Drive-by

  • Autobahn - 10:30 Uhr


    Es war wie eine Art Strafe, auch wenn sie unausgesprochen blieb... aber beide Polizisten fassten den Blick der Chefin, als sie dem rollenden Bett mit der verletzten Jenny folgte, gleichermaßen auf, ohne sich abzusprechen. Kümmern sie sich um ihren verdammten Job, ich kümmere mich um Jenny. Wortlos mit versteinerten Mienen verließen Kevin und Ben das Krankenhaus. Der Polizist mit dem Wuschelkopf, der seinen Puls und sein Adrenalin wieder unter Kontrolle hatte, hatte plötzlich ein unheimlich schlechtes Gewissen seinem Partner gegenüber, für die Art und Weise was er gerade eben gesagt hat... nein, ihm an den Kopf geworfen hat. Sorge um Jenny, eigene Angst, Schlafmangel... das alles vermischte sich zu einem explosiven Cocktail zusammen, der eben ausgebrochen war. Kevin dagegen war mehr erschüttert darüber, dass Ben eine Grenze überschritten hatte... Konfrontation mit seiner Vergangenheit. Er hätte es sich nicht träumen lassen, dass ein Freund in einem Streit auf derart unfaire Mittel zurückgreifen würde, wenn es darum ging, ihn zu provozieren. Dass die Chefin die "Drogendealer"-Bemerkung mitbekommen hat, war nur das Tüpfelchen auf dem I. Der junge Polizist konnte nur hoffen, dass sie der Bemerkung keinerlei Ernsthaftigkeit zumaß, und sie recht schnell wieder vergessen würde.
    Die Atmosphäre im Mercedes, in den die beiden Kommissare stiegen, hätte keine Heizung dieser Welt aufwärmen können, obwohl es draussen immer schwüler und stickiger wurde. Kevin sah aus dem Seitenfenster, und würdigte seinem Nebenmann keines Blickes, der selbst sich allerdings nicht dazu aufraffen konnte, sich zu entschuldigen... zu frisch war die Wunde, die er Kevin zugefügt hatte, das wusste der Polizist selbst.


    Ein Klingeln im Radio kündigte einen Anruf über die Freisprecheinrichtung an, als sie eine Zeitlang unterwegs waren. Ben war in gewisserweise dankbar für die Unterbrechung der unangenehmen Stille und nahm das Gespräch über eine Einrichtung am Lenkrad an. Am Display im Radio konnte er die Handynummer der Chefin erkennen. "Ja?", fragte Ben hastig, als er abnahm, weil er aufgeregt war ob Anna Engelhard gute oder schlechte Nachrichten über Jenny hatte. Die Stimme klang jedenfalls positiv. "Gute Nachrichten, meine Herren. Frau Dorn hatte riesiges Glück. Offenbar wurde die Kugel von einem Teil der Weste noch absorbiert und hat deswegen nur oberflächlichen Schaden an der Bauchdecke angerichtet. Es sind keine Organe verletzt, sie hat aber recht viel Blut verloren. Die Kugel hat man operativ entfernt." Das Aufatmen im Fahrzeug war sofort spürbar. "Was meinen sie damit, dass ein Teil der Weste die Kugel absorbiert hat?", fragte Ben dann genauer nach. "Der Arzt meinte, dass die Kugel eventuell die Kante erwischt hat, gebremst, aber nicht komplett gestoppt wurde. Nehmen sie die Weste und fahren sie zu Hartmut." Und nach einer kurzen Pause setzte sie, ebenfalls sehr erleichtert hinzu: "Wir haben verdammtes Glück gehabt. Aber das sollten wir nicht noch einmal herausfordern." Ein nachdrücklicher Fingerzeig an ihre beiden Beamten, den Kerl endlich zu fassen.
    Die Chefin würde bei Jenny bleiben, bis diese aus der Narkose erwacht, damit sie nicht alleine war. Ben bedankte sich und beendete das Gespräch. "Puh... Gott sei Dank.", meinte er danach und schaute herüber zu Kevin, der sich während des Gespräches nicht einmal umgedreht hatte. Nur einmal bewegten sich die Augen in Richtung der Stimme aus dem Radio, und doch hatte er ganz genau zu gehört... ihm fiel ein Stein vom Herzen.



    Dienststelle - 11:15 Uhr


    Es war ein Zufall, dass das rothaarige Genie aus der KTU gerade bei seinen Freunden vorbeischauen wollte. Jedenfalls stand Hartmut gerade am Tisch von Hotte und Bonrath, und alle drei machten sorgenvolle Gesichter, als die beiden Polizisten eintraten. "Was ist mit Jenny?", fragte Hartmut sofort. Er hatte vor zwei Jahren einen kurzen, aber heftigen Flirt mit der jungen Streifenbeamtin gehabt, noch bevor sie zur Autobahnpolizei ging, und war dementsprechend persönlich betroffen. Ben wusste davon und klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. "Es ist nicht so schlimm. Nur eine oberflächliche Verletzung, keine beschädigten Organe." Hartmut, aber auch die beiden Kollegen Hotte und Bonrath, sowie das ganze Revier, das die Nachricht mitbekommen hatte, atmete auf. "Gott sei Dank...", entfuhr es Herzberger, der mit seinem Partner gerade nicht in der Dienststelle war, als der Anschlag passierte.
    Jennys Weste lag auf ihrem Schreibtisch, um den sich jetzt die drei Männer versammelten. Kevin wirkte abwesend und war noch stiller als sonst, und man konnte spüren, dass zwischen den beiden Partnern etwas nicht stimmte. Der dicke Polizist, der die Szenerie von seinem eigenen Schreibtisch beobachtete, hatte ein feines Gespür für solche zwischenmenschlichen Spannungen. "Lebenserfahrung", nannte er sowas immer schmunzelnd. "Schau dir mal die Weste an.", sagte Ben und reichte sie dem Leiter der KTU, der diese sorgfältig betrachtete. "Nicht schlecht...", sagte er anerkennend, und strich durch die halbrunde Beschädigung an der Sicherheitsweste. "Weit genug weg, dass die Kugel durchgekommen ist, aber weit genug drin, dass sie wenig Schaden angerichtet hat. Wenn das so geplant war..." Hartmuts Augen wanderten nach oben, von der Weste weg zu Ben hin. "Du meinst, das war so geplant?" Der Kommissar zuckte mit den Schultern. "Wer in einem fahrenden Auto mit drei Schüssen drei hauchdünne Gummimanschetten zerschiesst... es wäre ein irrer Zufall, wenn dieser Schuss nicht genauso geplant wäre." "Es wäre auch ein irrer Zufall, wenn er nicht so geplant gewesen wäre." entgegnete Hartmut ein wenig schnippisch. "Aus so einer Entfernung... mit einer normalen Pistole, einfach mal vermutet, bis wohin die Weste reicht..." Der rothaarige Mann wog den Kopf skeptisch hin und her. "Wenn er Jenny hätte töten wollen, hätte er ihr in den Kopf geschossen." gab Ben wiederrum zu bedenken. "Es war eine Warnung." Kevin äusserte sich zum ersten Mal nach über einer Stunde. "Das war kein Zufall..."


    "Ben, Kevin, Hartmut... schaut mal hier.", rief Herzberger plötzlich und winkte die drei Männer heran. Er saß konzentriert an seinem Dienstrechner und blickte mit seiner kleinen Lesebrille auf den Monitor, als sich der Rest hinter ihm versammelte, auch Bonrath gesellte sich hinzu. Der dickliche Polizist hatte die Homepage der Tageszeitung Express geöffnet, auf der eine Eilmeldung über den Anschlag bei der Autobahnpolizei erschienen war. Ein findiger Fotograf hatte es sogar geschafft, einen Schnappschuss des Blutfleckes zu machen, der auf dem Asphalt vor dem Eingang gut zu sehen war. "Ja und? Das ist doch heute ganz normal, dass so schnell...", sagte Hartmut, und wollte gerade einen Vortrag über die Geschwindigkeit von News im Internet beginnen, als er von Hotte unterbrochen wurde. "Das meine ich doch gar nicht. Seht mal hier unten." Er scrollte unter den Artikel, wo Nutzer die Möglichkeit hatten, Kommentare zu dein jeweiligen Artikel abzugeben. Der zweite Kommentar war es, auf den Hotte hindeutete: "Da hatte die junge Frau aber Glück, dass die Kugel noch den Rand der Schutzweste getroffen hatte... :-)" Ben wurde es mulmig, Hartmut zog die Stirn in Falten und konnte erstmal nichts Besonderes an dem Kommentar feststellen. "Die Schutzweste wird im Artikel überhaupt nicht erwähnt.", sagte Kevin nachdenklich und blickte Hartmut an, bei dem der Groschen sofort fiel. "Zumindest kann nur der Killer davon ausgehen, dass es so war, wenn er auf die Kante spekuliert und gezielt hat... unabhängig davon, ob er nun recht hat oder nicht.", vollendete Ben. Auch Herzberger nickte. "Ich habe mir auch gleich gedacht... das ist der Typ. Er fordert uns damit heraus."


    Ben blickte auf zu Hartmut. "Wir müssen wissen, wer das geschrieben hat." "Über die IP-Adresse des Absenders bekommt man das sicherlich raus.", sagte Hartmut sofort. "Wo wird die gespeichert?" Kevin war wieder aufgetaut, und wollte keine Zeit verlieren. "Beim Betreiber der Website... also in dem Fall wohl beim Express selbst." Sofort kam Bewegung in die beiden Männer, die sich zielstrebig und schnellen Schrittes zum Ausgang aus dem Büro bewegten. "Hey wartet!", rief Hartmut den beiden hinterher. "Dafür braucht ihr einen richterlichen Beschluss. Das kann sich Tage dauern, bis ihr dann die Info herauskriegt!" Wie angewurzelt blieben die beiden stehen, Ben sah Kevin an, der sofort den gleichen Gedanken hatte. Der junge Polizist ging mit ernstem Gesicht auf Hartmut zu, der erst ein wenig erschrak... er kannte den Mann ja noch nicht besonders gut, und besonders nett blickte der momentan auch nicht drein. Er packte das rothaarige Genie am Arm und zog ihn mit sich mit. "Scheiss auf den Beschluss.", raunte er ihm zu, als er ihn an Ben vorbeizog, der Hartmut auf die Schulter klopfte. "Komm schon, Einstein. Du kannst uns vielleicht helfen."

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen


    <3

  • Playa del Ingles - 11:30 Uhr


    Semir packte seinen Rucksack nur mit den nötigsten Dingen. Geldbeutel, Schlaf-Shirt, eine Jeans, zwei weitere Shirts. Er wollte nicht zuviel mitnehmen, wer weiß wo sie unterkam, wie lange sie brauchten. Andrea beobachtete ihn etwas sorgenvoll, die Kinder waren beim Miniclub in guter Obhut. "Hat André schon was gesagt, wie vorgehen will?" Semir schüttelte den Kopf, ohne die Packerei zu unterbrechen. "Nein, gar nichts. Ich glaube, er weiß es selbst noch nicht genau." Andrea nickte ruhig und stand auf um ihren Mann zu umarmen, als dieser sich den Rucksack auf den Rücken schwang. Es war höchste Zeit, André würde sicher schon vor dem Hotel warten. "Sei bitte vorsichtig...", hauchte sie dem Polizisten ins Ohr, als sie sich festhielten und dabei mitten im Zimmer standen. Wie oft hatte sie das gesagt, wie oft hatte Semir es ignoriert und sich dann doch in die größtmöglichen Gefahren gestürzt. "Andrea, ich bin dir unendlich dankbar, dass du soviel Verständnis hast.", sagte er und küsste seine Frau auf die Wange. "Jede andere Frau hätte mich schon zum Teufel gejagt." Beide mussten grinsen und Andrea fand, dass er recht hatte. Sie war wirklich verständnisvoll, dass ihr einziger Jahresurlaub nun ein wenig zerstückelt wurde, und sie den Großteil ohne ihren Mann verbringen musste. Die Kinder waren dafür aber natürlich ein kleiner Trost. "Ich weiß doch, wie wichtig dir diese Sache ist. Bringt alles gut hinter euch, und dann haben wir noch ein paar Tage zusammen.", sagte sie hoffnungsvoll und die beiden küssten sich, bevor Semir das Hotelzimmer verließ.


    André wartete bereits auf dem Parkplatz des Hotels in einem der Hotelkleinbusse. "Na, alles klar?", begrüßte er seinen Freund, der den Rucksack zu ihm hineinwarf und einstieg. Dabei nickte er, er fühlte sich zwar etwas unwohl, aber er freute sich, endlich Licht ins Dunkle zu bringen. André legte den ersten Gang ein und lenkte den Kleinbus auf die Autobahn in Richtung Flughafen. "Weißt du schon, wo wir dort hinten ansetzen werden?", wurde er von seinem Nebenmann gefragt. Der Animateur ließ die Augen nicht vom Asphalt. "Seit wir...", begann er und stockte dann kurz. Er redete, als wäre er selbst noch Polizist. "Seit ihr Horn und Kerler festgenommen habt, werden sich wohl die kleineren Mitarbeiter alle verkrümelt haben oder verkrochen haben.", sagte André mit seiner kratzigen Stimme. "Aber das ein oder anderen Versteck kenne ich noch. Wir müssen jemanden finden, der bei dieser Sache damals dabei war." "Und dann? Glaubst du, der sagt dann direkt von sich aus: Na klar, André wurde gezwungen?" Semir hatte so seine Zweifel. Am liebsten wären ihm die Original-Fotos, die dann auch vor Gericht Gültigkeit hätten... sollte es jemals dazukommen. "Nein, das nicht.", gab André dann auch zu. "Aber jemand von denen wird wissen, wer die Fotos gemacht hat... und wo wir die finden können." Sein Freund seufzte auf dem Beifahrersitz. "Das hört sich alles so einfach an... aber wir müssen dann ja auch erstmal da ran kommen." "Semir, warum so unkreativ?" André sah seinen Freund herausfordernd an. Ein wenig hatte ihn das alte Fieber gepackt. "Uns wird schon was einfallen, wie wir da ran kommen."


    Die Straße verlief an der kanarischen Küste vorbei, durch den ein oder anderen Tunnel auf der Ostseite. "Wie hast du dich eigentlich gefühlt damals, als du das gemacht hast?", fragte Semir irgendwann, nachdem sie ein paar Minuten geschwiegen hatten. Andrés lockere Miene verschwand, und sein Gesicht wurde nachdenklich. "Scheisse hab ich mich gefühlt.", sagte er in seiner typischen Art und Weise. "Auch wenn der Typ ein Schwein war... ich hätte sowas aus freien Stücken nie gemacht, das weißt du." Semir dachte nach... wusste er das wirklich? Vor 14 Jahren hätte er ohne Bedenkzeit sofort bejaht. Aber inwiefern sich der Mann neben ihm geändert hatte, in diesen 14 Jahren, konnte er nicht sagen. Spielte er ihm auch jetzt noch was vor? Merkte er, dass Semir ihm dahingehend vertraute, dass er wirklich gezwungen wurde, und spielte diese Rolle weiter? Der kleine Polizist konnte es sich einfach nicht vorstellen... oder wollte es sich nicht vorstellen. "Ich glaub schon.", sagte er diplomatisch, und André spürte diese Winzigkeit an Misstrauen. Doch sie hatten sich vor einem halben Jahr schon ausgiebig darüber unterhalten, und der großgewachsene Karatekämpfer konnte diese Bedenken von Semir nachvollziehen. "Natürlich habe ich mir auch Vorwürfe gemacht, und viel drüber nachgedacht. Es ist halt was anderes, wenn du einen Menschen im Polizeidienst in Notwehr erschiesst..." Was beide über die Jahre öfters tun mussten. "Oder es so tust.", sagte er leise. Semir glaube André. Er bildete sich immer noch ein, den Mann so gut zu kennen, dass er wusste wann er log und wann nicht. Ausserdem hatte er eine gute Menschenkenntnis über die Jahre erlangt. Kurz vor 12 hielten sie am Flughafen.



    Express-Verlag - 12:00 Uhr


    Mit quietschenden Vorderreifen stoppte Kevin den Mercedes auf dem Parkplatz vor einem großen Hochhaus in der Kölner Innenstadt, wo das Boulevard-Blatt "Express" zu Hause war. Hartmut musste sich mit zwei Händen an den Vordersitzen abstützen und gleichzeitig versuchen mit dem Knie seinen Laptop am Runterrutschen hindern. "Warte hier.", sagte Ben zu dem Rotschopf. "Wir versuchen es erst auf die klassiche Art."
    Mit schnellen Schritten gingen die beiden Polizisten in das Gebäude, erfragten sich den Weg durch bis zu den Technikern. Ein etwas schlaksiger Kerl mit Seitenscheitel stellte sich den beiden schließlich als Herr Kaiser vor, der die IT-Geschicke im Konzern leitete. "Was kann ich für sie tun?", fragte er, nachdem er die Ausweise der beiden Polizisten gesehen hatte. "Wir bräuchten die IP-Adresse vom Verfasser dieses Kommentares?", sagte Ben mit freundlicher Stimme, während Kevin eher und kühl dreinblickte. Er hatte, bis auf zwei Sätze zu Hartmut, nichts mehr gesprochen seit dem Krankenhaus... schon gar nicht direkt zu Ben selbst. "Haben sie eine richterliche Anordnung dafür?" Ben blickte zu Kevin, dessen Gesichter noch ein wenig an Freundlichkeit verlor, und versuchte es im Guten. "Es ist sehr dringend. Wir vermuten, dass hinter dem Kommentar der Attentäter selbst stecken könnte und brauchen dringend den Aufenthaltsort." "Das verstehe ich, aber ohne richterlichen Beschluss kann ich ihnen diese Informationen nicht rausgeben... das wissen sie doch selbst am besten." Der schlaksige Kerl grinste ein wenig, ob aus Höflichkeit oder Arroganz konnte Kevin nicht sagen. Bevor er sich jedoch zu einer frechen Antwort hinreißen ließ, drehte er sich weg und ging ein paar Schritte den Flur entlang.


    Dabei schnappte er einige Wortfetzen von einem Typ auf, der einige Meter von ihnen entfernt stand. Er hatte eine teure Spiegelreflexkamera in der Hand, und zeigte einige Bilder seinem Kollegen. "Hier wird sie grade abtransportiert. Ich bring die Bilder gerade zur Abteilung. Der Fleck ist schon online, den hab ich mit dem Smartphone gemacht und sofort rübergeschickt." "Hmm, sieht gar nicht schlecht aus, die Kleine.", meinte sein Nebenmann und grinste derb. Für Kevin waren das genug Informationen, und die innere Wut, die sich eher auf Ben konzentrierte wurde kurzzeitig auf die beiden Typen umgeleitet. Mit ein paar schnellen Schritten war der junge Polizist bei dem Kerl, und nahm ihm geschickt die Kamera aus der Hand. "Hey, was...?", begann der Typ zu protestieren, als Kevin sofort einen Blick auf das Display warf, und deutlich Jenny auf der Bahre und sich selbst daneben erkennen konnte, wie sie gerade in den Krankenwagen abtransportieren ließ. "Die Speicherkarte ist beschlagnahmt.", unterbrach er ihn mit seiner monotonen Stimmlage und zog die SD-Karte aus dem Speicherschlitz. Herr Kaiser und Ben wurden auf die Szene mittlerweile aufmerksam. "Haben sie dafür überhaupt einen Durchsuchungsbeschluss, hä?", ereiferte sich der Fotograf und prallte gegen Kevin, der unvermittelt stehen blieb, während er die Speicherkarte in die Jeans gleiten ließ. Der Typ ging einige Schritte zurück, denn die Blicke des Polizisten konnten töten. Er sah den Kerl kurz an: "Alles was kleiner ist als 50x50cm darf ohne Beschluss beschlagnahmt werden." Dann betrachtete er die Kamera und erkannte sofort, dass es sich um ein ziemlich teures Gerät handelte. Er schaute auf und sagte: "Hängst du an dem Ding?" In dem Moment sah der Fotograf ziemlich dumm aus der Wäsche, und Ben ahnte bereits, was als nächstes folgte. "Ja...", sagte der Typ. "Dann will ich mal nicht so sein." Kevin lächelte arrogant freundlich und warf die Kamera im hohen Bogen ansatzweise in die Richtung des Fotografen... jedoch so weit weg, dass der Fotograd niemals in der Lage war, das teure Stück zu fangen, das auf dem Keramikboden in 100 Einzelteile zersprang. Der Fotograf schrie auf: "Bist du bescheuert, du Arschloch?" und stürzte sich sofort auf seine geliebte Kamera, während Kevin sich zu Ben umdrehte, der nur den Kopf schüttelte. "Wie ich schon sagte...", meinte Herr Kaiser, nun deutlich kühler. "Sie brauchen zwingend einen Beschluss." Der Polizist winkte genervt ab und folgte seinem Kollegen, der bereits auf dem Weg zum Ausgang war.


    Ben holte auf Kevin auf und raunte ihm zu: "Das hat jetzt sicherlich geholfen, schnell an die Info zu kommen." Kevin sah stur und ohne Gefühlsregung gerade aus. Ihm war Jennys Wohlergehen, das sicher unter einer deutschlandweiten Veröffentlichung der Bilder gelitten hätte, wichtiger als die potentielle Gefahr des Attentäters ihm oder Ben gegenüber. Ausserdem hätten sie eh nichts erreicht auf normalem Wege. Das dachte er aber nur... was er sagte war lediglich ein arrogantes: "Quatsch mich nicht an.", womit er jede Konversation mit Ben im Keim erstickte...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


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  • Dienstauto - 12:30 Uhr


    Hartmut erkannte wohl schon von weitem, dass die "Klassische Art und Weise" bei Ben und Kevin nicht den erwünschten Erfolg gebracht hatte. Beide Männer hatten nämlich eisige Mienen aufgesetzt und kamen wieder zurück zum Auto. Dass sie sich aber beide keines Blickes würdigten, und auch kein Wort miteinander wechselten, verwirrte Hartmut etwas. Jedenfalls blickte der Rotschopf nur kurz vom Laptop auf als die beiden wieder ins Auto einstiegen. "Und? Geklappt?", fragte er knapp, während seine Finger in Rekordgeschwindigkeit über die Tasten huschten. Ben schüttelte den Kopf, während Kevin sich vor dem Auto eine Zigarette anmachte. "Pass auf Hartmut... Hartmut?" Ben hatte sich umgedreht und bemerkt, dass sein Kollege aus der KTU völlig vertieft in seinen Laptop war, und der Polizist hatte den Eindruck, er würde ihm nicht zuhören. "Hallo, Erde an Hartmut? Was machst du denn da?" Ohne aufzublicken ertönte die ruhige Stimme des IT-Genies. "Ich verbinde mich gerade mit dem Firmen-WLAN und machte mich auf die Suche nach dem Webserver, der das Log-Protokoll der Kommentare gespeichert hat." Grinsend blickte er zu dem verblüfft dreinschauenden Ben und setzte hinzu: "Und was wolltest du?" "Ähm... nichts. Mach weiter und sag Bescheid, wenn du was hast.", sagte Ben, der einmal mehr von Hartmut beeindruckt war. Es war natürlich offensichtlich, warum Kevin im Revier den Leiter der KTU sofort mitgezogen hat für den Fall, dass der Express die IP-Adresse nicht freiwillig ohne Beschluss rausrücken wollte.


    Das Klack-Klack von Hartmuts Tastatur rückte für Ben in den Hintergrund, als er durch die Frontscheibe Kevin beobachtete, der sich an die Motorhaube gelehnt hatte, und seine Zigarette rauchte. Zeitweise dachte er nach, ob er nicht rausgehen sollte, sich entschuldigen sollte, mit ihm reden sollte. Doch die Bemerkung, die Kevin eben gesagt hatte, hielt ihn zurück, zeigte sie dem Polizisten doch, dass sein Kollege momentan keinerlei Interesse an einer Konversation mit ihm hatte. Und in gewisser Hinsicht konnte Ben das auch nachvollziehen... was er gesagt hatte ging wirklich einen Schritt zu weit. Er würde das nachholen, wenn alle wieder etwas heruntergekommen waren, und der Streß sich gelegt hatte.
    Natürlich blickte er auch immer wieder nach und links und rechts, denn die Angst vor dem Attentäter hatte sich in keinster Weise gelegt. Zumindest waren sie hier weit genug von einer stark befahrenen Straße weg, und somit in Sicherheit, falls der Täter seinem Anschlagsmuster treu blieb. "So, ich bin auf dem Webserver drauf. Schau bitte nochmal, wann genau der Kommentar abgeschickt wurde.", sagte Hartmut eine Zeitlang später und schreckte Ben beinahe ein wenig auf. Kevin stieg in dem Moment wieder in den Wagen ein, obwohl er die Zigarette schon vor 10 Minuten weggeschnippt hatte. Offenbar war seine momentane Wut auf Ben so groß, dass er nicht mal mit ihm zusammen im Auto sitzen wollte. Der wiederrum zog sein Smartphone, und navigierte sich auf die Website des Express, zu dem, mittlerweile ausformulierten Artikel über den Anschlag vor der Autobahnpolizei. "11:02 Uhr", sagte er, und hielt Hartmut das Handy vor die Nase, dessen Blick aber sofort wieder herunter in Richtung Laptop ging. Kevin schaute über das Parkplatzgelände des Verlages und befürchtete jeden Moment, gleich fortgejagt zu werden. "Ich hab sie.", rief Hartmut allerdings nur wenige Minuten später und nannte den beiden Polizisten die IP-Adresse.


    Ben und Kevin blickten den Rotschopf an. "Und jetzt?", fragte Ben, der mit dieser Zahlenkolonne nicht viel anfangen konnte, ausser dass er wusste, dass man damit einen Rechner adressierte. "Das bringt uns doch nicht weiter. Beim Netzbetreiber brauchen wir auch einen Beschluss um die IP-Adresse einer realen Adresse zu zu ordnen.", stöhnte der Polizist mit dem Wuschelkopf, erkannte aber sofort das Grinsen von Hartmut, der erneut wie wild zu tippen anfingn. "Einen Moment.", raunte er. "Hackst du dich jetzt auch noch in den Zentralrechner des Providers?" "Nein... aber ich muss den Knotenpunkt der Adresse rausfinden. Das kann man über eine öffentliche Website. Und von dort kann ich mich dann in ein privates WLAN einhacken, und über die Vermittlungsstelle mir alle IP-Adressen auflisten lassen... plus Vertragspartner." Kevin trommelte stumm aufs Lenkrad, während Hartmut nach dem Knotenpunkt suchte. Er fand ihn in einem Wohngebiet, ausserhalb von Köln und sofort setzte sich der BMW in schnellem, aber angemessenen Tempo in Bewegung.


    Einige Zeit später standen sie auf einem Bürgersteig. Das Wohngebiet war ein Neubaugebiet und grenzte an ein größeres Waldstück. Es war ruhig und hatte etwas von "heiler Welt", auch wenn das Wetter heute sehr unangenehm schwül war, und diesig. Hartmuts Augen flitzten immer wieder von links nach rechts über den Monitor und seine Finger waren ebenso flink beim Tippen der Tasten auf seiner Tastatur. "Ein WLAN hab ich schon mal ... so...", murmelte er, als er sich in ein unverschlüsseltes WLAN einloggte und mit einigen Befehlen den Weg zurück zur Vermittlungsstelle des Netzbetreibers verfolgte. Dann glich das IT-Genie die IP-Adresse ab mit der Liste, und fand die Adresse. Die lies er sich dann auf Google Maps anzeigen. "Du musst die Straße weiterfahren, dann zweimal links auf einen Forstweg. Das letzte Haus auf der rechten Seite ist es. Vereinsheim der Jägerfreunde." Ben und Kevin sahen sich kurz an, dann nach hinten zu Hartmut. Beide hatten den gleichen Gedanken, als sie hörten was in dem Haus vermutlich zu finden war. "Ein Jäger ist nicht unbedingt der schlechteste Schütze.", meinte der Polizist mit dem Wuschelkopf, und sein Partner setzte den BMW wieder in Bewegung.
    Vor dem Vereinsheim standen einige Wagen. Etwas besonders auffälliges war nicht dabei. Kevin schaute instinktiv nach einem schwarzen Audi, denn für eine Sekunde hatte er an den Audi gedacht, der ihn kurzzeitig verfolgt hatte, dem er aber keine Bedeutung zu gemessen hatte, und auch jetzt nicht zumaß. Ein schwarzer Audi war aber nicht unter den Fahrzeugen. Die beiden Polizisten stiegen aus, und gingen in Richtung Eingang des Vereinsheims...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


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  • Schützenheim - 13:15 Uhr


    In der Ferne schien es leise zu grummeln, ein Gewitter zog auf. Die Luft war schwül, beide Polizisten spürten die drückende Luft, als sie aus dem warmen Auto stiegen und sich langsam zur Eingangstür des Vereinsheims der Schützenfreunde begaben. Die IP-Adresse, von der ein verräterischer Kommentar in einem Presseartikel abgegeben wurde, führte die beiden Autobahnpolizisten mit IT-Genie Hartmut zu dieser Adresse. Letzterer blieb nun erstmal im Auto sitzen, zu seiner eigenen Sicherheit.
    Ben kam als erster an der Tür an, von aussen sah es ein wenig aus wie eine ältere Kneipe... doch die Tür war verschlossen, obwohl einige Autos auf dem Parkplatz standen. "Zu.", sagte er schmallippig und drehte sich zu seinem Partner um, der nach wie vor mit einer Eismiene durch die Gegend lief und sich mit einem kurzen Ruck am Griff selbst davon überzeugte. Doch die Tür war anscheinend zugesperrt, und so blickte der junge Kommissar einmal kurz nach rechts und links, bevor er sich auf den Boden vor die Tür kniete und einen kleinen Draht aus der Jeans nahm. Ben ging zwei Schritte zurück, wollte zuerst protestieren, ließ Kevin dann aber gewähren. Je schneller sie den Typ fassten, umso besser... also nahm der erfahrenere und ältere Polizist auch einen Einbruch in Kauf.
    Es dauerte nur wenige Sekunde, und Kevin hatte die Tür offen... wieder mal überfiel Ben diese ungute Gefühl über die Vergangenheit seines Partners, als er ihn anblickte.


    Die traten in das Haus ein und gelangten erstmal in eine offene Diele, die in einen großen Veranstaltungsraum mündete, wo Tische in U-Form standen, viele Stühle und eine Theke mit Getränken aufgebaut war. "Ich schau mich hier mal um.", meinte Ben und betrat den Veranstaltungsraum, während Kevin kommentarlos die andere Richtung einschlug. Die Wut auf Ben war immer noch präsent, der Polizist hatte ständig das Bedürfnis provokant zu antworten, und schluckte es jedesmal herunter. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass sein Kollege dermaßen unfair im gegenüber war, sogar seine Schwester in einen Angriff zu packen, und ihn quasi an seine damalige Hilflosigkeit zu erinnern. Es hatte etwas in dem Mann kaputt gemacht, und wenn es nur das mühsam aufgebaute Vertrauen zu Ben war.
    Kevin gelangte zuerst in eine Küche, beide Polizisten bewegten sich zwar langsam und möglichst geräuscharm, aber nicht schleichend weil sie nicht davon ausgingen, NICHT allein zu sein. Ben durchsuchte derweil einige Schubladen, um irgendwo einen Laptop zu finden, von dem der verräterische Post abgeschickt wurde, während Kevin nach Kabeln suchte, wie Hartmut sie ihm beschrieben hatte. Gerade bückte sich der junge Polizist unter einen Schrank, als er plötzlich die kalte Mündung, die größer war als er sie kannte, am Nacken spürte und erstarrte. Verdammt, waren sie etwa in eine Falle getappt? Warum hatte Hartmut sie nicht gewarnt, wenn jemand von aussen reingekommen war. "Ganz ruhig bleiben, Freundchen.", erklang hinter ihm eine Stimme, die Kevin in keinster Weise zu ordnen konnte, und langsam, wie in Zeitlupe erhob er sich, die Hände ein wenig erhoben. "Umdrehen.", befahl die Stimme, und der Polizist erblickte in ein faltiges altes Gesicht eines Mannes, die schütteren grauen Haare lagen gescheitelt in eine Richtung auf dem Kopf und in der Hand hielt er ein nicht zu verachtendes Jagdgewehr. "Glaubt ihr Assozialen eigentlich, das ist ein Selbstbedienungsladen hier? Was wollt ihr denn noch alles klauen?" Kevin atmete innerlich durch... der Mann vermutete in ihm einen Einbrecher. "Ich bin ein Bulle.", sagte er lächelnd, beinahe beschwichtigend, doch der Mann ließ sich erstmal nicht überzeugen. "Und ich bin Donald Duck.", sagte er drohend und stieß dem Mann den Lauf des Jagdgewehrs gegen das Kinn.
    "Er ist Polizist!", bestätigte Ben, der mit gezogener Pistole in die Küche kam, in der anderen Hand seinen Dienstausweis. Er hatte Geräusche gehört und war sofort Richtung Küche gelaufen, wo er die Szenarie beobachtete. "Und sie legen das Jagdgewehr jetzt langsam auf den Tisch.", sagte er, nachdem der Mann sich ebenfalls etwas gemächlich umgedreht hatte, während Kevin die Arme herunternahm und sofort den Lauf des Gewehrs ergriff, das der Mann bereitwillig aus der Hand legte. Er schien gute Augen zu haben, weil er den Dienstausweis von Ben zumindest als Polizeiausweis erkannte.


    Der Mann war ein wenig peinlich berührt, und schien Konsequenzen zu fürchten, dass er einen Polizisten mit der Waffe bedroht hatte. Er entschuldigte sich sofort bei Kevin. "Ich konnte das ja nicht ahnen. Bei uns ist im letzten halben Jahr dreimal eingebrochen worden.", rechtfertigte er sich und zeigte sofort einen Waffenschein, dass er ein Jagdgewehr nicht illegal benutzte. Kevin winkte ab, und meinte, es sei schon okay. "Aber warum sind sie hier? Und wie sind sie reingekommen?", fragte der Mann, der sich als Walter Trauscher vorstellte, ein rüstiger Mit-Siebziger der mit Leidenschaft der Jagd nachging. "Die Tür war nur angelehnt.", sagte Ben und blickte dabei kurz auf Kevin, der sich etwas abseits auf die Küchenablage gesetzt hatte, und das Gespräch stumm verfolgte. "Hmm, haben die anderen wieder vergessen, ordentlich zu zu ziehen. Wenn alle hier sind ist normalerweise der Schnapper drin, aber die meisten sind grad im Wald am arbeiten." Nach kurzer Bedenkzeit fügte er an: "Was kann ich für sie tun?"
    Ben kam gleich zur Sache. "Es geht um den Drive-By-Killer." "Hab ich von gehört... schrecklich.", nickte der Mann Ben zu. "Wir sind auf der Spur nach einem verräterischem Internetbeitrag, nachdem unsere Kollegin angeschossen wurde. Nach unseren Ermittlungen wurde der Beitrag von dieser Adresse abgesendet." Der Mann wurde sofort etwas blasser. "Von dieser Adresse? Von unserem Anschluss?" Ben nickte, während der Mann sich über die Wange streichte und sich abwandte. "Kommen sie mit ins Nebenzimmer. Das ist unser Büro, dort steht der PC."


    Die beiden Polizisten folgten dem alten Mann, Ben ließ sich sofort an der Tastatur nieder und checkte den Internetverlauf. Der Kerl hatte sich keinerlei Mühe gemacht, irgendwelche Spuren zu verschleiern, es war kein Problem nachzuvollziehen, dass der Kommentar von diesem PC abgeschickt wurde. "Wer hat Zugriff auf diesen PC?", fragte Ben sofort. "Jeder aus unserem Verein." "Und wer war bereits gegen 11 Uhr hier?" Der alte Mann dachte nach und sah einmal kurz auf seine Armbanduhr. "Der Arbeitseinsatz hat um 12 Uhr begonnen. Ich war um viertel vor 12 als Erster hier und habe aufgeschlossen." Er zuckte mit den Schultern. "Ob vorher jemand hier war, kann ich nicht sagen." Ben dachte nach, er schaute sich einmal im Raum um. Das Haus war älter und es machte nicht den Eindruck, als gäbe es hier irgendwelche technische Überwachung. "Eine Überwachungskamera haben sie nicht zufällig." Walter lachte auf: "Junger Mann... das ist das Vereinsheim eines Jägervereins und keine Bank." Der Polizist erwiederte es mit einem kurzen Lächeln, doch innerlich war ihm zum Fluchen zu Mute. Die Spur endete zwar nicht unbedingt in einer Sackgasse, aber zumindest an einer weiteren Kreuzung mit 10 Abzweigungen. Sie würden den kompletten Verein unter die Lupe nehmen müssen.
    Kevin rutschte von dem Tresen herunter und kam zu den beiden Männern ins Nebenzimmer. Hätte er eben nicht zu dem Mann gesagt, dass er Polizist war, hätte Walter Trauscher denken können, er sei taubstumm. Doch jetzt wollte Kevin, der sich eigentlich völlig zurückhalten wollte, damit man ihn nicht wieder für seine Entscheidungen kritiserte, eine Frage stellen: "Wer von euren Mitgliedern würden sie als den besten Schützen bezeichnen?"

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    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


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    <3

  • Schützenheim - 13:45 Uhr


    Eine Wanduhr tickte und hatte etwas Bedrohliches. Wie eine Bombe, die kurz davor war, zu explodieren, als der alte Mann sich mit zwei Fingern über die kratzigen Bartstoppeln fuhr, während er nachdachte. "Den besten Schützen, sagen sie... wir haben einige hervorragende Schützen in unserem Verein.", murmelte der Mann nachdenklich, ohne die beiden Polizisten dabei anzuschauen. "Einmal, da hat unser Eduard... also der hat einem Reh aus mindestens... also die Entfernung war...", begann er beinahe schwärmerisch, wurde aber sofort von Kevins beinahe ungeduldiger und doch ruhiger Stimme unterbrochen. "Bitte, Herr Trauscher. Würden sie einem aus ihrem Verein, schießtechnisch zu trauen, aus 50m Entfernung ein Ventil einer Gasflasche aufzuschießen, oder aus 100m exakt die Kante einer schusssicheren Weste zu treffen? Beides aus einem fahrenden Auto?" Ben hielt vor Spannung den Atem an, ein wenig ärgerte er sich, dass er die Frage nicht gestellt hatte... aber das zeigte er nicht, und es war auch nicht so schlimm. Er war eher froh, dass Kevin sich wieder an den Ermittlungen beteiligte, auch wenn er ihn weiter mit Ignoranz strafte. Ben ließ ihn in Ruhe... irgendwo verstand er es auch. Er hoffte nur, dass sie nicht in gefährliche Situationen gerieten, in denen ihnen das momentane Verhältnis zum Verhängnis werden konnte.


    Walter Trauscher reagierte eher empört. "Sie glauben, dieser Killer ist einer unserer Mitglieder?", sagte er erregt. "Der Killer hat einen Kommentar gepostet, der Insider-Informationen enthält. Der Post wurde von diesem Computer abgeschickt und der Killer ist ein hervorragender Schütze. Was wir glauben ist unerheblich, es kommt drauf an, was wir bisher wissen.", wurde er von Ben belehrt. Fingerabdrücke von der Tastatur zu nehmen würde keinen Sinn machen, wenn dort jeder daran gearbeitet hatte. Ausserdem hatten sie ohnehin keinen Vergleich. "Wem trauen sie so etwas zu.", wiederholte Kevin eindringlich und sah den alten Mann an, dessen Empörung sich langsam wieder legte. "Thomas Bratsch.", sagte er dann und blickte plötzlich auf, den Männern ins Gesicht. "Ich würde ihm zwar nicht zutrauen, so etwas zu tun... aber der schiesst ihnen auf 500m einer Fliege das Auge aus. Der ist der beste Schütze im ganzen Verein." Der Polizist mit dem Wuschelkopf tippte den Namen sofort in sein Handy ein. "Ist der heute dabei im Wald?", fragte er dann noch Walter Trauscher, doch der schüttelte den Kopf. Die beiden Polizisten bedankten und verabschiedeten sich.


    Jetzt hat sie einen Namen, vielleicht auch ein Gesicht... obwohl alles Spekulation und Vermutung war. Der Kerl war eben bester Schütze im Verein, aber das machte ihn noch nicht automatisch zum Serienmörder. Ein Motiv fehlte, ein Antrieb für diese Morde. Sollten sie einfach zu ihm fahren, und nach einem Alibi fragen... und wenn er keins hatte? Festnehmen? All die Gedanken schwirrten bei Ben im Kopf herum, und er beschloss, erstmal Erkundigungen über den Mann einzubeziehen, was man so in der Akte hatte, und was nicht. Und sich mit Kevin beraten... auch wenn das wohl erstmal schwierig sein würde...
    Der junge Kollege schritt schweigsam neben Ben und sah kurz auf die Uhr. Er wollte unbedingt seine Mittagspause nachholen, er wollte Jenny sehen... aber er wollte auch wieder zu Jessy, gerade nach dem sie endlich gesprochen hatte. Eigentlich durfte er nur einmal in der Woche zu ihr, er war diese Woche schon zweimal... trotzdem hatte er ein schlechtes Gefühl.


    "Zeit für ne Pause, hmm?", sagte Ben lächelnd, als könne er Gedanken lesen. "Was machst du jetzt?" Kevin antwortete schmallippig: "Ich setze mich ins Auto." Natürlich hatte Ben mit der Frage bezwecken wollen zu wissen, was Kevin in der Pause vorhatte, und das wusste der Betreffende auch. Doch der hatte keinerlei Interesse an einer Konversation, und so konnte Hartmut durch die Frontscheibe beobachten, wie Ben seinen Kollegen am Arm festhielt, so dass der stoppen musste. "Kevin, so können wir nicht zusammen arbeiten.", sagte er laut und mit Nachdruck, während sich die beiden gegenüber standen und ansahen. "Es tut mir leid was ich da im Affekt gesagt habe, okay? Aber können wir nicht wie Erwachsene jetzt miteinander umgehen?" Eigentlich wollte er sich auf eine Entschuldigung vorbereiten und diese in einem geeigneten Moment ansprechen, aber jetzt war sie eben raus. Doch die Kälte in Kevins Augen, und sein verkniffener Gesichtsausdruck lösten sich nicht auf. "Gerade von dir hätte ich erwartet dass du nachdenkst, bevor du den Mund aufmachst.", sagte er deutlich und spielte darauf an, dass es Ben war, dem sich Kevin anvertraute hatte... etwas, was er nur selten tat, und er vermutlich in Zukunft auch wieder seltener tun würde. Ben biss sich innerlich auf die Lippen, denn er erkannte dass sein Partner diese Andeutung seiner Vergangenheit und vor allem seiner Schwester doch sehr ernst nahm... und dass ihn das auch verletzt hatte.


    Ben hätte es wissen müssen, wusste er doch Kevins Geschichte, und wie emotional er auf Ähnliches, auch gerade mit dem Entführungsfall vor einigen Monaten, reagierte. Er sah ein wenig hilflos aus. "Lass mich einfach in Ruhe. Wenn du mir was zu dem Fall zu sagen hast, bitte. Ansonsten lass es einfach.", sagte Kevin eindeutig, und ging wieder in Richtung Auto, während sein Kollege erstmal stehen blieb.
    Nur wenige Schritte danach drehte sich der junge Polizist noch einmal um: "Und wenn du so mit mir nicht arbeiten kannst, dann sag es deiner Chefin. Der wird es ein Vergnüngen sein, dir einen anderen Ersatzpartner zu zu ordnen." Ohne eine Antwort abzuwarten ging er die letzten Schritte bis zum Auto und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen, während Ben verloren und recht verzweifelt für einen Moment noch alleine auf dem Gehweg stand...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen


    <3

  • Mallorca - 14:45 Uhr

    Semir fühlte sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Er saß, wie 14 Jahre zuvor auf der Fensterseite, als die Maschine in Palma de Mallorca zum Landeflug ansetzte. André saß neben ihm und Semir war nicht unglücklich darüber, dass sein Freund sich völlig normal verhielt. Keine Verunsicherung, keine Angespanntheit... André genoß innerlich Semirs Vertrauen in seinen Ex-Partner. Er hatte natürlich immer die Befürchtung, dass rauskam, was er auf Mallorca getan hatte, die ganze Zeit während er in Deutschland war. Aber er hatte es Semir verschwiegen, zu groß die Unwissenheit um Semirs Charakter, 14 Jahre nach Andrés Verschwinden. Sie hatten sich "nur" 3 Jahre gekannt und miteinander gearbeitet, in dieser Zeit konnte sovieles anders sein. Nein, er hatte einfach nicht den Mut zu sagen, was Sache war und die Angst, Semir würde seinen Beruf über eine alte, längst vergessene Freundschaft stellen, war zu groß.
    Jetzt spürte er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er hätte Semir reinen Wein einschenken können, und der hätte ihm vermutlich genauso geholfen, wie er es jetzt mit einem halben Jahr Verspätung tat.

    Sie spürten kaum einen Unterschied zu Gran Canaria, als sie zusammen aus dem Flughafengebäude gingen. Die Luft war angenehm warm und doch ein wenig erfrischend, sie ließ die Hitze des Sommers erträglicher erscheinen. Mit seinem Rucksack auf einer Seite des Rückens ging Semir seinem Freund hinterher, der auf den Parkplatz zusteuerte und einen Zettel mit dem Kennzeichen des Mietwagens in der Hand hielt, bis er vor einem Mercedes stehenblieb. Er war zwar nicht neu, sah aber gepflegt aus. "Kein Fiat?", spielte Semir auf den klapprigen roten Wagen an, den sie vor 14 Jahren vom LKA-Bereichsleiter Kessler damals zugewiesen bekamen, und André verstand den Wink mit dem Zaunpfahl sofort. Er grinste und antwortete: "Nein, kein Fiat. Und auch kein Automatik."
    Der kleine Polizist warf seinen Rucksack auf die Rückbank und stieg auf den Beifahrersitz, André startete den Wagen und sie fuhren von der Flughafenstraße sofort in Richtung Autobahn. "Wo fährst du jetzt hin?", fragte der Kommissar, während er geradeaus auf die Straße sah. Es fühlte sich beinahe so an, als würden sie zusammen in einem Fall ermitteln, wie früher. Und Semir musste zugeben, dass er sich irgendwie, auf sonderbare Art und Weise gut dabei fühlte. "Wir fahren zu einem Bekannten von mir. Er hat auch für Horn gearbeitet, wollte aber aussteigen. Ich glaube, ich weiß wo er sich verkrochen hat." "Und wie wird der uns begrüßen?" Semir betonte das Wort "begrüßen" absichtlich fragend, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass man sie mit offenen Armen empfing. "Keine Ahnung.", zuckte sein Freund mit den Schultern, was ihn nicht unbedingt beruhigte. Sie hatten beide keine Waffe dabei, sie konnten sich im Extremfall nur mit Worten und Fäusten verteidigen. Aber er vertraute André... auf besondere Art und Weise. Es war kein Vertrauen wie er es zu Ben hatte, der dieses Vertrauen Tag für Tag rechtfertigte, es war mehr eine Hoffnung, ein Vertrauen auf die alten Tage. Es fühlte sich gut an...


    André lenkte den Mercedes von der Autobahn runter, in eine recht einsame, heruntergekommene Gegend von Mallorca, fernab aller Tourismusgebieten. Auf einem Schild las Semir "Son Banya." Er dachte kurz nach, wo er diesen Namen schon einmal gelesen hatte. "Das verbotene Dorf.", sagte er leise, mehr zu sich selbst, als ihm der Artikel im Reiseführer wieder einfiel. "Du weißt, wo wir sind?", fragte André ein wenig überrascht, obwohl er wusste dass Semir ein Typ ist, der sich über alles informierte und über sein Urlaubsland wohl mehr wusste, bevor er hinflog, als er lernen konnte wenn er dort war. "Ich habs gelesen, als ich mich über Malle erkundigt habe, als noch nicht klar war, wo wir unseren Urlaub verbringen würden." André nickte. "Touris haben hier nichts verloren. In diese Ansammlung von krummen Häuschen und Hütten kommt nur, wer ein bestimmtes Anliegen hat." Kurz unterbrach der großgewachsene Mann, und sah kurz zu Semir rüber: "Drogen und Prostitution." Das Dorf war weit über die Grenzen von Mallorca bekannt und gilt als Schandfleck der Insel. Es ist in einem Dreieck angeordnet und jeder, der auf Mallorca Drogen brauchte, würde dort fündig werden. Die Polizei war nicht mehr Herr der Lage in der Stadt und war froh, diesen Brennpunkt auf das eine Dort einzudämmen. Menschen, die einer geregelten legalen Arbeit nachgingen wohnten hier überhaupt nicht mehr. Das Dorf war komplett fest in der Hand von Marihuana, Speed, LSD und Heroin. Das Aufkommen von Crystal Meth hat das Dort erneut in die mallorcinischen und europäischen Zeitungen gebracht. "Aber was hat Horn mit Drogen und billigen Prostituierten zu tun? Das Geschäft war doch eher auf Edel-Prostitution ausgelegt.", meinte Semir nachdenklich. Wieder nickte sein Nebenmann. "Richtig. Aber ich weiß, dass sich hier einige versteckt halten, seit Horn aufgeflogen und gegen den ganzen Ring ermittelt wird. Es wurde immer mal angedeutet, dass man hier im Notfall Unterschlupf bekommt. Man fällt nicht auf, die Polizei schert sich nicht mehr um das Loch, und Horn hat Bekannte, die in dem Dorf wohnen." "Das leuchtet ein... ein gutes Versteck."


    Die Straße wurde schlechter, der Asphalt aufgerissen und Grasbüschel wuchsen durch die Straße durch. Semir fühlte sich, als würde er in irgendein Krisengebiet kommen, und wenn man nicht wusste, dass man sich noch auf Mallorca befand, wo die Luxushotels nur 50km weit weg von diesem Orten waren... man würde es nicht glauben. Dieser Ort war tatsächlich ein Loch, die weißen Häuser verloren ihre Farbe weil der Putz abblätterte, Unmengen von Kabeln verliefen über Holzmasten zu den Häusern, die so krumm standen, dass man jederzeit Angst haben musste, dass einer der Masten demnächst auf die Straße fiel und mit ihr das tödliche Hochspannungskabel. Einige Augenpaare, sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen begutachteten den Mercedes, mit dem André nun direkt zu Beginn des Dorfes neben der Straße hielt. Die beiden Männer stiegen aus, Semir beobachtete die Umgebung. Fast alle der Häuser standen offen, vor den Türen saßen Männer, Frauen, Kinder. Viele der kleinen liefen lachend und schreiend durch die Gegend über die Straßen, kleine Seelen die nicht wussten, wo sie sich hier befanden. An einer Häuserfassade saßen zwei Männer im Schatten... sie lagen mehr gegeneinander, die Augen halb offen, den Mund weit aufgerissen. Junkies, die sich den Schuss gesetzt hatten, und nun in schönsten Traumwelten zu finden waren. "Warst du hier öfters?", fragte Semir, während sie durch die Straßen gingen. "Wir hatten hier hin und wieder Geschäfte abgewickelt, ja. Dafür ist das ein guter Ort, man steht nicht auf dem Präsentierteller." Plötzlich war es wieder bei Semir, dieses ungute Gefühl, wenn André von früher redete.


    Ein muskulöser Mann mit furchterregendem knurrenden Kampfhund ohne Maulkorb kam auf die beiden zu. Sein Gesichtsausdruck drückte Feindseeligkeit aus. "Wer seid ihr? Was wollt ihr hier?", fragte er auf perfektem Spanisch, was Semir kaum verstand. "Wir wollen zu El Moreno. Weißt du, ob er da ist?", fragte André, ebenfalls auf spanisch mit deutlich hörbarem Akzent. Dabei zog er ein kleines Bündel Euro aus der Tasche und knisterte damit ... ein Zeichen, dass man hier war, um Drogen zu kaufen. Der Mann nickte und zeigte mit dem Finger in Richtung des Hauses, wo das Ziel der beiden Freunde lag.
    Statt einer Tür hing nur ein Tuch wie eine Decke vor der Öffnung. André schob ihn zur Seite, die Luft innerhalb des kleinen Hauses war stickig und verbraucht. Semir folgte ihm mit einer gehörigen Portion Magengrummeln, nicht zu Unrecht. Eine Gestalt, ein kleingewachsener Mann, der hinterm Schreibtisch saß, sprang auf als er André erkannte und riss sofort einen Revolver hoch.

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen


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  • Son Banya - 16:00 Uhr


    Semir stand der Schweiß auf der hohen Stirn, und er konnte nicht sagen ob das ein bisschen Nervosität war, die immer bei ihm vorherrschte, wenn er sich in Gefahr begab oder doch größtenteils an der heißen und stickigen Luft lag, die in dieser Bude vorherrschte. Das Gesicht des Mannes, der hinter dem Tischchen aufstand und zitternd einen Revolver hielt glänze ebenfalls, seine Augen weit aufgerissen... doch der erfahrene Kommissar sah gleich dass es sich eher um Angst oder Panik handelte, als um Drogen. André schien den Mann zu kennen, er hob beschwichtigend die Arme. "Ganz ruhig, Frank. Leg das Ding weg.", sagte er mit ruhiger Stimme und kam Schritt für Schritt auf den Mann zu, dessen Hand und der Revolver eindeutig zitterten. Semirs flaues Gefühl im Magen verstärkte sich, solche Leute waren in seinen Augen immer unberechenbar, aber auch hier vertraute er beinahe instinktiv seinem ehemaligen Partner. "Was machst du hier?", krächzte der Mann in perfektem Deutsch. "Ich hatte gehört, Ralf will dich und Timo tot sehen." "Bei Timo hats auch funktioniert. Aber Ralf ist in Deutschland aufgeflogen und sitzt." André sprach völlig ruhig, ohne jede Aufregung. Die Augen des Mannes, der Frank hieß, drückten Panik aus, Schweiß tropfte von seiner Nase und man könne meinen, er sah in dem ehemaligen Polizisten ein Gespenst. "Charlie hat es uns gesagt, und dass wir untertauchen sollen.", sagte er mit hektischer Stimme, als André nur noch 2 Meter von ihm entfernt stand. "Frank, lass uns Reden. Leg die Waffe weg." Mit einer Handbewegung mit dem Revolver deutete Frank hektisch auf Semir, der sich hinter seinem Freund ebenfalls langsam vortastete. "Wer ist das? Hä??" Doch wieder sprach der großgewachsene Mann mit absolut ruhiger Stimme. "Das ist ein Freund, er ist in Ordnung. Jetzt leg die Waffe weg, oder wie willst du Charlie zwei Leichen hier erklären?"


    Langsam sank die Waffe auf den Schreibtisch, und es schien als würde auch eine gewisse Nervosität von dem Mann abfallen, doch er blieb zittrig und seine Augen flitzten immer in Höchstgeschwindigkeit durch den kargen Raum. Vielleicht hatte er doch etwas genommen, dachte Semir für einen Moment. Langsam, wie in Zeitlupe ließ der Typ sich auf den Holzstuhl fallen und atmete schwer durch. "Sie... sie haben gesagt, wir sollen hier bleiben. Hier in dieser Vorhölle.", sagte er mit erstickender Stimme. "Was habt ihr dort oben getrieben?" Die Frage richtete sich direkt an André. "Ralf hat versucht meinen Freund zu töten... aus Rache." Die Augen des fremden Mannes wurden auf einmal tellergroß, als er sie auf Semir richtete. "DU hast Carlos Berger erschossen?", fragte er ungläubig, als wäre der Polizist eine aussergewöhnliche Berühmtheit. Es war unangenehm, aber er nickte auf die Frage ohne ein Wort zu sagen. "Er hat mich benutzt dafür, und bei der Gelegenheit Timo erschossen. Vermutlich hätte er mich auch beseitigt, nachdem er seine Rache genommen hatte.", erklärte André dann in Richtung Frank. "Aber jetzt sitzt er ein, und Interpol ist dabei, seinen kompletten Ring auszuheben." "Das wird Interpol nicht gelingen, und das weißt du. Das Netzwerk ist über die iberische Halbinsel, und den Balearen so weit verzweigt, das wird Jahre dauern." Für einen Moment unterbrach Frank seine Rede und schaute auf einmal misstrauisch. "Warum zum Teufel bist du hier? Und warum kommst du mit einem Bullen aus Deutschland?" André nahm einen Stuhl und setzte sich seinem Bekannten gegenüber an den schiefen Holztisch. Er spürte, wie der Schweiß an seiner Schläfe herunterlief.


    "Semir ist nicht hier als Polizist, sondern als mein Freund. Du musst mir helfen, Frank." Der Mann fuhr sich an den Kopf und begann, beinahe irre, "Ich soll dir helfen? Hast du nen Dachschaden? Ich bewege mich keinen Millimeter aus diesem Dorf." "Du brauchst dich nicht zu bewegen.", wurde er von André beruhigt. Semir kam die Szene beinahe unwirklich vor. Vor einigen Stunden war er noch im Urlaubsparadies, und nun saß er bei Schwerverbrechern mitten in einem Drogendorf. "Erinnerst du dich an... an diesen Typ der das Mädchen vergewaltigt hat?" "Als du den Typen abgeknallt hast?" André nickte stumm, und Frank nickte ebenfalls. "Ja, ich erinnere mich." Semir leckte sich über die Lippen. "Ralf hat heimlich davon Fotos gemacht. Dabei hat er die Fotos manipuliert und Ronny, der hinter mir stand und mich bedroht hat, wegretouchiert oder so. Damit hat er versucht, mich in Deutschland ans Messer zu liefern. Ich brauche die originalen Fotos." Frank sah schnell zwischen Semir und André hin und her. Es schien, als sei er nervöser als sowieso schon. "Ich kann mich erinnern... ich... ich.", begann er langsam zu stottern. "Du hast davon gewusst...", sagte der Ex-Polizist fassungslos. Frank schien für ihn mehr als nur ein Bekannter, eher ein damaliger Freund zu sein, schätzte Semir, der beiden Männern an den Lippen hing, und jede Reaktion genau verfolgte, um notfalls eingreifen zu können. "Ich wusste dass Charlie die Fotos machte, mehr nicht. Ich... ich kann mich nicht erinnern, ob du bedroht wurdest.", meinte Frank mit schneller Atmung, als würde er kurz vor einem Herzinfarkt stehen.


    André sprang von seinem Stuhl auf, packte Frank am Kragen und zog ihn seinerseits von seinem Stuhl hoch. "Willst du mich eigentlich verarschen?", rief André laut und wurde von Semir am Arm gepackt, der befürchtete, dass durch den Krach gleich ein paar Schlägertypen aus dem Dorf auf der Matte stehen würden. "Du hast gewusst dass Charlie die Fotos macht und hast mich nicht gewarnt? Du hast von allem gewusst, als wusstest du auch, dass man mich notfalls zwingen müsse um den Typen abzuknallen." "Ja, das hab ich gewusst.", rief Frank zurück und wehrte sich gegen den viel kräftigeren André in keinster Weise. "Aber ich war nicht dabei, als es passierte. Woher soll ich wissen, dass du dazu gezwungen werden musstest?" Die beiden Männer blickten sich in die Augen, die Spannung war zum Schneiden, bis der viel größere André Frank zurück auf den Stuhl stieß, nachdem er von Semir ein leises "Lass ihn", vernahm. "Und für dich hab ich mal meinen Hals riskiert.", spuckte André bitte aus und wandte den Blick von Frank ab. Der richtete seinen Kragen und wagte kaum, den großen Mann anzusehen. "Wer hat die Fotos jetzt?" Semir erhob zum ersten Mal seine Stimme gegen den Verbrecher, der nun zu dem kleineren Kommissaren aufsah, der ebenfalls wie André wieder am Tisch stand. "Ich... ich weiß nicht." Semir zog die Augenbrauen nach oben. "Okay... gut." Er sah André kurz an. "Dann hoffe ich mal, dass ich mich beim BKA nicht verplappere, wenn ich zurück nach Deutschland komme, dass hier in Son Banya einer von Horns Männern sitzt... und die das an Interpol weitergeben. Lass uns gehen, André." Er fasste seinen Freund an der Schulter und deutete ein Gehen an, ohne die Waffe auf dem Tisch ausser Acht zu lassen. Franks panische Stimme hielt ihn zurück: "Du bluffst doch nur. André, sag mir dass dein Freund blufft." Der ehemalige Polizist hatte den Plan seines Freundes natürlich sofort erkannt und zuckte nur ahnungslos mit den Schultern. "Ich bin nicht in Deutschland. Ich kann ihn von nichts abhalten."
    Der schwitzende Mann schien zu resignieren. "Charlie hatte diese Aktion mit den Fotos geleitet. Wenn jemand weiß wo du das Material ist, dann er." sagte er beinahe zusammensackend. Beide Männer schauten Frank an, und ihre Blicke verrieten nur eine Frage... wo? Ein lautes Aufstöhnen, als käme die Antwort nur unter Schmerzen... "Er versteckt sich in einem Cafe in Cala Millor. Ich sag euch die Adresse..."


    Als Semir und André auf dem Weg zum Wagen waren, klopfte André seinem Freund auf die Schulter. "Danke Mann. Das war großartig." Der kleine Polizist lächelte und zuckte bescheiden mit den Schultern. "Kein Problem. Aber warum haben wir die Waffe nicht mitgenommen?" "Wer weiß, was mit dieser Waffe schon alles passiert ist... besser nicht. Auch wenn Frank ein Freund ist... aber ich vertraue ihm nicht." Am Wagen blieben beide dann kurz stehen, und bevor sie einstiegen fragte Semir: "Und dass du so sicher warst, dass er nicht auf dich schiesst? War das kein Vertrauen?". Es war beinahe ein schelmisches Lächeln von seinem Freund, bevor dieser sich ans Steuer setzte. "Nein... das war nur ein Gefühl."

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


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  • Dienststelle - 16:00 Uhr


    Hartmut saß auf der Rückbank des Autos und sah mehrmals zwischen Ben und Kevin hin und her. Er spürte, dass etwas nicht in Ordnung war, er hatte die Auseinandersetzung zwischen den beiden ja vom Auto aus gesehen und mitbekommen. Ausserdem war die Luft elektrisierend, und jedes Gespräch dass er anfing, wurde mir kurzen und knappen Antworten von Bens Seite abgebügelt. Kevin antwortete gar nicht, sondern blieb stumm und schaute ohne Regung geradeaus auf die Straße.
    Sie mussten einen weiten Weg zurücklegen und standen ausserdem auf der Autobahn im Stau, was die Situation für alle drei Beteiligten nicht unbedingt leichter machte. Über den Fall fiel kein einziges Wort, bis sie auf den Parkplatz der Dienststelle einbogen.


    Während Hartmut in seinen Wagen stieg und zurück in die KTU fuhr, betraten Ben und Kevin die Dienststelle. Sie regestrierten dass die Chefin wieder in ihrem Büro saß, und Kevin ging sofort in Richtung des Büros. Ohne anzuklopfen drückte er die Glastür auf und trat ins Büro. "Wie geht es Jenny?" Die Chefin blickte überrascht auf, denn sie war es nicht gewohnt, dass jemand ohne Anzuklopfen ins Büro trat, und dann auch noch mit der Tür ins Haus fiel. Sie lehnte sich zurück und blickte dem Polizisten ins Gesicht. "Es geht ihr gut. Sie ist aufgewacht, hat aber starke Schmerzmittel bekommen." Und nach einer kurzen Pause setzte sie hinzu: "Sie hat Glück gehabt... und ich hoffe, dass wir dieses Glück nicht noch einmal herausfordern. Raufen sie sich mit Herrn Jäger jetzt gefälligst zusammen und finden sie diesen Kerl." Kevin atmete hörbar aus, steckte die Hände in die Gesässtaschen seiner Jeans und sah zu Boden. "Ich versuche es.", sagte er mehr gezwungen als wirklich überzeugt. Er fühlte sich in die Enge getrieben, und immer dann baute er um sich herum eine Schutzmauer auf um niemanden an sich heran zu lassen. Anna Engelhardt, jedoch noch völlig unwissend darüber wie sehr Bens Worte den jungen Mann verletzten, setzte noch einen drauf: "Stellen sie ihre persönlichen Befindlichkeiten hinten an. Das erwarte ich von ihnen." Auch diese Worte drangen in Kevins Seele, als sei seine Schwester eine Lapallie, auf der man ruhig herumreiten kann, so lange der Job anständig getan wird. Er sah auf, und der strenge Blick der Chefin traf den eiskalten Blick des Polizisten. Für einige Sekunden schauten sie sich an, und Anna Engelhardt erwartete beinahe Widerworte ihres Mitarbeiters. Doch der blieb ruhig und drehte sich von seiner vorrübergehenden Vorgesetzten weg und ging durch die Glastür nach draußen. Er ging auch gar nicht zu Ben ins Büro, sondern verließ die Dienststelle. Hotte und Bonrath am Schreibtisch sahen ihm ratlos hinterher, und auch die Chefin fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Semir und Ben unter Kontrolle zu behalten war manchmal schon schwierig, aber Kevin hatte in drei Fällen mehr Schwierigkeiten bereitet als die beiden in einem ganzen Jahr...


    Ben sah gerade vom PC auf, als er sah dass Kevin die Dienststelle verließ. Er fasste sich mit der Hand an die Stirn, der schlimmste Fall war tatsächlich eingetreten. Sie mussten einen gefährlichen Killer jagen, und waren gerade dabei als Team völlig auseinander zu brechen. Er vernahm das Geräusch des BMW-Motors, der draussen gestartet wurde, und sich entfernte. Dabei wollte er doch selbst auch wissen, wie es Jenny geht und wollte sich gerade erheben, um die Chefin selbst zu fragen. Doch die kam ihrem Mitarbeiter bereits entgegen und trat in das kleine Büro ein, hinter sich schloß sie die Tür. "Bleiben sie ruhig kurz sitzen.", sagte sie mit freundlicher, beinahe zu freundlicher bedrohlicher Stimme. Ben schluckte und konnte sich beinahe denken, was sie wissen wollte. Anna Engelhardt setzte sich auf Semirs Platz. "Also... was war da eben im Krankenhaus los?", fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein kurzes Zögern verschaffte dem Polizisten etwas Zeit zum Nachdenken, bevor er langsam sagte: "Nichts... wildes. Wir hatten nur eine Meinungsverschiedenheit." Die Chefin senkte den Kopf während die Augen nach oben rollten um ihren Mitarbeiter weiter im Blick zu haben. Eine deutliche Geste dessen, dass sie sich nicht verarschen lassen würde. "Herr Jäger...", sagte sie mahnend und Ben wurde im Magen ganz anders. "Was haben sie mit dem Drogendealer gemeint?" Das kurzzeitige Zwicken im Magen des Kommissars entwickelte sich zum Brechreiz, und er hatte das Gefühl, dass es plötzlich viel heißer im Büro war, als vorher. "Nichts... nichts von Bedeutung."


    Die Blicke der Chefin durchdrangen Ben wie heißes Messer durch Butter... und sie machte durch ihre Gesichtsmimik deutlich, dass sie Ben kein Wort glaubte. Und das wusste der Polizist auch und hatte das Bedürfniss, sich durch den Boden des Büros graben zu dürfen. Beinahe atmete er auf, als die Chefin sich wieder erhob. "Wenn sie etwas wissen sollten, was Herrn Peters betrifft, und mich auch interessieren sollte... dann sollten sie das im eigenen Interesse jetzt sagen.", sagte sie drohend und Ben wog innerlich ab, ob es besser war sich selbst zu schützen oder für einen Kollegen dicht zu halten, der ihm eben unmissverständlich klar gemacht hat, nichts mehr mit ihm zu tun haben zu wollen. Wieder vergingen einige Sekunden bis der Kommissar seine Stimme wieder fand. "Ich... ich weiß nicht was sie meinen. Der Spruch... der hatte keinerlei Bedeutung."
    Ohne ein Wort drehte sich die Chefin um und war im Begriff das Büro zu verlassen. Sie würde mit Kevin selbst sprechen, sobald der Fall abgeschlossen war, das nahm sie sich fest vor. Gerade an der Tür angelangt, drehte sie sich nochmal zu Ben um: "Übrigens... die Staatsanwaltschaft wird uns den Fall entziehen, wenn wir nicht bis spätestens morgen nachmittag jemanden präsentieren können, den man ruhigen Gewissens verdächtigen nennen kann. Ansonsten geht der Fall an die Mordkommission, und sie wissen wie schnell die sind. Von denen würde ich nicht meinen eigenen Hals abhängig machen wollen." Mit diesen Worten ließ sie Ben zurück, der die Stirn in seine Hände legte, nachdem er die Arme auf dem Schreibtisch abgestützt hatte. Beschissen umschrieb seine Laune und Gemütslage in diesem Moment noch sehr beschönigt...

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    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

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    Wie sie.


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  • Rastplatz - 16:30 Uhr


    Den Rastplatz "Hohenwies" konnte man eigentlich nicht mehr als Rastplatz bezeichnen. Er lag weiter von der Autobahn entfernt als ursprüngliche Rastplätze, er hatte keine Toilettenanlagen, er war verwuchert und wurde nicht mehr instand gehalten. Die Verkehrsämter wollten den Rastplatz zuwachsen lassen um ihn dann irgendwann wegen Sicherheitsbedenken zu sperren. Ausserhalb der Ferienzeit verirrte sich beinahe niemand mehr in dieser Abfahrt, die wie ein Forstwirtschaftsweg von der Autobahn wegführte an eine verrottete Holzbank mit Tisch. Man musste sich schon besonders anstrengen, um die Autobahn laut zu vernehmen, da viele Bäume und Büsche den Lärm dämpften, die Entfernung kam noch hinzu.
    Kevin kannte den Rastplatz, er fuhr die Abfahrt ab, weil er kein Ziel hatte. Er wusste nicht, wo er hinfahren sollte, er saß sich in seinen Dienstwagen, nach dem kurzen Gespräch mit der Chefin und fuhr einfach auf die Autobahn raus aus Köln. Er wollte nicht zu Jenny, weil sie direkt sehen würde, dass ihn etwas bedrdückte und wollte sie nicht mit seinen Sorgen zu schmeißen. Er wollte sich vor niemandem erklären, rechtfertigen, Ratschläge entgegen nehmen. Eigentlich wollte er einfach alleine sein, und er wusste dass er es hier konnte. Zuhause war Kalle, die ihn sicherlich in ein Gespräch verwickeln würde, und darauf hatte er jetzt keine Lust.


    Der Dreck knirschte unter den Vorderreifen, als der BMW anhielt, und der junge Polizist vor der wackeligen Bank ausstieg. Im Schneidersitz ließ er sich auf der Sitzgelegenheit nieder, nahm eine Zigarette und zündete sie sich an. Er spürte, wie seine Hand beim Anzünden leicht zitterte, und wie gut es ihm tat das Nikotin zu inhalieren. Dabei betrachtete er die Front des BMWs, den Wald, der vor ihm lag und vernahm ein dumpfes Grollen am Horizont. Die Luft hing schwer und drückend über ihm, am Abend würde es ein kräftiges Gewitter geben.
    Plötzlich waren sie wieder da... die Bilder, die Erinnerung. Wie kurze Blitze zuckten sie vor Kevins Augen, der nach aussen hin einfach starr und ruhig nach vorne sah und eine Zigarette rauchte. Doch im Inneren waren Janines Schreie, seine Schreie, der Augenblick als der Killer Peter Becker seiner Schwester die Kehle durchschnitt und Kevin selbst im Dreck lag, alles sah und sich nicht rühren konnte. Vor einem halben Jahr waren seine schlimmen Erinnerungen auf dem Höhepunkt, er war von Alpträumen gequält und drogenabhängig. André, Semir und Ben halfen ihm, er half sich selbst als er den Mörder seiner Schwester fand, der dann selbst in den Tod sprang... seitdem hatte er quasi Frieden geschlossen. Er träumte nicht mehr von Janine, er erinnerte sich zwar oft an sie, doch wurde er nicht mehr gequält von ihr. Jetzt war es das erste Mal seit Monaten, dass er intensiv an sie dachte und dabei wieder Bilder von damals in sein Gehirn strömten.


    Seine Gedanken wurden von einem Geräusch unterbrochen, das einem Auto ähnelte. Kevin hob den Kopf und tatsächlich fuhr langsam ein dunkelgrauer Volvo um die Ecke und kam neben dem BMW zum Stehen. Ein wenig missmutig verzog der Polizist das Gesicht, hatte er doch sicher geglaubt, hier keine Gesellschaft vorzufinden. Trotzdem entschied er sich sitzen zu bleiben, als ein grau behaarter Mann ausstieg. Er hatte ein kerniges Gesicht, hohe Stirn und wache Augen, allerdings bewegte er sich langsam und mühsam vom Auto weg. Sein linkes Bein hielt er seltsam steif, er hinkte und ging an einem Gehstock. Als er bei der Bank ankam nickte er Kevin zu, der dieses Nicken kurz erwiederte, und sah wie der Mann sich langsam auf der anderen Bank neben dem Tisch niederließ. "Es ist selten, hier jemanden anzutreffen.", sagte er mit einem warmen Lächeln, dass in dem jungen Polizisten auf seltsame Art und Weise sofort eine Art vertrauen auslöste. "Ja... deswegen bin ich hierher gekommen.", meinte er trotzdem gewohnt einsilbig. Der alte Mann beobachtete den Polizisten eine Zeitlang, der den Rest der Zigarette am Schuh ausdrückte und in den Mülleimer schnippte... das einzige, was neben Tisch und Bank noch an einen Rastplatz erinnerte. "Eine Schande, wie sie diesen Rastplatz hier verkümmern lassen. Die neuen Rastplätze sind alle viel zu nahe an der Autobahn... man kann sich von einer Fahrt gar nicht ausruhen." Der Mann schüttelte den Kopf und stützte sich mit zwei Händen auf den Gehstock zwischen seinen Beinen, während Kevin einfach stumm mit einem Nicken antwortete. "Dabei ist es hier so schön ruhig... man kann nachdenken, man kann träumen..." "Ja... nachdenken.", sagte Kevin leise, als hätte der alte Mann sofort erraten, was ihn hierher brachte. Für einige Minuten war es still, die Autobahn klang wie ein ferner rauschender Bach, das Grollen ließ hin und wieder die Vögel verstummen.


    Kevin empfand Einsamkeit, die ihm unangenehm war, obwohl er sie gesucht hatte. Es war ihm beinahe recht, dass der alte Mann seine kernige Stimme erhob. "Und über was denken sie nach, junger Mann?" Der junge Mann brauchte ein wenig zur Antwort, und er antwortete, ohne den Mann neben ihm anzusehen... was auch nicht nötig war, denn der schaute selbst ebenfalls in Richtung Wald, und somit vielleicht zufällig exakt auf den gleichen Blickpunkt wie der Polizist. "Freundschaft. Vertrauen. Vergangeheit", sagte er mit knappem Worten. "Wann fängt Freundschaft an, wo hört Vertrauen auf. Und wie fragil kann Vertrauen sein." Langsam bewegte der alte Mann seinen Kopf zu Kevin herüber, um sich den jungen Polizisten anzusehen. Er blickte ins Gesicht, in die blauen Augen die müde wirkten, die versteinerten Züge um seine dünnen Lippen. "Und ein Freund hat das Vertrauen gebrochen?", fragte er, obwohl sich die Frage wie eine Feststellung anhörte. Es war kein Nicken und kein Kopfschütteln, was als Antwort folgte, eher ein Hin und herwiegen. "Er ist in einen Bereich eingedrungen, der ihm nicht zu steht. Er hat Dinge gesagt, die weh tun." Ein stilles "Hmm" kam von dem nickenden Mann. Er strich über seinen Gehstock, und wich den Blick nicht von dem Kerl im Schneidersitz auf der Bank. "Eine gute Freundschaft ist wie eine Leidenschaft.", sagte er beinahe weise. Kevin mochte solche Menschen, die den Eindruck machten, als hätten sie alles erlebt, alles gesehen und alles überstanden... und teilten ihre Erfahrungen mit anderen. Von solchen Menschen nahm er gerne Rat an, so wie er es vor einem halben Jahr mit Hottes Worten machte. "Und einer Leidenschaft verzeiht man Verletzungen... auch solche die das Leben beeinflussen." Er ließ diese Worte wirken, als der Mann wieder verstummte. Die Vögel zwitscherten Zustimmung, und das Grollen kam dichter.


    Nach einigen Minuten des Schweigens, erhob sich der Mann langsam wieder. Er zwinkerte Kevin zu, als er zum Wagen hinkte und meinte: "Leidenschaft lässt man nicht sterben." Dabei nahm er ein Kaugummi aus seiner Hosentasche, schob es sich in den Mund und warf das Papier in den Mülleimer. Bevor er am Wagen ankam, und die Hand auf die Klinke des grauen Volvos legte, rief Kevin ihm zu: "Mussten sie ihr Bein auch ihrer Leidenschaft verzeihen?" Er spürte, dass der alte Mann genau wusste, wovon er sprach, und es lag beinahe auf der Hand, dass seine Sichtweise etwas mit seiner Beeinträchtigung zu tun hatte. Ein Lächeln fiel über sein Gesicht, als er nickte. "Ganz richtig...", sagte er geheimnisvoll, bevor er sich in den Wagen gleiten ließ, den Stock einzog und die Tür schloß.
    Er grüßte Kevin noch einmal zu, und fuhr davon... wie ein Geist der erschien und wieder verschwand. Kevin konnte eine Viertelstunde später beinahe nicht mehr sagen, ob der Mann überhaupt real da war, oder er sich das nur eingebildet hatte, als er sich von der Bank erhob und in Richtung seines Wagens ging. Gewissheit darüber erlangte er erst, als er in den Mülleimer schaute, und wie angewurzelt stehen blieb. Er griff hinein und zog das Kaugummipapier aus dem blechernden Abfallbehälter... es war rot und roch nach Zimt...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen


    <3

  • Cala Millor - 17:30 Uhr


    Semir spürte seine feuchten Hände, als André den Wagen auf einem großen öffentlichen Parkplatz abstellte. War es nur die Hitze der mallorcinischen Sonne im Sommer, oder war es doch immer noch fortwährende Aufregung? Gerade eben schon fühlte er sich nicht unbedingt wohl, mit seinem Ex-Partner zusammen durch eine Drogenhölle zu gehen, unwissend was auf sie zukam. Jetzt waren sie zwar in einem belebten Touristenort und würden einfach in ein Café gehen... doch was erwartete sie dort? "Charlie wird nicht so freundlich sein wie Frank.", kündigte André bereits drohendes Unheil an und beruhigte seinen Freund damit in keinster Weise. Sie gingen, wie zwei Touristen durch die Fussgängerzone, die gesäumt war von Souvenirshops, Cafés und Restaurants. Überall hörte man Gespräche, das Schreien und Lachen von Kindern und Urlaubern. Irgendwie passten die beiden Männer, mit ihren eher ernsten und konzentrierten Gesichtsausdrücken nicht in dieses Sammelsurium von Urlaubsfreude.
    Vor dem Café "Lavazza" blieben die Beiden stehen. "Das muss es sein.", meinte André mit seiner kratzigen Stimme. Semir blickte durch die große, bunt dekorierte Glasfront. Ein völlig normales Café, nichts teures, nichts günstiges. Mit einer ermunternden Geste ging André voraus, sein kleiner Freund folgte ihm die drei Stufen nach oben. Sie setzten sich an einen Tisch, eine Bedienung kam und beide bestellten sich eine Tasse Kaffee. "Was meinst du? Wo versteckt er sich?", fragte Semir leise, als die Bedienung mit der Bestellung wieder fortging. "Oben sind Wohnräume, wenn ich aussen richtig gesehen habe. Wir müssen uns hochschleichen." Beide hielten sofort wieder inne, als die junge Frau zwei Tassen Kaffee auf den Tisch stellte, und André sofort bezahlte... falls man zügig von Dannen ziehen musste.


    "Okay. Dann werde ich mal nachsehen.", meinte Semir lächelnd, auch wenn ihm mulmig zu Mute war. André hielt ihn sofort am Arm fest. "Auf keinen Fall. Du bringst dich nicht in Gefahr." "André. Wenn er dich sieht, weiß er sofort Bescheid. Wenn er mich erwischt, kann ich mich rausreden, dass ich mich verlaufen habe." Die beiden Männer blickten sich sekundenlang an, und Semir hätte gerne gewusst, was sein Freund gerade dachte. Hatte er tatsächlich Angst um den Polizisten? Traute er ihm es nicht zu, nach den Fotos zu suchen? "Vertrau mir.", meinte der erfahrene Kommissar und stand auf. André ließ ihn nun los und nickte.
    Semir ging in normalem Tempo in Richtung der Toiletten, die nach hinten aus dem Restaurant heraus lagen. Er schloß die Zwischentür hinter sich und war nun in einem muffig riechenden Flur. Dort blieb der Kommissar für einen Moment stehen, lauschte nach Geräuschen, doch er konnte nichts vernehmen. Am Ende des Flurs befanden sich die Toiletten und eine Treppe ins obere Stockwerk. Beinahe in Routine, wie eine automatische Bewegung wollte Semir zur Waffe greifen... doch sein Gürtel war leer. Er stieß einen leisen Fluch aus und setzte einen Fuß auf die Treppe, die aus Marmor bestand. Seine Schuhe machten so gut wie keine Geräusche, also ging er, immer mit Blick nach oben, und schnellen Schritten die Stufen hinauf. Er konnte hören, wie sein Herz schlug, so oft hatte er schon Zimmer und Häuser durchsucht, doch jedesmal war es ein Adrenalinkick wie eine Autobahnverfolgungsjagd. Und dieser Kick wurde jetzt noch verstärkt dadurch, dass er keine Waffe hatte und sich im Notfall mit den Fäusten verteidigen musste.


    Oben angekommen kam er an eine einzelne Wohnungstür mit Türgriff. Er legte den Kopf mit dem Ohr an die Tür und versuchte, Geräusche daraus ausfindig zu machen, doch nichts war zu hören. Wie in Zeitlupe legte Semir die Hand um die Türklinke und betete ein kleines Stoßgebet, dass diese nicht abgeschlossen war... er hatte keinerlei Dietrich oder sonstige Hilfsmittel, um die Tür aufzubrechen und mit roher Gewalt war es wohl viel zu laut und zu auffällig. Die Tür gab langsam nach und der Polizist atmete auf. Er schlüpfte in die Wohnung und verschloss die Tür genauso lautlos, wie er sie geöffnet hatte. Okay, drin war er schon einmal... Semir orientierte sich. Er stand in einem Hausflur, der direkt in ein Wohnzimmer mündete. Mit vorsichtigen Schritten trat Semir hier ein, erblickte ein mittelmäßig ausgestattetes Wohnzimmer, ohne Dekoration aber einem großen Flatscreen an der Wand. Es war niemand in dem Raum, an den sich eine offene Küche anschloß. Bevor er hier etwas durchsuchen würde, wollte sich der Kommissar erst versichern, WIE allein er hier wirklich war.
    Von dem Hausflur gingen drei Türen ab... hinter der ersten Tür, die er langsam öffnete lag das Badezimmer, das ebenfalls leer stand. Die zweite Tür stand halb offen... dahinter war ein Büro. Der Schreibtisch lag voll mit Krimskrams, hier wäre es sicher interessant zu suchen. Die dritte Tür, die Semir jetzt in Zeitlupe öffnete, verschlug ihm beinahe den Atem. Das Zimmer war ein Schlafzimmer, darin stand ein Bett und ein Schrank... und auf dem Bett schlief ein Glatzkopf, von dem nur der Hinterkopf und die Schultern zu sehen waren. Semir zog die Tür lautlos und schnell wieder zu... sein Herz schien ihm aus der Brust zu springen. "Ganz cool bleiben", flüsterte er sich selbst zu und verharrte vor der Tür. Rührte sich etwas darin? Stand der Mann auf, hatte er war bemerkt?
    Ein paar Sekunden kamen Semir wie Stunden vor, bis er sich endlich sicher war, dass der Mann wohl tief genug schlief um nichts bemerkt zu haben. Vorsichtiger als vorher schlich er in das Arbeitszimmer, wo er versuchte, möglichst lautlos, etwas aus dem großen Haufen Papier, Speicherkarten und Briefumschlägen zu finden, was ihm weiterhelfen würde.


    André erging es im Café nicht unbedingt besser. Er sah immer wieder auf die Uhr, seine Gedanken rasten und wie gerne würde er ebenfalls nach oben schleichen um seinem Freund zu helfen. Er vertraute Semir, er wusste, wozu der kleine Polizist in der Lage sei... aber er machte sich auch Sorgen, dass etwas passierte. Er trank seinen Kaffee in kleinen Schlückchen, klapperte nervös mit dem Löffel und sah sich immer wieder um.
    Das Blut gefror ihm in den Adern, als er den Mann erblickte, der in das Café herein kam. Henry, genannt "der Todschläger" kam in die Kneipe herein und grüßte hinter den Tresen. Er war ein Hüne, einen halben Kopf größer als André und aufgepumpt wie ein Bodybuilder. Wo bei den meisten solcher Typen die Muskeln als reine Fassade wirkten, so war das bei Henry nicht der Fall, den seinen Spitznamen hatte der Kerl nicht umsonst. Gerade als er sich ans Tresen stellte und seinen Blick durch das Café schweifen ließ, trafen sich die Blicke der beiden Männer. Sekunden nur hafteten die Augenpaare aufeinander und Andrés beklemmendes Gefühl breitete sich im ganzen Körper aus. Doch Henry war clever genug, im Café nicht einen großen Aufstand zu vollführen. Doch was er tat, ließ André noch mehr erschrecken... er wandte sich vom Tresen ab und ging mit unaufgeregten Schritten nach hinten in Richtung der Toiletten... er würde ganz sicher nach oben in die Wohnung gehen. "Scheisse...", entglitt es dem Karatekämpfer in seiner typischen Tonart. Mit einer schnellen Bewegung stand er vom Tisch auf und verließ das Café.


    Rechnungen über das Café, eine angefangene Steuererklärung, Urlaubsfotos, Bankunterlagen. Für den ein oder anderen Staatsanwalt waren unter den Unterlagen sicherlich etwas interessantes dabei, jedoch konnte Semir keinerlei Fotos finden, auf denen die brisante Szene festgehalten war. Immer wieder hielt er mit Bewegungen inne, um zu checken ob sich im Nebenraum etwas bewegte, immer wieder war er ultravorsichtig, wenn er eine Schublade oder eine Schranktür öffnete. Verdammt, er konnte einfach nichts finden.
    Plötzlich hielt der Polizist inne... hatte er gerade etwas gehört? Ja, eindeutig waren das Schritte... Schritte von einem Menschne, der sich keine Mühe gab, die Treppe leise hoch zu kommen. Dann ein kurzes Rascheln, ein Klopfen an der Wohnungstür. Semir verzog sich hinter die Tür des Büros, die nach innen aufging. Er atmete absolut flach und bewegte sich keinen Millimeter. "Charlie? Charlie, bist du da?", hörte er eine Stimme von draussen vor der Tür, und dann waren auch Geräusche aus dem Nebenraum zu vernehmen. Ein leises Stöhnen, als würde gerade jemand aus den schönsten Träumen erwachen. "Wer ist da? Was ist los, ich bin am Pennen!" "Mach auf! Es ist dringend." Das Auftapsen der Füße aus dem Bett konnte Semir klar vernehmen, ebenso das Öffnen der Schlafzimmertür und der Wohnungstür. "Henry, was ist los? Was willst du?" "Du wirst es nicht glauben... weißt du wer da unten sitzt und Kaffee trinkt?" Semir biss die Zähne zusammen. Verdammt, irgendjemand hatte André erkannt. Hoffentlich hatte er das bemerkt, dachte der Polizist, und würde gleich auch hier oben auftauchen. "Nein... aber du wirst es mir wohl gleich sagen.", meinte Charlie deutlich missgelaunt, nachdem er gerade aus dem Schlaf gerissen wurde. "André Fux! Der ist sicherlich nicht hier, um Urlaub zu machen." Beinahe konnte der Polizist die herunterfallende Kinnlade von Charlie hören. "Verdammte Scheisse! Der ist wegen den Fotos hier." Jetzt wurde es auch für Semir interessant. "Du hast die Originale doch noch, oder?", fragte der Todschläger. "Ja. Das sind auch die einzigen, die noch existieren. Ohne die haben wir nichts mehr gegen ihn." Füße liefen nochmal ins Schlafzimmer, das Klicken einer Gürtelschnalle war zu hören, und das Rascheln von einigen Blättern. "Ich muss hier raus... aber ich brauch noch was aus meinem Büro... warte kurz."

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen


    <3

  • Ben's Wohnung - 17:45 Uhr


    Ben stellte den Dienstwagen in der Tiefgarage seines Appartements in der Innenstadt ab. Seine Laune war ungefähr genausoweit unter Null, wie die Tiefgarage unter der Straße. Der Fall verlief im Sande, Kevin konnte er auf dem Handy nicht erreichen und der Kerl, der es auf die beiden abgesehen hatte, lief immer noch frei herum. Morgen nachmittag würde die Mordkommission den Fall übernehmen und es würde Wochen dauern, bis er wieder ruhig schlafen könnte. Er schlurfte müde die Treppen hinauf in den zweiten Stock, in den engen Fahrstuhl, der gerade mal Platz für 4 Personen hatte, würden ihn keine 10 Pferde bekommen. Den Schlüssel im Schloß der Tür gab er leichten Druck bis er die Kühle seiner gut gedämmten Wohnung spürte. Es war draussen ungemütlich schwül und drückend, und seine dichten Haare klebten an Schläfe und Stirn.
    Obwohl ihm keinesfalls der Sinn nach etwas Heißem stand, schaltete er erstmal die Kaffeemaschine an. Er hatte im Gefühl, dass es noch ein langer Abend werden könnte, denn sobald er Kevin wieder erreichen würde, wollte er weiterermitteln. Irgendwo, irgendwie nochmal Hinweise anpacken, zur Not durcharbeiten bis morgen Nachmittag. Ben wusste, dass sein Partner es ähnlich sehen würde... auch wenn der scheinbar besser mit der unsichtbaren Gefahr umging. Der teure Kaffeevollautomat brodelte hinter ihm, während der Polizist mit dem Handy am Ohr aus dem Fenster sah, und scheibar wieder die Autos zählte, die vor seiner Wohnung parkten, oder in gegenüber liegende Fenster sah um eine Person ausfindig zu machen, die auf ihn zielte. "Das ist der Anschluß von Kevin Peters, bitte hinterla...", hörte er die scheinbar gelangweilt klingende Stimme seines Kollegen, bevor er grummelnd wieder den Auflege-Knopf drückte. "Wo steckt der bloß..."


    Mit einem Espresso in der Hand ließ er sich auf der Couch nieder und fuhr sich durch die dichten schwarzen Haare. Er hatte überreagiert, er hatte Kevin tief verletzt. Worte sind Waffen, doch Ben tat es unendlich leid. Angst um Jenny, Angst um seine eigene Gesundheit ließen ihn Dinge sagen, die besser unausgesprochen blieben. Er überlegte sich, ob er dem Gespräch aus dem Weg gehen sollte, und Kevin eine SMS tippen sollte, um sich zu entschuldigen. Er hatte bereits einen halben Text fertig, da löschte er sie wieder und warf das Handy auf die Couch. Nein, davor würde er sich nicht drücken können. Er musste mit dem jungen Mann reden, damit sie wieder anständig zusammenarbeiten könnten... zumindest, bis der Fall gelöst sei. Danach... ja, was geschah danach? War Kevin bereit weiter mit ihm zusammen zu arbeiten? Oder war Bens unbedachte Äusserung im Beisein der Chefin sowieso Kevins endgültiges Urteil in Sachen Polizeikarriere. Erst so langsam wurde Ben bewusst, was er angerichtet hatte. Wäre er verantwortlich dass man seinem Partner kündigen würde, der die Arbeit für seine Psyche so sehr brauchte... er würde es sich wohl niemals verzeihen.



    Cala Millor - gleiche Zeit


    Semir verbiss sich in der Lippe, sein Herz schlug mit Wucht gegen den Kehlkopf, als ihm bewusst wurde, was er gerade gehört hatte. Charlie nahm direkten Weg Richtung Büro, die Schritte kamen schnell näher. Die Tür schwang auf, in Semirs Richtung, und der kleine Polizist wartete gar nicht ab, ob sie vor ihn anhielt, oder seinen Körper hinter der Tür treffen würde. Er wollte den Überraschungsmoment nutzen, legte beide Hände auf das Türblatt um sie mit aller Wucht zurück zu schwenken. Er spürte, wie sie krachend auf Widerstand, in dem Fall auf Charlies Nase stieß, der stöhnend zurücktaumelte. "Was zum...", entglitt es Henry noch, als er Semir um die Tür flanken sah. Der wiederum erkannte sofort, dass der rettende Ausgang durch den Hünen mit verschränkten Armen und verwirrten Blick versperrt war, und bog ab ins innere der Wohnung. "Henry!! Schnapp dir den Kerl!", rief Charlie laut, der sich stöhnend hochstemmte und eine Hand vor die Nase hielt. Aus ihr tropfte Blut, das ihm über die Lippen lief. Henry, der Todschläger, setzte sich alsbald in Bewegung, während sein Freund schnell im Büro verschwand. Mit geübten Fingern fummelte er zwischen Rückwand des Schreibtisches und Zimmerwand einen Umschlag hervor, der die unbearbeiteten Originalbilder von Andrés Hinrichtung enthielten. Er musste sie schnell hier weg bringen, denn es waren die letzten, die existierten.


    Semir rannte durch den Flur ins Wohnzimmer und erkannte gleich, dass er in eine Sackgasse gelaufen war. Rechts von ihm war eine große Sitzcouch, ein Fernseher und viele Fenster, die einen Blick auf gegenüberliegende Häuserfronten gewährten, links von ihm eine Theke, hinter der die Küche lag. "Bleib stehen, du Gartenzwerg.", hörte er die donnernde Stimme des Mannes hinter sich, der ihn verfolgte. Henry war nicht besonders gewandt oder schnell, doch er hatte mächtige Muskeln und Hände, die andere als "Schaufeln" bezeichnen würden. Er lief hinter Semir her, der seinen ebenfalls kräftigen, aber weitaus kleineren Körper über die Theke wuchtete. Der Todschläger sah gerade herüber über die Theke, als er einen furchtbaren Schmerz im Gesicht verspürte und ebenfalls aufschrie. Der Polizist hatte beim Überspringen der Theke eine Bratpfanne gegriffen, die dreckig in der Spüle lag und den nächsten Überraschungsangriff gelandet. Mit einem lauten "Dong" fuhr sie erst frontal ins Gesicht des Hünen, der für einen Moment Sterne sah. Semir verpasste ihm noch eine Zugabe, in dem er die Pfanne als Schläger benutzte und sie krachend dem Mann von rechts gegen den Kopf donnerte. Die Wirkung war beträchtlich, Henry sank auf die Knie während sein Freund durch die offene Tür reißaus nahm. Semir lief um die Theke herum in Richtung Flur, an dem stöhnenden Henry vorbei, doch der war schneller wieder klar mit den Augen und seiner Reaktion, als Semir vermutet hatte. Ein schneller Griff an Semirs Knöchel ließen den Kommissar aus dem Tritt kommen und der Länge nach hinschlagen. "Nicht so schnell, wo willst du denn hin?", knurrte Henry missmutig und zog den kleinen Polizisten mühelos an sich heran, um ihn mit beiden Händen am Kragen hoch zu nehmen und mit Wucht in Richtung des Glastisches im Wohnzimmer zu katapultieren, der unter dem Aufprall und Semirs Gewicht klirrend nachgab. Semir spürte stechende Schmerzen im Rücken durch den Aufprall und wälzte sich stöhnend zur Seite, während Henry etwas behäbig auf ihn zukam. Schnell stand er auf, doch der Todschläger war dann doch flink genug, packte wieder den Kragen des Polizisten, und ließ ihn seine ganze Kraft spüren, die er in beiden Oberarmen besaß. Als würde ein Erwachsener mit einem Kind spielen, schleuderte der Hüne Semir über die Theke, der Flüg endete für schmerzhaft mit einem Aufschlag auf der Theke, und anschließend auf dem Boden.


    Henry kam mit Vorfreude um die Theke herum, doch Semir konnte einiges einstecken. Gezielt, wie er es vor vielen Jahren im Polizeiunterricht und später von André und auch Jan beigebracht bekam trat er mit zwei schnellen Bewegungen dem großen Mann in die Kniekehlen. Dazu bedarf es weniger Kraft, aber viel Geschick und Schnelligkeit, die Wirkung war genauso groß. Mit schmerzverzerrtem Gesicht ging Henry in die Knie, Semir stand auf um seine gesamte Kraft in einen Schlag zu bündeln, in dem er die beide Hände ineinander zur Faust verschränkte und diese im Gesicht des knienden Hünen landete. Diesmal musste er schneller sein, er sprang über den Kerl und sprintete durch den Flur Richtung Wohnungstür. Ein Schnitt an der Wange hatte zu bluten begonnen, wahrscheinlich durch Glassplitter des Tisches. Ausserdem wuchs unter dem Auge eine bläuliche Schwellung. Verzweifelt riss Semir an der Tür, doch Charlie hatte bei seiner Flucht noch soviel Zeit, dass er die Tür abgeschlossen hatte. "Verdammte Scheisse!", entfuhr es dem Kommissaren, der am Ende des Flurs bereits die massive Gestalt von Henry wieder auf ihn zukommen sah. Semir verschwand im Büro, das direkt an der Wohnungstür lag, öffnete das Fenster und sah hinaus. Einmal im Leben hatte er wahrlich Glück, eine Feuerleiter schlängelte sich neben dem Fenster nach unten. So schnell er konnte tippelte er die Leiter hinab bis zum rettenden Boden, doch Henry gab so schnell nicht auf. Die zwei Schläge und die Wut setzten bei dem Hünen offenbar Geschwindigkeitsreserven frei, und so verfolgte er Semir durch die Hinterhofgasse, die auf einen Betonplatz mündete, direkt neben einer wenig befahrenen Straße. Der türkische Kommissar sah sich gehetzt um, wo konnte er sich verstecken, wohin sollte er laufen. Die Straßen war wie ausgestorben, keinerlei Leute, die ihm helfen konnten waren zu sehen.
    Henry hatte geistesgegenwärtig im Büro noch in einen Schrank gegriffen, in den Semir woher nicht geschaut hatte. Die Waffe, die jetzt in seiner Hand lag, war direkt auf Semir gerichtete, der sich zu Henry umdrehte. "Du hättest dich einfach totschlagen lassen sollen, Gartenzwerg.", rief er höhnisch und war einige Meter von dem Polizisten entfernt. Semirs Atem überschlug sich als er von weitem sah, wie Henry auf ihn zielte. Beinahe beschwichtigend hob er die Arme, im Wissen, dass das nichts bringen würde. "Hey komm... du wirst doch nicht...", begann er, bevor er stutzte. Das Auto, das sich näherte, und Semir verdammt bekannt vorkam, schien der Hüne nicht zu hören, obwohl es beachtliche Geschwindigkeit drauf hatte. "Sag 'Auf Wiedersehen'", rief er noch laut, bereit endgültig den Abzug zu ziehen, als der Wagen von der Straße fuhr, über den Betonplatz fegte und sich die Fahrertür im richtigen Moment neben Henry öffnete. Semir drehte den Kopf weg, konnte ein lautes Knallen des Bleches der Tür, ein "Ungh" von Henry und danach das Aufschlagen des massigen Körpers auf dem Beton hören. Zwischen ihm und dem Polizisten hielt der Wagen. "Was ist denn? Willst du Wurzeln schlagen? Los, komm schon!", rief André, der Fahrer des Wagens ihm entgegen. Semir beschleunigte wieder, lief erst am Wagen vorbei zu Henry, der nun endgültig k.o. war. Doch die Waffe, die neben ihm lag, würde den beiden Freunden sicher nützen. "Auf Wiedersehen.", sagte er ihm noch ironisch zu, bevor er zu André in den Wagen stieg, der mit quietschenden Reifen losfuhr.

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


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    <3

  • Krankenhaus - 18:15 Uhr


    Er war ziellos durch die Gegend gefahren. Er war zu Hause, er fuhr zu seiner alten Wohnung. Nirgends hatte Kevin irgendwie das Gefühl dort anzukommen, wo er eigentlich hin wollte. 1000 Gedanken strömten durch seine Sinne, als er mit den Händen in der Jeans durch das Plattenbauviertel ging, in dem Jessys Mutter lebte. Das Gespräch mit diesem ominösen Mann ging dem Polizisten nicht aus den Gedanken, Ben ging ihm nicht aus den Gedanken. Er lehnte für einen Moment an einer Mauer, schaute in den mittlerweile wolkenverhangenen Himmel, dunklen Himmel. Ein Gefühl wuchs von einem auf den anderen Moment unglaublich stark an... ein Gefühl, dass er bisher absolut verdrängt hatte. Schuld... schuld an dem Anschlag auf Jenny.
    Dieses Gefühl trieb Kevin letztendlich wieder zurück in die Innenstadt. Obwohl die Chefin ausdrücklich Besuche bei Jenny verboten hatte, solange der Fall nicht geklärt war, meldete er sich an der Pforte mit Ausweis an. Die Krankenschwestern hatten Order erhalten, niemanden ohne Polizeiausweis zu Frau Dorn zu lassen, geschweige denn die Zimmernummer heraus zu rücken. Es war beinahe angenehm kühl im Krankenhaus, ein wenig fröstelte es den jungen Mann sogar, weil er die drückende Schwüle von draussen die ganze Zeit gewohnt war. Während er mit dem Aufzug nach oben fuhr wurde ihm klar, dass er nicht mal wusste, über was er jetzt mi Jenny reden sollte. Was würde er sagen... entschuldigen? Vom Streit mit Ben erzählen? War es überhaupt richtig, dass er hierher kam? Konnte er sich das Recht rausnehmen, Jenny in so einer Situation beizustehen, nachdem sie gerade einmal zusammen gegessen hatten... und Filme geschaut haben?


    Die Gedanken begleiteten Kevin bis zur Tür, vor der ebenfalls zwei Polizisten saßen. Sie nickten Kevin zu, denn sie kannten den Kommissar, und leise stieß er den Fingerknöchel zweimal gegen die Tür. "Ja?", erklang eine müde wirkende Frauenstimme leise durch die Tür und Kevin drückte die Klinke. Zuerst steckte er nur den Kopf zum Zimmer hinein, bevor er komplett seinen Körper durch die Öffnung schob. "Störe ich?", fragte er mit seiner markanten Stimme beinahe ohne Begrüßung. Jenny lag im Bett, die Lehne stand etwas aufrecht, also hatte er sie scheinbar nicht geweckt. Die Decke hatte sie bis zur Brust gezogen, und auf ihr Gesicht legte sich sofort ein Lächeln, als sie Kevin erkannte. "Nein... ich bin froh für jede Gesellschaft.", sagte sie und setzte sich, etwas stöhnend vor Schmerzen, noch ein wenig weiter auf. Kevin ging, mit leicht verkniffenem Lächeln durch den Raum, am Bett vorbei und setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Fenster stand. Jenny schaute ihn ein wenig argewöhnisch an und hatte, trotz ihrer Situation, nicht den Humor verloren. "Hast du auch ein Megaphon dabei? Komm doch hierher und setz dich nicht zu weit weg. Ich habe keine ansteckende Krankheit." Mit ihren Worten brachte sie Kevin nun ein ehrliches Lächeln ins Gesicht zurück, und die junge Frau rückte im Bett ein wenig zur Seite und zog die Decke mit sich. Ein klares Signal, dass sich der junge Polizist nirgends anders, als auf der Bettkante nieder zu lassen hat, und Kevin folgte ihrem stummen Willen. Leicht zu Jenny gedreht, eine Hand auf das Bett, die andere auf sein Knie gestützt, saß er bei ihr, wie der Vater bei seinem Kind am Krankenbett. "Wie gehts dir?", fragte er mit kurzem Blick in Richtung ihres Bauches. Sie presste die Lippen zusammen und schloß die Augen, als wiegelte sie ab. "Nicht so schlimm, nur wenn ich mich bewege stecht es noch." Dann wurde ihr Blick ein wenig nachdenklicher, und sie blickte zu dem Mann auf ihrem Bett auf. "Ich hab verdammt viel Glück gehabt, oder?" "Ja. Oder auch Pech. Einen Centimeter höher, und dir wäre nichts passiert... einen Centimeter tiefer...", diese Folgen verschluckte der junge Mann. "Habt ihr ihn wenigstens erwischt?", fragte sie ein wenig hoffnungsvoll, doch das stumme Kopfschütteln ihres Kollegen ließ die Hoffnung sofort wieder in sich zusammenbrechen. Auch wollte Kevin nicht von der unheimlichen Begegnung auf dem Parkplatz erzählen, genauso wenig davon, dass sie morgen nachmittag vermutlich den Fall weggenommen bekommen.


    Jenny erkannte sofort, aufgrund ihrer weiblichen Intuition, dass es ihrem Kollegen nicht gut ging. Er blickte immer wieder von ihr weg, und das Lächeln hielt nie lange auf seinem Gesicht. "Was hast du denn?", fragte sie einfühlsam, als die Stille den Raum für einige Sekunden ergriff. Als würde der Polizist kurz nach Worten suchen, blickte er an Jenny vorbei an die Wand, bevor er dennoch sprach: "Es tut mir leid, Jenny. Das wäre nicht passiert, wenn wir den Kerl nicht provoziert hätten." Und leise setzte er dazu: "Ich hätte mir nie verziehen, wenn dir etwas schlimmeres passiert wäre." Jenny blickte nachdenklich drein... auch sie sah für einen Moment dem Mann auf dem Bett nicht ins Gesicht, sondern vor sich auf die Bettdecke. "Es war so komisch, als ich da gelegen habe. Ich habe alles gehört, und gesehen... aber ich konnte mich nicht bewegen." Kevin bekam eine Gänsehaut auf den Armen, ein Drücken im Magen entwickelte sich zum Krampf. "alles gehört... gesehen... nicht bewegen.", hallte es in seinen Gedanken nach und plötzlich war er wieder am Boden, im Dreck in der dunklen Gasse. Seine Narben auf dem Rücken brannten plötzlich und die Schreie hallten durch seinen Kopf. "Als wäre ich gelähmt gewesen.", sagte Jenny und ahnte nicht, was sie gerade in Kevin auslöste. "Es tut mir wirklich so leid...", sagte der nur leise, mit einer eigenartig traurigen Stimme, die das Mädchen wieder plötzlich aufblicken ließ. Sie ergriff die Hand des Mannes, die auf dem Bett neben ihr ruhte. "Kevin... hätte er nicht auf mich geschossen, dann hätte er vielleicht auf einen Unschuldigen heute morgen wieder geschossen. Einen Unschuldigen, der keine Schutzweste an hatte." Dabei drückte sie die Hand des Polizisten und strich ihr mit den Fingern über den Handrücken. "Es ist doch nicht viel passiert." "Aber es hätte... und dieses Gefühl, dass du da hattest, das..." Kevins Stimme stockte kurz, er hatte Jenny ebenfalls wieder angesehen, doch jetzt wich sein Blick wieder weg. "Das ist schlimm genug.", sagte er beinahe tonlos.


    Wieder erfüllte eine traurige Stille den Raum, das Donnern draussen kam unheilvoll immer näher an die Stadt. Jennys Wunde ziepte, sie räkelte sich unter der Decke ein wenig um ihre Sitzposition zu verändern und blickte weiter zu Kevin. Sie fuhr sich kurz mit der Zunge über die Lippen, um dann vorsichtig Kevin auf etwas anzusprechen. "Ich habe gehört, was du gesagt hast... als ich da lag." Der junge Mann blickte auf, und konnte sich selbst auf Anhieb nicht erinnern, was er gesagt hatte. Sein Blick drückte dementsprechend ein wenig Überraschtheit und Unverständnis aus. "Bitte nicht schon wieder, hast du gesagt...", sagte Jenny leise und vorsichtig, als wäre sie bei einer komplizierten Operation und musste behutsam vorgehen, um keine lebenswichtigen Organe zu verletzen. In Kevins Innerem wurde es heiß und kalt, und seine Seele konnte sich nicht entscheiden, ob sie dem jungen Mädchen Zutritt gewähren sollte, oder die Tür vernageln sollte. Der Blick aus den hellblauen Augen des Mannes, und der der jungen Polizistin klammerten sich für einen Moment aneinander... ihrer erwartungsvoll und trotzdem vorsichtig vertraut, seiner dagegen traurig und hilflos, beinahe ein wenig verzweifelt. Er seufzte, als seine Seele sich entschieden hatte. "Das erzähle ich dir, wenn es dir besser geht." Jenny fühlte sofort, wie Kevin sie abwies, doch sie war nicht böse deswegen... im Gegenteil. Anders, als vielleicht Semir und Ben Kevin ihre Hilfe manchmal mehr aufdrängten als anboten, wusste Jenny genau wann sie fragen konnte, und wann nicht. Ihr Vorstoß war zwar vorsichtig, aber dennoch zu früh. Nach Hottes Erzählungen bezüglich Kevin wusste sie natürlich was er mit den Worten gemeint hatte, oder welche Gedanken ihm gerade zu diesem Zeitpunkt durch den Kopf gingen. Dass er in dieser Situation sie mit seiner Schwester assozierte, rührte sie sehr, und das er jetzt abblockte, bestätigte ihre Gedanken.
    Jenny nickte verständnisvoll und Kevin war ihr unendlich dankbar darüber, dass sie nicht nachhakte, und nicht seine Gedanken erraten wollte. Er war auch dankbar, dass er nicht über den Streit mit Ben reden musste... und er war noch mehr dankbar, dass Jenny es glänzend verstand mit Gesten statt mit Worten zu kommunzieren, als sie sich nach dem Nicken langsam nach vorne beugte, und beide Arme um den jungen Mann legte, und ihn sanft an sich heran zog. Sie legte ihren Kopf bei der Umarmung auf die kräftige Schulter des Polizisten, spürte seine Hitze, die sein Körper ausstrahlte. Ihr tat es gut, jemanden bei sich zu haben und für Kevin war es wie Balsam auf seine Seele. Jenny war ein Anlehnungspunkt für ihn, eine Person der er vermutlich wirklich seine ganze komplette Geschicht erzählen konnte. Ungeschönt, ohne Details erfragen zu lassen, oder diese nur zu erzählen, wenn es gar nicht anders ging. Weder Semir noch Ben sind bis zu diesem Punkt vorgedrungen. Und so war Jenny doch im Besitz seines Inneren, ist durch seine Tür gegangen, ohne dass Kevin bisher ein Wort erzählt hatte. Ihre Umarmung dauerte mehrere Minuten, während draussen die ersten Blitze vom Himmel zuckten...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen


    <3

  • Mallorca - 18:20 Uhr


    André hielt das Lenkrad mit beiden Händen fest, und sah konzentriert auf den Asphalt vor ihm, als er Cala Millor ihm zügigen Tempo verließ. Semir saß neben ihm und atmete schwer, betastete mit seiner rechten Hand seinen Rücken, der einige schmerzhafte Flecken vom Flug über die Küchentheke abbekommen hatte. "Das war aber knapp.", meinte er mit einem Lächeln in Richtung seines ehemaligen Partners. "Ich werd halt auch alt, Mann.", gab André grinsend zurück. Es war wie in alten Zeiten... einer zog den anderen aus der Scheisse heraus. Beide Männer hatten im gleichen Moment den selben Gedanken gehabt. Semir schlug seinem Freund dankbar mit der Hand auf die Schulter. "Ich hab Henry raufgehen sehen, da wusste ich, dass du auf normalen Wege nicht mehr rauskommst. Und ich kenne die Feuerleiter und den Weg zum Betonplatz.", sagte er, während er Charlies Wagen ins Visier nahm, aber Abstand zu dem cremefarbenen BMW hielt. "Und wenn ich in die andere Richtung gelaufen wäre?", fragte der Polizist, etwas gespielt erstaunt. André zuckte nur mit den Schultern und meinte mit seiner markanten Stimme: "Tja... dann hätte ich auf dich gewartet." Dabei grinste er, und Semir schüttelte lachend den Kopf. Es war alles gutgegangen, also machten sie ihre Witzchen über die Situation... ganz so wie früher.


    Die Sonne wurde langsam orange, beide Männer klappten die Sonnenblenden des Wagens herunter und der BMW vor ihnen bog von der Küstenstraße ins Landesinnere ab. André folgte ihm auf Abstand, die Straße stieg an und mündete in einen Serpentinenweg rauf in die Berge. "Erinnerst du dich... hier hat uns Berger verfolgt.", sagte Semir mit etwas trockener Stimme vor Aufregung und dem Aufkeimen von Erinnerungen, während sein Nebenmann stumm nickte. Berger hatte sie hier vor 14 Jahren vor sich hergetrieben und aus seinem Wagen heraus beschossen. "Vermutlich gehts zu dem gleichen Haus, zu dem sie mich damals mitgenommen haben. Das ist hier in der Nähe."
    Die Fahrt dauerte nicht sehr lange, und als Andrés Vermutung langsam zur Gewissheit wurde, weil ihm der Weg immer bekannter vorkam, hielt er noch mehr Abstand. Charlie bog ihn einen unbefestigten felsigen Weg ab, und sein BMW ätzte unter jedem Schlagloch. "Was will der hier? Er hat die Fotos doch mitgenommen.", murmelte Semir und bekam sofort Antwort von seinem Freund. "Er will sich verkriechen... er hofft, dass Henry dich fertiggemacht hat, und mich hat er unten nicht mehr gesehen." Langsam rollte auch André nun den Weg hinauf, blieb aber ausser Sichtweise des kleinen Steinhauses stehen. "Wir gehen besser zu Fuß.", meinte er und stieg zusammen mit seinem Freund aus. "André... wenn wir die Bilder haben, haben wir es geschafft. Dann verschwinden wir wieder." Der Karatekämpfer blickte sich um, und schaute ein wenig überraschend. "Wie meinst du das?" Semir kam näher zu seinem Freund. "Es geht mir nur um dich. Charlie hat gesagt, dass diese Bilder die einzigen sind, die noch existieren. Keine Kopien, keine Negative. Überlass die Gang Interpol und den spanischen Behörden. Lass uns die Fotos holen, und dann verschwinden, okay?" Semir wollte kein großes Risiko eingehen. Sie waren allein, konnten keine Verstärkung rufen, und hatten nur eine Waffe, die der Polizist im Hosenbund hatte. Natürlich wollte er seinem Freund helfen, aber er war nicht darauf aus, die Gruppe, die noch auf Mallorca war, dingfest zu machen. André stimmte ihm durch nicken zu. "Okay, Semir. Lass uns die Fotos holen, und dann hauen wir ab."


    Etwas geduckt gingen die beiden so leise wie möglich abseits der Straße in Richtung des Hauses. Das Innere wurde nur geschützt durch Holzklapprolläden, die Tür war ebenfalls nur eine Holztür. Semir und André pirschten sich unter eines der Fenster, von denen die Rolläden leicht offen standen. Sie konnten die Stimme von Charlie, und eine weitere hören. "Bist du wahnsinnig hier aufzutauchen? Wir haben gesagt, dass wir keinen Kontakt untereinander haben, verdammt!", erklang eine, für Semir unbekannte, für André vertraute Stimme. Ein nicht zu überhörender spanischer Akzent lag in der Stimme von Raul, einer der Zuhälter des Prostituiertenrings und Boxhallen-Besitzer in El Arenal. "Ich muss für ein paar Tage auch hier bleiben. Es ist wegen den Fotos. Dieser ehemalige Bulle ist hier, und sein damaliger Partner." "Na und? Wir haben die gefälschten Fotos versendet. Der wird in den Bau wandern, früher oder später." "Ich weiß nicht... er muss ja von den Fotos wissen, sonst wäre er nicht hier. Wir sollten sie so schnell wie möglich nochmal bearbeiten, und nochmal verschicken." "Du weißt selbst, dass weder ich noch du das entscheiden kannst. Und jetzt mach dich mal locker. Setz dich, und trink einen Whiskey. Wenn der Typ dich nicht findet, wird er sich selbst so schnell wie möglich irgendwo verkriechen müssen."
    Semir entsicherte die Waffe, die er in seiner Hand hielt, während André auf ein Fenster auf der anderen Seite des Hauses wies, das nur angelehnt war. Hier würden sie ins Haus gelangen...



    Dienststelle - 18:30 Uhr


    Ben war wieder zur Dienststelle zurückgekehrt, unterwegs versuchte er immer wieder seinen Partner zu erreichen... ohne Erfolg. Der Wind frischte auf, es war angenehm zur drückenden Schwüle, und die ersten Blitze zuckten durch den Himmel, als der Wuschelkopf seinen Dienstwagen vor der Dienststelle parkte. Mittlerweile war es richtiggehend düster geworden, das Unwetter war nur noch wenige Kilometer entfernt und hing über der Stadt, als würde es drohendes Unheil verkünden.
    Dem Polizisten war unterwegs ein Gedanke gekommen... ein Gedanke, den Kevin vor einigen Tagen geäussert hatte. Wo kamen die Autos her? Konnte man darüber vielleicht einen Zusammenhang finden? Er begrüßte Hotte, der sich gerade umgezogen hatte, um Feierabend zu machen mit einem Nicken. "Hallo Ben... noch am arbeiten?", fragte er, wie immer gutgelaunt, wunderte sich aber dass Kevin nicht dabei war. Natürlich hatte der erfahrene Polizist mitbekommen, dass es Spannungen gab zwischen den beiden Männern. "Ja, allerdings. Sag mal, wo sind denn die Akten mit den gestohlenen Autos, mit denen die Anschläge verübt worden sind?" Der dickliche Polizist schnürte sich gerade noch seine Schuhe, als er sich dann erhob und zu seinem Schreibtisch ging, wohin Ben ihm folgte. Er drückte dem Polizisten einen Umschlag mit einigen Blättern in die Hand, und Ben lächelte dankbar. Als er denn Ordner zu sich nehmen wolltem hielt Hotte ihn erst noch fest und sah seinen jungen Kollegen in die Augen. "Was hast du denn für Schwierigkeiten mit Kevin?", fragte er unvermittelt. Sein Gegenüber verlor das Lächeln, sah den älteren Polizisten überrascht an. "Woher..." "Ach komm, Ben. Mir macht hier in dem Laden niemand mehr was vor." Ein wenig schmunzelte Horst Herzberger in sich hinein, als er die Hand öffnete. "Ich erkenne, wenn die Chefin mal wieder Zahnschmerzen hat an ihrem Gang, und an Semirs Mimik weiß ich, wann Andrea Migräne hat... also was ist?" Ben konnte sich zwischen einem Lachen über Herzbergers Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe und einem Seufzen aufgrund seiner Situation mit Kevin nicht entscheiden. Er schüttelte nur resignierend den Kopf. "Hotte... das ist mit ein paar Worten nicht zu erklären. Ich erzähls dir mal, wenn wir das hier hinter uns haben, okay?" Hotte nickte verständnisvoll und legte dem Mann seine große Hand auf die Schulter. "Meine Kaffeemaschine ist allzeit bereit.", sagte er, blinzelte und wünschte einen schönen Feierabend.


    Ben verzog sich in das gläsernde Büro, brütete über den Personalien der Autobesitzer. Dann gab er die Namen in den Computer ein, doch er konnte keine Einträge finden. Keinerlei Vorstrafen, keinerlei Auffälligkeiten. "Verdammt..." Einer war Automechaniker, ein anderer Versicherungskaufmann, der dritte Gärtner. Alle lebten in geregelten Verhältnissen, verheiratat, Kinder, nur der Gärtner war ledig. Sie wohnten in Köln verstreut, und es schien sich um Zufälle zu handeln, dass der Täter ausgerechnet deren Fahrzeuge geklaut hatte.
    Der Polizist wollte Kevins Gedanken schon aufgeben, als er noch einen Einfall hatte. Er loggte sich auf seiner Facebook-Seite ein und suchte nach den Namen. Er hatte Glück und alle drei waren bei Facebook registriert und hatten auch frei zugängliche Profile. Filme, Musik, Vorlieben in Sachen Essen... alles konnte Ben einsehen und machte sich Notizen... und ein Eintrag fiel ihm gleichermaßen ins Auge. Alle drei Männer waren Mitglied eines Rallye-Clubs in der Nähe von Köln. Der Club fuhr Amateurrennen im Rallye-Bereich in ganz Deutschland, und sofort fiel dem Polizisten die exzellente Fahrzeugbeherrschung des Täters ein, als er vor den Polizisten geflüchtet war. Das konnte kein Zufall sein, dachte sich Ben und er merkte, dass er vor Aufregung feuchte Hände hatte, was nicht an dem unerträglichen Wetter lag. Ein Donner scheuchte ihn aus seinen Gedanken, als er wieder zum Handy griff und zum lieben Gott betete, dass Kevin endlich abhob...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen


    <3

  • 19:00 Uhr


    Kevin wurde von einem dumpfen Grollen empfangen, als er aus den klimatisierten Krankenhausfluren wieder ans Sonnenlicht trat... wobei sich das Sonnenlicht versteckt hatte. Es wurde besiegt von Wolkenbergen, die bedrohlich dunkel über der Stadt hingen, aus denen es hell blitzte und sicherlich auch gleich zu schütten anfing. Kevin schaltete sein Handy ein, nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte und sah sofort mehrere Anrufe in Abwesenheit. Von Bens Privattelefon, seinem Handy und aus dem Büro. Für einen kurzen Moment verharrte der Polizist auf dem Treppenabgang und sah die drei Buchstaben auf dem Display an, als würden sie ihm Antwort auf seine Gedanken geben. "Eine gute Freundschaft ist wie eine Leidenschaft." Der Polizist biss sich auf die Lippen, fuhr sich mit der freien Hand durch die abstehende Frisur, die dadurch immer mal eine andere Form annahm und drückte schließlich den Rückruf-Knopf. Es läutete nur zweimal, da war Bens vertraute Stimme dicht an seinem Ohr. "Kevin?" Ben konnte freilich das kurze Nicken seines Partners nicht sehen. "Ja. Du hast angerufen." Kevins Stimme klang nicht gehetzt oder harsch, so wie er sich von Ben verabschiedet hatte. Sie klang neutral, sachlich, nicht abweisend. Und dem Mann, der am Steuer saß und per Freisprecheinrichtung mit dem Kommissar telefonierte lächelte still in sich hinein, als er diesen Umstand regestrierte. "Ich glaube, ich hab was rausbekommen. Wo bist du?" "Komm grad aus dem Krankenhaus." Ben hob die Augenbrauen ein wenig nach oben, hatten doch beide Männer die Worte der Chefin als solche interpretiert, dass man sich vorrangig um den Fall zu kümmern hat. Allerdings wunderte es ihn auch nicht, dass sich der eigenwillige junge Mann einen Dreck darum scherte, was die Chefin sagte...


    "Ich bin in 10 Minuten bei dir, dann erzähle ich dir alles. Okay?", sagte Ben schnell und hoffte auf eine positive Antwort, die auch sofort kam. "Alles klar." Dann trennten sie die Verbindung und Kevin setzte sich auf eine kleine Mauer nahe an der Straße. Der Straßenverkehr kochte über den Asphalt, Technik und das Grollen der Natur im Einklang klang unwirklich. Der junge Polizist zündete sich eine Zigarette an, und blickte nachdenklich nach oben zu den Fenstern des Krankenhauses, ungefähr in die Richtung des Zimmers, in dem Jenny lag. Warum dachte er jetzt daran, dass er sich wünschen würde, sie würde zufällig rausgucken, und ihn sehen? Wollte er das überhaupt. Wieder ein Zucken eines Blitzes und das unheilvolle Grollen, das langsam näher kam. Auch der Wind wurde stärker, und es schien ganz so, als wären die Götter über irgendwas ziemlich verärgert... jedenfalls konnte jeder auf der Straße spüren, dass es bald verdammt ungemütlich werden konnte und ein schlimmes Unwetter vor der Tür stand.


    Ben brauchte 9 Minuten, bis der Mercedes am Gehweg hielt, und er den Kopf mit den dunklen Haaren aus dem Fenster regte. Ein zaghaftes, beinahe vorsichtiges Lächeln auf den Lippen ließ Kevin sofort aufstehen. Er reagierte zwar nicht auf Bens Mimik, aber er nickte ihm kurz aufmunternd und freundschaftlich zu. Stumme Gesten die sagten: "Lass uns unseren Job machen... und um alles andere kümmern wir uns später." Beide Männer verstanden die Botschaft, weshalb Ben das klärende Gespräch jetzt nicht suchen wollte. Zu wichtige Dinge waren zu besprechen, als sein Partner einstieg und er sich wieder in den fließenden Verkehr einfädelte. "Wie gehts Jenny?", fragte der Fahrer sofort, denn logischerweise wusste, warum Kevin im Krankenhaus war. Der machte auch gar keinen Versuch etwas abzustreiten, und meinte knapp: "Es geht ihr gut. Wir haben uns unterhalten." Ben nickte erleichtert. Sie hatte unverschämt viel Glück gehabt.
    "Ich bin die Halter der gestohlenen Fahrzeuge durchgegangen. Kannst du dich erinnern, du hattest mich darauf hingewiesen.", erzählte Ben sofort. "Und?", fragte sein Freund, mehr interessiert als gleichgültig. "Alle drei Fahrer sind scheinbar Fan oder Mitglied eines Rallyevereins. Das kann kein Zufall sein..." Kevin ließ seinen Blick über die Straße gleiten, als er kurz nachdachte. "Du meinst, der Täter hat Kontakt zu diesem Verein?" "Wenn er nicht sogar Mitglied ist, oder ein Fahrer. Du erinnerst dich an die Fahrzeugbeherrschung, als er geflüchtet ist." "Du hast recht... hast du geprüft, ob dieser Trauscher auch was mit dem Verein zu tun hat?" Ben schüttelte den Kopf. "Nein, den habe ich auf Facebook nicht gefunden. Wir fahren zu dem Verein, ich weiß wo die sowas wie eine Werkstatt haben." Kevin nickte zustimmend.


    Für einige Minuten war es verdächtig still. Während Ben sich auf den Verkehr konzentrierte, überschlugen sich bei Kevin die Gedanken wie in einem Vollwaschgang. Der alte Mann... das hinkende Bein. Das Kaugummi. Der Zusammenhang... wo war er mit dem Rallyeverein? Und den Morden. Ein Rallyefahrer war der alte Mann wohl nicht mehr. Nicht MEHR?
    Ben bemerkte Kevins Stille, seinen nachdenklichen Blick aus dem Seitenfenster heraus. Immer, wenn er angestrengt über etwas nachdachte, hatte er den rechten Fuß ganz an den Sitz gezogen, das Bein angewinkelt und den rechten Ellbogen darauf abgestützt. "Was grübelst du?", fragte er, und hoffte, dass er nicht auf Ablehnung traf, und es was mit dem Fall zu tun hatte. "Ich hatte eben eine merkwürdige Begegnung. Ich war auf einem einsamen Rastplatz, und da kam ein Mann... scheinbar zufällig." Kevin sprach langsam und leise, und sah dabei aus der Frontscheibe, statt direkt zu Ben. "Er hat gesagt... 'Leidenschaft verzeiht man Verletzungen'. Man lässt sie nicht sterben." Ben sah etwas verwirrt zu seinem Partner. Er fragte sich gerade, was das mit dem Fall zu tun hatte... oder wollte Kevin einfach nur davon erzählen. "Er hat gehinkt.", sagte er dann und sah direkt auf seinen Freund am Steuer, der den Blick kurz mit eindeutig fragender Geste erwiderte: "Er hat was?" "Gehinkt.", wiederholte der Polizist. Ben war etwas unwohl bei diesem Gespräch... worauf wollte Kevin hinaus. "Ja und?" Und dann kam sein Freund endlich zu dem Punkt. "Und als er wieder wegfuhr, hat er dieses Kaugummipapier in den Eimer geworfen." Dabei hielt er das rote kleine Papier zwischen Zeige- und Mittelfinger nach oben, und Ben lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. "Ach du Scheisse..."


    Der Mercedes rollte an eine Ampel, wo Ben links abbog, und man sich wieder stadtauswärts befand. Die Werkstatt lag an einem Wald, sah recht modern aus und einige Wagen parkten davor, unter anderem auch eine bunt beklebter Rallyewagen. Bevor die beiden Polizisten ausstiegen, saßen sie noch kurz im Wagen und sahen beide nach vorne durch die Frontscheibe. "Also mal angenommen, es war wirklich der Killer, der bei dir war... es war ein alter Mann, der hinkt. Und etwas von Leidenschaft geredet hat." Kevin nickte und antwortete: "Und wir haben es vermutlich mit einem Sportschützen zu tun, der etwas mit einem Rallyeverein zu tun hat, vielleicht selbst Rallye gefahren ist." Wie auf Kommenado sahen die beiden sich an und ein Donner durchschlug die Stille. Die ersten Tropfen fielen auf die Windschutzscheibe des Mercedes. "Ein Jagdunfall?", fragte Ben. "Ein Rallyeunfall?", antwortete Kevin. Sie sahen mit einem mulmigen Gefühl auf die Werkstatt. "Lass uns reingehen. Wir konfrontieren die Halter mit diesem Zufall der Diebstähle. Reine Routine. Wir erwähnen weder Trauscher, noch einen hinkenden alten Mann. Danach fahren wir direkt zu diesem Trauscher, okay?", gab Ben die Richtung vor, und sah seinen Partner an, der mit ernster Miene, aber ehrlich zustimmend nickte. Dann stiegen die Männer aus und gingen in Richtung des geöffneten Tores der Werkstatt.


    Drinnen war ein Rallyewagen, der auf einer Hehebühne aufgebockt stand, und unter dem zwei Männer arbeiteten. Sie bemerkten die Polizisten, und einer der Männer herrschte die beiden sofort an: "Was wollt ihr hier? Das ist eine private Werkstatt, hier dürfen nur Mitglieder rein." "Hier sind unsere Mitgliedsausweise!", sagte Ben sofort und hielt dem Kerl den Ausweis unter die Nase... der Typ verstummte. Kevin fiel sofort auf, wie beide Männer sofort ein wenig nervös wurden. "Wir behandeln den Fall des Drive-By-Killers. Und uns ist aufgefallen, dass alle drei Wagen, die im Zusammenhang mit den Anschlägen gestohlen wurden von Mitgliedern dieses Vereins gestohlen worden sind, unter anderen von ihnen beiden.", sagte Ben, nachdem er die Namen der beiden erfahren hatte... tatsächlich zwei der drei Bestohlenen. "Vielleicht kennt der Irre uns.", sagte einer der Männer, der an Kevin und Ben vorbei zu einer Werkbank ging, und sich die schmutzigen Hände abrieb. Er stand so zwischen den Polizisten und dem Ausgang. "Ja, das glauben wir auch.", meinte Kevin süffisant lächelnd. Beide Polizisten wandten sich wieder zu dem Mann, der am Wagen stand. "Dafür haben wir keine Erklärung. Aber wir haben uns auch schon gewundert, und alle Mitglieder angehalten, auf ihre Autos aufzupassen." Die beiden Männer spielten ihre Rolle miserabel, und die Polizisten hatten genug Erfahrung, das sofort zu merken.


    Was sie allerdings nicht bemerkten war, dass ein älterer Mann, der am Gehstock ging am Eingang der Garage auftauchte. Er sah auf, sah Kevin von der Seite und blieb stehen. Beinahe legte sich ein Lächeln auf das Gesicht des alten Mannes, von Walter Trauscher... Er machte aber sofort kehrt und öffnete die Tür des Rallye-Autos. Der Blick des Mannes am Auto hatte den Besucher allerdings kurz verraten, gerade als Ben nach dem Namen fragte. Beide Polizisten blickten zum Ausgang, als der Motor des Rallyewagens aufheulte und die Reifen quietschten. Ben sprintete sofort in Richtung Ausgang, Kevin wollte es ihm gleichtun, doch der Mann an der Werkbank erhob vor dem Polizisten drohend eine Eisenstange. Der junge Polizist liess sich aber auf keinen Kampf ein, zog seine Waffe aus dem Halfter und zielte auf den Mann, der sogleich seine Kühnheit verlor. "Ich würde nicht mal dran denken.", drohte ihm Kevin mit stechendem Blick. Klirrend fiel die Stange zu Boden, und der Mann trat zur Seite. Ben war bereits aus der Parklücke rangiert, hatte das Blaulicht angeschaltet und rief aus dem Fenster: "Los, gib Gas!!" Sein Partner kam im Sprint aus der Garage, steckte die Waffe zurück, und flankte über die Motorhaube des Benz, bevor er einstieg, während das Rallye-Auto auf dem Feldweg hinter den Bäumen verschwand.

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen


    <3

  • Einsames Haus - gleiche Zeit


    Im hellorangenen Licht, von dem Semir und André zeitweise geblendet wurden, stiegen die beiden Freunde lautlos in das kleine Sandsteinhaus in der mallorcinischen Einöde ein. Semir hatte die Waffe fest in der Hand umklammert, als er die Holzrolläden aufdrückte, in das nun durch die Sonnenstrahlen erhellte Zimmer reinsah und sich dann mit beiden Armen hochzug um sich über die Fensterbank zu wuchten. Ein kurzer Blick, ein kurzes Verharren... nebenan waren die Stimmen gedämpft zu hören, Gläser klirrten, offenbar nahmen die beiden Männer einen Drink. "Okay, komm.", flüsterte Semir nach draussen zu André, der kurz gewartet hatte und sich, scheinbar ein wenig unsicher umgesehen hatte. Der Polizist streckte seinem Freund die Hand entgegen, der ergriff sie und zog sich ebenfalls am Fensterbrett nach oben. Ohne Worte zeigte Semir auf die Tür des Zimmers, das spartanisch mit einem Bett ,einem Nachttisch und einem Kleiderschrank eingerichtet war, wie ein billiges 3-Sterne-Hotel. Trotzdem schauten die beiden Männer, bevor sie die beiden Kerle im Nebenraum überrumpeln wollten, nochmal überall nach, ob sie den Umschlag finden konnten, doch der ruhte nach wie vor fest in Charlies Hand.
    Der saß mittlerweile bei Raul am Tisch, ein Glas Whiskey in der freien Hand, und trotzdem noch ziemlich bleich um die Nase.


    "Was machst du dir solche Gedanken?", fragte Raul mit seinem ausländischen Akzent. "Du hast gesagt, dass du abgehauen bist. Und? André hat keine Anhaltspunkte wo du steckst." "Achja? Er hat ja auch rausbekommen, dass ich in Cala Millor bin.", entgegnete Charlie mit nervöser Stimme. "Der Kerl wird nicht locker lassen. Horn hat mit seiner dämlichen Rache viel zu viel aufs Spiel gesetzt damals." Der Spanier schien zustimmend zu nicken. "Das stimmt. Das war dumm von Ralf. Aber es ist nun mal so. Wir werden noch einige Monate die Köpfe unten behalten, und dann wird die Polizei auch irgendwann Ruhe geben. Über Ralfs Anwalt werden wir dann hören, was wir weiter tun werden. Und Fux sitzt dann vielleicht schon... aber lebenslänglich." Er erhob sein Glas zum Anstoßen, als die Tür in seinem Rücken aufging und Charlie das Glas fallen ließ. André stand leicht versetzt vor Semir, der die Waffe auf die beiden Männer richtete. "Da wäre ich mir nicht so sicher, Raul.", sagte André mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck und heruntergezogenen Lippen. Charlie verlor sofort die Nerven, er sprang auf, drückte den Umschlag an sich und rannte sofort in Richtung der Haustür. "Halt!", rief Semir noch, doch er konnte dem Mann nicht einfach in den Rücken schießen. Raul war in der Zwischenzeit aufgesprungen, und hatte sich kampfbereit zu André umgedreht. "Schnapp dir den Kerl, Semir!", sagte der Karatekämpfer schnell und brachte sich gegen Raul ebenfalls in Kampfposition. Sein Freund drehte auf dem Absatz um, um nicht an Raul vorbeikommen zu müssen nahm er den selben Ausgang aus dem Fenster, auf dem er gekommen war.


    Charlie sprang nicht ins Auto, sondern rannte einen unbefestigten Pfad hinauf zu den Klippen. Er war kurzzeitig in Panik, als er sah dass Semir ihm über Stock und Stein folgte. "Bleib stehen, verdammt.", rief er laut und feuerte zwei Schüsse in die Luft.
    Mehrere Mauern grenzten teilweise die Felder der Landwirte ab, und standen dicht an den Felsvorsprüngen. An diesen Mauern vorbei lief Charlie nun, umlief einen dichten Strauch, so dass Semir ihn kurzzeitig aus den Augen verlor. Die Waffe mit beiden Händen haltend, doch das nutzte ihm für einen Moment nichts. Charlies Schlag in Semirs Magengrube, als der an einer Sandsteinmauer vorbeilief, raubte dem Polizisten den Atem, ließ ihn in die Knie gehen und die Waffe im hohen Bogen am Rande der Klippe landen. Der Verbrecher schubste den stöhnenden Mann zur Seite und lief auf die Klippe zu, doch Unwissende unterschätzten die Nehmerqualitäten des kleinen Kommissars. Noch bevor Charlie die Waffe wirklich in die Hand nahm, stürzte sich Semir auf den Mann, der sofort das Gleichgewicht verlor, und die Waffe fiel klimpernd ein, zwei Meter weiter... genug um von der Klippe zu rutschen und in den tödliche Abgrund zu fallen, der erst viele Meter weiter unten bei scharfen Felsen an der umspülten Küste enden sollte.


    André kannte Raul, er kannte dessen Kampfstil... sie hatten beide in den 14 Jahren oft genug miteinander trainiert. Raul war schnell und kräftig, und dazu ein paar Jährchen jünger als André. Doch ihm fehlten eben auch diese Jahre an Reife und Kampferfahrung, doch im Moment hatte er den Moment. Zwei Schläge landeten am Kopf des Ex-Kommissars, der sich mit einer Rechts-Links-Kombination auf die Leber rächte. "Ich werde zu Ende bringen, was Ralf versäumt hat.", schäumte der Spanier und versuchte einen Schlag ins Gesicht seines Gegners zu landen, dem André aber geschickt auswich und seinerseits den Ellbogen auf die Rauls Brust schnellen ließ. Raul jedoch hatte Nehmerqualitäten, und er war für einen Moment schneller auf den Beinen, als André das vermutet hatte. Krachend senkte sich seine Rechte im Gesicht des älteren Mannes, der durch die Wucht des Schlages gegen die kratzige Sandsteinwand fiel, was unschöne Striemen an der Stirn hinterließ. Für einen Moment war André angeschlagen, was Raul nutzte und seinen Gegner mit einem seitlichen Sprungtritt gegen Andrés Schläfe zu Fall zu bringen. Rot und Blau blinkte es für einen Moment vor den Augen des Karatekämpfers, er spürte warmes Blut aus einem Cut über dem Auge, die Welt um ihn rum war ein wenig verschwommen, als er sich auf dem Terracotta-Boden des Hauses langsam auf den Rücken drehte. Raul hatte die Zeit genutzt, hatte sein Klappmesser aus der Hose gezogen und es aufschnappen lassen. "Du bist zurückgekommen um die Beweise deiner Tat zu vernichten... das war sehr dumm von dir.", hörte er die Stimme und den klaren spanischen Akzent. Dann sah er noch das Messer, das in Richtung seiner Brust herabsauste...


    Semir hatte für einen Moment Oberwasser, denn er drückte Charlie in den staubigen Boden neben einigen Hibiskussträuchern. Die Waffe war weg, er musste sich jetzt auf seine Kraft verlassen. Doch Charlie gab nicht auf, und schlug dem Polizisten heimtückisch auf die Niere, so dass Semir laut aufstöhnte und den Griff lockern musste. Den Grund des Kampfes hielt der Mann jedoch weiter festumklammert, der Umschlag mit den unbearbeiteten Beweisfotos presste Charlie während des Kampfes dicht an sich, als er seinen Gegner von sich herabwälzte. Doch auch Semir war wieder schnell auf den Beinen, Charlie wollte einfach nur weg. Sobald er von hier verschwand, gäbe es keine Anhaltspunkte mehr, wohin er verschwinden würde. "Hier werdet ihr niemanden finden, der weiß wo ich bin, Drecksbulle.", rief er, als er ein Stück rückwärts ging und Semir drohend auf ihn zukam. "Geben sie die Fotos, und wir werden dich laufen lassen." "Fick dich, Bulle." Charlie blieb stehen und holte zum Schlag gegen Semir aus, der allerdings war schneller, unterlief den Schlag, hakelte seinen Arm unter den Ellbogen von Charlie und konnte den Mann durch diese Technik, trotz oder gerade wegen seiner kleineren Größe aus dem Gleichgewicht bringen und ihn über die Schulter werfen. Charlie landete mit einem Rumms auf dem steinigen, felsigen und unebenen Boden, er stöhnte dabei laut auf. Sein Kopf lag nur noch einen halben Meter von den Klippen entfernt, als der Polizist sich wieder näherte, sich nach unten beugte und den Verbrecher am Kragen packte. "Rück die Fot...", sagte er noch, als er Charlies Knie im Magen spürte und durch den Ruck nach vorne gerissen wurde. Es wurde ihm erst bewusst, dass hinter dem Mann keinerlei fester Boden mehr war, als er von dem Liegenden über ihn gehebelt wurde, und als einzigen Punkt des Festhaltens den Felsvorsprung ergriff. "Oooooh", rief der Polizist, als er bemerkte dass er sich in einer verdammt kritischen Situation befand. Unter ihm waren nur spitze, tödliche Felsen und steinhartes Wasser, aus dieser Höhe. Und über ihm stand Charlie, der sich langsam mit dem Umschlag in der Hand wieder aufrappelte.

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen


    <3

  • Rallye-Teststrecke - 19:30 Uhr


    Ben musste das Licht einschalten, denn es war düster geworden. Gerade als der Benz den Waldweg erreicht hatte, öffnete der Himmel seine Schleusen vollends. Das erste Stück ging gerade aus und war weniger unangenehm für die beiden Insassen, so dass der Polizist am Steuer die PS seines Wagens sprechen ließ und dicht an das springende Rallyeauto, mit dem Trauscher flüchtete, heranfuhr. Doch sobald die Straße eine Biegung machte, stellte sich das Rallyeauto quer und konnte die Kurve müheloser bewältigten als der schwere Mercedes. Dazu federte es leichtgängiger über die Schlaglöcher, die zunahmen und sich auch noch langsam mit Wasser füllten, während Kevin sich im Auto am Türgriff festhalten musste, um nicht mit dem Kopf gegen das Dach zu stoßen.
    Die Scheibenwischer verrichteten Schwerstarbeit, der Schlamm des schnell aufgeweichten Bodens flog über die Windschutzscheibe und das Wasser spritzte aus den Pfützen gegen die Seitenscheiben. Beim Bremsen vor den Kurven merkten die beiden Polizisten dass ihr Vordermann Probleme hatte. "Was ist das?", fragte Ben, der jedesmal bemerkte, dass Trauscher früher bremste, als er könnte. "Er muss schalten... er hat nur Automatik-Autos geklaut, das Rallye-Auto musst du schalten. Er kann die Kupplung mit seinem steifen Bein nicht gut drücken." Das leuchtete dem Fahrer ein, der nun dichter auffuhr und stöhnte, als der Mercedes wieder durch ein Schlagloch krachte.


    Die Schotter, mittlerweile völlig verwässerte Schlammpiste führte am Waldrand vorbei... rechts säumten Bäume den Weg, links eine herrlich grüne Wiese, die jetzt aber unter den Sturmböhen, die das fahren zusätzlich schwierig machten, und dem prasselnden Regen sich senkte. Kevin, der normalerweise vor nichts Angst hatte, wurde mulmig. "Fahr langsamer. Das bringt nichts... hier können wir ihn eh nicht stoppen." Mit einem Klatschen senkte sich wieder eine Dreckwasserfontäne über Front- und Seitenscheibe, während Ben das Lenkrad mit aller Macht hielt.
    Als das Rallye-Auto durch eine schnelle Linkskurve fuhr, und Ben versuchte mit aller Macht nicht zurückzufallen, passierte es. Von einem Schlagloch ausgehebelt verlor der Polizist den Benz aus der Kontrolle. Sein Partner sah das Unheil kommen und duckte sich tief in seinen Sitz, schloß die Augen und spürte nur noch wie sein Körper herumgerissen wurde. Ein Krachen und Dröhnen folgte, als der Mercedes erst gegen zwei massive Büsche schleuderte, sich überschlug und dann an einem Baum hängenblieb. Glas splitterte, Metall ächzte, weißer Rauch stieg durch den Regennebel nach oben. Das Wrach schleuderte zurück auf den Feldweg, wo er zum stehenkam, und Kevin die Augen erst langsam wieder öffnete... Er spürte, wie warmes Blut seine Schläfe herunterlief, er spürte stechende Schmerzen im linken Arm und an der Stirn. Er sah um sich herum, dass seine Seitenscheibe geborsten war, die Frontscheibe gesprungen, und das ganze Auto unnatürlich verformt.


    Als er nach links sah, bekam er einen Schock. Ben war mit dem Körper unter das Amaturenbrett, dass sich verformt hatte, gerutscht, das Dach hatte sich durch den Überschlag gesenkt und sich bis zu seinem Kopf eingedrückt. Offenbar war der Polizist beim ersten Anprall nach unten gerutscht, was wohl sein Glück war, denn er war bei Bewusstsein, war zwar von Kratzern übersät, aber er war da. "Ben..., ist alles klar?", stöhnte Kevin, doch Ben antwortete erst nicht. Er versuchte sich zu bewegen, doch nichts passierte... mit weit aufgerissenen Augen blickte er zu seinem Partner rüber und sagte mit leiser, beinahe mechanischer Stimme. "Kevin... es ist so eng." Das Herz des jungen Polizisten begann schneller zu schlagen, als er merkte, dass sein Freund in Panik geriet und plötzlich schrie: "ES IST SO ENG!!" Plötzlich begann Ben sich panisch zu bewegen, mit aller Macht aus dem Auto zu schälen, doch es ging nicht. "Warte... Bleib ganz ruhig" Kevin trat mit aller Kraft, die er noch hatte, die verformte Beifahrertür auf, und stolperte ins Freie. Er musste sich orientieren, sie standen quer zum Weg und sofort wurde der Cop vom Sturzregen durchnässt. Er lief um das, vorne dampfende Wrack herum, bis er zur Fahrertür gelangte, die noch mehr verformt war, als seine eigene. Das Glas war komplett gesplittert, er konnte sehen, wie Ben panisch die Augen bewegte, selbst die Bewegungsfreiheit des Kopfes war eingeschränkt... der Kommissar war völlig unglücklich eingeklemmt, so dass es für ihn das Gefühl war, in einer Kiste gefangen zu sein.


    In Ben kamen seine Alpträume, seine Panikattacken und die Erinnerungen an den Sarg unter der Erde mit einem Mal wieder hoch. Alle Gespräche, die er mit dem Polizeipsychologen danach geführt hatte, waren plötzlich sinnlos geworden. Er war bewegungslos gefangen, über ihm Metall, über seinem Körber das vorgeschobene Amaturenbrett, Hartplastik, Elektronik, neben ihm das eingedrückte Dach zu Beifahrerseite, auf der anderen Seite die verformte Tür, an der Kevin mit aller Kraft zog. Immer noch stieg weißer Dampf aus dem zerstörten Motorblock, Benzin lief aus dem geplatzten Tank. "Hol mich hier raus!! Das ist so verdammt eng!! Kevin!!!", schrie Ben panisch und unkontrolliert, sein Kopf wollte explodieren und er hatte das Gefühl, in einer Autopresse zu sitzen, und das Auto würde ihm die Luft abdrücken, obwohl er wenige Centimeter Platz hatte. Schwer stöhnend gab der Polizist neben dem Auto auf und sah verzweifelt zu Ben hinein. "Ich krieg sie nicht auf...", sagte er in einen Donnerschlag, als das Rallye-Auto übers Feld an ihm vorbeifuhr, in entgegengesetzte Richtung, von der sie gekommen waren. Kevin fuhr herum, zog noch die Waffe, doch der dichte Regen ließ alles vor seinen Augen verschwimmen. Doch es ärgerte ihn nicht, denn die Sorge um seinen Partner, um seinen Freund war viel größer, so dass er seine Pistole schnell wieder wegsteckte und über sein, zum Glück noch intaktes Handy, sofort Feuerwehr und Rettungswagen verständigte, bevor er sich wieder zum Wrack hinwendete.


    Obwohl Kevins Herz vor Aufregung sich überschlug war sein Puls Kindergarten im Vergleich zu Ben. "Ben, beruhig dich. Du musst langsam atmen.", sagte er durchs Seitenfenster, und versuchte die Stimmlage ruhig zu halten. Regen lief ihm in alle Knopflöcher, seine sonst stachligen Haare lagen platt am Kopf und tropften ihm in die Augen. Ben hatte das Gefühl, einen Marathon zu laufen und gleichzeitig dabei erwürgt zu werden, als würde sich ein Elefant auf seine Brust setzen, und langsam schwerer werden. Der starke Regen verschlimmerte seine Erinnerungen an den Zeitpunkt, als Semir ihn kurz vor dem Ertrinken aus dem Sarg befreit hatte. Sein Atem wurde immer schneller, immer heftiger, als könne er damit der drohenden Presse, in der er sich wähnte, entfliehen. Kevins Stimme hörte er nur ganz weit weg, und auch dessen Hand an seiner Schulter spürte er nicht. "Kevin, es drückt so... es ist so eng..." schrie er aus Leibeskräften. "Tut dir etwas weh?" Nein... weh tat ihm nichts, fand Ben. Es war nur so bedrückend, so unendlich eng. "Nein... es ist aber so eng... es wird immer enger!!"
    Kevin war verzweifelt. Anscheinend hatte Ben zumindest keine schlimmen Verletzungen, aber sein psychischer Zustand wurde schlimmer. Wenn er so weitermachte, würde er gleich hyperventilieren und einen Kollaps bekommen, und der Kommissar könnte seinem Partner nicht helfen. Wieder versuchte Ben sich zu bewegen, doch immer stieß er mit Hüfte, Kopf oder den Armen irgendwo an. "Hol mich hier raus! Bitte... hol mich hier raus.", flehte er mit beinahe weinerlicher Stimme, und Kevin konnte merken, wie seine Augen feucht wurden. Aber Kevin konnte nichts tun... mit schwerem Gerät müsste man das Wrack aufschneiden, um Ben befreien zu können. Er kniete sich neben die verformte Tür, griff in den Fahrraum und suchte nach Bens Hand. Als er sie fand, umschloß er sie fest. "Ich bin da, Ben. Es kann dir nichts passieren, hörst du?" Kevins Stimme war bemüht, völlig ruhig zu sein, und er hatte auch den Eindruck, dass der Atem seines Freundes sich ein wenig beruhigte, auch wenn er immer noch hechelte, wie bei einem Dauerlauf. "Ich gehe hier nicht weg, und wenn das Auto in die Luft fliegt. Die Feuerwehr ist gleich hier, und dann holen wir dich raus, und heute abend gehen wir was trinken, okay?" Für einen Moment glaube er, ein kurzes Lächeln in Bens Gesicht zu erkennen, doch es wurde von seinem angsterfüllten Stöhnen überzeichnet. Die Hand, die Bens Hand fest umschloß, und die der Polizist auch dankbar festhielt, tat ihm gut. Anders als im Sarg wusste er, Rettung war definitiv unterwegs...


    Und viel wichtiger... anders als im Sarg, war jemand dicht bei ihm...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


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  • Mallorca - 19:35 Uhr


    Wenn ein Mensch, der niemals Kampfsport betrieben hatte in eine solche Situation geraten würde, wie André jetzt gerade, hätte er vermutlich genau in diesem Moment verloren. Raul hatte ihn auf dem Boden, kniete neben ihm und hatte gerade sein Klappmesser gezogen um den ehemaligen Polizisten vollends zu erledigen.
    Doch André war nicht irgendjemand. Neben seinem jahrelangen Karatetraining hatte er auch eine Polizeiausbildung genossen. Blitzschnell griff der Mann das Handgelenk des Angreifers, die Klinge stoppte nur wenige Centimeter vor seinem Brustbein und mit einer schnellen Bewegung verdrehte André dem Messerstecher das Handgelenk. Raul schrie auf, schmerzerfüllt, die Bänder und Knochen im Hand zum Zerbersten gespannt. "Ich hab die Schnauze voll, Mann!", presste André hervor, als das Messer mit der flachen Seite auf seinem gespannten Shirt landete und Andrés Handballen mit Wucht unters Kinn seines Gegners krachte. Raul gingen an dieser empfindlichen Stelle des Körpers sofort die Lichter aus, sein Körper wurde schlaff, die Beine knickten weg und sein durchaus schwerer Körper krachte auf die Terracota-Fliessen. André stand stöhnend auf, atmete schwer und packte den Kerl unter den Schultern. In allerhöchster Eile schaute er sich um, fand in einem Werkzeugkasten ein paar Kabelbinder und band Raul auf sichere Art im Haus fest, dazu die Beine zusammen. Wer ihn fand war dem ehemaligen Polizisten egal, jetzt musste er auf jeden Fall die Bilder zurückholen.


    Im Sprint rannte André aus dem Haus und sah auf der Erhöhung Charlie, wie er in Richtung des Meeres sah. Der Verbrecher bückte sich nach unten und schien etwas aufzuheben, als er André kommen sah und sich sofort entfernen wollte.
    André kam am Ende der Klippen an und wollte nach rechts in Richtung Charlie abbiegen, als er ein Stöhnen vernahm. Der Verbrecher blieb stehen und lachte höhnisch auf. "Na komm, André. Lauf mir hinterher und lass deinen Freund hier hängen." Der großgewachsene Mann blickte sich mit großen Augen um, als sein Gegner auflachte. "Wenn ich weg bin wirst du mich nie mehr finden. Ich mache dich fertig, André Fux." "ANDREEEEEE!", ertönte plötzlich Semirs gequälte Stimme, einige Meter in die andere Richtung. Semir krallte sich an einen Felsvorsprung fest, ein Stück unter der Absturzkante mit einer Hand, an einem Strauch mit der anderen. Doch die Kraft schwindete, die Schultern wollten auseinanderreissen, und der Polizist war heilfroh, dass sein Freund endlich da war.
    Doch André zögerte, als er einen Schritt Richtung Semir ging. "Ja, helf deinem Freund. Bis du ihn raufgezogen hast, werde ich über alle Berge sein." "Du verdammter DrecksackCharlie drehte sich um und lief zurück zum Haus, Richtung Auto.


    Auf André brachen tausende Gedanken ein. Charlie hatte recht... würde er jetzt zum Auto laufen, und er selbst würde Semir helfen, würden sie Charlie nie wieder finden. Der ehemalige Polizist hatte keinerlei Anhaltspunkte mehr auf andere Mitglieder der Gruppe, Charlie könnte sich sonst wohin absetzen und er würde sein ganzes Leben lang mit der Angst leben müssen, irgendwann von der kanarischen Polizei angeführt zu werden. Semir würde ihm zwar glauben, aber sonst niemand. Auf der anderen Seite hörte er das schmerzende Stöhnen von Semir, der sich versuchte mit aller Kraft festzuhalten, kleinere Kiesel rutschten von seinem Schuhen in den Abgrund. Es wäre sein sicherer Tod, würde er abstürzen. "André...", hörte er die Stimme erneut.
    Semir wusste ganz genau was da oben passierte... er konnte sich, ohne etwas zu sehen, bildlich vorstellen wie André kämpfte. Er konnte es ihm beinahe nicht mal verübeln, aber er wäre trotzdem heilfroh, wenn er ihm helfen würde. Aber der Polizist war zu sehr Freund und zu selbstlos nach Hilfe zu rufen, und erschrak über seinen eigenen Mut als er rief: "Schnapp dir den Kerl! Ich warte hier auf dich." Andrés Fuß wollte in den Sprint verfallen, sein Kopf befahl die Verfolgung aufzunehmen, doch sein Herz hielt ihn gefangen. Er dachte an Felicita zu Hause, er dachte daran vielleicht tatsächlich in ein, zwei Jahren noch ein Kind zu bekommen... würde er auf ewig mit dieser Angst leben, auf Fahndungslisten zu stehen, nur darauf zu warten für einen gezwungenen Mord 25 Jahre hinter Gitter zu gehen?
    Er dachte aber auch an Semir... er dachte daran, als Semir sich vor 14 Jahren über den Abgrund beugte, nicht weit entfernt von hier, seine Handschellen zog um den, am seidenden Faden hängenden André an sich zu ketten... entweder würden beide fallen, oder keiner. Ein unglaublicher Vertrauensbeweis kurz vor Andrés "Tod". Oder als Semir seinen Freund aus einem Tanklastzug zog, der nicht mehr anhalten konnte und kurz vor der Explosion stand. Sie hatten sich so oft geholfen, und nie hätte einer, den anderen hängen lassen... es gab den Ausschlag, als der leidende Mann dem fliehenden Charlie hinterher sah.


    "Jetzt hol ihn dir schon.", rief Semir erneut und spürte, dass der Busch, an dem er sich festhielt nachgab. Beinahe hatte er schon mit dem Leben abgeschlossen, der Arm wollte sich vom Körper trennen, die Hände und Finger wurden taub und er bekam Krämpfe dabei, sein eigenes Körpergewicht an der Klippe zu halten. "Scheiss drauf.", hörte er die kratzige Stimme seines Freundes, und das nächste was er sah, war das Gesicht von André, wie er sich über die Klippe beugte, mit je einer Hand Semirs Handgelenke ergriff und all seine Muskeln in Armen und Rücken anspannte. Semir spürte den Ruck durch seinen Körper, er fand mit einem Fuß einen kurzen Halt und spannte dann ebenfalls jede Faser seines Körpers an um das zweite Bein nach oben über den rettenden Vorsprung zu wuchten. Sein Freund packte dann mit einer Hand an Semirs Jeansbund, ein weiterer Ruck und die beiden Männer lagen knapp vor dem Abgrund übereinander. Beide atmeten schwer, und beiden war bewusst, dass alles verloren war. Bis sie zum Haus zurückkehrten wäre Charlie längst über alle Berge.


    Wortlos, hechelnd vor Anstrengung setzten sich die beiden Männer auf den sandigen Boden. Semir sah André dankbar an, der kurz seine zerkratzten Hände begutachtete, und dann mit seinem leidvollen Ausdruck in den Augen in die Ferne sah. "Scheisse...", murmelte sein Freund, und hegte leichte Schuldgefühle. Er wollte André aber jetzt nicht vorhalten, ihn gerettet zu haben statt Charlie zu folgen, schließlich war er froh drum gewesen. Und sein ehemaliger Partner schüttelte nur den Kopf. "Wir habens versucht, Semir. Wenigstens...", er sah seinen Freund an. "Wenigstens du weißt die Wahrheit. Ich bin kein eiskalter Mörder." Semir nickte, und die beiden Freunde erhoben sich aus dem Dreck. Der kleine Polizist sah zu seinem Nebenmann auf. "Was willst du jetzt machen?" André antwortete ein wenig schwermütig: "Die Zeit mit Felicita verbringen und genießen, so lange es geht. Irgendwann werden neue Bilder gemacht, spätestens wenn Horn rauskommt. Die Jahre hab ich noch Zeit." Es klang resignierend, André war müde, es war ein Abenteuer innerhalb weniger Stunden was an seinen und Semirs Kräften gezerrt hatte, auch wenn der Kommissar nicht aufgeben wollte. "Es muss doch noch eine Möglichkeit geben. Vielleicht..." "Semir...", wurde er unterbrochen. "Es ist vorbei. Du hast dich genug in Gefahr gebracht. Du hast gesagt, ich solle es DIR beweisen, dass es nicht so ist, wie auf den Fotos. Ich habe es dir bewiesen. Mit allem anderen muss ich zurecht kommen, nicht du. Du hast genug getan." Semir spürte und hörte ganz klar die Resignation, und den verlorenen Mut bei seinem Freund, und das kannte er nicht.


    "Aber...", wollte er gerade ansetzen, als aus der Ferne, aus der Richtung des Hauses zwei Schüsse erklangen. Die beiden Männer schauten sich kurz an, bevor sie wortlos in einen schnellen Lauf zum Haus verfielen.

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  • Waldweg - 19:45 Uhr


    Das Wasser trommelte auf das verzogene Dach des Mercedes, in dem weiter der arme Ben saß, eher lag, zitternd, mittlerweile tränenüberströmt. Er war endgültig zusammengebrochen, heulte wie ein Schloßhund vor Angst, nie wieder aus dem Auto rauszukommen. Seine Hand wurde weiter fest umklammert von seinem Kollegen und Freund, der neben dem Auto saß und unaufhörlich versuchte dem Polizisten gut zu zureden. Kevin konnte nichts tun, er war verzweifelt, denn er hasste es hilflos zu sein. Es erinnerte ihn immer wieder an seine furchtbare Nacht, als er mit ansehen musste, wie seine Schwester erstochen wurde, auch wenn die Situation hier nicht vergleichbar war. Trotzdem fühlte sich der junge Mann wie festgekettet und untätig mit an zu sehen, wie sein Partner litt, und nicht mehr weit vor dem absoluten Kollaps war.
    Wie zum Zeichen der ausweglosen Situation blitzte und donnerte es über dem Unfallort, der Mercedes lag halb auf dem Weg, halb daneben, dass Benzin, das auslief wurde vom Regenwasser weiter verflüssigt und einzelne Funken hatten sich Gott sei Dank nicht entzündet. Die einzige Gefahr bestand durch das Wetter... ein Blitzeinschlag in einen Baum, ein Feuer in der Nähe hätte verheerende Auswirkungen, und jedes Knallen des Donners ließ Kevin zusammenzucken und sorgenvoll auf die einzelnen Bäume blicken, die dicht an der Unfallstelle standen. Auch das Metall des Autos hatte Anziehungskraft, Ben würde es nicht schaden solange er drinsaß, aber sein Partner, der ausserhalb stand und ungeschützt war, würde der Blitz erschlagen. Doch der Polizist dachte nicht dran, sich auch nur einen Centimeter vom Auto weg zu bewegen.


    Erst als Kevin ein ihm bekanntes Geräusch hörte, sprach er mit ruhiger Stimme: "Ben, da kommt jemand. Bleib ganz ruhig, ich schau nach wer das ist." Ben nickte zuckend, er konnte sein Zittern nicht kontrollieren, jede Bewegung war beinahe unmöglich in diesem völlig verzogenen Fahrzeug... es war ein Wunder, dass sich keiner der beiden bei diesem Unfall schwer verletzt hatte.
    Kevin ging einige Schritte vom Wagen weg, blickte zusammengekniffenden Auges durch die Regenwand und erkannte zwei Scheinwerfer sich schnell nähern. Als er erkannte, zu wem die Scheinwerfer gehörten entglitten ihm die Gesichtszüge, seine Hand fuhr automatisch zur Waffe, als das Rallyeauto dicht neben dem Mercedes-Wrack zum Stehen kam und Walter Trauscher ausstieg. Der Polizist richtete seine Waffe auf den alten Mann, der wiederrum keinerlei Anstalten machte, sich nicht zu bewegen und humpelnd zum Kofferraum seines Wagens ging. "Keine Bewegung, Hände hinter den Kopf.", rief Kevin, und es kam ihm mehr als komisch vor, dass Trauscher zurückkam... was wollte er hier? Ben und Kevin in der hilflosen Situation kalt machen? Hatte er vermutet, die beiden waren verletzt und er hatte seine Waffe geholt?
    Doch Trauscher verwarf die Gedanken des jungen Mannes. "Kontrollier mich. Ich bin unbewaffnet!", rief er mit seiner knorrigen Stimme und blieb am Kofferraum stehen. "Kevin!!", rief die verzweifelte Stimme von Ben aus dem Auto, doch der konnte dem Killer jetzt nicht den Rücken zu wenden. Langsam, mit der Pistole im Anschlag ging er zu dem alten Mann hin, der sich widerstandslos durchsuchen ließ... er hatte tatsächlich keine Waffe. "Ich will euch helfen... ich lasse keinen Verunfallten zurück?"


    Kevin schaute verwirrt, perplex, immer noch die Waffe im Anschlag. Doch er ließ Trauscher den Kofferraum öffnen, schaute jedoch selbst erstmal hinein, ohne den Mann aus den Augen zu lassen. Drinnen lag ein Rettungsgerät, ein Scherenspreizer und ein Kompressor für den nötigen Strom. Kevin konnte keinerlei Waffe finden. "Die Feuerwehr wird gleich hier sein.", sagte er ruhig und immer noch ungläubig. Warum wollte ein vierfacher Killer ihnen helfen? "Die Feuerwehr wird den Weg nicht passieren können bei dem Wetter.", sagte Trauscher mit überzeugender Stimme, und der Polizist hatte bei dem immer weicher werdenden Untergrund ebenfalls seine Zweifel. "Warum wollen sie uns helfen?", fragte er und ließ die Waffe langsam sinken. "Ich habe nichts gegen euch. Ihr steht auf der richtigen Seite, ihr sorgt für Ordnung auf den Straßen. Die Zuschauer und Fußgänger sind die Schlechten. Sie müssen weg.", sagte der Mann mit versteinerter Miene, und verwirrte den jungen Mann immer mehr. "Sie haben nichts gegen uns? Sie haben auf unsere Kollegin geschossen.", sagte der Beamte laut mit kaltem Ausdruck in den Augen. Der Mann blickte kurz auf den vermatschten Boden, und dann wieder auf Kevin. "Das war ein Warnschuss für euch... mich meine Arbeit machen zu lassen." "Und jetzt wollen sie einen von uns retten?" Walter Trauscher schnaubte und sah an Kevin vorbei zu dem verzogenen Mercedes, aus dem Ben leise wimmerte. "Ist er verletzt?" Kevin schaute kurz zu ihm rüber: "Ich glaube nicht, aber er hat Platzangst." "Dann sollten wir aufhören zu quatschen, und ihn endlich rausholen.", sagte er mit vorwurfsvoller Stimme, doch Kevin war sich immer noch nicht sicher, was die Intention des Mannes war. "Sie haben mir immer noch nicht gesagt, warum sie uns helfen wollen." "Mich haben sie in einem Wrack neben der Piste liegen lassen, vor 20 Jahren. Ich war 45, ich hätte noch 10 Jahre fahren können. Und weil ich über eine halbe Stunde eingeklemmt war, bis ein anderer Fahrer angehalten hatte, konnte ich mein Bein nie mehr richtig belasten. Aber die Zuschauer, die haben gegafft und Fotos gemacht. Niemand hatte geholfen." rief der Mann wütend und zeigte einmal kurz auf sein Bein. "Jetzt hol das Aggregat aus dem Auto, ich kann es alleine nicht heben.", sagte er und wandte sich einfach zum Kofferraum, und hob das Arbeitsgerät heraus.


    Kevin hatte keine Wahl, Bens Zustand wurde immer schlechter... der junge Polizist hatte Angst davor, dass sein Kollege einen Kreislaufkollaps bekam durch sein schnelles Atmen, und er ihm dann aufgrund der misslichen Lage überhaupt nicht helfen konnte. Er steckte die Waffe weg, die tropfte wie eine Wasserpistole, und hob das schwere Dieselaggregat aus dem Rallyeauto. Gemeinsam brachten sie das Zeug zum Mercedes, Walter Trauscher warf fachmännisch den Generator an und schloß das Arbeitsgerät an. "Wir holen dich raus, Ben. Keine Angst, gleich kannst du dich frei bewegen.", sagte Kevin mit ruhiger Stimme zu Ben, der mittlerweile immer leiser wurde, zitternd, weinend im Auto hing und merkte, dass er müde wurde. Sein Kreislauf rutschte langsam in den Keller, und für ihn hatte es den Anschein, dass er jetzt sterben müsste, obwohl ihm eigentlich nichts passieren konnte. Auch gab er keine Antwort an Kevin, so dass der sich umso mehr beeilte.
    Walter Trauscher zeigte ihm genau, wie er das Arbeitsgerät in die Kante zwischen Tür und Kotflügel setzen musste, wie er sich gegen das Gerät stemmen musste, damit es funktionierte. Normalerweise brauchte man zwei Mann dazu, aber Trauscher selbst konnte das nötige Gegengewicht nicht aufbringen wegen seines Beins. Der schlammige Untergrund machte es für Kevin noch schwerer, doch er brachte alle Kraft auf, die er hatte. Das Blech gab langsam nach. Das Gleiche wiederholten die beiden Männer an dem Übergang Tür und A-Säule des Fahrzeugs und es dauerte nur einige Minuten bis die Tür nachgab und Kevin sie leichte öffnen konnte. Er beugte sich hinein, griff Ben unter die Arme und zog ihn langsam aus der engen Umarmung des Mercedes. Hochheben konnte er ihn nicht, und so zog er ihn von den Bäumen weg, da das Gewitter immer noch tobte, und Ben war es gerade egal dass er im Matsch lag. Der Polizist benutzte den Dieselgenerator um Bens Beine hochzulegen, damit der Kreislauf sich stabilisierte. Walter Trauscher stand daneben und murmelte leise: "Ich lasse keinen Fahrer in seinem Auto verrecken."


    Ben atmete schwer, sein Zittern beruhigte sich nur wenig, es wurde langsam besser als Trauscher eine Flasche Wasser aus dem Kofferraum des Auto nahm. Sie war noch verschlossen, der Ring am Verschluß unbeschädigt und somit keinerlei Gefahr eines heimtückischen Anschlags. Scheinbar gab es tatsächlich tiefere Gründe für die Mordanschläge des Mannes und aus irgendwelchen Gründen wollte er Ben und Kevin tatsächlich nichts tun. Der Anschlag auf Jenny war tatsächlich ein Warnschuss, ihm nicht zu nahe zu kommen. Anstalten nochmals zu fliehen machte er keine. Er blieb dicht in der Nähe der beiden Polizisten, erkundigte sich nach Ben. Der sah wieder klar, bekam alles mit und spürte, dass der Regen langsam weniger wurde. "Wie seit ihr auf mich gekommen?", fragte Trauscher irgendwann interessiert, und Kevin war immer noch sehr irritiert von der Situation. Offenbar sah der Killer keinen Sinn mehr im leugnen, vielleicht sah er seine Arbeit auch als getan. "Den Beitrag im Internet konnten wir zurück verfolgen. Und das überaus seltene Kaugummipapier." Beinahe anerkennend nickte Trauscher. "Wollten sie Jenny wirklich nur an der Kante der Schutzweste treffen?" "Würden sie es glauben, wenn ich sage 'Ja.'", fragte der Mann vielsagend. "Ich weiß nicht...", meinte Kevin.
    Ben ging es langsam besser, er dankte Kevin und dem Mann für die Befreiung und setzte sich langsam auf. Nur wenige Minuten später kamen auch zwei Polizei-Jeeps und ein schweres Fahrzeug der Feuerwehr, was aus Köln direkt gerufen werden musste, die Ortsfeuerwehr umliegend konnte mit den herkömmlichen Autos wirklich nicht bis hierhin durchdringen. Trauscher wurde festgenommen, und auf die Autobahndienststelle verbracht. Ben und Kevin setzten sich, mit Matsch an den Kleidern und Haaren in einen Polizeijeep. "Danke Kevin...", sagte Ben nochmal mit erschöpfter Stimme, als er seinen Kopf gegen die Kopfstütze legte und die Augen schloß. "Dass du bei mir geblieben bist... ich wäre gestorben, wenn du nicht da gewesen wärst." Kevin sagte nichts, er strich seinem Partner freundschaftlich mit der Hand über den Oberschenkel. "Warum hat der Killer uns geholfen?", fragte er dann, denn das Gespräch hatte er natürlich fast gar nicht mitbekommen. "Das weiß ich selbst noch nicht so wirklich...", antwortete Kevin nachdenklich, als der Jeep losfuhr.

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  • Mallorca - 19:50 Uhr


    In einem schnellen Lauf, allerdings jeden Schritt wohl überlegt, näherten sich die beiden Freunde wieder dem Haus, von dem sie eben gekommen waren. Sie hatten zwei Schüsse vernommen, gerade nachdem André seinen Freund Semir aus seiner lebensbedrohlichen Lage befreit hatte, und dafür den Verbrecher Charlie hat laufen lassen müssen. André hatte die Hoffnung nun endgültig aufgegeben an die Fotos, hinter denen sie her waren, zu gelangen, denn Charlie würde mit dem Auto flüchten und der ehemalige Polizist hatte keinerlei Anhaltspunkte mehr auf seinen Aufenthaltsort.
    Doch jetzt hatten sie Schüsse gehört und näherten sich von hinten dem Haus. Sie schlichen, leise an der Hauswand entlang, lugten um die Ecke, André vor Semir... und Ersterer blieb erstaunt stehen, als er sah, was passiert war. So erstaunt und plötzlich, dass Semir kurz gegen seinen Ex-Partner stieß und ihn erst verständnislos anblickte, bevor er noch weit mehr überraschter sah, wer auf wen geschossen hatte... und der Polizist konnte sich erst nicht zwischen Erleichterung und Befürchtung vor weiteren Schwierigkeiten entscheiden.


    Charlie lag tot auf dem Boden, aus zwei Schusswunden sickerte frisches rotes Blut. Die Fotos hatte er nicht mehr bei sich, die hatte sich der Mann gegriffen, der jetzt eine Waffe auf André und Semir richtete. Die beiden Männer hoben mehr aus Eigenschutz die Hände, Semir sah André misstrauisch an der selbst offenbar nicht ganz begriff, aus welchen Motiven genau der Mann handelte, der sie jetzt scheinbar bedrohte... der Mann, den sie vor wenigen Stunden in Son Banya in der Hütte getroffen hatten... Frank. "Was soll das, Frank?", fragte André mit einem leicht drohenden Unterton. Die Nervosität hatte der, recht klein geratene Mann noch nicht komplett abgelegt, aber er wirkte souveräner als noch vor einigen Stunden. "Ich wollte dir nichts schuldig bleiben.", sagte er in einer eigenartigen Stimmlage, lächelnd... überlegen kalt oder doch ehrlich? Diese Frage stellte sich Semir und sah, wie André die Hände runternahm, offensichtlich konnte er das Lächeln des ihm bekannten Mannes richtig deuten. Frank kam auf die beiden Männer zu und ließ den Revolver, den sie ihm eben in der Hütte nicht mitgenommen, langsam sinken und mit der Mündung nach unten zeigen. In der anderen Hand hielt er den Umschlag, und Semir konnte im ersten Moment nicht glauben, was er tat. "Dafür, dass du mir damals den Hals gerettet hast. Ich bin euch die ganze Zeit gefolgt." André war, wie sein Freund, sprachlos. Er nahm den Umschlag entgegen und eine unglaubliche Erleichterung befiel ihn. Vor wenigen Minuten hatte er alles verloren, hatte sich bereits in einem unsicheren Leben gesehen, in dem er jeden Moment damit rechnen musste, von der internationalen oder der spanischen Polizei verhaftet zu werden, und jetzt hatte er den letzten Beweis für seine Tat in der Hand.


    Ohne Misstrauen gegenüber Frank zog er die Fotos aus dem Umschlag. Es waren nur wenige, vielleicht vier verschiedene Aufnahmen. Auf allen vier war deutlich zu sehen, dass ein dunkelhaariger Mann André eine Waffe fest in den Nacken drückte, und ihn damit zwang selbst abzudrücken. Semir warf ebenfalls einen Blick drauf und nickte. "Der Mann war auf den manipulierten Fotos nicht da.", bestätigte er. Trotzdem war ihm unbehaglich... sie mussten Frank laufen lassen... aber das hätten sie nach Son Banya ja ebenfalls getan. André blickte auf Charlie, der wohl keine Skrupel gehabt hätte, beide Freunde umzubringen, wenn er gekonnt hätte. "Wie kamst du darauf uns zu folgen? Du hast so ausgesehen, keinen Schritt aus Son Banya rauszusetzen.", fragte André mit seiner kratzigen Stimme, dabei hielt er den Umschlag mit den Fotos fest umklammert. Die Sonne, die bereits sehr tief stand schien ihm dabei in die Augen. "Es ist mir auch nicht leicht gefallen.", gab Frank zu. "Aber ich wusste auch, dass Charlie das mit den Fotos verbockt hatte. Und bis Ralf aus dem Knast kommt, wird Gras über diese Sache gewachsen sein. Man wird hier Raoul bei ihm finden und jeder wird denken, dass die beiden überfallen worden sind." Dann blickte er zu Semir im Wissen, dass der kleine Mann Polizist war: "Es sei denn, dein Freund will versuchen mich festzunehmen." Der Kommissar blickte ein wenig missbilligend, mit einem typischen Gesichtsausdruck, ebenfalls gegen die Sonne... ein Auge ein wenig geschlossen, den Mund leicht geöffnet. Seine Polizistenehre verlangte es eigentlich tatsächlich, einen Mörder, einen Verbrecher nicht einfach laufen zu lassen. Aber es ging hier einzig um Andrés Fotos... und die hatten sie. Ausserdem hatten sie keinerlei Waffen und auf Mallorca keinerlei Handhabung. Deswegen schüttelte er nur leicht den Kopf: "Wie André sagte: Ich bin hier kein Polizist, sondern ein Freund von ihm." Dieser Freund nickte Semir nun dankbar zu.


    Auch in André meldete sich das gleiche mulmige Gefühl zu Wort... doch auch er verdrängte es. Er wusste, was Frank auf dem Kerbholz hatte, und jetzt hatte er ihm geholfen... auch wenn das "wie?" Zweifel aufwarf, die doch den Erhalt der Bilder wieder geschmälert wurde. Je schneller sie diesen Ohr verließen, desto weniger würden sie vielleicht drüber nachdenken. "Wir sind quitt, Frank.", sagte er dann, mit etwas verkniffenen Ausdruck. Ein "Danke" brachte der große Mann nicht über die Lippen, doch das nahm Frank ihm ab: "Du brauchst dich nicht zu bedanken. Ich habe es damals auch nicht getan. Am besten, du lässt dich längere Zeit hier nicht mehr blicken. Dort wo du jetzt bist wird keiner von uns auftauchen." "Hoffentlich...", sagte André noch kurz und fasste Semir an der Schulter, um ihn zum gehen zu bewegen.
    Die beiden Männer stiegen in ihr Mietauto und starteten den Motor. Sie pusteten beide tief durch, beide hatten ihre Spuren dieses Abenteuers, an den Händen, im Gesicht von den Kämpfen, in den Muskeln. "Wir schaffen den letzten Flug nach Gran Canaria noch.", meinte André, sie hatten sich über die Flugzeiten bei der Ankunft am Mittag erkundigt. Semir nickte seinem Freund zu, meinte aber dann noch. "Aber vorher haben wir noch was zu erledigen?" Dabei wurde er von seinem Nebenmann etwas verwirrend angeschaut, doch der wiegelte ab: "Fahr uns zu einem einsamen Stand, aber halt vorher noch an einer Tankstelle an..."


    André tat wie ihm befohlen. An einer kleinen Tankstelle an der Mallorcinischen Landstraße kaufte Semir Streichhölzer und die kleinste Flasche Brennspiritus, die ihm Regal stand. "Was wird denn das, wenn es fertig ist?", fragte André mit ratlosem Gesichtsausdruck, auch wenn ihm etwas dämmerte. Dann lenkte er das Mietauto zu einem nicht unbedingt schönen, aber garantiert einsamen und menschenleeren Strand. Mittlerweile war es recht dunkel über der Insel, die Sterne erschienen und dieser aufregende Tag neigte sich dem Ende zu. In ihren Schuhen stapften die beiden Freunde ein Stück durch den Sand, bis Semir stehenblieb. "André, ich bin Polizist. Das weißt du. Vor Gericht würdest du anhand der Fotos freigesprochen werden, weil du gezwungen wurdest." Der große Mann schaute ein wenig fassungslos zu seinem Freund. Wollte er ihn nun vor Gericht sehen? Das Risiko einer Verurteilung eingehen? "Und was, wenn er mir nicht glaubt? Was ist, wenn ich dafür doch hinter Gitter gehe? Was ist mit Felicita, soll ich ihr erzählen, was ich getan habe?" Andrés Stimme war aufgebracht, aufgewühlt, beinahe wütend. Doch er merkte, wie schwer Semir es fiel zwischen Freundschaft und Diensterfüllung zu entscheiden... er wusste, dass sein Freund Polizist mit Leib und Seele war, und sah André ein wenig hilflos an. Der Schritt, den er eigentlich tun wollte, fiel ihm plötzlich doch unglaublich schwer, obwohl er vorher gesagt hatte, dass es ihm nur wichtig ist, dass er die Wahrheit wüsste. "Semir... warum hätte ich sollen mein Leben geben für einen Vergewaltiger? Für einen Verbrecher? Es wäre etwas anderes, wenn der Typ irgendein Unschuldiger gewesen wäre." Dem Polizisten wurde mulmig. André hatte recht, aber trotzdem hatte er selbst zwischen Leben und Tod entschieden. Tod für den anderen, Leben für sich. Er seufzte.


    Dann zog der Polizist die manipulierten Fotos aus der Tasche und warf sie in den Sand. Er hatte sich entschieden. André sah ihn an, und tat es ihm gleich... die Fotos, die unmanipulierten fielen dazu. "Es wird für immer unser Geheimnis bleiben was mit den Fotos geschehen ist?" Es war mehr eine Aussage, als eine Frage und André nickte. Zwei Männer an einem dunklen einsamen Strand. 3 Jahre hatten sie zusammengearbeitet, waren Freunde, dann glaubte Semir 14 Jahre, André sei tot. Danach dieses Wiedersehen, das erste Abenteuer, der Schock, als er die Fotos seines Freundes sah. Die Aufarbeitung der Wahrheit, und nun Semirs Entscheidung, André, der quasi selbst den Henker spielte, nun eigenhändig freizusprechen. Freizusprechen von seinem Verbrechen... seinem Freund das sorgenfreie Leben zu ermöglichen. "Unser Geheimnis?", fragte er nochmal und hielt seinem Freund die Hand über den Fotos hin. "Unser Geheimnis.", wiederholte André wie in einem Ritual, und die beiden Männer schlugen einander ein und hielten sich beide für einen Moment instinktiv ganz stark aneinander fest, und beide spürten diese besondere, innige Freundschaft, die etwas vollkommen anderes war, als die ganz enge Freundschaft zwischen Ben und Semir. Der Polizist würde es seiner Frau oder anderen wohl nie wirklich erklären können, was dieses besondere Gefühl zu André ausmachte, aber er spürte es in diesem Moment, so wie André es wiederum spürte, dass eine Freundschaft auch über die 14 Jahre nie vergangen war. Zum ersten Mal hatte er dies erfahren, als er vor seinem eigenen Grab stand.
    Nachdem sie sich losließen, ließ Semir den Brennspiritus über die Bilder laufen, sah André dann an, als das brennende Streichholz auf das Fotopapier fiel, und der Bereich um die beiden Männer vom Feuer erleuchtet wurde. Es dauerte nicht lange, und von den Bildern war, bis auf feinste Asche nichts mehr übrig...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen


    <3

  • Dienststelle - 20:30 Uhr


    Der Regen hatte unterwegs zur Dienststelle immer mehr nachgelassen, auch die vereinzeilten Sturmböen ließen nach. Entlang der Autobahn hatte das Unwetter einiges angerichtet, die beiden Polizisten fuhren an zwei Unfällen vorbei, die von Kollegen bereits aufgenommen wurden und einige kleinere Äste lagen auf der, mit Aquaplaning überzogenen Autobahn. Ben sah aus dem Wagen in die Landschaft und war seltsam still. Er fühlte sich, als hätte er mehrere Stunden, sogar Tage in diesem Auto festgeklemmt, und nicht nur 20 Minuten. Diese 20 Minuten kamen ihm elendig lang vor, genauso lang wie die Stunden im Sarg unter der Erde. Die Erinnerung an das tropfende Wasser, das damals seinen Sarg langsam füllte, als es unaufhörlich auf das Autowrack prasselte, verstärkte seine Angstzustände noch mehr. Auch jetzt, auf dem Rücksitz des geräumigen Jeeps empfand er kurz Unbehagen, doch die Landschaft zog an ihm vorbei, die frische abgekühlte Luft zog vom offenen Fenster auf sein Gesicht und durch die Haare, und Kevin, der eisern neben ihm am Auto festgehalten hatte, saß auch jetzt im Auto bei ihm. Erst später würde Ben bewusst werden, dass Kevins Bleiben nicht ungefährlich war wenn er hörte, dass in dem betreffenden Wald mehrere Blitze während des Gewitters eingeschlagen waren, und sein Partner in keinster Weise geschützt war. Im Gegenteil, das Blech des Autos war sogar noch prädestiniert für einen Blitzschlag, und während der Polizist im Inneren im Farradyschen Käfig gesessen hätte, hatte sich Kevin daran aussen festgehalten.


    Dem wiederrum war die Gefahr in diesem Moment nicht bewusst. Ihm war gar nichts bewusst, vergessen war für eine halbe Stunde der Streit, die verletztenden Worte von Ben in dieser Ausnahmesituation im Krankenhaus. Sie würden sich vermutlich nochmal aussprechen, vielleicht war dies auch nicht mehr nötig. Manchmal braucht man eine solche Notsituation, um Scherben schneller zu kitten, als durch eine Aussprache. Es würde zwar den Graben, der dadurch zwischen den beiden Männern entstanden ist nicht sofort auffüllen, und Kevin würde seinem Kollegen wieder etwas distanzierter begegnen als vorher, so wie er es sonst mit anderen Menschen immer hielt... aber zumindest war die gespannte Stimmung zwischen den beiden nicht mehr spürbar.
    Auch nicht, als sie an der Dienststelle hielten. "Soll ich dich nach Hause fahren?" Ben schüttelte den Kopf. "Nein. Ich wäre gerne beim Verhör dabei... ich trink nen starken Kaffee und dann geh ich wieder aufrecht." Beide gingen nass bis auf die Knochen in die Dienststelle, beide hatten natürlich vom Unfall mehrere Kratzer im Gesicht. Kevin stand die ganze Zeit im Wolkenbruch, Ben lag mehrere Minuten im Regen, als er sich erholte bis der Krankenwagen kam. Die beiden Männer gingen zuerst einmal in die Umkleidekabine zum Duschen und zogen sich Ersatzkleider an, während draussen der Himmel langsam wieder aufriss und den dunkelblauen Sommernachtshimmel erscheinen ließ. Es war ein heftiges Unwetter, und die Polizei wie Feuerwehr würden an diesem Abend noch alle Hände voll zu tun haben.


    Als die beiden Männer frisch geduscht wieder in ihr Büro kamen in trockenen Kleidern, Ben seine längeren Wuschelhaare noch halb feucht während Kevin sein Haar mit Haargel wieder zu einer Explosion geformt hatte, kam Herzberger ins Büro. Er war froh, den Sekretärinnendienst heute abend zu machen, wo es nach dem Unwetter soviel draussen zu tun gab. "Wir haben den Bruder von Herr Trauscher angerufen. Er ist der einzig lebende Verwandte. Er ist in einer Viertelstunde hier." "Danke Hotte.", meinte Ben, der sich frisch geduscht nochmal eine Stufe wohler wieder fand. Der dampfende Kaffee, den er trotz der Hitze trug, tat sein Übriges.
    Zusammen gingen Ben und Kevin in den Verhörraum, in dem Walter Trauscher, bewacht von zwei Kollegen, saß. Die Hände hatte man ihm auf den Rücken mit Handschellen geschnallt... eine Vorsichtsmaßnahme bei Schwerverbrechern, doch das erste was Ben die beiden Beamten anwies, als sie hereinkamen war, die Handschellen zu lösen. Trauscher setzte sich nun nach vorne, legte die Hände übereinander auf den Tisch, während Kevin und sein Partner sich gegenüber saßen, und zweiterer die Akte aufschlug. "Sie wissen, warum wir sie versucht haben zu verfolgen?", fragte Ben eingangs, und viel Überredungskunst war bei Trauscher gar nicht von Nöten. Er hatte bereits in der Werkstatt gewusst, dass er entlarvt wurde, und er nickte. "Ja. Es geht um die Morde auf den beiden Raststätten, ein versuchter Mord und eine schwere Körperverletzung ihrer Kollegin.", sagte er beinahe pflichtbewusst. Die beiden Polizisten sahen sich kurz an. "Sie geben diese Taten also vollumfänglich zu?", versicherte sich Ben, während Kevin ihm heute das Protokollschreiben abnahm. "Ja.", versicherte der Mörder.


    Kevin blickte von seinem Stück Papier kurz auf: "Sie wissen, dass sie das Recht auf einen Anwalt haben?" "Junger Mann, ich brauche keinen Anwalt. Ich habe diese vier Morde begangen, es tut mir nicht leid und ich spüre keine Reue." Wieder unsichere Blicke zwischen den beiden Polizisten, denen der Auftritt des Mannes ein wenig Unbehagen auslöste. "Sie haben vorhin gesagt, die Fußgänger sind die Schlechten. Die müssen weg.", begann der junge Polizist mit der Stachelfrisur ruhig, während Trauscher nickte. "Was haben sie damit gemeint. Was hat das mit den Anschlägen zu tun." "Die Fußgänger sind die größte Gefahr für Autofahrer, denn sie reagieren unberechenbar. Nicht die LKW-Fahrer, nicht die Drängler, sondern Fußgänger, Schaulustige." Eine genaue Antwort gab der Mann, der stocksteif und ruhig am Tisch saß, nicht. "Wissen sie eigentlich wieviele Unfälle auf deutschen Straßen passieren, weil Fußgänger auf die Straße laufen? Und wie oft der Autofahrer verurteilt wird, obwohl er keinerlei Regeln verletzt hat." "Glauben sie mir, Herr Trauscher... wenn das jemand bei der Polizei weiß, dann sind wir das.", meinte Ben ein wenig ironisch, doch Kevins Gesichtsausdruck blieb ernst. Das war kein Irrer, der irgendwelche Verschwörungstheorien verfolgte. Er war ein Geschädigter, ein Opfer. Ben hatte von den Sätzen, die im Regen fielen nichts mitbekommen. "Sie haben erzählt von einem Unfall... dass sie eingeklemmt waren. Was ist damals geschehen?" Für einen kurzen Blick fiel der feste Blick des Mannes auf die Tischkante, und die beiden Männer warteten gespannt auf eine Antwort, die der Mann jedoch schuldig blieb. Seine Augen wirkten müde. "Ich hab ihnen deswegen geholfen.", sagte er dann, als die Augen sich wieder in denen der Polizisten verbeißten. "Ich habe sie nicht einfach zurückgelassen." "Das haben sie schon mal gesagt. Aber sagen sie mir doch, wer sie damals zurückgelassen hat..." Kevins Frage wurde von Hotte unterbrochen, der den Kopf ins Verhörzimmer streckte. "Kevin, Ben? Der Bruder wäre da..." "Wir kommen sofort.", gab Ben zurück und erhoffte sich von Trauschers Bruder mehr Informationen. Den beiden Beamten nickte er kurz zu, sie sollen wieder auf ihn aufpassen, solange sie weg waren.


    Walter Trauschers Bruder hieß Gregor, er war 7 Jahre jünger, seinem Bruder aber wie aus dem Gesicht geschnitten. Das Haar war noch etwas voller, etwas dunkler, aber die Gesichtszüge unverkennbar. Etwas sorgenvoll blickte er die beiden Polizisten an, die jetzt in ihr Büro kamen, wo der Mann wartete. Hände wurden geschüttelt. "Der Beamte sagte mir, es ginge um meinen Bruder." Kevin bat den Mann, sich zu setzen während Ben eine Tasse Kaffee für Trauschers Bruder einschenkte. Dann begann der Polizist zu reden. "Herr Trauscher... es tut mir leid das so zu sagen, aber ihr Bruder hat nach unseren Ermittlungen mehrere Anschläge auf Fußgänger verübt, bei denen 4 Menschen ums Leben kamen und zwei schwer verletzt wurden." Gregor wich die Farbe aus dem Gesicht, er klammerte sich mit zitternden Fingern an seine Tasse fest. "W...was?"
    In Kurzform erzählte Kevin, was sein Bruder getan hatte, was sie bisher rausgefunden hatten, und was er erzählt, bzw nicht erzählt hatte. In Gregors Kopf schien sich ein Puzzle zusammen zu setzen, in dem für ihn alles logisch erschien. Dann begann er endlich zu erzählen. "Mein Bruder war begeisterter Rallye-Fahrer. Er fuhr sogar bei Weltmeisterschaften mit, er war richtig gut. Das war sein Leben." Ben und Kevin hörten aufmerksam zu, Letzterer machte sich erneut Notizen. "Vor 20 Jahren dann... ist es passiert. Drei unvorsichtige Zuschauer hatten die Piste überquert. Er ist ausgewichen und verunfallt. Man hatte seinen Wagen, in dem er eingeklemmt war erst gefunden als man merkte, dass seine Zeit fehlte." "Wie kann sowas passieren?", fragte Kevin, der sich im Rallyesport nicht besonders auskannte. "Der Wagen hing zwischen den Bäumen. Er ist der festen Überzeugung, dass ihm niemand helfen wollte. Beim Rallyefahren ist es nicht wie in der Formel 1, dass den Richtern nach einer Runde auffällt, dass jemand fehlt. Man fährt eine Strecke von A nach B und merkt erst am Ende des Tages, wer ist da und wer ist nicht da." Ben atmete tief durch, und auch seinem Partner wurde klar, dass Trauscher hier ein Opfer wurde, was vermutlich psychisch einiges kaputt gemacht hat.


    Gregor fuhr fort: "Jedenfalls hat der Unfall seine Karriere beendet. Das Bein war total zertrümmert und hatte sich bei seinen eigenen Rettungsaktionen, weil niemand gekommen ist, weiter verschoben. So war nichts mehr zu machen, um ihm den Sport zu erhalten. Er hat danach die Rallye-Werkstatt, den Verein und die Teststrecke gegründet." "Also könnte der Unfall ein Motiv sein. Hass auf Zuschauer aller Art, die die Straße gefährden.", dachte Ben laut nach während sein Partner hinzufügte: "Das würde erklären, warum es keinerlei Bezug zu, oder unter den Opfern selbst gibt." "Aber wieso jetzt? Das ist vor 20 Jahren passiert, warum dreht ihr Bruder ausgerechnet jetzt durch." Gregor Trauscher blickte auf den Schreibtisch, seine Augen waren leicht feucht. Für ihn war diese Angelegenheit alles andere als angenehm, und das spürten die beiden Beamten auch. "Vor anderthalb Monaten... sein... es hört sich so unglaublich an, aufgrund seiner Vorgeschichte." Die Stimme stockte dem Mann, er saß anders als sein Bruder gebeugt auf dem Stuhl, die Arme nebeneinander auf den Beinen, die Hände gefaltet. "Vor anderthalb Monaten kam meine Schwägerin und mein Neffe... also seine Frau und sein Sohn... bei einem Verkehrsunfall ums Leben."
    Eine unheilvolle Stille kehrte ins Büro. Kevin, der am Fensterbrett hinter Ben stand, rieb sich kurz durch die Augen, während sein Freund sich nach hinten lehnte "Davon hab ich gehört... und ich will dir gar nicht sagen, warum es zu dem Unfall kam..." Er hatte eine Gänsehaut, aber Trauscher hörte es. "Fußgänger. Ein defektes Fahrzeug auf dem Seitenstreifen, und zwei junge Kerle scherten sich nicht um den Verkehr. Einer lief ums Auto, und trat auf die Autobahn. Meine Schwägerin wich aus..." Für einen Moment war wieder nur die Uhr zu hören. "Das war der Auslöser.", sagte Kevin mit seiner monoton wirkenden Stimme und atmete, wie sein Partner, hörbar aus...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen


    <3

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