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Vergiss mein nicht

    • Fertig gestellt
    • Campino
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  • 23. August 2016 um 09:58
  • Campino
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    • 10. Oktober 2016 um 09:55
    • #21

    Hamburg - 9:10 Uhr


    Man konnte meinen, Ben und Semir seien Verkehrsrowdys. Sie hielten sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung, überholten gefahrlos, soweit es ging, mitten in der Innenstadt und legten die Grünphasen der Ampel sehr großzügig aus. Allerdings hatten sie kein Blaulicht an, um nicht sofort den Männern aufzufallen, falls sie noch auf der Straße waren. Beide Polizisten waren nervös, denn die Nachricht, dass Timo angeblich den totgeglaubten Kevin gesehen hatte, löste in beiden eine Flut von Bildern und Gefühlen aus. Die Trauer kam zurück, die Hoffnung, die schon längst gestorben war. Aber auch Unbehagen, warum sich ihr Partner scheinbar mit einem Fremden in Hamburg sehen lässt, nachdem von dort gerade Jenny verschwunden war. Denn wenn er mit Hilfe eines Fremden auf der Suche nach ihr war, warum hatte er sich nicht bei Semir und Ben gemeldet?
    Genau dieser Umstand war es, der die beiden Männer zweifeln ließ, ob sich Timo nicht vielleicht doch geirrt hatte. Wie lange hatte er das Bild in Jennys Wohnung gesehen? Ein paar Minuten, vielleicht Sekunden? Und ausserdem war es schon über einen Tag her, er hatte dazwischen geschlafen, eine Verfolgungsjagd erlebt und vermutlich den Anschiss seines Lebens kassiert. Da konnte man auch mal auf Ideen kommen, dass ein Mann mit blauen Augen und einer etwas zerschossenen Frisur so aussieht, wie der Freund der Kollegin auf dem Foto.


    Semir schien sich mit dieser Erklärung beruhigen zu wollen, in dem er mehrmals sagte: "Das kann nicht sein. Timo hat sich geirrt." Ben wollte das nicht wahrhaben, zu groß die Hoffnung dass sein Freund noch lebte und Juan sich geirrt hatte. "Timo? Wo seid ihr jetzt?", fragte Semir, als er nach mehreren Versuchen eine Handyverbindung herstellen konnte. "Sie sind gerade in ein Gebäude gegangen. Das ist die alte Schlachterei am Schanzenviertel. Dort ist ein Fleischgroßmarkt, und hinten dran der alte Schlachthof." Er nannte noch eine Adresse, die Ben schnell in sein Navi eintippte. "Glaubst du, sie haben dich bemerkt?" "Nein, ich denke nicht. Ich gehe auch rein." "Nichts da!!!", sagte Semir sofort und energisch. "Du wartest, bis wir da sind. Wir sind in 5 Minuten da!" "Aber...", wollte Timo sich rechtfertigen, doch Semir kam ihm, in Vorgesetzten-Manier zuvor: "Du wartest!"
    Der erfahrene Polizist machte sich Sorgen um den Jungen. Er war noch unerfahren und vor allem scheinbar in solchen Einsätzen noch nicht oft gewesen, wie er gestern abend festgestellt hatte. Er konnte ihn nicht einfach alleine da rein gehen lassen, weil die beiden überhaupt nicht einschätzen konnten, was die Männer vor hatten, und wer es überhaupt war. Auch wenn es keinen Hinweis darauf gab, dass etwas gefährlich sein könnte... Semir hatte ein Gefühl. Und sein Gefühl ließ ihn selten im Stich.


    Eigentlich waren es die beiden Polizisten der Autobahnpolizei gewöhnt, solche Order, wie Semir sie gerade ausgegeben hatte, in den Wind zu schlagen, wenn sie sie bekamen. Timo war nicht aus dem Holz geschnitzt, und erleichtert sah der kleine Türke dass der blonde Junge ungeduldig an einer Art Scheuneneingang des roten Backsteingebäudes wartete. Mit quietschenden Reifen hielt Ben den Mercedes am Bordstein an und beide Männer sprangen aus dem Fahrzeug. "Da sind sie rein?", fragte Ben ohne Begrüßung und Timo nickte schnell. "Na dann mal los."
    Die Waffen zogen sie noch nicht... aber langsam und beinahe lautlos bewegten sie sich durch die Gänge der ehemaligen Schlachterei. Vorne im Geschäftsgebäude brummte es, aber nach hinten des alten Gebäudes lag Stille in der ehemaligen Rinderschlachterei. Einige alte Gerätschaften, verrostete Haken, an denen früher Fleischteile aufgehängt wurden, hingen noch an Stangen oder lange verstreut auf dem Boden herum. Wie bei allen verlassenen Gebäuden gab es hier vereinzelte Fälle von Vandalismus und Graffitis. "Könnte man Jenny hier versteckt halten?", fragte Timo flüsternd. "Ich weiß nicht... hier sind so viele Leute vorne in dem Gebäudeteil. Wenn es hier vielleicht einen Keller gibt, dann... vielleicht.", antwortete Ben ebenso leise, der in der Mitte der drei Männer ging.


    "Sollen wir uns aufteilen?", fragte er nach vorne zu seinem Partner. "Nein. Das ist mir zu gefährlich. Wir wissen gar nicht was hier los ist... wir bleiben zusammen." Sie lugten in jede Ecke, durchquerten fast den kompletten Schlachthof. Eine weiße Tür öffnete sich zu ihrer linken, mit einem großen Hebel am Inneren und Äusseren der Tür. Ein leises, gleichmäßiges Geräusch ging von diesem fensterlosen und pechschwarzen Raum aus. Die ganze Schlachterei war nicht besonders gut vom Sonnenlicht beleuchtet und eher schummrig, aber hier kam ihnen die Öffnung wie ein gähnender Schlund vor. "Was ist das?", fragte Timo. "Sieht wie eine Voratskammer aus...", flüsterte Ben zurück, während Semir einen Schritt hinein machte, das Handy mit leuchtender LED in der Hand.
    Auf einmal spürten sie einen Ruck... der Ruck kam von hinten und äusserte sich in einem festen Tritt gegen Timos Rücken, der somit auf Ben und Semir stolperte und alle drei auf den kalten Fliesenboden schlagen ließ. Er kam so unvermittelt und plötzlich, dass keiner der Männer schnellen Halt fand oder kontrolliert fallen konnte. Und noch bevor sich die drei berappelt hatten, umgedreht oder aufgestanden waren, fiel die schwere Tür knallend ins Schloß.


    "Hey! Aufmachen!!", rief Semir noch, der als erstes auf den Beinen war und zur Tür rannte, was nur zwei Schritte waren, doch von aussen hörte man bereits das Geräusch eines schließenden Riegels. Die Kammer konnte scheinbar nur von aussen versperrt werden, und der Polizist zog und zerrte an dem Hebel. "Mach Licht!! Mach LICHT!!!", hörte er die fast panische Stimme seines Partners, denn mit einem Mal war es in dem Raum stockdunkel und Ben konnte nicht mehr erkennen, wie groß oder geräumig dieser Raum war. Es schien, als würde jemand ihm die Luft abdrücken und seine Phobie, seine Platzangst setzte voll ein. Schnell suchte Semir die Wand neben der Tür mit der LED ab und konnte tatsächlich einen Lichtschalter sehen, den er schnell drückte.
    Klirrend sprangen ein paar grelle Neonröhren an der Decke an, und nun war es Semir, dem es unbehaglich wurde. Diese Kammer hatte Ähnlichkeit mit der umgebauten Gaskammer in der Germania, in die er vor Monaten von Neo-Nazis gesperrt wurde. Diesmal allerdings handelte es sich um einen Kühlraum, der leer war. Weiß gekachelt, mit einigen alten Haken und einem großen Generator an der Decke, der just in diesem Moment ansprang. Die drei Polizisten wussten, was das bedeutete... die Temperatur würde hier drin sehr schnell sinken...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen

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    • 11. Oktober 2016 um 10:48
    • #22

    Schlachterei - 9:15 Uhr


    Sind die wirklich so blöd, wie sie aussehen? Unterschätzten sie Patrick und Kevin? Scheinbar schon... den die drei Polizisten hatten weder ihre Waffe gezückt, als sie durch die Gänge schlichen, noch hatten sie sich wenigstens hin und wieder mal umgesehn. Aber welche Veranlassung gab es, vorsichtig zu sein? Kevin war ihr Partner... dachten sie jedenfalls. Und ob der kleine blonde Polizist Patrick als geführten Straftäter aus den Akten kannte, wusste derjenige selbst nicht. "Wir sperren sie in den Kühlraum.", raunte der Verbrecher Kevin zu, während sie in gesicherter Deckung saßen. "Du bleibst hier." "Warum soll ich hier bleiben?", flüsterte der junge Polizist. "Weil es besser für dich ist. Ich hab momentan nichts auf dem Kerbholz... bei dir bin ich mir nicht sicher."
    Kevin blickte mit Unverständnis zu seinem scheinbaren Freund, der leise und kurz erklärte: "Weißt du, ob du momentan gesucht wirst? Ob die drei vielleicht hinter dir her sind?" Natürlich wusste Kevin das nicht. Kevin konnte sich an die letzten Jahre seines Lebens nicht erinnern und sein Kopf hämmerte jedes Mal, wenn er versuchte, ein paar Puzzlestücke zusammen zu setzen. "Nein, weiß ich nicht." "Also. Dann ist es besser, wenn sie dich auf keinen Fall sehen. Also bleib hier."


    Patrick hatte drauf geachtet, dass sie sich weit genug von den drei Polizisten versteckten. Er hatte die Befürchtung, dass Kevins Erinnerung einsetzen würde, wenn er Ben oder Semir sah, vielleicht erkennen würde. Aber früher oder später, damit sein Plan funktionierte, musste er den jungen Polizisten mit den alten Kollegen konfrontieren. Um seine Verschwörung, sein Komplott wirksam zu machen und Kevin in die Enge zu zwängen, müsse er das Risiko eingehen... aber noch nicht jetzt. Erst musste er Kevins Erinnerungsfäden zu einer eigenen Geschichte spinnen, die der junge Mann glaubte. Mit dem Wissen über Kevins Jugend und dem Wissen einiger Dinge aus seiner Gegenwart, könne er ihm die perfekte Verbrecherkarriere zeichnen, die ein Mann, der nur noch Erinnerungsfetzen ohne jeden Bezug im Kopf hatte, sofort glauben würde... weil er sie glauben wollte, um endlich wieder etwas zu wissen.
    Der Verbrecher schlich sich alleine an die drei Polizisten, trat dem jungen Timo in den Rücken und hatte blitzschnell die Tür des Kühlraums verschlossen. An einem Schaltkasten neben der Tür stellte er die Kühlung au fdie kälteste Stufe ein und grinste selbstsicher, bevor er zu Kevin zurückkehrte. "Wieviele sind da noch dazu gekommen?" "Nur zwei. Lass uns gehen." "Und wie sollen die jetzt wieder rauskommen? Willst du sie erfrieren lassen?", fragte Kevin und sein Inneres schien zwiegespalten... die letzte Erinnerung die er an Beziehungen zu Polizisten hatte, war durchweg negativ aber irgendetwas... irgendein Gefühl in ihm, das er nicht näher definieren konnte, hielt die Skrupellosigkeit von ihm fern. "Glaubst du, dass hier irgendeine Kühlung noch funktioniert? Die werden Verstärkung rufen und in einer Stunde wieder draussen sein. Und bis dahin haben wir uns wieder verkrümelt." Als sie das Gebäude verließen, stieß Patrick seinen Freund an. "Ausserdem warst du doch früher auch nicht so zimperlich zu den Bullen."


    Während sie nun zu Fuß den Weg weiter bestritten, wurde Kevins Kopf von einer Bilderflut heimgesucht. "... nicht so zimperlich zu den Bullen...", klang in seinen Ohren nach, und er versuchte sich erneut zu erinnern. Begegnungen mit Polizisten kamen ihm in den Kopf, Aufeinandertreffen bei Demonstrationen. Kevin mit einem Pflasterstein in der Hand, den er wirft und einen der uniformierten Männer am Kopf trifft, der blutend zu Boden sinkt. Kevin, wie er von einem vermummten Polizisten mit Schild, Helm und Schlagstock zu Boden geknüppelt wird. Kevin, der auf einer Polizeidienststelle niedergeschlagen wird. All diese Bilder fluteten seinen Kopf, er spürte den Hass, den er als Jugendlicher auf die Polizei hatte, nur konnte er nicht alle Ereignisse, nicht alle Bilder zuordnen.
    Er spürte, dass ihn irgendetwas zurückhielt in das damalige Denkmuster zu verfallen, aber er kam nicht darauf, was es war, das ihn zurückhielt. Doch präsent war der Gedanke, dass er nicht auf der Seite der Polizei stand. War er kriminell geworden, nachdem er in das Loch aus Drogen und Alkohol nach Janines Tod fiel, und wo seine Erinnerungskette endete? Er erinnerte sich an Einbrüche, an Körperverletzung... aber das war doch, verdammt nochmal, als Janine noch lebte. Oder verwechselte er das in seinen Gedanken? Konnte er sich denn sicher sein, nichts durcheinander zu werfen?


    Seine Beine knickten ein und Kevin musste sich für einen Moment an der Hauswand festhalten, wobei er sich mit der Hand stöhnend an die Schläfe fuhr. "Kevin? Ist alles in Ordnung? Brauchst du was?", fragte Patrick, der bemerkte dass sein Freund neben ihm offenbar Schmerzen hatte. "Nein nein... es sind nur Kopfschmerzen. Wahrscheinlich diese komische Verletzung.", wiegelte er mit seiner manchmal gelangweilt wirkenden Stimme ab. Er fuhr sich, laut ausatmend, durch die abstehenden Haare, von denen ihm ein paar ins Gesicht hingen, weil er sie länger trug als früher. "Ich kriege die Bilder nicht aus dem Kopf, als könne ich mich erinnern, und weiß doch nichts." Er schüttelte den Kopf und ging weiter, doch Patrick bugsierte ihn für einen Moment auf eine Parkbank. "Warte..."
    Für zwei Minuten war der Mann in einer Bäckerei verschwunden und kam mit zwei Flaschen Cola wieder. "Hier, bisschen Zucker schadet nicht. Bleiben wir für einen Moment hier sitzen." Der junge Polizist nickte dankbar, rieb sich mit den Fingern über die Stirn und nahm einen kräftigen Schluck des koffeinhaltigen Zuckerwassers. "Was sind das für Bilder? Was siehst du?", fragte Patrick dann kurz. "Aufeinandertreffen mit der Polizei... allesamt negativ. Aber... irgendwie... ich weiß nicht. Dieser pure Hass, an den ich mich erinnere... ist irgendwie nicht da. Aber ich kann nicht sagen, warum er nicht da ist, weil ich nicht weiß, was zwischen diesen ganzen Dingen geschehen ist.", versuchte Kevin seine Gedankenwelt zu erklären.


    Nach einer kurzen Pause holte er weiter aus. Dabei sah er nach vorne zur Straße, ohne Patrick neben sich anzublicken. "Es ist, als hätte ich im Kopf vier Schubladen. Situationen, Namen, Bilder und Wesenszüge. Aber ich kann nichts zueinander ordnen. Ich erinnere mich an eine Situation, weiß aber nicht, in welchem Verhältnis sie steht. Ich erinnere mich an einen Namen, habe aber kein Bild und keinen Wesenszug. Ich erinnere mich an ein Bild, kenne aber die Person auf diesem Bild nicht. Oder ich erinnere mich an einen Wesenszug... an einen guten Freund... an einen Menschen, der mir Leid zufügen will oder mich liebt... aber dazu habe ich dann kein Bild und keinen Namen." Er klang beinahe verzweifelt als er sprach, und für Kevin war es, seit Janines Tod, völlig untypisch seine Seelenwelt so offen zu legen. Aber auch dieser Charakterzug wurde ihm nur teilweise bewusst, als er stockend erzählte und etwas in ihm ihn daran hindern wollte, weiter zu reden.
    "Es ist, als hätte jemand all diese Schubladen geleert und auf einen Haufen geworfen, und alle Verbindungen zwischen diesen Dingen weggeschnitten. Die Jahre hab ich nicht vergessen, es ist kein schwarzes Loch da." Jetzt erst sah Kevin zu Patrick herüber, der ein perfekt mitfühlenden Gesichtsausdruck über sein hämisches Grinsen legte. "Ich habe nichts vergessen... ich kann mich nur nicht erinnern."

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

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    • 13. Oktober 2016 um 11:23
    • #23

    Kühlraum - 9:30 Uhr


    Es herrschte Krisenstimmung im Kühlraum, als klar wurde dass die drei Polizisten offenbar absichtlich eingeschlossen worden sind. "Hast du Kevin erkannt?", fragte Semir mit leicht zitternder Stimme, die er selbst nicht ganz zuordnen konnte, ob sie von der immer stärker werdenden Kälte kam, oder seinem rasenden Herzschlag. "Nein. Der stand hinter uns. Ich hab hinten keine Augen.", entgegnete ihm Ben genervt, der immerhin froh war, dass das Licht an war, und sehen konnte, dass der Raum halbwegs ausreichend groß war. "Ich hab auch nichts gesehen.", meinte Timo niedergeschlagen und fühlte sich an der vertrackten Situation ein wenig mitschuldig. Semir zog sofort sein Smartphone aus der Tasche und sah drauf. "War ja klar...", brummte er, als die Netzanzeige das totale Funkloch anzeigte.
    Der junge Polizist setzte sich auf eine alte Plastikkiste, in der offenbar früher das zerteilte Fleisch gelagert wurde, während Ben und Semir hin und her tigerten. Timo wunderte sich, wirkten die beiden doch in der stressigen Situation bei der Verfolgungsjagd völlig ruhig und besonnen, waren sie jetzt völlig nervös. Natürlich überlegten sie, wie man hier rauskommen könnte, aber trotzdem war die Reaktion der beiden nicht so, wie er sie erwartet hätte. Er konnte nicht in die Köpfe der beiden Autobahnpolizisten schauen.


    Ben dagegen war etwas ruhiger als Semir, dessen Angespanntheit man förmlich spüren konnte. "Können wir das Licht nicht wieder ausmachen?", fragte er plötzlich und sah in ein verwundertes Gesicht von Timo, während Ben ungewohnt ungehalten antwortete: "Bist du irre? Warum sollen wir hier im Dunkeln rumsitzen?" Natürlich fürchtete er, dass er in der Dunkelheit sofort wieder ein beklemmendes Platzangst-Gefühl hatte. Denn anders als sein Schlafzimmer zuhause, wenn es dunkel draussen war, war hier kein einziges Fenster, so dass man vermutlich nicht mal Umrisse oder Schemen erkennen konnte. Absolute, pechschwarze Dunkelheit, so wie er sie in dem Sarg erlebte, nachdem das Feuerzeug seinen Geist aufgab, wäre die Folge.
    "Ich kann diese Kacheln nicht sehen. Dieser Raum... der ist wie...", keuchte Semir und rieb sich durch die Augen. Die Bilder in seinem Kopf wollten nicht verschwinden, denen er sich ausgesetzt war. Die Rohre, das Zischen, der Dampf den er einatmete und das Gefühl, er müsse jetzt sterben, weil er kein Deutscher war. Ben packte ihn an den Schultern. "Jetzt bleib ganz ruhig. Atme ruhig ein und aus, okay?" Natürlich wollte er Semir helfen. Aber in seinem Hinterkopf war auch der Eigennutz, solange das Licht anblieb.


    "Lass mich!", fuhr der älteste der Dreien seinen besten Freund an. "Du willst nur nicht, dass ich das Licht ausmache, weil du dann Platzangst hast! Schläfst du zu Hause auch im Hellen?", keifte er. Ben antwortete sarkastisch: "Gehst du zu Hause nicht mehr ins Badezimmer?" Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, und obwohl man über die Sprüche, die sie sich an den Kopf warfen, lachen hätte können, waren beide Männer gerade in einer kleinen Paniksituation. "Ich mach jetzt das Licht aus.", sagte Semir entschieden und ging einen Schritt auf den Schalter zu, wobei er von Ben am Arm festgehalten wurde. "Du lässt das Licht an, verdammt!" "Sagt mal, was ist denn los mit euch? Sollten wir nicht eher überlegen, wie wir hier rauskommen?", fuhr Timo dazwischen und war erstaunt und ein wenig erschrocken über seine Courage. Sonst war er ein Typ, der sich immer aus Scharmützeln raushielt, ein Harmoniemensch der dann lieber stillschweigend daneben saß, wenn andere sich verbal maßen.
    Für einen Moment sahen die beiden Polizisten den blonden Mann schweigend an, und Timo hatte das Gefühl, dass sie nachdachten ob sie ihn in die Schranken weisen sollten oder tatsächlich mit dem Streit aufhören. Sie hatten füreinander Verständnis, doch die Angst im Herzen hatte die Kontrolle übernommen, und das Verständnis überboten. Semir atmete tief durch, und sein Kopf gewann wieder die Oberhand. Er konnte sich vorstellen, dass es auch für Timo, den sie kurzerhand vergessen hatten, nicht angenehm war im Dunkeln zu sitzen. "Nagut... dann lassen wir das Licht halt an."


    Die Situation beruhigte sich wieder, und auch Ben und Semir setzten sich auf die Kisten und begannen, nachzudenken. "Was hat euch jetzt so nervös gemacht?", fragte Timo ein wenig verwirrt, doch beide Polizisten wiegelten ab. Sie wollten ihre Geschichte nicht preisgeben, denn so gut sie Timo auch in diesen zwei Tagen leiden konnten... er war ein Fremder. "Nervös warst du aber auch gestern, als wir in der Hochhaussiedlung waren.", war Semirs Antwort und seine Stimme klang wieder normal. Timo sah für einen Moment zu Boden und nickte. Sofort konnte man merken, dass ihn etwas beschäftigte, dass er an etwas dachte... und es war nichts Positives. Semir, der feine Antennen für so etwas hatte, auch in Streßsituationen, sah zu ihm rüber. "Willst du sagen, warum du nervös warst?"
    Der blonde Polizist schluckte kurz und räusperte sich. "Ich bin dort aufgewachsen." Ben schaute etwas überrascht. Dass es Polizisten gab, die ihn absoluten Problemvierteln aufgewachsen waren, war nichts ungewöhnliches... aber zumindest im jungen Alter hing ihnen etwas nach. Man konnte oft merken, wo sie herkamen, wie es beispielsweise bei Kevin unverkennbar war. Aber Timo hatten sie, was das angeht, völlig anders eingeschätzt. Wenn sie gefragt worden wären, sie sollten mutmaßen, hätten sie wohl vermutet, er käme aus einer guten Familie mit Eigenheim, die Mutter Hausfrau, der Vater einen gutverdienenden Job. Klischees, die im Kopf oft vorherrschten, ohne dass man etwas dagegen tun konnte.


    Timo bemerkte die kurze, überraschte Reaktion und lächelte. "Ihr könnt euch vorstellen, dass ich unter den Kindern und Jugendlichen, die dort leben, eher ein Aussenseiter war.", sprach er den Punkt unumwunden an. "Und das war nicht immer leicht." Ben und Semir nickten... und doch spürte der Ältere der beiden, dass das nicht alles war. Auf solch eine Vergangenheit, eine schwere Jugend, konnte man traurig zurückblicken, wenn man sie nicht überwunden hat. Aber das hatte Timo, er hatte eine gute Ausbildung, einen guten Beruf und war offen und freundlich, so dass man ihm seine Herkunft niemals anmerken würde. Seine Lippen zitterten, die Stimme ebenfalls, denn das Thermometer fiel jetzt um den Nullpunkt. "Das ist nicht alles, oder?", sagte Semir leise.
    "Ein Junge im Block war wie ich. Wir hatten nichts daran, mit 8 schon zu rauchen oder andere Jungs zu verprügeln. Wir sind Fahrrad gefahren, und haben Fussball gespielt und uns von den anderen Kids ferngehalten. Er war der beste Freund, den man sich vorstellen konnte." Die Stimmlage in der er sprach war konträr zum positiven Inhalt, so dass es Ben für einen Moment die Kehle zuschnürte. "Warum konnte...?", fragte er möglichst einfühlsam, und die Kälte im Raum schien in diesem Moment brutaler, als sie eigentlich war.


    "In dem Block gab es viele Drogenabhängige... aber was wussten wir mit 9 oder 10 Jahren von Junkies und der Gefahr. Wir hatten am Bolzplatz nur die Spritzen gefunden und damit rumgespielt.", erzählte Timo mit trauriger Stimme, und einen der beiden Polizisten anzusehen. Er blickte zu Boden, als hätte diesen mit Spickzetteln ausgelegt. "Ich weiß gar nicht mehr wie es passiert war... ich hatte die Spritze in der Hand... wir haben zum Spaß gerauft... und dann hatte Anders sie im Arm stecken. Er hatte nur "Aua" gerufen, ich habe sie vor Schreck rausgezogen... und wir haben weitergespielt." Semir konnte schon fast ahnen was passiert war. "Er hatte sich mit etwas angesteckt?" Der junge Polizist aber schüttelte den Kopf.
    "Angesteckt nicht. Aber am nächsten Tag ging er nicht mit zur Schule. Er sei krank... Grippe oder sowas. Einen Tag später musste er ins Krankenhaus... und nochmal einen Tag später war er an einer Blutvergiftung gestorben." Die beiden älteren Polizisten wagten es nicht, zu atmen... und sie konnten sich vorstellen, wie groß die Schuldgefühle bei dem jungen Mann sein mussten. "Seine Eltern hatten mich nicht mal mehr zu ihm gelassen, als er im Krankenhaus war. Sie hatten mir die Schuld an seinem Tod gegeben.", sagte er kaum hörbar gegen die Kälte...

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    • 17. Oktober 2016 um 11:13
    • #24

    Imbissbude - 9:45 Uhr


    Patrick ging voraus und führte Kevin in eine Art größerer Imbiss. Eigentlich war noch geschlossen, doch die beiden Verbrecher kannten den Besitzer, der ihnen großzügig den Gastraum aufgeschlossen hatte, damit sie ungestört reden konnten. Ausserdem hatte er Kaffee aufgesetzt. Carsten saß schon am Tisch und rührte ungeduldig in seiner Tasse, als die beiden Männer endlich auftauchten. Er und Patrick hatten sich genauestens überlegt und abgesprochen, was sie Kevin nun vorsetzten wollten, und nach dessen Einblick in seine Gedankenwelt war der ehemalige Gangkollege auch sicher, den jungen Polizisten genug beeinflussen und manipulieren zu können, um ihn endgültig auf seine Seite zu ziehen. Dessen bester Freund stand lächelnd auf und begrüßte erst Patrick, dann Kevin mit einem Handschlag. "Kevin! Schön dich wieder zu sehen.", sagte er mit einer vertrauenserweckenden Stimme und bot Platz. Sofort begann es in Kevins Kopf wieder zu arbeiten und zu kramen, wo in der Schublade mit den Gesichtern er den Glatzkopf mit den grünen Augen einordnen konnte... oder den Namen Carsten. Doch beides konnte er nicht finden, schüttelte zögerlich die Hand und nahm langsam Platz. Er war gespannt darauf, was der Mann ihm erzählen konnte, denn laut Patrick schienen die beiden sich zu kennen. "Was habt ihr so lange gebraucht?" "Wir mussten nen kleinen Umweg nehmen.", meinte Patrick zwinkernd und fügte hinzu: "Erzähle ich dir später."


    "Wie gehts dir, Kevin?", fragte Carsten mit einem Lächeln, das nur Freunde perfekt beherrschten. "Naja... geht so. Mir würde es besser gehen, wenn ich in meinen Kopf ein wenig Ordnung bekommen würde." "Ja, Patrick hat mir erzählt dass du... scheinbar dein Gedächtnis verloren hast?" "Verloren... hmm. Ich kann mich nicht erinnern. Die letzten Jahre sind irgendwie... völlig durcheinander." Die beiden Verbrecher hatten sich erst überlegt, ob sie Kevin die Geschichte auftischen wollten, dass er durch den Sturz in Alkohol und Drogen ein ziemliches Wrack geworden wäre, was seine mangelnde Erinnerung erklärte. Doch könnte das ein jahrelanges Durcheinander in seinem Kopf wirklich erklären? Und ausserdem war er ja jetzt wieder abhängig... nein, der Gedächtnisverlust kam durch ein plötzliches Erlebnis, vermutlich in Kolumbien, was mit seiner Kopfverletzung zu tun hatte. Sie mussten sich etwas anderes ausdenken.
    "An dich kann ich mich zum Beispiel gar nicht erinnern... da ist nichts im...", Kevin stockte und sah Patrick an. Plötzlich arbeitete es wieder in seinem Kopf, Bilder tauchten auf. Bilder in einer Kneipe, von einer Schlägerei, von Blut... Der junge Polizist presste die Augen aufeinander fasste sich stöhnend an den Kopf. "Was ist mit dir?", fragte Carsten besorgt und sah unsicher zu Patrick, der unterm Tisch an seine Waffe griff, falls Kevin sich plötzlich erinnern sollte. Er war immer bereit, einzugreifen... denn er wusste nichts von Amnesie und Gedächtnisverlust und bildete sich ein, Kevin könnte vom Tisch aufspringen und plötzlich wieder der Alte sein.


    "Ich... ich weiß nicht. Vielleicht kenne ich dich doch... aber... ich kann nicht sagen...", stotterte Kevin und krallte seine Finger vor Schmerz in die Kopfhaut, so dass seine Haare noch mehr von sich standen, als sowieso. "Haben wir uns mal in einer Kneipe geprügelt?" Carsten lachte kurz: "Kevin, wir waren öfters zusammen auf Tour durch Kneipen. Und klar gab es da auch mal die ein oder andere Schlägerei... aber... nicht zwischen uns beiden." Den kurzen unsicheren Seitenblick auf Patrick sah der Polizist nicht, er war zuviel damit beschäftigt den hämmernden Kopfschmerz zu unterdrücken. Sein Kopf warf etwas durcheinander, aber zumindest hatte er einen Punkt. Er hatte sich daran erinnert, womit er das verband. Er brauchte zu jedem Bild einfach eine Hilfestellung.
    "Okay... und, was haben wir sonst miteinander zu tun gehabt? Patrick sagte, wir häötten zusammen gearbeitet.", fragte Kevin dann, als sich der Schmerz langsam wieder verzog und abebbte. Sein Gegenüber nickte. "Wir haben ein paar Dinger gedreht. Einbrüche hauptsächlich, weil du das damals mit deiner Clique noch kanntest." Der Polizist atmete langsamer und ruhig. Ja, die Einbrüche wusste er. Mit seiner Clique, mit Jerry, Patrick und den anderen. Aber hatte er sonst noch welche gemacht? Nach Janines Tod? Er dachte wieder nach...


    Doch die Bilder waren nicht deutlich. Er sah sich bei den Einbrüchen immer als Jugendlicher und nicht als Drogenwrack. Oder doch? War Jerry wirklich immer dabei? Oder dieser Typ, der ihm jetzt gegenüber saß. Verzweiflung machte sich in dem jungen Mann breit, und beinahe wollte er Carsten glauben, um endlich Anhaltspunkte zu haben, um endlich Erinnerung zu haben, auf die er vielleicht andere Erinnerungen aufbauen konnte. "Und warum... warum haben wir aufgehört?", fragte er. "Weil wir aufgeflogen sind. Wir waren im Knast... du ein paar Monate, ich anderthalb Jahre. Aber getrennt. Danach hatte ich dich aus den Augen verloren, weshalb ich auch nicht weiß, wie du nach Kolumbien gekommen bist. Vorher hatten wir ungefähr 2 Jahre zusammen Dinger gedreht."
    Gefängniss... wieder arbeitete es. Wieder taten sich Bilder auf, diesmal waren sie deutlicher. Diesmal waren sie klarer. Ja, er hatte die Zelle vor sich. Den Gang durch die grauen Flure, das Gefühl, als er auf der Britsche lag, im Duschraum stand, im Essensraum saß. "Ja... das stimmt. Ich erinnere mich.", sagte Kevin leise. Doch weil alles verschwommen war, konnte er nicht wissen, dass er nur wenige Tage wegen eines vermeintlichen Mordes verhaftet und eingesperrt wurde, und nicht wegen Einbrüchen. Und dass er damals Polizist war, und kein drogenabhängiger Verbrecher.


    Plötzlich sah er zu Patrick, der immer noch am ganzen Körper, für Kevin nicht sichtbar, angespannt war. "Jerry!", sagte der Polizist plötzlich. Er hatte ganz plözlich das Gesicht seines damaligen Mentors vor Augen, seinen Namen im Kopf... weil er diesen noch vor seinem Gedächtniscut in Erinnerung hatte. "Jerry war bei mir im Knast. Ich bin mir ganz sicher." Das hatten Patrick und Carsten nicht überprüft und die beiden Männer sahen sich kurz an. Ersterer war allerdings sehr gedankenschnell, und er hatte sich flugs im Kopf einen Ausweg daraus gebastelt, was jetzt vermutlich kommen mag. "Ja, das stimmt... das war er.", sagte er nachdenklick und nickte. Seine Miene wurde so melanchonisch, wie seine Stimmlage.
    "Jerry kann uns vielleicht helfen... ich hatte immer ein sehr enges Verhältnis zu ihm. Ihm habe ich mit Sicherheit erzählt, was ich vor dem Knast getrieben habe. Auch vor unserer Zeit.", sagte Kevin und zeigte auf Carsten, der sich Patricks Reaktion anschloß und stumm nickte. "Kevin... ich glaube nicht, dass Jerry uns noch helfen kann." Das Gesicht des Verbrechers war ernst, und Kevin schaute verwirrt. "Warum nicht?" Patrick seufzte und blickte kurz zu seinem besten Freund, der es beeindruckend fand, wie schnell sein Nebenmann reagieren konnte, mit neuen Einfällen und Ideen. "Jerry ist vor ein paar Monaten von mehreren Wachmännern umgebracht worden. Angeblich eine Revolte im Knast. Mehr habe ich nicht gehört...". Der junge Polizist musste sich am Tisch festhalten, sein Atem ging schneller und seine Augen wichen langsam mit entsetztem Blick von Patrick weg. "Es tut mir wirklich leid...", nahm er noch dumpf in den Ohren wahr...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

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    • 18. Oktober 2016 um 01:22
    • #25

    Kühlraum - 9:50 Uhr


    Es war lange kein ordentlicher Winter mehr in Deutschland, insofern waren die drei Kommissare jahrelang keine Minus-Temperaturen mehr gewöhnt. Ausserdem waren sie für eine solche Witterung in der völlig falschen Kleidung. Und so kam es, dass das Zähneklappern und Bibbern das Geräusch des Kühlgenerators mittlerweile übertönte und alle drei sich die Arme um den Oberkörper geschlungen hatten, was nicht wirklich Besserung versprach. Timo saß immer noch auf einer umgekippten Kiste, während Ben und Semir wieder unruhig durch den kleinen Raum tigerten. "Ihr macht mich nervös...", murmelte er irgendwann und wurde von den beiden erfahrenen Polizisten schräg angesehen. "Irgendwas muss uns doch einfallen, hier rauszukommen."
    Semir blieb an einer Wand stehen, blickte sich um und brach beinahe in Verzweiflung aus. Auch Ben machte es wahnsinnig, keine rettende Idee zu haben. Die Tür zu, kein Handyempfang und niemand wusste, wo sie waren. Kein Hartmut in der Nähe mit einer rettenden Idee, keine Jenny, die sie rausboxte... und kein Kevin, der ihnen helfen konnte. Sie hatten versucht die Tür einzutreten, hatten mit Timos Taschenmesser versucht das Schloß zu knacken ohne Erfolg. "Verdammt, die verdammte Tür muss doch irgendwie aufgehen!", rief Ben laut und trat nochmal wutentbrannt mit dem Fuß gegen den Griff der Tür, der daraufhin krachend abbrach. "Na toll...", murmelte Semir und besah sich den Schaden. Allerdings war der innere Griff einfach nur ein angeschraubtes Stück Plastik und einem Loch in der Tür, der komplette Mechanismus war aussen angebracht, weil nicht vorgesehen war, die Tür von innen zu verschließen.


    Timo sah nach oben an eine Stelle, wo an einem Rohr das zum Generator führte, Eiszapfen hingen. Sein Blick ging herüber zu den alten Birnen der Beleuchtung, die hinter langen Hartplastikbahnen versteckt waren, damit das Licht nur schummrig und weit gefächert wirkte. "Ich hab eine Idee.", sagte er plötzlich und fuhr von der Kiste hoch. Er lief in die Ecke des Kühlraums, wo einige Pappkartons standen und riss davon ein Stück ab, was er zu einem Rohr formte, welches er in das Loch der Tür steckte. "Was wird das?" "Damit stemmen wir die Tür auf." Ben nahm die Antwort auf seine Frage nicht ernst. "Wie bitte? Mit einem Stück Karton?" "Nein, mit dem Eis da oben?", sagte Timo und wies auf das Rohr, an dem mittlerweile mehrere Eiszapfen hingen.
    "Das Eis wird sofort brechen.", widersprach Ben, während Semir ganz still war und nachdachte, bis ihm die Erleuchtung kam. Plötzlich lächelte er und fragte Timo: "Welche Folge ist das?" "Staffel 1: Kleine Fische, große Fische.", antwortete der junge Polizist wie aus der Pistole geschossen und grinste breit, denn Semir hatte verstanden. Offenbar war er selbst ein Fan von MacGyver und hatte die unzähligen Folgen und Ideen, die den Drehbuchschreibern eingefallen sind, gesehen.


    "Könntet ihr mich mal aufklären?", sagte Ben genervt, denn er verstand nur Bahnhof und Abfahrt. Diese amerikanische Serie aus den 80ern hatte er nie gesehen. Semir war die Generation, die diese Serie gesehen hat, als sie neu war, Timo war die Generation, die sie geguckt hat, weil sie als Wiederholung wieder interessant war. Ben war genau dazwischen und interessierte sich zu der Zeit lieber für Musikvideos. "Wasser zieht sich zusammen, wenn es schmilzt und dehnt sich aus, wenn es gefriert. Wir nehmen das Eis von dem Rohr, schmelzen es an den heißen Glühbirnen und leiten es mit der Hartplastikbahn in das Schloß, wo es wieder gefriert.", erklärte Timo und baute mehrere der roten Kisten zu einem wackeligen Turm. "Durch das Gefrieren dehnt das Eis sich wieder aus und wird hoffentlich das Schloß knacken.", ergänzte Semir.
    Ben stöhnte auf: "Ich bin von Nerds umgeben. Hört mal, das funktioniert vielleicht in eurer albernen Serie..." "Alberne Serie?", kam fast gleichzeitig aus Semirs und Timos Mund mit der gleichen Empörung, so dass Ben mit weiten Augen einen Schritt zurückwich. "Ist ja gut... wir können es ja versuchen." Timo stieg auf den wackeligen Turm aus Kisten, um an die Lampe zu gelangen und wurde dabei von Ben festgehalten. Mit dem Taschenmesser hebelte er die Hartplastikbahn an den Lampen ab und reichte sie Semir. Sie war etwas zu lang von der ersten Glühbirne bis zum Plastiktrichter, der in der Tür steckte, doch das machte nichts.


    Dann brach Timo das Eis von dem Rohr und hielt es dicht an die Lampe, während Semir das Leitrohr hielt, damit das Wasser gezielt in die Tür laufen konnte. "Na, wirds?", fragte Ben von unten, der Turm und Timo hielt, damit dieser nicht abstürzte, denn besonders standfest waren die Kisten nicht. Timos Hände begannen schnell zu schmerzen, denn das Eis war wahnsinnig kalt, und der Gegensatz der heißen Glühbirne, an die er das Eis hielt, war für die Nerven der Hand nicht gerade förderlich. Immer wieder drehte und wendete er das Eis, damit es nicht festklebte und langsam begannen erste Tropfen an seinen Fingern herab zu laufen und in das Hartplastik zu tropfen. Erst Tropfen, dann ein kleines Rinnsaal, was sich den Weg nach unten in den Tricher bahnte.
    Es war mühseelig und dauerte, irgendwann tauschten Ben und Timo die Plätze, als der junge blonde Polizist das Gefühl hatte, ihm würden gleich die Finger abfallen. Auch Ben machte leise Schmerzgeräusche, als er das Eis in der Hand hin und her drehte, was Semir zu der Bemerkung: "Der Junge hat nicht so gejammert." hinreissen ließ. "Der Junge stammt ja auch aus dem ewigen Eis.", war Bens nicht böswillig gemeinter Konter, in dem er auf Timos Herkunft anspielte. Der grinste einfach nur und sah, wie die Tür um das Schloß bereits zu gefrieren anfing.


    Sie hatten das Gefühl für die Zeit sowieso völlig verloren, doch es machte ihnen Sorgen, dass ihnen die Eiszapfen ausgingen. An der Türfläche um das Schloß herum hatte sich von innen bereits eine Eisschicht gebildet, als Ben den letzten Zapfen in der Hand hielt und an die Lampe hielt, als diese plötzlich verlosch. "Oh scheisse...", kreischte Ben plötzlich, als es stockfinster wurde, und er nicht mehr wusste, wo die Wände waren. Der Polizist bewegte sich und begann zu wanken, Timo umklammerte Kisten und Bens Beine während Semir versuchte, das Leitrohr mit dem Wasser festzuhalten. "Ben! Verlier jetzt nicht die Nerven! Bleib ganz ruhig, und halt das Eis an die Lampe, so lange sie heiß ist! Wir sind noch nicht raus.", rief Semir von der Tür.
    Ben fing sich und sein Gleichgewicht, sein Zittern war nun wegen der Angst, nicht wegen der Kälste so stark, als es plötzlich ein lautes metallisches Knacken gab. Es kam von draussen, und ließ alle drei Männer aufhorchen. "Ich glaub es ist geborsten.", sagte Timo leise, während Semir leicht gegen die Tür drückte, die keinen Millimeter nach gab. "Warte...", sagte er in der Dunkelheit, bevor er einen Schritt zurückging und mit all seiner Kraft gegen die Tür trat. Dabei barst der letzte Teil des metallischen, völlig vereisten Griff und gab den Weg zurück in Licht, Freiheit und Wärme.

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

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    • 19. Oktober 2016 um 10:48
    • #26

    Hamburg - 10:00 Uhr

    Kevin musste an die Luft. Die Atmosphäre in dem Raum, in dem er, Patrick und Carsten saßen, hielt er für den Moment nicht mehr aus. Zu schwer wurde sein Kopf, zu heftig der Schmerz und zu verwirrend all seine Gedanken und Bilder im Kopf. Vor der Tür sog er die frische Frühlingsluft in seine Lungen, bevor er sich eine Zigarette in den Mund steckte und anzündete. Es dauerte keine halbe Minute, bis Patrick neben ihm stand, um ihn ja nicht aus den Augen zu lassen. "Wann wolltest du mir sagen, dass Jerry tot ist?", bekam er von seinem alten Freund sofort an den Kopf geworfen, doch der Verbrecher zuckte nur mit den Schultern. "Hey... daran hab ich seit gestern gar nicht gedacht. Kevin, das ist Jahre her, Jerry ist vor ein paar Jahren schon verhaftet worden. Ich treff dich, du kannst dich an nichts erinnern, denkst du, ich erzähle dir zuerst, dass Jerry tot ist?"
    Die Rechtfertigung schluckte Kevin stumm mit ausdrucksloser Miene, er nickte nur und zog ein weiteres Mal an seinem Glimmstengel während er in eine andere Richtung sah. "Kevin, es ist doch jetzt erstmal wichtig, dass du etwas über deine Vergangenheit erfahren hast.", versuchte Patrick einzulenken und wurde vom kalten Blick aus den blauen Augen getroffen. "Was hab ich denn erfahren. Dass ich mit Carsten Einbrüche begangen hab. Und? Ich fühl darüber aber nichts. Ich hab kein Gefühl über meine Vergangenheit, verstehst du?"


    Es war schwer zu erklären, wenn Kevin versuchte zurück zu denken. Carsten hatte ihm gesagt, die beiden hätten ein paar Brüche begangen, danach wäre Kevin im Gefängnis gewesen. Von den Brüchen hatte Kevin nur Schemen der Erinnerung, wobei er nicht mal genau sagen konnte, ob es die Einbrüche mit der Gang vor Janines Tod oder danach mit Carsten waren. Und vom Gefängnis sah er ebenfalls nur Umrisse, von Jerry. Er konnte weder die Zeit zuordnen, noch in welcher Gefühlslage er damals war. Nicht mal jetzt konnte er seine Gefühlslage erklären, er war wie ein führerloses Schiff im Meer der Zeit.
    "Verstehst du was ich meine? Ich fühle mich jetzt nicht als Einbrecher. Früher ja, aber...", sein Stimme stockte wieder und er sah sich um. "Irgendwann hat sich etwas geändert. Ich... ich kann es nicht erklären.", sagte er und ging zwei Schritte die Treppe herunter, um sich auf die kalten Stufen zu setzen und nochmals an der Zigarette zu ziehen. Verzweiflung machte sich in ihm breit, denn tief in seinem Inneren spürte er, dass etwas nicht stimmte. Nochmal versuchte er seine Erinnerung zurück zu drehen, was war ihm klar, was war verschwommen. Der Anschlag auf ihn und Janine war präsent, so fest im Kopf verwurzelt, dass er es wohl niemals wieder vergessen würde. Er spürte das Rachegefühl, was aber vom Vergessen ein wenig betäubt war.


    Ab den ersten schlimmen Drogentrips wurde das Bild immer undeutlicher, bis auf zwei klare Kleckse, die Einbrüche mit Carsten, das Gefängnis. Dazwischen waren Gesichter, Namen und Gefühle zu Personen, doch nichts passte zueinander. Er brauchte Greifbares. "Wie solls jetzt weitergehen?", fragte er irgendwann zur Straße, während Patrick hinter ihm stand. Keine Ahnung von der Gefahr, die hinter ihm stand... Patrick, der Mann der Kevin töten wollte, leiden sehen wollte, der Jenny im Keller gefangen hielt und eine Waffe im Hosenbund unter der Jacke stehen hatte, jederzeit bereit kaltblütig abzudrücken, wenn er die Gefahr witterte, Kevin würde sich erinnern. Er sah auf den Rücken des Mannes, der sich der Gefahr in keinster Weise bewusst war.
    "Ich weiß es nicht. Steig bei Carsten wieder ein.", sagte Patrick als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, was Kevin ruckartig aufstehen ließ. "Vergiss es. Die Polizei ist hinter mir her und ich weiß nicht warum. Da kann ich nicht einfach wieder auf Raubzug gehen." Er sah seinen Freund, von dem er dachte, er sei sein Freund kurz an, bevor er sich wieder abwandte.


    "Was ist mit Jerry passiert? Du hast gesagt, er sei angeblich von Wachleuten getötet worden bei einer Revolte. Was sollte das "angeblich" dabei?", fragte der Polizist nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens. Patrick sah den Mann einen Moment lang an, und seine Miene war versteinert, bevor er langsam zu sprechen begann. "Es sind einige aus der alten Clique auf eigenartige Art und Weise ums Leben gekommen. Peter wurde von einem Polizisten von einem Dach gestoßen, Jerry bei einer angeblichen Revolte umgebracht und Kai wurde bei einer Verkehrskontrolle, die angeblich ausser Kontrolle geriet, erschossen. Alles in Köln, das kann kein Zufall sein. Und da habe ich ein wenig recherchiert. Scheinbar will jemand bei der Polizei die komplette damalige Clique auslöschen.", erklärte der Mann mit totaler Selbstsicherheit.
    Kevins Gesichtszüge entglitten. "Und warum sagst du mir das erst jetzt?" "Warum hätte ich dich damit belasten sollen? Du musst doch selbst erstmal klar kommen mit deiner Situation." Das Herz des Polizisten klopfte heftig... waren die Polizisten deswegen hinter ihm her? Wenn es überhaupt Polizisten waren. "Jedenfalls habe ich herausgefunden, dass zwei der Leute, die scheinbar dahinter stecken... ein Mann und eine Frau... auch...", er stockte kurz und sah Kevin beinahe prüfend an, wie er reagieren würde. Der wiederrum sah ihn auffordernd an, weiter zu reden. "... dass die beiden bei dem Anschlag damals dabei waren... auf dich und Janine."


    Für einen Moment war es mucksmäuschenstill, nur Kevin spürte, dass er den Halt unter den Füßen zu verlieren schien. Mit einem Schritt war er bei Patrick und griff seinen Kragen, denn Kevin hatte immer noch genügend Kraft. "Gibt es noch mehr, was du mir verschwiegen hast?", fuhr er ihn mit wütender Stimme an, während der Verbrecher keine Miene verzog. "Ich warne dich, Kevin. Die Bullen sind hinter dir her, und nicht hinter mir. Ich weiß, was ich die letzten Jahre gemacht habe... du nicht. Es wäre ein Leichtes für mich, dich zu verpfeifen!", sagte er drohend. "Wenn die Typen der Gang an den Kragen wollen, hängst du genauso drin wie ich.", widersprach der Polizist, doch Patrick schüttelte den Kopf. "Ich habe meine Verbindungen zur Gang schon seit Jahren gekappt."
    Für einen Moment standen die beiden Männer sich gegenüber, Kevin hatte Patrick fest am Jackenkragen gepackt und gegen den Türrahmen gedrückt. "Aber ich werde dir helfen. Wir müssen den Typen zuvorkommen. Ich hab sie erkannt, als ich sie eingesperrt habe... wenn sie dort überhaupt wieder rauskommen." "Warum solltest du mir helfen, wenn du mit der Gang nichts mehr zu tun hast?" "Weil mir die Gang immer noch etwas bedeutet, du Idiot. Weil sie mein Zuhause war damals, genauso wie für dich. Vergiss deine Vergangenheit, du musst dich jetzt um die Zukunft kümmern! Sonst hast du keine mehr." Und mit einer kurzen Pause setzte er mit Nachdruck hinzu: "Und jetzt lass mich endlich los!" Für einen Moment sahen sich die beiden Männer an und Kevins hellblaue Augen funkelten, als könne er sich nicht entscheiden, ob er Patrick glauben sollte oder nicht. Doch sein Gedächtnis, seine Erinnerung gab nichts her, was Anlaß gab, an seinen Worten zu zweifeln... und seine Hände öffneten sich.

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    • 20. Oktober 2016 um 10:46
    • #27

    Dienstfahrzeug - 10:15 Uhr


    Die milden Temperaturen fühlten sich für die drei Polizisten wie ein Hitzschlag an, so durchgefroren waren sie, als sie den Kühlraum endlich verlassen konnten. Ihre Kleidung war klamm und sie beeilten sich in ihren Dienstwagen zu kommen, wo Semir sofort die Heizung anschaltete. "Puh, das war knapp. Ich fühl mich schon wie ein Tiefkühlhähnchen.", keuchte Ben und rieb sich mit den Händen über die Arme, während Timo hinten Platz nahm. "Verdammt, da haben wir uns mal schön überrumpeln lassen.", meinte Semir und hörte von hinten ein, fast schon kleinlautes: "Tut mir leid, dass ich euch da mit reingelockt hab." "Ach was. Das war genau richtig. Stell dir mal vor, du wärst da alleine reingegangen. Dann hätten sich die beiden vielleicht mehr getraut als dich einfach nur einzusperren.", nahm der erfahrene Polizist den jungen Mann in Schutz.
    Trotzdem drehten sich durch Semirs Kopf tausend Gedanken und Gefühle, und er drehte sich zu Timo um. "Denk nochmal nach: Bist du dir sicher, dass einer der Männer wirklich der Mann auf dem Foto in Jennys Wohnung war?" Timo schaute unsicher, und er war immer noch ein wenig überrascht und verwirrt darüber, dass dieser Sachverhalt so wichtig war. War er denn nicht eher logisch, dass der Ex-Freund vielleicht mit Jenny noch eine Rechnung offen hatte?


    Der junge Mann fühlte sich von Semir ein wenig unter Druck gesetzt, durch dessen gezielte Frage: "Ich... ja ich bin mir... also ich hab ihn jetzt nicht von nahen gesehen... eher so im Abstand und dann von hinten." Der Polizist merkte die Unsicherheit an, scheinbar hatte Timo Angst etwas Falsches verbindliches zu sagen. "Er ist mir sofort aufgefallen und eingefallen. Also er hat dem Mann auf jeden Fall extrem geähnelt.", wiegelte er jetzt ab. Ben legte Semir eine Hand auf die Schulter und sah ebenfalls nach hinten. "Warum sollte der Typ uns drei einsperren, wenn er keinen Dreck am Stecken hat." "Aber warum sollte Kevin uns einsperren, wenn er noch lebt?", entgegnete ihm sein bester Freund als Gegenfrage zur Antwort.
    "Warum ist das so schwer zu glauben, dass es der Mann war?", fragte Timo nun endlich, denn er konnte sich auf Semirs Unsicherheit keinen Reim machen. "Weil wir seit 2 Monaten denken, dass der Mann, Jennys Freund und unser Kollege, in Kolumbien bei einem Sturz von einer Brücke ums Leben gekommen ist.", ließ Ben nun endlich die Katze aus dem Sack. "Kevin war... ist unser Partner. Er ist nach Kolumbien geflogen um einer Freundin aus der Klemme zu helfen, und wir haben nur von ihr erfahren, dass er in einen Fluss gestürzt ist, der laut einem Einheimischen, tödlich sein soll."


    Jetzt fiel auch bei Timo der Groschen. "Und Jenny ging auch davon aus, dass dieser Kevin tot ist?" Ein Nicken der beiden Beamten auf den Vordersitzen war die Antwort. "Er hatte definitiv eine frische Narbe an der Stirn.", sagte der junge Beamte jetzt, und seine Stimme klang auf einmal weitaus sicherer als vorher. Kein Stottern, kein Nachdenken. Die Vorstellung, dass jemand von einer Brücke fällt, ohne zu wissen wie der Fluss darunter wirklich ist, machte eine Kopfverletzung plausibel. Auch für Ben und Semir, die sich kurz anschauten und beide konnten es noch nicht so recht glauben. Vor allem Semir hielt die Möglichkeit einer Verwechslung, eines unglaublichen Zufalls immer noch für gegeben. "Wie gehen wir jetzt weiter vor?", fand Ben dann als Erstes die Stimme wieder und strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. "Ich würde folgendes vorschlagen:", übernahm Semir das Wort, wie er es gewohnt war... den Überblick behalten und konstruktiv vorgehen. "Erstmal fahren wir Timo nach Hause und wir ins Hotel, und gehen alle drei heiß duschen. Sonst ereilt uns bis morgen die Grippe des Todes." Damit waren erstmal alle einverstanden. "Timo, du fährst ins Präsidium. Versuch herauszufinden, wer der zweite Mann war. Vielleicht habt ihr ihn in der Kartei. Wenn nicht, lass eine Phantomzeichnung anfertigen." "Aber, Herr Schwandt hat mich doch...", wollte Timo einwenden, doch Semir unterbrach ihn mit bestimmter, aber auch vertrauenserweckender Stimme: "Egal. Er braucht es nicht zu merken. Dein Kollege Gregor wird dir dabei helfen, da bin ich sicher." Semir hatte zwar von Gregor nicht den engagiertesten Eindruck, aber er meinte, so etwas wie Loyalität zu Timo zu spüren, die größer war als Ehrfurcht vor seinem Chef.


    "Und was machen wir?", fragte Ben dann, als er den Motor des Mercededes-Dienstwagens anließ. "Wir fahren nach Köln zurück. Bisschen mehr Klamotten packen und unseren Frauen Bescheid sagen, dass der Aufenthalt hier noch etwas länger dauern könnte. Wir bleiben hier, bis wir Jenny gefunden haben und rausbekommen haben, was mit Kevin wirklich ist. Heute abend sind wir dann wieder zurück." Timo nickte zustimmend und auch Ben war einverstanden mit dem Plan. "Ach Timo...", sagte Semir noch, gerade als sein Partner sich in den laufenden Verkehr einfädelte. "Das war richtig stark da drin eben. Kompliment." Timo lächelte schüchtern und wurde beinahe rot. Er war im Dienst nicht unbedingt Lob gewohnt, weil er sich nicht viel zutraute und gerade Gregors Kommunikation eher pragmatisch war.
    Nachdem sie Timo an dessen Adresse abgesetzt und sich verabschiedet hatten, stellte Semir die Heizung ein paar Stufen kleiner. "Wir werden uns in Köln mit Juan treffen.", sagte er dann. "Ja, daran hatte ich auch schon gedacht." Sein bester Freund warf Semir einen kurzen Seitenblick zu: "Du glaubst auch daran, dass Kevin lebt?" Der erfahrene Türke strich sich kurz mit der Zunge über die Oberlippe. "Der Verstand sagt "Nein". Aber es ist zuviel Zufall. Warum sollte der Typ uns einsperren? Woher kennt er uns und weiß, dass wir Polizisten sind? Die Narbe an der Stirn und dass Timo ihn sofort erkannt hat. Kevin hat kein Allerweltsgesicht." Er seufzte: "Es wäre einfach zuviel Zufall..."


    Ben nickte zustimmend. "Auf der anderen Seite... Timo hat Kevin nur auf einem Bild gesehen. Für eine, vielleicht zwei Minuten. Und ihn 24 Stunden danach angeblich erkannt. Wenn der andere Kerl Dreck am Stecken hat, kann er Timo auch als Polizist erkannt haben, und den beiden könnte Timos Observation aufgefallen sein.", stellte er die Gegenthese auf. "Und wenn es wirklich Kevin war... warum meldet er sich nicht? Oder hat sich längst gemeldet? Warum hat er uns nicht erkannt, als die beiden uns eingesperrt haben?" Dabei zuckte er selbst ratlos mit den Schultern, während er mit beiden Händen das Lenkrad festhielt, während sein Partner auf dem Beifahrersitz ohne Gefühlsregung aus der Frontscheibe sah und dabei leise murmelte: "... ausser, er will uns nicht erkennen. Er nimmt es uns übel, dass wir nicht nach ihm gesucht haben? Und er hat dabei..." wieder stockte seine Stimme, und Semir sah zu Ben herüber. "Er hat dabei die Seiten wieder gewechselt?" Für einen Moment stockte Bens Atem, er sah nach vorne und schüttelte dann irgendwann den Kopf, wobei er leise, aber mit tiefster Überzeugung in seiner Stimme seine Ablehnung gegenüber Semirs These wissen ließ: "Nein... Niemals!"

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    • 21. Oktober 2016 um 10:49
    • #28

    Keller - 11:30 Uhr


    War es noch morgens, war es schon mittags? Regnete es oder schien die Sonne? Jenny konnte es nicht sagen. Das vergitterte milchig dreckige Fenster ließ nur wenig Tageslicht in den modrigen dunklen Keller, wo sie auf der Matratze saß, manchmal lag. Manchmal ging sie unruhig hin und her. Jemand hatte ihr heute morgen etwas notdürftiges zu essen gebracht... Brot und eine Flasche Wasser. Dazu wurde sie von dem fremden Mann, der nicht der Gleiche war, der gestern mit ihr gesprochen hatte, losgebunden. Allerdings konnte sie genau die Waffe im Hosenbund sehen und der zweite Mann, diesmal stummer als gestern, lehnte dabei am Türrahmen. Gegen die sie bulligen Männer hatte selbst eine ausgebildete, aber unbewaffnete Polizistin keine Chance.
    Deshalb beließ es Jenny bei einem wütenden Blick aus ihren funkelnden Augen. Sie war froh, endlich ein wenig durch den Mund atmen zu können, und hungrig war sie auch. Während der nächsten Stunden hatte sie kein Geräusch vernommen, sie saß, ging, lag. Es war der pure Horror, diese Hilflosigkeit eingesperrt zu sein, dieses Unwissen, was der Grund dafür war. Und dann schwirrte da immer ein Name in ihrem Kopf... ein Gesicht, ein Augenpaar, ein Lächeln. Seit der Kerl den Namen "Kevin" erwähnt hatte, war er in Jennys Kopf präsent.


    Warum glaubte der Typ, Kevin würde noch leben? Warum war er so überzeugt davon? Und warum suchte er ihn? War das der Grund, warum sie entführt wurde? Hatte der Mann vielleicht vor, Kevin mit ihr zu erpressen? Aber welchen Sinn hatte das, wenn er doch tot war? Vor lauter Nachdenken wurde ihr schwindelig, vor lauter Nachdenken verzweifelte sie, weil sie keine Antwort erhielt. Sie konnte nur hoffen, dass Semir und Ben ihr Fehlen bei dem Lehrgang komisch vorkam, dass Timo und Gregor sie suchen würden. Zumindest bei ihren alten Kollegen konnte sie sich sicher sein, dass die nicht aufgeben würden, bis sie Jenny gefunden hatten.
    Die junge Polizistin konnte nicht sagen, wieviel Zeit vergangen war, seit sie nichts mehr gehört hat, als plötzlich Geräusche zu vernehmen waren. Ganz schwach, als wäre es weit weg, wurde eine Tür zugeschlagen. Dass der Keller beinahe schalldicht war, konnte sie nicht wissen, dass die Tür ganz in ihrer Nähe war. Atemlos saß sie auf der Matratze und lauschte. War da ein Schlurfen? Ein Gehen? Ein Gespräch? Erst die Schritte auf der Kellertreppe wurden lauter, dass die Verbindungstür zwischen Wohnung und Keller geschlossen wurde, dass niemand rein konnte, hörte sie nicht. Aber Patrick sicherte sich ab. Er wusste zwar, dass Kevin mit den Bildern aus einem Album, das er aus den alten Tagen noch hatte, erstmal beschäftigt war... aber sicher ist sicher.


    Bevor der Verbrecher allerdings zu Jenny ging, ging er in einen Nebenraum, wo er sein Handy zog und Carsten anrief. "Lief doch ganz gut, hmm? Er frisst uns aus der Hand.", sagte er nach der Begrüßung selbstsicher. "Mir gefällt das nicht, Patrick. Er ist wankelmütig. Du kannst nicht in seinen Kopf reinschauen, du kannst nie wissen, wie er auf ein bekanntes Gesicht reagiert.", klang die besorgte und misstrauische Stimme Carstens aus dem Hörer. "Darum geht es doch. Wir müssen dafür sorgen, dass er so reagiert, wie er reagieren muss. Ich weiß alles von seinem Leben seit Peters Tod. Und was davor war und er nicht mehr weiß, ist unwichtig. Wir können alle Karten, die wir gegen ihn haben, ausspielen. Wie die Sache mit dem Gefängnis... oder dass Jerry angeblich tot ist."
    Patrick konnte seinen Freund deutlich am Telefon atmen hören. "Wovor hast du Angst? Wenn er sich erinnert, ist das Spiel vorbei. Und wenn nicht, wird er das Spiel beenden... irgendwann, Stück für Stück." "Was hast du jetzt als nächstes vor? Willst du ihn wieder auf die schiefe Bahn bringen?" Carsten hatte das Gespräch vor der Tür nicht mitbekommen. "Noch besser. Ich werde ihm die Mörder seiner Schwester präsentieren, die die Gang Stück für Stück auslöschen wollen. Die bei Jerry angefangen haben, und bei ihm enden wollen." Patrick grinste diabolisch. "Und die Mörder sind...", begann sein Freund langsam, denn er kannte die Antwort. "Genau richtig. Er wird sich sein Leben selbst zerstören... Stück für Stück... und dann sagen wir ihm die Wahrheit." Der Verbrecher grinste im Halbdunkeln: "Er sagt, seine Erinnerungsschubladen mit Namen und Gesichter sind durcheinander. Ich werde ihm die passenden Namen in die Schubladen legen..."


    Als sie das Gespräch beendet hatten, stand Patrick für einen Moment vor der abgeschlossenen Tür, hinter der Jenny gefangen war. Sein Atem beschleunigte sich, ein Flashback überkam ihn. Hilflosigkeit auszunutzen... die Macht haben. Das erregte ihn, und es erregte ihn schon vor 12 Jahren als er, Timmy und Peter die kleine Schwester des damaligen Punk vergewaltigt hatten, während er hilflos und schwer verletzt im Dreck lag. Jetzt saß er zwar unverletzt am Küchentisch und bekam nichts mit... doch hilflos war er genauso wie Jenny im Kellerraum. Er leckte sich mit der Zunge über die Lippen und sperrte die Tür auf, die er danach sofort wieder sorgsam verschloß. Jenny saß auf der Matratze und blickte halb angstvoll, halb neugierig und wütend zu dem Mann auf.
    "Na... gefällt es dir bei uns?", sagte er Mann und grinste, während er zum Rücken griff und seine Pistole in die Hand nahm. "Sagt mir endlich, was ihr von mir wollt.", spuckte Jenny ihm entgegen, doch Patrick ging auf die Frage gar nicht ein. "Dein Freund ist nicht gut in Form, Kleines... und ausserdem gar nicht gut auf dich zu sprechen." Der jungen Polizistin rutschte das Herz fast bis zur Fußsohle, und die harte Matratze unter ihr fühlte sich an wie eine Luftmatratze auf hoher See.


    "Was sagst du da...?", flüsterte sie fassungslos mit großen Augen. "Mein Freund..." "Der Vater deines Kindes, das du verloren hast! Genau der!", wurde der Mann deutlicher und Jenny schüttelte fassungslos mit dem Kopf. "Er ist gar nicht damit einverstanden, dass du euer Kind umgebracht hast, weil du zu ihm wolltest. Und es könnte sein... dass er verdammt... verdammt böse auf dich ist." Während seine Stimme zwar leiser, aber deutlicher wurde, fuhr er sich mit der Waffe über die Kehle, eine eindeutige Geste. Jenny verlor vollständig die Fassung... so grausam konnte ein Mensch nicht sein, dass er sich das ausdachte. Der Bauch übernahm die Kontrolle und überstimmte den Kopf, der die Gefahr der Waffe sah und ließ sie aufspringen. "Du lügst, du Scheisskerl! Du lügst!", schrie sie und wurde von Patrick mit einem Hieb ins Gesicht sofort auf die Matratze gestreckt.
    Wimmernd, eine Hand auf dem Gesicht, die sofort blutig rot wurde, weil das Blut aus der Nase schoß, während der Verbrecher grinste. "Ja... und ich hab ein bisschen das Gefühl, er hat etwas von seinem alten Charakter wieder entdeckt. Weißt du, wie sein alter Charakter war?", fragte er und packte Jenny brutal an den Haaren, bevor er mit der flachen Hand in ihr Gesicht schlug und sie erneut wimmernd auf die Matratze fiel. Sie erinnerte sich im Schmerz an Annies Worte... Kevins Hang zur Gewalt. Doch niemals gegen Frauen, das konnte sie sich nicht vorstellen, und das wusste auch Patrick. Er vermischte Wahrheit mit Lüge, um Jenny Angst zumachen, bevor er die Rolle Klebeband aus der Jeans nahm und Jenny auf den Bauch drehte.


    Er griff die Handgelenke der wimmernden Frau und band sie auf dem Rücken zusammen, dann drehte er sie wieder um. Aus ihrer Nase lief Blut, eine Schramme an der Wange und ein Klebeband verschloß nun auch ihren Mund. Jenny geriet in Panik, denn dieses Grinsen kannte sie. Es war das typische Grinsen eines Mannes, der nur eins im Sinn hatte. Das gleiche Grinsen, was der Kommissarsanwärter damals in seiner Wohnung im Gesicht hatte, bevor er über die junge Polizistin hergefallen ist. "Aber einen guten Geschmack hat Kevin.", sagte Patrick und ließ den Lauf der Waffe über Jennys schlanken, zitternden Körper streifen, bevor er die Waffe mit seiner Hand ersetzte. "Seine kleine Schwester war zwar jünger..." Mit den Fingern öffnete er schnell Knopf und Reissverschluß von Jennys Jeans, die sich wild aufbäumte und unverständliche Laute hinter ihrem Klebeband von sich gab. "... aber ich bin ja auch keine 16 mehr."
    Mit einem Ruck griff der Mann Jennys Hosenbund und zog Jeans und Unterhose ein Stück herunter, während die junge Frau quiekte und zu weinen begann. Zu schnell kamen die Erinnerungen an die damalige Horrornacht hoch. Doch plötzlich war eine Stimme, ganz fern zu vernehmen, als sei sie ganz weit weg. Während sie für Jenny unwirklich und wie in einem Traum erschien, war sie für Patrick bittere Realität. "Patrick? Wo bist du denn? Hier ist jemand an der Tür!" Mit einem bitteren Lächeln sah der Verbrecher dem verheult und verbluteten Bündel ins Gesicht. "Selbst ungewollt rettet er dich noch...", meinte er, bevor er laut genug zurückbrüllte, dass er sofort komme. Dann zeriss er Jennys Handfesseln und verließ den Raum, was die Frau aber nicht nutzen konnte, denn sie verblieb weinend wie ein zitterndes Bündel auf der Matratze, während ein Stockwerk höher der Mann war, den sie liebte, und der einfach geschehen ließ, was geschah...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

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    • 24. Oktober 2016 um 00:56
    • #29

    Keller - 13:00 Uhr


    Am liebsten hätte Jenny sich von Kopf bis Fuß gewaschen, so schmutzig fühlte sie sich nach diesem schauderhaften Erlebnis mit Patrick, der tatsächlich versucht hatte, sie zu vergewaltigen, so wie er scheinbar auch an der Vergewaltigung von Kevins Schwester beteiligt war. Diese Worte drehten sich in Jennys Kopf. Zuerst hatte sie aber, nachdem der Verbrecher den Raum verlassen hatte, jegliche emotionale Maske abgelegt und war in Tränen auf der Matratze ausgebrochen. Die Hose schnell wieder hochgezogen und das Klebeband vom Mund gerissen waren die einzigen beiden Handlungen, zu denen sie sich im Stande sah, bevor sie mental zusammenbrach.
    Die Stimme, die sie vor der Vergewaltigung gerettet hatte, war so vertraut... und doch so fremd. Es war einfach unwirklich und es konnte nur so sein, dass da oben ein Mann war, der sich so anhörte wie er. Sie hatte ihn nur dumpf wahrgenommen, nur leise gehört und es waren nur 10 oder 11 Wörter, die er rief. Aber es konnte doch einfach nicht sein, dass da oben der Mann stand, mit abstehenden Haaren in seiner abgewetzten Jeans und Lederjacke, mit der Kette um den Hals, von der er mal erzählte, dass sie seiner Mutter, die er nie kennengelernt hatte, gehörte. Nein, es konnte nicht sein. Kevin war tot... und trotzdem sprach dieser Mann von ihm. Und trotzdem wusste er genau, was Jenny vor einigen Wochen widerfahren war.


    In ihrem Kopf drehte sich alles. Der dunkle Raum wurde zu einer Gefühlsachterbahn und sie rollte sich auf der Matratze zu einem kleinen Ball zusammen, die Beine fest an den Leib gezogen und die Knie mit den Armen umklammert. Im ersten Affekt wollte sie an die Tür rennen, wollte das Unmögliche doch wahr sein lassen und laut Kevins Namen rufen. Doch es hielt sie etwas zurück... die Vernunft, die ihr vorgaukelte, dass es gar nicht Kevin sein konnte, der da oben rief? Oder doch die Worte Patricks, die sich wie ein Brenneisen in ihre Seele gedrückt haben. "...dass du euer Kind umgebracht hast... es könnte sein dass er verdammt böse auf dich ist...". Dazu hatte sie die Kopf-Ab-Geste, die Patrick vollführte, im Sinn.
    Würde es stimmen, was der Verbrecher sagte, wäre Kevin sicher nicht auf ihrer Seite. Und wenn er es wirklich war... warum half er ihr nicht? Was hatte er mit Patrick, einem offensichtlichen Schwerverbrecher zu tun... dazu noch der Vergewaltiger seiner Schwester? Wusste er nichts von alldem? Dass Patrick an dem Anschlag beteiligt war, der Kevins komplettes Leben aus den Fugen warf, dass Jenny hier unten im Keller eingesperrt war? Spielte der Typ nicht nur mit ihr, sondern auch mit Kevin ein Spiel?


    Jenny erschrak. Ihre Gedankenwelt gaukelte ihr tatsächlich vor, Kevin wäre dort oben. Ihr Freund, ihr Lebensgefährte... der Vater ihres toten Kindes würde seelenruhig dort oben stehen, während Patrick versuchte, sie zu vergewaltigen. Würde gemeinsame Sache mit einem Verbrecher machen. Nein, das konnte sie nicht glauben. Ihre Gedankenwelt drehte sich, vom Wirklichen zum Unwirkliche, von der Tatsache über die Annahme, und hin zum Abwägen von Wahrscheinlichkeiten. Am Ende kam sie aber immer am gleichen Ergebnis raus... und das Ergebnis war ein blankes mentales Chaos, tief in ihrem Herzen. Gerade, als sie sich abgefunden hatte mit ihrem Schicksal, den Tod ihres Kindes und ihres Freundes hinter sich lassen wollte, wurde sie brutal zurückgeworfen in alte Erinnerungen.
    Als sie langsam ein wenig ruhiger wurde, konnte sie rationaler nachdenken. Jenny wusste nicht, wieviel Zeit nun schon vergangen war, seit Patrick die Tür wieder zugesperrt hatte, und nach oben gegangen war. Sie saß auf der Matratze, trank einen Schluck Wasser aus der Wasserflasche und lehnte sich mit dem Rücken an die kalte Mauer. Mit dem Handrücken wischte sie sich über die Schramme in ihrem Gesicht und ihre verweinten Augen hatten sich wieder an das die dunkle Umgebung gewöhnt.


    Konnte der Zufall wirklich so groß sein, dass der Typ von Kevin sprach, erst wissen wollte wo er war und jetzt auf einmal davon redete, dass er Kevins Gemütszustand kannte? Dass er Kevins Schwester und deren Tod erwähnte mit sich selbst als Täter? Und dass dann, ausgerechnet dann, dort oben ein Mann rief, der sich exakt wie Kevin anhörte? Das konnte kein Zufall sein. Wenn Patrick nicht nach einem Mann gefahndet hat, der ungefähr Kevins Stimme nachahmen konnte... und das hielt Jenny für ausgeschlosse, weil zu aufwendig... dann lebte Kevin noch. Und er war hier ganz in der Nähe, und musste vor Hass zerfressen sein. Jenny wusste ja zu gut, wie sehr sich der junge Polizist in Dingen, die ihm angetan wurden, verrennen konnte.
    Sie wusste genau, wie lange er an Janines Tod zu knabbern hatte, und immer noch zu knabbern hat. Dass er nach ihrem Mörder suchte, bis er ihn gefunden hatte. Und auch die Worte von Annie fielen ihr ein... "Er war Gewalt nicht abgeneigt...", hatte sie gesagt. Ihre Hoffnung schlug um in Angst. Wenn Kevin bereits so skrupellos war, einfach wegzuschauen, während Jenny hier unten eingesperrt war, dann war er noch zu anderen Dingen fähig. Und wie groß war sein Hass wohl, wenn er tatsächlich glaubte und wusste, dass Jenny das Wohl ihres gemeinsamen Kindes aufs Spiel gesetzt hatte... alleine die Vorstellung, dass der Mann, der sie liebte und den sie liebte, Jenny nun aufs Tiefste verachtete und sie hier unten allein ließ, trieb ihr wieder die Tränen in die Augen.

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

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    • 26. Oktober 2016 um 11:37
    • #30

    Cafe Köln - 16:30 Uhr


    Semir und Ben hatten keine Zeit verloren. Nachdem beide im Hotel in Windeseile geduscht hatten, machten sie sich auf den Weg in Richtung Heimat. Noch unterwegs suchte Semir nach Juans Nummer, die er damals in weiser Voraussicht gespeichert hatte. Dieser Kolumbianer, der Annie damals von Kolumbien nach Hause brachte und die vermeintliche Todesnachricht von Kevin überbrachte, war beiden Polizisten nicht ganz geheuer. Wer war der Mann, der die Heimat verließ für einen, auch ihm, unbekannten Polizisten? Warum kannte er sich mit den dortigen Drogenverhältnissen so gut aus und wieso kehrte er nicht wieder zurück? Doch er hatte auch Herz bewiesen, als er die beiden Polizisten auf Jennys Spur brachte, als sie auf eigene Faust nach Kevin suchen wollte, kurz bevor sie ihr Kind verlor.
    Jetzt erreichte Semir den Mann mit dem prägnanten spanischen Akzent am Telefon. "Juan? Semir hier... wir müssen uns treffen." Juan, am anderen Ende der Leitung, klang einigermaßen verwirrt. Er hatte mit Semir seit dem Anruf wegen Jenny nicht mehr gesprochen, und hatte in keinster Weise damit gerechnet, jemals nochmal Kontakt mit dem Polizisten zu haben. "Si? Was haben wir zu besprechen? Worum geht es?" Auch diese Frage konnte er sich zunächst selbst nicht beantworten. "Um Kevin." "Ah... könnt ihr das Unvermeidliche immer noch nicht akzeptieren?" "Lass uns einfach miteinander sprechen, okay?"


    Der Kolumbianer und die beiden Polizisten verabredeten sich für den späten Nachmittag in einem Kölner Kaffee. Vorher waren die beiden Männer noch zu Hause und packten Koffer, diesmal größere als vorgestern. Dabei wurden sie von ihren Frauen bzw ihrer Freundin ein wenig skeptisch begutachtet. "Aber das wäre doch toll, wenn dein Kollege noch lebt.", sagte Carina zu Ben, die selbst den Polizisten nur von einer Begegnung her kannte. "Ja, im Prinzip schon. Aber wenn er es wirklich ist... wir wissen nicht auf welcher Seite er steht. Und wissen nicht was er vorhat... es ist alles so surreal.", erklärte der junge Polizist, während er den Reissverschluß der großen Reisetasche zu zog. Er verabschiedete sich von seiner Freundin mit einem langen Kuss.
    Andrea war nicht ganz so euphorisch wie Carina. Sie kannte Kevin besser, sie konnte ihn besser einschätzen und irgendwie kam es ihr gar nicht unrealistisch vor, dass Kevin in illegalen Dingen stecken würde. Sie wollte den Gedanken gar nicht denken, weil er maßgeblich an Aydas Rettung damals beteiligt war... aber aufgrund seiner Vergangenheit, konnte sie es nicht abschütteln und so vermied sie ihre Meinung. "Sei bitte vorsichtig... egal, wie Kevin euch gesinnt ist.", war es, was sie ihrem Mann zum Abschied sagte.


    Natürlich waren die beiden besten Freunde (wegen Ben) zu spät. Juan saß bereits am Tisch und rührte ungeduldig in seiner Tasse Kaffee, als er mit seinen, zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren aufblickte und sein Ohrring im Licht der modischen Lampen blitzte. Die drei Männer schüttelten sich die Hände, Semir bestellte bei der Bedienung ebenfalls einen Kaffee während Ben sich den zweitgrößten Eisbecher des Hauses kommen ließ. "Warum nicht den Größten?", fragte Semir mit kritischem Blick auf Eisbecher und Bens Figur. "Weil ich Diät mache.", war dessen sarkastische Antwort, während Juan die beiden Polizisten beobachtete.
    "Also, was kann ich für euch tun, Amigos?" "Wir würden gern nochmal von dir genau hören, wie das damals in Kolumbien abgelaufen ist. Als Kevin von dieser Brücke gefallen ist." Seufzend lehnte sich Juan auf dem Stuhl zurück. Er hatte für diese Verabredung einen wichtigen Termin mit einigen von Zacks Geschäftspartnern verschoben, für den er mittlerweile arbeitete um sich über Wasser zu halten. "Ich hab euch das doch alles schon erzählt. Es ändert nichts an der Realität, wenn ich euch das nochmal erkläre.", sagte er mit genervten Unterton. "Wir würden es gern trotzdem nochmal hören.", beharrte Semir, während Ben die eiskalte Süßspeise vernichtete. Juan blickte zwischen den beiden Männern hin und her.


    "Na gut. Ich stand zu weit weg, auf einer Gebirgsstraße und hatte nur einen weit entfernten Blick auf die Brücke. Carlos hatte die Waffe auf Kevin gerichtet, der mit dem Rücken zum Abgrund stand. Ich habe versucht, Carlos zu treffen, und konnte ihn einen Moment durch den Schuss ablenken. Dann haben die beiden gekämpft, und dabei ist Kevin von der Brücke gefallen." Die Szene hatte sich schon hunderte Male vor dem inneren Auge der beiden Polizisten abgespielt, Ben hatte sogar einen Alptraum gehabt, dass er selbst auf dieser Brücke stand und nur noch sehen konnte, wie sein Freund abstürzte. "Wie ist er von der Brücke gefallen? Wie genau? Mit dem Kopf vorran, oder wie?", hakte Semir nach. Es war beinahe wie ein Verhör, in dem jede Einzelheit wichtig war.
    "Nein... ähm... ich glaube. Er ist rückwärts gefallen. Er bekam einen Tritt vor die Brust und ist hinterrücks von der Brücke gefallen.", erklärte Juan und musste nochmal kurz nachdenken. Er war in dieser Situation voll mit Adrenalin, ist war schon mehrere Monate her... die Bilder waren nur noch verschwommen vor seinem Auge, auch weil er zuvor schon allerhand Grausamkeiten gesehen und erlebt hatte. "Und wie ist er ins Wasser gefallen? Mit dem Kopf voran, dem Rücken?" "Das konnte ich nicht sehen. Dazu war die Schlucht zu tief."


    Für einen Moment schauten sich die beiden Polizisten an. "Das heißt, du kannst gar nicht sagen, ob er mit dem Kopf aufgeschlagen ist? Vielleicht hat er sich nur die Beine gebrochen?", sagte Ben und Juan erwiederte genervt: "Ich habe bisher niemanden, der von den Brücken in diesen Fluss gefallen ist, wieder aus dem Fluß heraus kriechen sehen." "Und woran sterben die Leute gewöhnlich, die in den Fluß fallen?", fragte nun auch Semir ein wenig erregter. Juan machte eine ausladende Armgeste: "Arbeite ich bei der Policia von Bogota? Sie brechen sich das Genick, sie schlagen mit dem Kopf auf und ertrinken." Für einen Moment herrschte Stille und das Gespräch fiel in dem gut besuchten Cafe, in dem es jede Menge Lärm gab, nicht weiter auf, als Juan nun deutlich sagte: "Er ist tot! Begreift das endlich!"
    Semir schüttelte den Kopf. Plötzlich, je überzeugter Juan von Kevins Tod war, desto überzeugter war Semir von Timos Beobachtung, denn ihn nervte Juans Überzeugung. "Er wurde gesehen. Mit einer Wunde oder Narbe am Kopf.", sagte er mit ruhigerer Stimme, und der Kolumbianer zog die Stirn in Falten. "Wenn er sich den Kopf angeschlagen hat... wie soll er da rausgekommen sein?" "Es muss ihm jemand geholfen haben." Semir erklärte Juan dann, wie es zu der Beobachtung kam. "Also ganz sicher ist sich euer Kollege auch nicht?", sagte er und schien damit seine Annahme zu rechtfertigen.


    "Wie groß kann ein Zufall sein, dass ein Mann, der Kevin gleicht und eine Wunde am Kopf hat, plötzlich auftaucht, nachdem Jenny entführt wurde?", fragte Ben rhetorisch und ihm wurde jetzt auch plötzlich klar, dass der Zufall eigentlich doch viel zu groß war, als dass es ein einfacher Zufall war. "Aber warum nimmt er keinen Kontakt zu euch auf? Und warum sollte er Jenny entführen?", fragte der Kolumbianer. Darauf wussten die beiden Polizisten keine Antwort und Juan dachte nach.
    "Ich kann versuchen, in Bogota etwas heraus zu finden.", bot er dann nach einigen Minuten der Stille an. "Ich kenne da noch einige Leute, die können sich mal umhören... ob er vielleicht irgendwo im Krankenhaus war oder so... wenn euch das hilft." Ben und Semir nickten dankbar, bevor Juan anführte: "Auch wenn ich immer noch nicht glaube, dass er das überlebt hat." "Warum bist du nie nach Kolumbien zurückgekehrt seit dieser Sache?", fragte Ben dann, doch der Südamerikaner wich aus. "Das ist kompliziert." "Soso...", meinte Semir süffisant, der schon immer ein wenig den Verdacht hatte, dass Juan nicht der Reiseführer aus der Armee war, den er vorgab zu sein. Als die beiden Polizisten sich verabschiedeten, hielt er sie noch kurz zurück. "Ich weiß, ich verstehe nichts von Polizeiarbeit...", begann er und blickte die beiden Männer an. "... aber wenn ihr Hilfe braucht bei der Suche nach Jenny, dann meldet euch bei mir."

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    • 31. Oktober 2016 um 09:50
    • #31

    Revier - gleiche Zeit


    Auch Timo hatte sich wieder aufgewärmt, nach einer warmen Dusche zu Hause. Als er in seinem kleinen Badezimmer stand, besah er sich im Spiegel, strich sich die Haare zur Seite. Was für ein aufregender Tag, der aufregendste seines Lebens... nach gestern. Er war jetzt erst seit drei Monaten im Kriminaldienst, nach zwei Jahren Streife und er hatte sich seinen Traum erfüllt. Polizist zu sein, Verbrechen aufzudecken, Verbrecher überführen. Doch was gestern und heute passiert war, überstieg alle kühnen Erwartungen und Träume an diesen Beruf. Obwohl er teilweise wirklich Angst hatte, als er bei den beiden Autobahnpolizisten im Wagen saß oder als sie in der Kühlkammer eingesperrt waren, so war er doch begeistert und stolz auf sich.
    Gerade in der Kühlkammer, als er merkte, dass auch die beiden unerschütterlich wirkenden Beamten ein paar Schwachpunkte hatten, hatte er im wahrsten Sinne des Wortes kühlen Kopf behalten. Das machte ihn stolz, genauso wie Semirs Lob. Timo lächelte still in den Spiegel, bevor er sich Shirt und Pullover über den schlanken Oberkörper zog, und das Badezimmer verließ, um wieder zum Revier zu fahren die Aufgabe zu erledigen, die Semir ihm gegeben hatte. Sie mussten Jenny unbedingt finden.


    Auch wenn ihm die Arbeit Spaß machte und er Gregor recht gut leiden konnte, hatte Timo in den zwei Tagen zusammen mit Ben und Semir ein ganz anderes Gefühl der Zusammenarbeit. Wo Gregor oft das Kommando übernahm und Timo wie einen Praktikanten behandelte, fühlte er sich bei den beiden Autobahnpolizisten gleichberechtigt. Sie hätten auch sagen können, er sollte aus der Schlachterei draussen bleiben, weil es zu gefährlich war, und dass die beiden alleine reingehen würden. Sie hätten auf der Schulung zu ihm sagen können, dass sie Jenny alleine suchten und er sich gefälligst raushalten sollte. Doch ganz selbstverständlich hatten sie den jungen Polizisten miteinbezogen, weil sie merkten, dass Jenny Timo wichtig war.
    Dieses Vertrauen war Timo sehr wichtig. Er hatte durch den Unglücksfall mit seinem besten Freund viele Probleme in seiner Jugend. Auf der Schule war er still und zurückgezogen, fast schon scheu und oft Opfer diverster Mobbing-Aktionen. Doch er wollte nie wieder schwach sein, und hatte sich deswegen nach Selbstverteidigungstraining für den Polizei-Dienst entschieden. Doch auch auf der Straße hatte er zu Beginn Probleme sich durchzusetzen. Weil er jünger aussah als er war, schmal und schmächtig wurde er oft weder von Kollegen noch von Verbrechern ernst genommen.


    Jetzt spürte er, dass er ernst genommen wurde. Jenny hatte ihm dieses Gefühl schon vermittelt, die sich sogar mal bei ihm entschuldigte, dass ihr offenbar mehr von Gregor und ihrem Chef Schwandt zugetraut wurde, obwohl sie einen Monat kürzer bei der Truppe war. Doch sie sagte ihm auch, dass das mit dem Alter zu tun hätte, was sie selbst für schwachsinnig hielt. Timo fühlte sich bei ihr verstanden, und vermutlich löste das, zusammen mit Jennys hübschen Aussehen und ihrer, wenn auch damals erzwungenen Fröhlichkeit, die Gefühle zu ihr in Timo aus. Jedenfalls machte er sich jetzt große Sorgen und wollte alles daran setzen, seine Kollegin zu befreien und sie vor weiterem Unheil bewahren, denn durch Semir und Ben hatte er jetzt auch das Selbstvertrauen dazu.
    Als er ins Büro kam, kam ihm auf den Flur gerade Gregor entgegen, der verblüfft aufblickte. "Timo... du solltest doch zwei, drei Tage frei machen, hat der Chef gesagt." "Ja ich weiß...", druckste Timo herum und sah sich kurz um. "Ist er noch da?" "Nein, der ist heute früher gegangen. Was ist los?" Timo packte Gregor sanft am Arm und zog ihn in ihr Büro. "Komm mal mit, du musst mir helfen.", sagte er schnell. Er vertraute auf Semirs Menschenkenntnis, dass Gregor ihm helfen würde, wusste aber noch nicht genau, ob er dem älteren Kollegen wirklich die ganze Wahrheit sagen sollte.


    "Was ist los, was soll die Geheimniskrämerei?", fragte Gregor und zuckte mit den Schultern, als Timo die Bürotür hinter sich schloß. In diesem Moment entschloß er sich für eine Teilwahrheit... er musste ja nicht alles erzählen. "Wir waren ja bei Jenny in der Wohnung, das weißt du ja..." Gregor nickte und wartete auf weitere Erklärungen. "Da habe ich das Bild von Jenny und ihrem Freund gesehen. Und dem bin ich, mit einem anderen Typen im Bus begegnet. Und uns kam die Idee, dass der vielleicht etwas mit Jennys Verschwinden zu tun haben könnte." "Das ist aber ziemlich weit hergeholt, Timo. Vielleicht sucht der Mann selbst nach ihr." Der erfahrene Polizist zog skeptisch die Augenbrauen nach oben und fuhr sich durch die Haare.
    "Ja... nein... also, Semir und Ben kennen den Mann. Und sie fanden es auch verdächtig... denn er galt bis vor kurzem als verschollen und taucht wieder auf, ohne sich bei Ben und Semir zu melden. Deswegen fanden sie es auch verdächtig. Ausserdem haben die uns an der... an der Verfolgung gehindert." Das war der Teil, den er eigentlich verschweigen wollte. "Verfolgung gehindert?", fragte Gregor genauer nach. "Ja... also... naja, die haben uns drei in eine Kühlkammer im alten Schlachthof gesperrt. Aber es ist nichts passiert.", wiegelte er gleich ab, als Gregor eine vorwurfsvolle Miene aufsetzte.


    "Also Timo... das gefällt mir alles gar nicht, was du da machst. Weißt du, dass dich solche Dinge deinen Job kosten können?" "Aber wir müssen Jenny doch helfen... wenn nicht wir, wer dann?", rechtfertigte sich der junge Kollege. "Ausserdem helfe ich doch nur Ben und Semir..." Fast väterlich legte Gregor dem blonden Mann die Hand auf die Schulter und sagte ruhig: "Ben und Semir haben dreifach und sechsfach soviele Dienstjahre auf dem Buckel wie du. Und sind drei Ränge über dir. Für solche Verfehlungen wird man denen nur auf die Finger klopfen, und vermutlich haben die auch nen fähigen Vorgesetzten, der sie schützt. Du hast weder den Kredit, den die beiden haben, noch einen Vorgesetzten, der dich schützt wenn es hart auf hart kommt." Gregor sprach ruhig und besonnen mit Timo. Er war im Herzen ein guter Kerl, fand Timo, wenn auch ein typischer Beamter... möglichst wenig Risiko, die unangenehmen Aufgaben überließ er meist Jenny und Timo, aber er war ein guter Kriminalist, meist etwas distanziert, oft launisch, aber hin und wieder auch mit guten Tipps.
    Heute schien er gute Laune zu haben. "Versteh mich nicht falsch. Die beiden sind sicher dufte Typen und wollen dir nichts Böses, aber sie können dich eben auch nicht raushauen, wenn du den Beamtenstatus verlierst oder Streifendienst machen musst, bis du 50 bist." Timo sah ein wenig traurig aus, auch wenig hin und hergerissen. Natürlich wollte er seinen Job nicht verlieren... aber müsste man sich, gerade in so einer Situation, wenn eine Kollegin und Freundin verschwindet, nicht auch mal gegen die Regeln stellen? Etwas riskieren, so wie er es heute schon getan hatte, als er die beiden Männer verfolgte.


    Gregor spürte die Unsicherheit in Timo, der vorher noch engagiert nach Hilfe gefragt hatte. Er seufzte und strich sich über die hohe Stirn. "Okay. Ich bin zwar absolut nicht damit einverstanden was du machst, und ich habe auch absolut keine Lust Probleme mit Schwandt zu kriegen... aber ich helfe dir, soweit es geht. Wenn Schwandt mich fragt, stelle ich mich dumm. Wenn er aber was rauskriegt, werde ich dich nicht rausboxen können... okay?" Timo blickte wieder auf und nickte schnell. Er nahm das Hilfsangebot von Gregor an, der zwar in erster Linie wieder an seinen eigenen Pragmatismus und Sicherung dachte, aber trotzdem Timo ein bisschen Loyalität zeigte. "Du kannst das Phantombild-Programm bedienen. Und du hast es schneller drauf, die Verbrecherkartei zu durchsuchen. Wir müssen rausfinden, wer der zweite Typ bei Jennys Freund war."
    Gregor nickte, sein Gesicht drückte immer noch keine Begeisterung aus, doch er legte seine Jacke wieder ab und stellte die Tasche neben den Schreibtisch. Während er den Computer wieder anschaltete, sagte er, wie er Timo immer ein wenig als Praktikant behandelte, aber diesmal mit einem schelmischen Grinsen. "Wir ein längerer Arbeitstag. Kaffee, schwarz, ein Stück Zucker." Timo grinste und machte sich auf den Weg zur Kaffeemaschine...

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    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

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    • 2. November 2016 um 13:21
    • #32

    Haus - 18:00 Uhr


    Die Aussicht aus dem Küchenfenster hätte Kevin nach Stunden längst aus dem Kopf nachzeichnen können. Alle halbe Stunde saß er am Fensterbrett und rauchte eine Zigarette, zwischendurch sah er sich mit Patrick zusammen alte Fotos aus Gang-Zeiten an, in der Hoffnung, dass sich daraus irgendwelche Erinnerungen ableiten würden, aus der Zeit, die er vergessen hatte. Doch obwohl er alle Bilder zuordnen konnte, weil er sich an seine Jugendzeit noch erinnerte, so flammte nichts auf aus dem Loch, das er tief in seinem Kopf hatte.
    Schuld daran war sein radikaler Schnitt, den er nach Janines Tod und der darauffoldgenden Depressionsphase voller Alkohol und Drogenexzessen, gemacht hat. Die Wandlung vom zappeligen Partymittelpunkt zum schweigsamen, nachdenklichen Einzelgänger war zu sprunghaft, und damit für den Verbrecher die perfekte Trennlinie. Absichtlich zeigte er ihm keine Fotos, auf denen Annie zu sehen war, da er durch seine Observation wusste, dass sie in seinem späteren Leben nochmal eine Rolle gespielt hatte. Die Gefahr, dass er sie erkannte, und damit Verbindungen zu seiner eigenen Vergangenheit zog, war ihm zu groß. Aber in seinem Kopf ging dieser Gedanke ständig hin und her, schließlich musste Patrick langsam eine Entscheidung fällen.


    Er hatte den zweiten Schritt getan, in einer Situation, die zu eskalieren drohte. Er erzählte Kevin die Story von Polizisten, die es auf die Gang abgesehen hatten und erfand dazu notwendige Lügen, die Kevin nicht nachprüfen würde können. Jerry angeblich tot, nachdem der junge Polizist den Knast wieder verlassen hatte. Peter, wegen dem er diesen Rachefeldzug überhaupt startete, von einem Dach gefallen, was gleichzeitig auch ein kleiner Test war, ob dieser subtile Hinweis bei Kevin zu Erinnerungen führte, schließlich war dieser unmittelbar an Peters Tod beteiligt. Kai hatte sich längst in den warmen Süden Italiens verkrümelt, als der Boden in Deutschland ihm wegen Drogenbesitzes zu heiß wurde, auch das würde Kevin, zumindest in seinem jetzigen Zustand, nicht nachprüfen können.
    Jetzt überlegte er die ganze Zeit, üb er den nächsten Schritt gehen wollte... und Kevin offenbaren, wer die Männer waren, die hinter dieser Aktion standen. Schließlich hatte er sie auf Bild, die Bilder so realistisch geschossen, als hätte er sie selbst verfolgt... so wie er es ja auch getan hat. Im Zuge der Observation von Kevin hatte Patrick natürlich auch dessen Kollegen Ben und Semir vor die Kamera bekommen, die er jetzt zusammen mit Jenny als Drahtzieher des Komplotts zeigen wollte. Letztere allerdings erst später, zuviele Erinnerungen hielt er für gefährlich.


    Er hatte sich am späten Nachmittag dazu entschlossen und Carsten eine WhatsApp-Nachricht geschrieben. Der kam nun ins gemeinsame Haus, grüßte kurz ins Wohnzimmer und verzog sich dann in einen Nebenraum, allerdings lehnte er nur die Tür an. Patrick wollte sich mit seinem Freund absichern, falls die Sache schiefging und Kevin sich doch erinnerte... dann mussten sie handeln, und die kleine Maus im Keller würde Gesellschaft bekommen. "Okay... ich wollt eigentlich noch ein bisschen damit warten, bis du einigermaßen in deiner Birne wieder klar bist...", begann Patrick dann irgendwann, als sie das letzte Fotopäkchen wegpackten, und tippte sich dabei selbst mit einem schelmischen Grinsen an die Schläfe... "aber nachdem ich dir jetzt eben Andeutungen gemacht habe, sollst du alles wissen."
    Kevin sah zu ihm auf, seine Augen müde, sein Kopf klopfte und sein Innerstes sehnte sich nach ein paar bunten Pillen. Trotzdem war er sofort aufmerksam, als Patrick die Sache zur Sprache brachte. "Ich bin ganz Ohr.", sagte er, konnte die Müdigkeit in seiner Stimme aber nicht überspielen. Vor lauter Nachdenken über die Bilder, die Patrick ihm gezeigt hatte, hatte sein Kopfweh und seine Verzweiflung wieder zugenommen. Er konnte sich an die Bilder erinnern, er kannte die Menschen darauf. Jerry und andere Freunde lachten und gröhlten ihn an, aber nichts erinnerte ihn an die Jahre, die in seinem Kopf fehlten.


    "Ich hatte, als immer mehr aus der damaligen Gang ums Leben gekommen sind, Nachforschungen angestellt. Du weißt ja, dass ich noch den ein oder anderen Kontakt hatte." Mit beiden Händen um den Nacken gelegt, nickte Kevin und stützte sich danach mit dem Kopf auf seine Hände. "Zwei Typen sind es... ich kenne ihre Namen nicht, aber ich konnte damals, als ich versucht habe sie zu beobachten, Bilder von ihnen machen. Zwei Stück. Einer von ihnen war scheinbar früher selbst bei uns in der Clique, und hat sogar schon Musik mit dir gemacht." Kevin zog die Augenbrauen nach oben. "Musik mit mir?" "Ja, daran erinnere ich mich dunkel. Und der andere war damals schon Polizist. Der junge Typ hatte die Gang verlassen, kurz vor deinem 18ten Geburtstag. Und ich bin mir fast sicher, dass diese beiden an dem Überfall beteiligt waren."
    Kevin musste diese Information erstmal sacken lassen. Bilder der dunklen Nacht zogen wieder an seinen Augen vorbei. Er war mittlerweile so paralysiert und verzweifelt ob seiner Erinnerungslücken, dass er viele Informationen gar nicht mehr innerlich nachprüfte, sondern froh war um jedes Wort, um jede scheinbare Wahrheit, an die er sich klammern könnte und unter dem Aktenordner "Erinnerung" ablegen konnte. So wurde er gutgläubig und für Patricks Lügengebilde war das optimal.


    "Zeig mir die Bilder...", sagte er dann nach einigen Minuten. "Na gut...", sagte Patrick, verließ kurz den Raum und kam nur zwei Minuten später zurück, bevor er Kevin zwei Bilder auf den Tisch warf "Das sind die Mörder deiner Schwester". Carsten, dicht an der Tür des Nebenzimmers, hatte seine Hand um den Griff seiner Waffe, die in seinem Hosenbund steckte, geklammert als er quasi blind, ohne Kevin oder Patrick zu sehen, auf eine Reaktion zu warten. Kevin starrte währenddessen auf die Bilder und sein Herz begann schneller zu schlagen. Er sah die wuscheligen Haare von Ben, leicht vom Wind abstehend, seine aufmerksamen Augen während er sich scheinbar gerade unterhielt und deswegen, naturgemäß, nicht aufmerksam in die Kamera sah. In seinem Kopf begannen sich Bilder abzuspielen, die ihn schwindelig werden ließ, denn immer öfter wechselte die Reihenfolge. Es wurde nicht besser, als er das Bild von Semir betrachtete, die kurz geschnittenen leicht angegrauten Haare, die braunen Augen, sein skeptisch, prüfender Blick. Die Gesichter kamen Kevin unendlich vertraut vor. Ben ordnete er irgendwo der Gang zu, weil Patrick ihm das gesagt hatte, und in seinem inneren Auge sah er sich mit Ben zusammen auf der Bühne... aber er konnte nicht sagen wann, in welchem Zeitraum das passierte. Allein das Patrick diesen Umstand genannt hatte, löste es in Kevin einen Trigger der Erinnerung aus. "Das...", stammelte er, während er zwischen den beiden Bildern immer wieder hin und her sah. Kevin stand auf, sein Atem wurde schneller, als er mit weit geöffneten Augen vom Tisch zurücktrat. "Was ist?", fragte Patrick, gespielt ruhig aber innerlich höchst angespannt.


    "Das... ich...", stammelte Kevin, während sein Kopf von Bildern überflutet wurde, die er allesamt nicht zuordnen konnte. Gefühle, von Wut, Trauer, Hass und Vertrauen vermischten sich zu einem Wasserfall an Emotionen, die über ihn hereinbrachten und mit ihm ein stechender Schmerz, der plötzlich durch seinen Kopf fuhr. Der Polizist fasste sich stöhnend mit beiden Händen an den Kopf und ging auf die Knie, so sehr pochte plötzlich der Schmerz durch seine Narbe an der Stirn. Plötzlich fiel er innerlich nochmals von der Brücke in Kolumbien, nochmals sah er vor sich den fremden Mann mit der Waffe vor sich stehen, und er erinnerte sich an das, an das er damals dachte. An Janine, an diese beiden Männer und eine Frau, an die ihm in diesem Moment gänzlich die Erinnerung fehlte...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

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    • 3. November 2016 um 10:52
    • #33

    Autobahn - 18:15 Uhr


    Die Rückfahrt von Köln nach Hamburg verlief weitestgehend stillschweigend. Ben war etwas müde, und war zwischen Dortmund und Bielefeld öfters mal eingenickt. Semir saß diesmal am Steuer, und schaute konzentriert in den dunkler werdenden Abendhimmel. Er hatte den Berufsverkehr der Großstadt gerade hinter sich gelassen und sah immer wieder gespannt auf sein Handy, weil er auf Timos Anruf wartete, während Ben neben ihm immer wieder in einen unruhigen Schlaf fiel. Der erfahrene Kommissar wusste, wie sehr ihm der Gedanke an Kevin zu schaffen machte, der Gedanke daran, dass Kevin noch lebte und die Frage, warum er sich nicht bei ihnen gemeldet hatte. Es war ähnlich, wie Semirs Gedanken zu André, der sich nach seinem vermeintlichen Tod ebenfalls nicht gemeldet hatte. Für 14 Jahren. Doch André hatte einen Grund, und den galt es bei Kevin jetzt herauszufinden, um die Zweifel erträglich zu machen.
    Semirs eigene Gefühle im Bezug auf Kevin waren immer noch verworren, und er würde das vor Ben nicht zugeben. Der würde es vermutlich nur schwer begreifen, das wusste dessen bester Freund. Er und Kevin waren nicht im Guten auseinander gegangen. Als Semir erfuhr, dass Kevin nach Kolumbien fliegen würde um die Frau zu suchen, die Semir den Neonazis überlassen hatte, war das für den Polizisten nur schwer begreiflich. Vor allem, weil Kevin den Weg der Lüge gehen wollte, statt offen mit ihm zu reden. Psychisch angeschlagen schlug Semir den jungen Kollegen auf der Dienststelle nieder... das letzte Zusammentreffen der beiden Männer.


    Genau dieses letzte Zusammentreffen saß tief in Semirs Kopf. Es steckte in seinen Gedanken und es war die schlimmstmögliche letzte Erinnerung, die man an einen Freund haben konnte. Ben erging es ähnlich... er sah den Niederschlag und entschied sich in diesem Moment, Semir zu stützen. Auch er sah Kevin danach nicht mehr, hatte aber zumindest noch kurz Kontakt mit ihm. Wo Ben und Kevin ein freundschaftliches Verhältnis verband, weil die beiden zwar völlig entgegengesetzte Charaktere waren, aber vom Alter her dicht beeinander, den Interessen gleichauf und natürlich nicht zuletzt verband Jenny die beiden miteinander, war das Verhältnis zu Semir anders. Es war distanzierter und gleichzeitig enger.
    Es war distanzierter, weil Semir in die Gedankenwelt von Kevin nur sehr schwer eintauchen konnte. Dessen Vergangenheit, Kevins Sicht auf die Mitmenschen und seine Angewohnheit, Erinnerungen und Probleme nicht mit anderen zu teilen, war Semir zuwider. Er würde, würde er nur hin und wieder mit dieser Art Charakter konfrontiert werden, wohl nicht warm mit ihm. Ähnlich erging es ihm im Bezug auf einen ehemaligen Partner von ihm, Chris Ritter. Auch zu ihm hatte der Polizist ein eher distanziertes Verhältnis, weil Chris unnahbar schien und sich von vielem abschottete.


    Doch zu Kevin war es etwas anderes, denn anders als zu Chris fühlte Semir zu dem jungen Polizisten eine tiefe Verbundenheit, die sich aber nicht in äusserlicher Freundschaft äusserte. In den seltenen Momenten, in denen Semir in Kevins Gedankenwelt, in seine tief verschlossene Seele vordringen konnte, setzte sich dieser Eindruck tief in Semirs Kopf fest. Dieser Eindruck eines nach innen hin, sehr zerbrechlichen und fragilen jungen Mann, der, angeschlagen durch mehrere Schicksalsschläge immer noch auf der Suche nach einem Platz im Leben war, immer auf der Suche nach dem benötigten Vertrauen in andere Menschen, um diesen Platz zu festigen. Er hatte Schwächen bei Kevin ausgemacht, die dieser am liebsten vor der ganzen Welt verschweigen würde. Zu Chris war er niemals so weit vorgedrungen, um solch eine Verbindung aufzubauen.
    Noch dazu war Chris älter als Kevin, so dass dieses Verhältnis des großen, meist beschützenden und beratenden Bruders niemals aufkam. Und auch zu Ben war das Verhältnis anders. Ben war sein bester Freund, dem er blind vertraute, der ihm blind vertraute und auch alles anvertraute, ohne dass der Familienvater ein Buch mit sieben Siegeln öffnen musste. Aber er war überzeugt... so unterschiedlich die Beziehungen zwischen den drei Polizisten war... er könnte beide, sowohl Kevin als auch Ben nachts vom Ende der Welt aus anrufen und um Hilfe bitten, sie kämen beide ohne nachzufragen... nur auf zwei unterschiedlichen Wegen.


    Der Klingelton seines Handys weckte Semir aus seinen Gedanken, in denen er sich trotzdem voll auf den Verkehr konzentrieren konnte. Ausserdem wurde Ben ebenfalls geweckt, der kurz in sich zusammenfuhr und aufblickte. "Ja? Timo, was hast du rausgefunden?", fragte der fahrende Polizist sofort voller Hoffnung auf gute Nachrichten. "Also, wenn sich unser Suchprogramm nicht vertan hat, und ich das Phantombild nicht komplett vermurkst habe...", begann Timo mit seiner oft fröhlich klingenden Stimme, auch wenn er eigentlich ernst sein wollte... "dann heißt unser Kandidat Patrick Heuser. 3 Jahre im Knast wegen Drogenhandels, Einbruch und Widerstand. War vor vielen Jahren Mitglied in einer Straßengang."
    Die beiden Polizisten im Auto sahen sich sofort an. Straßengang... Kevins Gang? Kannten die beiden sich? Und dann war er mit Kevin unterwegs, ein Verbrecher? Beiden schwante sofort Übles, unabhängig voneinander kamen ihnen der abstruse Gedanke, Kevin hätte die Seiten gewechselt? Aber warum, welchen Grund gab es dazu nachdem er aus Kolumbien zurück gekehrt war? War er doch enttäuscht, dass sie ihn nicht suchen kamen? "Das kann doch nicht sein. So ist Kevin nicht. Der hätte doch mit uns geredet und sich nicht einfach irgendeinem Kleinkriminellen an den Hals geworfen."


    Semir allerdings dachte weiter: "Kannst du prüfen, inwiefern der mit Drogen zu tun hatte? Vielleicht Verbindung in Richtung Kolumbien hatte?", fragte der Polizist durch die Freisprecheinrichtung um dann in Richtung Ben zu sagen. "Vielleicht hat der Typ etwas mit Kevins Rettung zu tun. Vielleicht hat der ihn aus dem Wasser gezogen." Ben schüttelte den Kopf: "Selbst wenn, dann hätte er sich doch bei uns gemeldet.", beharrte er darauf. "André hat sich auch nicht bei mir gemeldet." "Aber André hatte die ganze Zeit ne Knarre am Kopf... bildlich gesprochen." "Ähm hallo... wollt ihr auch noch weiteres hören?", erklang wieder Timos Stimme aus dem Radio-Lautsprecher des Autos, der sich das kleine Geplänkel der beiden Autobahnpolizisten stumm angehört hatte.
    "Eigentlich nicht... aber erzähl mal.", meinte Ben. "Dieser Patrick hat zwar hier in Hamburg im Knast gesessen. Angemeldete Wohnadresse ist aber in Köln. Wo seid ihr gerade?" "Gerade hinter Bielefeld. Dann müssten wir wieder zurückfahren und könnten uns heute abend noch dort umsehen." "Ach verdammt, ich wäre da gerne dabei.", meinte Timo beinahe enttäuscht. "Das würde jetzt zu lange dauern. Kopf hoch, wir informieren dich sofort.", sagte Ben tröstend, während Semir sofort die nächste Abfahrt nahm, um umzukehren. Heute Nacht würden sie dann doch nochmal ungeplant zu Hause schlafen.

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    • 4. November 2016 um 11:10
    • #34

    Haus - 18:40 Uhr


    Das zischende Geräusch vom ausblasenden Zigarettendampf hörte sich zitternd und abgehackt an. Der Nebel, der vor Kevin aufstieg, nahm ihm ein wenig die Sicht auf die gegenüberliegende Hauswand, auf die er starrte, jedoch in seinen Gedanken nicht wahrnahm. Er musste raus aus dem Zimmer, raus aus dem Haus an die frische Luft. Der Schmerz in seinem Kopf wurde unerträglich, hier klang er langsam ab wenn er sich zwang, nicht über die Bilder nachzudenken die er gerade gesehen hatte. Aber etwas in ihm sagte, dass ihm diese Gesichter bekannt waren... beide. Während er die Zigarettenasche neben sich auf der Haustreppe abschnippte, nahm er einen kräftigen Schluck aus der Flasche Hochprozentigem, die er neben sich stehen hatte.
    Aber sein Kopf schrie nicht nach Alkohol, sein Kopf schrie nach Abschalten. Nach absoluter Gleichgültigkeit, die er nur mit seinen kleinen Helferlein erreichen konnte. Doch er wusste, dass sie nicht gut für ihn waren, der Drang danach wurde aber mit jedem Zigarettenzug, mit jedem Schluck aus der Flasche und mit jedem Gedanken an die Bilder auf dem Tisch und seine eigenen Gedankenbilder in seinem Kopf größer. Wie konnte das alles nur passieren? Was war sein altes Leben? Das hier war es nicht, es kam ihm zu fremd vor. Der Gedanke, dass sich irgendetwas geändert haben musste in der Zeit, die ihm fehlte, kam ihm immer öfter.


    Die beiden Männer auf den Fotos... er sah sie nicht zum ersten Mal. Sie waren zwei von vielen Gesichtern in Kevins Bilderschublade, zu denen er keine Erinnerungen, keine Namen und keine Charaktereigenschaften zuordnen konnte. Sie waren wie Geister, nicht greifbar, nur mit einer schwachen Erinnerung, ein Deja-Vu. Man sieht ein Gesicht und ist sich sicher, ihm schon einmal begegnet zu sein, doch man hat keine Ahnung, wann und wo. In einem Traum? In einem früheren Leben? Kevin zog heftig an seiner Zigarette. Diese Unwissenheit machte ihn wahnsinnig, dieses Suchen nach Erinnerungen und die immer wiederkehrende Enttäuschung ließen ihn verzweifeln. Er stützte die Stirn auf die Hand und sah nun, statt zur Hauswand, auf den Boden zu seinen Füßen.
    Plötzlich sah er ein Bild. Es war verschwommen, es war undeutlich und es erschien wie in einer anderen Welt geschehen, vielleicht auch nur in einem Traum. Der kleine Mann... er stand vor ihm. Er sprach wütend, aber der junge Mann konnte ihn nicht verstehen, die Bilder in seinem Kopf liefen wie in einem Stummfilm. Dann schlug er zu. Einfach so, mit der Faust und das Bild war weg. Er war diesem Mann schon einmal begegnet, da war er sich jetzt sicher. Oder er hatte von ihm geträumt, aber wenn er von ihm geträumt hat, dann muss er ihn auch schon mal irgendwo gesehen haben.


    Die Umgebung, in der der Schlag stattfand, konnte er nicht definieren. Die Zeit ebenfalls nicht... war der Schlag vor wenigen Wochen, vor ein paar Jahren... war er vielleicht sogar in seiner Jugendzeit, an die er ja noch ganz gute und teilweise völlig klare Erinnerungen hatte? Als Bild hatte er den Mann vor sich, wie er auf dem Foto zu sehen war, so konnte er nicht anhand des Aussehens darauf schließen, wie lange dieser Vorfall her war. Das gleiche Problem hatte er mit der anderen Person, mit der er angeblich Musik gemacht hatte. In seiner Erinnerung taucht er in dem Aussehen des Bildes auf, und nicht so, wie der Typ vermutlich vor 10 Jahren ausgesehen hatte. Mit zitternder Hand nahm er einen weiteren Schluck aus der Flasche.
    Patrick hatte ihn aus dem Fenster immer wieder beobachtet, damit der Mann nicht verduften konnte. Er grinste zufrieden über seinen Plan. Es ging alles den Weg, der geplant war. Kevin schlug sich mit seinen Erinnerungen herum und war mittlerweile so weit, dass er Patrick jeglichen Hinweis als Wahrheit abkaufte, nur um etwas handfestes in der Hand zu haben. "Sieht so aus, als wäre er noch unentschlossen, hmm?", meinte Carsten, der schräg hinter ihm stand. "Abwarten. Wenn er es glaubt, eröffnet er selbst die Jagd." Dabei sah er auf die beiden Bilder in der Hand. "Erst Jäger...", wobei er dann Bens Foto fallen ließ... "dann Gerkhan...", auch dieses Foto fiel zu Boden.. "dann seine kleine Freundin im Keller." Der Mann drehte sich zu seinem Freund um. "Und dann darf er mit der Wahrheit weiterleben."


    Kevin spürte einige Minuten später eine Hand auf der Schulter und drehte sich um. Patrick kam hinter ihm aus der Tür und lächelte freundschaftlich, bevor er sich zu ihm auf die Treppe saß. "Na? Gehts besser?", fragte er und sah, dass die Flasche schon etwas leerer war, als vorhin. "Geht so...", sagte Kevin monoton und zog am restlichen Zigarettenstummel, bevor er ihn wegschnippte. "Ich hab den kleinen Typ auch schon mal gesehen, da bin ich mir sicher.", sagte er dann nach einigen Augenblicken des Schweigens, während sein Nebenmann aufmerksam aufsah. "Ach... und wo?" "Keine Ahnung wo, keine Ahnung wann und keine Ahnung in welchem Zusammenhang. Aber er stand vor mir, und hat mich niedergeschlagen. Da bin ich mir sicher.", erzählte der junge Polizist.
    Das wusste Patrick selbst nicht. Der Niederschlag fand in der Polizeidienststelle statt, wo er sein Ziel natürlich nicht observieren konnte. Was da vorgefallen war... Patrick war es egal. Aber es war wie ein kleiner Jackpot, die Kirsche auf der Sahnetorte. "Vielleicht... hmm...", dachte er nach und meinte dann: "Bei einer Demo vielleicht? Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Bulle bei der Bereitschaftspolizei war damals, und uns deswegen auf dem Kieker hat. Welchen anderen Grund sollte es geben, uns Stück für Stück umzubringen?"


    Der junge Mann dachte nach... er hatte soviele Schlägereien in seinem jungen Leben, auch mit der Polizei, mit den Uniformierten, wie mit Vermummten. Und da war auch ohne Kopfverletzung nicht mehr alles präsent, weil vieles unter Alkohol und Drogeneinfluss passierte. War da der Mann dabei? Was trug er für Kleidung? Schmerz setzte wieder ein und Kevin versuchte, das Nachdenken einzustellen. "Das könnte gut sein...", sagte er wieder mit seiner monoton klingenden Stimme und seufzte. "Sag mal... erinnerst du dich an den Polizisten, der deinen Pflasterstein abbekommen hatte?" Kevin nickte, dieses Erlebnis hatte er noch recht klar in seinem Kopf, war es doch vor dem Erinnerungscut. "Warum?" "Ich kann mir vorstellen... wenn der Mann wirklich so schwer verletzt war, wie man sich damals erzählt hat... Gehirnschäden und so weiter... und der Bulle war ein Freund von dem Kleinen." Patrick sponn einen Gedanken, ein perfekt konstruiertes Motiv und sein Nebenmann nahm diesen Faden zu gern auf. "Dann hätte er Grund genug, Selbstjustiz walten zu lassen... aber warum jetzt erst?" "Damit es nicht auffällt. Zwischen jedem... Unfall... lagen immer mehrere Monate oder Jahre.", erklärte der Verbrecher, bevor er Kevin die Flasche abnahm. "Aber es bringt nichts, sich volllaufen zu lassen. Du bist jetzt wieder da, und du kannst etwas unternehmen." Dabei stand Patrick auf und Kevin sah ihn von unten zweifelnd an. "Unternehmen?" "Willst du etwa Janines Mörder einfach so davonkommen lassen? Wir lassen uns nicht jagen... jetzt drehen wir den Spieß um, okay?" Der junge Mann auf der Treppe schien noch nicht überzeugt zu sein, melanchonisch und beinahe traurig sah er von Patrick weg, denn er dachte an Janine, und die Zeit, die er im Dickicht seines Kopfes verloren hatte. Dennoch, nach einigen Sekunden nickte er, kaum merkbar. "Ich brauch noch etwas für heute Nacht. Sonst bekomme ich kein Auge zu.", waren dann die Worte, die Kevin nach dem Nicken sprach. Patrick wusste, was er mit "Etwas" meinte und sagte: "Kein Problem. Komm mit rein...", woraufhin ihm der Polizist folgte...

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    • 8. November 2016 um 01:13
    • #35

    Patricks Haus - 23:30 Uhr


    Semir schaltete die Scheinwerfer bereits aus, als sie in die Straße einbogen, denn falls jemand dort zu Hause war, wollte er nicht, dass man sofort auf das parkende Auto aufmerksam wurde. Sie waren noch kurz, jeder für sich, zu Hause, um zu erzählen warum man eine Nacht in Köln verbrachte. Ausserdem wollten sie erst zur Nachtzeit zum Haus. Die Hausnummer, die Timo ihnen genannt hatte, lag in einem kleinen Vorort bei Köln, ein altes Bauernhaus direkt an der Hauptstraße. Neben dem Hauseingang war auch ein großes Scheunentor, die Scheune direkt verbunden mit dem Haus. Dieses war recht groß, dafür dass Patrick dort angeblich alleine lebte. "Na, was denkst du? Klingeln oder einsteigen?", fragte Ben, während er an Semir vorbei aus dem Seitenfenster sah. Sie hatten sich bereits auf der Hinfahrt beraten, ob sie überhaupt auf dem offiziellen Weg vorgehen sollten, oder lieber auf eigene Faust das Haus nach Jenny durchsuchen sollten.
    "Wenn wir klingeln, wüssten wir zumindest ob jemand zu Hause ist.", meinte der erfahrene Polizist nachdenklich. "Da brennt nirgends Licht, es steht kein Auto vor der Tür... da ist niemand zu Hause. Lass uns reingehen... ich mach mir Sorgen um Jenny." "Na schön...", willigte Semir dem, nicht ganz legalen Einsatz an diesem Abend ein. Die beiden Männer stiegen aus und gingen im Schutze der Dunkelheit zuerst zur Haustür, um dann festzustellen, dass diese doch massiver und sicherer war, als sie zuerst den Eindruck machte. Auch konnte Ben, trotz Dietricheinsatz, das Schloß nicht knacken.


    Also versuchten es die Polizisten am Schloß des Scheunentores und hatten hier mehr Glück. Immer wieder drehte Semir sich nervös um, versuchte zu sehen ob vielleicht ein Nachtschwärmer der Nachbarn am Fensterbrett saß und das Haus beobachtete, genauso wie er lauschte, ob jemand durch die Straße spazierte, vielleicht auf einem späten Hundespaziergang. Doch es war mucksmäuschenstill in dem kleinen Ort, nicht mal ein Auto fuhr während den Minuten, die sie an den beiden Schlössern verbrachten, vorbei. Endlich gab die große Scheunentür nach und schwang knarrend ins schwarze Innere des Gebäudes. Schnell huschten die beiden Männer durch die Öffnung, bevor Semir die Tür so leise wie es nur irgendwie ging, wieder hinter sich verschloß.
    Ben griff in seine Jackeninnentaschen und streifte sich etwas auf den Kopf, während Semir seine schwere MagLite-Taschenlampe anschaltete. "Was zum Teufen ist das?", fragte er flüsternd als er sah, dass Ben im wahrsten Sinne des Wortes ein Lichtlein aufging. "Das ist eine Grubenlampe von meinem Opa, die hat Hartmut mir mit LED-Zellen aufgewertet.", erklärte er die kleine Lampe, die mit einem Stoffgummi um den Kopf an seiner Stirn hielt, und grinste. "Ich sehe WAS das ist... aber wieso?", knurre Semir ein wenig ungehalten. "Na, so hab ich immer ne Hand frei, wenns mal eng wird." "Möchte mal sehen, wie du nem Angreifer die kleine Funzel da über die Rübe ziehen willst, statt ner MagLite. Komm jetzt." "Pff... Neidsack.", meinte Ben, bevor er Semir langsam, mit gezückter Waffe durch die dunkle Scheune folgte.


    Sie war nicht besonders groß, in der Mitte hatten höchstens zwei oder drei Autos oder früher vermutlich Traktoren Platz gefunden. Es war ein Durchgang, auch hinten mit einem Tor begrenzt, was allerdings offenstand. Es ließ die beiden Polizisten in einen dunklen Hof schauen, an den sich weite Wiesen anschloßen. Nichts war hier zu sehen, wo man eine Frau hätte gefangen halten können, also kehrten sie zurück in die Scheune. Von dort ging in der Mitte des Gebäudes einerseits ein Gang nach rechts ab, sowie eine Tür nach links. "Erst den Gang.", sagte Semir und ging langsam voran, die Waffe nach vorne, die Taschenlampe überkreuz um gleichzeitig dort hin zu leuchten, wo auch die Waffe hinzielte. Ben folgte ihm, die Waffe zu Boden aber zielbereit, denn er hatte sein Licht ja vor der Stirn.
    Der Gang endete in einer Art alten Stallung, in der teilweise noch Ringe, wo man Kühe festgebunden hatte, an den Wänden hingen hatte. Vereinzelt lag noch Stroh herum, doch hier schien schon lange kein Tier mehr genächtigt zu haben. Allerdings wäre es wohl ein gutes Versteck gewesen für eine entführte Person, doch in diesem Bereich war absolut nichts zu finden, bis auf einen penetrant ekligen Geruch von Gülle, der sich wohl über die Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte im Mauerwerk festgesetzt hatte.


    Nun kam der schwierigere und nervenaufreibendere Teil... die Tür auf der anderen Seite der Scheune führte nämlich ins Haus und war nicht abgeschlossen. Wenn nun hier jemand zu Hause war, im Bett schlief oder in einem Zimmer, das nicht zur Straße lag, Fernsehn guckte, würden sie aufeinandertreffen. Ben bekam plötzlich Herzklopfen, als sie das Haus betraten und merkten, dass sie mitten in der Küche standen. Er erinnerte sich an die Situation vor zwei Monaten, als er verfolgt von einem Irren bei einem Stromausfall in den Keller ging. Die Situation von damals verfolgte ihn, genauso wie der Horrortrip, den er erlitt, durch ein halluzinöses Gas, mit dem der Kerl ein Attentat auf ihn verübt hatte. Seine Hände um den Griff der Waffe wurden feucht, und er spürte seine Beine, als wären sie wie Pudding.
    In der Küche war nichts zu sehen, und sie nahmen die einzige weitere Tür im Raum, und gelangten auf einen Flur, der letztlich mehrere Türen zu bieten hatte. Eine davon führte in den Keller, auf der anderen Seite war der Treppenaufgang nach oben. "Also, wir können davon ausgehen, dass sie Jenny nicht im Erdgeschoss gefangen halten. Das wäre viel zu riskant, wenn mal Besuch käme.", flüsterte Semir. "Also schauen wir oben und unten nach. Ich geh nach oben, du gehst in den Keller, okay?"


    Semir wollte bereits einen Schritt in Richtung der Treppe gehen, als er von Bens Hand an der Schulter zurückgehalten wurde. "Lass mich besser nach oben gehen...", sagte Ben beinahe kleinlaut und im Schein der Taschenlampe konnte der erfahrene Polizist das Gesicht seines besten Freundes sehen. "Immer noch der gekreuzigte Ziegenbock?", flüsterte er fragend und sein Partner nickte. "Nagut, dann geh du nach oben. Aber denk dran, oben könnte eher jemand sein, als im Keller." "Kein Problem...", winkte Ben ab. Lieber Menschen treffen, als nochmal einen tropfenden und gekreuzigten Ziegenbock. So nahm er die Treppe nach oben und Semir dieselbe nach unten, um unterm Haus nach Jenny zu suchen...

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    Einmal editiert, zuletzt von Campino (8. November 2016 um 12:00)

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    • 9. November 2016 um 12:15
    • #36

    Hamburg - gleiche Zeit


    Es dauerte diesmal etwas, bis die Pillen wirkten. Anders als vor einigen Monaten, woran Kevin sich nicht mehr erinnerte, als er versuchte seine Gedanken zu betäuben und mit schlechten Drogen einen wahren Höllentrip durchmachte, wirkten diese kleinen Helferlein, wie sie sollten. Er entspannte sich, er dachte nicht mehr an Vergangenes oder Vergessenes. Zusammen mit Alkohol wurde dieser Effekt, dass ihm gerade die ganze Welt einen Scheissdreck anging, noch verstärkt, so dass er irgendwann, mit der Flasche neben der Couch, auf jenem Möbelstück einschlief. Das Gefühl, einfach loszulassen und quasi davon zu schweben, fand er herrlich und er hatte das Gefühl, als hätte er es schon so lange nicht mehr genoßen.
    Der junge Polizist träumte nichts beängstigendes, keine dunklen Erinnerungen, die in ihm aufkamen... keine einsame Landstraße, kein dunkler Turm mit allerlei Merkwürdigkeiten, die ihm begegneten. Es waren schöne, aber verwirrende Träume. Er saß auf dem Dach eines Gebäudes und sah auf die pulsierende Großstadt, so wie er es als junger Punk oft tat. Zwischen Zeige- und Mittelfinger hatte er einen Joint eingeklemmt, und neben ihm saß seine Schwester Janine, die ihren Kopf an die Schulter ihres großen Bruder gelehnt hatte. Sie sprachen nichts, sie saßen einfach da, und Kevin fühlte im Traum ein herrliches Gefühl der Zufriedenheit, der Ankunft. Nur das Weinen eines kleinen Babys, das er hin und wieder hören konnte, löste Traurigkeit in ihm aus, die er sich nicht erklären konnte. Aber auch diese Traurigkeit fühlte sich gut an, setzte sie doch tiefe Liebe voraus, die er empfand.


    Patrick dagegen kam der tiefe und recht ruhige Schlaf seines ehemaligen Freundes gerade recht. Immer wieder, wenn er ungestört war, prüfte er, ob die Tür zu seiner Kammer, wo er Unterlagen und Fotos von Kevins letzten anderthalb Jahren hortete, abgeschlossen war. "Kevin?", fragte er leise und packte ihn an der Schulter, doch ausser einem kurzen Seufzen kam nichts von Kevin, der tief im Reich der Träume verschwunden war. Vor einigen Stunden hatte der Verbrecher die Saat des Hasses und der Rache versucht, in dem Polizisten zu säen. Er war noch nicht ganz davon überzeugt, ob sie aufgegangen war, er war sich aber sicher, dass er zumindest in Kevin drin die Gedanken an seine Schwester und den damaligen Anschlag genährt hatte.
    Und er hatte sie mit Gesichtern genährt. Mit den Gesichtern seiner eigenen Freunde, Ben und Semir. Später würde er als weitere Täterin noch Jenny präsentieren. Ein perfider Racheplan, der den Plan, Kevin einfach zu töten bei weitem übertraf. Eigentlich müsste Patrick dem lieben Gott auf Knien danken, dass Kevin bei einem Sturz von einer kolumbianischen Flussbrücke sein Gedächtnis teilweise verloren hatte, ihn noch erkannte aber seine Freunde nicht mehr. Anders wäre der Plan nicht umsetzbar gewesen.


    Doch um die Ernte einzufahren, musste er Kevin und seine beiden Kollegen zusammenbringen. Und dazu hatte er das perfekte Druckmittel, nämlich Jenny. Er wusste ja, dass die Polizei bereits Verdacht schöpfte, und die beiden Kölner Autobahnpolizisten mit dem jungen Grünschnabel aus Köln bereits erste Spuren fanden. Ein Piepsen auf Patricks Handy bestätigte ihn erneut. Eine E-Mail-Benachrichtung der WLAN-Kamera in seinem Haus in Köln schlug an und sendete ihm dunkel verrauschte Standbilder eines Mannes mit mittellangen Haaren, einer Grubenlampe an der Stirn und einer Waffe in der Hand, der durch den dunklen Flur im Obergeschoss schlich. Der Verbrecher grinste zufrieden... es wäre ein Leichtes, die beiden Kerle zu einem Treffpunkt zu lenken.
    Langsam ging er die Stufen der Steintreppe nach unten zur abgeschlossenen Tür, hinter der sich die eingesperrte Jenny aufhielt. Er brauchte ihren Fingerabdruck um das Handy, dass er in der Hosentasche hatte, zu entsperren und die Nummer von Semir direkt anrufen zu können. Er schloß die Tür auf und trat ein. Die junge Frau lag immer noch halb auf der Matratze und schien zu schlafen, doch dann blinzelte sie auf und begab sich langsam in die Senkrechte. "Na, da sind wir eben ja leider an der falschen Stelle unterbrochen worden...", sagte er grinsend und betrachtete ihren schlanken Körper. Sofort setzte bei Jenny wieder ein Abwehrreflex ein, und sie kauerte sich rückwärts gegen die Wand.


    "Aber dafür hab ich jetzt keine Zeit... los, rück mal deinen Finger raus, um das Handy zu entsperren." Jenny sah dem Verbrecher direkt in die Augen. Ihr Gesichter war von Tränenspuren gezeichnet, sie hatte einen Bluterguss an der Wange und eine Schramme an der Stirn von den Schlägen des Mannes, als dieser vor einigen Stunden versuchte, Jenny zu vergewaltigen und sie machte zunächst keine Anstalten, sich freiwillig von der Wand weg zu bewegen, damit Patrick an ihre Hand kam. Stattdessen fragte sie mit zitternder Stimme: "Ist er wirklich oben?" Der Verbrecher grinste und wusste natürlich, wer mit "er" gemeint war. Jenny hatte die Stimme Kevins eben gehört, aber konnte es einfach nicht glauben, dass der Mann, den sie liebte und den sie für tot gehalten hatte, tatsächlich lebte. Und dass er oben saß, offenbar befreundet mit dem Kerl, der sie hier festhielt.
    "Was würdest du denn drum geben, es zu wissen?", fragte er und leckte sich mit der Zunge über die Lippen, wobei er Jenny näher kam. Deren Stimme war nun schärfer, aber nicht lauter: "Sag mir, ob er oben ist!", wiederholte sie und ihre Lippen zitterten dabei, während ihr einige Strähnen der Haare in den Augen hingen. Das Grinsen des Mannes nahm genüßlich sadistische Züge an, und ebenso leise wie drohend sagte er: "Das willst du gar nicht wissen...", als wüsste er, wieviel er in Jenny zerstören würde, wenn er sagte, dass Kevin oben sei und ihr absichtlich nicht half...


    Es war der Situation geschuldet, wie unvorsichtig Patrick war. Er dachte, Jenny sei noch gefesselt weil er vergass, die Fesseln vor einigen Stunden selbst gelöst zu haben. Doch Jenny war, angeschlagen wie sie war, immer noch eine Polizistin und der rechte Haken, der blitzschnell in Patricks Gesicht landete, war nicht von schlechten Eltern, wie auch der Tritt in seine Magengrube, als der Verbrecher schon am Boden lag. Dass sie im nicht noch vor Abscheu ins Gesicht spukte, war der Tatsache geschuldet, dass sie so schnell wie möglich aus diesem Keller raus wollte, und sich vergewissern wollte, ob der Mann im Obergeschoss tatsächlich Kevin war. Sie stieg mit zitternden Knien über Patrick, der bereits nach ihren Beinen griff und sich ebenfalls aufrappelte.
    Sie stolperte mehr, als dass sie lief, als ihre Beine sie die Treppen hochtrugen. Doch das Liegen und Sitzen die ganze Zeit, die Aufregung und das Adrenalin ließ sie mehr als einmal stolpern, und Patrick schnell aufholen. Nicht auszudenken, welche Fragen Kevin stellen würde, wenn er jetzt Jenny sah... von den drohenden Erinnerungen ganz zu schweigen. Jenny riss die Tür zum Flur auf und rief laut: "Kevin!!" Sie fiel auf den Boden, rappelte sich wieder auf, als sie Patricks griff um ihr Fußgelenk spürte und trat nach hinten aus. Abermals konnte sie sich für einen Moment befreien und eine Tür öffnen.


    Sie erstarrte... ihr ganzer Körper war von Gänsehaut befallen und für einen Moment vergaß sie ihren hartnäckigen Verfolger. Es war nur ein Sekundenbruchteil, in dem sie die leblos wirkende Gestalt mit den, länger als sonst, abstehenden Haaren und halbgeöffneten hellblauen Augen, die nicht bewusst aber direkt in ihre Richtung sahen, auf der Couch liegen sah. Ein Sekundenbruchteil, in dem alle erdenklichem positiven wie negativen Emotionen auf sie einprasselten und sie nicht sagen konnte, ob dieses ultrakurze Erlebnis sie nun positiv oder negativ bewegen sollte. Ein leises: "Kevin... oh Gott...", bekam sie noch heraus. Nur einen Moment später wurde sie von Patrick herumgewirbelt und sah ihn noch brutal zuschlagen. Ein Schmerz im Gesicht, ein Schmerz am Hinterkopf durch das Fallen gegen die Wand und um Jenny wurde alles dunkel.
    Ohne Kraft sackte sie an der Wand zusammen, an der eine Platzwunde am Hinterkopf eine rote Spur hinterließ. Patrick keuchte so leise wie möglich: "Du verdammte Sch.lampe... das hast du nicht umsonst gemacht." So schnell er konnte, warf er sich die schlanke junge Frau über die Schulter um sie zurück ins Kellerverließ zu tragen. Er musste nun vorsichtig sein... mit einer Hand fesselte er sie an den Ring an der Wand, so dass sie an der Tür keinen Krach machen konnte, ausserdem knebelte er sie erneut. An der bewusstlosen Jenny war es nun ein Leichtes, den benötigten Fingerabdruck zum Entsperren des Handys abzunehmen...

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    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

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    • 11. November 2016 um 12:03
    • #37

    Köln - 23:45 Uhr


    Jeder Schritt knarrte auf den alten Holzdielen des Hauses, die dort typisch für die damalige Zeit waren. Und obwohl das Haus noch gut eingerichtet war und definitiv auch bewohnt war, konnte man in jedem Winkel die Zeit nagen sehen. Ben hielt sich an seiner Waffe fest... so sehr hatte ihn die Atmosphäre und die Erinnerung im Griff. In jedem Winkel, in jeder Ecke vermutete er etwas Böses... eine Leiche, ein totes Tier oder ein grinsenden Engel, der ihm die Seele aus dem Leib schneiden wollte. Doch ganz bewusst, so wie er es in den Therapiesitzungen zu seiner Platzangst beigebracht bekommen hatte, wählte er die Konfrontation, auch wenn er dem Keller noch fernblieb. Nur so konnte er diese innere Angst überwinden... und das musste er, sonst hätte er seinen Job an den Nagel hängen können.
    Vom Flur schaute er in jedes Zimmer und leuchtete es vorsichtig aus. Ein Schlafzimmer mit zerwühlten Decken, auf der einen und frisch gemachter Decke auf der anderen Seite des Bettes. Ein weiteres Schlafzimmer, das ähnlich aussah... wohnten hier zwei Personen? Hatte dieser Patrick eine Lebensgefährtin? Das Bad war altmodisch, aber sauber und auch in Benutzung, Zahnputzbecher standen bereit und Handtücher hingen an den Haken und rochen nicht muffig, sondern frisch. Dieses Haus war definitiv bewohnt, soviel war sicher.


    Doch nichts deutete im Obergeschoss auf eine Gefangenschaft hin. Kein Raum war abgesperrt, nirgends konnte er Spuren des Versuchs eines Aufbrechen einer der Türen erkennen. Es lagen nirgendwo Kabelbinder oder Stricke herum, Blutspuren fand Ben auch nicht. Erleichterung und Enttäuschung breitete sich in ihm aus, als er langsam wieder den Weg zum Erdgeschoss wählte, als auch Semir gerade aus der Tür trat, die zum Keller führte. "Und?", flüsterte der junge Polizist. "Nichts. Ganz normaler Keller, keinerlei Anzeichen darauf, dass dort unten jemand gefangen gehalten wird oder wurde." Auch in Semirs Stimme schwang die Erleichterung mit, weil man Angst hatte, Jenny in einem schlechten oder sogar toten Zustand zu finden. Andererseits hatten sie sich Spuren erhofft... jeder Tipp, jeder Hinweis schien in einer Sackgasse zu enden.
    "Oben siehts genauso aus. Das Haus ist aber definitiv bewohnt. Vielleicht hat dieser Patrick noch ein weiteres Gebäude zur Verfügung." "Ja, und vielleicht ist das auch noch in Hamburg. Zum Verrücktwerden.", murmelte der erfahrene Kommissar. "Komm lass uns raus... auch wenn hier niemand ist, wohl fühle ich mich genauso wenig wie du. Vielleicht können Hotte und Dieter das Haus morgen ein wenig observieren, wenn sie Luft haben." "Was heißt hier Luft haben?", fragte Ben mit leicht sarkastischem Unterton. "Du bist Chef. Kommandier sie ab." "Stimmt eigentlich..."


    Die beiden Freunde traten wieder an die kühle Mitternachtsluft, trotz dass der Frühling eingeläutet war, waren die Nächte noch ziemlich unangenehm. Semir schlug den Pelzkragen seiner Lederjacke nach oben, bis sie in ihr Auto eingestiegen waren und schaltete im Wagen die Heizung an. "Also, fassen wir nochmal zusammen... Jenny ist in Hamburg verschwunden. Timo beobachtet einen Ex-Knacki, der scheinbar mit Kevin durch Hamburg läuft, und uns alle drei in eine Kühlkammer einsperrt, als sie merken, dass wir sie verfolgen. Dieser Ex-Knacki saß wegen Drogen, Einbruch und war Mitglied einer Straßengang... die gleichen Bereiche mit denen Kevin als Jugendlicher ebenfalls in Berührung kam. Das sind doch soweit die Fakten, oder?", zählte Semir auf und Ben nickte stumm. Er wusste schon, worauf sein Partner hinaus wollte, und spürte sofort wieder den Unterschied zwischen seinem Bauchgefühl, das sofort protestieren wollte, und seinem Kopf, der das gleiche dachte wie der nüchterne Polizist neben ihm.
    Natürlich konnte auch Semir seinem Bauch nicht die Meinung verbieten, und auch dieser widerstrebte sich zu glauben, was die Fakten momentan darlegten... Kevin wieder auf der anderen Seite zu sehen. Eine ähnliche Situation ergab sich, als man Kevin überrascht bei einem Drogendeal festnahm, und er später sogar wegen mutmaßlichem Mord angeklagt war. Der nüchterne Polizist in Semir hätte seinen Freund verurteilt aufgrund der Faktenlage und geriet damals ebenfalls mit Ben zusammen, der von Kevins Unschuld überzeugt war. Damals lag Semir falsch, aber er war Polizist.


    "Ich weiß, was du denkst... es ist genau wie damals.", sprach Ben die Worte aus, die Semir als Gedanken im Kopf formuliert hatte. "Ich glaube nicht daran, dass er die Seiten gewechselt hat. Und selbst wenn... warum will er Jenny schaden? Warum uns? Wir haben ihm nichts getan. Warum sollte er überhaupt die Seiten wechseln, nachdem er gerade mit dem Leben davon gekommen ist aus Kolumbien.", stellte Ben die entscheidenen Fragen nach dem "Warum, Wieso, Weshalb?" "Das ist es, worüber wir nachdenken müssen.", wurden Bens Fragen von Semir quasi bestätigt, ohne sie zu beantworten. Die beiden Freunde saßen zusammen um Mitternacht in ihrem Dienstauto und unterhielten sich. So skurril die Situation auch war, sie war für beide beinahe Normalität. Wo andere Kollegen diese Gedanken auf die morgige Frühbesprechung verschieben würden, saßen Semir und Ben in ihrem "mobilen Büro", wie Semir es manchmal nannte, und diskutierten.
    "Lass uns einfach mal die Schritte nachvollziehen... Kevin wird, wie auch immer gerettet. Er kommt zurück nach Deutschland... was würdest du zuerst tun?", stellte Semir die Frage an seinen Partner, der sofort antwortete: "Ich würde meine besten Freunde informieren, dass es mir gut geht. Ich würde zu meiner Freundin zurückkehren, die um mich trauert." "Und welche Gründe gibt es, diese völlig nachvollziehbaren Dinge nicht zu tun?" Nun war Stille im Auto, und beide Kommissare dachten über diese hypothetische Frage nach.


    Semir war der erste, der eine mögliche Antwort formulierte... auch, weil er ihm der Grund bekannt vorkam: "Also entweder werde ich gezwungen, niemandem Bescheid zu sagen, dass ich noch lebe... so wie bei André damals.", war seine erste Theorie und Ben nickte. "Möglich. Dieser Patrick, was auch immer er mit Kevin jemals zu tun hatte, rettet ihn. Setzt ihn mit irgendwas unter Druck, soweit, so gut. Aber was hat das mit Jenny zu tun? Warum zwingt dieser Patrick Kevin dazu, Jenny zu entführen?", stellte Ben sofort die nachfolgenden Fragen. "Wenn es jetzt um nen Bruch gegangen wäre, bei dem Kevin mitmachen sollte... dann ja. Aber warum Jenny? Dagegen würde Kevin sich doch mit allem was er hat, wehren. Oder glaubst du, André hätte wissentlich bei dem Mordplan gegen dich mitgemacht, wenn man ihn gezwungen hätte?" Semir schüttelte sofort, aus tiefster Überzeugung mit dem Kopf. André wurde damals reingelegt... und lockte Semir ungewollt in eine Falle.
    Wieder blieb es für einen Moment stumm im Wagen... wirlich schlüssig war das ganze nicht. "Andere Möglichkeit... will sich Kevin an uns rächen? Weil wir ihm nicht geholfen haben? Weil wir ihn hängen gelassen haben?", versuchte Semir es vorsichtig, doch daran glaubte er selbst nicht. Es war eher der Versuch, eine weitere Erklärung zu finden, und sei sie noch so unrealistisch. "Oder er hat sein Gedächtnis verloren..." Bens Satz klang beinahe beiläufig, doch sein Partner sah sich sofort zu seinem besten Freund um. "Gedächtnis verloren?" "Er weiß nicht, wer er ist... Patrick verlangt eine Gegenleistung für die Rettung..." "Aber warum gegen Jenny? Das kann kein Zufall sein, dass ein Verbrecher, der sich an Jenny rächen will ausgerechnet Kevin in Kolumbien rettet und ihn entweder unter Druck setzt, oder einen Gedächtnisverlust ausnutzt...", gab der erfahrene Kommissar zu bedenken.


    Egal wie sie es drehten und wendeten, beide waren mit den Erklärungen nicht zufrieden. Es klang alles surreal und unrealistisch. Alleine die Vorstellung, dass Kevin noch lebte, war für beide nicht greifbar solange sie ihren Partner nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. "Eins steht für mich fest!", ließ sich der ältere der beiden Männer dann doch zu einer feststehenden Aussage hinreißen... der Ben, so schwer es ihm fiel, zustimmen musste: "Entweder gibt es eine Verbindung zwischen Jenny und diesem Patrick, aus der sich Patricks Motiv formt... oder... und daran möchte ich nicht im Traum denken...", sagte er und sah seinen Partner nochmal eindringlich an... "...die Sache geht von Kevin aus..."

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    • 14. November 2016 um 10:50
    • #38

    Hamburg - 23:50 Uhr


    Kevin konnte das Geräusch eines schlagenden Herzens hören, als stehe er direkt neben dem schlagenden Muskel. Es schlug langsam und gleichmäßig, als er sich auf der unbequemen Couch zur Seite drehte. Er wusste, dass er auf Trip war, er hatte die Pillen ja selbst mit Alkohol genommen, damit die Wirkung beschleunigt wird. War er wach, oder träumte er? Er hatte doch eben geträumt, er saß auf dem Dach der Lagerhalle und spürte Ruhe und Zufriedenheit... wo war dieses Gefühl jetzt hin? Der junge Polizist sah die Welt plötzlich durch eine Glocke, einen Schleier, verschwommen und alles um ihn drehte sich. Alle Geräusche um ihn waren dumpf, als schwebe er unter Wasser, als würde er ertrinken. Ein Gefühl der Schwerelosigkeit, obwohl er halb verdreht auf der Couch lag, und die Augen halb geöffnet hatte.
    Lautes Poltern, Geschrei war in seinem Kopf zu hören. Was sollte dieses Geschrei? Warum dieser Krach? Er hatte doch vorhin noch so friedlich geschlafen. Und wo kam dieser Lärm überhaupt her? Er sah Schemen, er hörte eine Frau und fühlte auf einmal eine Vertrautheit in sich aufsteigen. Obwohl er niemanden erkannte, und nicht sah, was in dem Raum, in dem Kevin lag und gerade unter Drogen stand, passierte... er hatte das Gefühl, er müsse aufstehen und helfen. Jemanden beschützen. Aber er konnte nicht, er lag auf der Couch und war unfähig sich zu bewegen. Und immer noch konnte er nicht zwischen Traum und Realität unterscheiden.


    Sein Herzschlag beschleunigte sich. Dumpf und etwas schneller pumpte der Muskel das vergiftete Blut durch die Venen, hämmerte laut gegen seinen Kopf. Der Lärm im Raum verstummte, und nun zeigten die Drogen ihre Nebenwirkungen. Der schöne Traum war vorbei und Kevin unterschied nicht mehr zwischen Wachsein und Schlafen. Während die Geräusche um ihn leiser wurden, begann sich ein Rauschen in seinem Ohr zu manifestieren und die Decke über ihm, an die er jetzt starrte, begann zu schwingen. Es war, als käme die Decke nach unten zu ihm, und schwang dann wieder hoch. Schweiß brach ihm aus, er spürte ihn aus den abstehenden Haaren rinnen, spürte ihn auf seinen Armen, seiner Brust. Auf einmal kam es ihm vor, als wären seine Arme und Beine rechts und links fixiert und er lag hilflos da...
    Zu dem pochenden Herzschlag kam nun ein Poltern, ein Klopfen als würde jemand mit spitzen Schuhen auf den Holzdielen neben ihm hin und her gehen. Panisch drehte Kevin den Kopf nach links und konnte die Gestalt sehen. "Janine...", flüsterte er und wusste nicht, ob er es wirklich sagte oder nur im Traum flüsterte. Seine kleine Schwester stand neben ihm, strich ihm mit dem Finger vom Hals abwärts über seine nackte Brust bis zum Gürtel. Das musste ein Traum sein, dachte Kevin... er hatte eben noch ein Shirt an. Aber... mein Gott, er konnte den Finger genau spüren. Und genau in Janines Augen sehen, die jetzt an ihm vorbeiwanderte und ihm den Rücken zukehrte.


    Dann drehte sie sich um... und Kevin erstarrte. Sein erster Reflex war zu schreien, doch der Mund war ihm wie zugeschnürt. Sie kam zurück, doch ihr Gesicht war auf einmal leichenblass und ihr Mund war, wie ihre durchgeschnittene Kehle, blutüberströmt, trotz dass sie wie in Trance Kevin anlächelte und wieder zu seinem Kopf spazierte. Er konnte nicht wegsehen, er konnte den Kopf nicht drehen, und schreien konnte er auch nicht. Eine diabolisch klingende Stimme, die ganz nah an seinem Ohr zu sein schien, flüsterte: "Mörder... Mörder...", ohne dass Janine den Mund bewegte oder dicht an seinem Ohr war. Erst jetzt kam sie näher, ihr bluttropfender Mund beugte sich über Kevins Gesicht und drückte ihm ihre Lippen auf seine. Er konnte den eisenartigen Geschmack genau erkennen.
    Doch als sich Janine wieder erhob, hatte sich ihr Gesicht verändert und Kevin blickte in ein Frauengesicht, dass er nicht erkannte... aber genau wusste, dass er es kannte. Ihr Mund immer noch blutverschmiert, die Kehle immer noch von einem blutigen Cut durchtrennt, doch die Haare waren nun dunkelbraun statt schwarz, und es war nicht mehr das jugendliche Gesicht seiner kleinen Schwester, sondern das Gesicht einer jungen Frau. Auch sie lächelte, sie lächelte beinahe verliebt und sah Kevin an. Wieder hörte er das Flüstern... "Mörder..." er wusste, er kannte die Frau... aber er erkannte sie nicht. Das Messer, das sie plötzlich in ihren Händen hielt, blitzte und Kevins Herzschlag hatte sich mittlerweile weiter beschleunigt. Das konnte kein Traum sein... in einem Traum fühlt man keine Berührung, dachte Kevin. Doch in der Realität verändern sich keine Gesichter, und es kann niemand mit einer durchgeschnittenen Kehle ein Messer erheben. Als die, für Kevin zwar bekannte, aber nicht erkannte Frau zustach, spürte er das kalte Metall in seine Brust eindringen, und ein Stöhnen verließ die Lippen des Polizisten... jedoch konnte er keinen Schmerz verspüren.


    Mit einem Mal schien er wach zu werden, als würde er aus einem Alptraum erwachen. Er hatte das Shirt wieder an, er lag alleine auf der Couch und kein Messergriff ragte aus seiner Brust... doch sein Herzschlag spürte er immer noch. Der junge Polizist sah sich im Raum um, immer noch bewegte sich alles und es schien nichts verändert im Vergleich zu seinem Drogentrip. Doch konnte es sein, dass plötzlich alles vorbei war? Normalerweise klangen diese Symptome langsam ab, wurden schwächer und schwächer bis man wieder klar sah, anders als bei einem normalen Alptraum, bei dem man wach wurde und wusste: Alles ist wieder gut.
    Doch es war nicht alles gut, das spürte Kevin als ihn auf einmal eine sonderbare Traurigkeit befiel. Er hatte plötzlich eine Klammer um die Brust, ein beklemmendes Gefühl als sei er auf einer Beerdigung, als würde ihm gerade jemand etwas schrecklich trauriges erzählen. Mit wackeligen Beinen stand er auf und wankte durch den Raum, als er das leise Wimmern eines Babys vernehmen konnte... das, was er schon einmal im Auto hörte und eben, als der Traum noch gut war, und der Trip noch angenehm. Es war kein wildes Schreien von einem Baby, das Hunger hatte... es war eher ein verzweifeltes Weinen, das auf große Angst oder Einsamkeit schließen ließ, und es weckte in Kevin das Gefühl, ihm helfen zu müssen. Sein Herzschlag beschleunigte sich wieder...


    Er setzte langsam einen Fuß vor den anderen, er stolperte und fiel der Länge nach auf den Boden, er rappelte sich wieder auf. Das Wimmern und Weinen wurde lauter, je näher Kevin zur Tür wankte, es wurde herzzerreissender, je näher er dem Geräusch kam. Furchtbare Angst konnte Kevin in dem Weinen spüren, was in ihm selbst eine unglaubliche Traurigkeit auslösten, die er sich immer noch nicht erklären konnte. Er griff an die Klinke einer Tür, doch diese gab nicht nach, er rüttelte wild. Plötzlich verharrte der junge Polizist, sein Herzschlag hämmerte mittlerweile bedrohlich schnell. "Das ist mein Kind...", flüsterte er mit zitternder Stimme und wusste nicht, warum er es sagte. Es war einfach ein Gedanke, der ihm durch den Kopf fuhr, ohne dass er ihn denken wollte.
    Er stolperte in den Flur. "Das ist mein Kind...", sagte er erneut, fiel erneut und begann zu weinen. Die Traurigkeit übermannte den Polizisten und schluchzend rappelte er sich erneut auf, um sich in den nächsten Raum zu schleppen, in dem ein umgestürztes Gitterbettchen lag. Daneben einige Spielzeugwürfel aus Holz, auf denen verschiedene Buchstaben standen. Wie erstarrt stand Kevin vor diesen Dingen und sah zu Boden, als die Holzklötze sich langsam bewegten und in eine Reihe legten, bis die Buchstaben auf den Würfeln das Wort "Mörder" formten. Entsetzt schüttelte der Polizist den Kopf und fiel vor dem Bettchen, immer noch schluchzend, auf die Knie. "Ich... ich habe es umgebracht. Ich... ich habe mein Kind... mein Kind umgebracht..."

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    • 15. November 2016 um 12:05
    • #39

    Hamburg - 0:10 Uhr


    Patricks Herz polterte, überschlug sich... so sehr war der Mann, der bei Kevin stets besonnen und abgeklärt auftrat, in Rage. Sein wahres Gesicht, diese unbändige Wut, die sich in ihm aufgestaut hatte, trat zum Vorschein. Er trug die bewusstlose Jenny wieder nach unten ins Kellerverlies, wobei er spürte wie ihm warmes Blut aus der Nase floss. Immer noch murmelte er Flüche über die junge Frau, und die Lust ihr weh zu tun, ihr ein weiteres Trauma an zu tun, wuchs mit jeder Stufe, die er nach unten schritt. Unten angekommen ließ er die bewusstlose junge Frau unbarmherzig auf die harte Matratze fallen, wo sie bewegungslos liegen blieb. Ihr Kopf hatte während des Transportes an Patricks Schulter gelegen, wo der Verbrecher jetzt einen Blutfleck feststellte.
    Grob griff er der jungen Frau an den Hinterkopf und spürte dort etwas warmes, klebriges, was sich an seiner Hand als Blut herausstellte. Der Sturz gegen die Wand hatte wohl eine größere Verletzung zur Folge, die Patrick von dem leblos wirkenden Körper zurückweichen ließ, bevor er ihren Puls fühlte... immerhin, sie lebte noch. "Verdammter Mist...", murmelte er. Würde Jenny jetzt sterben, wäre ein Großteil seiner Rache beim Teufel. Die Lust auf seine persönliche Revanche gegen die junge Frau war verflogen...


    Ausserdem wurde er durch ein lautes Poltern wieder auf das Erdgeschoss aufmerksam. Verdammt, was war denn heute Nacht nur los. Patrick spürte, wie sein Plan langsam aus den Fugen geriet und sich immer mehr Komplikationen aufstellten. Er warf noch einen kurzen Blick auf den bewusstlosen Frauenkörper, dann eilte er wieder nach oben... nicht ohne Jenny wieder an den Wandring zu fixieren und die Tür fest zu verschließen. Schon als er im obigen Flur angekommen war, konnte er ein Schluchzen, ein Weinen vernehmen, und er fand Kevin zusammengesackt an der zugesperrten Tür zu seinem Foto-Archiv. Für einen Moment blieb er fassungslos stehen. Was tat er da? Hatte er einen Verdacht? Warum, zum Teufel, war er so aufgelöst? Die Pillen... er fantasierte.
    Patrick machte einen Schritt auf Kevin zu und wollte ihm von hinten unter die Arme greifen, um ihn wieder auf die Beine zu bringen. "Kevin... hey. Ganz ruhig! Du hast einen Alptraum. Das sind die Pillen, die du eben genommen hast. Komm, bleib ganz...", doch weiter kam er nicht. Gerade als er den jungen Polizisten wieder hochgezogen hatte, packte den auf einmal eine scheinbar unbändige Kraft. Er packte Patrick am Kragen und drückte ihn gegen die Wand, so dass dieser völlig überrascht davon, sich erstmal nicht wehren konnte.


    "Was hast du mit dem Kind gemacht?", zischte Kevin in einer fremden Stimme und wirrem Blick. Patrick sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an... atemlos und sprachlos. Woher wusste er von dem Kind? Tausend Gedanken strömten dem Verbrecher durch den Kopf. Er hatte damals bei seiner Observation mitbekommen, was passiert war. Dass Jenny das Kind verloren hatte. Und er war davon ausgegangen, dass auch Kevin von dem Kind wusste, weswegen er Jenny mit Kevins angeblichen Rachegedanken schocken konnte. Doch warum erinnerte sich der Polizist plötzlich an das Kind... und warum machte er ihn, Patrick, für den Tod des Kindes verantwortlich.
    "Kevin... was... was für ein Kind meinst du?", fragte er scheinheilig und lächelte dabei gequält. "Es ist hier... ich kann es hören!", wurde er von seinem damaligen Freund angeschrien. Jetzt sah Patrick klar... Kevin hörte in seiner Halluzination das Kind. Die Drogen riefen eine Erinnerung in seinem Unterbewusstsein hervor, die er durch den Sturz eigentlich vergessen hatte... dass Jenny ihm von dem gemeinsamen Kind erzählt hatte. Er wusste nicht, dass es tot war... aber er hörte es hier. Er wusste, dass es existiert, hatte aber keine Erinnerung daran. Nur die Drogen und sein jetziger Geisteszustand ließen ihn scheinbar dichter an den Erinnerungen sein, als er war wenn er clean war. Für Patrick war das eine Warnung... er durfte Kevin keine Drogen mehr geben.


    "Kevin, beruhig dich. Hier ist kein Kind! Du halluzinierst.", sagte er eindringlich und ruhig. Langsam fand er seine Beherrschung wieder und das Perplexe wich der Berechnung. Doch sein Gegenüber sah ihn weiter mit irrem Blick an. "Du lügst... was machst du hier mit mir?" Kevin war nicht Herr seiner Sinne, er wusste immer noch nicht ob er wachte oder träumte. Das Baby-Geräusch war verschwunden, doch noch immer stand er unter dem Eindruck des umgestürzten Kinderbettchens, der Holzklötze und der unbekannten Frau, die ihn gerade eben erstochen hatte. Auch den Kragen von Patrick, den er gewaltsam in der Hand hielt, konnte er ganz deutlich spüren, sowie Patricks Atem und seine Stimme. "Lass mich los!", sagte sie, doch sie drohte nicht.
    Patrick schaute zur Seite, als die Tür aufging und sein Freund Carsten hereinkam, der gerade von der Schicht kam. Ihm bot sich das Schauspiel, dass Kevin Patrick am Kragen hatte und gegen die Wand drückte, dabei einen drohenden wirren Blick hatte. Carstens erste Gedanken waren, dass ihr Spiel aufgeflogen sei. Der Polizist hatte sich erinnert und griff seinen Freund nun an, doch er schien den Heimgekommenen gar nicht wahr zu nehmen, gar nicht zu regestrieren.


    Patrick aber regestrierte natürlich seinen besten Freund, und bemerkte dessen Blick. Im ersten Affekt wollte Carsten zum abgesperrten und versteckten Tresor, wo er seine Waffe aufbewahrte, da er dachte, er müsse eingreifen und Kevin erledigen. Doch Patrick signalisierte mit einem Blick sofort: "Nein!" Denn er merkte, dass von Kevin keine Gefahr ausging, dessen Illusion langsam zusammen zu sacken schien, wie er selbst. Seine Beine zitterten und gaben langsam nach, sein wütender Blick wich erneut Verzweiflung, und langsam sackte er vor Patrick zu Boden, wobei er dessen Kragen losließ. Patrick selbst allerdings griff Kevin an den Handgelenken, damit dieser nicht auf den Boden aufschlug. "Los, helf mir ihn wieder auf die Couch zu legen.", sagte er zu seinem Freund, der dem zusammengebrochenen Polizisten sofort unter die Arme griff.
    "Puh... was war das, zum Teufen?", zischte Patrick leise in der Küche, als man Kevin wieder auf das Sofa verbracht hatte, wo er zitternd und leise stöhnend liegen blieb. "Die Pillen... die hat er scheinbar nicht vertragen." "Nicht vertragen? Ich dachte, der hätte sich erinnert!!" "Jaja! Beruhig dich.", herrschte Patrick seinen Freund an, musste aber zugeben, dass er sich selbst noch nicht ganz beruhigt hat. "Ich glaube, dass er im Rausch näher an seinen Erinnerungen dran ist. Wir dürfen ihm keine Drogen mehr geben. Und wir müssen jetzt aufpassen, wenn er wieder wach wird. Ich weiß nicht, ob er sich nicht doch plötzlich an etwas erinnert. Aber das müssen wir jetzt abwarten bis morgen früh."


    Carsten presste die Lippen aufeinander. "Wäre es nicht besser, die Sache jetzt zu beenden?" "Nein!", sagte Patrick sofort. Er spürte, trotz dieses Zwischenfalls, dass er nah am Ziel war. "Wir warten bis morgen früh. Der wird nicht nach diesem Trip wie ein Stehaufmännchen sofort hochspringen und uns festnehmen. Wenn er sich erinnert, haben wir immer noch die Gelegenheit. Wir müssen jetzt die Nerven behalten." Carstens Skepsis beruhigte das nicht... aber er vertraute seinem Freund.

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    • 16. November 2016 um 11:57
    • #40

    Köln - 6:30 Uhr


    Normalerweise war es ein langanhaltender Weckton, der Semir aus den schönsten Schlummerträumen riss. Diesmal war es der Benachrichtigungston seines Handys, und er riss Semir auch nicht aus irgendwelchen Träumen... der erfahrene Polizist lag seit mindestens anderthalb Stunden wach, wälzte sich herum und dachte nach. Über die Theorien, die er gestern zusammen mit Ben aufgestellt hatte, und darüber, welche am wahrscheinlichsten war. Doch jede der Gedanken enthielt unbekannte Fragen, Fragen auf die sie keine Antwort hatten und Wahrscheinlichkeiten, die für beide Polizisten schwer vorstellbar waren. Und immer wieder ein Name: Kevin. Was hatte er damit zu tun? Wie hing er drin? Und auf welcher Seite stand er?
    Semir würde niemals an einem Freund zweifeln. Würde er hören, dass Ben eine Bank überfallen hatte, würde er das sofort bestreiten und er würde er ein Video davon sehen, wäre er überzeugt dass Ben einen guten Grund dazu hatte. Das Gleiche hätte für Tom gegolten, das gleiche galt für André. Und obwohl er sehr gut mit Kevin befreundet war... diese Art des sicheren Vertrauens in das Gerechtigkeitsgefühl und moralische Festigkeit, dass er bei all seinen Partnern hatte, konnte er bei Kevin nicht aufbringen. Sei es wegen seiner Vergangenheit, seiner Art oder seiner "Herkunft" von der Straße...


    Es fiel Semir einfach schwer zu 100% zu sagen: "Kevin tut sowas nicht... und wenn, gibt es einen plausiblen Grund." Hatte er wirklich Jenny entführt? Wofür? Rache an ihnen nehmen, weil sie ihn in Kolumbien gelassen hatten? Es war so schwer vorstellbar. Und genau diese Gedanken ließen ihn nicht mehr schlafen, nachdem die hartnäckigste Müdigkeit durch 3 Stunden Schlaf besiegt war. Nun gab sein Handy Töne von sich, die auf eine Nachricht hindeuteten. Da Semir sowieso wach war, drehte er sich zum Nachttisch und nahm sein Smartphone in die Hand. Als er den Absender sah, saß er senkrecht im Bett. Nur wenige Sekunden nachdem er die Nachricht gelesen hatte, war er bereits auf dem Weg ins Badezimmer, mit den Fingern schnell Ben's Nummer wählend.
    "Wasn... wir haben gesagt, wir treffen uns um 8...", murmelte ein verschlafener Ben durch den Hörer. "Ich hab eine Nachricht von Jennys Handy bekommen.", sagte Semir aufgeregt, aber leise, um Andrea oder die Kinder im Kinderzimmer nicht zu wecken. "Von Jenny?" "Nein! Von ihrem Handy. Pass auf: 'Polizistinnenübergabe, 12 Uhr, Parkhaus Hauptbahnhof Hamburg. Ben kommt allein auf Deck 4.'" "Was? Warum wollen die uns Jenny jetzt einfach zurückgeben?", fragte Ben und war mit einem Schlag hellwach. "Du, keine Ahnung. Ich habe eher das Gefühl, dass das eine Falle ist." "Ja, davon kannst du ausgehen. Sollen wir die Kavalerie benachrichtigen?" Semir dachte für einen Moment nach, als er sich gerade einen Pullover überzog. "Ich will Jenny nicht gefährden... wir gehen allein. Ich geb dir dann Schutz."


    Es dauerte nur eine halbe Stunde, und Semir parkte vor Bens Wohnung. Der verabschiedete sich mit einem Kuss von Carina, die ebenfalls gerade aufstand und von der Tür aus noch kurz Semir zuwinkte. Die junge Blondine hatte sich in das private Umfeld der Kommissare komplett eingelebt, ging hin und wieder mit Andrea shoppen oder die vier verbrachten einen Abend miteinander. Als Ben nun zu Semir ans Auto gelaufen kam, starrte er auf sein Handy. "Schreibst du Timo?", fragte Semir sofort, doch sein bester Freund schüttelte den Kopf. "Ne, Simon. Der hat heute Geburtstag." "An sowas denkst du in so einer Situation?", fragte der erfahrene Kommissar verblüfft. "Ich hab dafür so ne Erinnerungs-App, du unmoderner Mensch. Soll ich ihn von dir auch gratulieren?" Semir verzog den Mund gespielt zu einer Schnute: "Ja, mach halt."
    Als er den Wagen auf die Hauptstraße Richtung Autobahn lenkte, sah er zu seinem Partner, der das Handy immer noch in der Hand hielt. "Wir sagen Timo nichts." "Wie? Warum? Er kann uns doch helfen." Der erfahrene Polizist wog den Kopf hin und her. "Ich weiß nicht... ich... will nicht dass er sich heute in Gefahr begibt." "Aber wir müssen ihm wenigstens Bescheid sagen. Er macht sich doch auch Sorgen um Jenny. Ausserdem war er doch auch mit in den Schlachthof." "Ja... aber..." Semir seufzte: "Ich hab heute irgendwie ein schlechtes Gefühl."


    Ben ließ es sich aber nicht nehmen, Timo unterwegs anzurufen. Sie hatten ihn miteinbezogen, da fand er es unfair, ihm einfach sowas zu verschweigen, nachdem er ihnen auch geholfen hatte. Nach mehrerem Läuten nahm der junge Polizist den Hörer ab. "Hey Timo. Ähm... wir haben heute morgen eine Nachricht von Jennys Handy bekommen. Scheinbar will sich der Entführer mit uns treffen." "Wirklich? Dann... dann lebt sie auf jeden Fall noch?", war Timos erster Gedanke und seine Stimme klang aufgeregt. "Ja, denken wir. Wir sollen den Entführer im Parkhaus am Hauptbahnhof treffen... aber er will nur uns beide treffen. Verstehst du?" "Ihr wollt mich nicht dabei haben?" Timos Stimme wechselte nun von aufgeregt in enttäuscht.
    Ben presste kurz die Lippen zusammen und sah zu Boden. "Das hat mit Wollen nichts zu tun, Timo. Wir wollen einfach kein Risiko eingehen. Für dich und vor allem für Jenny. Das willst du doch auch nicht, oder?" "Nein... natürlich nicht.", murmelte es aus Bens Telefon. "Pass auf... schau dass du irgendwo unerkannt in der Nähe bist. Falls es brenzlig wird, alarmieren wir zuerst dich, okay?" Er hoffte, damit Timo doch irgendwie einbinden zu können, und er wäre sofort da, wenn man Jenny befreite. Timo sagte zu und versicherte, irgendwo unerkannt im Auto zu warten.


    "Das war gut.", meinte Semir nickend, als Ben das Gespräch beendet hatte. "Timo ist noch jung. Ich hab seine Unerfahrenheit gespürt und gestern im Kühlraum hatte ich schon ein schlechtes Gewissen. Da wussten wir aber noch nicht, wie gefährlich der Typ da bei Kevin ist... falls es Kevin war." Sie waren bei ihren Theorien die ganze Zeit davon ausgegangen, dass Kevin noch lebte, obwohl es dafür, bis auf Timos Sichtung, keinen Beweis gab. "Aber jetzt wissen wir es. Deswegen lassen wir ihn erstmal aus dem Schussfeld." Ben nickte dann doch zustimmend... gegen Semirs Bauchgefühl wollte er sich nicht auflehnen. Die Fahrt nach Hamburg kam beiden Polizisten elendig lange vor...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen

    <3

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