Semir lehnte sich ins Kissen zurück. Er hatte gerade das Gefühl, gegen eine Wand zu reden.
"Chefin, natürlich werden die nicht den Auftraggeber nennen. Der Mann, der eben hier war, hat behauptet, wir hätten zwei geständige Mörder und das der Rest nicht für uns bestimmt war."
Anna setzte sich auf den Stuhl und schwieg. Sie dachte an die anonymen Anrufe, an die Drohungen, die tote Architektin und vor allem an ihre Nichte. Sie dachte auch daran, wie hartnäckig Tom und Semir weiterbohren würden. Der Mann, der hr im Aufzug begegnet ist, sie hatte ihn nur flüchtig in Erinnerung. So wog innerlich ab, was gut für ihre Leute und ihre Famillie und was gegen die Ermittlungen sprechen würde. Sie hatten nicht einmal den leisesten Verdacht wonach und nach wem sie suchen sollten. Auch der Brand ging ihr nicht aus dem Kopf. War es Zufall oder Absicht, dass sie da gerade nicht anwesend war?
"Chefin?" Anna schreckte aus ihren Gedanken auf. Sie hatte ausgeblendet, dass sie noch im Krankenzimmer bei Tom und Semir war.
Sie bemühte sich um ein Lächeln.
"Oh ja, sicher...Sobald Sie beide wieder genesen sind, erwarte ich Sie zu einer Besprechung. Bis dahin halten Sie äußerste Ruhe."
Sie verabschiedete sich von den beiden Cops.
Tom und Semir sahen sich ratlos an.
"Was war das denn jetzt?" fragte Semir. Tom zuckte nur mit den Schultern, bereute die Bewegung aber gleich wieder und verzog schmerzverzerrt das Gesicht. "Frag mich mal etwas einfacheres. Die ganze Sache stinkt von vorn bis hinten. Geständige Mörder..."
"Reg Dich ab, Tom. Vielleicht ist die Sache wirklich zu groß für uns. Ich meine, der Typ wusste, wer wir waren und was pasiert war. Und woher sollte er das wissen?"
Tom schüttelte den Kopf. Er war sich nicht sicher, was er denken sollte. Vielleicht war sein Verstand noch zu vernebelt von den Medikamenten und sie bräuchten wirklich erst einmal Erholung.
"Wir werden die Chefin fragen, sobald wir hier wieder draußen sind. Bis dahin werden wir eh keine vernünftige Antwort bekommen."
Semir stimmte seinem Partner zu.
Anna stieg in ihren Wagen. Sie wollte gerade den Motor starten, als sie unter einem der Wischerblätter einen Zettel klemmen sah. Sie hielt ihn zuerst für einen Strafzettel, denn sie hatte vergessen, die Parkscheibe zu stellen. Sie fluchte, stieg aus und faltete den Wisch auseinander.
Zu ihrem Erstaunen musste sie feststellen, dass es sich lediglich um eine Notiz handelte:
'RUFEN SIE FRAU SCHRANKMANN AN! SIE HABEN IHRE MÖRDER DER ARCHITEKTIN! MANCHE DINGE SIND NICHT FÜR JEDERMANN BESTIMMT!'
Anna sah sich um, aber bis auf ein paar Schwestern und ein paar Leute, die die Klinik verließen und betraten, war niemand zu sehen. Anna laß die Notiz erneut. Sie dachte an den Mann im Aufzug und daran, was Tom und Semir ihr erzählt haben. Sie setzte sich in ihr Auto. Ihre Hände fühlten sich kalt und klamm an, als sie die Nummer der Staatsanwaltschaft wählte.
"Büro der Staatsanwaltschaft. Was kann ich für Sie tun?" meldete sich die Stimme vom Empfang.
"Ja, meine Name ist Anna Engelhardt, Kripo Autobahn, ich möchte gerne Frau Schrankmann sprechen."
"Einen Moment bitte, ich verbinde Sie."
Dann ertönte eine Melodie, mit einer Stimme vom Band, die daraufhinwies, dass der Teilnehmer verbunden wird. Die Sekuden kamen Anna wie Stunden vor, bis endlich eine weibliche Stimme zu hören war.
"Schrankmann..."
"Guten Tag, Frau Schrankmann, Engelhardt, Kripo Autobahn..."
"Ach Frau Engelhardt, ich habe schon versucht, Sie zu erreichen, aber man teilte mir mit, Sie wären außerhalb unterwegs..."
"Ja, ähm...Frau Schrankmann, ich habe eine Notiz erhalten, ich sollte Sie anrufen."
"Ach ja?" Frau Schrankmann war für einen Moment überrascht, aber dann begann sie von den Geständnissen der beiden Verdächdigen zu berichten und gratulierte Anna zu dem erfolgreichen Zugriff, nicht jedoch ohne es zu versäumen, auf die unerwünschten Eigenmächtigkeiten von zwei gewissen Kripobeamten tadelnd aufmerksam zu machen.
Nach dem Gespräch, war Anna wie erschlagen. Die Ereignisse des vergangenen Tages kreisten ihn ihrem Kopf. Mit einem Mal war ihr Beschützerinstinkt geweckt und sie wußte, was sie zu tun hatte.