Das etwas abgelegene Mo ( r ) tel

  • Wütend blickte Frau Krüger zur Uhr. Es war mittlerweile schon nach 21.00 h. Vor über einer Stunde war Dienstbeginn für die Nachtschicht. Der Einzige, der wieder mal nicht pünktlich war, war Hauptkommissar Ben Jäger.


    „Wo bleibt denn dieser Jäger schon wieder? Jetzt hab ich ihn schon auf ein Seminar geschickt und schafft es wieder nicht, pünktlich zu sein!“ Die Chefin stampfte gereizt in ihrem Büro auf und ab. „Der kann was erleben, wenn der kommt. Der weiß doch ganz genau, dass Semir in Urlaub ist!“ Aufgebracht öffnete sie die Tür ihres Büros und spähte zu Susanne König hinaus.


    „Susanne, wissen Sie, warum Herr Jäger noch nicht hier ist? Er sollte schon genau vor 67 Minuten hier sein und seinen Nachtdienst antreten! Hat er sich bei Ihnen gemeldet? …. Naja… Wenn er es tatsächlich geschafft hat, herzukommen, schicken Sie ihn sofort zu mir in mein Büro!“ gab Kim Susanne den Auftrag und knallte erbost die Tür hinter sich ins Schloss.


    „Dieses dauernde Zuspätkommen bringt mich noch auf die Palme!“ ärgerte sie sich und wartete ungeduldig auf Bens Kommen.


    Nach einigen gefühlten Kilometern, die sie wohl schon in ihrem Büro auf- und abgelaufen war, machte sie eine Pause und sie setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl. Genüsslich nahm sie die letzten Schlücke ihres Kaffees, der wohl ihre Laune etwas anheben sollte und studierte die Akten, die sie mit Ben Jäger die nächsten 12 Tage durchgehen und bearbeiten wollte.



    „Mist! Wieder nur die Mailbox! Mensch, Ben. Was treibst du denn schon wieder? Du weißt doch genau, wie sich die Chefin dabei aufregt. Schwing deinen süßen, sexy Po lieber hier her, bevor es ein echtes Donnerwetter gibt! ….. was auch immer du machst…..!“ redete Susanne indirekt mit Ben und war nicht gerade amüsiert darüber, dass sich immer wieder diese Mailbox meldete. Die Sekretärin wollte nicht, dass sich Ben ständig in sinnlose Schwierigkeiten und Fettnäpfchen bewegt.


    Nach weiteren fehlgeschlagenen Versuchen ließ sie es sein.


    „Jenny? Nimmst du Bonny mit und fährst mit ihm mal zu Ben und siehst nach dem Rechten?“ forderte sie die beiden auf und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Sie begann, allmählich für Semir alle Motels im Umkreis herauszusuchen, was nicht gerade zu den leichten Aufgaben gehörte.


    ***



    Der kleine Mann in Martins Kopf hatte alles unter Kontrolle und ließ ihn an seinen Gedankengängen teilhaben.


    „Weißt du was wir machen!“ brummte der Kleine im Kopf „Zuerst versorgst du meinen Schatz im Keller. Gib ihm etwas zu essen und zu trinken. Er soll doch bei Kräften bleiben. Und denke dran, keiner fasst ihn an! Ich bin derjenige der ihm seine Schönheit nimmt. Er gehört mir! Anschließend kümmerst du dich um den Förster. Der hat zu viel gesehen, der könnte gefährlich werden. Außerdem hat er meinen Jüngling angefasst.“


    „… aber…“ unterbrach Martin den Erzähler.


    „Schnauze. Du sollst still sein, wenn ich mit dir rede! Begreife das doch endlich!“


    Martin nickte stumm. Eigentlich wollte er das gar nicht hören, was sein Kopf ihm befahl.


    „Also. Wo war ich? Ach ja. Du lässt diesen Förster von der Bildfläche verschwinden. Ja, das wird das Beste sein.“ Wieder grinste der kleine Mann in dessen Kopf hinein.


    Martin dagegen teilte diese Meinung nicht. Eine Hälfte in seinem Gehirn, in der wohl dieser Mitbewohner hauste, fühlte sich zufrieden und schüttete Endorphine aus. Die andere Hälfte hatte Angst. Angst vor ihm, Angst vor dem, was noch alles kommen sollte. Dieses Gefühl machte sich auch in seinem Bauch breit.


    Sein Diener bäumte sich gegen den Kleinen im Kopf auf und widersprach ihm. „NEIN! NEIN! NEIN! …. Ich bringe den Förster nicht um und sonst auch keinen mehr. Verstehst du das! Der Förster kann nichts dafür und hat damit auch gar nichts zu tun. Und mit dem im Keller? Soll ich den etwa auch umbringen?“ er hatte sich sehr in Rage geredet. Hochrot vor Zorn lief sein Gesicht dabei an. Seine Stimme bebte vor Erregung. „Ich sag dir jetzt mal was. Du hast mir nichts, absolut gar nichts mehr zu sagen, was nicht ausschließlich mit diesem Mann im Keller zu tun hat. Bei allen anderen Entscheidungen hältst du dich ab sofort heraus. HAST DU MICH VERSTANDEN? Ich kann auch wieder die Tabletten nehmen. Dann bist du verschwunden und ich bin dich los. Ich warne dich. Treib es ja nicht zu bunt!“
    Puh, für einen Moment war er erlöst, ihm endlich mal seine Meinung gesagt zu haben und atmete tief und zufrieden aus.
    Oh das hat gesessen. Der Kleine musste bei diesen Worten schwer schlucken. Er war so vor den Kopf gestoßen, dass er letztendlich klein bei gab.


    „Ich gehe jetzt zu diesem Kerl und geb ihm Essen und Trinken. Das wolltest du ja!“ kam nur noch zickig über Martins Lippen.


    Aus einer kleinen Kammer neben der Küche holte Martin eine Flasche Wasser und einige Scheiben trockenes Brot. Um an diese Sachen zu kommen, musste er sich bücken und aus dem hintersten Regal holen. Irgendwo musste noch etwas da sein. „Verflixt!“ schrie er auf, fluchte, als ihm dabei ein kleines Glas mit Gewürzgurken zu Boden hinunter fiel. Er stand auf und verließ die Küche. Die Scherben und den Saft auf dem Boden ließ er unbeachtet liegen.


    Mit dem Proviant in der Hand und noch immer innerlich aufgewühlt, ging der Weißhaarige in seinem erregten Zustand die Treppe hinunter in den Keller.


    Der Schlüssel drehte sich nach links. Die eiserne Stahltür öffnete sich mit einem leisen Quietschen. Der Weißhaarige stellte das für seinen Gast bereit gestellte Proviant neben sich auf den Boden und blickte suchend nach Ben in den Raum.
    Der junge Mann lag tief und fest schlafend auf der Matratze in der Ecke, die er kürzlich auf Wunsch hinein gebracht hatte.
    Der Schlafende hatte noch nicht mal bemerkt, dass jemand den Raum betreten hatte. ´Na dir geht´s aber gut!´ schossen ihm die Gedanken durch den Kopf. ‚Ich diskutiere mit den kleinen Herren wegen dir, mache mir Sorgen um dich und du liegst hier rum schläfst? Ich muss arbeiten, mich plagen und mich beschimpfen lassen, wegen dir? …‘
    Zorn stieg in Martin hoch, grenzenlose Wut auf den Dunkelhaarigen, der zu seinen Füßen lag und schlief. In seinen Augen flackerte der pure Wahnsinn und suchte sich ein Ventil. Er verlor die Beherrschung und war nicht mehr Herr seiner Sinne. Er stürmte zu Ben.


    „Hey du da!“ rief er Ben an. „Schau mich an, wenn ich mit dir rede!“ legte er wutentbrannt hinterher. Der Schlafende reagierte nicht sofort auf die Aufforderung.
    „Na gut! Wer nicht hören will, muss fühlen!“ Schon während er diesen Satz aussprach, trat er Ben mit voller Wucht in die Seite. Dieser wurde von dem Tritt von der Matratze geworfen und blickte völlig verwirrt nach oben.


    Dieser kräftige Tritt hatte Ben von seinen wirren Träumen erlöst. Ein furchtbarer Schmerz zerriss seine Eingeweide. Er hatte das Gefühl zu schweben und klatschte mit seinem Körper auf den feuchten Kellerboden. In Bruchteilen von Sekunden war er hellwach und erfasste die Situation.


    Im schummrigen Licht der Glühbirne erkannte er den Weißhaarigen, der vor ihm stand, sah das irre Leuchten eines Wahnsinnigen in dessen Augen aufblitzen. Der Mann war entrückt von der Realität.


    Bevor der dunkelhaarige Polizist reagieren konnte, traf ihn der nächste Tritt in den Bauch. Er versuchte auszuweichen. Es folgte wieder einer … und noch einer … immer zu. Martin war es vollkommen egal, wo seine Tritte ihr Ziel fanden. Unendliche Schmerzen durchströmten wie eine Feuerlohe seinen Körper. Ben schrie seine Qualen lautstark heraus, bettelte den Weißhaarigen an, er möge aufhören. Doch dieser kannte keine Gnade.

  • Martin schlug immer und immer wieder ein. Er war so in seinem Element, dass er gar nicht bemerkte, wie ähnlich er seinem Vater gerade geworden war.


    Erschrocken über sich selbst ließ er los und sah diese Person auf dem Boden liegen. Immer wieder schrie dieser Mann hilflos auf. Er wollte fliehen, den Schlägen und Tritten entweichen, doch es gelang ihm nicht. Ben krümmte sich vor Schmerzen auf dem Boden und wimmerte wie ein Kind nach Erlösung.


    Dieser Anblick von diesem jungen, verletzen Mann versetzte ihm einen Stich. Starr und unfähig, sich zu bewegen, stand er da. Bilder von früher tanzten vor seinem inneren Auge.



    Martin war ca. 9 Jahre alt und gerade von der Schule nach Hause gekommen. Wieder einmal war er von seinen Mitschülern gehänselt worden.
    Im immer mehr verkommenden Zustand des Motels trat er ein und stand im Flur.


    Traurig blickte er sich um. Seine geliebte Mutter war nicht mehr da. Kein Essen. Kein Lachen. Keine Liebe. Nur noch Kälte und Hass waren in diesem Motel zu spüren.


    Mit einer einzelnen Träne im Auge ging er langsam nach oben in sein Zimmer. Martin setzte sich auf sein Bett undkramte ein altes Fotoalbum hervor und schaute es an.Verzückt lächelte er dabei und schwelgte in Erinnerungen, als er sich jedes einzelne Foto von ihm und seiner Mutter betrachtete. Das tat unendlich in seiner Seele weh und doch irgendwie gut, sie wieder zu sehen. Er fühlte sich in eine andere Zeit versetzt und ihr ganz nah.


    Die Zeit verrann und er vergaß alles um sich herum.


    Erst durch den Knall der Haustür wurde er wieder zurückaus den Erinnerungen geholt. Er schrak auf und blickte sich um. Durch das Fenster konnte er die Abenddämmerung sehen. Schnell ließ er das Album unter seinem Bett verschwinden. Er hörte die Stufen knacksen.Die Schritte und das Nuscheln von seinem Vater wurdenimmer lauter und kamen immer näher. Er war auf dem Weg zu ihm. „Wo bist du?“ lallte der angetrunkene Vater. Wie jeden Abend.


    Wider Erwarten öffnete sich die Tür zu Martins Zimmer. „M…a…r….t…i…n!“ erklang unverständlich aus dessen Mund. Der Vater hielt sich an der Wand, um sein Gleichgewicht zu halten. Martin saß weiterhin verängstigt auf dem Bett und blickte ihn an. Sein Vater ebenfalls. Wie von einer Tarantel gestochen sprang er auf seinen Sohn zu, packte ihn und warf ihn auf den Boden. Immer wieder schlug er mit seinen Händen auf ihn ein, als wäre er ein Boxer. Dass sich Martin vor Schmerzen auf dem Boden krümmte, kümmerte ihn nicht und machte einfach weiter. Hinter seinen Armen versteckte der kleine Junge seinen Kopf und suchte dahinter Schutz. Er konnte sich nicht gegen seinen Vater wehren. Zu schwach war er dafür.


    Der letzte Hieb traf ihn an den Kopf und knallte gegen die Kante des Tisches. Sofort verlor Martin das Bewusstsein.Das Blut verteilte sich auf dem Holzboden und gelang an den Teppich, der sich rot einfärbte. Sein Vater ließ von ihm ab. „ Du Nichts-Nutze!“ und verließ, ohne sich um seinen schwer verletzten Sohn zu kümmern, den Raum.



    Minuten waren vergangen, ehe er erkannte, dass er wieder in der Gegenwart zurückgekehrt war. Kurz schüttelte sich Martin. Ein Schauer übermannte ihn. Sämtliche Haare stellten sich auf. Vor seinen Augen lag noch immer dieser Mann schwer verletzt auf dem Boden. ´Oh mein Gott!!! Was war das gerade!?´
    Er sah seine Hände an. ´Was haben die getan? Was habe ICH getan?´ Entsetzt und ohne zu zögern, drehte sich Martin um und wankte aus dem Keller.


    Immer noch geschockt von dem was gerade passiert war, keuchte er schwer. Krampfhaft hielt er sich am Geländer der Treppe fest und japste nach Luft. Tränen kullerten über seinen Wangen hinab. Schwerfällig zog er sich Stufe für Stufe nach oben.


    ´Ich kann ihn sogar verstehen, wenn nur der Anblick einen so rasend macht und man sich nicht mehr beherrschen kann! Ich wollte nie so werden, wie mein Vater! Und genau das ist passiert!? Nein! Das darf nicht sein! Es tut mir leid! …. ich war mein Vater! Nein!...... Und der Mann?..... ER war wie ICH! NEIN! Was machst du nur? Was mach ICH nur? ´ Martin räusperte sich und schlich betrübt in sein Zimmer.


    „Und du da oben? Halt jetzt bloß die Klappe! Ich will jetzt nichts hören! Ich weiß, dass nächste Mal lang ich ihn nur an, wenn du es willst. Aber… ich war wie mein Vater? …..“. Fassungslos setzte er sich auf sein Bett und fasste nach diesem Rückschlag einen Entschluss.



    ´Martin! WAS SOLL DAS? HÖR AUF MIT DEM MIST! JA, GUT. DASS DU GERADE WIE DEIN VATER WARST, TUT MIR LEID. ABER LASS DEN BLÖDSINN. NEIN!!! DAS WIRST DU NICHT TUN!´ der Insasse hatte gerade große Angst, dass Martin diesen Entschluss in die Tat umsetzte.


    „Doch. Ich brauch eine Nacht für mich. Ich brauch meine Ruhe und muss das eben verdauen! Du lebst ja auch nur deshalb da oben, weil mein Vater mich dazu gebracht hatte.“


    Wie in Trance griff seine linke Hand nach der Schublade und die rechte Hand nach der Flasche Wasser neben dem Nachttisch.


    ´Wehe! NEIN! LASS DAS SEIN! WEISST DU, WAS DU DA TUST? LASS DEN MIST! AUSSERDEM HAST DU UNTEN……´ und wurde dabei immer leiser, bis der kleine Narr bald völlig verstummte.
    Denn Martin nahm das erste Mal seit Monaten seine Neuroleptika-Tabletten wieder ein. In diesem Fall Benzodiazepine, um eine rasche Hilfe zu bekommen. Nur so konnte er zur Ruhe kommen. In Zeitlupe legte er sich mit seinen Kleidern und Schuhen auf sein Bett und starrte einfach an die Decke.


    ***



    Langsam lichtete sich die Dunkelheit, die ihn eingehüllt hatte. Auf dem Bauch liegend, fand er sich auf dem kalten Kellerboden wieder. Die Kühle durchdrang seine Kleidung und linderte seine Schmerzen. Die Stellen, an denen ihm die Tritte des Wahnsinnigen getroffen hatten, taten den Rest und brannten wie Feuer.


    Vorsichtig versuchte er Luft zu holen und versuchte, im gleichen Abstand zu atmen. Da war ein Stechen in der Brust zu hören. ´Mist!’ prustete er leidig aus. War eine Rippe an- oder gar gebrochen?


    Er drehte sich auf den Rücken und öffnete die Augen. Jeden Millimeter, den er sich bewegte, löste abermals eine Welle von Schmerzen aus. Die trieben ihn in den Wahnsinn. Ein gequältes Stöhnen kam über seine Lippen, als er es geschafft hatte und sich auf den linken Unterarm stützte. Der Verletzte drehte seinen Kopf und schaute sich um. Der Irre hatte den Raum verlassen. Keiner war mehr das. Er war allein.


    ´Gott sei Dank!´ Erleichtert atmete Ben auf. Noch etwas anderes weckte seine ganze Aufmerksamkeit. Ein kleiner matter Lichtstrahl drang in den Keller.


    „W…Was? Nein?“ er konnte es kaum glauben, was er sah. Sein Blick klebte starr an der Tür. Sie stand sperrangelweit offen. „War das eine Fata Morgana?“ Dieser Martin hatte vergessen, abzuschließen. Was auch immer ihn dazu gebracht hatte, so schnell zu flüchten, das war seine einzige Chance zu entkommen. Er wollte sie ergreifen. So nah war die Rettung!


    ´Komm schon! Geh auf die Beine und raus hier. Du warst doch schon mal hier! Den Ausgang findest du!´ bestärkte er sich selbst und versuchte sich Mut zu machen. Er kroch zur nächsten Wand und stemmte sich langsam in die Höhe. Als er sich endgültig aufgerichtet hatte, fing der Boden unter seinen Füßen an zu schwanken. ´Tief durchatmen!´ ermahnte sich Ben. An die Wand gestützt, schleppte er sich mühselig Richtung Ausgang. Mit jedem Schritt ging es ein bisschen besser.


    Als er die Tür erreicht hatte, hielt er einen Moment inne und versuchte neue Kräfte zu sammeln. ´Keine Pause machen!´ ermahnte er sich wieder. In diesem Moment bemerkte er, wie ihm etwas Warmes an der Brust herunter lief und zu Boden tropfte. Blut! Die eine Brandwunde war aufgebrochen und das fließende Rot durchtränkte seine Kleidung. Die Wunde brannte furchtbar. Er widerstand der Versuchung darauf zu drücken, um den Blutstrom einzudämmen. Dies hätte den Schmerz nur noch verstärkt.


    Der Dunkelhaarige taumelte weiter zur Treppe. Ben seufzte auf. „Wie soll ich nur da hoch kommen? Komm! Nimm all deine Kraft. Das solltest du schaffen!“
    Denn das Wissen, dass er dann in Freiheit sein konnte, trieb ihn weiter an und klammerte sich an diese eine Chance. Seinen rechten Arm weit ausgestreckt, griff er nach dem Geländer der Treppe. Er setzte seinen Fuß auf die erste Stufe, als ihn erneut ein furchtbarer Schmerz in seinen Eingeweiden durchfuhr.
    „Reiß dich zusammen, Ben! Du musst da hoch!“ Er hielt die Luft an. Mit einigem seines Körpergewichtes, das er auf dem Geländer lagerte, zog er sich mit letzter Kraft Stufe für Stufe nach oben. Schweißgebadet kam er am Ziel an und es machte sich Erleichterung in ihm breit. Erneut brauchte er eine Verschnaufpause und wieder verging wertvolle Zeit. Dabei blickte er sich suchend in der Eingangshalle um. Er versuchte, sich zu orientieren. ´Okay! Überleg jetzt genau, welche Richtung du gehst!´ Er ging kurz in sich und überlegte fieberhaft, ob ihm irgendetwas bekannt vorkam. ´Ah! Da! Von da vorne war ich mit Semir hinunter gegangen. Okay und jetzt schnell über das ganze Geröll und raus hier!´


    Langsam schlug er sich durch das Chaos hindurch. Er musste ganz vorsichtig und leise sein. Er durfte keinen Lärm machen. Es war ruhig! Erschreckend ruhig, wenn er sich fragte, aber daran konnte er in diesem Augenblick keine Gedanken verschwenden!


    Auch diese Hürde hatte er bestanden. ´Jetzt darf nichts mehr schief gehen! Nur noch die Eingangstür!´ Ben spürte seinen Puls bis in die Halsschlagader schlagen. Leise drückte der junge Polizist die Türklinke hinunter und öffnete sie einen Spalt. ´Oh nein, die quietscht!´ der Dunkelhaarige schloss die Augen und öffnete ganz leise die Tür weiter. Langsam zog er sie immer näher zu sich, bis er auch diese Hürde geschafft hatte. Er war ausgelaugt, doch er hatte es fast geschafft. Gierig zog er die Luft ein, die sehr kalt war. Seinen Blick hatte er nach vorne gerichtet.


    Es war Mitternacht und bereits dunkel. Nebel hing zwischen den Bäumen. Es nieselte feinste Tropfen vom Himmel herab, die er auf sich spürte. Für einen kurzen Moment schauderte es ihm, bis ihm wieder einfiel, dass er verschwinden musste.


    Die letzte Stufe stolperte er hinunter und lag mit dem Bauch auf dem feuchten Kiesboden. „Aaarghhh!“ schrie Ben auf und verstummte sogleich, um nicht auf sich aufmerksam zu machen. Mit seinen Füßen schob er einigen Kies beiseite und raffte sich mit großer Mühe und mit einer erneuten Schmerzwelle in die Höhe.


    Die Sicht war durch den Sprühregen, der den Nebel nur noch mehr verstärkte, sehr unklar. Dennoch begannen seine Füße, sich fortzubewegen. Trotz seines geschwächten Körpers und mit unzähligen Schmerzen, begann er, zu rennen. Ohne zu wissen, wohin, in den dichten Wald hinein.

  • Aus Sicht von Ben geschrieben:


    Ich entfernte mich schleppend mit aller Kraft vom Motel weg in Richtung Wald. Dabei überquerte ich die matschige Zufahrtstraße vom Motel. Verdammter Mist. Ich trat soeben in eine riesige Pfütze hinein und mein rechter Schuh und der Strumpf waren völlig durchnässt. Das fing ja schon gut an.


    Der Waldweg war durch den Regen aufgeweicht und glitschig. So hörte es sich auch an, als ich einen Fuß vor den anderen setzte und musste auch tierisch aufpassen, nicht auszurutschen oder an irgendwelchen Baumwurzeln hängen zu bleiben und zu stolpern. Überall ragten aus dem mit Erde und Moos bedeckten Boden schemenhafte Andeutungen von riesigen Tannen und Fichten heraus.Genau konnte ich es nicht erkennen, mehr erahnen.
    In diesem dichten Nebel konnte ich noch nicht mal meine mehr eigene Hand vor Augen sehen.


    Ich entfernte mich immer mehr vom Zufahrtsweg und war schon etwas tiefer in den Wald hinein gelaufen. In diesem dichten Nebel im Wald herumzuirren war für mich der reinste Horror. Der Nebel hüllte alles ein, hielt es im Verborgenen. Wabernd krochen die Nebelschwaden über den Waldboden und verwandelten ihn zu einem mystischen Ort. Brrrrr, mir überkam einen Schauer dabei.


    Der Nebel kam in feinsten Tröpfchen hinunter zur Erde und benetzte meine Kleidung und Haut. Die Feuchtigkeit durchdrang meine Kleidung und für einen kurzen Moment wirkte es sehr belebend auf mich und linderte meine Schmerzen.


    Ich glaubte, ich hätte mich verlaufen und musste vom Waldweg abgekommen sein. Blind und ziellos irrte ich umher. Immer tiefer in den Wald bewegte ich mich hinein. Ich hatte einfach keine Ahnung, welche Richtung ich einschlagen sollte. Ich war überfordert. Mittlerweile hatte ich sogar aufgehört zu rennen, denn das machte keinen Sinn. Doch je langsamer ich wurde, desto mehr registrierte ich, dass es mich immer mehr fröstelte.


    Er würde mich finden. Egal wohin ich gehen würde. Er würde auf mich warten und zuschlagen, sobald ich schlafen würden. Ich würde schutzlos ausgeliefert sein! Er würde sich darum kümmern, mich zu einer leichten Beute zu machen und hier ist es für ihn ein Leichtes.


    Alleine hier im Wald war ich verloren. Es war wie in einem Labyrinth. Ich fühlte mich verloren.


    Ich hörte so viel. Meine Schritte. Meinen Atem. Wilde Tiere. Aber ich hörte nichts, was eine Andeutung auf das wäre, was mich als seine Beute auserkoren hatte…


    Verängstigt und panisch von diesen Gedanken rann ich weiter. Ich konnte davor einfach nicht fliehen.


    Beobachtet kam ich mir vor, wie eine Beute, die gejagt wurde. Mein Tempo beschleunigte sich nun doch wieder und ich begann, mich zu beeilen und rann erneut kreuz und quer durch den finsteren Wald. Meine Atemfrequenz hatte sich gerade etwas beruhigt und schon schoss mein Pulsschlag wieder in die Höhe.


    Ich befand mich längst in Panik und begann, unaufmerksamer zu werden. Ich hatte nur ein Ziel vor Augen und achtete überhaupt nicht mehr auf den Boden.Und nun war es doch passiert! Ich stolperte über eine große, ausgerodete Baumwurzel und schlagartig landete ich auch den feuchten Waldboden. Gott sei Dank war das nicht allzu schlimm. Ich war nur auf meinem Po gelandet. Aber dennoch tat mir wieder alles weh. Meine Brust brannte und die Haut spannte extrem, als würde sie gleich platzen. Bei jedem Atemzug durchfuhr mir über meinen gesamten Brustkorb eine Schmerzenswelle. Ich hätte schreien können. Ich tat es nicht. Ich wollte keine Toten wecken.


    Mit meinen Händen tastete ich um mich herum den Untergrund ab. Meine Nase kitzelte und musste diese immer wieder rümpfen. Der Geruch von verbranntem Holz lag noch immer in der Luft. Ein Schauer rann mir über den Rücken, als mir noch ein anderer Mief von verbranntem Fleisch in meine Nase drang. Es bildete sich Gänsehaut und mit ihr stellen sich alle meine feinen Härchen in die Höhe.


    Urplötzlich schoss die Erkenntnis in mir hoch, wo ich wohl gelandet war. Das müsste am Rande des Scheiterhaufens sein, indem Manuela…. NEIN. Weiter wollte und konnte ich nicht denken. Ein Würgereiz stieg in mir hoch und ließ sich nicht mehr unterdrücken. Schwallartig bahnte sich der Inhalt meines Magens einen Weg nach draußen … ich würgte und würgte … bis nur noch Galle hoch kam.


    Raus … Weg … ich wollte nur noch weg von diesem Ort des Grauens. Noch immer meinte ich, ich war in einem meiner schrecklichen Alpträume gefangen und müsste nur noch wach werden. Angst … ich hatte schreckliche Angst, dass mir das gleiche Schicksal blühte, wie der armen Manuela. Gleichzeitig stieg die Frage in mir hoch, warum ich? Was hatte ich dem Irren getan? Was wollte er nur von mir? Irgendwie riss ich mich immer wieder ein so eine Scheiße hinein. Vor Verzweiflung stützte ich meinen Kopf in die Hände. Ich konnte es nicht verhindern und nahm keine Rücksicht. Bittere Tränen von Mutlosigkeit füllten meine Augen, nahmen den Weg über das Gesicht.


    Schluss jetzt! Ben, du musst schauen, dass du dich in Sicherheit bringst. Ich fing an, in Richtung des Waldes auf alle Viere zu kriechen. Bot sich dort mein Schutz? Konnte ich dort für eine Weile sicher unterkommen? Meine Finger erfühlten einen Gegenstand. Ein Stein war es wohl nicht. Ich hob es auf und besah mir dieses Etwas genauer, so gut es ging.


    Das war aber durch den Nebel echt nicht einfach,überhaupt was zu erkennen. Hmmm, ein Amulett? Sofort bekam ich wieder Angst und der Ekel kehrte zurück. Es graute mich, als ich feststellte, dass das das letzte Stück war, das Manuela getragen hatte und nicht weit weg, wohl die restlichen Körperrückstände lagen. Ein Würgereiz näherte sich wieder unaufhaltsam meiner Speiseröhre und wollte hinaus befördert werden. Der eklige und bittere Geschmack von Galle war bereits im Munde und ehe ich mich versah, landete es wieder vor meinen Füßen.Ich verzog angewidert mein Gesicht.


    Diese Bilder waren vor meinen Augen gesprungen und ich wollte sie loswerden. Ich schlug um mich und gegen meinen Kopf. NEIN. Geht weg! Verschwindet! Tränen kamen und ich versuchte, zu flüchten. Weit weg wollte ich.


    Mühsam stemmte ich mich in die Höhe und wollte nur noch diesen Ort des Grauens verlassen.


    Wieder irrte ich kopflos umher und beschloss, mir einen geeigneten Platz zum Ausruhen zu suchen. Irgendwann begriff ich, in diesem Nebel hatte es hier und jetzt keinen Sinn mehr. Und gefolgt war mir dieser Irre wohl noch nicht. Das erhoffte ich mir und redete mir das wohl nur schön.


    In einer Fichtenschonung hatte ich ein geeignetes Plätzchen gefunden und entschied, eine kleine Rast unter dieser großen Fichte zu machen. Erschöpft ließ ich mich an dessen Baumstamm hinunter auf den kalten Waldboden gleiten. Ich fror und mit dem Zittern bebte mein ganzer Körper unkontrolliert. Mit ihnen kehrten auch die Schmerzen zurück. Mein Kopf war wohl das Einzigste, das glühte. Meine linke Hand steuerte zittrig ins Gesicht und merkte, dass meine Wange recht warm war. Hatte ich Fieber bekommen? Hmmm. Ich wusste es nicht. Meine Brust und meine Rippen brachten mich zur Weißglut. Es tat einfach alles so weh.


    Ich blickte umher, soweit es die Sicht zuließ und suchte nach Etwas, das ich als Schutz benutzen konnte. Ich nahm einige große Blätter und bedeckte mich mit diesen. Ich schloss meine müden Augen und der ganze erschöpfte Körper schrie nach Erholung und Schlaf. Ich ließ einen tiefen Atemzug zu und stoß diesen aus. Dabei konnte ich wieder das komische Geräusch und das Pfeifen hören und ich war verzweifelt. Ja nicht dran denken. Nach vorne schauen. Du bist raus. Du hast es geschafft, zu fliehen….Und das in deinem Zustand. Ich redete und redete in Gedanken mit mir selbst und kam so wieder ein bisschen runter und schloss abermals die Augen. Aber meine Ohren lauschten nach allem, was sich bewegte. Ob Wind, ob Blätter, ob Tiere oder Schritte. Einfach nach allem. Ich musste einfach Fuchs und Hase sein. Ich griff in meine Hosentasche nach diesem Amulett und behielt es in meiner Hand. Große Vorwürfe machte ich mir, dass ich Manuela nicht hatte helfen können. Es tat mir so leid…Aber irgendwie gab mir das kleine Ding Kraft… Ich ließ meinen Kopf beiseite fallen und war sofort weggenickt.

  • Stunden waren bereits vergangen, in denen Martin regungslos auf seinem Bett lag. Seine Arme und Beine waren weit von seinem Körper gestreckt. Die Augen waren ihm mittlerweile zugefallen und gerührt hatte er sich keinen Zentimeter. Nur sein Brust hob und senkte sich, woraus man schließen konnte, dass dieser Mensch noch am Leben war.


    „Mhmmm…!“ nuschelte Martin vor sich hin und nun begann er, sich in seinem Bett unruhig herumzuwälzen. Plötzlich zuckte er zusammen, riss seine Augen weit auf und hielt seinen Atem an.


    „War da was? … Nein.“ Da war das erste Mal NICHTS. Und das tat ihm gut. „… wie lange hab ich….“ Da er keine Uhr in seinem Zimmer besaß, schaute er zum Fenster hinaus und sah, dass bereits die Morgendämmerung eingesetzt hatte.


    Der nächtliche Schlaf hat ihm richtig gut getan und er fühlte sich regelrecht erholt. Immer noch im Bett liegend, blickten seine Augen umher und musste sich dennoch orientieren und überlegen, was vorgefallen war und wie er ins Bett gekommen war. Langsam wurde er wach.
    "Hmmm…. Ach ja…." die Erinnerungen an die letzten Stunden und Tagen kehrten zurück.


    Er stellte beruhigt fest, dass in seinem Kopf totale Stille herrschte. Selten hatte er sich dabei so wohl gefühlt. Nur bekam er wieder Angst davor, wenn dieser kleine Wicht zurückkehrte. „Da war wirklich nichts! Hallo? Hallo du da oben?“ Nichts. Er konnte es kaum glauben, dass er tatsächlich nicht anwesend war. Ein Seufzer der Erleichterung entwich seinem Munde.´Kaum zu glauben. Das hätte ich schon viel früher tun sollen….´dachte er sich und drehte sich dabei auf die andere Seite.
    Wieder schloss er seine Augen. Seine Ohren aber hörten doch etwas und jetzt reichte es ihm. „Mensch, da will man sich einmal Ruhe gönnen und schon wieder wird man gestört!“ Er wollte diesem Geräusch auf den Grund gehen.


    Aus dem Bett aufgestanden, musste er sich erstmal strecken und sich seinem versteiften Körper einige Lockerungsübungen aussetzen. ´So! Mal sehen, was das ist! Und dann nach dem Kerl im Keller schauen.´


    Er wollte gerade los marschieren, als sein Blick auf die Medikamentenschachtel auf seinem Nachttisch fiel.


    "Na die brauch ich vorerst nicht! Danke. Ihr habt mir sehr geholfen!" und gab denen einen Luftkuss dabei, während er sogleich die Schachtel mit den Tabletten in die Schublade verstaute.


    Nur, was er nicht ahnte, war, dass die Packung nun leer war. Das würde er noch früh genug bemerken!


    ´So, aber jetzt!´ Langsam trottete er den langen Korridor entlang. ´Irgendwie gefällt mir das ganz und gar nicht!´ Ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit, als er dem Geräusch immer näher kam.


    Und tatsächlich war es das, das er schon die ganze Zeit vermutete. Es war die Eingangstür, die immer wieder auf und zu fiel. Das vermag nichts Gutes heißen und er brach sofort den Weg ab. Gezielt rannte er schnell in den Keller hinab.
    Als er an der Treppe angelangt war, sah er schon einige eingetrocknete Blutstropfen auf den ersten beiden Stufen. ´Waren die vielleicht von mir? Konnte das möglich sein?! ….nein, geblutet hatte ich doch nicht!? Die konnten nur von….´ Diesen Satz dachte er sich nicht zu Ende. Er wurde immer unruhiger und wollte sicher gehen, dass er sich nicht täuschte.


    Langsam näherte er sich dem Verließ. Je dichter er sich diesem näherte, desto mehr bestätigte sich nun doch seine Vermutung, dass dieser Kerl geflüchtet war. Denn er sah nun erschrocken, dass die Tür offen stand.


    Seine Kinnlade hing ihm vor Entsetzen fast bis zum Boden. „NEIN!! NEIN!! NEIN!!! DAS KANN DOCH NICHT SEIN???? Wie um Himmels Willen hat er das geschafft?“
    Sein Kopf lief rot an und seine ganze Wut staute sich darin, bis sie wider Erwarten platze. Er schrie auf, rastete aus und stampfte mehrmals aufgewühlt auf und ab. Sein Blut kochte vor Zorn und blieb stehen. Wütend trat er mit seinem Fuß gegen die alte und zerschlissene Matratze, die auch gleich auf dem Boden verrutschte. Immer wieder trat er dagegen, wie gegen einen Sandsack, bis nun das ganze Innenleben dieser Matratze zum Vorschein kam. Hastig atmend und völlig verschwitzt standen ihm die Schweißperlen auf der Stirn. Noch immer stand ihm der Zorn ins Gesicht geschrieben.


    „Na warte!! Dich hol ich mir wieder! Weit konntest du ja nicht gekommen sein! ….“


    Als er die Eisentür hinaus stürmte, gab er ihr dabei einen kräftigen Schubs, dass sie gegen die Steinwand aufsprang und daran mit einem lauten Schlag aufdonnerte.
    Ohne zu zögern, rannte er in sein Zimmer zurück und ging wieder an den Nachttisch. Eilig öffnete er die zweite Schublade und holte die Schusswaffe, die er aus Bens Wohnung mitgenommen hatte, heraus. Nachdem er diese kontrolliert hatte, steckte er sie sich in seinen Hosenbund.


    Er wollte gerade losstürmen, als ihm wieder Bilder seiner Vergangenheit vor seinen Augen tanzten. Er blieb still stehen.


    Es war Samstagabend. Martin saß in seinem Zimmer auf seinem Bett. Er grübelte noch über den Vormittag, als er beim Spazierengehen auf Manuela traf.


    Auch wenn sie ihn in der Schule mit den anderen immer wieder gehänselt hatte, seilte sie sich immer wieder ab und an ab, fand Manuela sogar Gefallen an ihm. Sie konnte mit ihm immer über ihre Probleme sprechen. Egal, um was es sich handelte. Sie wusste, dass Martin mehr für sie empfand. Nur sie konnte diese Gefühle nicht mit ihm teilen. Dieses Wissen behielt sie für sich.


    Meist stand sie verheult vor seinem Fenster. Dann wusste Martin, ihr Freund hatte mal wieder mit ihr Schluss gemacht. Ihr Freund war der beliebteste Schüler und hatte meilenweit Verehrerinnen um sich herum. Dieser Schüler hieß Benjamin Nieder und war groß, schlank und seine rehbraunen Augen waren sein Markenzeichen. Denen konnte kein Mädchen widerstehen; Manuela eingeschlossen.


    Der beliebte Schüler konnte sich nur schwer entscheiden. Er war mit Manuela zusammen und sie glaubte das Gerede vom ständigen Fremdflirten und Fremdgehen der anderen Mädchen nicht, weil sie wusste, alle waren neidisch auf sie.


    Martin war darüber sehr traurig, nicht der Mann an ihrer Seite zu sein.


    Einmal hatte er sich auf ein anderes Mädchen, Nadine, konzentriert. Es kam zwar keine an Manuela heran, aber dennoch fand er sie interessant. In erster Linie wollte er sie eifersüchtig machen. Fehlanzeige. Sie freute sich sogar für ihn. Durch seine Trauer verleitet, stürzte er sich in die Bekanntschaft mit Nadine und wollte nun endgültig Manuela vergessen. Als er Nadine zu einem Eis einladen und mit ihr über „Beziehung“ sprechen wollte, kam ihm Benjamin dazwischen.


    Auch wenn dieser mit Manuela zusammen war, sagte Benjamin immer und grinste schelmisch. „Da ist doch nichts dabei, mit ihr ein Eis essen zu gehen!“ Und er mit Nadine lachend verschwunden.


    Er war sehr enttäuscht und unendlich traurig. Er fing an, sich immer öfter in seinem Zimmer zu verkriechen und wollte von außen herum nichts mehr wissen.


    Martin hatte erkannt, dass keine so war, wie seine Manuela. Er liebte sie und ihre Freundschaft. Er hatte immer die Hoffnung, dass daraus mehr werden konnte und immer wenn er dachte, jetzt war es soweit, wurde er erneut in seinem Herzen verletzt. Bei jeder Umarmung, jedem Kuss auf die Wange, ließ ihn erneut in den siebten Himmel schweben.


    Die Freundschaft zu seiner Herzdame blieb bestehen. Immer wieder erzählte Manuela, dass der Grund der Streitereien Missverständnisse waren und sie sich wieder mit ihm vertragen hatte. Die Verliebtheit zu diesem Benjamins konnte sie nur schwer verbergen.


    Jeden Morgen konnte er dem Anblick nicht mehr ertragen und sein Hass auf diesen Benjamin stieg immer mehr an.
    ‘Irgendwann kommt die Zeit und dafür wirst du büßen, dass du meinem Mädchen so verletzt hast und sie hintergangen bist……´. Martin lachte insgeheim diabolisch auf.



    Wieder in der Gegenwart angekommen, schüttelte er sich und musste diesen Kloß erstmal hinunter schlucken und verdauen.
    Nachdem er sich wieder gefangen hatte, zog er sich schnell eine Jacke über und machte sich auf die Suche.
    Wutentbrannt und in seinen Gedanken vertieft, stürmte er aus dem Motel.
    „WO WILLST DU HIN? Willst du mir wieder ein Mädchen nach dem anderen wegnehmen? DU INTRIGANT. Nein. Das lass ich nicht zu. Nie wieder wirst du mir eines meiner Mädchen wegnehmen und sie in DEINEN Bann ziehen.“


    „Nie wieder. Hörst du? Das wirst du mir büßen! Ich krieg dich. Gnade dir Gott, wenn ich dich finde!“
    Seine Augen funkelten und zeigten sich wieder leicht psychotisch. Mit diesen Worten war Martin ebenfalls im Wald verschwunden.
    Zwar kannte er sich in diesem Wald sehr gut aus, aber auch ihm machte der Nebel sehr zu schaffen.



    "Verdammt! Wo steckst du!? Ich muss und werde dich wieder finden und zurück bringen. Bevor der kleine Wicht zurückkehrt. Der wird mich sonst die schlimmsten Sachen mit mir machen lassen! Und soweit wird es nicht kommen!... Mann, verflixt! Da sieht man aber auch wirklich nichts! Wo bin ich denn? War ich nicht schon einmal hier? Das kann doch nicht wahr sein!?... ZEIG DICH ENDLICH UND FÜGE DICH DEINEM SCHICKSAL!"


    Auch Martin irrte kopflos umher. Das hätte er nicht gedacht. Richtig konzentrieren konnte er sich auch nicht. Er machte sich noch immer Vorwürfe, wie das passieren konnte.


    Wiederholten Males kam er an die gleiche Stelle zurück.
    „Verflixt! Schon wieder diese blöde Tanne! Ich dreh echt gleich völlig durch. Ich hab keine Lust mehr auf das Versteck-Spiel! GIB AUF!´“ brüllte Martin wütend.
    Langsam wurde seine energische Stimme leiser, brummte nur noch kaum hörbar vor sich hin und suchte weiter.

  • Aus der Sicht von Ben



    Erschrocken fuhr ich aus meinem Alptraum hoch. Blitzschnell öffneten sich meine Augen und waren weit aufgerissen. Völlig desorientiert blickte ich mich um. Ich musste mich erst einmal wieder finden und so langsam wurde mir alles wieder klar. Mein Blick fiel ins Leere, als plötzlich die Bilder der vergangen Tage mich heim suchten.Ich fing an zu begreifen, dass mein Traum nicht nur Traum geblieben war. Der Großteil war schon zur Realität geworden. Sofort wollte ich diese Gedanken verwerfen. Ein schreckhafter Laut kam über meine Lippen.


    Die Kälte war durch jede Faser meines Körpers gedrungen. Man konnte nicht nur sehen, wie mein Körper bebte, sondern auch hören, wie meine Zähne vor Kälte klapperten.


    Die Blätter hatten ihren Dienst leider nicht erfüllt, denn meine Kleidung schmiegte sich vor Feuchtigkeit bereits wie eine zweite Haut an mich und verstärkte somit das Kältegefühl. Mir war kalt, einfach nur kalt und mit meinen Händen versuchte ich, mich warm zu rubbeln. Meine Kleidung war klamm und zäh. In meinem Hals kratzte es. Bei jedem Atemzug machte sich ein Hustenreiz bemerkbar, den ich nur schwer unterdrücken konnte. Der Husten quälte mich und fand kein Ende. Von meinen Bronchien hustete ich nur in kleinen Stücken, grüner, zäher Schleim ab. Meine Brust schmerzte, doch nicht nur von den Brandverletzungen, sondern mir war auch klar, dass sich wohl eine Lungenentzündung anbahnte. Ich musste dabei leicht grinsen, denn ich geriet wie so oft in so eine Misere. Nur war mir leider nicht zum Scherzen zu Mute.


    Ich musste weg und das schleunigst… ich brauchte Wärme… brauchte Hilfe….


    Hmmm… ich hörte etwas!?…. was war das? War er mir doch schon auf den Fersen? Ich blickte hastig um mich, in jeden Winkel, soweit es die Sicht zuließ, versuchte ich etwas zu erkennen. Puh. Noch einmal Glück gehabt. Nichts und niemand war zu erkennen!


    Durch das Ganze, merkte ich gar nicht, dass es bereits früher Morgen war und sich das Tageslicht einstellte. Es warsehr diesig. Der noch immer bestehende Hochdruck hing als Nebelschwaden in den Bäumen.


    Mein Blick fiel nach oben und wenn ich mir diesen Wald soansah, sollten eigentlich die Blätter der Bäume in diesem Herbst schön bunt sein, doch stattdessenn war alles grau und farblos und feucht. Dieser Ort wirkte wahrhaftigdämonisch. Der Tau tropfte auf den Waldboden hinab. Ich beobachtete die Käfer und anderes kleines Getier, dasbereits wach war und genüsslich ihren Durst an den Tropfen stillten. ….Durst….Trinken…..


    Sehnsüchtig leckte ich mit meiner Zunge über die Lippen. Ich sah vor meinen Augen schon ein großes Glas Wasser, nachdem meine Hand greifen wollte. Oh, wie gern würde ich das jetzt trinken…. Tz, tz, tz… ich fang schon an, zu spinnen….


    Sofort rappelte ich mich auf meine Beine und wollte weiter.Doch ich musste mich sofort an einem Baum festhalten. Schwindel überkam mich und es drehte sich alles. Einige Sterne blitzten vor meinen Augen herum und mir wurde leicht schwarz. Mein Mund war ganz trocken. Die Zunge klebte schon am Gaumen. Mir war klar, dass ich unbedingt etwas zum Trinken brauchte. Und da der Gedanke und die Lust nicht aus meinem Hirn verschwinden wollten, musste ich mich auf die Suche machen. Ich hoffte inständig, ich hätte Glück und fand etwas.


    Nach einigen Sekunden normalisierte sich alles. Wieder einmal drehte ich meinen Kopf in allen Richtungen und beschloss, meinen Weg nach rechts fortzuführen. Es war ein seltsames Gefühl, durch den Nebel zu gehen. Man konnte meinen, durch eine Wand hindurch gehen zu können und ineine andere Welt abzutauchen. Es war aufregend und doch gruselig zugleich, was sich auf der anderen Seite befand.Und vielleicht wartete der Irre dort schon auf mich? Ich musste diesen Gedanken kräftig hinunterschlucken.


    Ein Zeitgefühl besaß ich nicht mehr und wusste auch nicht, wie lange ich wieder umherzog. Ich hielt nach allem Ausschau, das mir irgendwie helfen konnte. Meine Ohren spitzten sich, wie die eines Luchses, und lauschten nach etwas und ich begann, dem zu folgen. Meine Ohren hörten und meine Augen sahen das Geplätscher von einem kleinen Bach. Ob ich dem trauen kann, was meine Augen erblickten? Ich schüttelte mich und kniff meine Augen auf und zu. Dann sah ich wieder hin und der Bach war noch immer da. Ich freute mich so, dass ich nicht mehr abwarten konnte und auf den Bach hinzu stürmte. Meine aufkommenden Schmerzen verkniff ich mir dabei. Am Wasser angekommen, ging ich auf die Knie, damit ich mit meinen Händen eine Kuhle machen konnte und ließ so das Wasser in meinen Mund fließen. Aaaaahhhh, tat DAS gut. Ich blieb noch eine kurze Weile am Ufer sitzen, starrte durch den Bach hindurch ins Leere und grübelte weiter nach einer Lösung.


    Ob ich noch tiefer in dem Wald geraten war? Wie sollte ich so nur einen Weg hinaus finden? Ich war schon völlig verzweifelt. Wieder war ich den Tränen nahe. …


    Ich schrak auf. Huch, ….. was war das? Schon wieder dieses Geräusch! Waren das Schritte? Oder Stimmen? Aber…. …Nein…..da war nichts…..Ich hab mir da was zusammen gesponnen. Langsam aber sicher wurde ich paranoid.Dennoch war mir sehr mulmig zu Mute.


    Da! Wieder dieses Geräusch! Es klang…. Hmm… da war doch jemand? Ich drehte meinen Kopf langsam rücklings von mir und stockte. Da sah ich eine Person an einem Baum gefesselt.


    Mit jeder Bewegung, die ich machte, überkam meinen Lippen ein Schmerzenslaut. Ich wollte zu ihm eilen und ihm helfen.


    Aber es ging nicht. Mühselig hatte ich es bis hier her geschafft. Und jetzt musste ich mich erneut aufraffen. Das kostete mir sehr viel Kraft und von der besaß ich nicht mehr viel.


    Komm schon, Ben! Versuch es! Diese Person braucht deine Hilfe und du ihre! Augen zu und durch!


    Und so riss ich mich mit großen Schmerzen zusammen.



    Völlig entkräftet kam Ben dort an. Mit großer Vorsicht beäugte er diese Person.


    Sie saß wohl schon länger hier und schien auch richtig durchgefroren zu sein. Die Beine waren an seinen Körper angezogen und die Arme und die Hände umschlungen einen alten vermoderten Baumstamm. Auf seinem Kopf war ein Sandsack gestülpt und man konnte ein gedämpftes Wimmern darunter wahrnehmen. Seine Kleidung war kalt, schmutzig und ebenfalls feucht.


    Ben kam ihm langsam näher und schaute sich seine Hände an, die er gerade losbinden wollte. Die Hände hatten schon eine bläuliche Farbe angenommen. Während er die Fesseln löste, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, wer da wohl vor ihm saß. Der Förster!


    „Hallo? Hören Sie mich? Ich will Ihnen helfen!“ meinte Ben und nahm langsam den Sack von dessen Kopf.


    Der Förster stieß einen Erleichterungsschrei aus und wimmerte noch vor sich hin. Langsam bewegten sich seine Finger und Hände und versuchte, die Durchblutung anzuregen. Er selbst wusste auch nicht, wie lange er hier schon war. Der Förster stöhnte auf. Mit zittriger Hand steuerte er diese an seine Platzwunde an der Schläfe. Das Blut war getrocknet. „Aua…! Was... Wer…! Ah. Sie? Dass Sie noch leben? Ich wollte Ihnen helfen und jetzt helfen Sie mir? Danke!“ kam flüsternd und stockend aus seinem Mund.


    „Wir müssen hier so schnell wie möglich raus. Dieser Irre ist bestimmt schon auf dem Weg. Das hab ich im Gefühl! Kennen Sie sich hier aus? Kennen Sie den Ausweg?“


    „Ähm. Ja. Ich muss mich auch erstmal wieder orientieren. Aber hier irgendwo müsste mein Wagen stehen! Die Schlüssel hab ich einstecken.“ Meinte Harald und versuchte, sich langsam in die Höhe aufzurichten. Auch er hatte Probleme. Das lange Sitzen und diese Starre hatten auch bei ihm Spuren hinterlassen. So musste er sich erstmal aufwärmen und betrachtete sich seinen Retter etwas näher. Dieser sah gar nicht gut aus. Seine Lippen waren schon blau verfärbt, seine Kleidung war feucht und schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihn. ´Oh je! Was er wohl alles durchlebt hatte? Ihm war bestimmt auch so kalt…´dachte er sich und machte sich große Sorgen um den Mann. Als er an dessen Brust auch noch eine rötliche Verfärbung sah und sein Husten hörte sich gar nicht gut an, kam der Vater in ihm durch.


    Harald streckte seine Hand Ben entgegen, zur Aufforderung, dass er ihm auf helfen wollte. Dann zog sich Harald seine Jacke aus und gab ihm zu verstehen, dass er diese anziehen sollte. Er war der Meinung, dass ihm seine Jacke trotzdem guttat und ihm bald wärmer wurde.


    Ben war gerührt und froh. Ein kleines Lächeln huschte über sein blasses Gesicht. Harald verstand ihn ohne Worte. „Was ist denn passiert?“ wollte der Förster wissen. Ben musste kurz inne halten und tief Luft holen, als er zu Reden begann, wie seine Stimme immer leiser wurde und ihm dabei unaufhaltsam Tränen über seine Wange liefen und sein Körper vor Grauen erneut begann, zu beben.


    Harald merkte, wie schwer Ben das Reden darüber fiel und kaum richtige Worte dafür fand. Seine Psyche war sehr labil und befand sich auf dünnem Eis. Man sah diesem jungen Mann an, wie sehr ihn das mitnahm.


    „….ich hoffe, Sie können mir bei der Rettung und dem Ausweg helfen. Wenn der weiß, dass ich geflohen bin…. Der sucht bestimmt…. Sie sind meine letzte Chance!“ Ben lag all seine letzte Hoffnung in ihn. Dem Förster berührte das Schicksal von Ben und musste ihn einfach kurz in den Arm nehmen, ihm zeigen, dass er nicht alleine war. „Kommen Sie! Ich glaube, ich weiß, wo wir uns befinden. Nicht weit von hier, ist mein Wagen.“


    Harald ging mit seiner Hand in seine Jacke, die Ben anhatte, und holte die Autoschlüssel heraus. Lächelnd ließ er vor ihm die Schlüssel hin und her klirren. „Auf! Wir schaffen das! Ich helfe Ihnen! Wir müssen halt dennoch einige Schritte laufen.“


    Und so schleppten sich beiden durch den düsteren Wald hindurch.

  • Hallo Leute,


    da ich momentan aus gesundheitlichen Gründen im KH bin, kann ich vorerst an meiner Geschichte nicht weiter schreiben.


    Sobald ich gesund bin und mich erholt hab, geht es weiter. Versprochen.


    Liebe Grüße,
    Kathrin

  • Ich werde voraussichtlich erst März / April 2015 oder gar länger wieder schreiben können. Bis ich meine Krankheit ausgestanden habe und aus dem KH entlassen werde, wird es wohl noch länger dauern.


    Es tut mir leid.
    Ich hoffe, ihr seid dann wieder mit dabei.
    Bis dann


    Liebe Grüße,
    Kathrin

  • Ich möchte mich für die Besserungswünsche bedanken. Es gab einige Komplikationen. Aber es geht mit mir langsam wieder bergauf und hab mir mal die Zeit vertrieben; )
    Viel Spaß beim Lesen...wann das nächste kommt, weiß ich selbst nicht.
    Hoffe, ihr hattet alle schöne Weihnachten.
    Was ich hier nicht ganz verstehe,ist das kursiv schreiben. Denn der Rückblick sollte kursiv sein. Ich hoffe, es geht trotzdem mit dem Lesen.
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    Einige Zeit zuvor



    Orientierungslos irrte Bens Verfolger im dichten Nebel im finsteren Wald umher. Immer wieder entglitten ihm über seine Lippen wütende, unvollständige Wortfetzen. Seinen Frust ließ er an seinen noch verschwundenen Insasse im Kopf aus und seufzend sprach er mit sich selbst:


    „Mann! Und wo bist du da oben, wenn man dich braucht? Vier Augen sehen mehr als zwei! Also scher dich sofort zurück und hilf mir gefälligst. Statt mich immer irre zu machen und zu beleidigen, könntest du mir mal beim Suchen helfen, DEINEN GAST wieder ausfindig zu machen! Wie wäre es denn damit??


    Pah, eigentlich kannst du auch weg bleiben….. Ich hab selbst Gefallen daran gefunden, ihn zu quälen. Am besten, ich behalte ihn für mich. Stück für Stück werde ich ihm seine Schönheit nehmen. Dann kann er mir schon nicht die anderen Mädchen ausspannen, wie früher! Vielleicht hat es sich Nadine ja auch anders überlegt und mag mich wieder. Und dieser Ben lässt schön seine Finger von ihr.


    Und du? HALLO? Was willst du von ihm? Was willst du von ihm, was ich ihm nicht auch nehmen könnte, hä? Du!? Ausgerechnet du! Wie willst du das denn auch ohne mich machen? …


    ……VERFLIXT…. Jetzt zeig dich doch und komm her!“Martin brummte noch immer vor sich hin. Langsam kamen ihm Zweifel, ob er ihn überhaupt in diesem Nebel finden würde.


    Während er sich weiter frierend auf die Suche machte, kehrten wieder einige schlimme und gar schöne Erinnerungen vor seinem inneren Auge zurück.



    Es war ein kalter 01. November Morgen. Allerheiligen und ein Feiertag. Die Heizung funktionierte wieder einmal nicht. Sein Vater hatte sich wohl noch immer nicht dazu gerungen, sich darum zu gekümmert. Darum ging er an seinen Kleiderschrank und nahm sich einen bestimmten Wollpulliheraus und zog ihn sich über. Er strich mit seiner Hand über die weiche Wolle seiner Schulter. Seine Augen hatte er dabei geschlossen und verträumt sah er sie. Dabei entwich ihm eine einzelne Träne und rannte erst langsam und dann schnell über sein Gesicht, bis sie aufgegangen war. Dass nur dieser einzige Tropfen so kalt sein konnte?


    Seine Mutter hatte ihn damals für ihn gestrickt. Er lächelte vor sich hin, als er daran dachte, wie lustig das aussah undwie herzhaft seine Mama gelacht hatte. Damals war er im Pulli versunken. Nur der Kopf schaute heraus und von der Länge her, ging er ihm bis zu den Knien, so groß war er undmachte gleichzeitig Grimmassen dazu. Jetzt passte er wie angegossen. Sie fand das so zum Lachen lustig. Sie ging langsam auf ihren Sohn zu, umarmte ihn und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.


    ´Für kalte Zeiten und dass er dich auch schön lange warm hält!´ hatte sie ihm freudig gesagt.


    Martin hatte ihn nur in seinem Zimmer an, damit sein Vater dies nicht sah und ihm nicht wieder die Hand ausrutschte. Nach dem Tod der geliebten Frau, musste er allesaussortieren und von seiner Mutter entsorgen.


    Sich von den ganzen Sachen zu trennen, riss ihm wieder das Herz heraus. Der Vater wusste, dass dies mehr war, als eine Bestrafung mit einem Faustschlag.


    Der Junge beobachtete den Vater eines Abends, wohin erdie Sachen verstaute. Als er nachts nicht da war, schlich ersofort in den Keller und holte sich einige ganz bedeutsame Gegenstände heraus, mitunter den Wollpulli, und versteckte sie unter der Matratze. Bis heute hatte sein Vater dieses Versteck nicht gefunden.


    Martin war mittlerweile 17 Jahre alt und stand wieder gedankenverloren vor dem Fenster und beobachtete das Treiben von draußen! Alles wirkte so kalt, so trüb, so düster, wie seine Seele. Eigentlich das richtige Wetter für ihn, aus dem er nicht mehr entfliehen konnte. Sein Blick schweifte umher und blieb am Rande des Waldes stehen. Er beobachtete zwei Personen spazieren gehen, die innigverschlungen und schwer verliebt wirkten. Als Martin genauer hinsah, traf es ihn wie einen Schlag ins Gesicht. Das war Nadine, mit diesem blöden Angeber Benjamin. „…. Was… was soll das? Solch Liebeleien vor meinem Haus? … Na warte….“


    Geschockt von diesem Anblick, verwandelte sich das Entsetzen in Hass um und ohne darüber nachzudenken, waren seine Schuhe angezogen und wollte den beiden so richtig die Meinung sagen. Vor allem von Nadine war er sehr enttäuscht und sie wusste, wie oft Martin vorm Fenster saß und die Landschaft und das Weite betrachtete. So konnte er wunderbar in seinen Gedanken versinken. Wollten sie ihn provozieren? Warum? Nicht nur, dass ihm dieser Angeber seine einzig wahre Liebe zu Manuela weggenommen hatte.Nein, das reichte ihm wohl nicht. Jetzt auch noch Nadine!Und ohne mit der Wimper zu zucken, betrog er beide Frauen. Ohne jegliche Scheu. Dieses Wissen machte ihn rasend.


    Martin kam dem Wald immer näher. Die beiden schienen wohl hineingegangen zu sein. Martin selbst mochte den Wald nicht. Auch wenn er diesen nur zu gut kannte, aber fürchten tat er sich dennoch. Der Wald war für ihn so mächtig, unberechenbar und so geheimnisvoll.


    Von weitem behielt er sie im Auge. Während sich Benjamin eine Zigarette anzündete, zog sich Nadine ihren roten Lippenstift nach. Martin ertappte sich dabei, wie verlegen er wurde.


    Er war ihr einmal durch die Stadt beim Einkaufen gefolgt und hatte damals gesehen, wie sie ihn gekauft hatte. Und jetzt benützte sie ihn – für diesen Angeber.


    Auf einmal kam ihr dieser Benjamin immer näher und schien, sie zu bedrängen. Sie währte sich und stieß ihn mit den Armen von sich weg. Martin konnte nicht mehr zusehen,rang sich dazu, sich einzumischen und wollte Nadine helfen.
    „Lass sie los! …. sonst!“ kam es ernst und sehr couragiertvon dem 17-Jährigen. Erschrocken fuhren beide hoch.Nadine blickte in Martins Augen. Diese sprachen ihre eigene Sprache. Schnell sammelte sie sich wieder und ergriff die Flucht. Sie war verschwunden. Benjamins Gesicht lief vor Zorn rot an und stürmte wütend mit geballten Fäusten auf Martin los.



    Noch bevor ihn dieser Schlag treffen konnte, nahm er einige Meter vor sich ein leises Geräusch wahr und fand sich urplötzlich in der Gegenwart wieder.


    Erschrocken fuhr er zusammen und hielt inne. Bis er wieder begriff, warum er hier war und was er wollte.


    „…. Ah, da! Da war doch was!“ Er schaute um sich und erkannte nichts. Alles wirkte in diesem Moment ruhig und friedlich.


    Und doch hörte er etwas. Lauschend ging er dem Geräusch hinterher und stutzte. Innerlich grinste er schelmisch auf.


    ´Ich hab dir doch gesagt, dass du mir nicht entkommst. Du hast verloren.´


    Er musste ganz leise sein und schlich wie ein Luchs durch das Unterholz. Hinter einem Baumstamm versteckend, spähte er weit hinaus, bis von weitem ein dunkler, unheilvoller Schatten auftauchte. ´Das musste er sein!?´


    Immer näher tastete er sich still und leise an diese dunkle Gestalt heran. ´War er das wirklich?´ Irgendwie war er gerade nicht mehr so sicher. Denn dieser Schatten machte seltsame Geräusche und kroch merkwürdig am Boden entlang.
    Dieser Schatten suchte sich seinen Weg durch den Wald. Vielleicht jagte er etwas? Oder jemanden?


    ´Was ist, wenn das ein Tier ist?´ Martin schluckte seinen Kloß hinunter. Ihm war sehr mulmig zumute. Er kannte sämtliche Gefahren im Wald, die nur darauf warteten, dass man einen Fehler begann. Da ihm selbst der Wald sehr mystisch vorkam, machte ihn jedes Geräusch leicht paranoid, so dass er am liebsten den Rückweg einschlagen wollte.


    Doch mit seinem Blick immer noch auf diese Gestalt fixiert, hörte er unter seinen Füßen das Knistern des Gehölzes und blieb auf einmal erschrocken stehen. Er schaute genauer hin und erkannte seinen Flüchtling. Er war nicht alleine. Er war zusammen mit dem Förster.


    Schnell sah er sich um und verschwand erneut hinter einem Baumstamm und beobachtete die beiden. ´Gut! Bemerkt scheinen die mich wohl noch nicht zu haben!´ atmete Martin erleichtert auf. Er war dicht genug, um jedes einzelne Wort zu verstehen und musste hin und wieder schmunzeln, als Ben ihn immer „Verrückter“ oder „Irrer“ nannte.


    ´Na, na! Wie nennst du mich? Irrer? Ich zeig dir das nächste Mal, wie irre ich bin! Und dann wärst du froh, wenn du mich so nie genannt hättest!´ grinste er hämisch. Bei diesem Gedanken funkelten seine Augen.


    ´Und der Förster? Vielleicht hätte ich ihn doch umlegen sollen, wie es mein kleiner Narr anfangs befohlen hatte. Jetzt hilft der ihm noch zur Flucht! Wenn der wüsste…. Ich muss schleunigst zusehen, dass ich ihn wieder hier habe, bevor der Narr wieder zurückkommt und noch etwas merkt! …Ah… was höre ich da? Mit dem Wagen wollt ihr weg? Ich weiß auch, wo wir sind! Ich werde schneller sein und ich verfolge euch. Ich verfolge euch, bis ich hab, was ich will. Du entkommst mir nicht mehr!´


    Mit diesem teuflischen Plan, eilte er bereits völlig im Wahn auf dem Rückweg zu seinem Motel und nahm sämtliche Abkürzungen durch den Nebel, der ihn nicht mehr störte.


    Pustend eilte er schnell die Stufen am Eingang empor und hastete in sein Zimmer, um die Autoschlüssel aus dem Nachttisch zu holen. Freudig hielt er sie in der Hand und machte wieder kehrt.


    Der silberne Mercedes war hinter dem Motel gut versteckt. Flink entnahm er das Tarnnetz, das er darüber geworfen hatte.


    Martin stand davor und drückte auf den Knopf des Schlüssels, um das Auto aufzuschließen. Ziemlich zufrieden, stieg er auf der Fahrerseite ein, nahm hinter dem Lenkrad Platz und sah grinsend auf die Uhr. Er lag noch gut in der Zeit. Nicht mal 35 Minuten waren vergangen und nun drehte er den Schlüssel um. Die Elektrizität durchströmte durch das ganze Auto und die Zündung ging an. Der Motor brummte laut auf und fuhr davon.

  • Nebel, überall Nebel. Dieser waberte noch immer durch den Wald. Er wog am Bach herum. Er kroch durch das Schilf. Er umspielte die Beine der beiden Männer, die verwirrt und verzweifelt zwischen den Bäumen entlang stolperten und jede noch so kleine Wurzel mitnahmen.
    Die meisten Bäume und das meiste Gebüsch waren blattlos und wirkten im Nebel gespenstig knochig.
    Einige Spuren des letzten Unwetters hatten im Wald so manches Chaos hinterlassen. Denn es waren Bäume quer im Weg gelegen, von denen manche nur noch von der Böschung gestützt wurden, einige waren entwurzelt worden und einer war zersplittert waagrecht in der Luft gehangen. Der Erholungsfaktor, den dieser Hain zu bieten hatte, war dadurch erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden.

    Nur langsam bewegten sie sich von der Stelle. Harald half Ben immer wieder auf. Die Beine des sichtlich mitgenommenen Mannes wollten sein Körpergewicht einfach nicht mehr tragen und knickten bei jedem Schritt kläglich ein. Das Unterholz zerkratze seine Beine, an denen in feinsten Rinnsalen etwas Blut herunter lief. Die unheimliche Stille in der Luft wurde von einem kräftig plagenden Hustenanfall von Ben unterbrochen. Seine rechte Hand steuerte an seine linke Brust und hielt sich diese krampfhaft, als wollte er sich das Herz ausreißen, sodass das Weiß an den Knöcheln der Hand hervor trat. Sein Brustkorb schmerzte ihn unendlich und er verspürte wie Messerstiche am Herzen, die ihn sehr beunruhigen und deutlich mitnahmen. Er hatte große Schwierigkeiten, die ihm das Atmen kaum mehr möglich machten und röchelte. Erschöpft lauschte er in sich hinein. Die besorgten Worte von Harald drangen wie durch Watte an seine Ohren, die er einfach nicht verstehen wollte. Seinen Puls spürte er wieder an der Halsschlagader mächtig aufklopfen. Die Brandwunde auf seiner Brust war aufgeplatzt, er wollte gar nicht wissen, wie diese aussah. Er merkte, wie heiß sie war. Sie brannte wie Feuer und hatte ihren eigenen Pulsschlag. Und das allein verhieß nichts Gutes.

    „Kommen Sie! Nicht mehr lange, dann haben wir es geschafft!“ gab ihm Harald zu verstehen.
    „Hmmm?“ wurde der Dunkelhaarige aus seinen Gedanken gerissen. „Wie?“
    „Ich bin Harald und wie Sie wissen, bin ich der Förster!“ Harald wollte ihn mit einem Gespräch beschäftigen, damit er nicht jede Sekunde an die Schmerzen dachte.
    Immer wenn der Förster in dessen schmerzverzehrtes Gesicht blickte, zogen sich krampfhaft Falten auf seiner Stirn zusammen und kniff seine fiebrigen Augen ständig auf und zu.
    „Ich bringe Sie sofort in ein Krankenhaus, sobald wir im Wagen sitzen!“ versprach Harald sehr einfühlsam Ben. Er machte sich große Sorgen um diesen noch so jungen Mann, dessen Gesundheitszustand sich sichtlich verschlechterte.

    „Ich bin… Ben. Ich…ich bin Polizist. Autobahnpolizist in… Köln!“ kam schwach aus seinem Mund, begleitend von einem erneuten Hustenanfall. Kraftlos und abgespannt stützte er sich mit einer Hand an einem Baumstamm, rang nach Luft und sein Atmen ging schneller. Mit der anderen Hand wischte er sich einige Schweißperlen von der Stirn. Er konnte nicht mehr und wollte sich am liebsten hinlegen und in die Dunkelheit hineinrennen, die ihn immer wieder aufsuchte, er sie aber ablehnte. Doch das ging nicht. Noch nicht. Nein. Erst wollte er sich und den Förster in Sicherheit wiegen.

    Ben hielt inne und versuchte, sich zu beruhigen, während Harald nicht wusste, mit der Information etwas anzufangen. Er wusste auch nicht, ob es in dieser Situation von Vorteil war, zu wissen, dass er Polizist war. Polizist hin oder her, verletzt und erschöpft waren sie beide.

    Der Förster suchte vergebens nach einem Anhaltspunkt, der sie weiterbringen könnte. Unter normalen Umständen wären sie schon längst am Ziel. Aber in seiner jetzigen Situation, womöglich von einem Psychopaten verfolgt, konnte er sich nur schwer konzentrieren.
    Seine vertraute Umgebung und zweite Heimat, auf die sich der Nebel niedergelassen hatte, hatte sich auf einmal so verändert. Mit den Gefahren und dem Wild zu später Stunde, kannte er sich aus und wusste, wie man sich verhalten musste. Doch jetzt? Es war alles anders! Und in Harald kam ein ungutes Gefühl auf.

    An einer tiefer gelegenen Ebene stoppten sie beide. Ein Schild, das ein Wasserschutzgebiet auswies, verbot ihnen den weiteren Weg. Dieses Schild war momentan der einzige Zeuge menschlicher Zivilisation. Es war verlockend, doch sie befolgten dieses Verbot und schlugen einen anderen Weg ein.
    Auf einem Abstieg war die Erde rot, wie gemahlenes Kupfer. Eine Ameisenstraße schlängelte sich vor deren Füßen entlang.
    Die beiden schattenhaften Silhouetten huschten weiter. Die großen Fichten erstreckten ihre bleichen, geraden Stämme über sie und breiteten ihre dürren Äste wie ein drohendes Skelett aus, die den Todesschrei der tausend sterbenden Bäume schrien.
    Das Gehölz unter den Füßen auf dem Pfad um sie herum knisterte. Die Wunder der Natur waren schon sehr faszinierend und doch gleichzeitig erschreckend und furchteinflößend.

    Gedankenversunken blieb Harald abrupt stehen, woraufhin Ben über seine Füßen stolperte und sich noch schnell mit der Schulter auffangen konnte. „Aaaarghh….Was ist? Warum bleibst du stehen?“ fragte Ben verwundert und betrachte ihn. Der wiederum beachtete ihn nicht, sondern zeigte mit gestrecktem Arm und Zeigefinger den Weg.
    „Schau mal da vorne! Wenn ich richtig liege, ist es nicht mehr weit. Dann sind wir da!“ freute sich Harald, der mit seinem geschulten Auge den ersehnten Anhaltspunkt, den Hochsitz des Jägers, ausfindig machen konnte. Er half dem leidigen Ben wieder auf die Beine. Nur noch einige Meter, dann hatten sie es geschafft.
    Die Luft blieb kalt und feucht. Alles war so ruhig. Schauderhaft ruhig. War das die Ruhe vor dem Sturm?

    Völlig abgekämpft und mit großer Mühe, gelangten sie an den Wagen und es entfuhr beiden ein Laut der Erleichterung und Freude über die Lippen.
    Mit zittriger Hand zog Harald den Autoschlüssel aus der Hosentasche.
    „Schließ auf! Wir müssen schnell hier weg!“ wies Ben den angeschlagenen Förster an. Harald öffnete den Wagen und setzte sich hinter das Steuer. Ben nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt, drehte er ihn nach rechts und nichts. Kein Laut.
    „Was ist das denn jetzt!“ kam vom Fahrer. Der Wagen wollte nicht anspringen. „Los! Auf. Versuch es nochmal!“ forderte Ben auf. Woraufhin Harald es erneut versuchte. Wieder nichts.
    „Nein! Bitte! Das darf doch jetzt nicht wahr sein! Versuch es nochmal!“ kam es hysterisch von Ben.
    „Ja! ….jetzt lass mich doch mal machen! Du machst mich ganz nervös mit deiner Unruhe!“ kam es genervt vom Förster, der doch auch nur wollte, dass das Auto ansprang.
    Wieder startete er einen weiteren Versuch. Doch diesmal mit Erfolg und die Elektrizität vibrierte durch jede Leitung des kompletten Autos hindurch und machten die gewohnten Laute. Müde und zutiefst erleichtert blickten sich beide an und stießen gemeinsam einen tiefen Atemzug aus.

    Harald stellte das Fernlicht und Heizung ein und die Fahrt konnte losgehen. In dieser Hektik vergaßen beide, sich anzuschnallen.
    Was ihnen noch zum Verhängnis werden sollte!

  • So, hier ein weiterer Teil. Aber etwas kürzer, denn am Rest muss ich noch etwas rumdoktern ;)
    Viel Spaß
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    Das Auto fuhr über dem holprigen Waldweg durch den Wald. Auf einmal sah Ben um sich und bemerkte im Rückspiegel zwei Scheinwerfer aufleuchten. Ihm war mulmig und krächzte sofort: „Mist. Nein. E…ER ist hinter uns! Das kann nur ER sein!? Wie….woher…. Das kann doch nicht sein!“ Angst machte sich in Ben und Harald breit, dessen Gesichtsfarbe nun komplett entwich und damit Ben Konkurrenz machte. Wenn er noch weiter darüber nachdachte, dass er von dem Verfolger möglicherweise bewusstlos geschlagen wurde, wurde ihm ganz anders.

    „Mann! Jetzt fahr doch schneller!!! Der fährt immer dichter auf!“ kam panisch von Ben.
    „Ja. Ich mach doch schon!“
    Das Auto hinter ihnen kam immer näher. Und schon war es passiert. Wie ein Wahnsinniger rammte Martin mit Bens Wagen immer wieder das Heck von Haralds Auto. Durch die Kraft des Aufpralls fielen die beiden nach vorne.
    Doch jetzt trat Harald das Gaspedal vollends durch und brauste davon. Durch den Wald schlängelte sich eine Landstraße, auf der sie den Vorsprung sogar noch ausweiten konnten.
    „Gut gemacht, Harald! Wir hängen ihn ab!“ lachte Ben erleichtert auf. Seine krampfhaften Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. Aber er behielt ihn im Rückspiegel weiterhin im Auge.

    Der Verfolger kam ihnen tatsächlich nicht mehr hinterher und ergriff Plan B. Er trat gleichzeitig auf die Kupplung und Bremse und stoppte den Mercedes, sodass sich das Fahrzeug quer zur Fahrbahn stellte. Schnell nahm er die Waffe aus der Jackentasche und entsicherte diese. Die Fensterscheibe drehte er hinunter, hielt die Waffe hinaus und betätigte den Abzug. In der Hoffnung, zu treffen. Egal wohin. Ein guter Schütze war er zwar nicht. Aber als er sah, dass das Projektil den rechten Hinterreifen traf, grinste er wieder einmal teuflisch auf. „So, jetzt hab ich euch! Das war´s.“

    „Was war das!?“ rief Harald erschrocken und sah zu Ben. Dieser wiederum ahnte Schlimmes. Nicht zum ersten Mal war das passiert. „Pass auf! Da vorne kommt eine scharfe Linkskurve.“ schrie Ben.

    Noch bevor er etwas tun konnte, schleuderte und schlingerte der Wagen über die Fahrbahn und kam letztendlich seitlich vom Weg ab. Durch das abschüssige Gelände überschlug sich dieser mehrmals und kam auf der rechten Seite völlig demoliert zum Liegen.

    Martin bremste den silbernen Mercedes ab und beobachtete voller Freude das Spektakel, das sich ihm bot.

    Nachdem er sich wieder seine Handschuhe übergezogen hatte, stieg er langsam aus dem Auto hinaus und näherte sich gemütlich dem Unfallort. Er wollte sich nun selbst ein Bild davon machen, in welchem Ausmaß sich der Unfall ereignete und welche Folgen der Unfall für seine beiden Opfer hatte.

    Martin stand nun direkt vor der Motorhaube des Unfallfahrzeuges davor. Suchend trat er über einen Haufen Scherben, unter dem diese in noch kleineren Einzelteilen zerbrachen, einige Schritte weiter. Mit der Hand stütze er sich am heißen Rahmen des Fahrzeugs ab und suchte den Innenraum mit seinen Blicken nach seinen Opfern ab. Er musste aufpassen, denn er wollte sich ja nicht verletzen. „Hmmm…. keiner da? Ja, wo seid ihr denn?“ fragte er singend und verwundert. Er drehte seinen Kopf nach rechts und erkannte den Förster einige Meter abseits des Fahrzeuges liegen.

    Dieser war durch die Windschutzscheibe geflogen und lag leblos einige Meter vom Geschehenen entfernt schwer verletzt auf dem kalten Straßenbelag. Eine große Platzwunde an seinem Kopf, aus der das Blut über sein Gesicht floss, konnte Martin von seinem Standpunkt aus her erkennen.
    „Tja…. Warst wohl nicht angeschnallt…..Hahahahaha! Du wirst mir jetzt wohl keine Probleme mehr bereiten.“ lachte er böse auf. Aber da Martin sich nicht sonderlich für ihn interessierte, ließ er ihn unbeachtet zurück.

    Er suchte ja jemand Bestimmtes. Sein Blick schweifte umher. Wieder trat er einige Schritte, abermals über die Scherben, zurück und schaute um sich herum. Doch noch konnte er von dem Gesuchten nichts entdecken.

    „Huhu, Ben? Wo bist du denn?“ suchte Martin mit geisteskranker Mimik und bewegte dabei nervös seine Hände, auf denen, meinte er, wie Ameisen darüber krabbelten und wollte diese von seinen Fingern werfen.

    „Ich bitte dich. Du brauchst dich doch nicht mehr vor mir verstecken. Ich finde dich doch sowieso. Ich habe dir schon einmal gesagt, du entkommst mir nicht mehr! … oder hast du etwa Angst? … Ja… die solltest du auch haben!“ lachte er gehässig auf und seine Stimme wurde kräftig und laut.

    Er spähte über die Motorhaube und als er da auch noch nichts fand, tastete er sich vorsichtig um das ganze Auto herum und erblickte ihn freudig. Endlich.

    Ben war ebenfalls aus dem Fahrzeug auf die andere Seite geschleudert worden und lag abseits des Fahrwegs auf dem Waldboden. Er war bewusstlos und blutüberströmt. Sein Gesicht war übersät mit unzähligen Glassplittern.

    Alles Mögliche war dermaßen zersprungen, zersplittert und verbeult, dass man das Auto nur schwer als solches erkennen konnte.

    Der dunkelhaarige Polizist war auf einem kleinen Busch gelandet, der unter der Wucht des Aufpralls zerborsten war. Aus seiner rechten Schulter, unterhalb des Schlüsselbeins, ragte die Holzspitze eines Astes heraus. Diese hatte von hinten Bens Körper durchbohrt und ihn förmlich aufgespießt. Unaufhaltsam vergrößerte sich die Lache unter ihm und er verlor immer mehr von dem lebenswichtigen, purpurroten Lebenssaft.

    „Och…. Du warst ja auch nicht angeschnallt! Welch eine Schande! Böser Junge! Hast du das denn nicht gelernt?“ sprach er ironisch zu seinem Opfer.

    Martin musterte sein Opfer genau und bewegte sich langsam zu ihm hinüber. Von diesem Anblick war er so verzückt, dass er sich einen Handschuh von der Hand streifte und ihn einfach berühren musste. Er strich ihm leicht mit den Fingerspitzen über den Kopf entlang und bewegten sich abwärts Richtung Hals und Nacken. Vor lauter Erregung musste er aufhören.
    „Du machst mich ganz wahnsinnig! Deine Haut ist ja noch immer so weich. Aber so schmutzig, wie du bist, kann ich dich nicht lassen.“ kicherte er dabei kindlich vor sich hin. Er meinte, zu träumen. So toll war das für ihn.

    „Schade, dass du nicht bei Bewusstsein bist. Deine leidigen Schmerzensschreie hätte ich nur zu gern gehört. Das wäre der Höhepunkt…. Aber das kommt noch. Versprochen.“ strahlte er irr und mit weit geöffneten Augen vor sich hin.

    Als er wieder bei sich war, musste er tätig werden und sich beeilen. Denn am Hinterreifen bildete sich bereits Rauch, der in die Luft aufstieg.

    „Hmmm… also so bekomm ich dich nicht her weg! Mal überlegen….mal sehen, was unser Förster alles dabei hat!“ Geschwind drehte er seinen Kopf in alle Richtungen. Einiges Werkzeug war aus dem Wagen geflogen und lag verstreut auf der Straße.
    „…. Scheiße… was ist das? Mist… jetzt wird es aber Zeit! …. Schnell an die Arbeit.“ Denn er entdeckte um das Auto herum eine Spur von ausgelaufenem Benzin. Er wurde etwas unruhig und verfiel in Hektik. Die Zeit rannte ihm davon. Nicht mehr lange und bald würde der Benzintank explodieren. Und noch immer musste er sich erstmal auf die Suche nach etwas Nützlichem machen, damit er diesen Mann mitnehmen konnte.

  • Währenddessen erlangte er nicht weit vom Geschehenen langsam sein Bewusstsein wieder. Die Nebel, die sein Bewusstsein darin festgehalten hatten, lichteten sich. Dennoch waren seine Sinne getrübt und war noch desorientiert. Hmmmm….. was war das? Hat mich da nicht jemand berührt? dachte sich Ben noch etwas wirr und mit einem hämmerten Schmerz an seinen Schläfen. Aber nicht nur da, ja überall verspürte er nur Schmerzen … furchtbare Schmerzen. Sein ganzer Körper fühlte sich wie zerschmettert an. Die Kühle des Waldbodens durchdrang seine Kleidung. Sie tat so gut, auch wenn sie ihm nur für einen kleinen Moment sein Leid ein wenig lindern konnte. Plötzlich tanzten unzählige Bilder wild vor seinen Augen umher, die er anfangs nicht zuordnen konnte und auf einmal kehrten die Erinnerungen daran wieder zurück … die Flucht … der Unfall… Harald…. wo war er? …… war er verletzt? ……der Irre? …. Wo war er? …. War er auch hier? ….. Unruhe machte sich in ihm breit und sein Atem wurde hektischer. Auch wenn es ihm unglaublich schwer fiel, zwang er sich seine Augenlider zu öffnen. Seine Augenlider flackerten und erhoben sich schwerfällig. Alles war verschwommen … Einige Male musste er kräftig blinzeln und nach und nach wurde sein Blick klarer. Blankes Entsetzen machte sich in ihm breit, als er das das viele Blut und das blutige Stück aus seiner rechten Schulter heraus ragen sah. Stockend bewegte sich sein linker Arm Richtung der Verletzung. Mann, war das eine Tortur! Vorsichtig betastete er mit seiner linken Hand das Holzstück. Doch mit dem Verschwinden des Schocks setzte auch der Schmerz ein. Zuerst nur andeutungsweise, dann nahm er von Sekunde zu Sekunde zu. So unerträglich war die Pein. Kaum auszuhalten. Ben hatte das Gefühl, ein glühendes Stück Eisen, hatte seine Schulter durchbohrt. Er versuchte sich zu bewegen. Doch jede Bewegung ging ihm durch Mark und Bein. Der Schwerverletzte konnte den aufwallenden Schmerz nicht mehr länger unterdrücken und ließ ihn mächtig aufschreien und sank dabei zurück auf das Erdreich. Sein Herz hämmerte und sprang wie wild gegen seine Brust. Sein Blick fiel mit einer leichten Drehung zur Seite und suchte voller Sorge nach dem Förster. Doch das Knacken eines Astes, der unter festen Schritten zerbrach, lenkte seinen Blick in eine andere Richtung. Ben hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Die Enge in seinem Brustkorb schnürte ihm die Luft ab. Sein Atem setzte aus. Panik überflutete ihn und begann, immer tiefer und schneller zu atmen, stoßweise und unnormal, als er Martin erkannte, der mit einer Säge in der Hand auf ihm zukam.


    „Ohh! Wen haben wir denn hier? Da ist ja jemand aus seinem Dornröschen-Schlaf erwacht!“ erfreute sich Martin, dessen Augen vor Glück nur stahlen konnten und der Mund sich zu einem fiesen Grinsen weit öffnete.


    Als Ben Martins Absicht erkannte, wusste er welche Tortur, auf ihn zukommen würde. Seine Muskeln verkrampften und spannten sich bis zum Äußersten…. jede noch so kleine Faser des Körpers bebte vor Angst und Schrecken… seine Entsetzensschreie blieben ihn in der Kehle stecken…. Seine Gebete wurden nicht erhört… kalter Schweiß stand ihm auf seiner Stirn … er wünschte sich die Flucht zurück in die tiefe, dunkle Ewigkeit.…


    „So. Bitte lieber Ben. Jetzt musst du mal ganz kurz ganz still halten, ja? Wir haben nicht mehr viel Zeit!“


    Als Martin Bens Körper anhob, um die Säge unterhalb Bens Schulter anzusetzen, zerrissen seine fürchterlichen Schmerzensschreie die Luft, die Martin laut auflachen ließen. Es klang wie Musik in seinen Ohren. Unbändige Pein durchtobte den Körper seines Opfers… die
    Augen presste … unbändige Pein durchtobte seinen Körper …die Augen presste er kräftig zusammen…..Schwindel übermannte ihn…. er hörte das Ratschen der Säge, wie die ersten Holzspäne flogen … als ihn endlich die Schwärze wieder auffing und ihn ins Bodenlose fielen ließ.
    Rücksichtslos durchsägte er den eingedrungenen Ast. Den Stumpf ließ er in der Wunde stecken.


    Als er endlich fertig war, warf er die Säge beiseite. Nun wollte er den nun doch Bewusstlosen vom Gelände zerren. „Mensch! Warum geht das nicht! Jetzt komm schon. Ist dir eigentlich bewusst, dass ich gerade dabei bin, MEIN EIGEN Leben aufs Spiel zu setzen, NUR um DICH zu RETTEN???“ Martin zog und zog. Doch er hing fest. Er ließ kurz von ihm ab und mit prüfendem Blick schaute er schnell nach, warum. Bens linker Fuß war zwischen zwei Felsbrocken, die aus dem Waldboden herausragten, eingeklemmt. Dies war im vorhin gar nicht aufgefallen. Wie eine gierige Bestie zerrte er ohne Rücksicht auf Verluste seine Beute aus dem kleinen Felsspalt heraus. Endlich war es geschafft und dem großen Grauhaarigen schwanden die Kräfte. In seinem Wahn beachtete er dies nicht weiter und schleifte den regungslosen Körper unachtsam über den schmutzigen, kalten Asphalt entlang, bis hin zu seinem Wagen.


    Als plötzlich der Benzintank explodierte, flogen einige Metallteile des Autos umher. Martin war zuerst total erschrocken durch den Knall zusammengezuckt. Trotzdem hielt er für einen Moment inne und betrachtete faszinierend und mit glänzenden Augen, wie die wütenden gigantischen Flammen aus dem Autowrack herausschlugen. Lichterloh schlugen sie aus dem Heck und den Fensteröffnungen nach oben. Ein wahnsinniges Farbenspiel aus rot und gelb.


    Er löste sich von dem bezaubernden Schauspiel und setzte seinen Abzug fort. Seine frisch gefangene Beute verfrachtete er schnell in den Kofferraum und trällerte dabei stolz eines seiner Lieblingslieder:


    „Hit the road jack and don’t you come back no more no more no more no more no more, hit the road jack and don’t u come back no more, hit the road jack and don’t you come back no more no more no more no more, no more, hit the road jack and don’t u come back no more no more no more no more…… Hier hör ich auf. Nein, ICH bin doch nicht verrückt, lieber Ben. Nein, nein, nein. Ich hol mir nur das zurück, was mir gehört!” lachte er lauthals auf. Seine Augen glänzten und hatten wieder den psychotischen Stich eingenommen.

    Einmal editiert, zuletzt von Kathrin_1985 ()

  • Hallo Leute,
    tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Hab noch mit einigen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.
    Ich danke den Lesern, die weiterhin dabei sind :)
    So, seid nicht allzu streng. Es wird ein wenig ruhiger.
    Ermittlungen und Befragungen liegen mir nicht ganz so.
    Deshalb hoffe ich, es gefällt euch trotzdem :)
    Viel Spaß beim Lesen
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    Rückblick - Montagabend


    Jenny und Bonrath fuhren bereits zu Bens Wohnung. „Ich wette, der liegt auf dem Sofa und hat mal wieder volle Kanne verschlafen!“ gab Jenny herzlichst lachend von sich. Bonrath nickte zustimmend.


    Es war bereits weit nach 22 Uhr. Alles war dunkel. Nacht. Nur die Straßenbeleuchtung war an. Es war ruhig. Selbst in den Straßen hingen die Nebelschwaden darin fest. Die Luft war bitter kalt. Die Straßen waren leer, bis auf ein paar vereinzelnde Personen, die zu so später Stunde noch mit dem Hund Gassi gingen.


    „Ok. Bonny, siehst du? Bens Wagen ist gar nicht da und in seiner Wohnung brennt auch kein Licht!“ stellte Jenny beunruhigend fest. „Meinst du, er ist schon auf der PASt oder auf dem Weg dorthin?“
    „Keine Ahnung. Lass uns mal klingeln und nach oben gehen. Dann können wir immer noch Susanne anrufen!“


    So parkten sie ihr Auto vor dem Gebäude und stiegen zeitgleich aus, während Jenny dabei ihren Kopf in alle Richtungen drehte. Die junge angehende Polizistin war ganz aufgeregt, dass sie aktiv an den Ermittlungen teilnehmen durfte, denn sonst durfte sie nur Büroarbeiten erledigen.


    Inzwischen liefen beide gemeinsam zu der Eingangstür, musterte Jenny wieder neugierig die Umgebung, ob es nicht doch etwas Auffälliges gab. Aber in diesem Nebel war es sehr schwer, auch nur andeutungsweiße etwas zu erkennen.
    An der Haustür angekommen, wanderte Bonraths Finger ohne zu zögern auf den Knopf der Klingel „Jäger“.
    Ungeduldig warteten sie auf eine Reaktion.
    „Keiner da! War ja fast zu erwarten, oder! Ich möchte bloß wissen, wo sich Ben wieder rumtreibt. Die Krüger wird toben!“ zog Jenny ihre Schlüsse daraus. Das war ihr von vorne herein klar gewesen. „Was jetzt? Sollen wir hochgehen? Oder zurückfahren?“ fragten sich beide. „Komm! Wir rufen Susanne an!“
    Bonrath griff mit seiner Hand in die Jackentasche und nahm das Handy in die Hand. Er wählte die Nummer des Sekretariats der PASt.


    „Susanne, wir sind gerade vor dem Wohngebäude, in dem Ben wohnt. Es macht niemand auf und sein Auto steht auch nicht auf seinem Platz. Ist er vielleicht schon bei euch angekommen?“
    „Nein. Das ist seltsam. Es gab auch keinerlei Meldungen eines Unfalles oder sonstiges. Es war alles ruhig. Ich hab auch schon versucht, ihn die ganze Zeit per Funk zu erreichen und sein Auto zu orten. Nur leider bekomm ich kein Signal.“ berichtete sie Bonrath in den Telefonhörer.


    Frau Krüger war bereit für den Feierabend und stand ungeduldig in der Tür. Dabei rieb sie sich nervös ihre zarten Hände. Sie hatte das Gespräch hellhörig mit angehört und stutzte. Auch sie wunderte sich. Eigentlich wollte sie ihn nochmals über Pünktlichkeit belehren, aber im Innern machte sich irgendwie Sorge breit. `Ihm wird doch hoffentlich nicht wirklich etwas passiert sein?´ fragte sie sich unruhig. Sie legte ihre Jacke, die sie angezogen hatte, wieder ab und trottete zu Susanne hinüber, die Bonrath noch an dem anderen Ende der Leitung hatte.


    Auf Frau Krügers Anweisung hin, stellte diese den Lautsprecher an. Somit konnten alle zuhören.
    „Krüger hier! Frau Dorn, Herr Bonrath. Klingeln Sie bei irgendjemandem in dem Haus und sagen, es handle sich um einen Notfall! Sie vergewissern sich, dass auch wirklich nichts in seiner Wohnung vorgefallen war. Bei Herrn Jäger weiß man nie, mit wem er sich jetzt schon wieder angelegt hat. Sie beide haben hiermit die Erlaubnis!“ forderte sie die beiden auf.
    Kim konnte sich Bens Verhalten so nicht vorstellen, dass er überhaupt nichts von sich hören ließ. Unter anderem auch, weil sein Handy ausgeschaltet war. Dieses Verhalten war schon mehr als merkwürdig.


    Susanne war in den letzten Tagen und Stunden Semirs Bitte nachgekommen und hatte vor Bonraths Anruf schon einige Motels im Umkreis heraussuchen können. Doch durch den Anruf wurde sie abgelenkt und dies war auf ihrem Bildschirm des PC noch zu sehen. Dieser zog die Blicke der Chefin magisch an und wollte gleich Stellung dazu haben.
    „Frau König! Können Sie mir das bitte erklären? Was soll das, was Sie da machen?“
    Susanne kam anfangs ins Stottern. Doch dann begann sie von Semirs Vermutung mit dem etwas abgelegenen Motel, den Ereignissen, die dort stattgefunden hatten, und seinem Bauchgefühl diesbezüglich zu berichten. Auch Kim kannte Semirs Bauchgefühl bereits. Sie ahnte, dass das nichts Gutes bedeutete. Wie Semir schon oft bewiesen hatte, konnte man darauf vertrauen und nahm es besorgt ernst.
    „Gut. Dann veranlassen Sie bitte alles Nötige, um diese anschauen zu dürfen. Kümmern Sie sich bitte darum. Und vorerst kein Wort zu niemandem. Besonders zu Herrn Gerkhan. Auch dass Herrn Jäger momentan verschwunden ist! …. aus welchen Gründen auch immer…. Vielleicht ist alles halb so wild!“ sagte sie leise und versuchte, das Gesagte selbst zu glauben.


    Dabei ging sie selbst mit einem mulmigen Gefühl in ihr Büro zurück und ließ die Tür behutsam in ihr Schloss gleiten. Sie blieb noch eine Weile hinter der verschlossenen Tür stehen und dachte nach, bis sie sich nun doch wieder auf den Schreibtischstuhl saß und sich mit einigen Akten, die sie versuchte, durchzukauen, abzulenken.


    ***


    Bei Ben im Treppenhaus



    Die beiden jungen Polizisten kamen der Aufforderung von Frau Krüger nach. Eine Frau Mayer, die einen Stock unter Ben wohnte, gewährte ihnen Einlass.


    Die Tür stand bereits einen Spalt offen. Die alte Dame zog sich müde ihren Morgenmantel über. Sie nahm ihre Stütze und machte sich langsam und in ihrem Tempo mit gebückter Haltung auf dem Weg zur Wohnungstür


    .Die Dame war schon mindestens 78 Jahre alt. Die Haare waren dünn und grau. In ihrem Gesicht zeigten sich viele Falten. Aus denen man daraus schließen konnte, schon einiges im Leben durchgemacht zu haben und ihr Leben soweit gelebt hat. Ihr Mann war vor einigen Jahren schwer erkrankt und verstarb und lebte alleine.


    Die beiden Polizisten stellten sich erstmal vor und streckten ihr die Hand aus, welche die alte Dame mit ihrer zittrigen Hand entgegennahm.


    „Guten Abend, Frau Mayer! Tut uns leid für die späte Störung!“ sprach Jenny ruhig zu ihr und begann ihr erstes Verhör.„Wir machen uns Sorgen um Ben Jäger. Wir haben bei ihm geklingelt. Nur macht er nicht auf. Wissen Sie vielleicht irgendetwas?“


    „….Wie bitte? Ich habe Sie nicht verstanden….warten Sie mal, ich glaube, ich hab mein Hörgerät eben wieder abgelegt und nicht an. Ich hole es eben. Einen Augenblick bitte.“ kam leise von der Dame und schlich langsam zurück ins Schlafzimmer.


    Jenny räusperte sich und tauschte mit Dieter Blicke aus, der wohl den gleichen Gedanken hatte. „Na das kann ja noch heiter werden! Ob sie uns wirklich helfen kann?“ kam fragend von Dieter und musste grinsen.„Sie ist halt alt.“ verteidigte Jenny die alte Frau.


    Als die Dame wieder zurück kam, konnte das Verhör von Neuem beginnen.


    „Ach ja… Ben Jäger. Ja, den kenne ich. Ich habe ihn schon länger nicht mehr gesehen. Ein wirklich sehr netter und hilfsbereiter Mann. Wissen Sie? Er hilft mir immer beim Tragen der Einkaufstaschen. Was ist mit ihm? Ist ihm was passiert?“ wollte sie neugierig wissen. Ihre Stimme war recht leise und die beiden hatten so ihre Probleme, sie richtig zu verstehen.


    Wieder räusperte sich Jenny. „Das wissen wir noch nicht. Haben Sie die letzten Tage irgendetwas Auffälliges oder Merkwürdiges bemerkt?“


    „Nein…… ah… doch….vor ein paar Tagen hab ich Schritte oder Geräusche gehört! Aber ich bin mir nicht mehr so sicher. Wissen Sie, ich bin schon recht alt und hör manchmal Dinge….“


    „Danke, Frau Mayer. Das war´s auch schon.“ bedankte sich Bonrath.
    Jenny fiel ihm ins Wort: „Ähm, ich habe noch eine Frage, Frau Mayer. Gibt es denn noch einen Zweitschlüssel für Herrn Jägers Wohnung?“


    „….Ja, den gibt es. Den hat der Hausmeister, Herr Siegel. Der müsste morgen früh hier wieder im Hause sein!“ gab die Dame ihnen zur Kenntnis.


    „Vielen Dank, Frau Mayer. Sie haben uns sehr weiter geholfen. Wir wünschen Ihnen noch eine recht friedliche Nacht.“ verabschiedeten sich die beiden Polizisten und stiegen die Treppenstufen wieder hinab.


    „Meinst du, da war wirklich was?“ kam nachdenklich fragend von Jenny.
    „Ich hab keine Ahnung. Aber ob wir einen Durchsuchungsbeschluss bekommen….?“
    „Doch, warum nicht! Weißt du denn nicht mehr, dass er mit Semir letzte Woche in Berlin auf dem Seminar war? Ha, ha, du wirst auch schon alt.“ lachte sie und strich mit ihrer Hand über seinen kahlen Kopf.
    „Wir besorgen uns lieber heute noch den Zweitschlüssel zu Bens Wohnung. Da warte ich nicht bis morgen. Wer weiß, was mit ihm schon wieder ist.“„Wir berichten erstmal Frau Krüger davon. Dann sehen wir weiter!“ gab Bonrath Jenny zu verstehen.

  • Nachdem sich Jenny mit ihren Argumenten bei Bonrath durchsetzen konnte, waren sie nun doch zu Herrn Siegel gefahren, um nach dem Zweitschlüssel aus polizeilichen Ermittlungen zu erhalten. Der Hausmeister war zwar über die späte Störung nicht gerade erfreut, half den beiden Polizisten aber dennoch.


    „So… und jetzt schauen wir uns mal um…!“ Jenny steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete damit die Wohnungstür von Ben Jäger.


    ***


    Bei Familie Gerkhan in den Vereinigten Arabischen Emiraten Dubai



    Die Sonne brutzelte nur so vom Himmel herab. Der Himmel war wolkenlos und stahlendblau. Die Sonne breitete ihre Wärme um sich herum in vollen Zügen aus.
    Sandstürme waren momentan keine zu erwarten, was sich aber auch schnell ändern könnte.


    Das beruhigende und tiefblaue Wasser des Meeres lud alle Urlauber um sich herum ein und das wohltuende Wellenrauschen in den Augen und Ohren ließ einen in Gedanken versinken und träumen. Dieser Anblick war definitiv sein Geld wert.
    Heiß wie die Lufttemperatur, floss der ebenso heiße, feinste braun-rot gemahlene Sand zart zwischen den Finger hindurch.


    Das schöne „Fünf Sterne“ Hotel war prunkvoll und luxuriös eingerichtet. Wie ein Traum aus 1.000 und einer Nacht. Das Gebäude lag nur einige Minuten vom Strand entfernt. Dennoch beschloss die Familie Gerkhan, den privaten Badestrand zu benutzen, denn die Kinder wollten Sand und Wasser zusammen verbinden.
    Die Badetasche war schnell gepackt und sie konnten auch gleich losgehen. Dabei mussten sie an einer Poollandschaft vorbei, die sehr einladend war. Wenn gerade keine Animation für die Kinder bereitstand, tollten die Kinder mit und ohne Eltern im Wasser herum. Andere wiederum genossen einfach auf ihren Liegestühlen den Urlaub.


    Aida und Lilly tobten mit ihrer Mutter im kühlen Nass des Meeres herum. Sie ließen um ihre Füße die Schaumkronen aufgehen und jubelten vor Freude und Spaß.


    Gut gelaunt zog sich Semir in Badehose und mit gekühlten Wasserperlen auf seinem Rücken und Körper auf seine Strandliege zurück und machte es sich dort mit einem Laut bequem. Er holte aus der Kühlbox ein kaltes Wasser hervor und trank es genüsslich in kleinen Schlucken. Eigentlich würde er jetzt lieber ein eisgekühltes Bier in sich hinein fließen lassen. Im Schatten des riesigen Sonnenschirms, unter dem die Hitze leichter erträglicher wurde, beobachtete er erfreut, seine Familie beim Sandeln und Plantschen.


    „Aaaghh! Ist das herrlich hier.“ Genoss der kleine Deutsch-Türke den Urlaub. Er sog die erfrischend warme Meeresluft in seine Lungen ein und atmete diese gleichmäßig wieder aus. Die Wärme der Sonnenstrahlen fielen auf seine nicht bedeckten Beine und ließen seine Haut weiter bräunen. Später dürfte seine Andrea ihn wieder mit Sonnenmilch eincremen, worauf er sich schon jetzt freute. Er leckte sich über die Lippen und schmatzte und beschloss, Ben noch einmal anzurufen.


    ***


    Langsam betraten Jenny und Bonrath die Wohnung ihres Kollegen. Ruhig und still war es. „Hallo? …. Ben?“ warf Jenny nun doch die Frage in den Raum. Bonrath musste schmunzeln, erst vermutete sie, dass er nicht da war und dann stellte sie die Frage doch. Aber er hätte es womöglich auch so gemacht.
    Im Dunkeln tastete sich Bonrath mit der Hand an der Wand entlang nach dem Lichtschalter ab. Den fand er erfolgreich und betätigte den Schalter, dessen Licht die Wohnung gleich erhellen ließ.


    „Hmmm…. Eigentlich sieht alles normal aus!“ stellten die beiden fest. Von Semir wussten sie ja, dass Ben nicht gerade der Ordentlichste war und machte ihm alle Ehren.


    „Sieh mal, Bonny! Noch nicht mal seine Tasche hat er ausgeräumt. Und ich bin mir sicher, die war noch von dem Seminar gepackt.“ und zeigte auf die Tasche neben sich auf dem Boden.


    Jenny übernahm kurzerhand die Leitung und wies ihren Kollegen an, sich im Schlafzimmer umzusehen. Ohne Kommentar marschierte Bonrath in dessen Privatbereich und Jenny suchte in der Zwischenzeit die restlichen Zimmer ab.


    Der Wohnraum war groß und geräumig, zusammen mit einer offenen Küche. Ben war mit dem Mobiliar recht sparsam umgegangen, nur das Nötigste war vorhanden und in einer Ecke natürlich stand seine Gitarrensammlung. Sie ließ es sich nicht nehmen, hinüberzugehen und eine Saite der Gitarre zu zupfen. Kurz in ihren Gedanken versunken, musste sie dabei lächeln, als sie an Ben dachte.


    „So! An die Arbeit!“ mahnte sie sich und drehte ihren Kopf in alle Richtungen. So recht wusste sie nicht, wo genau sie anfangen sollte. Sie überlegte und blies einige Laute über ihre Lippen. ´Versuch dich mal in Ben hineinzuversetzen! Oder wie oder was würdest du als Erstes tun, wenn du so spät nach Hause kämst.´ stellte sie sich die Frage und plante in Gedanken ihr weiteres Vorgehen zusammen. Und so tat sie es auch.


    Als erstes lief sie Richtung der offenen Küche und sah sich dort um. Nichts Auffälliges. Nur ein Glas in der Spüle! Sie schnaubte und ging zum Sofa. Immer wieder hob sie die herumliegenden Kleider vom Boden auf und blinzelte hinunter, in der Hoffnung, darunter doch etwas zu finden. Doch nichts!


    Mit seiner rechten Hand um den Hals reibend, kam Bonrath aus dem Schlafzimmer. „Nichts!“ und ging zu seiner Kollegin hinüber.


    Jenny stand vor dem Sofa und dem Glastisch und war völlig tief in ihren Gedanken versunken. Ihre Stirn zeigte, wie sie über etwas grübelte. Sie zuckte leicht zusammen, als Bonrath sie ansprach. „Wie? Hast du was gefunden?“ fragte sie bei Sinnen.


    „Nein. Seine Dienstwaffe sowie Schlüssel, klar, und Handy waren auch nirgends zu finden! Sonst alles in Ordnung! … was ist?“ Bonrath hatte den nachdenklichen Gesichtsausdruck bemerkt und wollte gleich wissen, was war.


    „Ich weiß nicht…. aber Ben würde doch eigentlich auf dem Sofa liegen, so kaputt und müde er doch war, oder nicht!? Ich bin mir nicht sicher, aber sie mal da!“ Jenny kniete und zeigte mit dem Zeigefinger an die Tischkante. „Ist das getrocknetes Blut?“


    „Vielleicht ist er vom Sofa gefallen und hat sich da etwas angeschlagen!“ mutmaßte Bonrath. „Vielleicht! Aber nichts weißt auf einen Einbruch hin.“ fügte Bonrath noch hinzu.


    Jenny teilte seine Meinung. Doch irgendetwas ließ sie nicht los. „Wir rufen die Krüger nochmal an und Hartmut soll herkommen und uns sagen, ob dies Bens Blut ist!“


    "Klar, ist das Bens Blut. Er wohnt doch hier! Also wenn er sich wo anschlägt und sich verletzt, wird es auch seins sein! Die Frage ist nur, ob ein Verbrechen vorliegt und warum er verschwunden ist oder wo er steckt!" stellte der etwas erfahrenere Polizist fest und fuhr fort. "Ich bleib oben und du wartest unten vor dem Eingang auf ihn! Aber hey, mach dir nichts draus! Aus dir wird noch eine richtige Polizistin!“ Bonrath grinste ihr schelmisch zu. Er schlenderte noch ein wenig in der Wohnung herum, da fiel ihm sein Blick auf den Anrufbeantworter.


    Die Zahl blinkte rot.


    Ohne zu zögern wanderte sein Finger auf den Knopf und der AB begann, die Nachrichten nacheinander aufzusagen:


    „ Sie haben drei neue Nachrichten!


    -Nachricht 1:
    Dienstag 14:17 Uhr:
    Hallo Ben! Julia hier. Bist du den noch auf dem Seminar? Ich und Peter wollten mit dir noch einmal wegen der Taufe sprechen! Melde dich einfach, wenn du wieder zurück bist, ja?


    - Nachricht 2:
    Montag 08:12 Uhr:
    Hey Partner! Wir haben Montag. Du bist nicht da???? Spätschicht ist doch vorbei oder pennst du noch? Wir sind gut angekommen und ich soll dich ganz lieb von Andrea und den Kindern grüßen. Melde dich! Mach mal dein Handy wieder an! …..



    - Nachricht 3:
    Montag 22:37 Uhr:
    Hey, Partner! Ja, Semir wieder… Pennst du immer noch oder ist dein Handy kaputt? Oder was ist los? Warum rufst du nicht zurück? Muss ich mir doch hoffentlich keine Sorgen machen! Melde dich bitte!


    - Ende –“



    „Klar, Semir! Wer sonst. Er ist mal wieder mal voll im Papa-Modus drin. Der kann einfach nicht abschalten und macht sich immer Sorgen um Ben.“ meinte Jenny kopfschüttelnd. „Ich geh dann runter und warte! Und du ruf auf der PASt an!“ forderte sie bestimmend und leicht hochnäsig gespielt und musste dabei selbst grinsen.




    Kaum war Jenny vor die Tür getreten, verschloss sie ihre Jacke bis hoch zum Ansatz, und setzte gleich ihre Kapuze der Jacke über den Kopf. Sie rieb sich ihre kalten Händen, um ihnen etwas Wärme zu verleiten und verschränkte die Arme vor die Brust. Die Nacht war doch recht unangenehm kühl geworden.
    Ungeduldig wartete sie vor dem Haus. Um in Bewegung zu bleiben, trippelte sie mit den Füßen stampfend ein wenig hin und her. „Mensch, Hartmut! Wann kommst du endlich? Willst du, dass ich hier Wurzeln schlage? … oh, nanu!“ Sie stutze und ihre Stirn legte sich wieder in Falten. Der künstlich weiße Lichtstrahl der Außenbeleuchtung fiel direkt ins Gebüsch. Ihr Blick folgte diesem und entdeckte unter einem der Büsche etwas, das schimmernd reflektiert wurde.
    Langsam bewegte sie sich in dem Licht zu dem Gebüsch hinüber und kniete sich nieder. Dabei zog sie vorsichtig ein kleines Fläschchen hervor.
    „Was ist denn das? Der Verschluss ist verschlossen! In so einer gepflegten Wohngegend liegt doch kein Abfall!“
    Sie hielt und drehte das kleine Gefäß, was die Größe eines Flachmannes besaß, in das Licht. „Scheint leer zu sein und Reste eines Etikettes! Ein…..“
    Ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen, denn als ihre Ohren einen Wagen wahrnahmen, stand sie plötzlich auf und ließ das Fläschchen aus Reflex schnell in ihre Hosentasche verschwinden.

    2 Mal editiert, zuletzt von Kathrin_1985 ()

  • Hallo,
    tut mir leid, dass ich jetzt erst wieder weiter schreibe. Nur aufgrund gesundheitlicher Beschwerden, bin ich nur in der Lage momentan sporadisch online stellen und weiterschreiben.
    Ich wünsche euch dennoch viel Spaß beim Lesen. Ich hoffe, es gefällt euch!!!
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    Der Wagen parkte direkt vor dem Wohngebäude. Ein großer rothaariger Mann stieg aus und nahm seine notwendigen Utensilien in einem schwarzen Koffer mit.


    Jenny kam ihm entgegen und begrüßte ihn freudig. „Hallo Hartmut! Schön, dass du endlich da bist. Dann können wir endlich mit der Arbeit beginnen und weiter ermitteln.“ sprach sie leise und strich ihm zärtlich mit ihrer Hand über seinen linken Arm entlang.


    Wie auch Hartmut, musste Jenny sich einen Kuss verkneifen. Seit einigen Wochen waren die junge, angehende Autobahnpolizistin und der Kriminaltechnologe ein Paar. Vor ihren Kollegen behielten sie dieses kleine Geheimnis für sich, um Peinlichkeiten zu umgehen. Beide fanden diese Heimlichtuerei prickelnd und irgendwie sexy. Sie wussten aber, dass hinter ihrem Rücken schon getuschelt und spekuliert wurde. Lange wollten sie dieses Versteckspiel auch nicht mehr mitmachen und es allen nach dem Fall bekanntgeben.


    Sie lächelte ihm freundlich zu. Als dieser ihren bezaubertem Lächeln und Blick erwiderte, stieß ihm verlegen eine leichte Röte ins Gesicht.


    „Hallo Jenny! Ja, hab das schon mit Ben gehört! Dass er verschwunden sein soll! Dann sollten wir wohl keine Zeit mehr verlieren!“


    „Ja, lass uns nach oben gehen.“


    Während sich die beiden schnell auf den Weg zurück in den dritten Stock in Bens Wohnung machten, berichtete Jenny von den ersten Entdeckungen, die sie machte.


    „Danke, Jenny! Ich schau, was und ob ich etwas finde. Ihr könnt gerne warten. Hallo Dieter!“ auch Hartmut betrat die Wohnung. Jenny wollte ihm nicht von der Seite weichen.


    „Okay… ihr zwei. Wenn ihr mir zusehen wollt, rührt ihr mir nichts mehr an und bleibt am besten still irgendwo in der Ecke stehen, damit ich in Ruhe hier meine Arbeit machen kann. Ist das klar?“ forderte der Rotschopf selbstsicher auf.


    Jenny und Bonrath sahen sich gleichzeitig an und nickten ihm einvernehmlich zu.


    „Alles klar, Einstein. Aber wenn ich Fragen habe, darf ich mich doch melden, oder?“ wollte die junge Frau wissen. Leicht genervt stimmte Hartmut zu. „Ja, von mir aus. Aber jetzt lasst mich mal machen! Ich geh systematisch vor! Ich will nichts hören! Spart euch also eure Kommentare, wenn sie nichts mit dem Fall hier zu tun haben, ja?“ gab er ihnen erneut zu verstehen.


    Hartmut ging mit seinem schwarzen Köfferchen weiter in die Wohnung hinein und stellte diesen auf dem großen hölzernen Wohnzimmertisch ab. Nachdem er die weiße Schutzkleidung und die Schutzhandschuhe aus dem Koffer heraus genommen hatte, zog er sich diese an und legte die Handschuhe über seine Hände.


    Mit Talkumpuder und Pinsel und weitere Utensilien ging der Kriminaltechnologe zum Schloss der Wohnungstür und begann anschließend, in der ganzen Wohnung, nach Fingerabdrücken zu suchen und diese zu sichern. „Wie ich sehe, sind hier sehr viel verschiedene Fingerabdrücke. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen, bis ich die ausgewertet habe. Hmmm… ob das wohl alles Verehrerinnen von Ben sind?“ kommentierte der Beste seines Fachs und konnte diese Bemerkung nicht unterlassen.


    „Hier hat wohl jemand seine Spuren beseitigt!“ bemerkte er, als er in der Küche das Glas in der Spüle vorfand. „Das werde ich auch mal genauer untersuchen!“ und nahm mit der Pipette den winzig kleinen Rest Tropfen aus dem Glas und verschloss damit das kleine Fläschchen.


    Jenny und selbst Dieter beäugten das Ganze sehr interessiert.



    ***



    Zur gleichen Zeit in Dubai



    Semir griff in seine Tasche und kramte sein Handy hervor. Erneut wählte er die Nummer seines Partners und besten Freundes, in der Hoffnung, heute mehr Glück zu haben.


    „…..bitte hinterlasst mir eine Nachricht nach dem pi….“


    „Mist! Schon wieder die Mailbox! Jetzt reicht´s! Ich ruf Susanne an!“



    ***



    Auf der PASt



    Auf der PASt war schon etwas Aufruhr zu spüren. Alle waren mitten in der Arbeit vertieft und Susanne arbeitete weiter an den Papieren für die Durchsuchung in den Motels.


    Als ihr Telefon läutete, musste sie schlucken und zögerte, den Anruf entgegenzunehmen.


    „Frau König! Warum gehen Sie den nicht ran?“ hörte sie die Stimme ihrer Chefin aus dem Hintergrund sagen. Kim Krüger hatte das Läuten gehört und hatte verwundert nachsehen wollen.


    „Es … es ist Semir!“ kam leise aus dem Mund der Sekretärin. Sie konnte ihren Kollegen nicht belügen oder ihm etwas vormachen. Schon gar nicht, wenn es um Ben ging. Da verstand er keinen Spaß.


    Kim ahnte, welche Gedanken Susanne quälten. Als sie sie sah, wie sie mit ihrem Gewissen haderte, gab Kim ihr ein Zeichen. „Bringen Sie es ihm schonend bei….“ sprach sie ein einem einfühlsamen Ton. Mit gesenktem Kopf ging sie nachdenklich zurück in ihr Büro.


    „Hey…Semir! Du kannst aber auch nicht aufhören, an die Arbeit zu denken, was! Wie geht’s euch? Erzähl!“ wollte Susanne so lässig wie nur möglich wissen und lenkte gleich auf ein anderes Thema ein.


    „…Ähm… ja, gut soweit. Das Wetter ist einfach atemberaubend und traumhaft. Aber jetzt lenk nicht ab. Du weißt, warum ich anrufe! Ich hab schon gefühlte 1000 mal bei Ben angerufen. Weder Zuhause erreiche ich ihn noch über sein Handy, bei dem im Übrigen auch ständig die Mailbox dran geht! Also?“ Semir wollte eine Erklärung haben. „Wo ist er denn? In einer geheimen Mission unterwegs? Oder hat er wieder was angestellt? Das ist doch sonst nicht so seine Art! Also, bitte Susanne, ich höre! Und verschaukel mich nicht!“


    „Nein, Semir!“ einige Sekunden Pause verging, ehe sie ihm alles berichtete.


    „WAS???? Ich setz mich sofort in den nächsten Flieger und komm zurück! Du…. ich muss auflegen… ich meld mich!“



    ***



    In Dubai



    „Semir! Ich hab mich wohl verhört! Das ist jetzt nicht dein Ernst!“ hörte er seine Frau aufgebracht und wütend reden, die plötzlich neben ihm stand.


    Von Weitem sah Andrea immer wieder zu ihrem Mann hinüber. Als sie erkannte, dass dieses Gespräch kein Erfreuliches sein konnte und sah, wie Semir immer blasser um die Nase wurde, stutze sie und schlich zu ihm hinüber, behielt dabei immer ihre Kinder in den Augen.


    „Schatz…kannst du mir mal bitte erklären, was das gerade für ein Anruf war?“


    „Das war Susanne…..“


    Noch bevor Semir weiter sprechen konnte, fiel Andrea ihm wütend ins Wort: „Kannst du auch nur einmal an etwas anderes denken, als immer nur an die Arbeit? Ich… wir….“


    „Ben scheint verschwunden zu sein. Erreichen tu weder ich ihn sonst noch jemand! Ich hatte die ganze Zeit ein komisches Gefühl!“


    Als Andrea zuhörte, wurde sie wieder ruhiger und setzte sich ebenfalls auf die Liege und nahm ihren Deutsch-Türken fürsorglich in den Arm. „Und jetzt? Wir sind gerade mal 2 Tage hier….. Willst du tatsächlich den Urlaub abbrechen? Schau dir unsere Kinder an, wie sie spielen. Meinst du nicht, deine Kollegen schaffen das auch ohne dich?“


    „Nein. Wenn es um Ben geht, verstehe ich keinen Spaß. Er gehört auch mit zu meiner, unserer Familie!“



    ***



    Während in Dubai das Ehe-Paar Gerkhan den weiteren Verlauf diskutierten, fuhren in Bens Wohnung die Ermittlungen fort



    Mittlerweile war Hartmut am Glastisch angelangt und begutachtete den möglichen Blutfleck am Tischbein. Dieser war blass und kaum mehr vorhanden. Wortlos ging er an seinen Koffer und nahm zwei Lösungen heraus. Jenny zog ihre Augenbraue nach oben und war gespannt, was Hartmut damit vorhatte.


    „Um zu testen, ob das wirklich Blut ist, vermische ich die zwei Lösungen, einmal Luminol in Natronlauge und eine verdünnte Wasserstoffperoxid-Lösung, und besprüh etwas auf diese Fläche. Wenn es zu leuchten beginnt, ist es Blut. Wenn nicht, dann war das nur ein Kaffeefleck oder ähnliches.“ erklärte er den beiden, die faszinierend zuschauten und nichts von dem verstanden. „Dieter, machst du mal das Licht aus?“


    Dieser nickte stumm und kam der Anweisung nach.


    „Seht her, tatsächlich leuchtet es. Es ist eindeutig Blut. Dieter, du kannst das Licht wieder anmachen. Danke. Jenny, du hast das gefunden? Das hast du toll gemacht!“ lobte Hartmut seine Freundin und nahm dabei für die weitere Analyse eine Probe des getrockneten Blutes.


    Zuletzt machte Hartmut noch einige Bilder und schrieb sich alles in seinen Notizblock.


    „Und? Kannst du schon irgendetwas Konkretes sagen? Du hast die ganze Zeit überhaupt keinen Ton darüber verloren, was du gefunden hast!“ wollte Jenny neugierig wissen.


    „Ich musste mich auch konzentrieren und hab euch von meiner Arbeit erzählt!“ brummte er und fuhr fort. „ Also, wie ich gesehen habe, sind wohl die meisten Abdrücke von Ben. Den Rest muss ich durch den Computer jagen. In ein paar Stunden kann ich euch mehr sagen! Wegen dem Blut, ich geh davon aus, dass das Bens Blut ist. Ich werde es aber im Labor nochmals genau analysieren.“


    Jenny und Bonrath halfen Hartmut sorgfältig dabei, seine Sachen aufzuräumen.


    „Ich geh in die KTU und werte die Untersuchungen aus. Ich melde mich später. Bis dann!“ verabschiedete Hartmut sich und verließ mit einem Lächeln an Jenny die Wohnung.



    Als plötzlich Bonraths Handy klingelte wurde Jenny hellhörig und lauschte mit ihren Ohren sehr interessiert dem Gesprochenen.


    „WAS? …. Ja, gut… ok…. Wir werden da mal hinfahren…….Wo? Danke, bis dann. …. Jenny, auf geht’s. Wir müssen schnell los. Es gibt Arbeit! Es gab einen Unfall.“

  • Viel Spaß beim Lesen und ich hoffe, es gefällt euch.
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    Zur gleichen Zeit nord-östlich einige Kilometer entfernt



    Der kleine 12-jährige Max konnte seinen großen Bruder David überreden, mit ihm noch ein wenig nach draußen zu gehen, denn er wollte nach einer Tanne für Weihnachten suchen. Er liebte Weihnachten und das Schmücken des Tannenbaums. Sein Vater war Amerikaner und somit wurde der Weihnachtsbaum bereits Anfang Dezember aufgestellt.
    Erst hatte David gar keine Lust. Aber da er einige Tage zuvor 18 Jahre alt geworden war und gerade seine Führerscheinprüfung bestanden hatte, war er dann doch Feuer und Flamme, seine erste richtige Fahrt zu unternehmen.
    Wegen den widrigen Wetterverhältnissen war die Mutter anfangs nicht begeistert gewesen. Die beiden Jungs bettelten ihre Mutter so lange an, bis sie es dennoch genehmigte.
    „Bevor es dunkel wird, seid ihr aber zurück!“ Die Mutter gab David die Autoschlüssel, die er mit größtem Vergnügen entgegennahm. Und schon waren sie verschwunden.


    Schnell verließen die beiden den Ort und David spürte vorübergehend eine frische, glatte Asphaltdecke unter den Laufrädern des Autos.


    „Da, David! Da vorne ist der Wald. Soweit ich mich entsinnen kann, müsste da irgendwo ein Hinweisschild aufgestellt sein, wo genau man Weihnachtsbäume selber fällen darf. Lass uns hier irgendwo parken und den Rest zu Fuß gehen.“ forderte der Jüngere seinen älteren Bruder auf.


    „Ja, den sehe ich. Aber bist du dir sicher, dass wir in dem Nebel überhaupt einen passenden Baum finden?“


    „Und wenn nicht, auch nicht schlimm. Dann waren wir halt ein bisschen sparzieren und du Autofahren.“


    „Na gut. Dass das klar ist. Es wird ja schon bald Nacht und du hast Mutter gehört.“ stimmte er zu und wiederholte noch einmal die Anweisung ihrer Mutter.



    Nach ca. 500 m passierten die beiden einen geeigneten Parkplatz, an dem sie das Auto stehen lassen wollten. David griff nach einer Taschenlampe, die er gleich in die Hosentasche verstaute, nahm eine Säge in die Hand und ging zusammen mit Max den Abzweig Richtung Wald zu Fuß weiter.


    Die schmale Straße stieg im gesamten Verlauf recht moderat an und war zum besagten Zeitpunkt noch asphaltiert. Rechts und links säumte ein kleiner Grünstreifen den Straßenverlauf.
    In der Nähe war ein Plätschern eines kleinen Baches, unterhalb der Straße, zu hören. Nicht weit vom Wasserschutzgebiet entfernt. Nach wieder einigen Metern folgte eine lange Linkskurve, die die beiden Brüder nun in Richtung Hochpunkt führen sollte. Die Steigung nahm etwas ab und der eben noch angenehme und glatte Asphalt unter den Füßen, wurde immer rauer, unebener und holpriger, auch wenn nur für kurze Dauer.


    Der Nebel, der am Waldboden entlang in den Spitzen der Gräser und Sträucher waberte und vor sich hin zog, blieb bisweilen noch unbemerkt.


    Die Landstraße, die sich durch diesen Wald schlängelte, diente normalerweise als Zufahrt zum Naherholungsgebiet. Sie war eine attraktive und lohnenswerte Alternative zu den Hauptstraßen und nicht jeder kannte sich hier aus.
    Jetzt mussten sie nur noch ca. einige Meter geradeaus laufen, dann kam eine scharfe Rechtskurve und dann waren sie auch bald da.


    Noch führten die beiden angeregte Männergespräche. Während sie des Weges immer weiter in den Wald entlang schritten, wurde der Nebel immer dichter und benetzte mittlerweile alles Sichtbare. Mittlerweile war Max’ Stimme verstummt. Ihm war ganz mulmig zu Mute, denn es war so gruselig, als befänden sie sich inmitten eines Horrorfilms.
    „David? Ähm….meinst du nicht, wir sollten langsam wieder zurückgehen und den Baum ein anderes Mal holen gehen? Es ist alles ziemlich gespenstig!“ sprach er mit zittriger Stimme.


    Doch bevor David seine Gedanken dazu aussprechen konnte, wirbelte ihnen ein Geruch von Rauch durch die Luft entgegen, welchen sie verdutzt wahrnahmen.
    Plötzlich sahen die beiden vor ihren Füßen Fernlicht scheinen, welches durch die Nebelschwaden gespenstisch verzerrt wurde. Zeitgleich durchdrang das Geheul eines Motors die Ruhe der Natur und kam immer näher. In Sekundenschnelle war ihnen klar, dass sie sich nur noch mit einem Sprung zur Seite retten konnten. Dabei sah Matthias von einem vorne verbeulten silbernen Mercedes hinterher, der mit hoher Geschwindigkeit an ihnen vorbei sauste.
    „….HEY… SPINNST DU?“ rief David erbost und mit erhobener Hand hinterher und machte eine bestimmte Geste.


    Als Max auf einmal zu schreien begann, vergaß David sofort seinen Ärger über den Autofahrer. „…MAX?“ schrie er besorgt. „IST ALLES OK?“


    „Aaargh….. was ist denn das? Das ist doch Rauch? Komm schnell! Vielleicht braucht jemand unsere Hilfe. Du hast doch einen Erste-Hilfe-Kurs besucht. Den wirst du vielleicht brauchen. Auf…. komm…. schnell.“


    Die Brüder eilten los und wurden schnell langsamer und bedachter. „…. was… was zum Henker ist denn hier passiert?“ bemerkte David.


    „ Siehst du da die Spuren? Die kommen vom Wald her. Wie bei einer Verfolgung. Das hab ich im Fernsehen mal gesehen.“ meinte Max ganz aufgeregt.


    ´Vielleicht sogar von dem Raser eben!? Er hatte es ja so eilig!´ dachte sich David etwas angstschlotternd.


    Währenddessen ging David gedankenversunken weiter und blieb abrupt erschrocken stehen. „…ach du meine Güte….!“ kam fassungslos von ihm. Er war so geschockt von dem Anblick des Unfalls.


    Ein völlig demoliertes Fahrzeug, auf der Seite liegend. Überall lagen Scherben und Werkzeuge verstreut. Rauch stieg in die Luft empor. „…Max? Du bleibst da, wo du bist. Ich schau nach, ob sich noch jemand im Wagen befindet. Meinst du, du schaffst das, mir den Erste-Hilfe-Kasten aus Mutters Auto zu holen?“


    „…Ja… ich kann es versuchen… aber sei du ja vorsichtig!“ ertönte eine zittrige Stimme aus der Ferne. Max drehte sich um und blickte nur in den Nebel.


    Als der Ältere dann noch zu Boden blickte und die verzogene Blutspur auf der Straße vor und hinter sich her ziehen sah, wurde ihm schlecht. Er schluckte die Übelkeit hinunter und schloss für einen Moment kurz die Augen. Er hielt inne und versuchte, seine Atmung unter Kontrolle zu bringen. Dann ging er im Gänseschritt weiter.
    Langsam und ängstlich näherte er sich der Unfallstelle. Er begann zu husten und hielt sich seinen linken Arm vor den Mund. Als er darin noch mehr Blut vorfand, wurde ihm wieder schlecht. Er räusperte sich und mit angstverzerrter Stimme fragte er etwas zögernd: „Hallo?.... Ist da noch jemand? …. Hallo?“


    Max wollte es wirklich versuchen und war auch einige Schritte zurück gelaufen, bis er merkte, dass seine Angst hier alleine im Wald doch größer war. Er entschied sich widerwillig dagegen und lief zu seinem Platz zurück. Er hoffte, dass sein Bruder ihm deswegen nicht böse sein würde.


    Während Max die Aktivität seines Bruders aus der Ferne beobachtete, war er sehr stolz auf seinen älteren Bruder für dessen Mut. In Max keimte allmählich das schlechte Gewissen. Noch immer mit Angst erfüllt, blickte er umher. Da entdeckte er etwas. Der 12-Jährige kniete nieder und zog etwas aus dem Gebüsch, wischte kurz mit seiner Hand drüber und schaute es sich genauer an. „Ein Nummernschild? Hmmmm…..!“


    David fand im Auto niemanden mehr vor. Doch wo war der Fahrer?


    Als er vorsichtig weiter ging, erblickte er weiter vorne einen leblosen Körper auf dem Boden liegen. Entsetzt ließ er einen Schrei heraus und blieb erst geschockt stehen. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, rannte er zu ihm hinüber. Ob er tot war? schoss ihm der Gedanke durch den Kopf. „Hallo? Hallo? Hören Sie mich?“ Nichts.


    Ein leises Stöhnen kam über die leicht geöffneten Lippen der Person. „….B….E…..N…..“


    Doch David konnte den Wortfetzen nicht verstehen. „Psssst… nicht sprechen! Ich hol schnell Hilfe!“ sprach er. Hecktisch zückte er sein Handy aus der Hosentasche und wählte den Notruf und danach verständigte er die Polizei.


    „DAVID? WAS IST?“ doch der kleine Bruder bekam keine Antwort. Er ließ das Schild fallen und stand auf. Nervös trat er auf der Stelle und wusste nicht, was er machen sollte. Die Sorge um seinen Bruder war so groß, dass er entschlossen ebenfalls zum Unfallort rannte. Hustend kämpfte auch er sich durch den Rauch und hielt sich ebenfalls den Arm vor den Mund.


    „…. Max! Mein Gott!“ der große Bruder erschrak und ihm blieb fast das Herz stehen, als der Jüngere plötzlich neben ihm stand. „Gut, dass du da bist! Du hilfst mir schnell mit, ihn zu versorgen, bis der RTW kommt!“


    Hustend ließen sie sich neben der Person auf dem Boden auf die Knie fallen. Während David ihn in die stabile Seitenlage gebracht hatte, sprach er mit erhobenem Ton zu ihm und gab dem fast bewusstlosen Mann immer wieder einige Klapse auf die Wange.


    „Hallo? Sind Sie noch da? Wach bleiben! Hilfe kommt gleich!“ An den Bruder gewannt, „Max…. Bleib du bei ihm. Ich seh mal nach, wo der Rettungswagen bleibt. Der müsste gleich da sein. Ich kann die Sirenen schon hören.“ stand auf und kehrte Max kurz den Rücken zu.


    Max sah ihm kurz nach, zuckte aber zusammen. Ein schmerzvolles Stöhnen nahm er wahr. Langsam und ängstlich drehte sich sein Kopf zu der schwer verletzten und blutüberströmten Person. „…..B……E……N…..“ kam schwach und leise aus dem Mund des Schwerverletzten, ehe er in der Dunkelheit Zuflucht fand.

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