Auf der anderen Seite

  • Alles war dunkel, doch langsam, erfüllten Geräusche seine Ohren. Sie waren unverständlich und hallten. War es das also? War er schon tot? Wen würde ihn wohl erwarten? Gott, der Teufel oder noch schlimmeres? Sein Kopf schmerzte und es pochte heftig gegen den Schädelknochen. „Ben…“, hörte er nun leise, „Ben komm schon…wach auf!“ Leichter gesagt als getan, dachte er. Seine Augenlider waren schwerer als hundert Kilo Stemmeisen. Sie zitterten nur, wenn er versuchte, sie zu öffnen. Plötzlich fühlte er, wie jemand seine Hand hielt. Es war ein schwacher, zittriger Druck. Ausserdem spürte er den Stoff eines Verbandes. „Na los Partner…“, wurde er angefeuert und diese Stimme erkannte er sofort. Auch in einem dämmerigen Zustand. „Semir…?“ Seine Stimme war kratzig, brüchig und leise. Kaum hörbar. Er musste schlucken, damit wieder etwas Feuchtigkeit in seinen Hals kam. Nun konnte er langsam seine Augen öffnen, wenn auch nur einen Spalt weit. Doch die Silhouette, die ihn ansah, erkannte er sofort. Es stank fürchterlich nach Medizin und die Wände blendeten, da sie schneeweiss waren. In seiner Nase herrschte ein leichter Druck. Als er mit der Hand langsam dorthin ging, fühlte er eine Nasenkanüle. „Du bist im Krankenhaus…Ben. Oh, Allah sei Dank!“ Der Druck um die Hand verstärkte sich. Ein leises Piepen erfüllte nun seine Ohren. „Was ist passiert?“, fragte er und seine Stimme klang noch immer wie die, eines abgestürzten Rockstars mit Heiserkeit. Nun langsam lichtete sich der dichte Schleier vor seinen Augen und Semir wurde erkennbar. Er trug einen dunkelblauen Trainingsanzug. Er war leicht blass um die Nase und tiefe Augenringe zierten sein Gesicht. Ausserdem liefen ihm Tränen über die Wangen.


    Der Verband, den er gespürt hatte, war um die Hand gebunden, da eine Kanüle Semir noch mit Medikamenten versorgte. „Das hat Zeit Ben…“, meinte Semir leise und Ben hörte deutlich, wie dieser Schluchzer unterdrücken musste. Langsam glitt die Hand von der Nasenkanüle an den Kopf, wo ein Netzverband spürbar wurde, der eine dicke Gaze an den Hinterkopf drückte. Langsam kam alles wieder. Stromers Cousin, der Lale umbringen wollte, wie er sich auf ihn gestürzt hatte, doch ab dann, war alles weg.


    „Wie lange war ich weggetreten?“ Semir atmete tief durch. „Eineinhalb Wochen. Davon eine Woche warst du im Koma…“ Semirs Stimme stockte. „Man, als ich aufgewacht war hatte ich dich an meinem Krankenbett erwartet gehabt zusammen mit Andrea und den Kindern. Doch als Andrea nur dasass, mit dicken Krokodils Tränen wusste ich, dass was nicht stimmte!“ Der letzte Teil des Satzes war für Semirs Verhältnisse her, ungewohnt laut. Sie klangen, ungewohnt, vorwurfsvoll. Doch Ben wusste warum.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Semir löste seinen Griff von Ben und sank seinen Blick. Doch die bebenden Schultern sagten alles. "Ich bin ja noch da...", flüsterte Ben und versuchte zu lächeln. "Ja...aber es war arschknapp!" Semir hielt seinen Kopf immer noch gesenkt. "Semir..." Ben wollte sich aufrichten, doch ein furchtbarer Schmerz zog sich durch seinen Kopf und er musste liegen bleiben. "Dein Schädelknochen war angebrochen...du warst kurz vor einer Gehirnblutung...Andrea und die Chefin hatten schnell genug reagiert..." "Wie geht es ihr?" Semir grinste. "Du kennst sie doch, Unkraut vergeht nicht, sie terrorisiert schon wieder die PAST..." Ben lächelte. "Sieh mich an du türkischer Hengst!" Semir schüttelte mit dem Kopf. "Das gönn' ich dir nicht", gab er zurück. "Ich will dich gar nicht auslachen...wir reden schliesslich über mich..." "Eben...", murmelte Semir und klang dabei wie ein kleines Kind. Doch hob er den Kopf und Ben sah die dicken Tränen, die aus den Augen liefen. "Wie war das mit Krokodils Tränen?" Semir schnaubte. "Siehst du, ich kenne dich! Idiot!", zischte er und wusch sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. "Semir...ich wollte nicht dass deiner Tochter etwas passiert...Stromers Cousin wollte..." Semir nickte. "Andrea hat es mir erzählt...ich bin dir ja auch wirklich dankbar aber...Ben die haben dich schon über den Jordan laufen sehen!" "Wie du siehst, bin ich nicht drüber", erwiderte Ben lächelnd und sah, dass dies bei Semir rein gar nichts bewirkte. "Hilf mir mal, ein wenig aufrechter zu liegen, ich komm' mir schon vor wie auf einer Pritsche..." Semir nahm die Fernbedienung und konnte so Bens Bett ein wenig verstellen. "Danke Kumpel...", murmelte er und sah sich um. Er war in einem Einzelzimmer. Ausser Semir war niemand da. Als er aus dem Fenster sah, schien der Mond hell am Himmel. "Es ist mitten in der Nacht...", bemerkte Ben und Semir nickte. "Nun ja, ich hab über den Tag ein wenig geschlafen..." Ben schrak auf. Moment, wenn er über eine Woche weg war. Dann war ja bald...


    "Semir...wie viel Uhr ist es?" Semir sah auf seine Armbanduhr und zuckte mit den Achseln. "Eine Minute nach Mitternacht, wieso fragst du?" Ben rechnete nochmals nach. Doch...es konnte nur das sein! Er konnte sich nicht irren. Er streckte seine Arme aus. "Soll das ein Aufmunterungsknuddler werden?", fragte Semir perplex und sah, wie Bens Arme zitterte, also beugte er sich zu ihm runter und liess sich umarmen. "Alles gute zum Geburtstag mein türkischer Hengst...", sagte Ben leise und sang dann das berühmte Happy Birthday. Semir konnte nicht anders. Ihm liefen die Tränen in Bächen über die Wangen und er konnte die Schluchzer nicht mehr unterdrücken.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • "Nimm' mir die Augenbinde ab, bitte! Bitte!" Ben verdrehte die Augen. "Zwing mich nicht, dir eine reinzuhauen", grummelte er und fühlte sich wieder ein paar Wochen zurückversetzt. Er sass an dem Steuer seines weissen Porsches und neben ihm sass Semir, die Augen mit einem roten Tuch verbunden worden. "Aber, du entführst mich einfach von meinem Haus weg! Wieso soll ich dann nicht quängeln?" "Weil du einfach mal abwarten sollst", erwiderte Ben und fuhr in die Einfahrt des Waldes ein. Es war eine lange Zeit gewesen, die er und Semir im Krankenhaus verbringen mussten. Nun konnte er endlich das nachholen, was er mit Kim Krüger so lange geplant hatte. "Wieso machst du eine Kurve?", fragte Semir ungeduldig und Ben spürte, wie sich seine Hände verkrampften. "WART EINFACH AB!", schrie er in einer lautstärke, die die Fensterrahmen des Oldtimers zum zittern brachte und auch ein alter Hase wie Semir zusammenzucken liess. "Schon gut, reg' dich nicht so auf, denk' dran, was dir der Doktor gesagt hat! Du sollst dich noch nicht aufregen. Sonst kriegst du wieder furchtbare Kopfschmerzen..." "Die hab ich dank dir schon", fauchte Ben und kam bei der Lichtung an, zu der er kommen wollte. Er stieg aus und ging zu Semirs Seite. Er machte die Tür auf und streckte die Hand aus. "Nimm meine Hand, sie ist direkt vor deiner Nase." Semir tat, wie ihm befohlen wurde und er bekam Bens Hand schnell zu fassen. Er packte sie und wurde von ihm den dichten Waldweg entlang geführt. "Willst du mich heimlich in den Fluss werfen?", fürchtete Semir schon und Ben musste dieses Mal grinsen. "Was wenn?", fragte er zurück und Semir blieb stehen. "Das wagst du nicht", sagte er leise und Ben zog. "Natürlich nicht. Nun komm' mein türkischer Hengst!" Ben zog weiter und Semir tappste hinterher. "Na gut, ich vertrau' dir mal." Sie gingen weiter, bis Ben auf einmal stehen blieb und Semir in ihn reindonnerte.


    "Ein Stop, wäre wohl zuviel verlangt gewesen", grummelte Semir und Ben rieb sich den Rücken. "Hör auf zu meckern, du klingst wie mein Opa zu seinen besten Zeiten..." Ben nahm Semir wieder bei der Hand und stellte ihn genau vor sich. "So, ich werde nun die Augenbinde abnehmen..." "...und dann wirfst du mich in den Fluss?", fragte Semir und Ben stöhnte. "Der war nicht komisch!", zischte er und hörte Semirs Kichern. "Ich fand ihn gut", erwiderte er und spürte, wie die Binde abgenommen wurde. Und was er sah, liess sein Herz erhellen. "So mein türkischer Hengst, nochmals alles gute nachträglich zum Geburtstag!"

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • "Alles gute zum Geburtstag!", riefen alle. Semir befand sich in einer gigantischen Waldhütte. Sie war wundervoll dekoriert. Inmitten des Raumes standen alle, die Semir am Herzen lagen. Hotte, Dieter, seine Familie, sein Bruder uns sogar seine Chefin. Diese hatte ein Paket in den Armen. Sie schritt als Erste auf Semir zu. "Alles gute nachträglich", sagte sie zart und gab Semir das Packet. Er stellte es auf den Tisch. "Was ist da drin?", fragte er sie neugierig und sie grinste. "Ein persönliches Geschenk! Bitte, nehmen Sie es nicht allzuernst!" Semir zog eine Augenbraue hoch und öffnete es. Zum Vorschein kam eine Miniatur seines silbernen 3er BMWs. "Mal einer, der nicht kaputtgehen wird. Ich hoffe, er wird auf ihrem Schreibtisch einen guten Platz finden." Semir nickte mit einem strahlenden Lächeln. "Natürlich. Vielen Dank..." Er ging auf sie zu und traute sich nicht. Sie ergriff die Initiative und umarmte ihn. "Schön, Sie noch unter uns zu haben", flüsterte sie ihm ins Ohr und er nickte dankend.
    Der Abend verlief herrlich. Es wurde gegessen, getrunken und viel geredet. Schliesslich waren Semir und Ben lange ausgefallen gewesen und man wollte sich wieder auf den neusten Stand bringen. Doch Semir vergass eins immer nicht. Ben hatte ihm noch nichts geschenkt gehabt. Doch auch als alle Leute gegangen waren und er zusammen mit der Chefin und Andrea aufräumte, sagte sein Junger Partner nichts. Semir wollte nichts sagen. Vielleicht hatte Ben nicht daran gedacht. Schliesslich hatte es schlechter um seinen Partner gestanden, als um ihn.


    Die Chefin verabschiedete sich als Letzte und fuhr nach Hause. "Dann werde ich auch mal gehen, Schatz, bis naher!" Andrea küsste ihren Mann und ging mit den Kindern in den Wagen und fuhr davon. "Bringst du mich etwa nach Hause?" Ben sass auf der Treppe vor dem Eingang und grinste. "Willst du denn dein Geschenk nicht haben?" Semir lachte wie ein Kleines Kind. "Du hast also doch was!", sagte er und Ben übergab ihm einen Umschlag. Semir nahm ihn entgegen und öffnete ihn. Ein Motorradschlüssel wurde sichtbar. Der Schlüsselanhänger hatte eine silberne 66 eingetragen. Semir sah Ben an und schüttelte mit dem Kopf. "Du bist verrückt!" Ben nickte zum Umschlag. "Lies' doch erst Mal die Karte", sagte er und Semir nahm sie hervor. Er las sie und fiel danach Ben um den Hals. "Wir...wir machen die Route 66 unsicher?" Ben nickte. "Ich habe alles mit Andrea und der Chefin abgeklärt. Wenn du willst, kann es übermorgen schon losgehen!" Semir drückte Ben an sich. "Ja, oh bitte ja! Bitte!" Sie lagen sich in den Armen, froh den Alptraum von sich zu haben, doch auch ohne zu wissen, dass dieser schon bald wieder auf sie warten würde.


    Ende

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

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