Blutopfer

  • Hallo Leute
    Ich bin neu hier im Forum und stelle sogleich gerade meine erste
    Cobra 11 Fanfiction online. Ich gehe mit der Zeit und so ist also
    Ben Jäger Semirs Partner. Ich hoffe sie gefällt euch
    und ich wünsche euch eine schöne Adventszeit
    Gruss
    Jenni










    Es herrschte eine ungewöhnliche Ruhe auf der Autobahn Kölns und an diesem Wintertag schien nichts diese angenehme Ruhe zu stören. Bis ein lauter Nieser im 3er BMW von Semir Gerkhan, diesen Fahrer zum Erschrecken brachte. "Gesundheit", sagte er ein wenig verwirrt und blickte auf seinen Partner Ben Jäger. Dieser nahm sofort ein Papiertaschentuch aus seiner Hosentasche und gab ein verschnieftes - krächzendes "Danke" von sich. "Du hättest besser im Bett bleiben sollen. Du siehst fürchterlich aus." Auf den Kommentar Semirs hin, zog Ben eine Augenbraue hoch und betrachtete sich sofort im Rückspiegel. Tatsächlich. Seine Haut war fahl, die Augen fiebrig und ein roter Schimmer umgab seine Nase. "Nur 'ne Erkältung", erwiderte er und wollte das gebrauchte Taschentuch in den Aschenbecher stopfen, bis er von einem lauten "Spinnst du?" aufgehalten wurde. "Was denn?" fragte er verwirrt und blickte in das mahnende Gesicht des Älteren. "Dein verrotztes Tuch in meinen Aschenbecher! Pack deine Viren woanders hin!" Ben verdrehte die Augen und tat wie ihm befohlen. "Ja Papa!" Mit einer Handbewegung packte er das Taschentuch woanders hin. "Sehr brav", begann Semir und tätschelte Ben auf die Schuler, "zur Belohnung gehen wir am Mittag zu McDonalds und du bekommst ein Happy Meal!" Semirs sarkastischer Kommentar lockerte die Stimmung wieder und Beide brachen in lautes Gelächter aus. "Nein jetzt im Ernst Ben", Semirs Stimme klang auf einmal sorgvoll, "du siehst wirklich nicht gut aus. Sicher dass alles in Ordnung ist?" Der Angesprochene nickte mit einem Lächeln und fühlte sich eigentlich elend mit dem Gedanken, seinen Kollegen anzulügen. Doch er wollte nicht zuhause bleiben. Er wollte nicht ins Bett - geschweige denn Einschlafen. Denn dort holte ihn stets wieder dieses panische Gefühl im Sarg ein und in seinen Träumen sah er immer bloss den roten Stoff den ihn umgeben hatte. Auch wenn er sagte, dass er drüber hinweg kam, tat er es nicht. Im Gegenteil. Er schlief kaum noch und er begann die Treppe dem Aufzug vorzuziehen.
    "Mir geht's gut Semir. Ich find's echt super von dir dass du dir Sorgen machst, aber die sind unbegründet. Glaub mir." Manchmal regte sich der Jüngere über die übertriebene Sorge seines Parntners auf, doch er wusste woher diese kam und konnte sich damit stets beruhigen. Semir musste schon viele Verluste hinnehmen und Ben wollte verhindern, dass er auch noch auf das Gewissen seines Parntners musste. "Ausserdem ist heute nichts los. Da kann man ruhig auch mal mit 'ner Erkältung hier sitzen und ein paar Strafzettel verteilen. Ich glaube nämlich nicht dass heute noch was in die Luft fliegen wird!"
    "Ich auch nicht", stimmte Semir zu und blickte auf die Uhr. Zehn Uhr früh. Solche Tage zogen sich stehts in die Länge. Als Beide gerade an einer Tanke halt machen wollten, raste ein Audi TT mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h an ihnen vorbei. "Hallo?" stiess Semir entsetzt aus, hupte dem Mann zu und schaltete die Sirenen ein. "Das Wort "Geschwindigkeitsbegrenzung" kennt der Typ wohl nicht", kommentierte Ben und nahm seine Kachel hervor.







    "Verdammte Scheisse!" Der Druck an seiner Schläfe wurde härter und er blickte in ihr eiskaltes Gesicht. Wäre er doch nicht mit dem Auto gefahren. Hätte er doch niemals diese Anhalterin mitgenommen. "Bitte, lassen Sie mich doch gehen. Ich...Sie können meinen Wagen..."
    "Fahren! Und nicht jammern!" zischte sie und der Mann drückte auf das Gaspedal. Neben ihm erschien ein 3er BMW. "Autobahnpolizei", begann Ben, verstummte aber sofort als er die Pistole sah und nahm mit einem Handgriff seine hervor. "Sofort fallen lassen!" ermahnnte er die weibliche Mitfahrerin und deren Antwort kam prompt. Ein Schuss zog knapp vor Semir und Ben vorbei und zerstörte die Scheiben des Wagens. Glassplitter flogen durch die Luft und verteilten sich auf dem Asphalt. "So ein Miststück!" zischte Ben und Semir konnte seinem Partner nur zustimmen.
    Die Hände des Fahrers zitterten und er verlor immer mehr die Kontrolle über den Körper. Er sah nur noch eine Möglichkeit. Er drückte mit einer Wucht auf die Bremsen und der Wagen blieb abrupt stehen. Semir machte sofort eine 180 Grad Drehung doch zu spät. Mit einer Wucht knallte ein Lastwagen in den Sportwagen und dieser schleuderte neben dem Polizeiwagen vorbei. Doch vorher, konnte die Frau fliehen und versteckte sich im Wald. Unentdeckt. Die Gunst der Verwirrung ausnutzend.





    "Verdammt!" Ben und Semir stiegen sofort aus dem Wagen und rannten auf den zermürbten Audi zu. Der Fahrer hatte seinen Kopf auf dem Lenkrad und das Gesicht war von den Glassplitter zerschnitten. Instinktiv fühlte Semir den Puls. "Er lebt noch!" Ben sah auf die zukommenden Autos. "Sehen wir zu, dass es so bleibt", schrie er und half seinem Partner, den Schwerverletzten von der Autobahn zu bringen. Sie zogen ihn auf den eiskalten, feuchten Rasen und als sie dort ankamen, begann das Dilema. Autos knallten in einander und ein wahres Feuerinferno begann. Eine Explosion riss die beiden Polizisten zu Boden. Zitternd richtete Ben sich auf. Der Wind wirbelte sein Haar umher und begleitete die Flammen in den Himmel. "Semir?" Er blickte seinen Parnter an und dieser nickte. "Ich weiss, du hättest im Bett bleiben sollen!"

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

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  • Hier schon der nächste Teil
    Elvira, gelesen und eingehämmert. Ich werde versuchen mehr Absätze zu machen :)


    "Ihr könnt wohl nie einen ruhigen Tag verbringen." Hotte, der liebliche, dickliche, Polizist kam auf die beiden Polizisten zu, die in Wärmedecken an einem Wagen gelehnt waren und gab Ben einen Becher mit heissem Tee und Semir einen mit Kaffee. "Wieso krieg ich denn Tee?" fragte der junge Polizist verwundert und schnupperte kurz daran. Es roch nach Kräutern und dies in einer ungesunden Mischung. "Erkältungstee! Wie ihn meine Mutter gemacht hat", Hotte klopfte Ben auf die Schulter. "Ein Schluck davon, und du bist sofort wieder gesund."
    "Ja, toll. Danke Hotte." Mit einem Lächeln drehte sich Hotte um und lief auf den Krankenwagen zu, wo der bewusstlose Fahrer des Audis auf einer Trage wegtransportiert wurde.



    Ben roch noch einmal daran und verzog das Gesicht. "Dass das die Bazillen killt begreife ich." Semir lachte und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. "Er meint es ja gut." Ben sah das Gebräu noch einmal an und zuckte dann mit den Schultern. "Na dann", er prostete sich selbst zu und trank den Tee in einem Zug leer. Semir musste sich zusammenreissen um nicht laut loszulachen. Denn Ben verzog das Gesicht immer mehr. Er drückte den Becher zusammen und schmiss ihn auf den Boden. "Ist ja eklig", würgte er hervor und zog sich dann die Wärmedecke vom Leib. Semir tat es ihm gleich und folgte ihm zu dem Wrack des Audi TT's, wo Dieter gerade mit einem Angestellten der Spurensicherung sprach. "Da seit ihr ja", begrüsste er Ben und Semir und wies auf den Wald, der sich neben der Autobahn befand. "Eure Angreiferin hat die Gunst der Verwirrung genutzt und ist abgehauen. Allerdings wissen wir, warum sie abgehauen ist." Dieter ging zum Kofferaum und öffnete diesen. Der starke Geruch von Blut, Kot und Urin drang den Cobra 11-Komissaren in die Nase. Eine junge Frau, kaum 20 Jahre alt, lag mit mehreren Schüssen im Bauch im Kofferaum. Die Augen sahen starr auf die Polizisten. Ben glaubte sogar, dass die Augen nur eines sagten: "Ihr seid Schuld, warum habt ihr mir nicht geholfen?" Hände und Füsse waren gefesselt. Ben musste sich bemühen, sich nicht zu übergeben. "Wer sie ist, ist noch völlig unklar", Dieters Stimme war tief und bedrückt. "Jedenfalls wurde sie zu früh aus dem Leben geholt", flüsterte Semir und schloss der Frau die Augen. "Kein Wunder ist der Typ am Steuer beinahe ausgetickt. Der Gedanke dass ein junges Mädchen, tot in deinem Kofferraum liegt..." Weiter kam Ben nicht. Ein Hustenanfall übermannte ihn und der junge Ermittler verzog das Gesicht. Seine Brust schmerzte höllisch und das Kratzen im Hals war unerträglich. "Alles in Ordnung?" fragte Dieter besorgt und Ben nickte bloss. "Geht schon", stiess er hervor und lieh sich von einem Mann der Spurensicherung Handschuhe. Semir tat es ihm gleich. Ben drehte die Leiche vorsichtig zur Seite. "Keine Austrittswunden", murmelte er heiser und blickte zu Semir auf. "Das arme Ding wurde regelrecht gefoltert. Nur ein Schuss von den", er zählte sie kurz nach, "fünfen war tödlich." Semir beugte sich zu seinem Partner und sah noch einmal selbst nach. "Allerdings", er richtete sich wieder auf, "Dieter, sieh zu dass die Leute von der Spurensicherung ihren Job machen. Ben und ich versuchen mal, ein Phantombild der Frau zu erstellen." Dieter nickte und verabschiedete sich.


    Hotte stand schon bereit an einem Polizeiwagen und öffnete seinen beiden Kollegen die Türe. Semir nickte dankend und Ben schenkte seinem Kollegen ein verschmitztes Lächeln. Als er sich setzte fühlte er gleich eine eiskalte Hand auf seiner Stirn. Er zuckte auf und blickte zu Semir, der seine freie Hand auf seine Stirn gebettet hatte. "Mensch Ben! Du fieberst!" Der Jüngere zog Semirs Hand von seiner Stirn. "Quatsch," begann er und legte sich den Gurt an, "du hast einfach kalte Hände das ist alles!" Semir zog eine Augenbraue hoch und schüttelte mit dem Kopf. "Semir ich weiss du machst dir sorgen und ich wiederhole nochmal: Ich finde das echt toll von dir aber, ich bin nicht sterbenskrank! Ich hab nur eine Erkältung."


    "Die mein Tee sofort kurieren wird", erklang Hottes Stimme. Dieser zündete den Motor und fuhr los. Semir seufzte schwer und fragte sich allmählich, ob er es mit seiner Sorge nicht übertrieb. Immerhin war Ben erwachsen und ein ebenbürtiger Partner. Andererseits wurde er schon einmal lebendig begraben und eine solche Tatsache durfte man einfach nicht überspielen und auf die leichte Schulter nehmen. Solche psychischen Schäden konnten auch auf den physischen Zustand schlagen und Semir wusste das nur gut genug.


    Im Büro angekommen, wartete bereits der Zeichner auf die Beiden und begrüsste sie mit einem Lächeln. "Das ich mal nach eurer Vorlage zeichnen muss. Ich dachte, der Tag käme nie." Ben und Semir setzten sich an ihre Schreibtische und versuchten die Frau zu beschreiben. Vorallem Ben - der sie ja am besten gesehen hatte. "Sie hatte schwarzes, langes Haar, ziemlich gothichaftes Aussehen. Ihr Gesicht glich der einer Hexe. Ziemlich krumme Nase und die Augen waren ziemlich nah beieinander." Der Bleistift des Zeichners schwebte gerade zu über den Zeichenblock und Semir begutachtete das Werk. "Sieht ihr ziemlich ähnlich", er klopfte dem Künstler auf die Schulter, "gut gemacht." Mit einem Nicken verabschiedete sich der Zeichner und verliess das Büro. "Dann werden wir das mal herausgeben und hoffe, dass jemand die Frau erkennt." Ben nickte als Zustimmung und sah auf die Uhr. "Zwölf. Mein Magen knurrt. Soll ich dir auch was bringen?" Semir stand auf und wies den Jüngling wieder auf den Stuhl. "Nichts da! Du bleibst hier! Ich werde die Sachen holen. Und brav Sitz! Sollte ich dich ausserhalb dieses Gebäudes sehen, gibt's kein Leckerli!" Semir packte einen Notizblock und sah zu Ben.



    "Was willst du?"


    "Was chinesisches."


    "Wie wär's mit Hund?"



    Ben zog eine Augenbraue hoch und verzog den Mund. "Zu komisch!" kommentierte er Semirs Vorschlag und dieser schrieb sich den Wunsch auf. "Gut. Ich werde dann gehen. Und denk an meine Worte!" Mit diesem Satz ging er aus dem Büro. Ben schüttelte mit dem Kopf und schaltete seinen PC an. "Semir Gerkhan, du machst dir einfach zu viele Sorgen", murmelte er zu sich selbst und blickte auf ein Gruppenfoto, dass ihn, Andrea und Semir am Geburtstag der kleinen Aida zeigte.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Hallo
    Hier mal wieder ein neuer Teil.
    Leider hat's mir gestern nicht mehr gerreicht. Das "Burning Wheels"-Fieber geht um und ich gehöre leider zu den angesteckten Opfern. :D :D
    Ich hoffe trotzdem, dass der neue Teil euch gefällt. ;)




    "Semir, Ben ich habe..." Susanne König betrat das Büro und sah nur Ben im Büro sitzen, der sie begrüssend ansah. "Nanu? Wo ist Semir?" Ben nickte nach draussen und antwortete mit einem "Essen holen." Die einzige Frau im Team, seit Anna Engelhart das Team verlassen hatte, stemmte die Hände in die Hüfte. "Und mich fragt man nicht?" Ben zog eine verwirrte Miene. "Du isst doch ständig deine Fertigsalate aus dem Aldi", sagte er und verschränkte die Arme. Sie konterte mit einem: "Es geht ums Prinzip Ben. Ich fühle mich so ausgeschlossen und ich habe schliesslich auch Gefühe!" Das übertriebene, theatralische in ihre Stimme, liess ihren Gefühlsausbruch unglaubwürdig machen und Ben musste als Antwort nur die Augenbrauen hochziehen. "Schon gut. Ich habe den Befund aus der Pathologie", begann sie und zauberte eine Akte hinter dem Rücken hervor, "das Mädchen heisst Alexandra Meier, gerade 20 geworden. Biologiestudentin. Ich hoffe, du kannst damit was anfangen." Ben nickte dankend und Susanne ging aus dem Büro.




    Mit einer Bewegung hatte er die Akte geöffnet und er nahm sich sofort den Bericht des Pathologen vor. Wie angenommen war einer der Schüsse tödlich. Auch alles andere passte zu den Vermutungen des Hauptkomissars. Erst ein Vermerk, machte ihn stutzig.
    In diesem Moment betrat Semir mit zwei Plastiktüten das Büro. Sofort erfüllte der wohltuende Duft von Essen den Raum. Bens Kopf schoss in die Höhe und er streckte die Arme aus. "Wie fiel bin ich dir schuldig?" fragte er als er seine kleine Essensschachtel bekam. Semir winkte ab. "Lass. Geht heute auf mich", kommentierte er seine Geste und Ben lächelte. "Wie komm' ich zu der Ehre?" Keine Antwort. Ben nahm die Esstäbchen und brach sie ausseinander. "Ist das die Akte vom Pathologen?" Ben nickte auf Semirs Frage und dieser nahm die Akte an sich. "Was komisches?" fragte der Ältere und Bens Antwort kam sofort. "Allerdings. Sieh dir mal den Vermerk an." Semir tat wie ihm befohlen und auch er zog eine verwirrte Miene. "Kokain im Magen?" Er nahm ein Foto aus der Akte, dass diverse Kondome mit weissem Pulverinhalt zeigten. "Sie hat Kokain geschmuggelt. Die berühmte Einnahme duch den Mund. Allerdings auch sehr gefährlich. Wenn das Ding platzt, kannst du binnen Sekunden den Löffel abgeben." Semir gab nur ein kleines "Mhm" von sich und legte dann die Akte zur Seite. Er genehmigte sich seinen Döner. Ben musste grinsen. "Was?" fragte Semir und Ben schüttelte mit dem Kopf. "Lass mal. Nicht so wichtig."



    Die idyllische Stille wurde von dem Klingeln des Telefons unterbrochen und Semir nahm ab. "Kripo Autobahn Gerkhan?" begrüsste er den Anrufter. Ben sah, wie sich das Gesicht seines Partners immer mehr verdunkelte und Semir schliesslich nur noch mit einem kurzen, "Danke", aufhängte. "Probleme?" Semir nickte. "Der Fahrer des Audis ist am während der Operation verstorben. Innere Blutungen. Man konnte nichts mehr machen." Ben stiess einen kurzen Pfiff aus und schmiss seine leere Schachtel in den Mülleimer. "Heisst die Frau hat nun schon zwei Opfer auf dem Gewissen", stellte er überflüssigerweise fest und massierte sich kurz das Gesicht. "Der operierende Arzt kannte das Opfer. Leon Becker. 35 Jahre alt. Chirurg. Vater von zwei Kindern." Nun war es an Ben, laut zu seufzen. Nun musste man einer Familie beibringen, dass sie so eben ein Mitglied verloren haben. "Ich schlage vor, wir gehen erstens zu den Beckers. Der Arzt hat mir eine Adresse gennant. Es wird uns sicherlich nicht weiterhelfen aber ich will..."
    "...dass die Familie Gewissheit hat", vollendete Ben den Satz und schnappte sich seine Winterjacke, deren Ärmel von der Rettungsaktion angerissen war.


    Stefanie Becker sass neben ihrem Sohn am Klavier und unterrichtete ihn dieses Instrument zu spielen. Der Kleine war begabt und das wusste sie. Mit 12 Jahren beherrschte er schon diverse Lieder von Mozart und dies ohne Fehler. Sie war stolz und froh über die Selbstdisziplin ihres Sohnes.
    Es klingelte und sie ging ins Erdgeschoss. Da ihr Mann ein erfolgreicher Chirurg, und sie eine bekannte Pianistin war, waren sie nicht gerade Arm. Ein zweistöckiges Einfamilienhaus konnten sie ihr eigen nennen.
    Sie ging zur Tür und öffnete. Zwei Männer standen davor. "Frau Becker?" Sie nickte leicht verwirrt. "Gerkhan und Jäger. Kripo Autobahn. Es geht um ihren Mann." Sie öffnete die Türe. "Was ist mit ihm?" fragte sie mit zitternder Stimme. Ben hörte das Klavierspiel und blickte in den oberen Stock. "Ihr Sohn?" fragte er und sie nickte leicht. Ben klopfte Semir auf die Schultern und ging die Treppen hinauf. Die Geste war deutlich. "Ich geh hinauf zum Sohn und du redest mit der Mutter."
    "Frau Becker. Ihr Mann ist bei einem Autounfall verstorben", versuchte Semir so fein wie möglich zu sagen. Doch selbst der sanfteste Satz brachte nichts. Die Frau schlug die Hände vors Gesicht und verfing sich in einen bitterlichen Weinfanfall.


    Ben sah das grosse Musikzimmer und ein kleiner Junge am Piano. Er blickte Ben verwirrt an und dieser lächelte. "Hey. Klingt gut", lobte er den Kleinen und dieser lächelte verschämt. "Danke", sagte er leise und rutschte leicht zur Seite auf den Stuhl. "Wer sind sie?" Ben zeigte seinen Ausweis. "Ich bin Ben von der Autobahnpolizei", sagte er im sanften Ton und ging auf den Jungen zu. "Und mit wem hab ich das Vergnügen?"
    "Ich heisse Boris", sagte er leise und lächelte. "Meine Mutter ist grosser Fan von dem Tennisspieler. Und deshalb heisse ich so." Ben kniete neben Boris und dieser klopfte auf die freie Sitzstelle neben ihm. "Bitte, setzten Sie sich", sagte er höflich und Ben schlug diesen Vorschlag nicht ab. Er setzte sich neben den Jungen und strich mit den Fingern über die Klaviertaste. "Hat Papa was schlimmes gemacht?" Ben schüttelte mit dem Kopf. "Nein. Dein Papa nicht", begann er und nun konnte er dem inneren Drang nicht mehr wiedersehen, er drückte eine der Tasten hinunter und ein leiser Ton erklang. "Spielen Sie auch Klavier?" fragte Boris neugierig und Ben nickte. "Spielen Sie mir was vor?" Ben nickte und überlegte, was man einem Zwölfjährigen vorspielen konnte. Er liess kurz die Finger knacken und spielte dann "Apologize" von "One Republic". Dem Jungen schien es zu gefallen, denn er liess seinen Blick nicht von den Fingern.


    "Wie ist das geschehen?" fragte Stefanie Becker nachdem sie sich wieder einigermassen gefangen hatte. "Er wûrde das Opfer einer Geiselnahme. Ihr Mann, wollte dem allen ein Ende bereiten und der Wagen hat sich überschlagen." Semir nahm ein Papiertaschentuch hervor und reichte es Becker. Sie nahm es dankend an und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Wo ist ihre kleine Tochter?" fragte Semir und sah sich um. "Kindergeburtstag einer Freundin", antwortete sie und strich sich mit zitternden Händen über das lange, hellbraune Haar. "Mein Gott...wir wollten heute Abend noch was mit den Kindern unternehmen..." Wieder verfing sie sich in einen Weinkrampf und Semir strich ihr aufmunternd über den Oberarm.


    "Das war toll!" lobte Boris und Ben lächelte verlegen. "Nun ja, es reicht jedenfalls um dich zu beeindrucken", scherzte er und tippte dem Jungen kurz auf die Nase. "Ben...was ist mit meinem Vater passiert?" Der Ton Boris wurde auf einmal tief und sorgvoll. Ben blieben die Worte im Halse stecken. Bei einem Erwachsenen war es leichter, die Situation zu erklären. Doch wie war dies bei einem Kind? Wie sollte er einem Zwölfjährigen sinnvoll beibringen dass sein Vater nicht mehr durch die Türschwelle kommen wird? "Boris...dein Vater, ist bei einem Autounfall gestorben." Der Junge schien gefasst zu sein, jedoch flossen die Tränen über die Wangen und die Lippen begannen zu zittern. "Musste er leiden?" Ben schüttelte mit dem Kopf und schämte sich sogleich, einen Jungen angelogen zu haben. Natürlich musste sein Vater leiden. Er verblutete innerlich und man konnte ihn nicht mehr retten. Boris umarmte Ben überraschend und drückte sich an ihn. "Finden Sie den Schuldigen Ben...bitte." Ben erwiderte die Umarmung und strich dem Jungen kurz über's Haar. "Das werde ich...versprochen!"

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

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  • Ben blickte aus dem Fenster und sah, wie der Schnee langsam zu fallen begann. Der Erste in diesem Jahr. Seine Lider waren schwer und eine steht's anhaltende Müdigkeit begann ihn einzuholen. Anscheinend war seine Erkältung doch nicht so ein Kinderspiel, wie er immer dachte. Und bis zum Revier ging es noch eine halbe Stunde. Doch er wollte sich nicht der Müdigkeit herrgeben, die Angst vor Albträumen und der kleine Junge gingen ihm einfach nicht aus dem Kopf. Doch irgendeinmal musste er seinem Körper ruhe geben. Doch die Frage nach dem Wann stellte er sich schon gar nicht.



    Semir sah seinen Partner an. Er sah genau dass Ben gegen die anhaltende Müdigkeit kämpfte und sich vehement weigerte, zu schlafen. "Ben", der Angesprochene sah Semir an, "so gib' deinem Körper doch Ruhe!" Ben lächelte müde und lehnte sich gegen die Türe. "Ich kann nicht", flüsterte er leise und Semir stiess einen sorgvollen Seufzer aus. "Verdammt Ben! Bitte, es sind noch 25 Minuten bis zum Revier! Schlaf solange! Ansonsten schick' ich dich nach Hause!" Nun fiel dem Jüngeren kein Gegenargument mehr ein. Also tat er ihm befohlen und liess der starken Müdigkeit nun ihre Freiheit. Semir atmete erleichtert aus und konnte sich nun wieder der Strasse widmen.



    Es roch nach Medikamenten und Blut. Der Raum war hell und das Licht grell. Wo war er?
    "Wir brauchen mehr Konserven!" hörte er eine helle, laute Stimme schreien und langsam wurde das Bild klarer. War er in einem Krankenhaus? "Ben", flüsterte eine leise Stimme und er erkannte sie sofort. "Semir?" Er drehte sich um. Nichts. Wo war er? "Ben hilft mir..." Eine Hand griff sein Handgelenk und Ben drehte sich um. Er sah direkt in Semirs Gesicht, welches leichenblass war. Die Lippen blau und die Augen zeigten nur noch den Tod. "Semir!" Ben sah sich sein Partner an. Sein Shirt war aufgeschnitten und in der Brust klaffte eine Schusswunde. Ben beugte sich zu seinem Partner, griff seine Hand.
    "Ich will nicht sterben..." In den Augen des Deutschtürken sammelten sich Tränen und Ben fühlte sich hilflos. "Du wirst nicht sterben...Unkraut vergeht nicht", stiess er hervor und biss sich auf die Unterlippe. "Mir ist kalt..." Ben drückte Semirs Hand fester. "Kämpf dagegen an Semir!" Semirs Hand war eiskalt und er schaffte es nicht, Bens Druck zu erwidern. "Ben..." Ben ging näher an Semirs Kopf und dieser neigte sich zu ihm. "Danke für alles..." Die Augen Semirs schlossen sich und Ben spürte den letzten Atemhauch an seinem Gesicht. "Nein...nein Semir!"




    "NEIN!" Semir verursachte vor Schock beinahe ein Unfall und wurde mit lautem Gehupe beschimpft. "Gott Ben!" stiess Semir hervor und legte sich symbolisch die Hand auf die Brust. Als er jedoch Bens bleiches und vor Entsetzen erstelltes Gesicht sah, war seine Wut schnell verflogen. "Ben..." Er legte seinem Partner eine Hand auf die Schulter und spürte, wie Ben bebte und zitterte. "Alles in Ordnung?" Ben konnte seine Gedanken kaum ordnen. "Scheisse", flüsterte der Jüngere leise und sah, wie seine Hände zitterten und kaum unter Kontrolle zu bringen war. Er ballte sie zu Fäuste und lockerte sie wieder. "Ben was ist los?" Was sollte er nun tun? Lügen? Die Wahrheit sagen? Immerhin hatte Semir ihm schon viel aus der Vergangenheit erzählt und er durfte an seinem Familienleben teil haben. "Ich...ein Albtraum..." Selbst einen ganzen Satz konnte er vor Schock nicht zusammenbringen. "Gut, ein Albtraum und weiter?" Ben sah Semir an und dieser sah die pure Angst in den Augen seines jüngeren Partners. "Ich..." Sag es!, schrie immer wieder eine Stimme in seinem Kopf. Und er wollte es sagen. "Ich habe von deinem Tod geträumt..." Semirs Miene war zuerst geschockt, dann aber nach kurzer Zeit wieder gefasst. "Das war ein Albtraum Ben", begann er und bog langsam in die Einfahrt der Dienststelle, "das sind verdrängte Ängste. Hätte nie gedacht, dass du mich schon so magst." Ben verdrehte die Augen und schüttelte mit dem Kopf. "Es war alles so real...ich hab die Kälte deines Todes gespürt." Semir parkte den Wagen und stieg aus. Dann ging er zu Bens Seite und öffnete die Türe. "Es wird schon nichts passieren Ben!" versuchte er ihn zu beruhigen und Ben stieg aus. Das Zittern hatte sich ein wenig beruhigt und er nickte leicht. Griff jedoch zu seiner Kette. Er öffnete den Knoten und legte sie ab. "Du hast vielleicht recht", begann er und griff sich Semirs Hand, "jedoch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser." Er legte die Kette in Semirs offene Handfläche und er sah Ben verwirrt an. "Mein Glücksbringer. Habe ich von Saskia bekommen. Und mir hat sie immer geholfen." Semir zuckte mit den Schultern und band sich die Kette um den Hals. Ben lächelte zufrieden. "Besser?" fragte Semir und Ben nickte. Semir klopfte seinem Partner auf den Rücken und drückte ihn leicht. "Sehen wir mal. Ob Susanne was für uns hat."



    Susanne sass an ihrem Schreibtisch und blickte auf, als Semir und Ben das Büro betraten. Sie lächelte und stand auf. "Da seit ihr ja. Ich konnte die Eltern von unserer Studentin ausmachen. Jedoch sind Beide verstorben. Autounfall. Jedoch hat sie eine Freundin für anfällige Entscheidungen als verantwortliche Person eingesetzt. Ich hab sie angerufen. Sie wartet im Büro." Ben nickte leicht und Semir gab ein "Gut gemacht" von sich. "Für euch doch immer", erwiderte Susanne und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch.


    Die junge Frau sass neben den Schreibtischen und zupfte immer wieder an ihrer Kleidung. Sie hatte langes, blondes Haar. Sie wirkte krank und mager. Jedoch lächelte sie schwach als sie Ben und Semir erblickte.
    Sie stand auf und gab den Männern die Hand. "Sandra Köstner mein Name", stellte sie sich vor und Ben und Semir taten es ihr gleich. Sie setzte sich wieder und Ben begann als Erster. "Frau Köstner, waren Sie bereits bei unserem Pathologen?" Sie nickte mit Tränen in den Augen. "Ja...und er nannte mir auch die Todesursache. Wer tut nur so was schreckliches?"
    "Das versuchen wir herauszufinden", antwortete Semir mit ruhiger Stimme und übergab der Frau ein Taschentuch. Sie bedankte sich und schneuzte kurz. "Wussten Sie auch, dass ihre Freundin Kokain schmuggelt?" Sandras Augen rissen weit auf und die Augen drohten beinahe aus den Höhlen zu fallen. "Nein! Wie..?"
    "Sie hat die Drogen durch Kondome in den Magen befördert, wodurch sie , sie dann beim Zielort wieder ausscheiden konnte." Die zierliche Frau hielt sich die zitternde Hand vor den Mund. "Jesses...ich...ich wusste von nichts. Alexandra hatte Probleme seit dem Tod ihrer Eltern...aber nicht solch schlimme...zumindest dachte ich das." Sie stand auf und schüttelte immer wieder mit dem Kopf. "Ich...ich muss hier raus", Ben nickte nur und gab ihr seine Karte. "Falls Ihnen was anrufen sollte, rufen Sie uns bitte an." Sie ging ohne eine Antwort hinaus und schlug die Türe hinter sich zu.


    "Glaubst du ihr?" fragte Semir direkt und Ben zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Aber sie sah echt zum fürchten aus." Semir lächelte kurz und zeigte dann auf Ben. "Du sahst vorhin auch nicht viel besser aus", bemerkte er und Ben versuchte sich nicht an die Bilder des Traumes zu erinnern. Er schloss kurz die Augen und schüttelte sich die Bilder aus dem Kopf. Als er die Augen öffnete, stand Semir bereits vor ihm. "Zieh nicht so ein Gesicht", er deutete auf die Kette auf seinen Hals und zwinkerte, "mir kann ja nichts passieren!"

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Langsam begann der Abend zu dämmern - Semir und Ben hatten noch keine Spur und die Aussagen der Angehörigen half ihnen wenig weiter. Semir sah zu seinem Telefon das klingelte und nahm ab. "Gerkhan?" Ben sah auf. "Ja Schatz...tut mir leid...ich weiss...deine Eltern sind hier und", Ben riss Semir das Telefon aus der Hand. "Ja Andrea? Hier Ben. Semir kommt gleich. Mach dir keine Sorgen", er hängte auf und musste auf den verwirrten Blick Semirs lächeln. "Es bringt nichts wenn wir hier versauern. Hartmut wird bis Morgen auch nichts gescheites haben. Ich setzt dich bei dir Zuhause ab, dann machen wir Morgen weiter." Semir zuckte mit den Achseln und nahm sich seine Jacke. "Wenn du es sagst", sagte er mit einem leicht sarkastischen Unterton und zog sich die Jacke an. Ben nickte. "Und du schläfst mal richtig durch", Semir hielt kurz an und nahm Ben am Arm, "der Albtraum hat nichts zu bedeuten Ben! Und wenn du reden willst..."
    "...ich weiss, danke Semir."




    Ben bog in die Einfahrt ein und hielt vor Semirs Haus. Andrea wartete schon mit einem Lächeln an der Haustüre und begrüsste ihren Mann, der auf sie zukam, mit einem dicken Kuss. "Ab zu deinen Schwiegereltern!" befahl sie und Semir gehorchte. Er verschwand in dem Haus. Andrea ging auf den Wagen zu und winkte Ben hinaus. "Dank dass du ihn gebracht hast. Manchmal muss man ihn wirklich von der Arbeit wegzerren", scherzte sie und Ben nickte. "Allerdings, manchmal ist seine Motivation noch frischer als meine", erwiderte er und dann blickte er in Andreas Gesicht. Der Scherz war verflogen. "Semir hat mir von seiner Sorge erzählt", begann sie und Ben seufzte, "Ben er meint es nicht böse. Du wirkst wirklich krank und schwach. Du wurdest lebendig begraben und meinst, du könntest das durch reine Verdrängung vergessen machen...er hat schon drei Partner verloren. Er möchte dich nicht auch noch auf dem Friedhof besuchen müssen." In Andreas Stimme war die sorgvolle Mutter zu hören. "Pass bitte auf dich auf...ja?" Ben erwiderte nichts. Er konnte nicht. Andreas heimliche Standpauke hatte ihm die Sprache geraubt.
    Andrea ging wieder ins Haus zurück. Eine leichte Bise wehte und brachte Bens Haar völlig durcheinander. Er lehnte sich an den Wagen und atmete tief durch.





    Als er Zuhause ankam schmiss er seine Sachen einfach in eine Ecke und setzte sich auf die Couch. Auf dem Tisch stand noch eine Tasse mit kaltem Kaffee. Er nahm sie und kippte den Kaffe den Abguss hinunter. Immer wieder hallten Andreas Worte ihm im Ohr. Wenn Semir selbst seine Frau mit seiner Sorge nervte, musste es doch schlimmer sein, als gedacht. "Okay, ich werde mit ihm darüber reden..."
    Ben ging ins Badezimmer und holte aus dem Schrank ein Mittel gegen Erkältung. Zur Sicherheit fühlte er sich noch einmal an die Stirn. Kein Fieber.
    Bettfertig ging er ins Schlafzimmer und legte sich in das viel zu grosse Bett. Er hatte es viel mit Saskia geteilt, doch seit ihrem Tod war das Bett einfach nur noch eine Schlafstätte. Mehr nicht.
    Ben schloss die Augen und bereitete sich wieder auf eine Nacht des unregelmässigen Schlafes vor. Doch es war die erste Nacht seit langem, wo der Schlaf traumlos war.





    Am nächsten Morgen wartete er vor Semirs Haus und betrachtete sich im Spiegel. Die Hautfarbe war wieder zurückgekehrt. Der psychische Druck war anscheinend gelockert mit dem Gedanken, mit Semir zu reden. Und das wiederum half der Physe.
    "Hey Partner!" Semir stieg ein und betrachtete sich Ben genauer. "Gut geschlafen?" Ben lächelte. "Das erste Mal seit langem." Das Lächeln verschwand wieder.
    "Semir, du hast doch gesagt, ich kann immer mit dir reden..."
    "Aber natürlich", erwiderte der Deutschtürke und Ben atmete noch einmal tief durch. "Die Zeit im Sarg war absolut nicht amüsant. Ich hatte das erste Mal Angst...zu sterben..." Semir legte Ben eine Hand auf die Schultern. "Ich...als dann deine Hände nach mir griffen, dachte ich es wär vorbei! Als ich wieder atmen konnte dachte ich, ich wäre befreit. Doch die Nächte wurden zu einem wahren Albtraum. Immer wieder fand ich mich wieder im Sarg und sah nur das blinkende, rote Licht der Kamera." Semir suchte den Augenkontakt mit Ben. "Man kann solche Dinge nicht einfach verdrängen Ben. Das kann niemand. Selbst Ich nicht. Auch wenn du dir keine Hilfe suchen willst, war es gut, mir einfach mal was darüber zu sagen. Ich bin dein Partner Ben. Ich vertraue dir. Du warst schon mein Vertrauter bevor wir uns richtig kannten. Du hast mir geholfen das Schwein hinter Gitter zu bringen, dass mich und meine Familie töten wollte." Ben nickte leicht. "Ausserdem hab' ich dir eine Periode meiner Vergangenheit gezeigt. Ich konnte dir helfen, den Mörder deiner Freundin zu fassen. Doch, ich denke ich habe mich immer noch nicht genug revanchiert...und...ich möchte das Gefühl haben, dass du mir vertraust." Die Hand löste sich von der Schulter und Ben strich sich kurz über die Augenlider. "Die Gelegenheit wird kommen Semir. Die Gelegenheit wird kommen", mit diesen Worten startete er den Motor.




    Im Büro angekommen, wartete Hartmut bereits im Büro und begrüsste die Freunde mit seinem typischen, schlitzohrhaften Grinsen. "Da seit ihr ja endlich!" jauchzte er vergnügt und stand auf. "Ich habe eure schwarzhaarige Schönheit." Ben und Semir sahen den KTU-Arbeiter verdutzt an. "Na da staunt ihr. Ich habe DNA im zerdepperten Auto gefunden. Sie hat Blut hinterlassen." Er übergab ihnen eine dicke Akte. "Katharina Bauer. 35 Jahre alt. Immer wieder durch Drogenschmuggel auffällig geworden. Sie hat den Chirurgen quasi auf dem Gewissen." Semir blickte auf die Adresse. "Bereiten wir der guten Bauer, doch mal einen Besuch", sagte er und klopfte Hartmut auf die Schultern. "Gut gemacht!" rief Ben noch dem Rothaarigen zu und rannte dann seinem Partner hinterher.



    Die Frau wohnte in einem Blockhaus in der Vorstadt. Ziemlich schäbig und heruntergekommen. Semir drückte auf die Klingel und wartete. "Nichts", murmelte er vor sich hin und Ben lächelte. "Hast du nicht die Schreie gehört?" fragte er und Semir begriff. Mit einem Grinsen öffnete er die Tür und sie betraten die Wohnung. "Scheint ausgestorben zu sein", hörte Semir Ben sagen und dieser konnte ihm nur zustimmen. Leer. "Vielleicht ist sie gar nicht zurückgekommen?" Semir schüttelte auf Bens Denkvorgang und wies auf blutige Papiertaschentücher. "Sie war hier. Wahrscheinlich um was zu holen." Sie begannen die Wohnung zu durchsuchen und Ben zog aus einem Regal ein Bilderbuch hervor. Er blätterte und überflog die Fotos, bis er zu einem stehen blieb. "Semir!" Der Angesprochene kam auf seinen Partner zu und betrachtete das Foto. Es zeigte die Bauer mit Stefanie Becker. "Und dass ist nicht mal solange her! Zwei Jahre!" Semir nahm das Foto aus dem Album und verstaute es in seiner Jackentasche. "Mal sehen was die gute Frau Becker zu diesem Foto sagen wird."

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Semir klingelte und wartete. Ben geselte sich, nachdem er den Wagen geparkt hatte, neben seinen Partner. Keine Antwort. "Stehen wir heute eigentlich immer nur vor verschlossenen Türen?" sagte Ben und stiess einen Seufzer aus. "Wem sagst du das? Ich fühl mich langsam wie der Knacker vom Dienst." Semir wollte gerade sein Werkzeug hervornehmen, als ein hoher, greller Schrei zu vernehmen war. "Das war Boris!" erkannte Ben sofort und zog seine Waffe hervor. "Halt die Klappe!" Semir sah Ben an. "Bauer!" sagten Beide synchron und Ben trat auf Semirs Nicken hin die Türe auf. Vor ihnen stand Sandra Köstner. Sie drückte dem Jungen eine Waffe an die Schläfte. "Keine Bewegung!" schrie sie und deutete auf die Waffen. "Fallen lassen!" Ben und Semir taten wie ihnen befohlen. Sie legten ihre Pistolen auf den Boden und Ben sah Boris direkt in die Augen. "Hab' keine Angst", wollte er ihm mitteilen, doch der Junge war definitiv zu jung um diese Botschaft zu begreifen. Er weinte und kniff immer wieder die Augen zusammen. Er wollte vor dieser grausamen Realität fliehen.
    "Lassen Sie meinen Sohn los!" kreischte Stefanie Becker die hinter einer der Wände hervorkam. "Frau Köstner was soll denn das?" fragte Semir im scharfen Ton und die zierliche Frau drückte darauf hin die Waffe stärker an Boris' Schläfe. "Sie haben keine Ahnung. Diese Schlampe half dieser Bauer bei ihren Geschäften! Die konnte doch gar nicht mit ihrem diletantischen Klavierspiel leben!" Semir wollte auf die Frau zugehen, doch sie schoss und der Deutschtürke fiel zu Boden. "SEMIR!" Bens Stimme überschlug sich und er wollte zu seinem Partner, doch nun richtete sich der Lauf der Waffe auf ihn. "Sie kommen jetzt mit mir und Boris. Sie soll froh sein dass sie die Kleine direkt bei der Familie des Geburtstagskindes gelassen hat!" Sie drückte Boris an sich und Ben drückte sie die Waffe in den Rücken. Um nicht mehr Opfer zu fordern, liess sich Ben auf das Spiel ein. Doch als er aus der Tür ging, lief eine Träne über die Wangen.



    Stefanie Becker hörte das Wegfahren des Wagens. Sie rannte sofort auf den getroffenen Komissar zu. Auch wenn die Sorge um ihren Sohn gross war, stand hier ein Menschenleben auf dem Spiel. "Herr Gerkhan!" Sie untersuchte ihn. Kein Blut. "Wie?" Ein Stöhnen entfuhr Semir und er richtete sich auf. "Das werde ich noch nach Tagen spüren", stiess er hervor und knüpfte seinen Pullover auf. Auf der Brust hatte sich ein blauer Fleck gebildet. Davor war Bens Glücksbringer. Dem Stein fehlte ein gutes Stück. "Die Kugel ist daran abgeprallt", flüsterte Stefanie Becker erleichtert und Semir stand auf. "Wir müssen ihnen hinterher!" Becker schüttelte mit dem Kopf. "Sie sind schon weg", schluchzte sie hervor und Semir nahm sein Handy. Mit flinken Fingern gab er eine Nummer ein und wartete.




    Hartmut sass in der Werkstatt und hörte das Telefon klingeln. Er ging hin und nahm ab. "Hartmut! Du musst mir Bens Handy orten!" Hartmut hörte sofort dass was nicht stimmte. Semir war stets schroff zu ihm. Aber liebevoll schroff und dieser Befehl war nur schroff. "Wieso?" Er setzte sich sofort an den Computer und tippte einige Sachen ein. "Wir sind mitten in eine Geiselnahme geplatzt! Und Ben gehört dazu! Beeil dich!" Hartmut sah gespannt auf den Bildschirm.




    "Setzt dich hin!" befahl Sandra und schubste den kleinen Boris zu Boden. Ben kniete sich sofort neben ihn und nahm ihn in den Arm. Das Knie des Kleinen wurde bei dem Aufprall verletzt. Ben krammte in seinen Hosentaschen und band mit Papiertaschentücher die Wunde ab. Sandra schloss die Türe und blickte in die gläserne Wohnung. "Erstaunlich nicht wahr?" begann sie und lächelte, "hier sollten die Beckers bald einziehen. Ein Haus aus Glas. Überall kann man reingucken. Ein kleines Meisterwerk." Sie sah wie Boris sich an Ben klammerte und verzweifelt schluchzte. "Halt die Klappe!" schrie sie und Bens Antwort kam prompt. "Nein, Sie halten die Klappe! Meinen Sie helfen Ihrer Freundin dadurch? Was wenn Becker damit gar nichts zu tun hat? Und die Bauer ist auch auf freiem Fuss!" Sandra begann zu lachen. "Denken Sie", stiess sie hervor, "aber erinnern Sie sich an die blutigen Taschentücher? Es ist wirklich das Blut der Bauer, aber ich habe damit nur meine Tatwaffe gereinigt. Ein japanisches Küchenmesser. Scharf und effektiv!" Bens Wut wurde durch ihren Satz nur noch grösser. Wuttränen sammelten sich in seinen Augen. "Und nun haben Sie auch noch meinen Partner auf dem Gewissen!" flüsterte er und drückte Boris fest an sich. "Sie schaffen das sicher auch alleine. Sie sind doch talentiert oder? Was wird Ihnen dieser alter Mann noch nutzen? Seine Zeiten sind vorbei!" Ben schoss auf und lief feuerrot an. "Sie haben keine Ahnung was dieser alter Mann für mich schon alles getan hat! Sie haben keine Ahnung was er mir bedeutet! Sie wissen gar nichts! Sie sind nur eine Wahnsinnige!"



    Semir stieg in den VW der Beckers und Stefanie setzte sich auf den Beifahrersitz. "Ben wird denken dass ich tot bin! Ich kenne sein Temperament! Das wird ihn umbringen!" Er zündete den Motor und fuhr los. "Frau Becker, haben Sie wirklich damit zu tun?"
    "Ich hatte keine Ahnung! Ich dachte Bauer würde die Drogen nur verkaufen! Dabei hat Sie dieses arme Ding damit getötet. Ich...sie kam kurz nach dem sie gegangen waren. Sie hatte mir alles gestanden. Dann ging sie einfach wieder. Sie wollte mich da angeblich nicht reinziehen, oder sie wollte einfach den ganzen Profit alleine einsacken!" Der letzte Teil des Satzes ging in einem Schluchzen unter. "Ich will nicht dass mein Sohn für meine Gräueltaten bezahlen muss!"

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Semir nahm sein Handy ab, als es klingelte. "Hartmut hier. Ich weiss wo sich Ben und der Junge befinden! Sie sind an der Talackerstrasse 20!" Semir hatte bei der Adressbekanntgabe den Lautsprecher angestellt und Stefanie Becker riss ihre Augen auf. "Da befindet sich unsere zufünftige Villa!" stiess sie entsetzt aus und Semir trat aufs Gaspedal. "Hartmut! Ruf sofort beim SEK an! Die sollen uns helfen!"
    "Schon erledigt Semir. Dieter und Hotte warten bereits dort auf dich", antwortete der KTU-Beamte prompt. "Du bist super. Ich danke dir!"




    Ben drückte Boris fest an sich und kämpfte sichtlich mit den Tränen. Semir war tot, das stand für ihn fest. Wie sollte er Andrea bloss beibringen, dass sie nun alleine ihre Tochter grossziehen musste? Er wusste es nicht. Die Tränen bahnten sich ihren Weg aus den Augen und begannen über die Wangen zu fliessen. "Es tut mir so leid", hörte er Boris sagen und dieser klammerte sich an Bens Kleidung. "Es ist nicht deine Schuld", schluchzte Ben hervor und blickte zu Sandra, die die Waffe noch unermüdlich auf die Beiden gerichtet hatte. "Es wird Zeit. Diesen Irsinn zu beenden", begann sie und riss Boris von Ben los. "Sie haben Recht Ben Jäger. Ich bin wahnsinnig. Und nun muss ich diesen Wahnsinn beenden." Sie setzte Boris an einem Fenster ab und gab ihm einen I-Pod in die Hand. "Du kannst nichts für deine Mutter. Nimm den. Höre Musik und sieh steht's nur auf die Strasse." Boris nickte, drückte sich die Kopfhörer in die Ohren und blickte auf die Strasse.




    "Semir!" Hotte öffnete Semir die Türe und dieser stieg sofort aus dem Wagen. "Ich muss da rein!" stiess der Deutschtürke hervor und zog seine Waffe. "Das wussten wir. Aber nicht ohne uns." Die beiden Polizisten zückten auch ihre Pistolen und Dieter zwinkerte Semir zu. "Sehen wir zu, dass wir Ben da rausholen!" Semir nickte dankend und ging nocheinmal zu seinem Wagen. "Frau Becker, Sie bleiben hier. Zum Wohle Ihrer Kinder!" sagte er, schloss die Türe und versperrte so der Frau die Flucht.




    "Stehen Sie auf!" befahl Sandra schroff und Ben tat wie befohlen. "Wir Beide sind trauernde Leute, Ben Jäger. Sie haben Ihren Partner verloren, ich meine beste Freundin. Ich wollte schon immer mit einem Leidensgenossen sterben", schluchzte sie hervor und strich sich mit der freien Hand kurz die Tränen aus den Augen. "Ich bewundere Sie. Sie wollten ihn retten, doch um den Jungen zu retten liessen Sie ihn zurück. Immer die Pflicht im Nacken." Ben verspürte das harte Bedürfnis, sich zu übergeben. Diese Frau ekelte ihn nur an. "Sie hätten nur ein wenig warten müssen Sandra. Mein Partner und ich wären sofort auf die richtige Spur gekommen." Sandra lachte auf. "Ja vielleicht. Aber mein Gewissen hätte es nicht beruhigt, doch nun bin ich frei." Ben erblickte drei schwarze Silhouetten die Treppe hinauf kamen und sich hinter der Kommode vor dem Zimmer versteckten. Zwei waren ihm klar. Hotte und Dieter. Doch konnte der Dritte wirklich er sein? Er sah nochmal hin. Er musste es einfach sein.



    "Sie wollen schiessen," begann er auffordernd und zeigte auf sich, "schiessen Sie. Beenden Sie dieses kranke Spiel!" Sandra lächelte und stand schiessbereit vor Ben. "Sie werden sterben!" stiess sie hervor und begann den Finger um den Hahn zu krümmen. "Dann schiessen Sie! Schiess!" Sie stiess ein krankes Lachen aus. "Schiess verdammt noch mal!"




    Semir ging sofort hinter seiner Deckung heraus und feuerte zwei Schüsse ab. Scheiben zerbrachen und das laute Klirren überklang jegliches Geräusch. Sandras Oberkörper zuckte auf und Blut schoss aus den Wunden. Sie kippte nach vorne und blieb liegen. Semir rannte zu ihr hin und fühlte ihren Puls. Nichts.
    "Ben!" stiess Hotte hervor und Semir vernahm ein Stöhnen von seinem Partner. "Sie hat mich erwischt!" Leichenblass glitt Ben zu Boden - hinterliess dabei an der gläsernen Wand eine lange Blutspur. "Ben!" Semir ging auf ihn zu und fing ihn auf. Dieter kam auf sie zugerannt. "Dieter! Schnapp dir den Jungen! Er soll hiervon nichts sehen!" Der Hühne nickte und schnappte sich den Jungen. Er drückte ihn an sich und Boris fragte nur, ob alles vorbei seie. Dieter nickte und flüsterte ihn beruhigende Dinge zu, so dass der Junge gar nicht dazu kam, sich umzusehen.




    Semir zog Ben die Jacke aus und schob den Pulloverkragen zur Seite. Sandra musste bei ihrem Tod sich vor Schmerz verkrümmt haben und so löste sich ein Schuss. Dieser traf Ben direkt zwischen Schulter und Hals. Feuerheisses, rotes Blut floss aus der Wunde. "Oh Gott", stiess Semir hervor und erblickte dann ein Taschentuch das Hotte ihm überreichte. "Ich rufe sofort einen Krankenwagen", sagte der beleibte Polizist und zückte sein handy hervor. "Semir", stiess Ben hervor und lächelte, "Du lebst." Semir zog die Kette hervor und Ben erblickte den kaputten Anhänger. "Sie hat die Kugel abgefangen", flüsterte Semir und drückte das Taschentuch auf die Wunde. "Ich habe doch gesagt sie bringt Glück." Semir musste auf Bens Kommentar lächeln. "Ich weiss...Ben..." Ben sah sofort was Semir befürchtete. "Es war nicht einer deiner Kugeln Semir...ich weiss es!" Das Blut begann durch das Taschentuch hindurch zu sickern und Semirs Hände zu benetzen. "Bitte nicht...nicht schon wieder", schluchzte Semir hervor, drückte Ben an sich. Das Heulen der Krankenwagensirenen wurde hörbar.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

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  • Semir erblickte die Sanitäter, wie sie die Treppen hinaufkamen und sich wie Aasgeier über Ben hinweg machten. Einer der Jüngsten Helfer der Not nahm sich Semir an und flüsterte ihm beruhigende Worte zu. Doch Semir war schon zu lange im Geschäft als unwissend zu nicken und die Ruhe zu finden. Er wusste dass das Meiste nur billige Floskeln waren. Gut gemeinte Floskeln – aber Floskeln.


    Doch Semir musste sein Vertrauen zu Ben erhalten. Er musste ihm vertrauen. Er konnte nicht anders. Sein Jüngling würde das schaffen. Dieser Glaube half ihm, sich nicht irgendwo zu verkriechen.
    Ben spürte, wie man ihm eine Atemmaske anlegte und sofort fiel ihm das Atmen leichter. Seine Lungen schmerzten beinahe vor Erleichterung. Er wurde auf ein Laken gelegt dass den Sanitätern half, ihn auf die Trage zu befördern. Das Laken wurde anschließend als Decke benutzt und Ben verspürte sofort eine wollende Wärme. Die Schussverletzung raubte ihm jegliche Kraft und er wusste nun, wie sich der Semir in seinem Traum gefühlt haben musste. Mies – wirklich mies.


    „Ben“, hörte er eine Stimme sagen und erblickte Semir – inzwischen schon ziemlich unscharf. „Semir…“ Semir nahm Bens Hand und drückte zu. „Du schaffst das, Kumpel! Ich weiss es!“ Ben nickte. „Wirst du da sein, wenn ich wieder aufwache.“ Kälte drang an sein Gesicht. Er musste schon in der Nähe des Krankenwagens sein. „Verlass dich drauf“, versprach Semir und liess die Hand los. Ben wurde in den Krankenwagen gehoben und die Türen schlossen sich.

    Boris sass mit seiner Mutter auf der Treppe und als der Junge Ben sah, wollte er losrennen. Er sah das Blut am Halsbereich, die Atemmaske, die Leichenblässe seines Freundes. „Ben“, schrie er und er wurde von Semir aufgehalten. „Ruhig Kleiner“, begann er und Boris wollte sich vorbeidrängen. „Was ist passiert?“ fragte er und konnte sich die Tränen nicht verwehren. „Er wird bald wieder gesund. Du musst mit Hotte und Dieter zum Revier. Dort müssen sie dich fragen, was genau geschehen war.“ Boris sah zu seiner Mutter und diese nickte mit verzogenem Gesicht. „Dann kannst du zu Ben. Ich werde dort auf dich warten. Ich verspreche es!“ Boris gab nur widerwillig nach und folgte seiner Mutter, die in einen Streifenwagen stieg. Noch einmal sah er zum Krankenwagen und dann startete Hotte den Motor. Semir nahm sein Handy hervor, wählte eine Nummer und wartete. „Andrea? Kannst du Aida bei deinen Eltern lassen…? Ich brauche dich im Krankenhaus…“


    Ben spürte wie er durch die Gänge geschoben und in einen Raum gebracht wurde. Sofort wurde er von seiner Oberbekleidung befreit und man versuchte die Blutung zu stoppen. Sanft entfernte man die Atemmaske und ersetzte sie durch eine Nasenkanüle. „Holt mehr Tücher. Und bestellt Blut. Wir brauchen sie für die Operation“, hörte er eine helle Frauenstimme sagen und sah alles nur noch verzerrt. Wie ein Nebelschleier. Seine Augen wurden müde und er versuchte, in dem er steht’s ins Licht blickte, nicht einzuschlafen.
    Doch da war was. Im Licht war was. Eine Person. Er kannte sie. Konnte das wirklich sein?
    „Saskia…?“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Andrea lief den langen Gang entlang. Schweiss lief ihr über die Stirn und ihr Atem ging schnell. Der Anruf ihres Manner beunruhigte sie und sie musste sofort handeln. Ohne zu zögern nahmen ihre Eltern Aida an sich und liessen sie ziehen.
    Ihr Mann sass auf der Wartebank. Die Hände voller Blut und der Kopf auf den Händen gestützt. "Semir", stiess Andrea erleichtert aus und ging auf ihn zu. Die Liebenden umarmten sich und gaben sich einen Kuss. Andrea sah sofort Tränen in Semirs Augen und strich sie ihn aus den Augen. "Was ist passiert?" fragte sie mit ihrer gewohnten, ruhigen Stimme und blickte auf. Sie befanden sich direkt vor dem OP-Raum. "Ben wurde angeschossen...Andrea....die Kugel könnte von mir sein." Andrea zog eine Augenbraue hoch und setzte sich. Dabei zog sie ihren Mann mit. "Unmöglich Semir! Wie sollst du denn Ben getroffen haben?" Semir begann zu erklären. Und bei jedem Wort wurden Andreas Augen grösser.
    "Oh Gott", flüsterte sie leise und strich sich übers Gesicht, "dass ist hart."



    Semir nickte leicht und blickte auf, als er Schritte hörte. Hartmut kam sofort auf ihn zu und lächelte leicht. "Gute Neuigkeiten Partner", stiess er hervor und kniete sich vor Semir. "Deine Kugeln sind definitiv in dem Körper des Opfers der Täterin stecken geblieben. Es war ihre Kugel die Ben verletzt hat. In ihrem Todeskampf hatten sich die Finger gekrümmt und so löste sich ein Schuss. Deshalb auch die seltsame Schusswunde bei Ben." Semir atmete leicht aus und Andrea drückte ihn fest an sich. "Wie steht es um ihn?" fragte der Rotschopf sorgvoll. Semir konnte nur mit den Schultern zucken. "Keine Ahnung. Aber die Notärztin hat mir erzählt, dass Ben, bevor er das Bewusstsein verlor, noch noch einen Namen sagte."
    "Und der wäre?" fragte Andrea neugierig und Semirs Gesicht wurde wieder dunkel. "Saskia." Hartmut und Andrea sahen sich geschockt an. "Das ist doch seine verstorbene Freundin", stellte Hartmut fest und strich sich durch's Haar. "Allerdings", begann Semir und stiess ein Stöhnen aus, "deshalb habe ich so Angst. Es heisst doch immer, vor dem Tod sieht man noch mal einen geliebten Menschen."



    In diesem Moment ging die Operationstüre auf und ein junger Arzt betrat den Gang. "Semir Gerkhan?" Der Angesprochene stand auf. "Müller mein Name. Ich habe Ihren Partner operiert."
    "Wie ist die Lage?" fragte Semir und machte sich schon auf das Schlimmste gefasst. "Ihr Partner hatte Glück. Die Kugel hatte die Halsschlagader verfehlt. Jedoch hatte er schon viel Blut verloren und die Erkältung hat ihn zusätzlich geschwächt aber...er wird durchkommen. Er ist ausser Lebensgefahr." Semir stiess einen lauten Erleichterungsjubel aus und in diesem Moment kamen Hotte und Dieter an. "Und?" fragten sie und Semirs lächelndes Gesicht sprach Bände. "Er wird durchkommen!" jauchzte er und umarmte Andrea voller Liebe. "Wollen Sie zu ihm?" fragte Müller und Semir nickte. "Natürlich."




    Es war Semir allein, der in das Zimmer ging. Die Anderen liessen ihm den Vortritt. Ben wurde in ein Zimmer auf der normalen Station verlegt. Noch immer war er bleich und wirkte schwach. In seiner Nase steckte eine Kanüle und es wurde ihm durch eine Infusion Blut zugefügt. Die Arme lagen über der Decke und der Kopf verschwand beinahe im Kopfkissen.
    Semir kramte in seiner Tasche und holte ein kleines Päckchen hervor. Er öffnete es und zog eine Kette mit Anhänger hervor. Der Anhänger war ein Auto aus Bernstein. Er hatte auf dem Weg zum Krankenhaus ein kleines Esotheriklädelchen entdeckt und beschloss, sich für die Kette zu revanchieren.
    Es war ja das Offensichtlichste. Sowas war einfach ideal für Ben. Und es sollte ihn, sollte er mal wirklich die Abteilung wechseln, immer daran erinner woher er kam und worauf er stolz sein kann.
    Semir öffnete den Verschluss und beugte sich langsam über Ben. Die Augen waren geschlossen. "Damit du auch wieder ein wenig Glück hast", murmelte Semir und legte Ben die Kette an, ohne dabei einer der Schläuche zu berühren. Er nahm Bens Hand. Sie erfüllte sich langsam wieder mit Wärme. Als er sie zum letzten Mal berührt hatte, war sie eiskalt. Kalt wie der Tod.
    Semir erblickte ein riesiges Pflaster um Bens Schulter. Anscheinend hatte man gerade Ein- und Austrittswunde miteinander verbunden. Auf der Brust waren EKG-Pats befestigt. Anscheinend wollte man auf Nummer sichergehen. Das weisse Krankenhaushemdchen gab Ben ein wenig Farbe zurück. Semir wusste, dass dies nur eine optische Täuschung war, aber diese optische Täuschung beruhigte ihn.
    "Werd' schnell wieder gesund Partner", begann er und drückte Bens Hand, "alleine zu fahren ist nämlich weit weniger spassig. Ausserdem fehlt mir mein Autoradio."
    Semir erstaunte als sich der Händedruck erwiderte. "So schnell wirst du mich nicht los", flüsterte eine Stimme und Semir strahlte.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Köln fünf Tage später



    Ben versuchte die Sporttasche zu heben aber der Schmerz in der Schulter war zu gross. "Was machst du denn da?" protestierte Semir wütend und hob das Gepäck. "Du hast den Arzt gehört, zwei Wochen absolute Schonung! Ansonsten pack ich dir den Arm in 'ne Armschlinge!" Ben salutierte mit dem gesunden Arm und gab ein kleines "Aye, Aye Sir!" von sich. "Ich will es auch meinen!" sagte Semir und packte mitgebrachte Habe von Ben wieder ein. Andrea kam in das Zimmer und musste grinsen. "Ist er wieder unausstehlich?" fragte sie und half der kleinen Aida, ins Zimmer zu laufen. "Wann ist er es nicht?" scherzte Ben und kniete hinunter. "Na, hallo kleiner Schatz", begrüsste er Aida und diese tappste sofort auf ihn zu. Sie umarmte ihn und Ben verzog kurz das Gesicht vor Schmerz. "Na das nenn ich mal 'ne Begrüssung", witzelte er und tippste Aida auf die Nase. "Du hättest Semir an dem Tag von Aidas Geburt sehen sollen", begann Aida und Semir verzog das Gesicht zu einer warnenden Fratze, "da war er besonders schlimm!" Ben drehte sich um. "Ach wirklich?" Semir zog einen Schmollmund. "Ja ein bisschen Theater hab' ich vielleicht gemacht."
    "Ein bisschen?" stiess Andrea hervor und verfing sich in einen Lachanfall. "Du bist in Ohnmacht gefallen?" Ben prustete und musste sich zusammennehmen.


    "Ben?" Die Türe öffnete sich und Boris kam herein. Er sah, wie schon zum Aufbruch zusammengepackt wurde. "Du darfst schon nach Hause?"
    "Er will schon nach Hause", korrigierte Semir und blickte Ben vorwurfsvoll an. "Ich hab die Genehmigung des Arztes gekriegt, Mensch!" verteidigte sich der Jüngere und Boris ging auf ihn zu. "Meine Tante wird mich zu sich nehmen. Bis meine Mutter wieder aus dem Gefägnis kommt", schluchzte er hervor und Ben legte einen Finger unter sein Kinn. "Es wird alles wieder gut Boris. Wir werden für deine Mutter ein gutes Wort einlegen", versprach er und umarmte Boris. "Ich weiss...Ben..." Der Angesprochene löste sich. "Ich wollte dir noch was geben." Er kramte in seiner Hosentasche und zog ein Stein hervor. Er hatte die Form einer Musiknote. "Ich habe sie im Werkunterricht gemacht. Meiner Mutter habe ich ein Herz mitgegeben. Und da du so schön singen kannst..." Ben lächelte und strich dem Jungen über die Wange. "Das ist wunderschön. Du bist ja wirklich begabt", lobte Semir der sich vom Gepäck lösen konnte. "Ich glaube du wirst mal ein begnadeter Bildhauer", kommentierte Andrea und strich dem Jungen kurz über den Kopf.



    Boris lächelte und an der Tür stand eine Frau die seinem toten Vater nicht unähnlich sah. "Boris? Wir müssen gehen", sagte sie mit sanfter Stimme und streckte die Hand aus. Boris umarmte Ben noch einmal zum Abschied und schluchzte ein kleines "Dankeschön".
    "Gerngeschehen mein Kleiner", flüsterte Ben und sah, wie der Junge verschwand.
    "Was haltet ihr davon", begann Andrea und hob Aida auf den Arm, "wenn wir heute zu Feier von Bens Entlassung, was schönes Essen gehen?" Ben und Semir stimmten sofort zu. Ben wollte seine Tasche packen als Semir seinen Arm schon reingestreckt hatte. "Aus!" befahl er und Ben wuffte ganz brav. "Dann will ich aber mein Leckerli!" begann er und alle gingen mit einem lauten Lacher aus dem Krankenhauszimmer. Ben fasste seinen Autoanhänger und zwinkerte Semir zu. "Damit ich weiss woher ich komme", flüsterte er ihm zu und mit dieem Satz waren sie entgültig wieder Freunde. Die Erleichterung war in der Luft spürbar und Ben wusste, dass er den besten Parnter auf der Welt hatte.



    ENDE

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

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