Endlich Urlaub, oder nicht?

  • Als sie vor Semirs Wohnung vorfuhren, dämmerte es bereits. Die Fahrt vom Flughafen hierher hatte sich lange hingezogen, die Kinder schliefen bereits hinten auf den Rücksitzen. "Hey, wir sind da?", wollte Semir sie sanft wecken, aber sie schliefen tief und fest. So trugen sie sie nach oben, und steckten sie in ihre Betten.
    Tom beschloss noch eine Weile hier zu bleiben um sicher zu gehen, ob alles in Ordnung war. Semir schloss sanft die Kinderzimmertür hinter sich und setzte sich zu Tom an den Küchentisch. "Ich kann dir leider nichts anbieten, wir hatten nicht mit Besuch gerechnet, nach unserem Urlaub." - "Schon gut." Eine kurze Pause entstand, niemand wusste so recht, was er sagen sollte. "Wie geht?s dir?", versuchte Tom ein Gespräch aufzubauen, der Schuss ging allerdings nach hinten los. "Wie soll es mir schon gehen, wir sind mit dem Flugzeug abgestürzt, haben drei Tage auf einer einsamen Insel verbracht, ohne zu wissen, ob wir jemals gefunden werden, und meine Frau, die Mutter meiner Kinder, ist verschwunden!", brach der angestaute Zorn aus Semir heraus, doch so schnell der Wutausbruch gekommen war, so schnell war er wieder weg. "Tut mir leid, ich wollte nicht laut werden." - "Schon gut, ich kann das verstehen." Tom wollte nicht länger in der Wunde bohren, doch er musste einfach fragen: "Wie groß ist die Chance?" - -"dass sie Andrea jemals finden werden? Nicht sehr groß.", antwortete er, stützte den Kopf an einer Hand ab und rieb sich erschöpft die Augen. Ihm war gar nicht richtig bewusst, was er gerade gesagt hatte. Er hatte so gut wie zugegeben, dass seine Frau tot war, doch darüber wollte er gar nicht nachdenken, er wollte sich nicht damit auseinandersetzen - noch nicht. Im Hintergrund öffnete sich eine Tür und Leonie kam verschlafen auf die beiden zugelaufen. "Papa, ich kann nicht mehr schlafen"-, murmelte sie und Semir ließ sie auf seinen Schoß setzten. "Ich hab geträumt, und da waren lauter komische Sachen, ich hab Angst,-", grummelte sie, während sie sich eng an ihn schmiegte. Beruhigend strich Semir ihr übers Haar und meinte leise: "Das war nur ein Traum, der ist vorbei, du wirst sehen, gleich bist du wieder eingeschlafen und morgen", er verstummte und grinste, als er sah, dass seine Tochter längst wieder eingeschlafen war. "Ja, ich denke, ich gehe dann auch schlafen." - "Das ist mein Stichwort, ich geh dann mal, aber du kannst dich jederzeit bei mir melden, wenn du was brauchst." - "Sicher, dann bis morgen.", sagte Semir und erhob sich, um Tom zur Tür zu bringen. Dieser jedoch stutzte: "Wieso bis morgen, du willst doch nicht schon arbeiten gehen?" - "Tom, ich kann hier nicht zu Hause herum sitzen, das?" -"Schon gut, dann bis morgen!" verabschiedete sich Tom.

  • Nachdem Tom gegangen war, brachte Semir Leonie wieder ins Bett. Danach rief er bei Andreas Eltern an: "Ja, hallo, ich bin´s, Semir- könntet ihr vielleicht morgen auf die Kinder aufpassen, ich möchte wieder zur Arbeit und will sie noch nicht in ein Hort geben,-,danke, ich bringe sie dann gegen halb acht, um acht hab ich Dienstbeginn,-, ja, ich hole sie dann am Abend wieder ab,-, ja, danke noch mal, bis morgen!" Er sah auf die Uhr, es war erst halb zehn und er war jetzt schon fix und fertig. Morgen würde er wieder zur Arbeit gehen, physisch war er sicher schon bereit dazu, die Wunde am Bein spürte er kaum noch, ob er psychisch auch schon bereit war-, er musste. In der Arbeit würde er Ablenkung finden, hier zu Hause hielt er es nicht länger aus. Hier erinnerte ihn alles an sie, er hatte noch ihren Duft in der Nase, wenn sie aus der Dusche kam. Er sah es genau vor sich, wie sie nicht nachgeben konnte, wenn er sie um etwas bat. Ihr Lachen war etwas wunderbares, es war- "Nein!", er hatte es gar nicht laut schreien wollen, aber es war einfach mit ihm durchgegangen. Mit einem Blick ins Kinderzimmer versicherte er sich, dass er die beiden nicht geweckt hatte. Trotz Müdigkeit fürchtete er sich davor schlafen zu gehen, es würden ihn nur wieder Alpträume heimsuchen, wie die Nacht davor. Er ging ins Schlafzimmer, entschied sich dann aber, nicht hier zu schlafen, am nächsten Morgen würde er ohne Andrea an seiner Seite aufwachen. Die Couch stellte die bessere Alternative dar, hier hatte er des öfteren alleine seine Nächte verbringen müssen, wenn Andrea ihn wieder einmal aus dem Schlafzimmer geworfen hatte. Er lächelte bei dem Gedanken, schüttelte ihn dann aber ab. Er konnte und wollte nicht mehr an Andrea denken. Er wollte ganz einfach, dass alles wieder normal wäre.
    Nach einer Weile konnte er die Augen einfach nicht mehr offen halten und schlief ein?

  • "Wo bin ich?", ist sein erster Gedanke, die Umgebung ist nicht richtig wahrzunehmen, alles ist verschwommen. Er erkennt Tom hinter sich, der immer wieder, schreit: "Nein Semir, tu es nicht, du wirst es bereuen, komm zu mir, dann wird dir nichts passieren!" Semir dreht sich allerdings weg von ihm und blickt um sich, er sieht Andrea, umgeben von Blumen, Vögeln und Schmetterlingen unter einem Baum sitzen. Sie winkt ihm zu, er will zurückwinken, doch er ist wie erstarrt, kann sich nicht bewegen. Semir blickt wieder zu Tom zurück, welcher ihn mittlerweile anfleht, zurückzukommen, nicht weiterzugehen, doch er hört nicht auf ihn. Semir möchte zu Andrea, kann aber nicht vom Fleck. Plötzlich tut sich ein Abgrund hinter ihr auf, ein tiefes, schwarzes Loch. Es kommt immer näher zu Andrea, es wird sie verschlingen, Semir möchte sie warnen, von dort wegzerren, doch egal wie schnell er läuft, er kommt nicht zu ihr, er wird zu spät kommen. Er möchte schreien, doch er kann nicht, sein Mund ist wie ausgetrocknet. Der Abgrund kommt immer näher zu Andrea, bald wird es zu spät sein, Semir kann nichts dagegen tun, er muss hilflos zusehen, wie der Abgrund sein Glück verschlingt. Endlich hat Andrea den Abgrund bemerkt, doch es ist zu spät, sie rutscht ab, möchte sich noch am Felsrand anhalten, doch ihre Finger finden keinen Halt. Flehend blickt sie noch ein letztes Mal ihm in die Augen bevor sie hinunter füllt, nun kann auch Semir sich wieder bewegen und er läuft zu ihr hin, als sie schon verschwunden ist, er sie nicht mehr sehen kann, springt er hinterher, ohne sie hat sein Leben keinen Sinn mehr, und er fällt und fällt?

  • Schweißgebadet wachte er auf, schreckte hoch und fiel gleich von der Couch herunter. Alles um ihn drehte sich, sein Puls raste, er musste sich beruhigen, es war nur ein Traum, nichts weiter. Im Bad kühlte er sein Gesicht mit Wasser, die Frische verdrängte die Erinnerung an den Traum und er wurde endlich etwas ruhiger. Seine Uhr zeigte 6:30 Uhr an, es war sowieso Zeit zum Aufstehen. Nachdem er geduscht hatte, richtete er Frühstück an und weckte Benni und Leonie. Die beiden meuterten natürlich, es war noch ziemlich früh, aber als sie hörten, dass sie zu Oma und Opa fahren würden, waren sie hellwach. Es dauerte nicht lange da konnten sie los, kurze Zeit später, waren sie auch schon bei Andreas Eltern angekommen, die die beiden glücklich in Empfang nahmen. Semir wollte gerade weg, zur Arbeit, als Leonie fragte: "Papa, wo willst du denn hin?" - "Schatz, ich muss zur Arbeit,?" Benni beteuerte sogleich: "Aber du darfst uns nicht verlassen?" - "Wer redet denn von verlassen, ich komme doch heute Abend wieder und hole euch ab?", weiter kam er nicht, denn er musste verwundert bemerken, dass Leonie sich an sein rechts Bein klammerte und schluchzte: "Bitte geh nicht?" Er wusste nicht, was er tun sollte, Andreas Eltern standen ebenfalls nur verwundert daneben. "Leonie, willst du in nächster Zeit die Brötchen verdienen?", versuchte er zu scherzen. Doch da klärte Benni die Lage: "Wenn du auch noch gehst, dann sind wir ganz alleine."Daher wehte der Wind. Semir verstand nun, was sie von ihm wollten. "Hey, ich versprech´s, ich komme heute Abend wieder und hole euch ab. Und in der Zwischenzeit unterhaltet ihr euch schön mit Oma und Opa. Und benehmt euch, damit mir keine Klagen kommen!", scherzte er am Schluss schon wieder. Leonie umarmte ihn und ging sicher: "Und du kommst sicher wieder?" Als er ihr sein Ehrenwort gab sagte sie: "Ich hab dich lieb!" Benni kam schließlich auch noch hinzu und Semir meinte: "Ich hab euch auch lieb, ihr kleinen Racker!"Semir richtete sich auf und sah, dass Andreas Mutter bereits ein Taschentuch gezückt hatte. Andrea war ihrer Mutter in dieser Hinsicht sehr ähnlich, beide waren gefühlsbetont. "Nun muss ich aber los, sonst komm ich noch zu spät.?, verabschiedete sich Semir und machte sich in Gedanken versunken wieder auf den Weg.

  • Kaum hatte er die PAST betreten, vernahm er: "Semir, was machen Sie denn hier?" - "Na das ist aber mal ne nette Begrüßung, Chefin!", grinste dieser. "Entschuldigung, aber Sie haben noch frei und - ich dachte Sie könnten noch etwas Urlaub gebrauchen, - na ja, schön dass Sie wieder da sind!", sagte die Chefin und umarmte ihn. Semir war etwas verwirrt, die Chefin suchte nach den richtigen Worten und umarmte, "irgendetwas ging nicht mit rechten Dingen zu. Verwundert blickte er ihr nach, als sie wieder in ihrem Büro verschwand. Erstaunt musste er gleich feststellen, dass Tom bereits in seinem Büro saß. Er marschierte ebenfalls hinein und begrüßt ihn mit den Worten: "Tom, was machst denn du schon hier, es ist doch erst fünf vor acht, ich hätte frühestens in einer viertel Stunde mit dir gerechnet!"Tom grinste schief und meinte nur: "Haha, sehr witzig!" Semir ließ sich auf seinen Sessel nieder und fragte voller Tatendrang: "Und was gibt´s zu tun?", bekam aber nur die mürrische Antwort: "Na was wohl, das Übliche, Berichte der letzten Wochen abarbeiten.", worauf sich Tom gleich auf eine herumliegende Akte stürzte. "Tja, ich hab meine Hälfte schon erledigt!", kam prompt die Antwort und Semir lehnte sich gemütlich im Sessel zurück. Kurz darauf kam die Chefin in ihr Büro: "Tom, kommen Sie bitte in mein Büro, es betrifft den gestrigen Fall"- - "Sicher, Chefin!" Semir blieb im Büro, er war schließlich nicht dabei gewesen, es betraf nicht ihn. Im Büro der Chefin wollte Tom anfangen: "Chefin, das mit dem Dienstwagen tut mir wirklich leid, aber das ging nicht anders?", doch sie unterbrach ihn: "Es geht nicht um gestern, das war nur ein Vorwand." Sie machte eine kurze Pause um nach den richtigen Worten zu suchen. "Finden Sie es gut, dass Semir schon arbeitet?" - "Ich habe versucht, ihm das auszureden, aber er wollte unbedingt. Er sagte, er halte es zu Hause nicht aus, das kann ich ganz gut verstehen, ich würde auch nicht in meiner Wohnung sitzen wollen und Trübsal blasen. Ein bisschen Abwechslung tut manchmal ganz gut."- "Ein bisschen Abwechslung schon, aber- sehen Sie sich ihn doch einmal an! Er ist guter Dinge, als ob nichts passiert wäre. Ich denke, er verdrängt es, aber irgendwann?" Als Tom schweigend zu Boden blickte sagte sie noch: "Passen Sie auf ihn auf." - "Sicher, Chefin." antwortete er und ging hinaus.

  • Nur wenige Minuten später stürmte Hotte in das Büro der beiden Kommissare: "Los Jungs, es gibt Arbeit! Verfolgungsjagd auf der A 23, Richtung Duisburg!" Semir schnappte sich die Autoschlüssel und beide liefen zum BMW. Innerhalb weniger Minuten waren sie dort, leider zu spät. Ein schwarzer Van hatte einen schweren Verkehrsunfall verursacht. Den beiden bot sich ein schreckliches Bild. Zwei Autos hatten sich ineinander verkeilt, für die beiden Fahrer kam jede Hilfe zu spät. Sonst handelte es sich nur noch um weitere Blechschäden. Tom und Semir wollten sich gerade daran machen, die Augenzeugen zu vernehmen, als Semir noch einmal genauer die Unfallstelle besah und feststellte: "Tom, da ist gar kein schwarzer Van dabei, ich dachte, der hätte den Unfall verursacht?" Den Zeugen zufolge war dieser weggefahren, nachdem er den roten Nissan zu einem anderen Wagen gedrängt hatte, so hatte sich der Unfall dann entwickelt. Das Kennzeichen hat sich natürlich niemand gemerkt, wäre ja auch zu einfach gewesen.
    Während die beiden zurückfuhren, unterhielten sie sich über den Unfall: "Verdammt, was hatte der für einen Grund? Rammt einfach am helllichten Tag einen Wagen und begeht dann Fahrerflucht,?", sinnierte Semir und schüttelte den Kopf. "Sicher hatte der einen Grund, tja, den sollen wir wieder mal raus finden."- "Ach, wir machen das schon, wir sind doch ein super Team, oder?", meinte Tom grinsend darauf, womit er ja auch recht hatte.

  • 2 Wochen später


    Verbissen raste Semir in seinem BMW hinter dem schwarzen Van her. In den letzten zwei Wochen hatte er jeden Tag einen Unfall verursacht, Tom und Semir konnten zwar weitere Todesopfer verhindern, aber der Fahrer des Vans war ihnen bis jetzt immer entwischt. Jetzt hatten sie eine neue Strategie: Sie verfolgten ihn mit zwei Autos, Tom fuhr direkt hinter ihm. Wenn sie nur wüssten, was der Fahrer des Vans vorhat, wozu er immer wieder Passanten von der Straße abdrängt. Es konnte jederzeit wieder passieren, alles was sie dagegen tun konnten, war, ihn zu schnappen - und das hatten sie auch vor, die Gelegenheit war günstig. Diesmal würde es klappen. Aber sie konnten nicht ewig so weiterfahren, Semir wollte jetzt etwas riskieren, sonst würde er ihnen noch entwischen. Er trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und fuhr rechts an den Van. Durch den Funk hörte er Toms Stimme: "Semir, was hast du vor?", aber er hatte jetzt keine Zeit zu antworten. Er hatte den Van fast vollständig überholt, als er plötzlich nach rechts einschlug. Semir wollte noch ausweichen, aber er konnte nicht mehr. Der Van erwischte ihn hinten am Kofferraum, das Auto stellte sich quer und überschlug sich - aufgrund der erhöhten Geschwindigkeit -mehrmals. Ein anderer Wagen rammte ihn an der Seite, schließlich blieb das Auto liegen. Durch den Funk vernahm Semir wiederum Toms Stimme: "Semir, geht´s dir gut? -Semir, antworte?" Ihm war schwarz vor den Augen, etwas schwindelig, er riss sich jedoch zusammen, es ging um etwas sehr wichtiges. Er tastete sich zum Funkgerät vor und sagte Tom, mit so fester Stimme wie möglich: "Tom, mir geht´s so weit gut, schnapp ihn dir!" Er schloss noch mal die Augen, wartete, dass das Schwindelgefühl vorbeiging, schlug dann die bereits zersplitterte Windschutzscheibe endgültig aus der Fassung und kroch aus dem Wagen. Er richtete sich auf und sah, dass ein Wagen sich nur noch halb auf der Brücke befand und die andere Hälfte über einem Abgrund hing! Sofort hatte er wieder alle Sinne beisammen, rannte zu dem Wagen. Die junge Frau, die noch in dem Wagen saß, schien unverletzt und hatte es endlich geschafft, die Wagentür zu öffnen und wollte vorsichtig über die Motorhaube auf die Brücke klettern. Plötzlich schwankte das Auto, es glitt langsam nach hinten, doch bevor es das konnte, schnappte Semir die Hand der Frau und wollte sie nach oben ziehen. Die Frau schrie in Panik, wollte sich nach oben hieven, doch ihr, wie auch Semir, schwanden langsam die Kräfte, die Frau drohte abzurutschen. Semir wollte sie mit seiner zweiten Hand nehmen und nach oben ziehen, doch bevor ihm dies gelang, rutschte die Hand der Frau aus der seinen und sie fiel in die Tiefe-

  • Tom hatte nicht lange gebraucht, bis er wieder zum Van aufgeschlossen hatte. Er fuhr dicht hinter ihm, aber wie sollte er ihn stoppen? Tom musste nicht mehr lange überlegen, denn der Fahrer beging einen entscheidenden Fehler: Er nahm die nächste Ausfahrt, die war allerdings schon lange von der Polizei gesperrt, nach kurzer Zeit war er festgenommen.
    Tom machte sich jetzt aber mehr Sorgen um seinen Partner, er machte sich auf den Weg zur Unfallstelle von vorhin, wo er auch nach einigen Minuten ankam. Dort fand er Semir am Boden sitzend, an die Reste des Brückengeländers gelehnt. "Semir, es ist alles in Ordnung, ich hab den Fahrer-was ist los?" Der Angesprochene starrte abwesend auf den Boden und sagte: "Verdammt, Tom, ich hab sie nicht festhalten können, dabei war es meine Schuld, hätte ich nicht versucht-dann wäre sie mir nicht reingefahren und-", nun sah er auf zu Tom: "Ich hatte sie schon, ich hätte sie hinaufziehen sollen, sie festhalten sollen, ich konnte nicht-jetzt ist sie tot-" Tom verstand nicht, Semir erklärte ihm, dass ein Auto ihn gerammt hatte, die Frau war abgestürzt: "Semir, du hast dein möglichstes getan, du kannst nichts dafür!"- "Tom, verstehst du denn nicht, ich hätte sie festhalten sollen, dann wäre sie noch am Leben,"-, leise fügte er noch hinzu: -"genau wie Andrea-" Voller Mitgefühl setzte sich Tom neben seinen Partner und trichterte ihm ein: "Semir, quäl dich nicht so! Du konntest nichts tun, es ist nicht deine Schuld, weder bei dieser Frau, noch bei Andrea!" -"Aber, wenn ich sie gehalten hätte?"- "Nein, verstehst du mich, du hättest nichts tun können!"Nachdem Semir nichts mehr erwiderte meinte Tom: "So, jetzt fahren wir erstmal ins Krankenhaus, -dein Wagen hat ja ganz schön was abgekriegt, wird die Chefin aber nicht gerade erfreut sein"-


    Semir schloss die Wohnungstür auf, ging hinein und meinte zu Tom, der hinter ihm die Wohnung betrat: "Ins Schlafzimmer musst du mich aber nicht mehr begleiten, das schaff ich auch alleine"-- "Ich geh nur sicher, dass du dich auch wirklich ausruhst, mit ner Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen"- -"Ja, ja, schon klar, und jetzt hau ab!"Tom sagte noch: "Ich hole die Kinder um 12 beim Kindergarten ab, bring sie dann ihren Großeltern. Am Abend bring ich sie dann wieder her, klar?" - "Alles klar-", meinte Semir genervt. Tom war in letzter Zeit wirklich überfürsorglich. Nachdem er gegangen war, befolgte er trotzdem seinen Rat, und ging ins Bett.

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  • Inzwischen war es ca. sechs Uhr abends, Semir saßam Küchentisch und grübelte. Schon vor einer Stunde war er aufgewacht, und obwohl sein Kopf dröhnte, konnte er nicht mehr einschlafen. Er wollte gar nicht mehr einschlafen, er träumte nur wirres Zeug, immer wieder sah er Bilder der Insel, des abstürzenden Flugzeugs, die Tränen in den Augen seiner Kinder, schließlich Andrea, als sie ihn zum letzten Mal angsterfüllt in die Augen gesehen hatte, als hätte sie sagen wollen, <tu doch was>, wie gerne hätte er ihr diesen Wunsch erfüllt. "Nein!", schrie er verzweifelt, sprang auf und stieß den Stuhl von sich. Im nächsten Moment bereute er es, als ihm schwarz vor Augen wurde und er sich wieder setzen musste. Aber ihm war inzwischen alles egal, er wollte nur nicht an Andrea denken. Er brauchte Ablenkung - seine Bitte wurde erhört, als im nächsten Moment jemand einen Schlüssel ins Schloss steckte und Tom mit den Kindern hereinkam. "Sieh mal Papa, was Onkel Tom uns geschenkt hat?", begrüßte ihn Benni. -", wir probieren es gleich aus!", mit den Worten verschwanden die beiden in ihrem Zimmer. Tom setzte sich zu ihm an den Tisch: "Wie geht´s?" - "War nicht der Rede wert.", meinte Semir ruhig. Eine kurze Pause entstand, Tom suchte nach den richtigen Worten. Schließlich fing er an: "Semir, ich muss mit dir reden." - "Wir reden doch."- "?Es geht um Andrea. Sie ist jetzt schon über zwei Wochen verschwunden, und ich denke wir sollten uns langsam überlegen sie" --- "für tot zu erklären? Bist du verrückt, nein, das-das kann ich nicht!" schrie Semir wütend. Tom hatte mit dieser Reaktion gerechnet, aber er musste es tun. Semir konnte sich nicht mit ihrem Tod auseinandersetzen, wenn er keine Gewissheit hatte. "Tom, das ist so-endgültig.", fuhr er deutlich ruhiger fort. - "Ich weiß, aber-sie wird nicht wieder kommen." Wieder waren beide in Gedanken versunken, eine Weile sagte niemand was. Tom fasste sich schließlich wieder ein Herz und begann: "Ich habe die Papiere heute besorgt. Ich weiß, dass das schwer für dich sein muss,-deshalb habe ich die Formulare bereits ausgef?llt, - du musst nur mehr unterschreiben.-, jetzt war es raus. Tom war sichtlich erleichtert, Semir schien es eher anders zu gehen, wen wundert das auch. "Tom"- - "Ja?" - "Lässt du mich bitte allein,- ich brauche Zeit." bat ihn Semir. "Sicher. Lass dir Zeit.", antwortete Tom, verabschiedete sich und ging.
    Semir hatte den Kopf aufgestützt und starrte auf das ausgefüllte Formular. Tom hatte alles erledigt, ihre Daten genannt, den Unfallhergang geschildert, den Tag, an dem sie verschwunden war-, nun wanderten seine Augen zu den letzten Zeilen. Dort stand <Ich, Semir Gerkhan, als nächster Verwandter, bestätige hiermit?>, er konnte nicht weiter lesen. Er sollte den Tod seiner Frau bestätigen, warum genau er- Wenn er es unterschrieb, war alles vorbei. Es war zwar nur für die Bürokratie, aber seine Hoffnung würde sterben, sobald er unterschrieben hatte. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen. Er nahm den Kugelschreiber in die Hand, den Tom ihm hingelegt hatte. Im Hintergrund öffnete sich eine Tür, Benni und Leonie kamen aus ihrem Zimmer. Reflexartig versteckte er das Formular unter einer Zeitschrift, das war völlig absurd, die beiden konnten schließlich noch nicht lesen. Trotzdem war es eine Vorsichtsmaßnahme, die Kinder brauchten davon nichts zu wissen. "Kinder, könntet ihr bitte noch eine Weile in euer Zimmer gehen, ich muss noch was erledigen. Danach gibt´s Abendessen." Sie guckten etwas enttäuscht, befolgten aber die Bitte ihres Vaters. Als sie wieder weg waren, zog er das Formular wieder unter der Zeitschrift hervor, nahm den Stift in die Hand, wollte ihn ansetzen. Seine Hand zitterte, aber auch innerlich bebte er. "Verdammt, ich kann das nicht?", zischte er leise und stand auf. Nervös fuhr er sich durch die Haare, er würde das nachher erledigen.

  • Gerade wollte er in die Küche und etwas zum Essen machen, als es an der Tür klingelte. Grübelnd, wer das sein konnte ging er zur Tür und öffnete sie. Doch wer draußen stand, -das übertraf all seine Erwartungen, er starrt nur, konnte nichts sagen. Sie streckte die Hand nach ihm aus, doch er wich zurück. Das konnte nicht sein. "Semir,"-, sie sprach seinen Namen aus, so weich, so zärtlich wie nur sie es konnte. Langsam streckte sie wiederum die Hand nach ihm aus, berührte ihn an der Wange, diesmal ließ er es geschehen, legte seine Hand auf die ihre, während er sie fortwährend ansah, so wie sie ihn. Langsam, aber sicher, begriff er, wer da vor ihm stand. Sie war es, er hatte so lange gewartet, nun war sie da, als er am wenigsten mit ihr gerechnet hatte. Es kostete ihn Überwindung, doch er sprach ihren Namen aus: "Andrea, du?", er kam nicht weiter, eine Träne lief ihm die Wange herunter, auch ihre begannen zu fließen. Sie ging vollends herein, schloss die Tür, ohne sich umzudrehen, sie gingen weiter aufeinander zu und fielen sich schließlich in die Arme. Keiner hielt mehr seine Tränen zurück, das war nicht nötig, niemand der beiden sagte etwas, das brauchten sie nicht, sie hatten sich wieder, das bedurfte keiner Worte. Nach einer Weile lösten sie sich wieder voneinander, Semir begann: "Wie?", doch Andrea fl?sterte nur: "Sp?ter?", und sie küssten sich lange und innig. Dieser Moment hätte ewig dauern können, doch Andrea hatte auch noch zwei andere Personen lange nicht gesehen. Langsam lösten sie sich voneinander und Andrea wollte wissen: "Wo sind die Kinder?", schlagartig wurde Semir bewusst, dass er den Kindern schonend beibringen musste, dass ihre Mutter wieder hier war. Andrea konnte nicht einfach hinein gehen und so tun, als ob nichts gewesen wäre. "Ich rede vorher mit ihnen.", antwortete Semir und nur ungern ließ er sie los und entfernte sich von ihr, als ob er Angst hätte, er könnte sie noch ein zweites Mal verlieren. Er lächelte ihr noch einmal zu und betrat dann das Zimmer der Kinder. Er überlegte noch, wie er am besten beginnen sollte, da platzte Leonie heraus: "Mama ist wieder da!", strahlte sie. Semir, fragte verdutzt, woher sie das wussten, worauf Benni noch antwortete: "Du warst lange nicht mehr so fröhlich!", und die beiden stürzten hinaus. Sie waren doch immer wieder für eine Überraschung gut. Grinsend ging er ebenfalls wieder ins Wohnzimmer und Gesellte sich zu der Riesenumarmung auf der Couch. Die Familie war wieder vereint, es war fast, als ob es nie anders gewesen wäre.
    Semir meinte schließlich, er habe noch etwas zu erledigen und ging zum Küchentisch. Lächelnd betrachtete er die Szenerie im Wohnzimmer, wo Andrea gerade spaßhalber wissen wollte, ob sie auch brav gewesen waren. Dann drehte er sich wieder zum Tisch, nahm das unvollständige Formular vom Tisch und zerriss es in kleine Schnipsel. Es war vorbei, es war wirklich alles wieder gut geworden.


    ***ENDE***

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