Ausflug mit Hindernissen


  • „Schön, dass Sie wieder bei uns sind Renner“, sagte sie trotzdem und seufzte danach tief. „Chefin?“, fragte Semir besorgt und Kim feuchtete sich mit der Zunge die trockenen Lippen an. „Wir haben ein Problem“, sagte sie und alle sahen sie fragend an.
    „Inwiefern?“, fragte Johanna. „Hagen ist tot, seine Schergen gestellt. Wo ist da nun das Problem?“ Kim blickte auf Semir. „Hagen Senior hat Klage gegen Gerkhan eingereicht!“
    „WAS?“, stieß Paul hervor, stöhnte kurz vor Schmerz auf und krümmte sich nach vorne, worauf Johanna besorgt ihre gesunde Hand auf seine Schulter legte. Paul atmete tief durch und lehnte sich dann zurück.
    „Aber warum?“, fragte Johanna danach.
    Kim atmete tief durch und sah Semir in die Augen. Er selbst wirkte sichtlich verwirrt. „Laut Hagen Senior, gab es keinen Grund, seinen Sohn direkt zu erschießen. Er hat sich bei der Staatsanwaltschaft gemeldet und tendiert auf Mord oder Totschlag!“ Johanna suchte nach Worten, bis sie dann in einem reinen Strom aus ihr heraussprudelten.
    „Chefin! Hagen hatte seine Waffe auf meinem Gesicht. Er hätte jeden Moment abdrücken können! Semir hat richtig gehandelt! Das kann Hagen nicht bringen! Dass die Schrankmann das überhaupt ernst nimmt!“
    „Frau Schimke, Sie vergessen, dass Hagen eine politische Größe, hier in Köln ist! Er hat Einfluss!“
    „Er ist in einer Partei, die Flüchtlinge wie Abschaum behandelt!“, zischte Paul und hatte eine Hand wieder auf die Wunde gelegt.
    „Ich weiß! Hören Sie, ich weiß wie das klingt! Ich habe der Schrankmann auch…nun ja, das erwähne ich hier nun lieber nicht, aber ich bin auf Ihrer Seite. Aber Sie werden morgen aussagen müssen, Gerkhan. Von Ihnen wird auch eine Sicht der Dinge verlangt, Frau Schimke!“ Johanna atmete tief durch. Die Angst war deutlich in ihren Augen zu sehen.
    „Chefin…das können Sie von ihr…“, deutete Semir an und Paul blickte Johanna in die Augen, nachdem diese ihn hilfesuchend angesehen hatte.
    „Nein, Semir! Ich mach‘ das! Du hast mir das Leben gerettet und deswegen kommst du mir nicht in den Knast!“, sagte sie bestimmt.
    Kim lächelte erleichtert. „Vielen Dank, Frau Schimke. Ich denke, mit dem können wir das schnell aufklären! Ich werde schon mal hinfahren und versuchen, Hagen zu überzeugen, wobei ich meine, lieben Zweifel daran hab‘…“
    „Danke Chefin“, sagte Semir zum Abschied und Kim verließ mit einem Winken den Raum.


    „Das ist das aller Letzte…“, knurrte Paul und auch Johanna schnaubte. „Leute, das bringt nichts“, mahnte Semir und Johanna sah ihn fassungslos an. „Semir, der will dich hinter Gittern bringen, weil du das Richtige gemacht hast!“
    „Das wird er nicht schaffen!“, sagte Semir optimistisch. „Schon allein der Gedanken, macht mich aggressiv. Klar, er hat seinen Sohn verloren, aber dann sollte er sich an seiner eigenen Nase fassen“, murmelte Paul und sein Kopf versank immer tiefer ins Kissen. „Nicht aufregen, Junge. Du brauchst Ruhe.“
    „Und deine Kinder dich“, erwiderte Paul und Semir verstand den Wink mit dem Zaunpfahl. „Gut, ich bringe dir Morgen alles was du brauchst, okay?“ Paul nickte. „Ayda und Lilli schöne, Grüße!“ Semir blickte zu Johanna. „Ich bleibe hier bei ihm. Soll ja noch zur Überwachung ‚ne Nacht dableiben!“, sagte sie und wusste, dass Semir nun beruhigter gehen konnte. „Gut, wenn etwas ist, meldet ihr euch!“ Semir winkte zum Abschied, ging aus der Türe und begab sich zum Parkplatz, wo er sich seinem BMW näherte und diesen öffnen wollte. Jedoch spürte er, wie er von hinten gegriffen wurde, jemand ihm etwas auf den Mund drückte und als Semir vor Schock tief einatmete spürte er, wie seine Sinne zu schwinden begannen und er ohne Halt auf den Boden fiel.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!


  • Paul sah zu Johanna, die aus dem Fenster blickte und fassungslos mit dem Kopf schüttelte. „Er hat mir das Leben gerettet Paul. Ohne ihn wäre ich nun diejenige mit dem Loch im Kopf und läge in der Pathologie. Ich kann nicht fassen, dass Hagen das wagt!“
    Paul richtete sich leicht auf und lockerte die Sauerstoffbrille ein wenig, da sie zu sehr auf die Wangenknochen drückte.
    „Wenn du die Sache aufklärst, wird das schnell erledigt sein, da muss ich Semir rechtgeben!“, murmelte er und Johanna drehte sich wieder zu ihm um. Sie ging zu ihm ans Bett und richtete einarmig das Kissen. „Danke...“, flüsterte Paul und Johanna setzte sich auf den Stuhl, auf dem Andrea gesessen hatte.
    „Wie geht es dir eigentlich?“ Johanna zuckte auf Pauls Frage mit den Achseln. „Ehrlich gesagt? Keine Ahnung. Irgendwie fühle ich mich leer und zur gleichen Zeit könnte ich immer und immer wieder heulen. Echt ätzendes Gefühl!“, sagte sie ehrlich und Paul nickte verstanden. „Musst du über Nacht hierbleiben?“ Nun lächelte Johanna ein wenig und nickte zur anderen Seite des Raumes. „Was meinst du, für wen das Bett ist?“ Paul drehte seinen Kopf leicht und erblickte das besagte Möbelstück. „Oh...nett, eine Nachbarin zu haben“, lächelte er.
    „Wenn du krumme Sachen versuchst“, deutete Johanna an und Paul zog eine Augenbraue hoch. „Sicherlich. Ich meine, mit einem verbundenen Bauch, lauter Schläuche um mich rum und Infusionsnadeln in der Haut, bin ich leiser als eine Katze!“ Johanna grinste. „Gut zu wissen“, entgegnete sie und atmete tief durch.
    Paul konnte in ihrem Gesichtsausdruck genau sehen, was sie fühlte. Auf der einen Seite, schrie ihr Körper nach Schlaf, doch auf der anderen Seite, hatte sie Angst vor den kommenden Alpträumen.
    „Hey!“ Johanna sah ihn an und Paul nickte zur Fernbedienung, die auf seinem Nachttisch lag. „Machen wir Fernsehabend. Was immer du willst!“
    Johannas Augen leuchteten ein wenig. „Was immer ich will?“, fragte sie nochmals nach und Paul nickte. „Sei es eine billige Telenovela, eine Romanze, Rosamunde Pilcher...mir...“ Seine Stimme verstummte, als Johanna nach einigem zappen einen Sportkanal gefunden hatte, der Fußball übertrug.
    „...oder ich halte meine Klappe mit meinen Vorurteilen und genieß einen Sportabend an Schläuchen, Infusionen und piependen Maschinen mit meiner Zimmergenossin“, wechselte er sofort und Johanna lächelte.


    In dem Moment kam die Schwester hinein und hatte einen kleinen Rollwagen mit zwei Tabletts darauf. „Ah, Abendprogramm ist schon ausgewählt“, scherzte sie und schob den kleinen Tisch zu Johanna und stellte ein Tablett mit einem Pasta Gericht und einem Glas Wasser zu ihr. „Herr Renner, aufgrund ihrer Verletzung, dürfen Sie nur leichte Kost zu sich nehmen.“ Sie half Paul sich aufzurichten und befestigte einen kleinen Tisch ans Bett und legte ein Tablett mit Schwarzbrot, einem Fruchtsaft und einem Wackelpudding darauf.
    „Dann wünsche ich einen guten Appetit!“ Mit einem Lächeln ging die Schwester aus dem Raum und Paul blickte mit einem Seufzen auf das Essen.
    „Wirklich dürftig...“, murmelte Johanna und Paul sah sie an. „Das Schlimmste ist, ich werde nicht alles schaffen, das kann ich dir jetzt schon sagen!“ Johanna hob ihr Wasserglas an. „Komm’ stoßen wir auf unsere Rettung und einen guten Fußball Abend an“, sagte sie sanft und Paul hob mit zitterndem Arm seinen Fruchtsaft im Becher und Strohhalm und gemeinsam stießen sie an.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!


  • Der Fußball Abend ging länger als vermutet. Da bei einem Pokalspiel, falls es nach 90 Minuten in einem Unentschieden enden sollte, es noch eine Verlängerung und bei Bedarf noch ein Elfmeterschießen gab.
    Todmüde, begab’ sich Johanna ins Bett und auch Paul war schnell eingeschlafen.
    Mitten in der Nacht jedoch, hörte Paul ein leises Wimmern und langsam öffnete er seine Augen. Er bemerkte, wie seine Verletzung wieder mehr schmerzte, als vorher und nur mit Müh und Not, konnte er sich aufrichten und blickte nach drüben. Johanna hatte sich von ihm gedreht gehabt. Ihre Schultern bebten und immer wieder konnte Paul ein Schniefen hören.
    „Das bringt auch nichts“, sagte er leise und bemerkte, wie Johanna aufzuckte, sich aber nicht umdrehte. „Joshi, das ist ganz normal...“ Nun regte sich etwas und Johanna drehte sich auf den Rücken, setzte sich hin und blickte zu Paul. „Aber du bist Polizist, Paul...ich nicht...“, flüsterte sie und Paul winkte sie zu sich und wies auf eine freie Stelle des Bettes. „Das spielt keine Rolle“, antwortete er und nahm, nachdem sie sich gesetzt hatte, sanft ihre gesunde Hand. „Soll ich dir mal was verraten?“ Sie nickte. „Okay, aber wenn du das Semir verrätst, schwöre ich dir, wirst du niemals mehr schlafen können, klar?“
    „Klar!“
    „Als ich das erste Mal jemanden erschießen musste, hatte ich mir in die Hosen gemacht, weil ich solche Angst hatte. Und ich meine das nicht metaphorisch.“ Johannas Augen weiteten sich. „Echt?“, flüsterte sie und Paul nickte. „Ich konnte eine Woche nicht mehr schlafen. So denkst du wirklich, dass deine Situation nun dich zu einem „Weichei“ macht?“ Johanna schüttelte mit dem Kopf. „Nein, ich denke nicht“, antwortete sie schniefend und löste sich sanft von Pauls Griff und wusch sich die Tränen aus den Augen.
    „Hat dir die Schwester eine Tablette gegeben?“
    „Ja, aber ich hab’ sie nicht genommen. Angst vor dem Schlafen...“, antwortete Johanna ehrlich. „Hör zu. Diese Dinger betäuben auch Elefanten. Du wirst nichts merken. Du schläfst so tief, du kommst nicht zum Nachdenken. Und morgen, rufen wir bei der Chefin an und erkundigen uns nach einer Psychologin. Das wird dir helfen.“
    „Du hast recht...“ Johanna nahm ihr Glas Wasser, spülte die Tablette hinunter und ging dann zu Paul und küsste ihm auf die Stirn. „Danke...“, sagte sie sanft.


    Sie ging zurück aufs Bett und vergrub ihre Beine in der Decke. „Schlaf gut“, sagte sie und kaum hatte sie dies ausgesprochen, war Paul bereits eingeschlafen. Johanna legte sich ebenfalls auf den Rücken und bettete ihren Kopf auf das Kissen. Sie starrte zur Decke.
    Sie würde ihre Aussage machen. Dem war sie sich sicher. Sie würde Semir nicht für etwas büßen lassen, dass richtig war. Und alle zeigten ihr, wie sie hinter ihr standen und ihre Situation, ihre Angst verstanden. Sie war nicht allein. Sie war nicht das kleine Mädchen mehr, das auf dem Schulhof ausgelacht wurde. Sie fing an, Freunde zu finden und dies gab ihr Kraft.
    Je mehr sie in diesen Gedanken versank, umso schneller vergaß sie die Tablette und verfiel ihrer Wirkung. Bevor sie überhaupt an Schlaf denken konnte, schlossen sich ihre Augen und sollten sich auch bis zum Morgengrauen nicht mehr öffnen.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Johanna wurde von einer leisen Melodie geweckt. Als sie die Augen öffnete, hörte sie eine Moderatorin, die, die heutigen Themen einer Morgensendung ankündigte. Promiklatsch, aktuelle Nachrichten und Gesundheitstipps wurden angepriesen.
    Johanna richtete sich langsam auf und blickte zu Paul, der aufmerksam die Sendung verfolgte und als er sie hörte, den Kopf langsam zu ihr drehte. „Morgen“, flüsterte er und Johanna lächelte leicht. „Morgen“, murmelte sie und rieb sich mit ihrer unverletzten Hand den Sand aus den Augen. „Du machst mir schon einen besseren Eindruck“, lobte Paul und Johanna sah sich Paul genauer an. Dieser wirkte jedoch bleicher als am Abend zuvor.
    „Im Gegensatz zu dir“, murmelte sie besorgt und ging auf ihn zu. „Ja…Visite war da. Wundfieber. Wird nichts mit der bloß einen Woche…“, murmelte Paul enttäuscht und Johanna verzog mitleidend das Gesicht. „Das tut mir leid…“, flüsterte sie und Paul lächelte traurig.
    „Nun ja…heute kommen ja die Kleinen mit Andrea vorbei. Wenigstens ein Tag, der dann schneller vorbeigeht…da du heute ja gehen kannst.“
    „Paul, wenn du willst, komme ich jeden Tag vorbei. Ich bin noch krankgeschrieben und ich denke, dass wird mich ablenken…“
    „Das wäre toll“, lächelte Paul und Johanna nahm sanft seine Hand und drückte leicht zu. „Ist Semir noch nicht gekommen?“ Paul schüttelte mit dem Kopf. „Er wird wohl noch lange mit den Kindern gesprochen haben. Vielleicht hat er einfach verschlafen“, sagte er und Johanna nickte zustimmend. „Wahrscheinlich hast du Recht. Bei dem was alles passiert ist…scheine ich wohl überfürsorglich zu sein…“
    „…was dir niemand übelnehmen wird“, versicherte Paul ihr und wies auf sein Nachttisch, wo ein Zettel mit einer Nummer lag. „Ich habe mit der Krüger telefoniert. Sie hat eine Psychologin gefunden, die noch Platz hätte und sich deiner gerne annehmen würde. Daniela Morgenstern. Sie ist in Polizeikreisen wohl bekannt, für ihre gute Arbeit. Du sollst dich melden, wenn du dich bereit dazu fühlst!“
    Johanna nahm den Zettel entgegen. „Das werde ich“, versprach sie und steckte den Zettel in ihre Hosentasche, „vielen Dank, Paul! Das bedeutet mir viel!“
    Paul erwiderte nichts, sondern verzog kurz das Gesicht und Johanna legte ihm die gesunde Hand auf die Schulter.
    „Geht’s?“ Paul nickte. „Ja…keine Sorge“, murmelte er und nun konnte Johanna selbst durch das Hemd fühlen, wie heiß, Pauls Haut war.
    Als sie etwas sagen wollte, klingelte jedoch ihr Handy, das noch in der Nacht von einem Polizisten vorbeigebracht wurde. Sie ging hin und nahm ab.
    „Schimke?“, begrüßte sie ihren Anrufer. „Schimke. Ist Gerkhan bei Ihnen?“ Johanna erkannte Kims Stimme sofort und war verwundert über die Frage.


    „Ähm…nein. Er wollte noch im Verlauf des Morgens vorbeikommen…aber…Moment, ist er nicht bei der Arbeit erschienen?“
    „Nein…und Andrea hat bereits mich angerufen gehabt. Er ist spurlos verschwunden, Schimke…“ Johanna spürte, wie sich in ihr alles zusammenzog. Semir würde nicht einfach so abhauen! So schätzte sie ihn definitiv nicht ein.
    „Weiß…“, Johanna schraubte ihre Lautstärke hinunter, „Weiß die Schrankmann das schon?“ Ein langer Seufzer erklang.
    „Leider ja. Sie war gerade bei mir und wollte ihn befragen. Sie ist auf dem Weg zu Ihnen und Renner…Schimke…ich weiß, dass er nicht davongelaufen ist. Das passt nicht zu ihm. Aber, nun hat Hagen einen Trumpf in der Hand. Ich werde mit Dorn auf die Suche gehen…“
    „…ich werde Sie hinhalten“, versprach Johanna und Kim atmete erleichtert durch. „Vielen Dank Schimke. Eigentlich wollte ich Ihnen solchen Stress ersparen…“
    „Finden Sie Semir! Mehr zählt nicht“, murmelte Johanna und hängte auf. Sie strich sich mit der Hand übers Gesicht und atmete tief durch.
    „Was ist denn los?“, fragte Paul besorgt und Johanna drehte sich zu ihm um. Was sollte sie nun tun? Paul war schwach und angeschlagen. Ihm weitere Sorgen zu bereiten, wären nicht förderlich für seine Gesundheit gewesen. Auf der anderen Seite, wollte sie ihn auch nicht anlügen. Er würde es ihr niemals verzeihen, das war ihr klar. Sie atmete tief durch, ging zu seinem Bett und nahm erneut seine Hand. „Du musst mir versprechen, nicht auszuflippen, klar?“, fragte sie leise und Pauls Mimik zeigte eine deutliche Verwirrtheit. „Ja…ja ich verspreche es“, antwortete er trotzdem und Johanna atmete tief durch. „Semir ist verschwunden Paul. Er war weder bei sich zuhause, noch in der PAST. Er ist weg…“
    Paul legte seine freie Hand auf die Stirn und vergrub sich ins Kissen. „Scheiße…“, murmelte er. Danach glitt die Hand zur Infusion und Johanna kapierte sofort, was er vorhatte. Sie schlug ihm die Hand weg und sah ihn eindringlich an. „Auf keinen Fall!“, zischte sie und Paul sah sie ebenfalls mit gehässiger Miene an.
    „Ich muss ihn suchen“, knurrte er und Johanna schüttelte mit dem Kopf. „Paul, die Chefin und Jenny werden das regeln! Wir müssen die Schrankmann und Hagen hinhalten! Ich brauche dabei deine Hilfe, sonst knicke ich ein! Bitte!“ Paul und Johanna sahen sich tief in die Augen. Eine unangenehme, dicke Stille legte sich über den Raum.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Eiskaltes Wasser, dass ihm ins Gesicht geklatscht wurde, riss Semir aus seiner Bewusstlosigkeit und als er die Augen öffneten, blickte er in ein maskiertes Gesicht. „Guten Morgen“, begrüßte ihn eine jugendliche Männerstimme und Semir bemerkte, wie er auf einem Stuhl saß. Seine Hände waren hinter der Lehne gefesselt und als er sich zu befreien versuchte, bemerkte er, wie sich scharfes Packet Band in die Haut schnitt.
    „Keine Sorge. Sie scheinen starke Unterarme zu haben. Sprich, es würde dauern, bis Sie sich die Hände abgesägt hätten. Von dem her, lassen Sie sich nicht stören!“
    Semir schnaubte kurz und blickte sich um. Er befand sich in einem modernen, umgebauten Keller. Er roch nach frischer Farbe und der Staub tanzte im Licht herum.
    „Was soll das?! Lassen Sie mich gehen! Sofort!“, knirschte Semir und der junge Mann drückte Semir nach hinten, so dass sich der Stuhl auf die Hinterbeine stellte. Semirs Füße hingen in der Luft.
    „Das kann ich leider nicht“, murmelte der Maskierte und zwinkerte mit einem Auge. „Sie bleiben hier. Anweisung des Chefs. Außerdem soll ich Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen!“
    „Kriege ich ‚ne Massage, oder was?“, fragte Semir verächtlich und der Maskierte lachte laut auf. „Oh, um Himmels Willen! Wie denken Sie denn von mir?“, fragte er grinsend, „nein. Wissen Sie, ein Keller kann so kalt werden. Ich werde dafür sorgen, dass Sie nicht erfrieren!“
    Semir konnte beobachten, wie der Mann zum Brennofen ging und einen langen Eisenstab hervorzog.
    Semirs Augen rissen sich ins Unermessliche auf und er versuchte sich erneut von den Fesseln zu befreien. Jedoch schnitten die Fesseln nur tiefer ins Fleisch und Semir spürte das heiße Blut, dass über seine Finger lief.
    Der Maskierte streifte Semirs rechten Ärmel nach oben und legte so den nackten Unterarm frei. „Das könnte nun ein wenig pieken.“, grinste der Maskierte, hob das Eisen und legte das glühende Ende auf Semirs Haut.
    Semir stieß einen lauten Schrei aus und spürte, wie die Haut unter dem Eisen explodierte und aufplatzte. Blut und Eiter, floss über den Arm und verfing sich in den Fesseln.
    „Tut es weh?“, fragte der Maskierte und ohne es zu wollen, trieb der Schmerz Semir die Tränen in die Augen.
    „Oh, es tut weh“, amüsierte sich der Maskierte und strich mit dem glühenden Eisen dann über Semirs Haut. Sofort konnte man den Geruch von verbrannter Haut schmecken.


    „So, ich denke das reicht, für die erste Runde.“ Semir spürte, wie das Eisen von seiner Haut gezogen wurde. „Und da sagen viele, Kebab-Fleisch würde nicht schmecken. Nun ja. Ich mache jedenfalls nicht den Fehler wie Hagen Junior und toleriere, dass türkisch Stämmige in der Polizei arbeiten!“
    Semir zitterte und blickte den Maskierten gehässig an. „Darum geht es also…“, murmelte er und der Maskierte schüttelte amüsiert mit dem Kopf. „Oh nein. Das ist nur meine persönliche Einstellung. Ich revanchiere mich einfach bei einem guten Freund. Sie sollen nur für ein paar Stunden weg sein. Denn wie heißt es so schön: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“? Ich denke bei einem Polizisten, der von einer Befragung davonläuft, sieht die Sache schon ganz anders aus. Die arme Familie gerät in Verruf und der verletzte Partner, gerät ebenso in schlechtes Licht. Das wird doch lustig, oder nicht?“
    „Und wie erklären Sie dann die Wunden?“, fragte Semir spöttisch und verzog kurz das Gesicht vor Schmerzen. „Ein Mann auf der Flucht muss sich vielen Hindernissen stellen. Und da werden noch ein paar schöne Dinge dazukommen. Schnittwunden, Prellungen, Platzwunden. Stellen Sie sich auf einen langen Tag ein Gerkhan. Das wird wirklich lustig werden!“
    Semir konnte neben den Maskierten einen Tisch erblicken, auf dem sich lauter, chirurgische Utensilien befanden. Sie schienen wie im schwachen Kellerlicht zu leuchten und Semir glaubte sogar, zu hören, wie sie hämisch nach ihm schrien und sich schon freuten, ihm jeglichen Schmerz zuzufügen.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Als Staatsanwältin Schrankmann im Zimmer von Paul und Johanna saß, blickte diese mit ernstem Gesicht auf Johanna.
    „Sind Sie sicher, dass Sie die Befragung bereits durchführen möchten?“, fragte sie in ungewohnt besorgtem Ton und Johanna nickte. „Ja…je schneller, desto besser. Außerdem möchte ich Semir helfen“, sagte sie ehrlich und Schrankmann zog eine Augenbraue hoch. „Ja, ob Ihre Aussage da reicht. Ihr Kollege hat sich nämlich noch nicht blicken lassen.“ Johanna blickte auf Paul, der aus dem Fenster blickte und nichts sagte. Sie sah ihm deutlich an, wie sehr er versuchte, die Nerven zu bewahren.
    „Wir werden es sehen“, wiegte Johanna ab und atmete tief durch. „Darf ich?“ Schrankmann nickte, nahm sich einen Stuhl und holte ihr Diktiergerät hervor, dass sie anschaltete und dann mit einem Handzeichen bat, anzufangen.
    „Hagens Sohn hat mich gepackt und aus dem Haus gezogen, nachdem Noske den Tränengasangriff gestartet hatte. Blind, musste ich ihm hinterhertorkeln, da ich kaum was sah. Er schleppte mich durch den Wald und drückte mich immer wieder nach vorne. Er wirkte nervös und sah sich immer wieder um. Ich muss zugeben, ich war naiv und glaubte, davonlaufen zu können. Jedoch stürzten wir nach einem Gerangel den Abhang hinunter und ich kugelte mir dabei die Schulter aus. Benommen, wollte ich mich aufrichten, wurde jedoch von Hagen Junior brutal hochgezogen und das an meiner verletzten Schulter. Ich versuchte mich, nochmals zu wehren, wurde von Hagen jedoch zu Boden gedrückt und er hielt mir direkt die Waffe an die Stirn!“
    Johanna formte ihre gesunde Hand zu einer Pistole und führte den Vorgang vor. „Er war schon im Stande abzudrücken. Hätte Semir, also Hauptkommissar Gerkhan, nicht reagiert, wäre ich nun tot.“
    „War es nötig, dem Mann direkt in die Brust zu schießen?“, kam es direkt von Schrankmann und Johanna atmete tief durch.
    „Wie gesagt, Frau Staatsanwältin. Hagen hatte den Finger schon um den Abzug gekrümmt. Eine Millisekunden später und der Knall wäre losgegangen. Semir musste einen tödlichen Schuss setzten. Sonst wäre es anders ausgegangen.“
    Schrankmann stellte ihr Gerät ab und verstaute es in der Tasche ihres Anzuges. „Gut…ich bin froh, dass Sie noch unter uns weilen, Frau Schimke. Wie auch Frau Krüger, werde ich versuchen, Hagen zu beruhigen!“
    Paul und Johanna, sahen die Schimke erstaunt an. „Sie glauben mir also?“, fragte Johanna und Schrankmann nickte.
    „Natürlich. Wissen Sie, ich halte von Gerkhan nicht viel. Da bin ich ehrlich. Aber was ich weiß, dass er ein ehrlicher Polizist ist. Seine Methoden passen mir überhaupt nicht und färben auch schlecht auf seine Partner ab“, sie blickte zu Paul, der ihrem Blick auswich, „aber er greift wirklich nur zum Äußersten, wenn es sein muss. Gut. Sie entschuldigen mich!“ Mit diesen Worten ging die Schrankmann aus dem Zimmer.
    „Das hätte man aufnehmen sollen“, flüsterte Paul und Johanna nickte zustimmend.


    Zwei Schwestern betraten den Raum und befanden sich inmitten einer Unterhaltung. „Hat man schon rausgefunden, wem der silberne BMW gehört, der schon seit Stunden dasteht?“ Paul und Johanna horchten auf. „Ja, man such noch immer“, antwortete die Schwester ihrer Kollegin und Johanna schoss hoch. „Wo steht der BMW?“, fragte sie forsch und die Schwestern zuckten zusammen. „Unten, erste Parkreihe“, antwortete die eine eingeschüchtert und Johanna rannte aus dem Zimmer.
    „Frau Schimke!“, schrie die eine hinterher, doch es brachte nichts, Johanna war bereits verschwunden.
    „Sie kommt sicher gleich wieder“, versuchte Paul abzuwägen und die Schwestern blickten ihn fassungslos an. „Was ist denn hier los?“, fragte die Eine verwirrt. „Sie mag einfach BMWs. Lassen Sie, sie ruhig. Sobald sie ihn gesehen hat, kommt sie wieder“, log Paul und atmete tief durch.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Johanna lief die Treppen zum Parkplatz hinunter und nahm ihr Handy hervor. Sie schaltete die Taschenlampenfunktion ein und sah sich den Wagen genauer an. „Definitiv der von Semir“, murmelte sie und kniete auf den Boden und leuchtete unter den Wagen. Der Strahl zeigte direkt auf ein Papiertaschentuch, das sich inmitten des Schattens befand. „Na toll“, knirschte Johanna und kroch unter den Wagen. Ein stechender Schmerz ging durch ihre Schulter, doch sie versuchte ihn zu ignorieren. Sie schob den Ärmel vor und nahm das Tuch. Das Handy klemmte sie zwischen die Zähne und robbte wieder zurück. Sie roch kurz am Tuch und wich zurück. „Chloroform“, murmelte sie, stopfte das Tuch in die Bauchtasche ihrer Trainingsjacke und wählte dann einhändig eine Kurznummer.
    „Krüger“, erklang es am anderen Ende.
    „Chefin, hier ist Schimke. Hören Sie. Semirs Wagen steht noch immer hier am Krankenhaus. Ich habe unter dem Wagen ein Taschentuch gefunden, dass nach Chloroform riecht. Ich denke, es wäre gut, wenn Sie sich das Ansehen würden. Außerdem, sollten Sie das KTU benachrichtigen. Das ist für mich definitiv der Beweis, das Semir entführt wurde!“
    An der anderen Leitung wurde es kurz still.
    „Ich komme sofort. Und sie begeben sich sofort wieder in das Zimmer Schimke!“ Mit diesen Worten hängte Kim auf und Johanna seufzte. „Gut gemacht, Frau Schimke! Das bringt uns vielleicht näher! Haben Sie super gemacht“, knurrte sie, richtete sich auf und begab sich zurück ins Krankenhaus. Sie lief zum Eingang an den Empfang.
    „Ja?“, frage die Schwester freundlich. „Schimke. KTU. Lassen Sie den silbernen 3er BMW ja nicht abschleppen! Er ist ein Beweisstück in einem Entführungsfall!“ Die Schwester zuckte zusammen. „Was?“, fragte sie entsetzt.
    „Tun Sie bitte einfach was ich sage. Und das diskret bitte, ja? Meine Kollegen sind schon auf dem Weg! Wenn Sie mir nicht glauben, rufen Sie beim KTU Düsseldorf an. Sie werden bestätigen, dass ich bei Ihnen arbeite!“
    Die Schwester nickte und Johanna lief zu Paul ins Zimmer zurück. Dieser war inzwischen wieder alleine im Zimmer und hob den Kopf, als sie die Tür hinter sich zuzog. Johanna zeigte das Papiertaschentuch.
    „Chloroform“, erklärte sie und Paul atmete tief durch. „Irgendjemand hat Semir entführt“, schlussfolgerte er und Johanna nickte.


    Kim näherte sich mit Jenny dem Parkplatz. Hartmut war bereits mit seinen Leuten vor Ort und untersuchte, unter den neugierigen Augen von Schaulustigen, den Tatort. Jenny hob die Absperrung, ließ Kim durch und folgte ihr dann.
    „Chefin. Jenny“, begrüßte Hartmut die Beiden und atmete tief durch. „Bisher leider nichts. Johannas Tuch könnte die einzige Spur sein. Der Täter ist gründlich vorgegangen. Er wusste genau, was er tut!“
    Kim seufzte. „Aber es zeigt, dass Semir entführt wurde. Er ist nicht davongelaufen“, ermutigte Jenny all und Kim atmete tief durch. „Ja, wir wissen das“, begann sie und nahm ihr Handy hervor. Sie öffnete den Internetbrowser und wählte die Startseite eines lokalen Nachrichtenblattes an. „Aber Hagen ist uns zuvorgekommen!“ Jenny nahm mit einem fragenden Blick das Handy entgegen und hielt es so, dass auch Hartmut lesen konnte.
    „Politiker Rubeus Hagen empört. Bei einer Geiselnahme, wurde sein Sohn von dem Polizisten, Hauptkommissar G.* erschossen, um das Leben einer jungen Geisel zu retten. Hierzu sei erwähnt, dass Hagens Sohn Norbert, als einer der Geiselnehmer galt. Die weiteren Täter werden zurzeit befragt. Jedoch fehlt von erwähntem Hauptkommissar G.* jegliche Spur. Rubeus Hagen zeigt sich entsetzt und fordert die Polizei auf, endlich Stellung zu nehmen.“, las Hartmut vor und Jenny knurrte. „Was ein Arschloch“, zischte sie und gab Kim das Handy wieder zurück. „Wir müssen Semir finden, bevor dieser Hagen, seinen ganzen Ruf zerstört.“
    „Wenn nicht sogar noch mehr“, murmelte Kim besorgt.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!


  • Semir sah auf, als sich die Türe des Kellers öffnete und der Maskierte aufstand. „Wir bekommen Besuch“, lächelte er und Semir atmete kurz scharf ein als er sah, wie Rubeus Dietmar Hagen den Raum betrat. „Sie…“, zischte Semir und Rubeus sah ihn eiskalt an. „Ja ich“, begann er und als er vor Semir stand, hob er seinen Fuß, drückte ihn gegen Semirs Magengegend und brachte dieser so rücklings zu Fall. Semir blieb für einen Moment die Luft weg und als sie dann wieder in voller Wucht seine Lunge füllten, atmete er tief ein und wurde von einem Hustenanfall übermannt.
    Rubeus legte wieder seine Fuß auf Semirs Brust und drückte zu.
    Wieder blieb Semir die Luft weg und er spürte, wie eine Rippe unter dem Druck nachgab. Er stieß einen kurzen Schrei aus und biss sich dann die Unterlippe blutig.
    „Wie fühlt es sich an, Gerkhan…hä? Wenn einem die Luft wegbleibt, man kaum noch atmen kann! Wissen Sie nun wie es mir geht?“ Rubeus Stimme überschlug sich immer und immer wieder. Seine Schreie erfüllten den ganzen Raum und schmerzten Semir in den Ohren.
    „Ihr Sohn…“, begann Semir keuchend, „…hat unschuldige Menschen töten lassen und weitere schwer verletzt! Erwarten Sie nun Mitleid…von mir?“ Als Antwort trat Rubeus Semir ins Gesicht. Dieser spürte, wie die Nase unter der Schuhsohle knackte und das warme Blut aus seinen Nasenlöchern schoss.
    „MEIN SOHN! MEIN SOHN, GERKHAN! SIE MIESES SCHWEIN!“ Rubeus kniete zu Semir und holte mit der Faust immer und immer wieder aus. Semirs Kopf schwang mit den Schlägen hin und her. Das Blut floss nun aus Nase und Mund und immer wieder spuckte Semir feuerroten Speichel.
    Nach einer Weile ließ Rubeus ab und blickte auf den blutüberströmten, bewusstlosen Semir.
    „Lass ihn eine Weile so liegen. Mehr hat er nicht verdient“, knurrte Rubeus dem Maskierten zu und dieser nickte.
    „Und du?“
    „Ich werde der Polizei noch ein wenig mehr Dampf unter dem Hintern machen. Wenn die zulassen, dass mein kleiner Norbert so behandelt wurde, sollen sie auch büßen!“
    „Du weißt aber, dass Norbert…“
    „…ich weiß, dass er Scheiße gebaut hat! Aber er ist mein Sohn! Und wenn du das nicht akzeptierst, ziehe ich dich von dem Auftrag ab!“
    Der Maskierte, hob als Antwort die Hände und Rubeus verließ den Keller. „Was man nicht alles für Kohle tut…“, murmelte der Maskierte und sah auf seine Utensilien.


    Johanna und Paul sahen auf, als sich die Türe öffnete und Hartmut zusammen mit Kim den Raum betrat. Hartmut hielt bereits einen kleinen, verschließbaren Plastikbeutel bereit und Johanna verstand sofort. Sie holte das Tuch aus ihrer Tasche und legte es behutsam hinein.
    „Gut gemacht, Frau Schimke.“, lobte Kim und Johanna nickte dankend. „Die Jungs sind bereit unten und untersuchen alles.“
    „Hoffentlich finden Sie was“, murmelte Paul auf Hartmuts Aussage hin. „Renner, ich weiß, es ist momentan gerade schwierig für Sie. Aber wir werden alles tun, um Gerkhan zu finden!“, versicherte Kim besorgt und Paul sah sie an. „Das weiß ich…“, murmelte er bloß und Kim seufzte.
    „Finden Sie ihn einfach, Chefin. Bitte“, wiegte Johanna ab und Kim nickte. „Natürlich, das werden wir. Und Sie…“ Kim nickte zu Paul und Johanna verstand. „Natürlich. Keine Sorge“, versicherte sie und Hartmut ging kurz zu Johanna und umarmte sie. „Finde unseren türkischen Hengst, Chef“, flüsterte Johanna ihm ins Ohr.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Paul atmete tief durch, als Kim und Hartmut den Raum verlassen hatten.
    „Paul…“, murmelte Johanna und ging zu ihm ans Bett. „Ich krieg die Krise, Joshi! Ich drehe hier noch durch“, knurrte Paul und Johanna nickte. „Ich weiß…aber es hilft Semir nichts, wenn du mit Wundfieber und einer Schusswunde hier rausrennst und dein Leben riskierst.“, mahnte Johanna und Paul seufzte, erwiderte jedoch nichts.
    „Paul...“, setzte Johanna erneut an, doch sie konnte genau sehen, dass der blonde Polizist ihr nicht mehr zuhörte. Sie setzte sich auf ihr Bett und atmete tief durch. Sie tippte mit dem Zeigefinger auf ihre Nase und dachte nach. Irgendetwas passte ihr nicht. Irgendetwas übersah sie und das brachte sie beinahe zur Weißglut.
    Sie ging zum Fenster und blickte auf den Parkplatz, wo Hartmuts Leute noch immer den Tatort untersuchten, während der Rothaarige bereits verschwunden war. „Wenn du so weitermachst, sterbe ich weder an Wundfieber, noch an meiner Schusswunde, sondern an Rauchvergiftung“, grummelte Paul und Johanna blickte ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
    „Über was denkst du nach?“, fragte Paul, nachdem er sich geräuspert hatte. „Ich weiß nicht. Semir hier direkt auf dem Parkplatz zu entführen. Okay, gut, kann man machen. Aber wie ihn unbeobachtet von hier wegbringen? Ich meine. Irgendjemand, muss doch etwas gesehen haben. Doch allen Anschein nach hat niemand die Polizei gerufen!“
    Paul wusste, worauf Johanna hinaus wollte.
    „Du denkst...“, deutete er an und Johanna nickte.
    „Entweder, war das jemand vom Krankenpersonal....oder...“ Johannas Kopf hob sich schnell und sie lief eilig zu ihrem Handy. „Oder was?“, fragte Paul verwirrt, doch Johanna antwortete nicht. Sie drückte eine Kurzwahl und wartete ab. „Hartmut? Ja...such mal nach Bauplänen des Krankenhauses. Irgendein Raum, irgendetwas, das nicht mehr benutzt wird! Ja, ja das ist meine Idee. Genau! Super! Danke!“
    Johanna legte auf und fuhr mit der feuchten Zunge über die getrockneten Lippen. „Hoffentlich liege ich richtig...“, murmelte sie und Paul richtete sich leicht auf.


    „Du vermutest...“
    „...ja das denke ich Paul. Ich denke, dass beide Überlegungen sind. Was, wenn der Entführer ein Pfleger, oder gar ein Hausmeister hier ist. Er könnte Semir ohne großes Aufsehen entführt haben. Ich glaube Semir ist hier in der Nähe Paul. Ganz nahe bei uns!“
    Pauls Hand fuhr wieder zu der Infusionskanüle und wieder griff Johanna ein. „Noch einmal ,und ich haue dir den Infusion-Ständer um den Kopf. Das schaffe ich auch einarmig!“ Paul blickte Johanna tief in die Augen.
    „Paul, vergiss’ es!“, zischte sie aggressiv. „Er braucht mich“, erwiderte Paul unbeeindruckt. „Ja, und das Leben du Vollidiot! Gott, tust du nur gerade so blond?“, keifte Johanna zurück. Paul löste seine Hand von der Kanüle und Johanna drückte die Hand von Paul, die sie hielt. „Gehen wir alles in Ruhe durch. Schauen wir, was Hartmut zu berichten hat...“, sagte sie nun ruhiger und atmete tief durch.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!


  • Als Semir seine Augen öffnete, bemerkte er, dass er alleine in dem Raum war. Er lag in seinem eigenen Blut und spürte die trocknete Kruste unter seiner Nase. Sein ganzer Körper schmerzte und jede Bewegung glich einem Marathonlauf. Noch immer lag er auf dem Rücken. Die Lehne des Stuhls drückte gegen seine Hände, welche stark pulsierten.
    „Oh, verdammt“, flüsterte er und unter starken Schmerzen, schwang er sich auf die Seite und stieß einen kurzen, knappen Schrei aus, als er auf die gebrochene Rippe landete. Ohne es zu wollen, schossen ihm Tränen in die Augen und er atmete tief durch.
    „Komm schon, Gerkhan“, murmelte er und versuchte, einen Überblick des Raumes zu erhaschen. Nur ein paar Meter von sich entfernt, entdeckte er ein Heizungsrohr. Unter größter Anstrengung, robbte er zu diesem und drehte sich so, dass seine Füße zum Rohr zeigten. „Ein Versuch, ist es wert“, murmelte er und begann, unter seine eigenen lauten Schreie, gegen das Rohr zu treten. Tatsächlich, begann sich das alte, rostige Metall zu bewegen und gab hörbare Schwingungen von sich.
    Semir wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Wenn dieser Maskierte zurückkommen würde, hat sein letztes Stündlein geschlagen.
    „Komm, schon. Bitte. Irgendjemand“, flüsterte er und biss sich auf die aufgeplatzte Unterlippe, wo neues Blut aus den alten Wunden herauslief und sich an den Zähnen verschmierte. Die Fesseln schnitten sich immer tiefer ins Fleisch und die Handgelenke standen unter Flammen. Jeder Knochen, schien nun aus Schwermetall zu bestehen.
    „Bitte…Au, verdammt! Komm schon!“, feuerte sich Semir an, als eine Schmerzwelle seinen Körper überfuhr und ihn zu einer Pause zwang. „Sei kein Weichei! Los Semir! Komm schon!“, murmelte er erneut und trat erneut mit voller Wucht gegen das Rohr. In der tiefen Hoffnung, dass ihn irgendjemand hören würde.
    „Bitte, bitte komm schon!“ Semir atmete tief durch und spürte, wie sich sein Körper von alleine zusammenkrümmte. Die Schmerzen zwangen ihn immer wieder, eine Pause einzulegen. Dazu kam noch immer die Angst, dass sich die Türe gegen seinen Rücken wieder öffnen konnte und der maskierte Unbekannte sein Werk vollenden würde.


    „Okay, gehen wir alles durch“, stimmte Paul ein und Johanna atmete erleichtert durch. Sie nahm den Stuhl und setzte sich an Pauls Bett. „Du meinst also, dass Semir sich hier noch befinden könnte? Hier im Krankenhaus?“ Johanna nickte.
    „Es geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich meine, auch wenn Semir klein ist, ihn wegzuschaffen ist kein Zuckerschlecken. Und auch wenn es Nacht war. Ein Krankenhausparkplatz hat doch ein wenig Leben in sich. Irgendjemand hätte es sehen können…weit kann er nicht kommen können.“ Paul musste Johanna zustimmen. Diese schlug mit der flachen, gesunden Hand auf ihren Oberschenkel und stand auf. „Ich geh, jetzt die Schwester am Empfang fragen. Die scheint ein Urgestein zu sein. Was, wenn die etwas von einem verlassenen Raum weiß! Und du bleibst hier!“, sagte sie scharf und verließ den Raum, nachdem Paul ihr ein genervtes „jaja“ entgegengeworfen hatte.
    Kaum hatte Johanna den Raum verlassen, bemerkte Paul etwas. Ein leichtes, metallenes Schwingen erreichte seine Ohren. Es war rhythmisch und passte nicht zu einem unregelmäßigen Klacken einer Heizung.
    Es war energischer, klarer, härter. Ein Hilferuf.
    „Semir“, war sich Paul sicher und schaute sich um. Keine Schwester, kein Arzt, keine Johanna in Sicht. Er zog den Schlauch aus der Kanüle seiner Infusion und entfernte alle Kabel und Schläuche. Leicht gekrümmt, lief er zu seinem Schrank und nahm die Tüte hervor, die ein Polizist in der Nacht vorbeigebracht hatte. Dort drin waren einfarbige Ersatzkleidung sowie Pauls Waffe.
    „Sorry Joshi, aber mein bester Freund braucht mich…“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Paul zog sich die Kapuze der Jacke über den Kopf und steckte die Waffe in den Bauchbeutel des Pullovers. Er atmete tief durch und versuchte, so aufrecht wie möglich zu laufen. Immer wieder lief er an Krankenschwestern vorbei, die ihn zwar ein wenig zweifelnd ansahen, aber dann mit einem Kopfschütteln wegliefen. Immer wieder blickte Paul an die offenen Zimmer vorbei, um das Heizungsrohr nicht aus dem Blick zu verlieren. Immer wieder, zwang ihn der Schmerz stehen zu bleiben. Langsam ging er immer wieder vorwärts und sah dann, dass das Heizungsohr zum Treppenhaus verlief. Er öffnete die Türe und stieß sie dann hinter sich zu. „Au...verdammt..“, murmelte er und blickte die unzähligen Stufen hinunter. „Renner, das wird wehtun...“, flüsterte Paul und holte tief Luft, „auf geht’s!“, feuerte er sich selbst an und begann die Stufen hinunterzulaufen. Jeder einzelne Schritt stach in Pauls Wunde und die Nähte zogen an der gereizten Haut.
    Paul biss die Zähne zusammen und dadurch klang sein heftiges Atmen wie ein unterdrücktes Zischen. Er stützte sich am Treppengeländer ab und zog sich so die Treppen hinunter. Bis zu einem Zeitpunkt, wo er stolperte und drei Stufen hinunterstürzte und mit einem unterdrückten Schrei auf dem Betonboden landete, der eine Verbindung zu weiteren Stufen bildete. Er blieb auf der Seite liegen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Seine Lunge fühlte sich an, als würde sie zerspringen und die Wunde stand in Flammen. „Verdammt, verdammt, verdammt“, flüsterte Paul und zog sich am Treppengeländer wieder hoch. Er spürte den eiskalten Schweiß, der ihm über die Schläfen lief. „Komm schon, Paul! Ist nur ‚ne kleine Welle!“
    Ohne es zu wollen, musste er grinsen. „Klasse! Ich hab n’ zugenähtes Loch im Bauch und schleppe mich eine endlose Treppe hinunter. Kein Wunder halten mich manche für verrückt! Also, tief durchatmen!“ Langsam begann sich Paul wieder fortzubewegen. Als hätte ihn jemand gehört, begann das Klopfen am Heizrohr wieder. Als würde es ihn anfeuern, weiter zu machen. Das Ziel, schien immer näher zu kommen. „Ich bin gleich da, Semir! Ich bin gleich da!“


    Johanna lief eilig zum Zimmer. In ihrer gesunden Hand, hielt sie eine Blaupause in der Hand, die ihr die ältere Empfangsschwester freundlicherweise übergeben hatte. „Paul...ich...“ Sie öffnete die Türe und fand das leere Bett vor, das von einem jungen Assistenzarzt ungläubig angeschaut wurde. „Frau Schimke...wo...?“ Johanna warf die Blaupause auf ihr Bett und atmete tief durch. Sie spürte, wie die Wut immer mehr den Weg zu ihrem Kopf fand, der immer röter anlief. „Ich weiß es nicht“, sagte sie ehrlich.
    Jedoch ließ sie den Arzt nicht ausreden, als ein leises Klopfen ihre Aufmerksamkeit erregte. „Frau Schimke...“, beharrte der Arzt doch Johanna lief zu der Blaupause. „Ich hatte Recht“, murmelte sie und rannte aus dem Zimmer.
    Sie ignorierte den Schrei des Arztes und nahm ihr Handy aus der Hosentasche. Sie nahm die Sprachfunktion hervor und bat, Kim Krüger anzurufen. Das Programm tat wie ihr befohlen und Johanna drückte sofort ihr Handy an das Ohr.
    „Schimke? Was gibt’s?“
    „Trommeln Sie Ihre Leute zusammen Chefin und kommen Sie sofort her! Ansonsten fürchte ich, wird noch fürchterliches passieren!“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!


  • Semirs Kopf hob sich trotz der Schmerzen abrupt, als sich die Türe öffnete und der Maskierte mit einem munteren Lied auf seinen Lippen, den Raum betrat. Als er jedoch erblickte, wo Semir lag und was er gerade tat, schwand das Lied und sein Gang wurde schneller. Semir konnte unter sich den bebenden Boden spüren, der den mächtigen Schritten beinahe nachgab.
    Ohne es zu wollen, wurde Semir am Kragen gepackt und hochgezogen. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, nicht zu schreien.
    „Was sollte das denn?“, fragte der Maskierte gereizt, „Wollen Sie bereits sterben?“ Semir antwortete nichts. Er blickte seinem Angreifer nur tief in die Augen um seine Furchtlosigkeit zu demonstrieren.
    „Keine Spielchen mit mir, Kanake! Oder du wirst es bereuen! Dann ist es mir nämlich scheißegal, was mir Hagen aufgetragen hat!“
    Semir antwortete mit einem Spucken ins Gesicht. Der Angreifer konnte seinen Kopf im letzten Moment noch aus der Schusslinie bringen und antwortete mit einer saftigen Ohrfeige, dessen Klatschen den ganzen Raum einnahm und sogar Semirs leichtes Stöhnen übertönte. „Das reicht, du miese Ratte!“ Semir konnte sehen, wie sein Angreifer auf den Tisch mit den Utensilien zuging, ein Skalpell fasste und dieses an Semirs Hals ansetzte. Die Spitze bohrte sich bereits in das Fleisch und eine sanfte, kleine Linie aus Blut, schlängelte an Semirs Nacken hinunter.
    „Hast gemeint, ich mache nicht ernst, oder?“, lachte der Maskierte hämisch, „Hast gedacht, ich würde Hagen hörig sein. Falsch gedacht! Auch wenn jemand deinen verzweifelten Schrei nach Hilfe gehört hat! Ist es zu spät! Es wird dich jemand bloß noch mit offener Kehle vorfinden. Ausgeblutet, wie ein Schwein. Ein passender Tod, findest du nicht?“
    „Fahr zur Hölle“, antwortete Semir zischend und schloss die Augen. Er musste nicht mit ansehen, wie sein Blut diesen Wahnsinnigen besudelte und dieser auch noch die göttlichste Freude daran haben würde. Diesen Erfolg wollte er ihm nicht gönnen. Es reichte ihm schon zu spüren, wie er sterben würde. Doch er brauchte nicht auch noch ein Gesicht dazu sehen, dass sich daran ergötzte.
    „Sollen das wirklich deine letzten Worte sein? Ziemlich unpassend für einen Grabstein, oder? Wie wäre es mit „Schade, dass ich Kanake war?“ Semir antwortete nichts, sondern spürte, wie der Maskierte das Skalpell löste und anscheinend ausholte. Der Maskierte stieß einen Schrei der Freude aus, welche doch von einem lauten Knall unterbrochen wurde.


    „Schade, dass ich ein braunes Fäulnis war, passt besser…“, hörte er jemand keuchend und als er die Augen öffnete, sah er seinen Angreifer, bäuchlings vor ihm auf dem Boden. Inmitten seines Rückens klaffte ein Loch, aus dem Blut floss.
    Semir blickte nach oben zur Treppe, die zu der Türe führte. Er sah Paul, der sich schwer atmend gegen das Treppengeländer gelehnt hatte und auf ihn runter blickte. „Du?“, fragte Semir erstaunt und Paul schritt das Treppengeländer hinunter und näherte sich seinem Partner. „Ja ich“, antwortete er knapp und kniete sich unter großen Schmerzen hinunter. Er packte das Skalpell des Täters und schnitt damit Semirs Fesseln durch. Dieser stöhnte und spürte, wie das Blut wieder durch die Hände floss. „Aber, du…heißt das?“
    „Jap, die Schweine, haben dich in einen Keller des Krankenhauses geschleppt! Ich habe deinen Hilferuf gehört. Das Heizungsrohr verläuft durch mein Zimmer!“
    „Du bist wahnsinnig!“, keuchte Semir mit einem leichten Lächeln und Paul musste dies erwidern. „Ich hatte auch den besten Lehrer“, erwiderte er und die Beiden umarmten sich kurz, wobei Semir beinahe gegen Pauls Oberkörper fiel und dieser kurz aufzuckte. „Semir…Schusswunde, Schusswunde!“, knirschte er und Semir lehnte sich zurück. „Gott, ‚tschuldige“, murmelte er und seine Augen weiteten sich, als er eine Silhouette hinter Paul erblickte. „Paul hinter…“ Doch Semir kam nicht dazu, den Satz zu vollenden. Rubeus Hagen schlug Paul mit einem Eisenrohr nieder und dieser ging getroffen zu Boden. Semir wollte aufstehen und sich wehren, doch Hagen war schneller. Er drückte Semir zu Boden, presste die Knie gegen die Schulter und umfasste Semirs Hals.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!


  • Semir spürte, wie ihm schier die Luft wegblieb. Seine Lunge schrie nach Luft und begann sich zusammenzuziehen. „Sagen Sie, Ihrem Partner Lebewohl!“, knirschte Hagen, dessen Gesicht unter der Anstrengung, Semir die Luft abzuwürgen, feuerrot angelaufen war. „Ich hoffe, Ihre Töchter haben ein gutes Durchhaltevermögen. Denn die Nächte werden schlaflos. Für alle und ihre Frau. Das wird ein Spaß, das sag ich Ihnen!“ Semir konnte nicht antworten. Seine Augen begannen zu flackern und nach hinten zu rollen. Bis ein lauter Knall, ihn wieder aus der Trance holte und Hagens Kopf nach oben schoss und sich die Augen weit öffneten. Ein leiser Ächzer verließ seinen Mund und der Griff um seinen Hals lockerte sich. Wie steifgefroren, kippte Hagen auf die Seite und blieb regungslos liegen.
    Die Luft sog sich wieder in Semirs Lungen und die plötzliche Lebenserhaltung, schmerzte in seinem Oberkörper. Besonders die gebrochene Rippe meldete sich wieder zu Wort und Semir stöhnte kurz vor Schmerz auf.
    Als sich der Nebel vor seinen Augen lichtete, sah er, dass auch Hagen mit einem Schuss in den Rücken niedergestreckt wurde. Hinter Hagens Position befand sich Johanna, die ihre kaputte Schulter aus der Schlinge gezogen hatte und im beidhändigen Anschlag die Waffe hielt, aus deren Mündung es noch leicht qualmte.
    „Fahr zur Hölle!“, schrie Johanna schluchzend, ließ die Waffe auf den Boden fallen und ging in die Knie. Sie vergrub das Gesicht in die gesunde Hand und atmete tief durch. Sie zitterte furchtbar und doch, nickte sie auf Paul, der sich langsam regte und Semir lehnte sich zu ihm.
    „Paul…hey…“
    „Au….“, flüsterte Paul und blieb liegen, jedoch öffneten sich seine Augen. „Geht’s?“ Paul nickte und Semir robbte, mehr schlecht als recht, zu Johanna.
    „Er wollte dich umbringen…ich musste“, wimmerte Johanna und Semir legte einen Arm um sie. „Ich weiß, flüsterte er, „ich weiß…“


    Die Türe schlug auf und Kim Krüger kam mit der Waffe im Anschlag hinein. In ihrer Begleitung waren Jenny und weitere, uniformierte Polizisten.
    Alle blieben wie festgefroren stehen, als sie das Szenario sahen. Zwei tote Menschen, ein blutüberströmter Semir, der Johanna umarmt hatte und Paul, der sich aufgerichtet hatte und mit schmerzverzerrtem Gesicht nach oben, zu ihnen blickte.
    „Das war auch Zeit…“, murmelte er und atmete tief durch. Kim steckte ihre Waffe ein und rannte zu ihm herunter. „Mensch Renner, sind Sie bescheuert?“, schimpfte sie und Paul zuckte mit den Achseln.
    „Mein Gott, Semir…“, murmelte Jenny und ging auf das Duo zu und kniete sich zu ihnen hinunter. „Holen Sie oben Rettungskräfte und geben Sie der Zentrale Bescheid!“, befahl sie einem ihrer Kollegen und dieser verschwand mit einem Nicken.
    „Es geht schon“, winkte Semir ab und Jenny zog eine Augenbraue hoch. „Mhm, wir kennen dein „es geht schon“, mein Bester! Darauf falle ich nicht nochmals rein!“, grummelte Jenny zurück und atmete tief durch. Sie sah, wie Kim sich mit Paul näherte und dieser ihr mit leiser Stimme die Situation schilderte.
    „Ich hab‘ ihn umgebracht…“, schluchzte Johanna und Jenny schüttelte, die ebenfalls alles gehört hatte, zusammen mit Semir mit dem Kopf. „Es war Semirs und Pauls Leben gegen seines, Frau Schimke. Sie haben nur getan, was richtig war…“, flüsterte Kim und sah auf die beiden Toten, die mit weit aufgerissenen Augen in die Leere starrten, „…es ist vorbei…“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

    Einmal editiert, zuletzt von jenni ()

  • Zwei Wochen später


    Daniela Morgenstern blickte mit großen Augen auf ihren DIN A4-grossen Notizblock. Zwei Seiten waren doppelseitig gefüllt und sie hatte keine der vor gekennzeichneten Blocklinien ausgelassen. Schon lange, hatte sie nicht mehr eine solche intensive und emotionale Sitzung gehabt. Ihre Patientin war ehrlich gewesen. Hatte ihr Herz geöffnet – so, wie sie es eigentlich wünscht. Doch was sie gehört hatte, war wirklich über ihren Erwartungen gewesen.
    Die junge Frau hatte alles erzählt. Alles, was sie dazu gebracht hatte, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Sie weinte, war manchmal kurz davor gewesen zu schreien und doch stellte sie sich ihren Dämonen.
    „Frau Schimke“, begann sie langsam, nachdem sie ihre Gedanken gesammelt hatte, „ich bewundere Ihre Ehrlichkeit. Wirklich. Viele wagen sich zwar den ersten Schritt, aber sie können dann kaum darüber reden. Sie jedoch haben sich mir offenbart. Das zeugt von großem Mut, auch wenn Ihnen das vielleicht momentan nicht so erscheint…“
    Ihre Patientin sah sie mit einem traurigen Lächeln an. „Ich war schon immer ein direkter Mensch. Und Sie können mich Joshi oder auch Johanna nennen, Frau Morgenstern. Das ist für mich angenehmer!“ Daniela Morgenstern nickte. Sie fuhr sich kurz durch ihr langes, dunkelbraunes Haar. „Ich weiß, Johanna, eine solche Frage hört man nach einer solchen Situation nicht gerne, aber als Polizeipsychologin, bin ich leider gezwungen, das zu fragen: Werden Sie sich weiterhin den öffentlichen Diensten gewachsen fühlen?“ Johannas Kopf legte sich leicht zur Seite.
    „Sie meinen, ob ich kündigen will? Weil ich mit der Situation nicht mehr zurechtkomme und einen Tapetenwechsel brauche?“
    „Ja, das meine ich. Ihre Kollegen, so offen will ich sein, haben Ihr Verständnis, aber auch Ihr Bedauern ausgedrückt, sollte es soweit kommen. Sie halten viel von Ihnen Frau Schimke. Besonders Ihr Vorgesetzter und die beiden Autobahnpolizisten sprachen nur gut von Ihnen. Und das trotzt dieser kurzen Zeitspanne. Dennoch liegt die Entscheidung bei Ihnen und ich würde Sie vollkommen verstehen. Ein solches Ereignis ist einschneidend und viele fühlen sich diesem Druck nicht gewachsen, oder zerbrechen darunter!“ Johanna atmete tief durch und blickte auf den Boden. Sie spielte mit einem bunten Perlenarmband an ihrem Handgelenk, dass sie von Ayda und Lilli geschenkt bekommen hatte.
    Sie hörte Ayda tief in ihrem Bewusstsein sie fragen, ob sie denn jetzt gehen würde? Sie würden gerne den Ausflug nachholen, aber wenn sie ginge, könnten sie das ja nicht mehr. Kinderlogik. Süß und sehr einfach, wenn man es so sehen wollte.
    „Wissen Sie…“, flüsterte Johanna leise, „ich habe drüber nachgedacht…“


    „Papa…was wird Johanna sagen?“ Semir blickte auf Ayda, die mit Lilli und Andrea mit ihm zusammen vor seinem 3er BMW wartete und auf das alte Gebäude blickte, in dem mehrere Praxen sich eingefunden hatte.
    „Was meinst du, Schatz?“, fragte Andrea nach und Ayda schluckte schwer.
    „Ich meine, wird Tante Joshi gehen wollen? Weg? Von uns?“ Andrea blickte zu Semir. „Das weiß ich nicht Ayda. Aber was immer Joshi entscheidet, wir werden es akzeptieren und sie noch immer lieb haben, oder?“ Lilli nickte heftig. „Ja. Und wir werden dafür sorgen, dass sie uns nicht vergessen kann!“, fügte sie ihrer Geste hinzu.
    „Hey“, hörten sie alle und als sie sich zu dem Geräusch richteten, sahen sie Paul, der auf sie zugelaufen kam.
    „Solltest du nicht noch Zuhause im Bett liegen?“, fragte Andrea mit mahnender Stimme und Paul rollte mit den Augen. „Ein wenig raus darf ich inzwischen. Es zwickt ja nur noch“, tat er die Sache ab und drückte Ayda und Lilli an sich, als sich diese an ihn zur Begrüßung, gekuschelt hatten.
    „Ist Sie noch immer dort drin?“ Andrea und Semir nickten auf Pauls Frage. „Ja. Die Chefin hat gesagt, dass die Psychologin die alles entscheidende Frage nun schon stellen wird, bevor sie richtig mit ihr zu arbeiten beginnt…“ Paul schluckte. „Man könnte es ihr nicht übel nehmen. Wo ist denn Hartmut?“
    „Wurde zu einem Notdienst verdonnert. Die Kollegen des Verfassungsschutzes versuchen anscheinend, nun alles zu tun, um ihr Image zu verbessern und ihre Fehler unter den Teppich zu kehren.“, antwortete Semir knurrend und Andrea schüttelte mit dem Kopf. „Diesen Noske hätte ich aber auch erschießen können. Besucht euch im Krankenhaus und was hört man? Was für eine tolle Arbeit ER geleistet hat. Ich hätte ihm den Infusionsständer an den Kopf werfen können!“, grummelte sie und verschränkte die Arme.
    „Mama!“, stießen Ayda und Lilli empört aus und Andrea wurde erst gerade bewusst, was sie gerade gesagt hatte. „Entschuldige Schatz“, murmelte sie und hob mit allen anderen den Kopf, als sich die Türe zum Eingang öffnete.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • Erstaunt blieb Johanna auf der ersten Stufe stehen als sie die ganze Gruppe erblickt hatte. „Leute, was macht ihr denn hier?“, fragte sie mit einem Lächeln und kam die Treppen hinunter. Ayda und Lilli lösten sich von Paul und kamen auf sie zu gerannt. Johanna kniete hinunter und wurde von den beiden Mädchen umarmt.
    „Wir…“, begann Lilli leise, „wir wollen wissen, was du der Frau Doktor gesagt hast…“, gab sie offen zu und Johanna wusste direkt, worauf das Mädchen anspielte. Besonders, als sie auch noch die ungeduldigen Blicke der Erwachsenen auf ihrer Haut spürte.
    „Ihr meint, ob die gute Tante Johanna weg geht?“, fragte sie und Lilli, sowie Ayda nickten. „Nun ja. Ich habe mit der Frau Doktor darüber geredet, da habt ihr recht.“, sagte sie und Aydas Mund verzog sich sichtlich. „Was hast du ihr gesagt?“, fragte sie zögerlich und Lilli packte Johanna am Arm. „Du hast gesagt du gehst, oder? Ich hab’s gewusst“, murmelte sie enttäuscht und Johanna lächelte. „Ich hab‘ doch noch gar nicht gesagt, was ich Frau Morgenstern mitgeteilt habe!“, wiegte sie ab und Lillis Augen leuchteten sofort wieder.
    „Ich habe gesagt, dass es vieles gibt, wo ich mit ihr bereden muss. Aber ich gehe nicht weg. Ich bleibe hier bei euch. Irgendjemand muss doch schauen, dass euer Papa und Onkel Paul nicht alle Autos kaputt machen!“ Johanna zwinkerte mit einem Auge Semir, Paul und Andrea zu die erleichtert lächelten, während Lilli und Ayda sich um Johannas Hals warfen. „Mädchen, langsam! Langsam! Ich kippe noch nach hinten!“, lachte Johanna und stand dann auf, als sich Lilly und Ayda beruhigt hatten.
    Andrea ging als erstes auf Johanna zu. „Wir sind immer für dich da, das weißt du, oder?“ Johanna nickte. „Ja das weiß ich, Andrea. Das war einer der Gründe, warum ich bleibe. Ich weiß, dass ich hier gut aufgehoben bin und die Freunde habe, die ich brauch!“ Andrea nahm auf Johannas Antwort hin ihre Hände und drückte zu. „Da bin ich wirklich froh“, sagte sie leise und die beiden Männer legten je eine Hand auf Johannas Schulter.


    „Wisst ihr was? Bevor wir hier Kumba Ya zu singen anfangen und im Kreis tanzen…wollen wir ein Eis essen gehen? Ich kenne ein gutes italienisches Café mit Gelateria in der Nähe!“ Auf Johannas Vorschlag nickten Ayda und Lilli heftig. „Au Ja! Eis!“, lachten und rannten voraus, während Andrea mit einem Seufzen hinterherrannte.
    Semir und Paul, blieben jedoch neben Johanna stehen. „Gute Entscheidung“, lächelte Semir und legte einen Arm um sie und zog sie mit, während Paul neben ihnen lief. „Das wird sich noch zeigen“, scherzte Johanna und lief mit dem berühmten Duo dem Rest der Familie Gerkhan hinterher.


    ENDE

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

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