinzu: „Wir haben es wirklich gehofft. Also hat Ayda es geschafft?“ Semir nickte und hatte immer noch Mühe richtig Luft zu holen. Die Projektile hatten es zwar nicht durch die Schutzweste geschafft, der Schlag war dennoch heftig. Jetzt stand Andrea vor ihm. „Ich bin froh, dass ihr gekommen seid. Danke.“ – „Seid ihr in Ordnung?“, fragte Semir. Andrea wusste nicht wirklich, wie sie sich verhalten sollte, der Mann, den sie wegen eines anderes verlassen hatte, rettete sie aus einer Situation, in die sie ohne diesen anderen Mann wahrscheinlich nie gekommen wären. Sie war sich unsicher, wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, meinte aber, dazu nicht das Recht zu haben und hielt sich lieber zurück. Zum Glück unterbrach Alex das Schweigen. „Könnt ihr euer Wiedersehen später feiern? Wir sollten uns beeilen.“ Alex hatte inzwischen auch den anderen Mann in die Hütte gezerrt und beide an die Heizung gefesselt. „Alex hat Recht, wir müssen los.“

    Alex ging vor zur offen stehenden Tür, blickte sich vorsichtig um und lotste Andrea am Haus vorbei in Richtung Gebüsch. Semir folgte langsam mit Lilly. Durch den Wald bahnten sie sich ihren Weg in Richtung Straße. Sie hielten ihre Umgebung ständig im Auge, waren sich aber sicher, unbeobachtet davon gekommen zu sein und nicht verfolgt zu werden. Jetzt, an der Straße angekommen, rief Alex die Kollegen an und ließ einen Streifenwagen kommen, um die beiden Männer abzuholen und zur PAST zu bringen. Alex entschied sich, auf die Uniformierten zu warten, Semir sollte doch mit Andrea und Lilly nach Hause fahren und dann später zur PAST kommen. Alex würde schon mal mit der Vernehmung anfangen. Semir verabschiedete sich von seinem Partner: „Danke, Alex. Ohne dich hätte ich das heute nicht geschafft.“ Der Angesprochene nickte lächelnd und schlug Semir stumm auf die Schulter. Dann drehte er sich um und ging wieder zum Waldweg zurück.

    Als sie endlich im sicheren Dienstwagen saßen und Ben kurz Bescheid gesagt hatten, blickte Semir Andrea in die Augen. „Andrea, kannst du mir verraten, was zum Teufel ihr hier macht? Was predigen wir seit Jahren unseren Töchtern? ‚Steig niemals zu Fremden ins Auto!‘ Und was machst du? Was sind das für Typen? Was wollen die von euch? Hat Robert etwas damit zu tun?“ – „Ich weiß es nicht, Semir. Sie kamen am Samstag, machten einen netten Eindruck und sagten, Robert würde auf uns warten. Er hatte uns ja vorher selber angerufen. Ich habe ihnen vertraut.“ Es entstand eine kurze Pause, dann fügte Andrea kleinlaut hinzu: „Ich habe mich ganz schön dumm verhalten, oder?“ Dem hatte Semir nun nichts mehr zu entgegnen, richtete seinen Blick nach vorne auf die Straße und fuhr los.

    Was weder Semir noch Alex bemerkt hatten war, dass eine dritte Person aus dem oberen Stockwerk des Nachbargebäudes die Überwältigung beider Wachen beobachtet hatte und just in dem Moment, in dem Semir von den Schüssen in seine Schutzweste benommen in der Hütte lag und Alex damit beschäftigt war, den zweiten Mann vom Holzstapel in die Hütte zu schleppen, die Flucht durch die dem Geschehen abgewandte Hintertür des Hauses antrat und durch den Wald entkommen konnte. Während Alex sich wieder auf den Weg zu dem Anwesen machte, um dort auf die Kollegen zu warten, war dieser dritte Mann bereits auf und davon.

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    • 26. Juni 2014 um 09:14
    • #24

    Wieder vereint

    Andrea und Lilly wurden von Ben erleichtert begrüßt, der in der Zwischenzeit Kaffee gekocht und bei der Bäckerei im Nachbarhaus belegte Brötchen gekauft hatte. Nachdem sie sich alle gestärkt und Lilly sich zu Ayda auf die Wohnzimmercouch gekuschelt hatten, sagte Andrea leise: „Semir, ich würde gerne Robert anrufen.“ – „Nein!“, entgegnete Semir eine Spur schärfer, als er eigentlich wollte, mäßigte aber gleich darauf seine Stimme, „Andrea, du kannst Robert jetzt nicht anrufen.“ – „Aber er muss doch erfahren, ... Semir, das kannst du mir nicht verbieten!“ – „Andrea, ich will dir nur helfen“, entgegnete Semir mit sanfter Stimme, „und ich werde auch Robert helfen, wenn er mit der Sache nichts zu tun hat. Aber sollte ich herausfinden, dass er auch nur einen Funken Mitschuld daran trägt, dass meine Kinder tagelang von fremden Männern gefangen gehalten wurden, dass Ayda mitten in der Nacht an einer einsamen Landstraße auf Hilfe warten musste, wenn ich das rausfinden sollte, Andrea, dann wird Robert mich richtig kennenlernen!“ Kurz darauf fügte er noch hinzu: „ Ihr seid vor vier Tagen aus seinem Haus entführt worden, und der gnädige Herr Robert hat es nicht für nötig befunden, mich zu informieren, weder mich als Vater von Ayda und Lilly, noch die Polizei im Allgemeinen. Andrea, ich möchte erst sicher gehen, dass er nichts mit der Sache zu tun hat, bevor er erfährt, wo ihr seid.“

    Andrea schluckte, sah Ben an. „Semir hat Recht, Andrea“, äußerte der seine Meinung, „Weiß Robert, wo du wohnst, Semir? Dann sollten Andrea und die Kinder vielleicht nicht allzu lange hier bleiben.“ Semir blickte Andrea fragend an, die ihren Blick senkte. „Ich finde ein Versteck“, bestimmte Ben.

    „Warum hat die Schule nicht nach Ayda gefragt? Oder der Kindergarten sich nach Lilly erkundigt?“, fiel Semir ein, aber dafür hatte Andrea eine Erklärung parat: „Ich musste eine Entschuldigung unterschreiben für beide Kinder.“ – „Andrea, bitte versuche dich an jede Einzelheit zu erinnern. Was ist am Samstag passiert?“

    „Okay, Es war am Samstag, nachmittags, noch vor der Kaffeezeit, vielleicht 14:00 Uhr. Ayda, Lilly und ich waren allein. Robert musste an dem Tag ins Büro.“ – „Am Samstag? Kam das öfters vor?“ – „Nein, nur von Zeit zu Zeit, vielleicht alle sechs Wochen. Es wäre noch etwas vorzubereiten für Montag, sagte er. Er wollte etwa 2-3 Stunden arbeiten.“ – „Okay, weiter. Ihr ward zuhause. Was geschah dann?“ – „Ayda machte noch Hausaufgaben, Lilly malte und ich habe gelesen. Dann hat Robert angerufen und gefragt, ob wir uns mit einigen Freunden von ihm in der Stadt treffen wollten, er wäre gleich fertig mit seiner Arbeit. Diese Freunde würden uns abholen. Etwa eine halbe Stunde später klingelte es an der Tür. Es waren zwei Männer vor der Tür, einer wartete im Auto.“ – „Waren das die Männer, die wir heute festgenommen haben?“, als Andrea nickte, fragte er weiter „Und der Dritte, war der heute etwa auch in eurem Versteck? Wir haben dort nur zwei gesehen.“ In Semir machte sich Unbehagen breit, was wenn sie einen dritten Mann übersehen hatten? Doch Andrea schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube nicht, wir haben die ganzen Tage nur diese beiden Männer gesehen. Aber ich kann natürlich nicht ausschließen, dass noch mehr da waren, die sich uns nur nicht genähert haben.“ – „Was für ein Auto fuhren sie?“, fragte Semir weiter. “Ich kannte den Typ nicht, hinten saß man sich gegenüber, vielleicht Mercedes, Ledersitze, schwarz, recht neu“ – „Gut, das finden wir raus, da gibt es nicht allzu viele, die in Frage kommen. Kennzeichen hast du dir nicht gemerkt?“ – „Nein. Wir sind einfach eingestiegen und mitgefahren“, Andrea legte eine Pause ein, „Mann, was war ich doof!“, fluchte sie kopfschüttelnd. „Nicht unbedingt, Andrea. Du konntest ja nichts ahnen. Und wer weiß, was euch passiert wäre, wenn ihr euch geweigert hättet? Hast du eine Ahnung, worum es bei der Sache geht?“ – „Nein“, verneinte Andrea, „keinen blassen Schimmer. Sie haben nicht mit uns geredet, ich sollte die Entschuldigungen unterschreiben, dann haben sie uns in diese Hütte gesperrt und allein gelassen. Wir bekamen zu essen und zu trinken, ansonsten haben wir nie jemanden zu Gesicht bekommen.“ – „Wir fahren nachher zur PAST und vernehmen die Kerle“, versprach Semir.

    Die Tür zur Küche, in der sie saßen, öffnete sich, und beide Kinder tappten barfuß über die Fliesen. Lilly kletterte wortlos auf Semir Schoß und schlief dort wieder in seinem Arm ein, während Ayda ihrer Mutter glücklich und erleichtert in die Arme fiel. Sie streichelte ihrer großen Tochter über die Haare und drückte sie an sich. „Danke“, flüsterte sie ihr ins Ohr.

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    • 27. Juni 2014 um 09:38
    • #25

    Baufirma Wilckens

    Es klopfte und die Sekretärin betrat das Büro ihres Chefs. „Herr Wilckens? Ihr Sohn steht draußen, er sagt es sei sehr dringend.“ – „Soll reinkommen, danke, Claudia. Bringen sie uns Kaffee? Wie viel Zeit bleibt mir bis zum nächsten Termin?“ – „Noch 45 Minuten, Herr Wilckens, ich sage Ihnen dann Bescheid“, entgegnete die brünette Mitvierzigerin, die mit ihren streng nach hinten frisierten und zu einem Dutt gefassten Haaren und der schwarzgeränderten Brille Ähnlichkeit mit einer Dorfschullehrerin aufwies, und schloss die Tür. Sie war nun schon über 20 Jahre in der Firma, hatte sich von der unbedeutenden Schreibkraft zur Chefsekretärin empor gearbeitet.

    Keine Minute später stand Frank Wilckens im Büro seines Vaters und setzte sich gleich in einen der ledernen Besucherstühle. „Vater, sie sind entkommen. Ich..“, er unterbrach sich, da Claudia das Büro mit einem kleinen Tablett betrat und zwei Kaffeetassen auf den Tisch stellte, dazu Milch, Zucker und etwas Gebäck. Erst als sie den Raum wieder verlassen hatte, brach es aus Horst Wilckens heraus: „Was! Wie konnte das passieren? Habt ihr nicht aufgepasst?“ – „Doch, Vater. Ich war im Haus und habe es durch das Fenster beobachtet. Kai-Uwe schlenderte über den Hof und hielt Wache, und Olaf ging mit dem Frühstück zu der Frau und den Kindern. Dann kamen zwei Männer aus dem Wald, der eine überwältigte Kai-Uwe und schlug ihn bewusstlos, der andere kämpfte mit Olaf, als dieser die Hütte betrat. Aber Olaf konnte siech wehren, konnte die Waffe des Angreifers nehmen und schoss auf ihn, aber er muss eine Weste getragen haben, jedenfalls habe ich ihn nachher wieder gesehen. Ich bin dann durch den Hinterausgang raus und zur Straße gelaufen.“ – „Moment, ich verstehe nur Bahnhof. Du willst mir sagen, zwei Männer haben die Frau und die zwei Gören befreit? Wo sind Kai-Uwe und Olaf jetzt?“ – „Da ist Polizei gekommen, ich vermute, die beiden Männer waren auch Polizisten, so wie die vorgingen. Sie werden Kai-Uwe und Olaf mitgenommen haben.“ - „Woher wussten die von dem Versteck? Ob Robert geplaudert hat? Aber das hätten wir doch mitbekommen, den überwachen wir ständig, und der hat solche Angst um die Frau und die Kinder. Der hätte niemandem etwas gesagt. Außerdem kennt er den Hof ja auch gar nicht, weiß nicht, wo seine Familie war. Nein, ich glaube nicht, dass wir ein Leck haben, aber überprüf‘ das bitte! Glaubst du, dass Olaf und Kai-Uwe bei der Polizei schweigen werden?“ – „Ich denke schon, aber du solltest ihnen sicherheitshalber einen Anwalt zur Verfügung stellen. Den werden sie brauchen“, bat Frank seinen Vater. „Das werde ich. Und du holst Robert her, bevor die Polizei ihn aufsucht. Bis Mittwoch brauchen wir ihn noch, dann lassen wir auch ihn verschwinden.“ – „Du willst ihn…?“ – „Ja Frank, wenn zwei Leute ein Geheimnis haben, dann bleibt dieses Geheimnis nur geheim, wenn…“ – „… einer der beiden tot ist“, vollendete Frank den Satz seines Vaters. Der nickte nur. „Dieser Robert kann uns die Firma kosten, wenn er sein Wissen ausplaudert.“


    Ben hat eine Idee

    Semir saß Andrea gegenüber, trank einen Schluck Kaffee und schaute grübelnd in seine Tasse. „Kannst du dir vorstellen, wer euch hätte entführen sollen und warum? Ist bei Robert etwas zu holen? Setzt ihn jemand unter Druck? Und warum ist er nicht zur Polizei gegangen?“ Andrea schüttelte bei jeder einzelnen Frage ihren Kopf. „Ich weiß es doch nicht, Semir!“ – „Ist Robert reich, könnte er erpresst werden?“ – „Nicht dass ich wüsste. Ja, er hat ein gutes Einkommen, ein schönes Haus, aber Vermögen? Nein, ich glaube nicht.“ – „Was macht Robert beruflich?“ – „Er ist im Bauamt tätig, Baugenehmigungen, Ausschreibungen, viel Papierkram, Sitzungen im Bauausschuss.“ – „War da in letzter Zeit etwas Besonderes? Mehr Arbeit als sonst? Er war ja sogar am Samstag im Büro. Weißt du, woran er gerade arbeitet?“ – „Nein, er hat mir nie was erzählt.“ Ben stieß sich jetzt von der Küchenzeile ab und ging Richtung Flur, in der Tür drehte er sich zu seinem Freund um. „Semir, kommst du mal bitte?“ Semir zog die Stirn kraus und wollte schon etwas erwidern, aber Ben war schon im Wohnzimmer angekommen. Semir übergab die noch schlafende Lilly an Andrea, während sich Ayda auf einen eigenen Stuhl setzte. Dann ging er zu Ben.

    „Was ist denn, Ben?“, wollte Semir wissen und schloss die Wohnzimmertür hinter sich. „Semir, es gibt doch wirklich nur folgende Möglichkeiten: Robert wird erpresst und hat die Polizei nicht eingeschaltet, weil die Entführer dieses von ihm verlangten. Dann frage ich mich allerdings, warum er nicht wenigstens dich informiert hat.“ – „Ben, ich bin die Polizei in seinen Augen.“ – „Oder“, fuhr Ben fort, „er hat es nicht getan, weil er sich damit selbst schaden würde. Ich muss kurz was klären.“

    Ben zog sein Handy hervor und wählte eine Nummer aus dem Verzeichnis. Kurze Zeit später meldete sich sein Gesprächspartner. „Papa? Ich bin’s, Ben. … Ja, du pass auf, ich habe eine Frage. Hältst du es für möglich, dass ein Angestellter im Bauamt und Mitglied im Bauausschuss korrupt ist? … Hmm, nicht nur für möglich, sondern für sicher … Weißt du, ob gerade eine größere Ausschreibung im Ausschuss ansteht, dessen Ausgang für eine Firma von großer Bedeutung sein könnte? Du weißt, was ich meine, ein Großprojekt vielleicht? … Wie? Ein Bürogebäude mit Einkaufszeile? Am Mittwoch? … Wieviel?“ Ben pfiff angesichts der Summe, die ihm sein Vater nannte, anerkennend. „Nimmst du auch an der Ausschreibung teil? … Aha, ich verstehe. Danke, das war es schon. Oder Moment noch, hast du Namen von Firmen, die eventuell auch an dem Auftrag interessiert sein könnten? … Ja, Moment, ich hole was.“ Ben hielt kurz seine Hand vor das Mikro und fragte Semir nach etwas zu Schreiben, dann konzentrierte er sich wieder auf das Gespräch, nahm von Semir den gereichten Block und Kugelschreiber entgegen. „Papa? Kannst loslegen. Schreiber, Wilckens, du auch? Und wer, glaubst du, macht das beste Angebot? Schreiber, Wilckens zu teuer. Danke Papa, ich erkläre dir bei Gelegenheit, warum ich das wissen muss.“ Er beendete das Gespräch und begann, Semir das Erfahrene zu erläutern.

    „Also, Robert ist in diesem Bau-Ausschuss, der nächste Woche Mittwoch über die Vergabe eines Großprojekts entscheiden wird. Und wenn ich mir ansehe, wie dieser Robert lebt, sein ganzes Auftreten, sein Haus, sein Auto, dann glaube ich fest, dass er dort schon etwas zu sagen hat, also kein kleines Ausschussmitglied ist. Was wäre denn, wenn einer der Bieter ihn unter Druck setzen würde, so nach dem Motto ‚wenn ich die Ausschreibung gewinne, dann passiert dir und deiner Familie nichts‘ oder „dann zahlen wir dir einen Obolus…‘? Vielleicht hat Robert schon länger mal die Hand aufgehalten und jemanden zum Gewinn einer Ausschreibung verholfen? Vielleicht will er deshalb nicht zur Polizei? Korruption kennt nicht einen Täter und ein Opfer, sondern nur Täter, beide würden sich bei der Aufdeckung ihrer Machenschaften ans Messer liefern. Du solltest möglichst bald mit Robert sprechen. Und die möglichen Baufirmen überprüfen.“ Er reichte seinem Freund den Zettel mit den Firmennamen. „Deinen Vater auch?“ – „Ha“, musste Ben auflachen, „Semir, nein, mein Vater hat nur mitgeboten, um seinen Namen mal wieder ins Spiel zu bringen. Sein Angebot ist wahrscheinlich viel zu hoch, als dass er eine Chance hätte. Er kann nur einen Teil der ausgeschriebenen Gewerke selbst durchführen, für anderes bräuchte er selber Subunternehmer, das macht die ganze Sache teuer. Aber Schreiber und Wilckens solltet ihr euch vornehmen.“ – „Wilckens“, dachte Semir laut, „da waren wir doch diese Woche gerade?“

    Robert korrupt? Konnte das sein? Semir würde Andrea vorerst nicht mit diesem Verdacht konfrontieren, und er war Ben dankbar, dass er für dieses Gespräch die Gegenwart von Andrea vermieden hatte.

    Auch Andrea machte sich so ihre Gedanken. Warum waren sie entführt worden? War es überhaupt eine Entführung? Was hatte Robert damit zu tun? Warum hatte er nicht die Polizei gerufen oder sich bei Semir gemeldet? War er am Ende … Nein, das traute sich Andrea nicht mal zu denken.

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    • 28. Juni 2014 um 08:57
    • #26

    Roberts Haus

    Frank Wilckens verließ das Büro seines Vaters und fuhr zur Adresse von Robert. Hier war er am letzten Samstag zum letzten Mal gewesen, als Olaf, Kai-Uwe und er Andrea und ihre Kinder abgeholt hatten, um den Druck auf Robert zu erhöhen. Am Mittwoch sollte die Ausschusssitzung stattfinden, und auf die kam es ihnen an. Bis dahin musste Robert mitspielen. Es galt, den Zuschlag zu erhalten. Das Projekt würde die Kölner Niederlassung der Firma Wilckens mehrere Monate beschäftigen und ein gutes Einkommen sichern.

    Robert hatte dem Chef bereits gesteckt, dass das günstigste Angebot von der Firma Schreiber abgegeben worden war, einem großen Bauunternehmen aus Berlin. Jetzt musste Wilckens Bau aus anderen Gründen den Zuschlag erhalten. Das wirtschaftlichste Angebot zählte, und das musste nicht zwangsläufig das günstigste sein. Sie waren eine alteingesessene Kölner Firma und versorgten die Region mit etwa 1000 Arbeitsplätzen. Nahezu alle Gewerke konnten aus einer Hand erledigt werden, ohne den risikobehafteten Einsatz von Subunternehmern. Außerdem hatten sie bereits aussagekräftige Referenzen vorzuweisen, zuletzt ein Klinik-Erweiterungsbau in Bergheim und den Neubau zweier Autobahn-Rasthöfe, allesamt ohne Zeitverzug und im Budget, qualitativ hochwertig und mängelfrei abgeliefert. Genau das würde Robert in der Ausschusssitzung verkaufen müssen, so überzeugend, dass die Wahl trotz des höheren Preises auf Wilckens Bau fallen musste.

    Und ausgerechnet in dieser Situation verkündete er letzte Woche, aussteigen zu wollen aus dem Geschäft. Das musste unbedingt verhindert werden. Die Firma war auf diesen Auftrag angewiesen, eine Tatsache, die außer Horst Wilckens lediglich seine Buchhaltung wusste. Sonst sah die Auftragslage zurzeit nicht so rosig aus. Eine auf Großprojekte spezialisierte Firma konnte sich nicht nur mit Kleinkram über Wasser halten.

    So musste Robert zum weiteren Mitmachen bewegt werden, und da fielen ihnen die Lebensgefährtin von Robert und deren zwei Kinder ein. Frank hatte die Idee, die drei zu entführen und eine Freilassung von Roberts Mitarbeit abhängig zu machen. Nach der Ausschusssitzung, die dann hoffentlich positiv für die Firma Wilckens ausgehen würde, hätten sie die Familie wieder zusammen geführt. Und nun das! Die Frau und die Kinder waren nicht mehr in ihrer Gewalt. Und bis Mittwoch waren es noch einige Tage.

    Frank stoppte seinen Wagen gegenüber von Roberts Haus. Robert hatte durchaus etwas zu verlieren, dachte er bei sich, als er das Haus und die schicke schwarze Limousine auf der Einfahrt betrachtete. Aber sein Vater konnte sich nicht darauf verlassen, dass er sie nicht trotzdem verraten würde. Er ging auf die Haustür zu. Es war mittlerweile 9:00 Uhr. Er klingelte. Robert kam in Jeans und Hemd zur Haustür. „Sie?“, fragte er erstaunt, als er den Sohn des Firmenchefs erkannte. „Ja, mein Vater möchte mit Ihnen reden, ich soll Sieabholen. Kein Anruf mehr, nur Schuhe an und mitkommen.“ – „Was will er denn noch? Er hat meine Freundin und ihre Töchter, reicht das nicht? Ich tue doch schon, was ich soll und kann.“

    Die Antwort ließ Frank aufhorchen, sollte Robert noch nichts von Andreas Befreiung wissen? Dann hatte sie sich also noch nicht bei ihrem Lebensgefährten gemeldet? „Das wird er Ihnen selbst sagen. Darf ich Sie nun bitten?“ Robert holte von drinnen nur noch seine Jacke, zog sich Schuhe über und zog die Tür ins Schloss. Nachdem er sein Haus verschlossen hatte, trottete er hinter Frank Wilckens zu dessen Auto und ließ sich auf der Rücksitzbank nieder. ‚Worauf habe ich mich da bloß eingelassen?‘, dachte er bei sich, ‚Und wofür?‘.

    "Ich will mit Alex arbeiten - oder gar nicht!"

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    • 29. Juni 2014 um 10:17
    • #27

    Erste Verbindungen

    Die am Versteck festgenommenen Kai-Uwe und Olaf waren in der Zwischenzeit von Alex zur PAST gebracht worden und warteten dort auf ihre Vernehmung. Bis auf Angaben zu ihrer Person wollten sie ohne Anwalt nichts aussagen.

    Semir machte sich auf den Weg zur PAST, nachdem Ben ihm versprochen hatte, Andrea und die Kinder an einen sicheren Ort zu bringen, und der sicherste Ort, den er sich momentan vorstellen konnte, war die Villa seines Vaters. Konrad war auch gleich bereit, die drei bei sich aufzunehmen. Platz war genug vorhanden. Er ließ gleich zwei Gästezimmer herrichten und sagte seiner Köchin Bescheid, dass sie in der nächsten Zeit Gäste hätten. Zur Sicherheit, falls der Ort doch durchsickern oder jemand die Fahrt dorthin beobachtet haben sollte, blieb auch Ben vorerst bei seinem Vater.

    Die persönlichen Angaben von Olaf und Kai-Uwe reichten Susanne allerdings schon aus, um aus diversen Datenbanken eine Verbindung zur Baufirma Wilckens herzustellen. Olaf hatte von mehreren Jahren als Fahrer gearbeitet und Kai-Uwe war zur selben Zeit als Polier dort angestellt und auf mehreren Baustellen tätig. Die berufliche Zusammenarbeit wurde damals wegen kleinerer Delikte, die beiden hatten Baustellenmaterial und Kupferrohre gestohlen und verkauft, beendet. Olaf und Kai-Uwe waren beide fristlos entlassen worden. Sollte Wilckens nun zwei Handlanger gesucht und sich an seine ehemaligen Mitarbeiter erinnert haben, von denen er wusste, dass sie es mit den rechtlichen Vorschriften nicht ganz so genau nahmen?

    Da beide Verhafteten schwiegen, begann Susanne weiter im Internet zu suchen und stellte bald fest, dass Olaf in einem sozialen Netzwerk mit Frank Wilckens befreundet war, dem Sohn des Firmenchefs. Mit dieser Verbindung konfrontiert, knickte Olaf im Verhör ein und erzählte, sie wären von Frank Wilckens dafür angeheuert worden, ein paar Tage auf die kleine Familie aufzupassen. Die Frau und die Mädchen würden sich in der Hütte aufhalten und sollten gut versorgt werden, durften aber auf keinen Fall das Anwesen verlassen. Von den Hintergründen hatten sie nicht viel Ahnung. Für sie zählte nur das schnelle Geld. Sie wussten lediglich, dass der Mann der festgehaltenen Frau unter Druck gesetzt werden sollte, der würde beim Bauamt arbeiten und sollte durch die Entführung dazu „überredet“ werden, sich ein wenig für die Firma Wilckens einzusetzen. Als Semir dieses hörte, verließ er den Verhörraum. Er hatte genug erfahren.

    Alex konfrontierte sie noch mit den drei toten Buchhaltern in dem verlassenen Keller im Wald, aber da schalteten sie auf Stur und schwiegen. Sie wurden in die Zelle gebracht.

    Semir ging in sein Büro und rief Andrea an, erreichte aber nur Ben. „Andrea ist im Bad, soll sie dich zurückrufen?“, fragte dieser. „Ja, das wäre gut. Du Ben, ich glaube du hattest Recht. Robert wird anscheinend von Wilckens unter Druck gesetzt und soll der Baufirma Vorteile beim Amt verschaffen. Das haben die beiden Typen ausgesagt, die wir heute früh festnehmen konnten. Wir sollten jetzt Andrea damit konfrontieren. Sie kann mich im Büro erreichen.“

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    • 30. Juni 2014 um 09:11
    • #28

    Robert beim Firmenchef

    „Wir haben ein Problem“, begrüßte der Firmenchef den Angestellten des Bauamts, „Ihre Lebensgefährtin und ihre Kinder sind uns abhanden gekommen.“ – „Abhanden? Was soll das heißen?“ – „Sie sind weg, und zwei meiner Männer sind von der Polizei festgenommen worden. Damit haben wir jetzt ein Problem“, Horst Wilckens machte eine kurze Pause, um seine Worte auf Robert wirken zu lassen, „auf meine Leute kann ich mich 100%ig verlassen. Ich werde ihnen meinen Anwalt vorbeischicken. Aber wie sieht es mit Ihnen aus? Wo sind Ihre Freundin und die Kinder? Wer hat sie befreit? Wer die Polizei verständigt?“ – „Ich weiß es nicht, Herr Wilckens. Ich habe niemanden irgendein Wörtchen erzählt.“ – „Das ist wohl auch besser so, Sie stecken genauso tief in der Scheiße, wenn unsere Abmachungen bekannt würden, wie wir. Ich hoffe doch, dass Ihre Freundin - wie war noch ihr Name? Andrea? – nichts von unseren Geschäften weiß? Muss ich vielleicht jeden Moment damit rechnen, dass meine Sekretärin reinkommt und mir den Besuch von Ermittlungsbeamten ankündigt? Zumal letzte Woche schon jemand hier war.“

    Robert blickte auf den Boden. „Ich habe ehrlich keine Ahnung, das müssen Sie mir glauben. Sie haben mir versichert, sie kämen nach der Ausschusssitzung am Mittwoch frei, und darauf habe ich mich verlassen. Ich habe stillgehalten. Sie weiß von nichts, ehrlich!“ – „Mein Sohn sagte mir, dass heute früh zwei Männer zum Versteck kamen, zwei meiner Leute überwältigen konnten und mit der Frau und einem Kind entkommen sind. Mit nur einem Kind, hören Sie? Sie wissen, was ich denke?“ Der Firmenchef sah Robert herausfordernd an. „Ich denke, dass eine der Töchter Ihrer Lebensgefährtin entkommen konnte und Hilfe geholt hat. Meinen Sie nicht auch? Wie sonst hätten die das Versteck finden können. Es wusste niemand davon, auch Sie nicht. Und jetzt frage ich Sie: Wohin wird ein achtjähriges Mädchen mitten in der Nacht gehen, um Hilfe zu holen? Ganz alleine in der dunklen Nacht? Zu Ihnen anscheinend nicht, sonst hätten meine Leute das schon bemerkt. Haben Sie eine Idee? Vielleicht zu ihrem tatsächlichen Vater?“

    Natürlich wusste Robert, an wen sich Ayda wenden würde, aber er schüttelte trotzdem mit dem Kopf. Solange wie möglich sollten Andrea und die Kinder in Sicherheit sein. Semir, wie Robert Andreas Noch-Ehemann einschätzte, würde sie bestimmt an einen sicheren Ort bringen. Er wollte ihm dafür soviel Zeit wie möglich ermöglichen.

    „Bis Mittwoch werde ich Sie keinen Moment aus den Augen lassen, das sollte Ihnen klar sein. Geben Sie sich keine Mühe, es wird immer jemand von meinen Leuten an Ihnen kleben. Sollten wir mitbekommen, dass Sie versuchen, sich anders als in unserem Sinne zu verhalten, werden Sie unsere Rache spüren. Sie werden sich nicht dauerhaft vor uns verstecken können. In ein paar Tagen ist die Geschichte vorbei, und wir gehen getrennte Wege. Haben wir uns verstanden?“ Der Firmenchef war deutlich geworden.

    Frank Wilckens betrat das Büro seines Vaters und gab Robert mit einem eiskalten Grinsen seine Sachen zurück, die er ihm vorher abgenommen hatte.

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    • 1. Juli 2014 um 09:02
    • #29

    In Sicherheit

    Robert ging nach Hause, er war sich sicher, dass er mit irgendwelchen Peilsendern oder Wanzen ausgestattet worden war und traute sich kaum, sich zu bewegen. Was könnte er tun? Wen könnte er über seine Lage informieren? Und vor allem wie? Telefon schied aus, sein Smartphone war auch in fremden Händen gewesen. Als er ziellos durch sein Haus strich, blieb er an der Pinnwand stehen und blickte über die ganzen Notizzettel. Sein Blick blieb an einem Zettel hängen, auf dem eine Reihe von Handy-Nummern standen, für alle Fälle, falls bei Stromausfall das Telefon nicht funktionierte und sie von einem fremden Apparat telefonieren mussten. Er hatte darüber gelacht, als Andrea ihre und seine privaten und beruflichen Nummern aufschrieb, aber da keines der Kinder ein Handy besaß, in dem die Nummern hätten gespeichert sein können, fand er dieses Vorgehen in Ordnung. Die Buchstaben des Namens Andrea tanzten vor seinen Augen. Wie könnte er sie erreichen, ohne sein Smartphone zu benutzen und ohne zu sprechen? Er grübelte, dann fiel ihm etwas ein. Im Keller lag ein Karton mit gebrauchten Handys im Regal, u.a. ein Prepaid-Handy vom letzten Urlaub. Vielleicht war noch ein Restguthaben drauf? Notruf ging immer, aber konnte man an den Notruf eine SMS schicken? Er schloss die Schnur an und begann, den Akku aufzuladen. Dann schrieb er eine SMS an Andrea. „Werde beobachtet, brauche Hilfe. Bin morgen, 13:00 auf der Hunsrücker Straße, Höhe Hausnummer 110 unterwegs. Hilf mir! Bitte!“ Die Hunsrücker Straße war sein bevorzugter Ort für die Mittagspause, es würde also nicht groß auffallen, wenn er dort wäre. Aber Mist, der nächste Tag war ein Samstag, eigentlich kein Arbeitstag. Aber einen Besuch im Büro wird er auch am Wochenende begründen können, gerade vor diesem wichtigen Ausschuss am Mittwoch.

    Andrea richtete sich mit Ayda und Lilly bei Konrad ein. Sie bevölkerten zunächst das Badezimmer und wuschen sich die tagelange Gefangenschaft von der Haut. Als sie frisch geduscht, in einem Bademantel gehüllt, ins Esszimmer trat, reichte Ben ihr ihr Handy und meinte: „Du sollst Semir im Büro anrufen, er hat dir etwas mitzuteilen.“ Andrea nahm das Gerät entgegen und stellte beim Blick auf das Display fest, dass auch eine SMS von Robert eingetroffen war. Sie las den Text und erstarrte. War Robert auch in Gefahr? Sie rief Semir an.

    „Andrea? Gut, dass du zurückrufst. Sagt dir die Firma Wilckens Bau etwas?“ – „Nein, nicht dass ich wüsste, warum fragst du?“ – „Hat Robert den Namen nie erwähnt? Es sieht so aus, als stünde er auf dessen Gehaltszettel und wollte jetzt wohl keine erwartete Gegenleistung mehr bringen. Es kann sein, dass er durch eure Entführung unter erhöhtem Druck gesetzt werden sollte.“ Jetzt kam Andrea auf Roberts SMS zu sprechen. „Ich glaube, Robert ist in Gefahr“, sie las ihm die SMS ihres Lebensgefährten vor, „ihr müsst ihm helfen.“ – „Wir werden ihm helfen, lies mir den Text noch einmal genau vor“, bat er Andrea und schrieb mit.

    Dann legte er sich mit Alex einen Plan zurecht und begann, alles Nötige für dessen Umsetzung zu organisieren.

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    • 2. Juli 2014 um 08:12
    • #30

    Wie kommen wir an Robert ran?

    Am Samstag betrat Robert um kurz nach halb eins die Hunsrücker Straße und schlenderte die dortige Ladenzeile auf und ab. Die Hunsrücker Straße war beidseitig von Geschäften gesäumt, kleineren Läden, Restaurants, die Mittagstisch anboten und um die Mittagszeit ihren Hauptumsatz erwirtschafteten. Er blieb an einem Imbissstand stehen, um sich eine Bratwurst zu kaufen, biss ein, zwei Mal ab und schmiss den Rest in den Mülleimer. Der Appetit war ihm schon länger vergangen. Sicher, es war seine Schuld, dass Andrea und ihre Töchter in Gefahr und Gewalt der Wilckens geraten waren, aber Robert war auch überzeugt davon, dass sie unbeschadet freigekommen wären, wenn sie noch die paar Tage bis Mittwoch ausgehalten hätten. Die Chance von Wilckens, den Zuschlag für den Bau des Büro-/Einkaufkomplexes zu erhalten, schätzte er nach wie vor recht hoch ein. Dann wäre die Firma zufrieden, Robert bekäme seinen Anteil, Andrea und die Kinder ihre Freiheit und alles wäre gut. Aber Andrea, ganz die Bullenbraut, hat die erste Möglichkeit genutzt, sich befreien zu lassen. Er machte ihr deswegen keinen Vorwurf, aber es machte alles so viel komplizierter.

    Denn jetzt versuchte Wilckens natürlich, den Druck auf ihn anderweitig aufrecht zu erhalten. Er wusste, er wurde beobachtet, konnte aber niemanden entdecken. Mit Sicherheit hatten sie ihn verwanzt und ihm einen Peilsender untergejubelt. Er wusste nur nicht wo, und er traute sich auch nicht, danach zu suchen. Wenn er ohne den Sender das Haus verlassen hätte, hätten sie ihn sicher gleich geschnappt. Er brauchte nur noch bis Mittwoch mitzuspielen und durchzuhalten.

    Aber das war ihm jetzt zu riskant. Er wollte nicht enden wie die drei Buchhalter, die Wilckens im Wald hat einbetonieren wollen. Denn das würde ihm drohen, sobald dieser Auftrag unter Dach und Fach wäre, und zwar egal, ob Wilckens den Zuschlag erhielte oder einer seiner Konkurrenten. Er wollte, dass das ganze ein Ende hat, und zwar jetzt. Nachdem er gestern die SMS verschickt hatte, ging es ihm schon wieder besser. Andrea würde schon etwas einfallen. Dann würde er ihr alles erklären, sie würde ihn verstehen und ihm verzeihen, und er würde sich der Polizei stellen, damit dieser ganze Korruptionssumpf ausgetrocknet werden konnte. Vielleicht würde sich seine eigene Strafe dadurch sogar mildern? Das jedenfalls dachte Robert, während er so von Schaufenster zu Schaufenster ging.

    Robert war so tief in Gedanken versunken, dass er erst merkte, dass ein schlanker, dunkelblonder Mann neben ihm lief, als dieser zum Schein in die Freisprecheinrichtung seines Handys sprach: „Wir schauen uns dahinten die Postkarten an.“ Er bekam einen Kniff in den Oberarm, wollte erst etwas erwidern, dann aber wusste er, dass mit ‚uns‘ er selbst und dieser Unbekannte gemeint war. Keine dreißig Meter von ihnen entfernt hatte ein Buchladen zwei Ständer mit Ansichtskarten vor seinem Geschäft aufgestellt. Sie schauten sich unabhängig voneinander die Karten an. Dann entnahm der dunkelblonde Mann ein paar Karten aus dem Ständer und mischte unauffällig eine Karte aus der Innentasche seiner Jacke darunter, steckte die entnommenen Karten wieder in den Ständer zurück und wandte sich mit der verbliebenen Karte an Robert: „Wie finden Sie diese? Ich soll für meine Nichte eine Karte kaufen. Ist die gut?“ Robert, der nun eine Ansicht von Köln erwartete oder eine nette Spruchkarte, las den Text auf der Karte: „Oben an der Straße, dunkelgrüner Golf, K-AM 270. Ohne Eile einsteigen! Andrea“ Er atmete erleichtert auf. Sein Hilferuf hatte die Richtigen erreicht.

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    • 3. Juli 2014 um 09:04
    • #31

    Im Golf

    Robert schluckte und sah dem Mann zum ersten Mal ins Gesicht und die stechend-blauen Augen. „Die finde ich gut, die würde ich nehmen“, stammelte er, bemüht unbekümmert zu klingen. „Dann mache ich das. Vielen Dank und noch einen schönen Tag.“ – „Danke, Ihnen auch.“ Während sein Gesprächspartner mit der Karte den Buchladen betrat, begab sich Robert zurück auf den Bürgersteig und setzte seinen Weg fort. Im Buchladen zückte der Mann sein Handy: „Semir? Robert hat verstanden. Er kommt zu dir.“ – „Okay, danke, Alex. Und halte die Verfolger von mir fern.“

    „Was tut er?“, fragte Frank Wilckens ganz aufgeregt, als er aus seinem Auto heraus Robert beobachtete. „Er schaut sich Karten an und berät einen anderen Kunden, der sich jetzt für eine Karte entschieden hat“, meinte sein Beifahrer und setzte sein Fernglas ab. Gemeinsam sahen sie, wie Robert seinen Weg fortsetzte.Beide Seiten der Straße waren dicht zugeparkt, ein Stehen in zweiter Reihe nicht möglich, da dieses den gesamten Verkehr blockiert hätte. So blieb Frank nichts anderes übrig, als in seiner Parklücke stehen zu bleiben. Er würde sein Auto erst dann versetzen, wenn Robert diese Straße verließ oder aus ihrem Blickfeld trat.

    Alex verließ den Laden wieder und ging in die Seitenstraße, in der er seinen Dienstwagen geparkt hatte. Er fuhr erst an Robert vorbei, dann an dem geparkten dunkelgrünen Golf, den sie sich für diese Aktion von Sönke, einem Streifenpolizisten der PAST, geliehen hatten, weil er wesentlich unauffälliger war, als der zivile Streifenwagen, und in dem Semir am Steuer saß und auf Robert wartete. Dann lenkte Alex seinen Mercedes wieder an den Straßenrand und hielt mit laufendem Motor an. Er griff sich einen Straßenatlas und tat so, als ob er ihn studierte.

    Robert erkannte den angegebenen Golf, änderte sein Tempo aber nicht, sondern ging geradeaus weiter, als ob er auch an diesem Wagen vorbeigehen wollte. Erst auf Höhe der Beifahrertür machte er einen Schritt zur Seite und stieg schnell ein. Er erkannte Andreas Noch-Ehemann als Fahrer. Ihr Verhältnis war auch in den letzten Monaten recht unterkühlt geblieben. Robert legte auch keinen Wert darauf, dieses zu bessern, aber nun scheint es, als wäre er ausgerechnet auf diesen Mann angewiesen. Sie gingen sich zwar nicht mehr an die Gurgel, aber sowas wie gute Bekannte würde aus ihnen in diesem Leben wohl nicht mehr werden.

    Statt einer Begrüßung legte Semir den ersten Gang ein, drehte die Musik lauter und lenkte den Golf von der Parklücke auf die Straße. „Anschnallen!“, befahl er Robert leise, stellte dann zufrieden fest, dass Alex sich in seinem Mercedes hinter ihn gesetzt hat und nun versuchen würde, die Lücke zwischen Semir und möglichen Verfolgern zu vergrößern und ihm so den Rücken freizuhalten. „Wo ist Andrea?“, wollte Robert von Semir wissen. „In Sicherheit“, antwortete Semir kurz angebunden, „auf dem Rücksitz liegt eine Tasche, ziehen Sie sich komplett um und leeren Sie Ihre Taschen aus.“ – „Was haben Sie vor?“ – „Beeilen Sie sich“, hörte er statt einer erklärenden Antwort, und Semir steuerte nun scharf nach links, um die Ausfallstraße aus der Stadt zu erreichen. Robert schüttelte den Kopf und begann, sein Jackett, das Hemd und die Hose auszuziehen und stopfte die Sachen in die vorher ausgeleerte Reisetasche. Er zog die Jeans, das T- und Sweatshirt an, die Sachen, die Andrea morgens noch aus seinem Haus geholt hatte. Angeschnallt auf dem Beifahrersitz zog sich diese Prozedur hin und entbehrte durchaus nicht einer gewissen Komik, zumal Semir sich auch keine Mühe gab, den Wagen ruhig auf der Straße zu halten, so dass manches Fahrmanöver ihn am schnellen Überstreifen der Ersatzkleidung hinderte. Semir konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, schaute aber gleich wieder ernsthaft abwechselnd in den Rückspiegel und auf die Straße.

    Auf dem Armaturenbrett lagen jetzt Schlüssel, Brieftasche, Portemonnaie, eine Taschenuhr und einzelne losen Münzen. Er deutete auf die Sachen und sah Semir fragend an. Der wies auf die Reisetasche und sagte leise: „Nehmen Sie die Papiere und das Geld raus, dann mit dem Rest ab in die Tasche. Wir haben keine Zeit, den Sender zu suchen und entsorgen einfach komplett alles.“ Robert tat, was Semir ihm sagte, zögerte aber bei seiner Taschenuhr. Er warf einen verstohlenen Blick auf Semir und, als der gerade konzentriert in den Rückspiegel sah, verschwand die Taschenuhr, ein Erbstück seines Vaters, in seiner Hosentasche.

    Eine Entscheidung von Bedeutung, wie sich sehr bald herausstellen sollte.

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    • 4. Juli 2014 um 09:08
    • #32

    Semir und Robert

    „Semir!“, meldete sich Alex über Funk, „die Luft sollte jetzt rein sein, ihr habt Zeit genug.“ Das bedeutete, sie hätten ausreichend Zeit, einen Ort für die Entsorgung von Roberts Sachen zu finden und weiterzufahren, bevor irgendein möglicher Verfolger in Sichtweite kommen würde. Dann wollten sie den Wagen wechseln und Robert in Sicherheit bringen.

    Parallel zur Straße fuhr ein langer Güterzug. Der brachte Semir auf eine Idee. Er erhöhte die Geschwindigkeit und raste an dem Zug vorbei, bis einige Kilometer später eine Brücke über diese Bahnstrecke führte, auf der Semir den Golf stoppte, ausstieg und die Tasche vom Rücksitz nahm. Er hielt die Tasche über das Geländer und wartete auf den Zug. Als die offenen Kohlen-Waggons unter ihm entlangbrausten, ließ er sie los, und die Tasche landete auf den Kohlen und entfernte sich rasch mit dem Zug. Semir setzte sich wieder hinter das Lenkrad. Robert schaute ihn erstaunt an: „Und jetzt?“ Semir grinste: „Wenn in der Tasche der Sender ist, dann fahren Sie jetzt mit der Bahn.“

    Innerhalb der nächsten halben Stunde, in der Semir die Landstraßen in Richtung Eifel öfters wechselte, erzählte Robert ihm nach Aufforderung seine Fassung der gesamten Geschichte:

    „Es begann vor vier Jahren, ich war im Bauamt schon mehrere Jahre mit der Vergabe von Bauaufträgen betraut, da lernte ich bei der Einweihung des neues Sportzentrums im Norden Kölns Horst Wilckens kennen, der sich bei mir noch mal für die schnelle, ungewohnt unbürokratische Abwicklung des Bauauftrags bedankte. Der Auftrag kam damals vollkommen korrekt zustand, Wilckens hatte einfach das beste Angebot abgegeben. Wir kamen ins Gespräch, verstanden uns auch ganz gut und zum Schluss lud er mich zum Golf spielen ein. In meinen Augen entwickelte sich eine Art Freundschaft. Wir trafen uns daraufhin öfters auf dem Golfplatz. Aber wie ich jetzt schon länger weiß, kennt Horst Wilckens keine Freundschaften. Jedes Wort, jede Tat, alles hatte seine Berechnung. Ich hätte ohne ihn niemals Zutritt zu diesem Golfplatz erhalten, alleine die Aufnahmegebühr übersteigt mein Jahreseinkommen bei weitem, aber das wusste ich damals nicht, ich kam ja schließlich auf Einladung dorthin.“

    „Sie haben damals keinen Verdacht geschöpft, nicht vermutet, dass Wilckens irgendwann einmal eine Gegenleistung erwartete?“, unterbrach Semir Roberts Erzählung.

    „Damals noch nicht, aber nach einigen Monaten lief wieder eine Ausschreibung und da bat er mich zwischen zwei Schlägen, sein Angebot doch zu befürworten, es ging damals um eine Straßensanierung, da gab es eh nicht viele Anbieter, ich hatte einen gewissen Ermessensspielraum, nutzte ihn, Wilckens bekam den Auftrag und ich ein Baugrundstück in Rodenkirchen. Und damit war ich drin. Austeigen hätte mich nicht nur den Job gekostet. Wenn ich heute zurück denke, ich hätte es natürlich wissen müssen. Aber irgendwie wollte auch ich ein Stückchen vom Kuchen abbekommen, ich hatte über Wilckens einige schräge Vögel kennen gelernt, die ihr Geld alle nicht auf ganz legale Weise verdient hatten, ich wollte gerne in dieser Liga mitspielen. So baute ich auf dem Grundstück ein schmuckes Haus, fuhr ein schickes Auto.“

    „Was haben Sie Ihren Kollegen erzählt?“ – „Meinen Kollegen erzählte ich etwas von einer Erbschaft, meinen Eltern von Prämien, meine Eltern verstanden sowieso nicht, was ich beruflich machte, sie waren froh, dass ich einen so gut bezahlten Job hatte und fragten nicht näher nach.“

    „Und Andrea?“ – „Andrea ja, Andrea hat nachgefragt, nahm mir die Geschichte mit der Erbschaft aber auch ab, denke ich. Aber sie brachte mich auch zum Nachdenken, und so wollte ich jetzt einen Schlussstrich ziehen und aussteigen, auch wenn es mich alles kosten würde, was ich habe, und ich dafür eventuell sogar ins Gefängnis gehen müsste.“

    „Und Wilckens will das verhindern? Weil es ihm auch an den Kragen gehen würde, wenn Sie auspackten? Denn bei Korruption gibt es nur Täter, keine Opfer.“ – „Ja, er hat ein Angebot für einen großen Bau abgegeben, ein Einkaufszentrum mit Büros, am Mittwoch ist die Ausschusssitzung, in der über den Auftrag entschieden werden soll.“ – „Und damit Sie bis dahin brav Ihre Füße stillhalten, hat er Andrea und die Kinder entführt?“, Semirs Stimme wurde lauter, er sah wieder Ayda vor sich, wie sie mitten in der Nach vor seiner Wohnungstür stand, sah Lilly und Andrea auf dieser Matratze in dieser Hütte kauern. „Ja, das war sein Sohn Frank“, lautete Roberts kleinlaute Antwort, „es tut mir auch …“

    Ein Funkspruch unterbrach Roberts Schilderung: „Semir! Pass auf!“

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    • 5. Juli 2014 um 09:36
    • #33

    Erwischt

    Die Stimme seines Partners klang aufgeregt. „Ein schwarzer Jeep hat mich gerade in die Botanik geschoben, Semir. Ich versuche, hier alleine wieder flott zu werden, aber es kann etwas dauern, er wird wohl bald bei euch sein.“ – „Alex, Danke. Beeil dich!“ Semir schaute angestrengt in den Rückspiegel. Er war in den letzten Minuten mehrfach abgebogen, wie konnte das sein? Er sah rasch näherkommende Scheinwerfer, die sich bald als zu einem schwarzen Jeep gehörend entpuppten. „Wie konnten die uns finden?“, fragte Semir, erst mehr zu sich selbst, dann sah er auf Robert, der nun etwas betreten zu Boden blickte. „Was haben Sie noch in Ihren Taschen? Haben Sie nicht alles weggeworfen?“ Robert rührte sich nicht. „Los, Taschen leeren!“, befahl Semir, und als er die Taschenuhr erblickte, sah er trotz des hohen Tempos Robert recht lange ins Gesicht. „Sie Trottel!“, war das Einzige, das ihm in der Situation einfiel und was er seinem Beifahrer ins Gesicht warf, „und wir waren ihnen eigentlich schon entkommen.“ Semir schüttelte seinen Kopf und griff das Lenkrad fester, er ahnte, dass sie im Grunde keine Chance gegen Frank Wilckens hatten.

    Der Jeep hatte die Lücke geschlossen, der Golf hatte dem schweren amerikanischen Geländewagen nicht viel entgegen zu setzen, und als er nun von hinten gerammt wurde, konnte Semir ihn kaum auf der Straße halten, er kam ins Schlingern und wurde beim nächsten Rammen in hohem Tempo von der Straße auf das benachbarte Feld katapultiert. Der Wagen überschlug sich mehrfach, hinterließ eine Spur der Verwüstung in der Rasennarbe und blieb schließlich beinahe kopfüber in einem Graben liegen.

    Die Airbags explodierten und fielen wieder in sich zusammen. Semir schlug hart mir dem Kopf gegen die Seitenscheibe, obwohl er instinktiv seine Arme schützend an seinen Kopf hielt. Robert stützte sich verkrampft am Armaturenbrett ab. Keiner von beiden würde später sagen können, wie oft sich der Wagen überschlagen hatte, vier Mal, fünf Mal? Die Schleuderaktion dauerte gewiss nur einige Sekunden, eine Zeitspanne, die den beiden Insassen allerdings endlos vorkam.

    Frank Wilckens war zufrieden, das ging einfacher, als er gedacht hatte, sie müssten sich jetzt nur noch Robert schnappen, den Polizisten ausschalten, und der ganze Plan wäre noch zu retten. Und sollte Robert diesen Unfall, der doch eine Spur heftiger verlief, als sich Frank ausgemalt hatte, nicht überlebt haben, dann müssten sie sich halt was Neues überlegen. Er hielt den Jeep am Straßenrand an, sein Beifahrer und er stiegen aus, zogen ihre Waffen und näherten sich dem Golf, an dem sich die in die Luft ragenden Räder noch drehten. An die Fahrertür war kein Herankommen, hier war der Wagen direkt am Grabenrand zum Liegen gekommen, aber auf der Beifahrerseite war mehr Platz. In dem Wagen war es ruhig. Der Fahrer hing kopfüber in seinem Sitz, augenscheinlich ohnmächtig. Robert war bei Bewusstsein, aber benommen. Er ließ sich wehrlos von Frank aus dem Wagen zerren. Sein Beifahrer beugte sich in den Wagen, nahm Semir die Waffe aus dem Holster, entlud sie, entfernte das Magazin und warf die Einzelteile in das Gras vor dem Wagen. Dann entfernten sie sich mit Robert von dem Unfallwagen.

    Semir kam nur Augenblicke später mit einem Ruck wieder zu sich und versuchte sich zu orientieren. Er saß angeschnallt auf dem Fahrersitz, aber irgendetwas war anders, ein Blick zur Seite verriet ihm, dass er auf dem Kopf gelandet war, und was er sah, gefiel ihm gar nicht. Er konnte gerade noch sehen, wie Robert von zwei Männern über den Rasen zu einem schwarzen Jeep gezerrt wurde. Der Griff zu seiner Waffe war ein Griff ins Leere. Er schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad „Verdammt!“

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    • 6. Juli 2014 um 10:39
    • #34

    Eingeklemmt

    Er musste hier aus dem Wagen raus, Alex Bescheid sagen, Verstärkung rufen. Aber zunächst führte er einen kleinen Körpercheck durch. Er hatte keine größeren Schmerzen, konnte seinen Kopf frei drehen, okay an der Seite hatte er sich gestoßen, das würde sicher eine Beule geben, seine Schultern konnte er kreisen, seine Arme waren in Ordnung. Dann versuchte er seine Füße zu bewegen und seine Beine anzuziehen und scheiterte. Es tat ihm nichts weh, aber er schaffte es nicht, seine Füße, die unter die Pedale gerutscht waren, anzuziehen. Sie waren hinter den Pedalen eingeklemmt. Kein Trick funktionierte, durch die Überschläge muss sich das Auto hier verzogen haben. Semir war in dem Wagen gefangen.

    Er wollte gerade das Funkgerät zur Hand nehmen, da sah er schon Alex Mercedes an der Straße halten und seinen Partner im nächsten Moment über die Wiese zum Golf laufen. „Semir!“ – „Alex! Ich bin hier drin!“ – „Das sehe ich, komm doch raus!“ Alex hatte die offene Beifahrertür erreicht und kniete sich hin, um hineinzuschauen. Dabei fiel sein Blick auf Semirs Waffe, die neben dem Magazin im Gras lag. „Was ist passiert?“ – „Ich war kurz weggetreten, da kamen sie, haben Robert aus dem Wagen gezerrt und mir die Waffe abgenommen. Als ich wieder zu mir gekommen war, sah ich sie noch den Jeep erreichen und weg waren sie.“ – „Und gefällt es dir, so kopfüber im Auto zu hängen? Komm doch raus!“ – „Geht nicht, ich bin eingeklemmt, kannst du dir die Pedale mal ansehen?“

    Alex krabbelte jetzt in den Golf und besah sich den Fußraum unter dem, bzw. jetzt über dem Fahrersitz. „Tja Semir, da kann ich nichts dran ändern, auch Stiefel ausziehen wird nichts bringen, ich rufe die Feuerwehr, die kann die Pedale abschneiden.“ Alex zog sich wieder aus dem verunglückten Fahrzeug und zog sein Handy. „Susanne! Ja, rufst du uns eine Feuerwehr zur L218 bei Heimbach und gibst eine Fahndung raus nach einem schwarzen Jeep, Düsseldorfer Kennzeichen TZ 76, Danke! Ach und sag Sönke doch bitte, sein Golf hätte es leider nicht geschafft.“

    Während der Wartezeit erzählte Semir, was Robert ihm erzählt hatte. Für ihn und Alex stand fest, dass Robert nicht in akuter Lebensgefahr schwebte, solange die Ausschusssitzung am Mittwoch nicht abgehalten war. Danach würde Wilckens alles daran setzen, ihn als Zeugen verschwinden zu lassen, sie mussten ihn also spätestens am Mittwoch vor den Zugriffen der Baufirma schützen. Robert hatte den Fehler begangen, Wilckens bereits von seinen Ausstiegsplänen aus dem ganzen Korruptionsgeschäft erzählt zu haben und stellte nun eine ernst zu nehmende Gefahr dar. Sollte Wilckens Machenschaften an die Öffentlichkeit gelangen, wäre die Baufirma Wilckens, zumindest aber ihre Geschäftsführung am Ende.

    Nachdem die Feuerwehr unter Einsatz von Sägen und Scheren Semir aus seiner misslichen Lage befreit und dieser seine Waffe wieder in Empfang genommen hatte, kümmerten sich die Einsatzkräfte nun um die Bergung des Golfs und Alex fuhr mit Semir zu Bens Vater, wo Andrea auf Nachricht wartete. Gleichzeitig baten sie Susanne, eine Vorladung von Horst Wilckens zu erwirken, damit Alex ihn in die PAST bringen konnte. Es war an der Zeit, ihn einem gründlichen Verhör zu unterziehen. Außerdem würde er wissen, wohin sie Robert gebracht haben.

    Auf der Fahrt erfuhren sie, dass der Jeep auf Frank Wilckens zugelassen war, dem Sohn von Horst Wilckens.

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    • 7. Juli 2014 um 07:19
    • #35

    Andrea kommt ins Grübeln

    Andrea saß alleine im Esszimmer von Bens Vater. Dieser war im Arbeitszimmer beschäftigt, während Ben mit Ayda und Lilly ins nahe gelegene Schwimmbad gefahren war. Somit waren Andrea und Semir alleine, als dieser in der Villa von Konrad Jäger eintraf.

    Nachdem Semir zunächst berichten musste, dass er Robert bereits in seinem Wagen hatte, dann aber doch wieder an die Gangster verloren hatte, erzählte er Andrea alles, was ihm Robert im Auto anvertraut hatte. „Also doch!“, entfuhr ihr, „ich habe es geahnt, aber nicht wahrhaben wollen. Also gab es gar keine Erbschaft?“ – „Nein, alles, was Robert hatte, kam von Horst Wilckens als Gegenleistung für die Erteilung öffentlicher Aufträge. Robert steht mit einem Bein im Knast, mit dem anderen zurzeit in den Fängen der Baufirma. Andrea, es tut mir leid, aber sie haben Robert. Ich hatte ihn schon sicher im Auto. Er hatte seine Taschen geleert und sich komplett umgezogen, seine Sachen haben wir auf einen Kohlenzug geworfen, aber es muss noch einen Peilsender gegeben haben. Ich vermute mal in seiner Taschenuhr, die hat er nämlich nicht abgelegt.“ – „Das ist ein Erbstück seines Vaters, die würde Robert niemals ablegen.“ – „Und genau das ist uns heute beinahe zum Verhängnis geworden.“

    Andrea erwiderte darauf nichts. Das war die Bestätigung dafür, dass Robert sie angelogen hatte; er hatte ihr erzählt, das Grundstück und das Geld für das Haus hätte er von seiner Großtante geerbt. Und Andrea wollte es auch gerne glauben, zu sehr hatte sie es genossen, für Robert an Nummer Eins zu stehen, er hatte sie und auch die Kinder in seinem Haus aufgenommen und rundum verwöhnt. Verlässliche Arbeitszeiten, keine Gefahr mehr für Leib und Leben, keine nächtlichen Anrufe und Einsätze. Sie und ihre Töchter waren in Sicherheit. Ja, sie wollte seine Geschichte glauben und hat jeden Gedanken daran beiseite geschoben, es könnte irgendetwas nicht stimmen. Dass er im Bauamt, also im öffentlichen Dienst, nicht so viel verdient, um sich ein solches Anwesen in Köln leisten zu können, war ihr bewusst, war sie doch schließlich viele Jahre mit einem Beamten verheiratet und wusste daher, dass man von dem Lohn zwar leben aber sicher keine allzu großen Sprünge machen kann; hätte sie nicht immer ein wenig dazu verdient, wäre ihr eigenes Haus um einiges bescheidener ausgefallen und die Urlaubsreisen nicht so regelmäßig möglich gewesen.

    Nun hatte ausgerechnet Semir ihr die Bestätigung präsentiert. Robert hatte es ihm gegenüber zugegeben. Er war korrupt! Alles eine Lüge. „Ist er verletzt?“, wollte Andrea noch von ihm wissen. „Nein, ich glaube nicht. Er konnte über die Wiese zu dem Jeep laufen. Ich denke, es geht ihm gut.“ – „Und dir? Bist du ganz in Ordnung?“ Semir nickte nur. „Andrea, es tut mir leid, dass ich ihn verloren habe. Ich verspreche dir, ihn da rauszuholen, sobald wir wissen, wo er ist.“

    Andrea lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und blickte Semir schweigend an. In ihr verfestigte sich eine Frage: wollte sie wirklich wieder zurück zu Robert? Konnte sie mit dem Wissen leben, dass er sich eines Verbrechens schuldig gemacht hatte? Ein Mensch, der in Kauf nahm, sie und ihre Kinder nur des Geldes wegen in Gefahr zu bringen? Nein, das konnte sie nicht akzeptieren. Wie anders war da doch Semir, der sogar für die Rettung ihres korrupten Lebenspartners sein eigenes Leben aufs Spiel setzte und dem es niemals im Traum eingefallen wäre, Geld oder andere Gefälligkeiten anzunehmen. Sie dachte weit zurück an die Verkehrssünderin, die ihm einmal Musicalkarten einschließlich ihrer Begleitung versprochen hatte, würde er die Anzeige fallen lassen, die schließlich ihren Führerschein gekostet hatte, weil ihr Punktekonto in Flensburg überlief. Wie hieß es so schön? Mit 18 bekommst du den Lappen, mit 18 verlierst du ihn. Bei der Erinnerung daran musste sie trotz der angespannten Situation und ihrer momentanen Sorgen schmunzeln.

    „Was ist?“, fragte Semir, als er ihr Lächeln sah. „Ach nichts, das Leben ist nur manchmal ….“ Sie führte ihren Satz nicht zu Ende.

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    • 8. Juli 2014 um 05:57
    • #36

    Gefangen

    Nachdem Frank Wilckens mit seinem Kumpel und Robert die Stelle verlassen hatte, an der sie den Golf von der Straße gedrängt hatten, ging die Fahrt in zügigem Tempo zurück in Richtung Stadt. Robert dachte daran, wie knapp seine Befreiung gescheitert war. Semir hatte doch recht zuversichtlich geklungen, und jetzt hing er bewusstlos, eventuell schwer verletzt, oder sogar tot, nein daran wagte er nicht zu denken, in dem überschlagenen Wagen. Seine Bewusstlosigkeit hatte Semir heute aller Wahrscheinlichkeit nach das Leben gerettet, denn Frank Wilckens hätte ihn nicht als Zeugen einfach zurückgelassen. Und alles nur, weil er sich Semirs Anweisung, alles in die Tasche zu packen, widersetzt hatte und ihre Verfolger ihnen so auf die Schliche gekommen waren. Er war an Semirs Lage schuld. Dabei ging es ihm nicht um den Menschen Semir, der konnte seiner Meinung nach sein und bleiben, wo der Pfeffer wächst, aber Ayda und Lilly hingen nun mal an ihrem Vater. Für sie würde er sich wünschen, dass Semir den Crash unbeschadet überstanden hatte.

    Der Jeep bog jetzt von der Straße ab in ein altes Industriegelände und hielt vor einem zweistöckigen längeren Backsteingebäude. Frank führte Robert in den Keller und fesselte und knebelte ihn in einem kleinen Raum. „So, hier bleibst du bis Mittwoch. Ich bringe dir gleich etwas zu trinken und zu essen. Montag meldest du dich krank, versicherst aber deinen Kollegen, alles für die Ausschusssitzung vorbereitet zu haben und auch selbst daran teilnehmen zu können. Klar? Ich bringe dir noch den genauen Text.“ Robert nickte nur und fügte sich. Er rutschte an der Kellerwand auf den Boden und ließ den Kopf hängen. Bis zur Sitzung würde ihm nichts passieren, da war er sich sicher. Und die Polizei wusste von dem Termin, vielleicht gelang es ihm ja auch, vorher zu entkommen. Oder sie würden sich Wilckens schon vorher vornehmen. Anderenfalls würde er enden wie die Buchhalter, die sie einfach erschossen hatten. Da war er sich ganz sicher. Wilckens hinterließ keine Zeugen. Welche Möglichkeiten gab es für ihn? Entweder der Polizei gelang es, Wilckens noch vor Mittwoch zu überführen und ihn hier im Keller zu finden, dann würde er der Korruption angeklagt werden und wahrscheinlich für Jahre ins Gefängnis wandern. Er würde alles verlieren, Andrea eingeschlossen, die würde sicher nicht bei ihm bleiben oder auf ihn warten. Oder die Ausschusssitzung würde wie geplant stattfinden, Wilckens bekäme den Zuschlag, dann wäre er weiterhin in den Händen von Horst Wilckens. Hätte er bloß nicht schon erwähnt, aus dem ganzen Geschäft aussteigen zu wollen. Diese Bemerkung neulich brachte ihn jetzt in akute Lebensgefahr. Tod oder Gefängnis, so hießen seine Alternativen. Beides nicht erfreulich, das eine allerdings absehbar, das andere für immer.

    So vertieft in seinen Gedanken merkte Robert kaum, wie die Zeit verging, bis Frank Wilckens plötzlich wieder in dem Raum stand und ihm eine Tüte eines Fastfood-Restaurants reichte. Er löste Roberts Fesseln und den Knebel, der ihm am Schreien hindern sollte. Nach der Stärkung wurde sie Robert wieder angelegt.

    Dann machte sich Frank an eine ganz andere Arbeit. Stundenlang war alle paar Minuten der Lärm einer Schlagbohrmaschine zu hören.

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    • 9. Juli 2014 um 07:27
    • #37

    Horst Wilckens windet sich

    Gegen 19:30 klingelte Semirs Handy. „Semir hier“, meldete er sich. „Hier Alex, wir haben Horst Wilckens im Verhörraum. Willst du dabei sein?“ Semir ließ sich nicht lange bitten, sondern fuhr direkt in die PAST. Als er die Dienststelle betrat, war das Verhör schon in vollem Gange. Semir stand zunächst teilnahmslos an der Wand und hörte sich die Antworten an, die Horst Wilckens auf Alex Fragen parat hatte. Dann mischte er sich ein, und bekam kurze Zeit später einen Vortrag des Firmenchefs zu hören, der versuchte, sein Verhalten als das Normalste der Welt aussehen zu lassen.

    „Wissen Sie, Herr Gerkan, wie es ist, die Verantwortung über eine Firma mit 3000 Angestellten zu haben? 3000 Angestellte, das sind geschätzt 10.000 Menschen, die abhängig von unserer Auftragslage sind. Von Einfamilienhäusern, Renovierungen und anderen kleineren Dingen alleine können wir nicht existieren. Wir brauchen Großaufträge! Aufträge von Privatleuten schön und gut, wir haben einen guten Ruf, machen auch entsprechende Werbung und die Aufträge kommen, aber Aufträge von der öffentlichen Hand? Die werden teilweise europaweit ausgeschrieben. Geben Sie ein ehrliches Angebot ab, werden Sie von der Billigkonkurrenz aus Süd- und Osteuropa gnadenlos unterboten. Wir zahlen gute Gehälter, speisen unsere Arbeiter nicht mit Hungerlöhnen ab, und was ist der Dank dafür? Wir bekommen die Zuschläge nicht. Da heißt es so schön in den Vergaberichtlinien, es sei das wirtschaftlichste Angebot zu nehmen. Und das wirtschaftlichste Angebot ist in den allermeisten Fällen nicht das Angebot, von dessen Preis die Familien der Arbeiter ein gutes Leben haben werden, nein, in den allermeisten Fällen gilt als das wirtschaftlichste Angebot das mit dem niedrigsten angebotenen Preis. Das erhält den Zuschlag, und später wundern sich die Bauherren über katastrophale Zustände auf den Baustellen, in den Unterkünften der Wanderarbeiter, über Schwarzarbeiter, die bei Razzien des Zolls auffliegen, weil die Firma ihr eigenes Angebot nicht einhalten kann. Spätestens nach der Hälfte der Bauzeit kommt der Bau in Verzug, weil nicht genügend Arbeiter vor Ort sind, schließlich muss die Baufirma sparen und kurz darauf steht in der Zeitung, der Bau XY wird doppelt so teuer wie vereinbart oder es treten schon nach kurzer Zeit die ersten Baumängel auf. Ups? Wie konnte das bloß passieren? Wir haben doch das wirtschaftlichste Angebot angenommen? So läuft das, Herr Gerkan. Und wir kommen hin, geben ein ehrliches Angebot ab, bieten reelle Arbeitsbedingungen, halten den Zeitplan ein und das Budget, und ich sage Ihnen, wir wären unter Garantie unterm Strich günstiger gewesen, als der Konkurrent. Und glauben Sie nicht, die anderen würden nicht auch schmieren? Die ganze Branche ist ein Sumpf, was das angeht. Jeder kennt jemanden, der jemanden kennt, kleine Angestellte wollen vielleicht auch mal Golf spielen, an Gala-Diners teilnehmen, noch ganz ohne Hintergedanken. Bis dann der nächste Bauausschuss tagt. Und da sagt man, wir kennen uns doch, können Sie da nicht was machen? So läuft das Geschäft.“

    „Und das ganze läuft so lange gut, bis drei kleine Buchhalter über falsche Zahlen oder unbelegte Buchungen stolpern?“

    „Wiglad und seine beiden Kollegen aus der Buchhaltung? Ja, das ist das unschöne Gesicht der ganzen Sache. Wissen Sie, was die wollten? 125.000€ für jeden, dafür dass sie den Mund halten, und von jedem zukünftigen Geschäft nochmal einen Anteil. Darauf konnte ich nicht eingehen, Herr Gerkan, das müssen Sie doch verstehen.“

    „Und Walter Schmaller? Hatte der auch was damit zu tun?“ – „Walter Schmaller? Der Name sagt mir jetzt nichts“ – „Walter Schmaller hat als Fahrer für ihre Firma gearbeitet, Baustellen mit Nachschub versorgt, Arbeiter hin und her gefahren.“ – „Nein, damit ist er einer von etwa 35 Fahrern, die wir alleine hier in Köln haben, ich kenne nicht alle persönlich.“

    „Korruption, mindestens 3 Morde, Entführung, und wo ist Robert?“ – „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Mittwoch ist die Ausschusssitzung, wenn er da für uns Partei ergreift, dann ….“ – „Sie glauben doch wohl nicht, dass diese Ausschusssitzung noch stattfinden wird, Herr Wilckens!“ – „Nicht? Na, dann suchen Sie ihn doch!“ Jetzt wurde Semir ungehalten: „Wir werden ihre Firma mit Wirkung von heute an stilllegen, dann können Ihre 3000 Angestellte nach Hause gehen, dann ist es vorbei mit Golf spielen, wenn sie uns nicht verraten, wo Sie ihn versteckt halten, oder wollen Sie sich einen vierten Mord vorwerfen lassen? Also, wohin hat Ihr Sohn Robert gebracht?“

    Die Tür zum Verhörraum öffnete sich, und Susanne steckte ihren Kopf hindurch. „Semir, Alex, kommt ihr mal kurz?“ Semir nickte. „Überlegen Sie es sich gut, Herr Wilckens“, sagte er noch zu dem Firmenchef und trat mit seinem Partner in das Großraumbüro. „Was gibt es denn Susanne?“ – „Ich habe noch mal die naheliegenden Möglichkeiten untersucht. Die drei Buchhalter hätten in einem Fundament verschwinden sollen, da dachte ich, einmal Baustelle, immer Baustelle und habe mir mal die Baustellen angesehen, die in der näheren Umgebung liegen.“ – „Und?“, fragte Alex interessiert. „Wir suchen einen Ort, an dem eine Person einige Tage unbemerkt versteckt werden kann. Wenn wir jetzt mal ausschließen, dass die Wilckens Robert bei sich zuhause untergebracht haben, wo Hauspersonal, Angestellte usw. etwas bemerken könnten, kämen einige Baustellen in Betracht. Aus verschiedenen Gründen, z.B. weil es dort keine Häuser als mögliche Verstecke gibt, weil ein 24-Std-Betrieb herrscht oder weil sie zu weit weg liegen, habe ich die meisten von ihnen ausgeschlossen. Mein Favorit ist die ehemalige Firmenzentrale in Köln-Deutz. Und für das Gebäude liegt eine Genehmigung zur Sprengung vor, die soll am Montag erfolgen.“

    Konfrontiert mit dem Verdacht, schaute Horst Wilckens auf die Tischplatte. „Die Firmenzentrale wird abgerissen, wir bauen dort neu. Aber das Haus soll gesprengt werden. Das wäre doch nicht clever, wo wir Robert doch am Mittwoch brauchen.“ – „Sprengungen kann man verschieben, oder vertrauen Sie Ihrem Sohn blind?“

    Horst Wilckens - schwieg einen Moment zu lange, wie Kim fand. „Worauf warten Sie noch, meine Herren? Suchen Sie das Firmengelände ab.“ - „Er ist dort im Bürogebäude“, sagte der Firmenchef leise. „Wo genau?“, wollte Kim Krüger wissen, aber das konnte ihr Horst Wilckens nicht sagen. Das habe er ganz seinem Sohn überlassen.

    Semir und Alex eilten zu Alex Wagen und machten sich auf den Weg.

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    • 10. Juli 2014 um 09:05
    • #38

    Die alte Firmenzentrale

    Alex und Semir näherten sich dem alten Firmengelände der renommierten Baufirma Wilckens Bau. Die Hauptzufahrt war durch ein Flatterband abgesperrt. „Fahr hinten rum, Alex, da müsste sich dem Plan nach ein weiterer Zugang befinden“, sagte Semir zu seinem Partner, der am Steuer saß, „hier sieht uns womöglich noch jemand.“ Alex umrundete das Gelände. Hinter einer flachen Lagerhalle befand sich eine Tür im Zaun. Er stellte den Mercedes ab, und die beiden Polizisten verließen den Dienstwagen, nachdem sie sich mit Ohrstöpseln und kleinen Mikrofonen ausgerüstet hatten, um bei einem getrennten Vorgehen in Verbindung zu bleiben, und betraten anschließend durch die besagte Tür das Firmengelände. Auch hier war ein Flatterband gespannt, welches sie aber ohne zu Überlegen unterquerten, die Lagerhalle ließen sie rechterhand liegen. „Das Bürogebäude muss das Haus dahinten sein“, Semir wies auf ein zweistöckiges Gebäude hin. Dort sollte nach Aussage von Horst Wilckens Robert gefangen gehalten werden. In welchem Raum, das wussten sie nicht. Sie würden das ganze Haus systematisch absuchen müssen.

    Frank Wilckens ließ Robert in seinem Gefängnis zurück und verließ das Gebäude, ging auf dessen Rückseite, nahm die Sprengschnüre in seine Hand und ließ sie durch seine Finger gleiten, während er sich von dem Bürogebäude entfernte. Die Sprengung sollte eigentlich erst am übernächsten Tag erfolgen, aber wo sein Vater jetzt bei der Polizei saß, hielt er ein schnelleres Vorgehen für angebracht. Die Ausschusssitzung konnten sie auf keinen Fall mehr abwarten, die Polizei würde sie bestimmt absagen lassen. Jetzt galt es, Schadensbegrenzung vorzunehmen, Robert war ein wichtiger Zeuge, und er würde jetzt dafür sorgen, dass dieser Zeuge nicht würde aussagen können. Die Zündvorrichtung hatte er in einem Rucksack verstaut, den er auf dem Rücken trug. Alle Sprengladungen waren scharf, es würde zwar keine Bilderbuchsprengung geben, die eine Übertragung im Fernsehen wert wäre, dazu war er nicht Profi genug und hatte die Berechnungen auch nicht sauber genug durchgeführt, aber so oder so, es würde ein großer Schutthaufen übrig bleiben. Seine Baufirma würde die Trümmer beseitigen, Robert von den Fesseln befreien und von einem unschuldigen Opfer sprechen. So würden sie einen Aussteiger loswerden, den Auftrag eventuell verlieren, dafür aber die Firma retten können, wenn Robert nicht mehr würde aussagen können.

    Semir und Alex schalteten ihr Handy noch auf lautlos, zogen und entsicherten ihre Waffen, als sie auf die Türöffnung zu schlichen, bis sie links und rechts von dem Loch in der Mauer angekommen waren, in dem irgendwann vor geraumer Zeit einmal eine Stahltür gehangen haben muss, von den stabilen Angeln her zu urteilen. Gemeinsam betraten sie den langen Flur des Erdgeschosses, in dem sich auf beiden Seiten jeweils etwa acht bis zehn Büros aneinander reihten. An der Decke hingen unbenutzte Lampenfassungen aus dem Putz. Es roch unangenehm. Längst hatte Ungeziefer Besitz von dem alten Gemäuer genommen. Abgeblätterter Putz knirschte unter ihren Sohlen. Alex schlich auf der rechten Seite, Semir auf der linken, sie schauten in jedes Büro, stets bemüht, kein Geräusch zu verursachen, damit eventuell im Gebäude befindliche Wachen nicht gewarnt würden und stets darauf vorbereitet, auf Frank Wilckens oder Robert zu treffen. Aber das Erdgeschoss war leer.

    Am Ende des Flurs befanden sich ein Treppenhaus und ein weiterer Zugang zum Haus, ebenfalls ohne eingehängte Tür. Durch Handzeichen verständigten sie sich darauf, dass Alex nach oben gehen sollte und Semir sich den Keller vornehmen würde.

    Aus sicherer Entfernung beobachte Frank Wilckens, wie die Polizisten das Bürogebäude betraten. Er lächelte schief und fuhr mit seiner Arbeit fort.

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    • 11. Juli 2014 um 09:19
    • #39

    Befreiung

    Alex stieg leise die Treppe hinauf. Oben war die Teppichetage der Firma, wenige, dafür deutlich größere Büros lagen hier, ein Empfangstresen war noch erhalten, dahinter zwei Büroräume, zwei Toiletten- und Waschräume und ein großer gefliester Raum, der wohl, wie man anhand der Strom und Wasseranschlüsse leicht erkennen konnte, einmal eine Küche beherbergt hatte. Das Haus war komplett entkernt und vorbereitet für die anstehende Sprengung. Ebenso wie bereits im Erdgeschoss fielen ihm auch hier die angebrachten Sprengschnüre auf. Ihn juckte das Ohr und er nahm kurz den Ohrstöpsel raus, rieb sich die Ohrmuschel und platzierte ihn in dem anderen Ohr. Alex schaute auch hier gewissenhaft in jedes Büro, in jede Ecke, fand aber die obere Etage ebenso leer vor, wie zuvor das Erdgeschoss. Er begab sich wieder zum Treppenhaus, um nach unten zu gehen.

    Semir begab sich zeitgleich in den Keller, der einmal als Lagerraum gedient haben musste. Es roch feucht und muffig. Einige fest angebrachte Regale wiesen noch auf die ehemalige Verwendung des Untergeschosses hin. Er schlich den Gang entlang. Aus einer nur angelehnten Tür drang gedämpftes Licht in den übrigen Keller. „Alex“, flüsterte Semir, „ich glaube, hier unten ist er.“ Er erhielt keine Antwort seines Partners, hoffte dennoch, gehört und verstanden worden zu sein und näherte sich der Tür. Durch den Spalt sah er Robert. Er hockte auf dem Boden, an Händen und Füßen an einem eisernen Ring gefesselt, der in der Wand einbetoniert war und durch einen Knebel am Sprechen gehindert. Seine Versuche, sich zu befreien waren eindeutig sichtbar, aber wirkungslos, deuteten jedoch darauf hin, dass Robert alleine ohne Bewachung hier saß. Semir hob seine Waffe, so dass die Mündung an die Kellerdecke wies und schrammte einmal mit seinem Stiefel über den schmutzigen Kellerboden. Robert blickte auf und erkannte Semirs Gestalt im Lichtschein. Mit seinen Lippen formte dieser eine Frage. „Sind Sie alleine hier?“ Robert verstand und nickte, versuchte wieder, sich loszureißen, war aber ebenso erfolglos wie zuvor. „Alex, ich hab ihn“, sprach Semir, jetzt etwas deutlicher in sein Mikrofon, „wir kommen jetzt raus.“ Mit zwei Schritten war er bei Robert, holte sein Taschenmesser aus seiner Hosentasche und schnitt mit seinem Messer dessen Fesseln durch. Der Gefangene zog sich den Knebel aus dem Mund und redete gleich drauf los: „Frank Wilckens ist draußen und will jetzt noch sprengen. Wir müssen hier raus!“ - „Dann los! Alex, hast du gehört, das Haus wird gleich gesprengt, komm nicht in den Keller, wir treffen uns draußen!“ Robert war schon auf dem Gang zur Treppe, drehte sich dann aber noch mal um. „Danke, Herr Gerkan.“ Dann liefen sie, Robert etwa 10 m vor Semir Richtung Treppenhaus und rettendem Ausgang.

    Nachdem Kim Krüger von Horst Wilckens erfahren hatte, dass sein Sohn Frank das alte Firmengebäude dem Erdboden gleichmachen sollte und das möglichst noch heute Nacht, verlor auch sie keine Zeit, setzte sich in ihren Dienstwagen und brauste mit Blaulicht durch die Stadt. Sie ignorierte das Flatterband an der Haupteinfahrt und preschte auf das Firmengelände. Sie musste es schaffen. Sie hatte Semir und Alex per Handy nicht mehr erreichen können, musste aber davon ausgehen, dass ihre Männer sich bereits in dem Bürogebäude befanden. Schon von weitem sah sie einen Mann auf dem Boden kauern, mit einer kastenförmigen Apparatur beschäftigt und hielt auf ihn zu. Kim kam kurz hinter diesem Mann zum Stehen und sprang aus dem Wagen. „HALT POLIZEI! Warten Sie! NICHT SPRENG...!“ Doch Frank Wilckens ließ sich nicht mehr stoppen. Er senkte seinen Finger, der auf dem Auslöseknopf ruhte und drückte diesen bis zum Anschlag nach unten.

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    • 12. Juli 2014 um 09:46
    • #40

    Keine Chance


    „Sind Sie wahnsinnig? Da sind meine Leute im Gebäude!“, konnte sie gerade noch rufen, als sie das Grinsen von Frank Wilckens sah und nahezu genauso explodierte wie das ehemalige Bürogebäude vor ihren Augen. Innerhalb von drei Sekunden hatte sie den Sohn des Firmenchefs überwältigt und mit ihren Handschellen an ihre Wagentür gefesselt.

    Frank Wilckens war mit Sicherheit kein Profi-Sprengmeister, für solche Aufgaben hatte die Firma spezielle Angestellte oder beauftragte Spezialfirmen. Entsprechend dilettantisch führte er diese Sprengung durch. Die Sprengsätze lösten nicht in einer festen Reihenfolge aus,sondern mit Verzögerungen und unterschiedlich langen Pausen zwischen den einzelnen Explosionen. Aber sie zündeten. Alle. Ohne Ausnahme. Und es waren sehr viele Sprengsätze.

    Alex sprang nach der ersten Detonation, die unter ihm im Keller stattfand als er gerade die ersten Stufen des Treppenhauses zum Erdgeschoss hinab gestiegen war, durch das nächste Fenster auf den Platz vor dem Gebäude und blickte sich suchend um. Wo war Semir? War er schon draußen? „Semir“, rief er, lief dann am Haus entlang zur Eingangstür, um dort an der Kellertreppe fast mit Robert zusammen zu stoßen, der sich hustend aus dem staubgefüllten Untergeschoss befreite. „Wo ist Semir?“, fragte ihn Alex in Panik. Robert blickte sich um. „Er war hinter mir, dann plötzlich nicht mehr da. Die Wände sind hinter mir zusammengebrochen.“ Alex machte Anstalten, in den Keller hinabzusteigen, als eine weitereungleich heftigere Explosion das Haus erschütterte, ihn von seinen Beinen riss und Teile des Erdgeschossbodens, einschließlich der Kellertreppe in den Keller hinabstürzen ließ. Der Weg nach unten war versperrt. Alex rappelte sich hustend wieder auf. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als mit Robert, der sich im Türrahmen festhielt, zusammen das ehemalige Bürogebäude zu verlassen. Kurz darauf brachen auch die Außenmauern in sich zusammen. Es waren noch mehrere gedämpfte Detonationen innerhalb des Schuttberges zu hören. Dann war es still. Von der ersten bis zur letzten Detonation war weniger als eine Minutevergangen.

    Alex starrte wie gebannt auf den rauchenden Schutthaufen, konnte es nicht fassen. Nach mehreren Sekunden Reglosigkeit sprang er Robert an die Gurgel, krallte sich an dessen Hemdkragen fest. „Sie! Warum sind Sie nicht bei ihm geblieben? Sie hätten ihn mit rausbringen können! Da war genug Zeit. Er rettet Ihnen das Leben, und Sie bringen ihn um!“ Dann kam ihm ein Gedanke und leise fügte er hinzu: „Das passte Ihnen auch ganz gut in den Kram. Schließlich stand Semir zwischen Ihnen und Andrea. Es war die Gelegenheit.“ – „Brandt“, rief die herbeilaufende Krüger, „Lassen Sie den Mann los!“ Alex machte keine Anstalten, ihrer Forderung Folge zu leisten. Aber Kim blieb hartnäckig, griff nach seinen Händen. „Brandt! Lassen Sie mich Robert festnehmen.“ Jetzt blickte Alex seiner Chefin ins Gesicht und sie erschrak über das, was sie in seinem Gesicht lesen konnte. Alex begann es in Worte zu fassen. „Ja, machen Sie das“, Tränen begannen, Spuren auf seinem vom Baustaub schmutzigen Gesicht zu hinterlassen, „er hat Semir auf dem Gewissen!“

    Kim glaubte, nein hoffte, sich verhört zu haben. „Er hat was? Wo ist Gerkan?“ Statt zu antworten, drehte sich Alex um und blickte auf den Berg an Schutt und gesprengten Steinen. Kim brauchte einige tiefe Atemzüge, bevor sie ihr Handy hervorkramte und die Feuerwehr und das THW zur Räumung rief und anschließend ihre Kollegen in der PAST benachrichtigte. Robert fesselte sie ebenfalls und brachte ihn zu ihrem Dienstwagen. Dann stellte sie Frank Wilckens zur Rede. „Kann es Hohlräume im Keller geben? Und antworten Sie präzise, das könnte Ihnen noch zugute kommen. Also, gibt es Hohlräume?“ – „Nein, ich habe jeden Sprengsatz selbst gelegt und so dosiert, dass das Haus quasi zu Staubzerfällt, der Keller müsste vollkommen mit Schutt gefüllt sein.“ – „Keine Chance?“ Frank schüttelte mit dem Kopf und antwortete kalt: „Keine Chance!“

    Kim Krüger gab es auf. Sie musste sich der Wahrheit stellen, ihren besten Mann verloren zu haben, ausgerechnet bei der Rettung des neuen Liebhabers seiner Frau. Was für eine Ironie des Schicksals! Die Chefin der Autobahnpolizei blickte sich nach Alex um und fand ihn auf einem großen Stein sitzend, den Kopf in seine Hände gestützt. Seine Schultern zuckten. Alex Brandt weinte, weinte um seinen Kollegen, seinen Partner, dem ersten Partner seiner Laufbahn, dem er voll und ganz vertrauen konnte, in dessen Anwesenheit er sich absolut sicher fühlte.

    Kim ging vor ihm in die Knie und nahm ihn in ihre Arme. Auch sie konnte nun ihre Tränen nicht länger zurückhalten und weinte um den langjährigen Hauptkommissar, der sie mit seiner Sturheit oft zur Weißglut brachte und mit seinem Talent, seine Fälle ohne jede Rücksicht auf Staatseigentum zu lösen, der dabei aber eine der höchsten Aufklärungsraten des Landes aufweisen konnte.

    Gemeinsam dachten sie schweigend an Semir, bis die Einsatzwagen von THW und Feuerwehr vor ihnen standen und sie wieder in die bittere Realität zurückholten.

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    Einmal editiert, zuletzt von Yon (12. Juli 2014 um 10:28)

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