Wellness ganz anders

  • Langsam und vorsichtig tastete er sich zwei Schritte vor, als es ihm plötzlich kalt über den Rücken lief-soeben hatte Andrea laut aufgeschrien! Er betrat den Höhleneingang, nicht wissend, was ihn dort erwartete. Keine zwei Meter weiter drehte sich plötzlich ein uniformierter Polizist um und starrte ihn völlig verwundert an. Sein Kollege-ebenfalls uniformiert und ziemlich dick drehte sich einen kurzen Moment darauf auch um, legte dann den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete Semir, mit ihm um die Ecke nach draußen zu kommen. „Was geht hier vor?“ verlangte Semir im Flüsterton zu wissen. Wenige Meter vor ihm war der Stollen durch eine Metallbarriere abgeschottet, wie er im Licht einer Taschenlampe gesehen hatte, aber er hatte die Stimme seiner Frau dahinter genau erkannt. „Ich weiß nicht, wer sie sind, aber mein Name ist Josef Hintersteiner, Mitglied der Grenzpolizei Ostbayern!“ rückte sein Gegenüber raus. „Und ich bin Semir Gerkan, Angehöriger der Autobahnpolizei Köln und Umgebung-und die Frau, die da eben geschrien hat, ist meine Frau!“ teilte ihm Semir aufgeregt mit und die Zornesader an seiner Schläfe schwoll gefährlich an. „Keine Ahnung, wie sie hierhergefunden haben, aber hier ist der Zugang zu einem Höhlensystem, das sich wahrscheinlich nach Tschechien durchzieht. Ihre Frau ist mit einem korrupten Kollegen mitgegangen und jetzt hat der das Bergwerk mit einer Falltür abgeschottet. Er hat ihre Frau als Geisel und will sie dazu benutzen, sich freies Geleit für seine Flucht zu versichern. Ich verstehe zwar nicht, warum er nicht einfach mit ihr Richtung Tschechien abhaut, aber so ist der Stand der Dinge!“ teilte ihm Hintersteiner mit, während in diesem Augenblick Andrea wieder laut aufschrie. Semir gefror fast das Blut in den Adern, aber im selben Moment wurde ihm auch klar, dass er Andrea nur helfen konnte, wenn er ruhig und besonnen blieb. Klar kannte er keinen der Kollegen, aber irgendjemandem musste er jetzt vertrauen und deshalb flüsterte er: „ Das kann ich ihnen schon sagen, warum niemand nach Tschechien fliehen kann-das Bergwerk ist nämlich teilweise eingestürzt. Ich war bis vor kurzem auf der drüberen Seite-dort gibt es zwar durch die Stollen einen Weg nach draußen, vermutlich sogar mehrere, aber der Weg Richtung Deutschland ist nicht mehr passierbar!“ erzählte er dem dicken bayerischen Kollegen und der nickte verständnisvoll.


    In diesem Augenblick hörte man hinter der Metallbarriere wieder eine Stimme mit norddeutschem Zungenschlag. „Was sagst du jetzt, Hintersteiner-finden wir einen Weg uns zu einigen, oder willst du Schuld am Tod einer unschuldigen Polizistenfrau haben!“ und nun trat der dicke Polizist wieder Richtung Falltüre und fragte: „Was verlangst du, Jantzer?“„Ich möchte freies Geleit für mich und meine Geisel. Wenn ihr auch nur einen falschen Schritt macht, werde ich die liebe Frau Gerkan erschießen und das könnt ihr euch dann auf eure Kappe nehmen!“ verhandelte Jantzer und der junge Polizist blickte verzweifelt zurück. „Wir müssen ihn gehen lassen!“ sagte er verstört-in solchen Situationen hatte er in der Polizeischule gelernt, kam immer ein extra geschultes Einsatzkommando, aber nun war da nur ein eine einzelne Person erschienen. „Jantzer, ich habs dir schon gesagt, ein Sondereinsatzkommando aus München ist unterwegs, du kommst hier nicht mehr weg!“ erwiderte Hintersteiner. „Bis das da ist, dauert das mindestens noch ein bis zwei Stunden. Lass mich gehen und du wirst nie wieder was von mir hören!“ sagte Jantzer, aber Hintersteiner antwortete mit fester Stimme: „Nein Jantzer, wir warten, bis die Verstärkung da ist!“ und dann schrie Andrea wieder auf.
    Semir hechtete verzweifelt zu der Metalltür, aber die schloss glatt mit der Höhlenwand ab. Auch war von ihrer Richtung aus kein Mechanismus zu erkennen, wie man das Tor öffnen konnte-das funktionierte wohl nur von der drüberen Seite! „Lasst ihn gehen und zusammen überwältigen wir ihn und befreien meine Frau!“ schlug Semir im Flüsterton vor. „Vergessen sie´s, der ist gewalttätig und steht mit dem Rücken zur Wand. Der wird ihre Frau als Geisel benutzen, bis er hier um die Ecke ist, aber spätestens dann gibt er ihr einen Stoß, dass sie in den Felsen zerschellt, oder erschießt sie. Dieser Mann ist völlig skrupellos, der belastet sich nicht mit einer Geisel!“ erklärte ihm der dicke bayerische Polizist und nun hätte Semir am liebsten frustriert aufgeschrien. Dann allerdings besann er sich. Er hatte findige Kollegen in der Hinterhand, die würde er jetzt um Hilfe bitten. „Ich möchte gerne meine Kölner Kollegen um Rat fragen, allerdings ist mein Handy fast leer!“ erklärte Semir leise. „Mein Smartphone liegt, wie vorgeschrieben, im Spind in der Dienststelle “ teilte der jüngere Kollege mit. „Dann nehmen sie meines!“ sagte Hintersteiner gönnerhaft und überreichte Semir ein uraltes Nokiahandy.


    Semir ging vor die Höhle, schwang sich wieder um die Ecke, damit man im Inneren des Berges keinen Ton von ihm vernehmen konnte und dann wählte er auf dem Uralthandy die Nummer der PASt. „Polizeidienststelle Autobahn Köln, König am Apparat!“ meldete sich Susanne in geschäftigem Ton. „Susanne ich bin´s, Semir, ihr müsst mir helfen!“ rief Semir fast verzweifelt in das Handy. „Semir was ist los, wie geht’s Andrea?“ sprudelte Susanne ins Telefon und nun erzählte er seinen Kollegen im fernen Köln, was er gerade erfahren hatte. Nun meldete sich Hartmut aus dem Hintergrund, der extra noch in der Dienststelle geblieben war, um zu hören, was mit seinen Kollegen war. Er war noch während des Gesprächs, das Susanne auf Lautsprecher gestellt hatte, an den PC gegangen und hatte in Windeseile etwas eingetippt. „Semir, ich habe gerade den Plan des stillgelegten Bergwerks aufgerufen. Na ja, vielleicht nicht völlig legal, aber das ist jetzt egal. Vielleicht gibt es einen Weg für dich, wie du da unbemerkt reinkommen kannst!“ rief er ins Telefon und nun lauschte Semir seinen Anweisungen.

  • Im Krankenhaus war Sarah inzwischen hereingeholt worden. Gefühlte Stunden war sie im Wartebereich gesessen und hatte die Tür hypnotisiert. Warum durfte sie nicht rein zu Ben? Sie war doch schließlich auch vom Fach und würde mit Sicherheit niemanden stören! Als sich die Schiebetür endlich öffnete und die Schwester, die sie vorher rausgeworfen hatte, sie hereinbat, sprang Sarah wie von der Tarantel gestochen auf. „Was ist mit ihm, was ist beim CCT herausgekommen?“ fragte sie hektisch, aber die Schwester schüttelte den Kopf. „Unser Stationsarzt wird nachher zu ihnen kommen und ihnen etwas zum Gesundheitszustand sagen, ich darf ihnen keine Auskunft geben!“ erklärte sie und damit ging sie voran zu Ben.


    Sarah stürzte sich regelrecht auf ihn und strich ihm zärtlich durchs Haar. „Schatz, wie geht´s dir denn?“ sprach sie ihn an und die Schwester verließ kopfschüttelnd das Zimmer. Als Intensivfachkraft musste ihre Kollegin doch wissen, dass er tief sediert war und das gar nicht mitbekam. Sarah ließ ihre Blicke über den Monitor und die Therapie gleiten. Aha, Ben hatte einen dreilumigen zentralen Venenkatheter bekommen, die Arterie maß kontinuierlich seinen immer noch viel zu hohen Blutdruck, sein Herz jagte nach wie vor mit 170 Schlägen pro Minute vor sich hin und nun begann er auch noch Fieber zu kriegen, wie man am Temperatursensor ablesen konnte. Er war mit 50% Sauerstoff beatmet und die Beatmungsdrücke waren recht hoch-anscheinend war die Pneumonie gerade voll am Aufflammen, was nach dem Dreck, den der Notarzt schon aus der Lunge gesaugt hatte, nicht verwunderlich war. Er bekam übliche Sedierungsmittel-eine Kombination aus Propofol und Sufenta, ein blutdrucksenkendes Medikament-Urapidil-lief über den Perfusor, nur anscheinend relativ erfolglos und er hatte zügig mehrere Infusionen laufen-auf den ersten Blick war er also durchaus gut versorgt, stellte sie aufatmend fest-nur der Puls und der Blutdruck gaben Anlass zur Besorgnis.


    Wenig später kam der Arzt zu ihr. „Sie sind die Ehefrau?“ wollte er wissen, stellte sich vor und gab ihr die Hand. Sarah schüttelte den Kopf. „Wir sind nicht verheiratet, aber er ist mein Lebensgefährte!“ sagte sie und nun stutzte der Arzt. „Leider darf ich ihnen dann gar keine Auskunft geben!“ sagte er und nun starrte ihn Sarah fassungslos an. Das durfte wohl nicht wahr sein! Hier lag der Vater ihres ungeborenen Kindes, sie teilten alles miteinander und Ben hätte mit Sicherheit gewollt, dass man ihr alles mitteilte, was seinen Gesundheitszustand betraf. Klar war das rechtlich eine Grauzone, aber wie konnte der Arzt nur so herzlos sein! „Was ist nun los-hat man am CCT was gesehen und was sagt das Drogenscreening?“ schrie sie fast verzweifelt, aber der Arzt zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid, aber ich kriege von der Klinikleitung eine auf den Deckel, wenn ich ihnen widerrechtlich Auskunft erteile. Sie können ja morgen versuchen mit dem Vormundschaftsgericht Kontakt aufzunehmen-wenn die das rechtlich klar machen, gerne, aber im Moment bin ich nicht befugt, sie über irgendetwas zu informieren. Streng genommen hätten wir sie gar nicht hereinlassen dürfen-das besagen die Klinikregeln. Bleiben sie doch noch einen Moment und dann müssen sie sowieso gehen, wir haben im Augenblick auch gar keine Besuchszeit!“ sagte er und drehte sich auf dem Absatz herum und verließ das Zimmer.
    Sarah hätte am liebsten vor Verzweiflung geheult. Das war doch klar, dass am späten Abend keine Besuchszeit mehr war, aber bei ihnen in Köln hätte man in so einem Fall immer eine Ausnahme gemacht und bei kritischen Patienten sah man das auch nicht so eng mit den Besuchszeiten. Leider lag auch keine Akte an Ben´s Bett, in die sie selber hätte hineinlesen können und so hielt sie seine Hand und die heißen Tränen liefen ihr übers Gesicht, bis er plötzlich wieder zu krampfen begann. Die Schwestern eilten herein und bis sie sich versah, saß sie wieder ausgesperrt und tränenüberströmt im Wartebereich vor der Intensiv und fühlte sich verlassen, wie selten zuvor in ihrem Leben.


    Semir lauschte derweil gespannt Hartmut´s Schilderung am anderen Ende des Telefons. „Wenn du möchtest, Semir, schicke ich dir schnell den Plan aufs Handy!“ sagte er, aber als Semir sein Smartphone anschaltete, hatte der Akku nun völlig den Geist aufgegeben. „Tut mir leid, Hartmut, aber ich habe nur ein nicht internetfähiges Uralthandy, bei meinem ist der Saft raus!“ sagte er bedauernd und nach einem kurzen Augenblick sagte Hartmut: „Gut, dann muss es eben so gehen!“ und begann zu erklären. „Ihr seid ja hier auf deutscher Seite ziemlich weit oben im Bergmassiv und wie ich auf dem Plan, der allerdings schon ein paar Jährchen alt ist, sehen kann, werden die Stollen über mehrere Belüftungskanäle mit Frischluft versorgt. An einem dieser Kanäle stand etwas auf Tschechisch, was meine Übersetzungssoftware mit „Notausstieg“ übersetzt hat. Das heißt, falls dieses Loch nicht ebenfalls verschüttet ist, müsste es weit genug sein, damit du durchkriechen kannst. Erzähl mir-wo ist deiner Erinnerung nach in etwa von tschechischer Seite aus der Einsturz?“ und Semir versuchte das nun so genau wie möglich zu beschreiben. „Gut, wenn Andrea und dieser Jantzer-den sich übrigens Susanne gerade genau am PC ansieht-jetzt direkt vor dem Metalltor sind, das laut deinen Angaben ja wenige Meter hinter dem Höhleneingang ist, müsste das Belüftungs- und Fluchtloch zwischen dem Einsturz und der Falltür aus der Decke kommen. Um zu dem Eingang zu kommen musst du allerdings in den Fels steigen!“ sagte er und beschrieb Semir den Weg dorthin so genau wie möglich.
    Semir bedankte sich, versprach sich bei Hartmut wieder zu melden, wenn er das Loch gefunden hatte und teilte nun den beiden Polizisten im Flüsterton mit, was er vorhatte. Gott sei Dank hatten die wenigstens zwei Taschenlampen dabei und so bekam Semir die eine davon. „Wenn ich in dem Loch verschwunden bin, müsst ihr Jantzer mit irgendeinem Krach vor dem Tor beschäftigen, damit der nicht hört, wie ich runtersteige!“ wies er die Polizisten an. Um Sichtkontakt zu halten ging der jüngere Polizist nun mit Semir nach draußen, während Hintersteiner den Kripobeamten wieder in ein Gespräch zu verwickeln versuchte. Gerade als Semir in das schneebedeckte, glatte Felsmassiv, nur erhellt durch das Licht des Vollmonds, einstieg-er brauchte nämlich beide Hände zum Festhalten und hatte deshalb die Taschenlampe, die Waffe und das Handy in seinen Jackentaschen verstaut-hörte man Andrea wieder schreien, diesmal so laut, dass es sogar im Freien noch zu hören war.

  • Jantzer hatte, nachdem er Andrea gefesselt hatte, überlegt, wie es nun weitergehen sollte. Seine einzige Chance hier unbeschadet rauszukommen war, es zu schaffen, bevor die Verstärkung aus München da war. Die brauchten normalerweise mindestens zwei Stunden. Klar gab es auch in Niederbayern mehrere SOKO´s aber vermutlich wusste die Obrigkeit zwar inzwischen, dass sie eine Laus im Pelz hatten, aber war einfach nicht sicher, wie weit die Verstrickungen reichten. Er selbst kannte genau die wenigen ortsansässigen Polizisten und dazu die Mitarbeiterin in der Telefonzentrale, die auf der Gehaltsliste des Chemikers standen, aber natürlich traute man in München primär niemandem aus der Region. Na außer Hintersteiner eben-der sich irgendwie das Vertrauen der Chefetage versichert hatte. Wenn da die schwarz gekleideten Kollegen kamen, würden die die Höhle stürmen-ihn vielleicht zuvor mit Blendgranaten oder Betäubungsgas kampfunfähig machen und dann verbrachte er den Rest seiner Tage in Stadelheim, Landsberg, Kaisheim oder einem anderen Gefängnis unter lauter Schwerverbrechern, die ihn nicht sanft behandeln würden, wenn sie erfuhren, dass er Polizist war. Nein er musste hier raus und zwar bald. Die beste Möglichkeit war, die beiden Uniformierten da draußen durch die Schreie der Geisel so unter Druck zu setzen, dass sie ihm freies Geleit zusicherten und dann würde er mit seinem Wagen schnellstmöglich verschwinden. Zuvor würde er die Reifen des Streifenfahrzeugs zerschießen, damit die ihm nicht folgen konnten und die Frau würde er genau so weit als lebendes Schutzschild mitnehmen, bis er auf dem Steig war, dann würde er sie wahlweise erschießen oder in den Abgrund stürzen-Strafe musste sein-niemand verletzte ihn einfach so mutwillig! Und vielleicht würde er Hintersteiner und den jungen Kollegen, dessen Namen er nicht einmal kannte, gleich mit erledigen!


    Andrea hatte ängstlich ihren Entführer beobachtet. An seiner Miene erkannte sie, dass der keine Gnade würde walten lassen. Oh mein Gott, dass ihr letztes Stündlein jetzt in einer Höhle im Bayerischen Wald schlagen würde, hätte sie nie erwartet! Hoffentlich war wenigstens Semir gut rausgekommen, damit ihre Kinder nicht als Waisen aufwachsen würden! Und er konnte ausnahmsweise nicht einmal etwas dazu, zu dieser ausweglosen Situation in der sie nun steckte. Sie war selber dumm gewesen und hatte einfach einem Mann nur deswegen vertraut, weil er Polizist war!


    Kalt lächelnd nahm der nun ein Schweizer Offiziersmesser aus seiner Tasche. Seit Kindertagen trug er das mit sich und die Klingen waren immer gut geschärft. Da hatte er schon Fische damit ausgenommen und jetzt würde er diese Polizistenfrau mal zum Schreien bringen, damit die beiden Jungs da draußen in die Gänge kamen und nicht die Sache einfach aussaßen. Langsam näherte er sich Andrea, die erschrocken zurückzuckte, als sie im Licht der Taschenlampe die Klinge aufblitzen sah. Langsam und genüsslich verpasste ihr Jantzer einen Schnitt mit dem Messer in den Oberschenkel. Er durchschnitt ihre Jeans wie Butter und sie schrie überrascht auf, als sich der kalte Stahl in ihre Haut senkte. „Ja schrei nur, damit mich deine Kumpane da draußen bald gehen lassen!“ sagte er kalt und Andrea verstummte wieder. „Sie haben doch auch Kinder!“ sagte sie nun mit Schmerz in der Stimme, denn der Schnitt brannte wie das Höllenfeuer. „Denken sie doch an die-was sollen die denn von ihrem Vater denken? Noch ist nichts verloren, lassen sie mich gehen und stellen sie sich. Sie sitzen ihre Strafe ab und können danach ein neues Leben beginnen!“ versuchte sie ihn zu beschwören, aber Jantzer schüttelte kalt lächelnd den Kopf. „Sie haben keine Ahnung!“ sagte er. „Als Polizist in einem bayerischen Gefängnis bist du so gut wie tot. Irgendwo sitzt immer jemand ein, den du mal verknackt hast und die Regeln im Knast sind gnadenlos. Ich werde mich nie freiwillig stellen-das könnte mein Todesurteil sein!“ erklärte er ihr und setzte das Messer zum zweiten Schnitt an. Andrea versuchte tapfer zu sein und stöhnte nur leise auf, aber da drehte er das Messer ein wenig in der Wunde und nun schrie sie, was ihre Lungen hergaben.


    Während Hintersteiner hinter dem Metalltor mit Engelszungen auf Jantzer einredete und ihn beschwor, die Frau in Ruhe zu lassen und ihn versuchte von der Ausweglosigkeit der Situation zu überzeugen, hatte Semir geschickt das rutschige Felsmassiv erklommen. Er musste jetzt etwa in der Höhe sein, die Hartmut ihm beschrieben hatte. Er sah sich suchend um und tatsächlich, als er mit der Taschenlampe in ein kleines Gebüsch leuchtete, konnte er dahinter ein Loch im Berg erkennen. Er hatte den Eingang gefunden! Jetzt konnte er nur hoffen, dass es irgendeine Möglichkeit dort drinnen gab, wie er absteigen konnte, denn natürlich hatte er keine Kletterausrüstung dabei. Seine Gedanken schweiften kurz zu den verschiedenen Klettertrips mit Ben, die sie zur Entspannung früher immer gemacht hatten-er hoffte, dass ihm seine Erfahrung am Berg und seine Schwindelfreiheit jetzt zu Gute kamen.
    Als er Andrea wieder und wieder schreien gehört hatte, hatte sich sein Herz vor Kummer und Mitleid zusammengezogen und zugleich erfasste ihn eine unbändige Wut auf diesen bestechlichen Polizisten. Der würde es büßen, was er seiner Frau gerade antat! Im Augenblick war Andrea still und als Semir vorsichtig in den engen Gang, der gerade so groß war, dass er durchpasste, hineinleuchtete, konnte er an einer Wand metallene Halterungen erkennen, die da wie eine Leiter eingeschlagen waren. Er gab dem jungen Polizisten, der den Blickkontakt gehalten hatte ein Zeichen und dann verschwand er im Berg.


    Auf der Intensivstation hatte inzwischen ein Schichtwechsel stattgefunden. Die drei Nachtschwestern waren an Sarah vorbei gelaufen und hatten sie erst freundlich gegrüßt, aber auch merkwürdig gemustert. Na klar, sie war ja immer noch schmutzig und ihre Haare waren sicher von der Flucht aus dem Bergwerk zerzaust. Sie hatte sich zwar die Hände gewaschen und desinfiziert, aber sonst war sie ganz schön abgerissen. Seufzend suchte sie die Besuchertoilette auf, ging auch endlich mal aufs Klo und versuchte sich danach am Spiegel ein wenig zu restaurieren. Danach setzte sie sich wieder in die Besucherecke und wartete erst mal ab. Vielleicht hatte sie mit dem Nachtdienst mehr Glück-sie würde es jedenfalls versuchen!


    Als wenig später die Spätschicht geschlossen die Intensivstation verlassen hatte, atmete Sarah tief durch und drückte dann auf den Klingelknopf. „Ich wollte nur fragen, ob ich nicht nochmals kurz zu meinem Lebensgefährten Herrn Jäger rein darf?“ bat sie höflich und nach kurzem Zögern erlaubte es die zuständige Schwester. Sarah eilte zu Ben ins Zimmer und ließ sich auf dem Stuhl neben seinem Bett nieder. Sie nahm seine heiße schlaffe Hand in die Ihre und küsste sie erst und legte sie dann an ihren Bauch. „Schatz, du musst wieder gesund werden, dein Baby braucht dich doch!“ flüsterte sie. Als die zuständige Schwester diese rührende Szene, als sie wenig später ins Zimmer trat, sah, musste sie schlucken. Sarah drehte sich um und sagte leise: „Sie wollen mir nicht sagen, was bei den Untersuchungen rausgekommen ist, weil wir nicht verheiratet sind!“ erklärte sie traurig. Die Nachtschwester überlegte kurz, ging dann raus und kam kurz darauf mit Ben´s Akte wieder. Sie legte sie auf dem Tischchen am Fußende des Bettes ab und sagte dann bedeutungsvoll. „Ich habe jetzt so etwa eine halbe Stunde was in einem anderen Zimmer zu tun!“ und mit einem verschwörerischen Lächeln verließ sie den Raum.

  • Kaum war die Schwester um die Ecke gebogen, nahm Sarah sich die Akte vor. Gott sei Dank war diese hier noch in Papierform-in ihrer Klinik war das Alles auf dem Computer und ohne umgehängten Transponder oder komplizierte Passwörter hatte man da keinen Zugriff auf irgendwelche personenbezogene Daten. Sarah blätterte in Windeseile die Kurve durch. Unter dem Stichwort „Labor“ fand sie das Drogenscreening-es war negativ. Das hätte sie jetzt nicht erwartet! Also mussten die Krampfanfälle doch von einer Hirnblutung oder Ähnlichem kommen. Unter der Rubrik „Konsile“ fand sie auch den entsprechenden handschriftlichen Befund. Darüber stand: „Vorläufiger Kurzbefund“ Als sie den nun mühsam entzifferte-eine typische Arzthandschrift hatte dieser Röntgenologe-wurde ihr Gesicht lang und länger. „Kein Anhalt für eine Blutung, kein raumfordernder Prozess, keine Ischämiezone-eventuell diskrete Hirnschwellung ohne Mittellinienshift- Kontroll-CCT in 24-48 Stunden empfohlen“, war dort zu lesen und nun stand auch Sarah vor einem Rätsel Der Befund sagte aus, dass auch der Röntgenologe nichts gefunden hatte, was die Anfälle und Ben´s Bewusstlosigkeit erklärte, vielleicht eine kleine Gehirnerschütterung, aber sonst nichts!


    Sie sah sich systematisch noch das übrige Labor durch. Gut, die Entzündungswerte waren bereits leicht erhöht, das war durch die beginnende Pneumonie erklärbar, aber alle übrigen Werte, auch die Elektrolyte, waren im Normbereich. Man hatte mehrere Blutkulturen abgenommen, die sicher gerade noch bebrütet wurden, das Trachealsekret war eingeschickt, eigentlich war alles nach modernen Erkenntnissen untersucht worden-man hätte auch in einer Uniklinik im Augenblick nicht viel mehr gemacht. Man hatte Ben für alle Fälle alle 8 Stunden Cortison angeordnet, um die fragliche Hirnschwellung zu behandeln, sein Oberkörper war erhöht gelagert, die Blutgase waren unter der Beatmungstherapie im Normbereich und alles war eigentlich nach außen hin perfekt, nur: Warum krampfte Ben und warum hatte er trotz Medikation immer noch einen stark erhöhten Blutdruck und eine Tachykardie?


    Sarah hörte eine Männerstimme auf dem Flur, schloss die Akte und huschte sofort an Ben´s Seite und setzte sich harmlos auf den Stuhl. Keine Sekunde zu früh, denn schon kam der Arzt, der den jungen Polizisten vorher schon behandelt hatte, wieder herein, um nach seinem Patienten zu sehen. Er war ein wenig überrascht, Sarah am Bett sitzen zu sehen, sagte aber nichts dazu, sondern prüfte gewissenhaft Ben´s Reflexe, ohne neue Erkenntnisse zu gewinnen. Er würde jetzt ins Bett gehen-falls etwas war, würden ihn die Schwestern anrufen. „Ich würde vorschlagen, sie gehen jetzt auch zurück in ihr Hotel und legen sich ein wenig hin. Er ist bei uns in guten Händen und sie müssen auch an ihr Kind denken, ich glaube sie hatten heute Aufregung genug!“ sagte er weich, denn er hatte ja eine detaillierte Übergabe von seinen Ärztekollegen bekommen, wie und unter welchen Umständen sein Patient gefunden und hergebracht worden war. Auch die Strommarken waren ihm nicht entgangen. Ihm tat es ja auch leid, dass er der jungen Frau so gar nichts sagen durfte, aber nach einem Vorfall mit Anzeige erst vor kurzer Zeit wurde von der Klinikleitung her sehr viel Wert auf die Einhaltung der Schweigepflicht gelegt, er würde deshalb seinen Job nicht riskieren.
    Gerade als Sarah zur Antwort ansetzte, begann Ben wieder fürchterlich zu krampfen, Sarah wurde rausgeschickt und fand sich wenig später fix und fertig wieder auf einem Stuhl im Wartebereich. Sie hatte das Gefühl in einem bösen Traum gefangen zu sein. Das durfte alles nicht wahr sein und schon wieder begannen bei ihr die Tränen zu fließen.


    Semir versuchte derweil so leise wie möglich die provisorische Leiter hinunterzusteigen. Die Taschenlampe hatte er in den Mund genommen, das war zwar etwas unpraktisch, aber eine andere Lösung fiel ihm nicht ein. Erst hatte Andrea nochmals qualvoll aufgeschrien, aber jetzt war am Metalltor so einiges los. Hintersteiner hatte die Stimme erhoben und schrie Jantzer an, man hatte das Gefühl, dass er gerade dabei war, die Nerven zu verlieren-gut gespielt war das, denn das war so ungefähr das Letzte, was Semir sich bei diesem dicken gemütlichen Polizisten vorstellen konnte- aber die erregten Worte, untermalt von einem lauten Hämmern und Klopfen gegen das Metalltor, anscheinend mit Steinen und Stiefeln ergaben so eine Lärmkulisse, dass die Geräusche, die Semir trotz alledem verursachte, nicht zu vernehmen waren. Er trat zwar immer wieder kleine Steine los, aber wie er hören konnte, war Jantzer eine ganze Ecke weg von ihm und diskutierte an der Falltür mit den beiden uniformierten Polizisten. Plötzlich war die Leiter zu Ende und als Semir vorsichtig nach unten leuchtete, sah er, dass er etwa zwei Meter über dem Höhlenboden war. Hoffentlich hatte Jantzer den Lichtschein nicht gesehen! Aber jetzt war es egal! Katzengleich ließ sich Semir aus der Decke herunter und landete so leise wie möglich, Füße voraus, auf dem Boden des Stollens. Als er sich orientierte, konnte er, nachdem er nochmals kurz das Licht angemacht hatte, erkennen, dass er wirklich kurz vor dem eingestürzten Teil der Höhle gelandet war. Der Gang machte eine Kurve und so konnte er zwar im Augenblick nicht sehen, was mit Andrea war und wo genau Jantzer sich befand, aber er hatte dafür das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Ausgerechnet jetzt tat sein Rücken weh, der immer noch von dem Steinschlag geprellt war-der Sprung auf den harten Boden war sicher nicht so gesund gewesen-aber das schob er jetzt zur Seite. Er musste Andrea befreien und diesen korrupten Polizisten überwältigen, alles andere war nebensächlich!

  • Semir atmete tief durch. Er stand wieder im Dunkeln, hatte sich aber den Verlauf des Stollens gemerkt und so schlich er, ohne anzuecken, Richtung Höhlenausgang. Als er um die Kurve bog sah er als erstes Andrea, die tränenüberströmt und mit blutigem Oberschenkel, gefesselt am Boden lag. Jantzer hatte seine helle LED-Taschenlampe so auf einen Felsvorsprung gelegt, dass dieser Stollenbereich relativ ausreichend erleuchtet war und lieferte sich gerade wieder Wortgefechte mit Hintersteiner hinter der Metallwand. Als Andrea Semir erkannte, weiteten sich ihre Augen, aber es wäre eigentlich unnötig gewesen, dass er den Zeigefinger auf die Lippen legte, um sie daran zu hindern, etwas zu sagen. Sie war schließlich nicht völlig verblödet!


    Semir hatte die Waffe gezogen und ging noch einen Schritt Richtung Jantzer, aber da hatte der anscheinend die Gefahr in seinem Rücken gespürt und drehte sich abrupt um. Auch er war völlig überrascht, denn mit allem hätte er gerechnet, aber nicht mit einem Überfall von hinten. Natürlich wusste er auch, wer dieser Mann war-das war dieser Gerkan, der Autobahnpolizist, der verschollen gewesen war-er hatte sich dessen Bild natürlich auf dem PC angeschaut, als er von dieser ganzen Sache erfahren hatte. Bevor Semir irgendetwas sagen konnte, hatte sich-ohne auf die Waffe zu achten-sein Gegenüber mit dem Mute der Verzweiflung auf ihn gestürzt. Semir hatte sowieso nicht vorgehabt, abzudrücken-er wollte schließlich keinen neuen Einsturz riskieren-und so flog der Revolver auf den Boden und Semir und Jantzer waren in einen erbitterten Ringkampf auf Leben und Tod verwickelt. Jantzer hatte nämlich das Messer noch in seiner Hand und so kurz die Klinge war-sie war eine tödliche Gefahr im Nahkampf!


    Hier prallten zwei durchtrainierte, erfahrene und zu allem entschlossene Kämpfer aufeinander. Jantzer war grösser und ein wenig schwerer als Semir, aber der dafür umso wendiger. Semir schaffte es, Jantzers Hand mit dem Messer zu umklammern, so dass er ihn damit im Augenblick nicht verletzen konnte, aber er war deswegen weit davon entfernt, ihn zu entwaffnen, oder gar zu besiegen. Jantzer wandte seine ganze Kraft auf und das Messer kam Semir bedrohlich näher. Andrea hatte entsetzt: „Semir pass auf!“ geschrien und daraufhin hatten die beiden Polizisten draußen aufgehört Krawall zu machen-ihre Mission Ablenkung war erledigt. Gespannt lauschten sie den Kampfgeräuschen hinter dem Tor, aber was genau da vorging, konnten sie nur erahnen.
    Die beiden Kämpfer wälzten sich über den Höhlenboden und nun ließ Semir unvermittelt ein wenig nach, so dass das Messer nun zwar in seine Jacke schnitt, aber mit einem Judogriff hatte er nun einen anderen Winkel und den Überraschungseffekt auf seiner Seite, denn damit hatte Jantzer nicht gerechnet.
    Andrea beobachtete atemlos das Schauspiel und zermarterte sich den Kopf, wie sie Semir helfen konnte, aber ihr fiel nichts ein, gefesselt wie sie war. Semir mobilisierte seine ganzen Kräfte. Eine unbändige Wut verlieh ihm ungeahnte Power-dieses Schwein hatte seine geliebte Andrea verletzt, ihr Schmerzen zugefügt und er war daran beteiligt, dass sein Freund nun beatmet im Krankenhaus lag. Der durfte einfach nicht gewinnen, denn das erste was er machen würde, wenn er siegte, wäre Andrea und ihn umzubringen und das konnten sie ihren Kindern nicht antun! Ein beinahe unmenschlicher Laut kam über Semir´s Lippen und nun bog er die Hand mit dem Messer in Jantzer´s Richtung, der völlig überrascht davon war. Er war doch ein erfahrener und ausgebildeter Kämpfer, außerdem seinem Gegner an Masse überlegen, aber trotzdem hielt ihn der wie in einem Schraubstock. Jantzers Hand begann zu zittern und plötzlich fuhr die kleine Klinge in seine Brust. Überrascht und geschockt starrte Jantzer auf seinen Oberkörper. Ein scharfer Schmerz lähmte ihn gerade und die Jacke färbte sich blutrot, wo er sich sozusagen gerade selber verletzt hatte. Das Blut wich aus seinem Gesicht und nun hatte Semir die Oberhand, drehte ihm die Hände auf den Rücken und fixierte ihn mit Polizeigriff am Boden.


    Jantzer hatte sich zwar nach kurzer Zeit wieder gefangen, aber Semir hielt ihn nun mit eisenhartem Griff fest und erlaubte nicht die kleinste Bewegung. Er konnte auch nicht locker lassen, denn wenn auch das Messer nun klirrend zu Boden gefallen war, Jantzer war immer noch bewaffnet und wenn der an seine Pistole kam, dann wäre alles zu spät. Wie sehr wünschte sich Semir nun Ben in seiner Hinterhand, der ihm nun geholfen hätte. Er hatte ja nicht einmal Handschellen, um Jantzer zu fixieren. Mit kurzen Worten erklärte er, um Atem ringend, seinen Kollegen die Lage.


    Draußen vor dem Tor hatten sich Hintersteiner und der junge Polizist gerade angesehen. „Anscheinend kommt man doch in die Höhle, ohne sich zu Tode zu stürzen und ich glaube, unser Kölner Kollege könnte Unterstützung gebrauchen!“ sagte der dicke, ältere Polizist langsam. „Ich würde ja selber gehen, aber ich glaube, für sowas bin ich ein wenig zu alt und unsportlich!“ fügte er an und der junge Mann nickte ergeben, nahm die Taschenlampe entgegen, so dass Hintersteiner nun im Dunkeln vor dem Metalltor zurückblieb und machte sich auf den Weg zu dem verborgenen Lüftungsschacht. Tatsächlich fand er den Aufstieg sofort-er brauchte ja nur Semir´s Trittspuren zu folgen, rutschte zwar ein paarmal auf dem Schnee aus, aber letztendlich schaffte er es zum Einstieg. Auch er besah sich die Steighilfe und begann dann vorsichtig in die Tiefe zu klettern. Semir und Andrea hörten wenig später einen Plumps, dann ein leises Fluchen und schon stand der junge Polizist vor ihnen. Kommentarlos nahm er seine Handschellen heraus, fesselte Jantzer die Hände auf den Rücken und nun atmete Semir auf. Der junge Kollege übernahm und Semir eilte nun zu Andrea und löste als erstes den Gürtel von ihren Füßen, mit dem er nun Jantzers Beine fesselte. Dann drehte er ihn um und suchte in dessen Taschen nach der Waffe, die er beiseitelegte und dann noch nach dem Schlüssel für die Handschellen. Als er fündig geworden war, befreite er Andrea und die lag nun schluchzend in seinen Armen.


    Der junge Polizist hatte sich inzwischen den Mechanismus für die Falltüre besehen und begann sie langsam hochzudrehen. Wenig später stand Hintersteiner vor ihnen und bedachte Jantzer mit einem Lächeln. „Viel Spaß im Gefängnis!“ sagte er voller Genugtuung und dann schickte er seinen jungen Kollegen zum Streifenwagen, um den Verbandskasten und eine Decke zu holen. Er selber übernahm sein Handy von Semir, ging kurz vor die Höhle und gab den Stand der Dinge durch. „Wir brauchen hier auch einen RTW mit Notarzt-die Geisel ist verletzt-und ich glaube Jantzer auch, aber wegen dem pressierts nicht!“ gab er gemütlich durch. Als der junge Mann mit dem Verbandskasten wiederkam, legte Semir nur einen provisorischen Verband um Andrea´s Oberschenkel. Die Hose ließen sie an-das sollte sich nachher der Arzt anschauen. Er legte ihr stattdessen eine Decke um und hielt sie ganz fest in seinen Armen, denn sie hatte zu zittern begonnen und konnte gar nicht mehr aufhören.


    Der junge Kollege eilte nun wieder klaglos zu ihrem geparkten Streifenwagen. Er musste ja den Notarzt einweisen und kaum 10 Minuten später kam auch schon ein hell erleuchteter RTW um die Ecke gebogen, direkt gefolgt vom Notarzt. Wenig später waren die Retter in der Höhle und nun sah der Notarzt überrascht Semir an: „Sie kenn` ich doch-sie waren doch vor zwei Stunden erst am Grenzübergang mit dem schwer verletzten Polizisten!“ sagte er, während er sich Andrea nun ansah und Semir nickte erschöpft.
    Man schnitt Andrea´s Hose ein Stück weit auf und der Notarzt gab kurz darauf Entwarnung. „Die Schnittverletzungen sind nicht sonderlich schlimm. Das muss gereinigt und genäht werden, aber es sind keine bleibenden Schäden zu befürchten!“ sagte er und sein Rettungsassistent hatte Andrea inzwischen eine Infusion gelegt. Sie bekam ein Schmerzmittel gespritzt und nun besah sich der Notarzt auch noch Jantzer, dessen Jacke sich inzwischen eindrucksvoll mit Blut vollgesogen hatte. Man löste die Handschellen, aber Hintersteiner hielt drohend seine Waffe an Jantzers Kopf. „Eine falsche Bewegung und du brauchst keinen Arzt mehr!“ sagte er und Jantzer verhielt sich völlig ruhig-er wusste, wann er verloren hatte.


    Während der Abtransport der Verletzten vorbereitet wurde, traf nun endlich auch das SEK aus München ein. Allerdings war die Lage nun ja schon bereinigt und so lauschten die schwarz gekleideten Männer nun Hintersteiner´s Erzählungen und halfen mit, Andrea aus der Höhle zu bringen. Man hängte die Metallplattform ein, aber sie hätte von ihrer Verletzung her gut noch laufen können, es war mehr der Schock, der ihr zu schaffen machte und so legte man sie doch auf die Trage und beförderte sie zum RTW. Semir rief von Hintersteiner´s Handy aus noch kurz in der PASt an und gab den Stand der Dinge durch und nun getrauten sich auch Hartmut, Susanne und die Chefin nach Hause zu gehen-sie hatten sich nicht vom Telefon weggerührt, obwohl alle miteinander schon lange Feierabend gehabt hätten.


    Jantzer wurde provisorisch verbunden, bekam auch ein Schmerzmittel, aber dann nahm man ihn gleich mit nach München-dort würde man sich im Gefängniskrankenhaus in Stadelheim um ihn kümmern, laut Aussage des Notarztes war die Verletzung nämlich nicht lebensbedrohlich. Als Semir nun im RTW neben Andrea Platz nahm, lächelte er sie an, hielt ihre Hand und sagte: „Das nächste Mal fahren wir woanders hin in Urlaub, hier in Bayern ist das zu aufregend-so schön es hier auch ist!“ und nun musste sie ein wenig grinsen, so müde sie auch war. Mit Semir konnte man doch hinfahren, wo man wollte-man musste immer mit Überraschungen rechnen!
    Als kleinen Service steuerte der junge Polizist Ben´s Wagen noch hinter dem RTW her, damit Semir auch vom Krankenhaus wieder weg kam, ein stolzgeschwellter Hintersteiner folgte im Streifenwagen und wenig später waren sie in der Klinik angelangt.

  • Andrea wurde in die Notaufnahme gebracht, wo man sich die Schnittverletzungen genauer ansah. „Wir werden die Wunden in mehreren Schichten nähen müssen, das geht zwar in örtlicher Betäubung, wird aber eine Weile dauern!“ erklärte der aufnehmende Chirurg. „Weil das doch ziemlich tief und ausgedehnt ist, würde ich sie dann gerne über Nacht dabehalten!“ erklärte er ihr noch und Andrea nickte ergeben. Ehrlich gesagt wollte sie das Ganze jetzt nur noch hinter sich haben und dann schlafen, sie war fix und fertig. „Würden sie bitte draußen warten, das dauert jetzt schon etwa eine halbe Stunde!“ bat die Schwester, die schon alles vorbereitete und Semir sah Andrea fragend an: „Soll ich nicht zum Händchenhalten dableiben?“ fragte er ein wenig unsicher, aber Andrea schüttelte den Kopf. „Lieber nicht, du konntest die Geburt deiner Kinder auch nicht aushalten, ich denke hier hat niemand Lust, dich vom Boden aufzukratzen!“ sagte sie. „Schau lieber, wie es Ben geht und wo Sarah ist!“ fügte sie hinzu, denn Semir hatte ihr im RTW erzählt, was bei ihm die letzten Stunden geschehen war und auch Andrea machte sich große Sorgen um ihre Freunde. „Ich komme dann in einer halben Stunde wieder her!“ bestimmte Semir und küsste Andrea zum Abschied. „Viel Glück!“ flüsterte er ihr noch zu und dann fragte er gleich an der Rezeption, wo er Ben und Sarah finden konnte. „Der Namen der Frau ist mir nicht bekannt, also die ist nicht stationär und Herr Jäger liegt auf der Intensivstation!“ antwortete der Pförtner nach einem Blick in den Computer. Semir ließ sich noch erklären, wie er da hinkam und dann ging er die Treppe hinauf, um nach seinem Freund zu sehen.


    Als er um die Ecke bog sah er schon Sarah völlig aufgelöst im Wartebereich sitzen. Man sah, dass sie geweint hatte und sie war blass und fix und fertig. Semir war mit wenigen Schritten bei ihr und nahm sie in die Arme. „Sarah, was ist los? Wie geht´s dir und was ist mit Ben?“ fragte er und nun verbarg Sarah erst einmal ihren Kopf an seiner Schulter und weinte eine ganze Weile, während ihr Semir beruhigend über den Rücken strich. Eine eiskalte Hand hatte nach seinem Herzen gegriffen-Ben war doch hoffentlich noch am Leben?
    Nach einer Weile beruhigte sich Sarah, schneuzte sich und erzählte dann stockend. „Ben hat immer noch Krampfanfälle. Er ist sediert und beatmet, aber die geben mir hier aus rechtlichen Gründen keine Auskunft. Die Nachtschwester war so nett, mich mit Ben und der Akte alleine zu lassen, aber da drin habe ich keine Informationen gefunden, die seinen Zustand erklären. Keine Ahnung-vielleicht weiss der Arzt noch was, was da nicht drinstand, aber er sagt mir nichts!“ erklärte sie und nun schüttelte Semir den Kopf. „Oh Sarah, das tut mir leid! Dabei bist du mit Sicherheit die Erste, die Ben als Auskunft berechtigt einsetzen würde. Wenn er das noch regeln könnte würde er sich ausdrücklich wünschen, dass du Bescheid kriegst und auch Entscheidungen für ihn treffen könntest, aber wenn die hier so linientreu sind, müssen wir vermutlich bis zum Morgen warten. Pass auf-da rufen wir dann die Chefin an, oder besser noch die Schrankmann, die können mit ihren Connections zu Richtern und anderen Juristen sicher was machen, aber ich fürchte, heute Nacht wird nicht mehr viel geschehen!“ gab er seiner Befürchtung Ausdruck. „Aber denkst du, er ist in Lebensgefahr?“ fragte er dann bang und Sarah nickte langsam. „Ja, ich habe große Angst um ihn!“ antwortete sie leise.


    „Du wirst dich schon gewundert haben, wo ich so lange war!“ fügte Semir nun noch hinzu und erzählte Sarah von seinem und Andrea´s Abenteuer. Die schlug die Hände vor den Mund: „Um Himmels Willen, das hätte ja übel enden können!“ sagte sie dann verzagt, aber Semir beruhigte sie. „Ist es aber nicht-Andrea wird gerade noch in der Ambulanz versorgt, sie soll heute Nacht hierbleiben und ich würde vorschlagen, wenn du hier eh nichts tun kannst, fragen wir, ob wir nochmals kurz reindürfen und dann fahren wir zusammen ins Hotel-auch du musst dich dringend ausruhen!“ bestimmte er und Sarah nickte. Es war so gut, wenn jetzt jemand das Kommando übernahm-sie selber war nämlich am Ende.


    Semir läutete an der Intensivtür und meldete sich erst mal einfach mit seiner Dienstbezeichnung. Tatsächlich kam die Nachtschwester an die Tür und Semir erklärte ihr in kurzen Worten: „Ich bin der beste Freund und Kollege von Herrn Jäger. Würden sie uns bitte kurz zu ihm reinlassen? Ich verspreche auch, dass ich seine Lebensgefährtin nachher mit ins Hotel nehme, damit sich die ausruht. Ich kann ihnen versichern, dass das rechtlich kein Problem darstellt, sobald morgen der zuständige Richter im Büro ist, werden wir das regeln, aber jetzt würden wir einfach gerne noch kurz nach ihm sehen!“ erklärte er ihr und nach kurzem Überlegen ließ die Pflegekraft sie herein.Sarah und Semir traten von beiden Seiten an das Bett ihres Freundes. Semir war erschrocken, wie eingefallen Ben aussah. Er war nur mit einem dünnen Laken bis zur Hüfte zugedeckt, er war aber trotzdem schweißüberströmt, sein Herz jagte und der Blutdruck war auch immer noch bei 190/90 mm/ Hg, also weiterhin zu hoch-wobei er zuvor über 200 systolisch gewesen war.
    Wie Sarah sehen konnte, war man mit den Beatmungsparametern höher gegangen und als sie die beschriftete Kurzinfusion musterte, die gerade in ihn hineintropfte, konnte sie ein starkes Antiepileptikum, also ein Medikament gegen Anfallsleiden erkennen. „Wir hoffen, dass das wenigstens hilft!“ sagte die Nachtschwester leise, denn auch ihr tat die junge Frau unendlich leid, wie sie da so hilflos vor dem schwerst kranken Vater ihres Kindes stehen musste. Im Moment wusste einfach niemand, was mit dem neuen Patienten eigentlich los war und warum es ihm so schlecht ging. Sie hoffte nur, dass sie ihn über die Nacht brachten, vielleicht hatten die Ärzte morgen irgendeine Idee, was man weiter machen könnte, aber im Augenblick tappten sie alle miteinander im Dunkeln.
    Sarah strich Ben mit einer liebevollen Geste die verschwitzten Haare aus der Stirn: „Schatz, bitte werd wieder gesund!“ flehte sie ihn an und auch Semir legte seine Hand auf Ben´s Schulter. „Mach keinen Blödsinn, Kumpel!“ flüsterte er mit einem Kloß im Hals und nachdem er der Nachtschwester noch seine und Sarah´s Handynummer gegeben hatte-im Hotel hatten sie ja ihre Ladegeräte- machten sie sich schweren Herzens auf den Weg in die Notaufnahme. Sarah warf noch einen bangen Blick zurück-und wenn es das letzte Mal war, an dem sie Ben lebend sah?

  • Während sie langsam in die Notaufnahme gingen warf Sarah Semir einen prüfenden Blick zu. Er lief ein wenig krumm und hatte seine Hand in die Hüfte gestützt. „Hast du deinen Rücken schon anschauen lassen?“ wollte sie wissen, aber Semir schüttelte den Kopf. „Dann lass das bitte gleich noch machen, nicht dass du der Nächste bist, der zusammenklappt!“ sagte sie. Tatsächlich war Andrea gerade fertig geworden und wurde von der Nachtschwester auf die chirurgische Station gebracht. Ihr Mann und ihre Freundin gingen noch kurz mit und Semir wollte wissen: „War´s schlimm?“ aber Andrea schüttelte den Kopf. „Außer der Betäubungsspritze habe ich nichts gespürt-jetzt schaut ihr beide auch, dass ihr bald ins Bett kommt, wie geht´s denn Ben?“ wollte sie dann noch wissen, aber Sarah zuckte mit den Schultern: „Nicht gut, aber wir können jetzt auch nichts machen!“ erklärte sie und als Andrea dann in ein Zimmer gefahren wurde, in dem eine andere Frau bereits tief und fest schlief, verabschiedeten sie sich flüsternd und versprachen am nächsten Morgen wiederzukommen.


    Semir ließ seinen Rücken noch anschauen, aber nach einer Röntgenaufnahme stand fest, dass tatsächlich nichts gebrochen war, nur begann sich schon ein riesiger blauer Fleck zu bilden. Er bekam noch ein paar Schmerztabletten und einen Eisbeutel mit und wenig später saßen sie im Wagen und fuhren schweigend durch die kalte, klare mondhelle Nacht. Semir musste die Heizung hochstellen, denn es zog durch die Einschusslöcher herein und als er den Kopf wandte, sah er den Blutfleck, den Ben hinterlassen hatte. Mein Gott-gestern Abend um die Zeit waren sie noch gemütlich zusammengesessen und hatten ihren Urlaub genossen und jetzt war auf einmal alles ganz anders! Da fiel ihm noch was ein: „Sarah-in dem explodierten Wagen war nur eine Leiche-der kleine Mann mit dem weißen Kittel ist flüchtig, pass bitte auf!“ teilte er ihr mit und Sarah sah ihn schockiert an. „Meinst du, es ist noch nicht vorbei?“ fragte sie bang und Semir antwortete leise: „Ich weiß es nicht-aber vielleicht haben ihn die Suchtrupps schon aufgespürt-ich werde mich morgen erkundigen. Für Ben und Andrea besteht denke ich heute Nacht keine Gefahr-der Pförtner lässt niemanden herein, den er nicht kennt, die sind im Krankenhaus sicher!“


    Im Hotel angekommen, beschlossen sie kurzerhand, dass Semir sicherheitshalber auf der Couch in Ben´s und Sarah´s Suite schlafen würde. Er holte seinen Schlafanzug und sein Bettzeug und richtete dort sein Lager ein. Die Waffe legte er griffbereit auf den Tisch-normalerweise hätte man die eigentlich kriminaltechnisch untersuchen müssen, immerhin war die in ein Verbrechen verwickelt, aber jetzt war Semir froh, dass die Polizisten das wohl in der Aufregung verbummelt hatten. Wenig später löschten sie das Licht und erstaunlicherweise forderte die Natur ihr Recht und sie schliefen beide trotz Kummer und Sorgen tief und fest.


    Der Chemiker hatte von einer Telefonzelle aus einen seiner Mittelsmänner angerufen und der hatte ihn zu einem sicheren Versteck gebracht. Sein Handy hatte er weggeworfen, damit man das nicht zu ihm zurückverfolgen konnte. Er hatte mehrere Wohnungen unter falschem Namen in der ganzen Grenzregion gemietet, die mit dem Nötigsten ausgestattet waren. Er würde sich jetzt auch erst mal ausruhen und sich eine heiße Dusche gönnen. In der Garage unten stand ein Fluchtwagen, er würde wohl eine Weile verschwinden müssen. Aber zuvor würde er seine Rache noch vollenden. Für jede seiner schmerzenden Prellungen, die er bei dem Höhleneinsturz erlitten hatte, würde er diesen Polizisten und ihren Frauen ebenfalls Schmerzen bereiten. Er hatte noch von seinem Handy aus, bevor er es entsorgt hatte, versucht, seinen Mittelsmann Jantzer zu erreichen, aber das war nicht möglich-er musste befürchten, dass der geschnappt worden war! Seine florierende Firma war zerstört, die besten Männer tot-vor Wut konnte er fast nicht einschlafen! Aber der Gedanke, dass seine Rache fürchterlich sein würde, ließ ihn irgendwann in den Schlaf fallen-morgen würde er sich erkundigen, wo seine Opfer abgeblieben waren!

  • Sarah schlug am nächsten Morgen die Augen auf. Es war kurz vor sieben und erst hoffte sie, dass alles, was ihr gerade durch den Kopf schoss, nur ein übler Alptraum war. Als sie dann aber neben sich sah und Ben´s Platz leer war, bemerkte sie, dass der leider grausame Realität war. Semir begann sich auch zu regen und ihm ging es ähnlich wie Sarah-er musste sich erst orientieren und seine Gedanken sortieren, dann allerdings war er hellwach. Fast gleichzeitig kontrollierten er und Sarah ihre Handys, aber die waren geladen, eingeschalten und kein verpasster Anruf darauf. „Guten Morgen Sarah!“ sagte Semir. „Konntest du denn schlafen? Ich muss gestehen, ich habe gepennt, wie ein Stein!“ sagte er ein wenig schuldbewusst, aber Sarah bestätigte, dass es ihr genauso gegangen war. Sie stand auf und ging ins Bad und auch Semir erhob sich stöhnend-verdammt, sein Rücken schmerzte wie verrückt. „Treffen wir uns in einer halben Stunde beim Frühstück?“ schlug er vor und Sarah stimmte zu. Auch Semir ging in sein Zimmer, sprang unter die Dusche, putzte seine Zähne und rasierte sich. Im Spiegel betrachtete er seine Kehrseite, die war inzwischen sozusagen flächig tiefblau, kein Wunder, wenn das weh tat! Danach packte er Waschzeug und bequeme Anziehsachen für Andrea ein-vorsichtshalber auch noch ihren Pyjama, nicht dass sie doch noch bleiben musste! Er vergewisserte sich, dass er die Schmerztabletten in der Tasche hatte-da würde er sich nach dem Frühstück eine gönnen, aber vorher schlugen ihm die auf den Magen.


    Punkt halb acht waren er und Sarah im Frühstücksraum, in dem das Buffet gerade aufgebaut wurde. Die Servicefachkraft kam besorgt zu ihnen: „Was ist mit Herrn Jäger-wurde der inzwischen gefunden und wo ist Frau Gerkan?“ wollte sie wissen und brachte gleich Kaffee für Semir-Sarah würde sich ihren Tee, wie jeden Tag, selber aufbrühen. Eigentlich gabs ja erst ab acht Frühstück, aber in diesem Fall musste man Ausnahmen machen. „Die liegen leider beide im Krankenhaus, meine Frau eher leicht verletzt und Herr Jäger dafür in sehr kritischem Zustand!“ erklärte Semir kurz und die nette junge Frau sagte mitfühlend: „Das tut mir leid!“ Die Gerüchteküche hatte natürlich schon gebrodelt in dem kleinen Grenzort, aber so genau wusste eben keiner Bescheid. Eher mit wenig Appetit nahmen sie etwas zu sich, aber sie mussten sich stärken, es wusste ja keiner, was sie heute erwartete. Semir nahm noch seine Schmerztablette und Sarah fragte mitfühlend: „Tut dein Rücken noch sehr weh?“ und Semir nickte. Danach griff Semir zum Telefon und rief die Chefin an. Mit kurzen Worten erklärte er die Probleme mit der überkorrekten Handhabung der Schweigepflicht in dem Krankenhaus und Kim Krüger versprach, alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass Sarah oder Semir da rechtlich befugt wurden, Auskunft zu bekommen. Sie ließ sich auch von Semir noch die Handynummer von Konrad Jäger geben und versprach, sich darum sofort zu kümmern.


    Danach holten sie ihre Jacken und Andrea´s Sachen aus dem Zimmer und wenig später fuhr Semir den Wagen vor. Nach kurzer Überlegung warf er die Decke über den inzwischen eingetrockneten Blutfleck und klappte die Rücksitzbank wieder hoch-so sah das wenigstens nicht gar so schrecklich aus. Er würde heute dringend den Wagen in irgendeiner Werkstatt provisorisch flicken lassen müssen, sonst würden sie auf der Heimfahrt erfrieren! Sarah, die an der Rezeption gewartet hatte, stieg ein und dann fuhren sie schweigend zum Krankenhaus. Je näher sie kamen, desto größer wurde der Kloß in Sarah´s Hals. Was sie dort wohl erwarten würde?


    Auch der Chemiker war erwacht. Er veränderte sein Aussehen ein wenig, indem er sich einen Bart anklebte, die dicke Brille durch Kontaktlinsen ersetzte und dann eine Basketballmütze auf seinen fast kahlen Schädel setzte. Aus einem Versteck unter einer losen Bodendiele holte er einen großen Packen Euros. Er war für seine Flucht gerüstet. Nun holte er sein Wegwerfhandy heraus und rief seine Verbindungsfrau in der Telefonzentrale der Polizei an. Binnen kurzem hatte die für ihn herausgefunden, in welchem Krankenhaus sein Opfer lag und wurde auch von Jantzer´s Verhaftung und der Befreiung der verletzten Polizistenfrau in Kenntnis gesetzt, die in demselben Krankenhaus auf ihn wartete. Er kontrollierte, ob sein Messer scharf genug war und ging dann zu seinem Fluchtfahrzeug, einem älteren Mercedes, unter dessen Boden auch eine Schusswaffe professionell versteckt war. Auch eine Spritze und mehrere Ampullen holte er aus seinem Versteck, musterte seinen gefälschten deutschen Personalausweis und kontrollierte, ob auch der TÜV bei seinem in Deutschland zugelassenen Fluchtfahrzeug mit Passauer Kennzeichen nicht abgelaufen war. Der Wagen war vollgetankt und sprang sofort mit einem leisen Schnurren an. Versonnen vor sich hin lächelnd, startete der Chemiker seinen Rachefeldzug.


    Jantzer war derweil in Stadelheim, nachdem seine Wunde vom Gefängnisarzt professionell verbunden worden war, die ganze Nacht verhört worden. In der Zwischenzeit war ein Einsatzkommando mitten in der Nacht in seinem Haus, oder vielmehr dem ererbten Haus seiner Frau aufgetaucht und hatte dort Akten und Laptops konfisziert. Frau und Kinder des korrupten Beamten lauschten entsetzt den Mitteilungen der Polizei. Auch wenn ihr Verhältnis schon lange nicht mehr das Beste war, aber das hätten sie dem Ehemann und Vater nicht zugetraut! Gegen Morgen brach Jantzer zusammen. Er würde hier nicht mehr wegkommen und gegen die Zusicherung, dass er in das harmloseste Gefängnis des Freistaats kommen würde, nämlich nach Landsberg, wo sonst eher die Promis einsaßen und niemand erfahren würde, dass er Polizist war, nannte Jantzer die Namen der Verbindungsleute bei der örtlichen Polizei und wenig später machte sich erneut ein Spezialkommando aus München in den Bayerwald auf, um dort einige Verhaftungen vorzunehmen.


    In Tschechien hatte man in der Nacht noch mit Hilfe eines Bergbauexperten die Höhle betreten und die Leiche des Verbrechers geborgen. Auch den Apparat nahm man mit und fertigte Tatortfotos an, aber dann wurde die Höhle für akut einsturzgefährdet erklärt und hermetisch verschlossen. Der Van wurde zur Spurensicherung gebracht und obwohl auch auf tschechischer Seite einige Maulwürfe bei der Polizei unterwegs waren, wurde kurz danach der Chemiker anhand von Fingerabdrücken identifiziert und sein Bild europaweit an Interpol gesandt-die Fahndung lief!

  • Frau Krüger hatte sich, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, sofort an einen alten Bekannten gewandt, der als Richter beim Vormundschaftsgericht in Köln arbeitete und ihm die Lage geschildert. Der sagte: „Es ist vielleicht befremdlich für den Laien, aber rechtlich völlig korrekt, was die da im Bayerischen Wald tun. Eigentlich ist es sogar fragwürdig, wenn man Ehefrauen in so einer Situation Auskunft gibt-aber das wird eben stillschweigend geduldet. Normalerweise sollte jeder Mensch in einer Vorsorgevollmacht-die muss auch nicht vom Notar sein-festlegen, wer im Falle einer schweren Erkrankung seine Interessen wahrnehmen soll. Liegt so ein Schriftstück nicht vor, müssen wir vom Gericht uns bemühen, jemanden zu finden, der Entscheidungen im Sinne des Patienten trifft und wenn dazu niemand in der Familie bereit oder geeignet ist, dann wird notfalls ein amtlicher Betreuer bestellt, der das- gegen Bezahlung natürlich-erledigt! Sie denken also in diesem Fall, dass die Partnerin ihres Beamten bereit und geeignet wäre, eine Vormundschaft zu übernehmen?“ fragte er und Frau Krüger bejahte. Wenig später klingelte plötzlich Semir´s Telefon und die Krüger war dran: „Ich brauche noch den kompletten Namen und das Geburtsdatum von Herrn Jäger´s Lebensgefährtin-machen sie sich keine Sorgen-die Sache läuft!“ erklärte sie und Sarah gab ihre Daten überrascht durch.Der Richter rief nun seinen Kollegen im zuständigen Vormundschaftsgericht an, erklärte mit kurzen Worten den Fall und wenig später kam aus dem Faxgerät der Intensivstation ein vorläufiges Schreiben, dass das Verfahren eingeleitet wäre, Sarah auskunfts-und aufenthaltsbestimmungsberechtigt sei und die Ärzte aufgefordert wurden ein Formblatt mit Diagnosen etc. auszufüllen. Das Telefon auf der Intensiv läutete noch, der zuständige Richter kündigte sein Erscheinen in etwa einer halben Stunde an und somit war, noch bevor Sarah persönlich eintraf, die rechtliche Sache kein Problem mehr.


    In der Klinik angekommen gingen Sarah und Semir trotzdem erst zu Andrea, um ihr ihre Sachen zu bringen und zu fragen, wie es ihr ging. Andrea war hoch erfreut, die beiden zu sehen und sagte: „Ich habe mich schon gewaschen und gefrühstückt und der Stationsarzt hat gesagt, er schreibt noch einen Brief an meinen Hausarzt und dann darf ich gehen. Die Infusion ist auch schon ab und das Aufstehen klappt ohne Probleme!“ erklärte sie und so ließen Semir und Sarah Andrea ihre Tasche mit den frischen Klamotten da und versprachen, sie später abzuholen.


    Dann machten sie sich bangen Schrittes auf den Weg zur Intensiv. Du lieber Gott-was würde sie jetzt erwarten? Würde man sie überhaupt reinlassen, in welchem Zustand war Ben und wie würde es weitergehen? „Sarah-wenn sich sein Zustand dramatisch verschlechtert hätte, hätten die uns angerufen!“ versuchte Semir seine Freundin zu beruhigen. „Glaubst du wirklich?“ fragte Sarah und nun wusste Semir ehrlich gesagt keine Antwort. Auch seine Schritte verlangsamten sich unmerklich, als sie sich der Intensiv näherten-was sie wohl jetzt erfahren würden?
    Sarah atmete tief durch, aber dann drückte sie entschlossen auf den Klingelknopf und sagte, wer sie sei. Sie war völlig überrascht, als die Stimme am anderen Ende sagte: „Wir haben sie schon erwartet, unser Chefarzt möchte sie nämlich sprechen!“ und sie dann hereingebeten wurden. „Wie geht es meinem Partner?“ fragte Sarah und stürzte regelrecht zu Ben´s Zimmer, so dass Semir kaum nachkam. Als sie an sein Bett trat, wo eine Intensivpflegekraft gerade dabei war, einen Perfusor zu wechseln, wäre sie beinahe in Tränen ausgebrochen. Auf den ersten Blick konnte man erkennen, wie schlecht es um Ben stand. Er lag leicht seitlich angelagert, nur mit einem kleinen Tuch über die Hüften, da. Sein ganzer Körper war schweißbedeckt und das Gesicht wirkte extrem eingefallen, obwohl in scharfem Kontrast dazu seine Hände und Füße stark geschwollen waren. Die Infusionen und Perfusoren hatten sich um ein Vielfaches vermehrt, aber trotzdem war Ben´s Herzfrequenz bei beinahe 200 Schlägen in der Minute und dazu noch völlig arrhythmisch. Der Blutdruck war immer noch bei 200, obwohl Sarah sofort an den Aufklebern erkannte, dass man mit mindestens drei zusätzlichen Medikamenten versuchte, den Druck und die Herzfrequenz herunterzubringen. Die Temperatur war bei über 40°C und man probierte mit Wadenwickeln mechanisch zu kühlen. Die Einstellungen der Beatmungsmaschine zeigten 80% Sauerstoff und sehr hohe Drücke an-es ging Ben auf der ganzen Linie brutal schlecht. Obwohl Semir ja von der medizinischen Seite nichts verstand, genügte ihm der Anblick seines Freundes um zu sehen, dass der beinahe im Sterben lag.


    Sarah war an Ben´s Seite geeilt und hatte nach seiner geschwollenen Hand gegriffen. „Schatz, was machst du denn für Sachen?“ fragte sie weich und drückte ihn ganz fest. In diesem Augenblick stand ein älterer Arzt mit ernstem Gesichtsausdruck hinter ihnen und stellte sich vor: „Ich bin der Chefarzt dieser Abteilung, Dr. Steiner-hätten sie einen Moment Zeit für mich, ich würde gerne mit ihnen etwas besprechen!“ bat er sie. Sarah nickte, ließ fast widerstrebend Ben´s Hand los und folgte dem Arzt nach draußen. Semir wusste momentan nicht, ob er hierbleiben oder mitgehen sollte, aber als Sarah ihm über die Schulter einen hilfesuchenden Blick zuwarf, folgte er ihr. Der Doktor bat die beiden ins Arztzimmer und forderte sie auf, sich zu setzen. „Wie mir das Vormundschaftsgericht soeben mitgeteilt hat, sind sie befugt, die Dinge für ihren Lebensgefährten zu regeln. Ich bin sehr froh, dass das so schnell geht, denn ich fürchte, wir haben nicht mehr viel Zeit! Fakt ist, dass sich der Zustand von Herrn Jäger von Stunde zu Stunde verschlechtert, wir sind mit unserem Latein am Ende. Wir wissen weder, was ihm fehlt, noch können wir es behandeln. Was wir sicher wissen ist, dass er eine heftige Pneumonie hat-damit könnten wir umgehen, aber uns ist völlig schleierhaft, warum er krampft und warum sein Blutdruck so hoch ist. Man müsste jetzt eingehendere Untersuchungen, z. B. ein MRT vornehmen, aber wir sind hier ein Haus der Grundversorgung und haben leider kein Gerät, in dem wir beatmete Patienten untersuchen könnten. Die Laborwerte verschlechtern sich ebenfalls stündlich-Niere und Leber beginnen auszusteigen und wir können nichts dagegen tun. Ich habe schon gehört, dass er ein unbekanntes Medikament gespritzt bekommen hat-nur können wir leider mit den Untersuchungsmethoden die uns zur Verfügung stehen nicht herausfinden, was das war und ob das für seinen Zustand verantwortlich ist. Vielleicht hat er auch eine Epilepsie, die eben zufällig gerade jetzt zum Ausbruch gekommen ist und die für die Krampfanfälle verantwortlich ist, aber leider bringt uns auch diese Vermutung kein Stückchen weiter. Ich würde vorschlagen, wir verlegen ihn in eine Zentrum-von uns aus schicken wir die Patienten normalerweise ins Klinikum Rechts der Isar in München, das ein Teil der Universität ist-denen stehen andere Möglichkeiten zur Verfügung, aber wir müssen jetzt schnell handeln, denn sonst ist er nicht mehr transportfähig!“ sagte er und Sarah und Semir starrten ihn entsetzt an.Allerdings hatte sich Sarah nach wenigen Sekunden gefasst-sie musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren und das Beste für Ben entscheiden. „Würde etwas dagegen sprechen, ihn statt dessen in die Kölner Uniklinik zu verlegen-das wäre für uns heimatnah, außerdem arbeite ich dort!"-gut der Arzt musste ja jetzt nicht wissen, dass sie wegen ihrer Schwangerschaft gerade freigestellt war- "da war er auch schon als Patient, also sind Ausgangsdaten bekannt!“ fragte Sarah und der Arzt wiegte den Kopf hin und her. „Gut, der Transport würde zwar ein wenig länger dauern, aber wir würden ihn sowieso mit dem Hubschrauber verlegen, also spielt das jetzt keine allzu große Rolle!“ antwortete er und Sarah bat nun kurz entschlossen um das Telefon. Als ihr das überreicht wurde, rief sie in der Kölner Uni an, ließ sich dort mit dem zuständigen Chefarzt verbinden und nachdem sie kurz die Lage geschildert hatte, reichte sie den Hörer an den Chefarzt weiter. „Sie nehmen ihn!“ sagte Sarah erleichtert zu Semir und als der bayerische Arzt nun mit seinem Kölner Kollegen die wichtigsten Informationen ausgetauscht hatte, legte er auf, um sofort danach die Rettungsleitstelle anzurufen. „Wir brauchen in spätestens 30 Minuten einen Hubbi-wir haben eine Verlegung eines kritischen Intensivpatienten mit Multiorganversagen nach Köln!“ bestellte er den Transport und nun gingen Sarah und Semir noch kurz in das Zimmer zu Ben zurück, während die Vorbereitungen für die Verlegung vom Intensivpersonal anliefen. In dem ganzen Kuddelmuddel kam auch noch der Richter des zuständigen Vormundschaftsgerichts, nahm Augenschein und ließ Sarah noch einige Schriftstücke unterzeichnen.


    Niemand sah, wie ein kleiner Mann mit Bart und Baskenmütze mit einem grauen Hausmeisterkittel, einen Wagen mit Werkzeug schiebend, zur Intensiv herein fuhr. Er sah zwar Sarah und Semir, aber seine Verkleidung war so gut, dass ihn niemand erkannte. Mist-da waren einfach zu viele Leute-er kam an seine Opfer nicht heran-das würde er zu einem späteren Zeitpunkt erledigen müssen! Auch bei dieser Frau Gerkan war er schon gewesen, aber die saß abholbereit im Stuhl, hatte eine fitte Mitpatientin und auch zu der war gerade ein Arzt mit einem Brief in der Hand gekommen. So hatte der Chemiker unverrichteter Dinge wieder gehen müssen. Aber er würde seine Rache schon noch bekommen-Köln war nicht aus der Welt und er musste eh aus der Region verschwinden!

  • Während auf der Intensivstation der Stationsarzt den Verlegungsbrief schrieb und alle Befunde kopierte, machte das Intensivpersonal Ben sozusagen versandfertig. Einmal krampfte er noch schwach, aber die Hammermedikamente, die er deswegen bekam, konnten wenigstens das Schlimmste verhindern. Neben dem Hubschraubernotarzt kamen noch der begleitende Rettungsassistent und der Pilot- der sofort einen Kaffee bei den Schwestern schnorrte-und die komplette Besatzung eines RTW, da man Ben ja erst zum Hubschrauberlandeplatz bringen musste, der ein Stück neben dem Krankenhaus lag. Ben wurde, während der Notarzt eine gründliche Übergabe bekam, auf die Trage umgelagert und nun hängten die Rettungskräfte ihre eigenen Monitore und Perfusoren um. Man nahm von manchen Medikamenten noch vorbereitete Perfusorspritzen als Reserve mit, denn man würde ja ein wenig länger fliegen, als sonst üblich!


    Sarah sah bei den Vorbereitungen ein wenig aus der Entfernung zu und fragte dann schüchtern: „Kann ich bei ihnen mitfliegen-ich bin immerhin Intensivschwester?“ bat sie, aber die Besatzung des Helis schüttelte einvernehmlich den Kopf. „Das ist leider nicht möglich, denn mit jedem Passagier wird der Heli langsamer und wir wollen ihn ja so schnell wie möglich nach Köln bringen!“ erklärte man ihr und so sah Sarah schweren Herzens zu, wie man Ben letztendlich in den Flieger einlud. Der RTW, der ihn hingebracht hatte, drehte bei und wenig später begannen sich die Rotoren zu drehen und der Hubschrauber hob ab. Semir hatte seinen Arm um Sarah gelegt und der liefen nun die Tränen aus den Augen. Eigentlich war sie erleichtert, dass Ben in ihr Heimatkrankenhaus, auf das sie große Stücke hielt, verlegt wurde, aber andererseits würde es jetzt eine ganze Weile dauern, bis sie ihn wiedersah-wenn sie ihn überhaupt nochmals sah!


    Semir ging dann mit ihr gemeinsam zu Andrea und sie holten sie ab. Die humpelte zwar noch ein wenig, aber sonst gings ganz gut mit dem Laufen. Am Hotel angekommen, bat Semir die beiden: „Würdet ihr vielleicht schon mal die Koffer packen und an der Rezeption Bescheid sagen, dass wir abreisen, sie sollen die Rechnungen fertig machen, ich habe da vorne ne kleine Werkstatt gesehen-vielleicht können die provisorisch die Löcher zu machen!“ hoffte er und die beiden Frauen nickten. Sarah half Andrea die Eingangsstufen hoch und dann sagten sie der Rezeption Bescheid wegen der Rechnungen. Jede packte in ihrem Zimmer die Koffer und dann stand auch schon ein Mitarbeiter des Hotels mit einem Kofferkuli vor ihnen. Er hatte befürchtet, dass die beiden Frauen sonst auf die Idee kommen könnten, selber das Gepäck zu schleppen. Nach einem letzten prüfenden Blick in alle Schränke machten sie sich auf in die Eingangshalle und bezahlten mit Karte die Rechnungen. Der Hotelmanager eilte herbei und versicherte ihnen nochmals sein heftigstes Bedauern, dass der Urlaub so schrecklich enden musste. „Richten sie Herrn Jäger von mir und meinem Team die herzlichsten Genesungswünsche aus und wir hoffen, sie bald wieder als unsere Gäste begrüßen zu dürfen, wenn alles gut vorbei ist!“ sagte er und überreichte ihnen als kleines Geschenk des Hauses noch ein Lunchpaket und mehrere Flaschen Wasser für unterwegs. „Sie können ja nichts dazu-aber wir haben uns bis zum –Unfall- sehr wohl gefühlt!“ bestätigten die beiden und da kam auch schon Semir mit dem provisorisch mit Dämmschaum reparierten BMW zurück. Er lud die Koffer ein und schon waren sie auf dem Weg zurück in die Heimat. Sarah warf noch einen Blick zurück, aber sie wusste wirklich nicht, ob sie hier nochmals herwollte!


    Semir fuhr routiniert und zügig über die kurvigen Sträßchen. Kurz nach Freyung-Grafenau kam ihnen ein großer Polizeibus mit abgedunkelten Scheiben entgegen. „Da hat wohl das SEK schon wieder einen Einsatz!“ vermutete Semir „ob das mit unserem Fall zu tun hat?“ Wie Recht er hatte-die Beamten da drinnen würden nach Jantzer´s Aussage jetzt mit dem Korruptionssumpf bei der örtlichen Polizei aufräumen! Eine knappe Stunde später waren sie auf der A3 und nachdem die frei war und nur recht wenige Geschwindigkeitsbegrenzungen herrschten, gab Semir Stoff und sie brausten so zügig Richtung Heimat.


    Der Hubschrauber hatte inzwischen seine Höchstgeschwindigkeit, die bei knapp 300 Stundenkilometern lag, erreicht und war zweieinhalb Stunden später in Köln angelangt. Sie wurden auf dem Dach vom zuständigen Aufnahmeteam erwartet, das ja telefonisch schon darauf vorbereitet war, welcher Patient in welchem Zustand jetzt eingeliefert würde. Der Hubschraubernotarzt atmete laut und vernehmlich auf, als er seinen Patienten lebend übergeben hatte, denn ein paarmal war der in der Luft so kritisch instabil gewesen, dass sie befürchtet hatten, irgendwo landen zu müssen, um ihn zu stabilisieren, wenn nicht gar zu reanimieren. Der Platz im Hubbi war nämlich so knapp bemessen, dass man außer einen Patienten überwachen und ihm Medikamente zuzuführen, eigentlich gar nichts tun konnte, solange man in der Luft war.


    Man brachte Ben zunächst in den Eingriffsraum der Intensivstation und nahm in größeren Mengen Blut und Urin ab, um das auf alle möglichen und unmöglichen Erkrankungen und Gifte zu überprüfen. Der anästhesiologische Oberarzt, ein erfahrener Internist und ein Neurologe studierten erst gemeinsam die Verlegungsakte, checkten die Medikamente die Ben in Bayern schon erhalten hatte und untersuchten ihn dann von Kopf bis Fuß gründlich durch, ohne neue Erkenntnisse zu gewinnen. Er begann auch wieder latent zu krampfen, obwohl das Antiepileptikum ja sicher noch einen hohen Wirkspiegel im Blut aufwies. Darum wurde er gleich noch lumbalpunktiert, das heißt, man entnahm mit einer dünnen Nadel Rückenmarkswasser-Liquor, um eine entzündliche Hirnerkrankung auszuschließen. Als die ersten Laborbefunde eintrafen wurden die Gesichter der behandelnden Ärzte länger und länger. „Wenn wir nicht bald herausfinden was er hat, dann wars das!“ formulierte der Anästhesist, was alle drei dachten.Nachdem die Herzfrequenz nun kontinuierlich über 200 lag und deshalb der Körper nur noch unzureichend mit Sauerstoff versorgt wurde, obwohl man beatmungstechnisch inzwischen bei 100% angelangt war, beschloss man ihn zu cardiovertieren, das bedeutet, er bekam einen Stromstoß, um das Herz dazu zu bringen, langsamer zu werden. Ben´s Körper hob sich von der Unterlage, als der Strom durch seinen Körper jagte und wenigstens war die Frequenz danach nur noch bei 130-immer noch zu hoch, aber so konnte das Herz wieder effektiver pumpen!


    Man tauschte die Überwachungskabel und Ansatzstücke der Beatmung gegen reines Kunststoffmaterial, damit man ins MRT fahren konnte und die nächsten 15 Minuten wurde Ben´s Gehirn im Magnetresonanztomographen mit und ohne Kontrastmittel untersucht, ohne dass man neue Erkenntnisse gewann. Gleich danach legte man ihm einen sogenannten Shaldonkatheter in die Schlüsselbeinvene, damit man in hämofiltrieren konnte-das war eine sehr schonende Art der Dialyse, die über 24 Stunden lief und den Organismus nicht allzu sehr belastete, denn ansonsten hätte das Kontrastmittel der Niere den endgültigen Todesstoß versetzt.
    Weil das Fieber inzwischen über 41°C angelangt war, versuchte man ihn mit dem Thermacairgebläse und Eisauflagen herunter zu kühlen. Man füllte sogar Eiswasser über die Magensonde ein und ließ es im Magen eine Weile liegen, um ihn von innen zu kühlen. Was auch völlig paradox war, war der Blutdruck. Normalerweise wäre der bei diesem Zustand im Keller und man müsste kreislaufstützende Medikamente verabreichen, aber er hielt sich augenblicklich fast im Normalbereich bei 140/80.„Vielleicht hat er irgendeine exotische Infektionskrankheit, mit der er schon vor Urlaubsantritt infiziert war und die eben jetzt zufällig ausgebrochen ist?“ spekulierte der Internist. „Wenn seine Freundin kommt, müssen wir fragen, ob er in den letzten Wochen im Ausland war!“ beschlossen sie.
    Ben lag inzwischen auf einer speziellen Matratze an seinem Bettplatz auf der Inneren Intensiv in einem Einzelzimmer. Sarah´s Kolleginnen versorgten ihn vorbildlich, aber ihre erfahrene Stationsleitung sagte bei seinem Anblick: „Wenn Sarah nicht bald kommt, sieht sie ihn vielleicht nicht mehr lebend!“

  • Die Stimmung im BMW war sehr gedrückt. Kein munteres Geplauder wie auf der Herfahrt erfüllte den Innenraum. Gut war nur, dass der Verkehr floss und sie die ganzen neuralgischen Staupunkte ohne Verkehrsstockung überwinden konnten. Sie machten zwar mehrere kurze Pausen um jeweils an einer Raststätte zur Toilette zu gehen, aber das Lunchpaket leistete ihnen gute Dienste, denn so ging keine Zeit verloren. Sie waren kurz nach zehn losgefahren und würden vermutlich so gegen 17.00 Uhr ankommen. Sarah sah immer wieder auf die Uhr und rechnete durch, wann Ben wohl die Uniklinik erreichte. Sie wurde von Minute zu Minute nervöser und starrte auf ihr Handy. Sie konnte sich vorstellen, was gerade alles für Untersuchungen mit ihrem Freund angestellt wurden und hoffte sehr, dass die erfahrenen Mediziner eines Hauses der Maximalversorgung mit allen technischen Möglichkeiten irgendeine Diagnose stellen und vor allem, dass sie ihm helfen konnten!


    Kurz nach 14.00 Uhr rief sie schließlich auf ihrer Station an. Sie wusste zwar nicht, ob Ben tatsächlich dort lag, aber dann könnten ihre Kollegen ihr wenigstens mitteilen, wo sie ihn finden konnte. Ihre Stationsleitung, die keinen Schichtdienst leistete, sondern in der Regelarbeitszeit ihre Pflichten erledigte, war am Apparat und bestätigte, dass Ben auf ihrer Heimatstation lag. „Sarah, bisher wissen wir noch nicht, was ihm fehlt, es wurden viele Untersuchungen vom Labor, über LP und MRT gemacht. Er wurde cardiovertiert, hat einen Shaldon bekommen und wird jetzt gerade bei uns hämofiltriert. Wir kühlen ihn und ganz viele Proben sind im Labor zu eingehenden Untersuchungen, aber es geht ihm leider trotzdem sehr schlecht und bisher hat auch noch keiner das Ei des Kolumbus gefunden.“ informierte sie ihre junge Kollegin. „Und wie schätzst du die Situation ein?“ fragte Sarah bang, denn diese ältere sehr erfahrene Schwester hatte schon viel in ihrem Leben gesehen, aber leider fasste die nur in Worte, was Sarah schon befürchtet hatte. „Beeil dich lieber und komm so bald wie möglich her, ich weiß nicht, wie lange er noch durchhält!“ antwortete sie bedrückt.


    Sarah erzählte in kurzen Worten ihren Mitfahrern, was sie erfahren hatte und das waren nun wirklich keine tollen Neuigkeiten. „Sarah, denkst du nicht, du solltest Konrad und Julia verständigen?“ fragte Semir ernst und Sarah nickte bedrückt. Nachdem sie sich ein wenig gefasst hatte, griff sie wieder zum Telefon und wählte die Nummer von Ben´s Vater und danach der Schwester. Mit kurzen Worten und zitternder Stimme teilte sie ihnen die schreckliche Neuigkeit kurz mit und die versprachen, sich sofort auf den Weg zur Klinik zu machen.


    Um 16.30 Uhr waren sie endlich kurz vor Köln am Autobahnkreuz, an dem sie abfahren wollten, angelangt und plötzlich ging gar nichts mehr. Aus erst unerklärlichen Gründen stockte der Verkehr und dann man konnte man sehen, dass es eine kleine Kotflügelverbiegung mit mehreren beteiligten Fahrzeugen ein wenig vor ihnen gegeben hatte. Anscheinend gab es keine Verletzten, aber die Fahrer und Beifahrer waren ausgestiegen, der Verkehr stand auf allen Spuren und zwischen den stehenden Fahrzeugen rannten gestikulierende Menschen mit Handy am Ohr herum. Oh Gott! Das konnte dauern! Gerade hatte Semir begonnen, nervös mit den Fingern auf dem Lenkrad herum zu trommeln, da kam plötzlich von hinten mit Blaulicht über den Standstreifen ein Streifenwagen angefahren, in dem Semir sofort Dieter Bonrath und Jenni Dorn erkannte. Sobald sie ihn passiert hatten, scherte Semir aus, wich ebenfalls auf den Standstreifen und folgte dem Streifenwagen. Dieter legte eine Vollbremsung hin. Was fiel dem BMW hinter ihm denn ein? Er war auf einer Einsatzfahrt, war der Fahrer vom wilden Affen gebissen und meinte, er würde die Straße nur für ihn frei machen? Empört sprangen er und Jenni heraus, um den Verkehrssünder zur Rede zu stellen, aber als sie Semir erkannten und der ihnen mit kurzen Worten sein Dilemma schilderte, stiegen sie wieder ein, die Leuchtschrift: „Bitte folgen!“ lief über das Heckfenster und mit Blaulicht und Martinshorn wurden sie nun zur Uniklinik eskortiert, ob das nun Rechtens war, oder nicht.


    Sarah sprang aus dem Wagen, kaum dass der zum Stehen gekommen war und rannte beinahe zur Intensivstation. „Danke Dieter, danke Jenni!“ rief Semir den beiden uniformierten Polizisten zu, die nun wieder ihrer normalen Arbeit nachgingen. Die Unfallaufnahme hatten derweil andere Kollegen übernommen und Dieter sagte nur voller Kummer: „Halt uns auf dem Laufenden-wir denken an Ben und drücken ihm die Daumen!“ und Semir versprach, genau das zu tun. Er stellte erst einmal das Fahrzeug auf dem Krankenhausparkplatz ab, auch er und Andrea würden, bevor sie heimfuhren und Sarah dann vielleicht in ihre Wohnung brachten, erst mal bei Ben vorbeischauen. Immerhin lebte er noch, denn sonst hätten Sarah´s Kollegen ihr sofort Bescheid gegeben, mit denen sie immer wieder telefoniert hatte. Auch der Arzt war schon am Telefon gewesen und hatte Sarah nach einem fraglichen Auslandsaufenthalt ihres Partners gefragt, was sie aber verneinte.


    Als Sarah vor der Intensiv ankam und gerade hineinstürmen wollte, erkannte sie draußen in der Besucherecke Konrad und Julia die beide tief betroffen wirkten. „Was ist los-wart ihr schon drin?“ fragte sie erschrocken und Konrad nickte. „Gerade war ein Arzt bei uns und wollte Dinge aus Ben´s Vergangenheit und fragliche Erbkrankheiten wissen. Ben´s Mutter hatte einen Bruder der in jungen Jahren gestorben ist. Er war schwerer Epileptiker und hat sich bei einem Sturz tödlich verletzt, das ist uns eingefallen und jetzt haben uns die Ärzte raus geschickt!“ erklärte er. Sarah zögerte kurz, aber dann drückte sie einfach auf den Türöffner und betrat die Station. Eine Kollegin der Spätschicht sprang vom Computerarbeitsplatz an der Zentrale auf, an dem sie gerade geschrieben hatte: „Sarah, die machen gerade Abendvisite bei deinem Freund-bitte erschrick nicht, es geht ihm sehr schlecht!“ bat sie und begleitete dann ihre schwangere Freundin zu Ben´s Zimmer. Um sein Bett standen der anästhesiologische Chefarzt, der Stationsarzt, ein Neurologe und ein Internist. Die Stationsleitung war auch dabei-eigentlich hatten die alle schon Feierabend, aber gerade hörte Sarah noch die letzten Ausführungen des Neurologen: „-bleibt anzunehmen, dass eine erbliche Epilepsie jetzt ausgebrochen ist und zusammen mit der Sepsis bei Pneumonie für den Zustand verantwortlich ist!“
    Überrascht drehten sie sich um, als Sarah plötzlich vor ihnen stand. „Und wie erklärt ihr euch dann den hohen Blutdruck und dass er gestern früh noch munter wie ein Fisch im Wasser war? Das ist doch keine Erklärung dafür, wie er jetzt daliegt?“ schrie sie beinahe und ihre Freundin fasste sie erschrocken unter. „Leider doch-und etwas anderes können wir nicht finden!“ gab ihr der Chefarzt mit ernster Miene Bescheid und dann gingen die Ärzte, während Sarah vor Ben´s Bett nun beinahe zusammen brach.

  • Sarah´s Kollegin holte schnell einen Stuhl, auf den sie sie hinunterdrückte, damit sie nicht umfiel. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Das konnte doch nicht wahr sein! Weil die Ärzte eine Erklärung gefunden hatten, die sie befriedigte, wollten sie nicht mehr weitersuchen! Aber sie wusste genau, dass da noch etwas war und dass man etwas übersehen hatte! Langsam beruhigte sie sich aber-sie würde Ben am allerwenigsten helfen, wenn sie hier rumheulte! Sie musste jetzt selber ihren Kopf anstrengen, um herauszufinden, wie man ihn heilen konnte!


    Jetzt erst nahm sie wahr, wie elend Ben überhaupt da lag. Die Dialysemaschine neben seinem Bett förderte quälend langsam Blut aus dem einen Schenkel des Dialysekatheters. Dann lief es über eine Schlauchleitung in einen Filter auf dessen einen Seite die Dialyselösung und auf der anderen Ben´s Blut war. Durch die Membrane diffundierten bestimmte Stoffe aus dem Blut in die Lösung und das sozusagen „gewaschene“ Blut floss dann über den zweiten Schenkel in den Patienten zurück. Sarah besah sich die Beatmungseinstellung, studierte die Werte am Monitor und holte sich dann mit ihrem Passwort die Daten an den zweiten Bildschirm. Ihre Kollegen ließen sie gewähren-jeder einzelne von ihnen hätte genauso gehandelt, wenn ein Angehöriger auf ihrer Station liegen würde. Sarah würde dem Vater ihres ungeborenen Kindes nie schaden und so ließ man sie einfach schauen. Die Laborwerte hatten sich wirklich eklatant verschlechtert, seit dem Morgen. Die einzige positive Entwicklung war, dass durch die innerliche Kühlung, die zudem noch über die Hämofiltration lief, das Fieber gerade nur um 38°C und die Herzfrequenz nach der Kardioversion um 130 lag, was ein bisher gesunder Organismus auch über einen längeren Zeitraum kompensieren konnte.


    In diesem Augenblick läutete es draußen an der Intensiv. Semir und Andrea hatten sich zuvor mit Konrad und Julia unterhalten, die nun auch wieder heimfahren würden-sie konnten ja eh nichts machen- und baten darum, kurz hereingelassen zu werden, was sie auch durften. Andrea war fürchterlich erschrocken von Ben´s Anblick. Sie hatte ihn zum letzten Mal beim Frühstück am Vortag gesehen und es war fast nicht zu glauben, dass das derselbe Mensch war. Gestern noch voller Vitalität und heute dem Sterben nahe! Scheu traten sie und Semir nahe ans Bett, soweit das die Geräte überhaupt erlaubten und berührten Ben, dessen Haut immer noch feucht vor Schweiß war. „Bitte werd wieder gesund!“ bat Semir, der nun selber die Tränen fast nicht mehr zurückhalten konnte. „Haben sie herausgefunden, was ihm fehlt?“ wollte Andrea nun von Sarah wissen, aber die schüttelte den Kopf. „Die Ärzte denken, dass eine erbliche Epilepsie zufällig jetzt ausgebrochen ist und das Fieber und alle anderen komischen Werte von seiner Lungenentzündung kommen!“ sagte sie verzweifelt. „Aber ich weiß genau, dass es das nicht ist-wir müssen selber versuchen, herauszufinden, was ihm fehlt!“
    Andrea zweifelte nun ein wenig-die Ärzte hier würden schon wissen, was sie taten. Die Kölner Uniklinik hatte einen sehr guten Ruf. Vielleicht wollte Sarah nur nicht glauben, was leider offensichtlich war? „Und diese erbliche Epilepsie-ist das auch eine Gefahr für euer Kind?“ wollte sie dann wissen und hätte sich kurz darauf lieber die Zunge abgebissen, denn nun wurde Sarah blass-oh Gott, daran hatte sie ja noch überhaupt nicht gedacht! „Andrea ich weiß es nicht!“ sagte sie dann bedrückt.
    „Was willst du jetzt machen?“ fragte Semir. „Möchtest du hierbleiben oder fährst du erst noch kurz mit uns was essen und dich frisch machen?“ fragte er und nach kurzem Zögern stimmte Sarah zu. Ben war zwar sehr krank, aber momentan auf niedrigem Level stabil. Sie musste auch an ihr Kind denken, das brauchte Nahrung, sonst konnte es nicht wachsen und gedeihen. „Ich komme mit euch mit, bringe unser Gepäck noch in unsere Wohnung und komme nach dem Essen wieder her!“ beschloss sie und erhob sich dann von ihrem Stuhl. Sie beugte sich über Ben und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die eingefallene Wange. „Bis später Schatz, halt durch!“ befahl sie und ging dann schnell hinaus, so dass Andrea und Semir fast Mühe hatten ihr zu folgen. Gerade Andrea humpelte noch und beschloss, nachher wieder eine Schmerztablette zu nehmen und zuhause die Beine hoch zu legen. Sie hatten von unterwegs ihre Eltern angerufen, die auch den Kindern schon gesagt hatten, dass Mama und Papa ein wenig früher zurückkommen würden. Margot hatte einen großen Topf deftiger Suppe gekocht, damit die Reisenden auch etwas Gutes im Magen hatten, nach der langen Fahrt.


    Wenig später wurden Andrea und Semir begeistert von ihren Töchtern empfangen, während Margot Sarah tröstend in die Arme nahm. „Ich habe schon gehört-bloß den Mut nicht aufgeben, Ben ist ein Kämpfer!“ flüsterte sie der dunkelblonden jungen Frau ins Ohr, die nur mühsam die Tränen zurückhalten konnte. „Wo ist Ben?“ fragte Ayda neugierig, denn normalerweise kamen Sarah und Ben immer gemeinsam, oder Ben alleine, aber nur Sarah-das war ungewohnt. „Schatz, der ist krank und liegt im Krankenhaus!“ erklärte Andrea ihrer Tochter und nachdem sie sich die Hände gewaschen hatten, nahmen nun alle um den großen Tisch im Esszimmer Platz und stärkten sich. Nach dem Essen legte Andrea sich aufs Sofa und kuschelte mit ihren Kindern, die nun wissen wollten, was die Mama für ein Aua am Bein hatte. Semir hielt Sarah einladend die Tür auf: „Du kannst auch gerne bei uns bleiben, wenn dir zuhause die Decke auf den Kopf fällt!“ lud er sie ein, aber Sarah schüttelte den Kopf. „Ich bringe nur kurz die Sachen hoch, mache mich ein wenig frisch und packe was zu Trinken ein und dann fahre ich wieder zu Ben ins Krankenhaus. Ich nehme meinen Wagen, dann bin ich flexibel und kann jederzeit nach Hause, wenn ich schlafen möchte!“ teilte sie Semir ihren Plan mit.


    Schweigend fuhren sie durch die Nacht und an Ben´s Wohnung angelangt, packte Semir die beiden Koffer. „Finger weg!“ warnte er Sarah. „Du bist schwanger und wirst auf gar keinen Fall etwas Schweres tragen!“ erklärte er ihr, während er schon die Treppe erklomm. Sarah schlüpfte in ihre Jacke, die sie, seit sie aus der Höhle gekommen waren, nicht mehr angehabt hatte. Während sie Semir die Treppen hinauf folgte, fasste sie unwillkürlich in ihre Jackentasche und stellte plötzlich fest, dass die unten ein kleines Loch hatte. Sie begann fieberhaft zu tasten und tatsächlich, unten im Futter konnte sie einen Fremdkörper spüren. War das vielleicht die verschollene Spritze? Kaum oben angelangt, sperrte sie die Tür auf, riss sich die Jacke herunter, rannte ins Bad und kam mit einem spitzen Nagelscherchen zurück, mit dem sie das Futter auftrennte. Semir sah ihr mit gerunzelter Stirn zu und riss erstaunt die Augen auf, als Sarah mit zitternden Fingern die Spritze hoch hielt. „Ich bringe die gleich ins Krankenhaus-dann können die im Labor schauen, was Ben für ein Teufelszeug gespritzt gekriegt hat!“ sagte Semir schon auf dem Sprung, aber Sarah schüttelte den Kopf. „Die werden sich keine Mühe mehr geben, denn in ihren Augen haben die eine Diagnose gefunden, aber ich glaube, ich weiß, wer uns da helfen kann!“ sagte Sarah langsam, während Semir schon Hartmuts Handynummer wählte.

  • Hartmut hatte eine Stunde vorher Feierabend gemacht, sich auf dem Heimweg noch ein paar Chinanudeln vom Imbiss um die Ecke mitgebracht und verzehrte die gerade genüsslich vor dem Fernseher. Anschließend würde er noch ein wenig zocken und heute bald schlafen gehen-die gestrige Nacht war doch wegen Andrea und Semir recht kurz gewesen! Er war zwar sehr froh, dass Semir seine Frau mit seiner Hilfe hatte befreien können, aber dass es Ben immer noch so schlecht ging, betrübte ihn schon. Irgendwie war die PASt-Familie halt mehr seine Familie, als irgendwelche Verwandten! Genau als er diese Überlegungen anstellte, klingelte sein Smartphone. Nach einem Blick aufs Display stellte er fest, dass Semir anrief. „Ja, Semir was gibt’s?“ wollte er wissen und schluckte den letzten Bissen Nudeln hinunter, während er den Fernseher lautlos stellte. „Hartmut, wo bist du?“ fragte Semir aufgeregt und der antwortete: „Na zuhause, warum fragst du?“ Nun erklärte Semir mit kurzen Worten ihren Fund und erzählte auch, dass nach Sarah´s Meinung sich die Ärzte im Krankenhaus nun auf eine Diagnose eingeschossen hatten und deshalb vermutlich den Spritzeninhalt gar nicht mehr so sonderlich beachten würden. Hartmut überlegte kurz und sagte dann: „Bring die Spritze in die KTU, ich komme ebenfalls dahin, ich bin in etwa 20 Minuten da!“ und damit erhob er sich und griff schon nach seinem Autoschlüssel. Semir teilte Sarah ihren Treffpunkt mit und die sagte: „Ich denke, so eine Analyse wird eine ganze Weile dauern. Ich werde derweil zu Ben ins Krankenhaus fahren. Rufst du mich an, wenn du Neuigkeiten weißt?“ und Semir nickte. Sarah holte aus einer Schublade ihren Poloschlüssel, packte sich noch eine Flasche Wasser ein und gemeinsam mit Semir verließ sie die Wohnung. „Ich hoffe so sehr, dass Hartmut etwas herausfinden kann!“ wünschte sie sich und Semir pflichtete ihr bei. Wenig später fuhren die beiden in verschiedene Richtungen davon und Semir kam fast gleichzeitig mit Hartmut in der KTU an.


    Hartmut zog seinen weißen Laborantenkittel an und übernahm die Spritze, die noch einige Reste enthielt, von Semir. Der stellte sich hinter Hartmut auf, während der seine Computer und das Massenspektrometer hoch fuhr. Nachdem er die erste Probe da durchgejagt hatte sagte er: „Semir-kannst du nicht irgendwo anders hingehen-du nervst. Das hier ist ein hoch komplexes Mittel, wie ich nach der ersten groben Draufsicht sehen kann, das wird eine ganze Weile dauern, bis ich da was herausgefunden habe, bitte lass mich alleine-ich ruf dich an, sobald ich was weiß, aber das könnte auch die ganze Nacht dauern!“ bat er und Semir verließ sofort die KTU. In der Tür drehte er sich nochmal um. „Beeil dich trotzdem Hartmut, ich glaube Ben hat nicht mehr viel Zeit!“ sagte er bedrückt und Hartmut verabschiedete ihn mit einem Nicken.


    Der Chemiker hatte im Krankenhaus in Freyung gehört, dass sein erstes Opfer nach Köln verlegt werden sollte und machte sich deshalb zügig auf den Weg zu seinem Wagen. Den Hausmeisterkittel warf er wieder in den Wäschesack, wo er ihn herhatte. So schnell würde das wohl nicht gehen mit seiner Rache-obwohl, was er gesehen hatte, hatte ihn fast darin bestätigt, dass sich das Thema Jäger in Kürze von selber erledigen würde. Aber es blieben immer noch die drei anderen. Die würden vermutlich bald abreisen, aber er hatte ja deren Heimatadressen und so hatte er keine Eile! Er kaufte sich im Supermarkt noch einige Getränke und Süßigkeiten, aß in aller Ruhe ein süßes Teilchen und trank einen Kaffee to go dazu. Dann wollte er vor seiner Abreise noch von seiner Kontaktperson in der Polizeizentrale wissen, wo er heute mit Straßenkontrollen zu rechnen hatte, aber als er deren Nummer gewählt hatte, ging ein ganz anderer Mann als der Erwartete ans Telefon. Er hörte auch ein verdächtiges Knacken in der Leitung-da versuchte zugleich jemand seinen Standort zu ermitteln! Verdammt, jetzt war er auf der ganzen Linie aufgeflogen!“ Mit einem Fluch schaltete er das Handy aus, entfernte Akku und Sim-Karte und warf es weg. Gut dass er noch Alternativen hatte und seine wichtigen Nummern wusste er sowieso auswendig-er hatte ein fast absolutes Zahlengedächtnis. Gemächlich stieg er in den Mercedes und tuckerte langsam auf verschnörkelten Routen aus dem Bayerischen Wald.


    Sarah war derweil wieder bei Ben eingetroffen. Ihre Kollegen hatten ihn gerade abgesaugt und anders hingelegt. „Normalerweise müssten wir ihn auf den Bauch legen wegen seiner Lunge, aber das geht nicht, solange er hämofiltriert wird!“ erklärte ihre Kollegin, die inzwischen in der Nachtschicht Ben´s Betreuung übernommen hatte. Sie schob Sarah einen bequemen Stuhl neben das Bett und die setzte sich ganz nah zu Ben, streichelte ihn und hielt seine heiße Hand. „Ben-halt durch, es gibt wieder Hoffnung!“ sagte sie leise. „Hartmut findet gerade ein Gegenmittel-da bin ich überzeugt von!“ und dann begann Sarah plötzlich in sich hinein zu lauschen. Sie hatte da etwas gefühlt, das war ganz merkwürdig. Erst hatte sie nicht gewusst, was es sein könnte, aber dann legte sie ihre und Ben´s Hand auf ihren Bauch. Mit Tränen in den Augen flüsterte sie: „Ben, spürst du es auch? Unser Baby-es tritt!“

  • Semir war wieder zu seiner Familie nach Hause gefahren. Die Kinder waren inzwischen im Bett und Andrea lag auf dem Sofa, neben sich ein Glas Rotwein und erzählte ihren Eltern von den Ereignissen der Woche. Er setzte sich dazu. Sein Schwiegervater, der ein Glas Bier vor sich hatte, fragte: „Trinkst du auch was mit?“ aber Semir schüttelte den Kopf. „Ich muss vielleicht später noch fahren!“ sagte er und nun sah ihn Andrea fragend an. Er erzählte von dem Spritzenfund und nun begannen Andrea´s Augen zu leuchten. „Hartmut findet sicher raus, was es ist!“ bekräftigte sie und Semir erwiderte: „Ja gut und schön, aber das alleine hilft Ben auch nicht-und außerdem ist das ja nur eine Vermutung von Sarah und mir, dass die Spritze etwas mit Ben´s Zustand zu tun hat-die Ärzte sind da einer anderen Überzeugung und nur zu wissen, was es ist, macht Ben auch noch nicht gesund!“ erklärte er, aber Andrea sagte zuversichtlich: „Vertrau dem Superhirn!“ Eine Stunde später begannen alle Anwesenden zu gähnen. Semir sah auf die Uhr. Sollte er Hartmut anrufen und fragen, wie weit er inzwischen war? Aber dann verwarf er den Gedanken wieder. Das würde den nur unter Druck setzen-er würde sich schon rühren, wenn er etwas hatte und während Andrea und ihre Eltern nun auch ins Bett gingen, streckte sich Semir in voller Montur auf dem Sofa aus, damit er sofort startklar war, wenn Hartmut anrief.


    Sarah hatte im Krankenhaus ebenfalls von ihren Kollegen einen Schlafstuhl und eine Zudecke bekommen. Ben ging es weiterhin so schlecht, dass man jederzeit mit seinem Ableben rechnen musste und da durften die Angehörigen natürlich rund um die Uhr bei ihm sein-da wurde wegen Sarah auch keine Ausnahme gemacht, sondern das handhabte man immer so. Sarah legte sich ein wenig flach, hielt Ben´s fiebrige Hand und döste vor sich hin. Seine Herzfrequenz wurde langsam wieder schneller, die Cardioversion hatte nur einen vorrübergehenden Effekt erzielt. Wenn Hartmut nicht bald etwas fand, würde Ben definitiv sein Kind nicht aufwachsen sehen!


    Der Chemiker hatte sich langsam über Schleichwege aus dem Bayerwald entfernt. Er atmete dann doch erleichtert auf, dass er aus purem Zufall in keine Kontrolle gekommen war. Bei Regensburg fuhr er dann auf die A3 und ein Stück vor Köln checkte er in einem Autobahnhotel einer großen Kette ein. Da war so ein Durchsatz an Menschen, die nur eine Nacht blieben, dass er überhaupt nicht auffiel. Er gönnte sich im Restaurant ein leckeres Essen und schlief dann tief und traumlos bis zum nächsten Morgen. In Bayern und Tschechien lief derweil erfolglos die Fahndung nach ihm. Seine Helfershelfer waren fast alle verhaftet, bis auf ein paar tschechische Hilfskräfte und der Einsatzleiter, der extra aus München herbeordert worden war, saß nun mit Hintersteiner, der immer noch mit einem Dauergrinsen rumlief, bei einem Bier. Ein paar Halbe später probierten sie noch den einheimischen Kräuterschnaps und am nächsten Morgen hatte der Münchner Kollege nur noch unbestimmte Erinnerungen an den Vorabend-aber eines wusste er: „Nie mehr Blutwurz!“


    Hartmut hatte derweil viele Versuchsreihen gestartet. Immer mehr entschlüsselte er die chemische Zusammensetzung der Probe. Was da alles drin war, wusste er schon lange, aber das genaue Mischungsverhältnis musste er erst herausfinden. Irgendwann war ihm klar, was er da in Händen hatte und auch, wie es ungefähr auf den Organismus wirkte, aber damit war Ben ja noch lange nicht geholfen! Also strengte er seinen Grips an, schlug immer wieder im Internet und seinem zerfledderten Chemiebuch nach und allmählich wusste er auch schon, was in einem Gegenmittel alles drin sein musste. Er experimentierte herum und irgendwann, morgens um drei war es so weit: Er hatte vermutlich ein Gegengift gefunden! Es war ein weißes Pulver und er war fast sicher, dass es wirken könnte, aber eben nur fast! Normalerweise wären jetzt Versuche am lebenden Objekt dran und er erwog schon, jetzt irgendwo weiße Mäuse aufzutreiben, aber dann schalt er sich. Er war eigentlich ein Gegner von Tierversuchen und außerdem würde das zu lange dauern. Sollte er es wagen? Wenn Ben starb, würde er sich immer Vorwürfe machen! Wenn der nach der Verabreichung des Mittels aber einschlief, würde er das Gefühl haben, ihn ermordet zu haben-welcher Tatbestand damit vermutlich auch gegeben war, na ja zumindest Totschlag. Starb der jetzt allerdings einfach so und er hatte zwar das Gegenmittel gefunden, ihm aber nicht, oder zu spät, gegeben, dann war er moralisch ebenfalls an seinem Tod schuld, obwohl ihm dann rechtlich ja nichts passieren konnte. Hartmut wusste eines, nachdem er nun das Medikament, oder eher Gift besser kennengelernt hatte. Ben hatte ohne Antidot keine Chance. Das war so ein Teufelszeug-das wirkte im Gehirn, aber wenn es die Blut-Hirnschranke einmal überwunden hatte, war es vom Körper weder abbaubar, noch konnte es herausdialysiert werden. Jeder, der es erhalten hatte, war ohne Gegenmittel rettungslos verloren!
    Hartmut brachte das Pulver durch Aufkochen und Verdünnen noch in eine Form, in der man es injizieren konnte-er kam sich ein wenig vor wie ein Junkie dabei-und dann packte er die gefüllte Spritze, versehen mit einem sterilen Stopfen in seine Jackentasche und rief Semir an.

  • Semir war irgendwann auf seinem Sofa in einen unruhigen Schlaf gefallen. Als sein Handy klingelte war er allerdings sofort hellwach. „Ja, Hartmut-hast du was?“ fragte er hoffnungsvoll und nun versuchte Hartmut ihm zu erklären: „Ja, eigentlich schon, aber ich bin mir nicht sicher!“ teilte der ihm mit. „Was soll das heißen?“ fragte Semir, während er schon aufgesprungen und in seine Schuhe geschlüpft war. „Ich denke, ich habe ein Gegenmittel gefunden, aber das Ganze ist sehr komplex und…“ begann Hartmut weitschweifig, wurde aber von Semir jäh unterbrochen. „Soll ich zur KTU fahren und es abholen, oder möchtest du mit ins Krankenhaus kommen?“ fragte er kurz angebunden und nun gab sich Hartmut geschlagen-es konnte ihm aber nie jemand richtig zuhören! „Ich komme zum Krankenhaus!“ sagte er ergeben und sperrte auch schon die KTU zu.
    Semir versuchte es erst auf Sarah´s Smartphone, aber wegen der abgeschirmten Wände hatte er keinen Empfang, daher rief er auf der Station an: „Könnten sie Sarah ausrichten, dass wir in etwa 20 Minuten bei ihr sind?“ fragte er und die Schwester am Telefon wollte gerade zu einer weitschweifigen Erklärung ansetzen, dass zu nachtschlafener Stunde nicht einfach Hinz und Kunz auf die Intensivstation dürften, aber Semir fuhr ihr regelrecht über den Mund. „Richten sie ihrer Kollegin einfach aus, dass wir jetzt kommen!“ sagte er barsch und legte auf.


    Sarah hatte gerade wieder Ben mit Kummer in den Augen angesehen. Irgendwie verfiel er von Minute zu Minute. Trotz der schweren Antiepileptika krampfte er nun die ganze Zeit vor sich hin, der Puls war wieder bei 180 angelangt und vorher war der Arzt bei ihr gewesen und hatte mit ihr gesprochen. Er hatte ihre Hand genommen und mit ernster Miene zu ihr gesprochen: „Sarah, es geht dem Ende zu. Obwohl er ein junger gesunder Mann war, bevor er diesen Unfall erlitten hat, sind wir jetzt mit unserem Latein am Ende. Ich denke nicht, dass dein Freund die Nacht überlebt!“ hatte er zu ihr gesagt und Sarah hatte stumm genickt.
    Nein, das durfte nicht wahr sein! Sie erinnerte sich voller Sehnsucht an den unbeschwerten Tag, als sie mit dem Pferdeschlitten gefahren waren. Sie fühlte die Schneeluft in ihrem Gesicht und hörte Ben´s umwerfendes Lachen, während jetzt nur noch eine beinahe leere Hülle mit verkrampftem Kiefer vor ihr lag und mit letzter Kraft gegen den Tod kämpfte, der schon im Zimmer stand. Inzwischen hatte sie die Hoffnung aufgegeben, dass sogar wenn Hartmut irgendetwas fand, das Mittel noch rechtzeitig genug kommen würde. So oft hatte sie schon dem Sterben ihrer Patienten beigewohnt, aber nun war es etwas völlig anderes. Sie hatte Ben´s Hand ganz fest gehalten, deren Muskeln inzwischen in einem Status epileptikus komplett verkrampft waren und flüsterte leise: „Ben ich bleibe bei dir bis zu deiner letzten Sekunde, ich lass dich nicht alleine! Ich verspreche dir, ich werde unser Kind alleine aufziehen und ihm alle Liebe geben, die ich in mir habe. Ich werde ihm vom besten Vater erzählen, den es hatte und du schaust uns von irgendwoher zu. Quäl dich nicht mehr-wenn du keine Kraft mehr hast, dann geh!“ sagte sie schweren Herzens, mit Tränen in den Augen zu ihm.


    Als ihre Kollegin nun zu ihr trat und sagte, dass ein Freund angerufen habe, dass er jetzt zu Besuch kommen würde, nickte sie traurig. „Lässt du Semir bitte herein, wenn er da ist-er ist einer von Ben´s wichtigsten Menschen in seinem Leben-er hätte ihn sicher auch gerne im Sterben bei sich!“ erklärte sie ihrer Kollegin, der es ebenfalls beinahe das Herz zerriss, als sie ihren Patienten und Sarah so vor sich sah. Sie nickte stumm und als es 20 Minuten später draußen läutete, wies sie den beiden Männern den Weg und schloss dann die Schiebetür hinter den Dreien. Hartmut hatte im Heraufweg Semir nochmals erklären wollen, was es mit diesem Mittel auf sich hatte, aber der hörte ihm gar nicht richtig zu. „Warte bitte, bis Sarah mithören kann, die versteht da mehr davon!“ bat er ihn und so standen sie wenig später völlig entsetzt vor Ben´s Bett. Der Status war schrecklich anzusehen und von Ben hatte bereits eine geisterhafte Blässe Besitz ergriffen. Sarah hielt seine Hand und sagte leise: „Semir er stirbt gerade-komm fass ihn an und versichere ihm, dass er nicht alleine ist!“ bat sie und Semir legte seine Hand nun tatsächlich auf Ben´s Oberkörper, der von kaltem Schweiß überzogen war.


    Hartmut räusperte sich und sagte dann hilflos: „Ich habe ein Antidot gefunden, aber ich habe erstens keine Ahnung, ob und wie es wirkt und ich glaube inzwischen auch, es ist zu spät und außerdem wird ihm das ohne Zulassung kein Arzt spritzen!“ sagte er beklommen. Dann erzählte er nochmals seine Geschichte mit der Blut-Hirnschranke, der Hyperosmolarität und der Molekülgröße, ohne das Gefühl zu haben, dass ihm einer zuhörte. Dann zog er einfach die Spritze aus der Tasche und reichte sie Sarah: „Da-tu damit, was du willst!“
    Die hatte nur mit einem Ohr zugehört, denn innerlich war sie ganz intensiv und nahe bei Ben, aber nun sah sie die Spritze in ihrer Hand an. Hatten sie etwas zu verlieren-nein. Würde ein Arzt es erlauben, dass man ihm ein nicht zugelassenes Mittel spritzte-nein. Würde es überhaupt jemand erfahren, außer den drei Menschen hier im Zimmer-ja vielleicht, aber erst bei der Obduktion. Würde Ben wollen, dass sie einen Versuch wagte-ja, er hatte in seinem ganzen Leben das Risiko gesucht. Und so nahm Sarah nun, ohne noch lange zu überlegen, den Stopfen von der Spritze und setzte sie am ZVK an. Wenn Ben nach der Injektion sofort starb, dann hatte sie ihm vielleicht eine Stunde Lebenszeit genommen, man konnte dann sogar sagen, sie habe ihm Sterbehilfe geleistet, denn der unmittelbare Sterbeprozess hatte bereits begonnen- aber das nahm sie auf ihre Kappe, denn Ben´s Leiden war nicht mehr mit anzusehen. „Wie viel?“ fragte sie leise, aber Hartmut zuckte mit den Schultern. Sarah entleerte nun kurz entschlossen die Hälfte des Spritzeninhalts in Ben´s Zugang und stöpselte den dann wieder ab. Auch die Spritze verschloss sie wieder und ließ sie in ihrer Handtasche verschwinden, damit keiner ihrer Kollegen misstrauisch wurde. Auch Hartmut war nun zu seinem Freund und Kollegen getreten und hatte ihn angefasst. Du lieber Himmel-was tat man in so einer Situation. Hartmut war noch nie dabei gewesen, wenn jemand, den er kannte, starb. Musste man da nicht beten? Aber leider fiel ihm außer einem Gutenacht-Gebet für Kinder im Augenblick überhaupt nichts ein und ob: „Ich bin klein, mein Herz ist rein…“ jetzt so passend war, wagte er zu bezweifeln.


    Erst einmal geschah nach der Injektion des Medikaments gar nichts. Sarah war sogar froh darüber, denn sonst hätte sie wohl immer das Gefühl gehabt, Ben zu Tode gespritzt zu haben, auch wenn das eigentlich ein Blödsinn war, denn der wahre Täter war ja der Chemiker gewesen. Allerdings hatte sie nach einer ganzen Weile das Gefühl, dass sich die Krämpfe lösten und langsam nahm Ben´s Gesicht einen entspannten Ausdruck an. War es jetzt soweit? Durchschwamm er jetzt gerade den großen Fluss ohne Wiederkehr? Dann allerdings begann die Herzfrequenz allmählich zu sinken und pendelte sich bei etwa 90 ein. Der Blutdruck sackte allerdings auch ab und die Kollegin, die von draußen am Monitor das Ganze beobachtete, rief kurz den Arzt an, ob man da noch reagieren sollte, oder ob die Prognose völlig infaust war. „Natürlich hängen wir noch Noradrenalin an!“ entschied der Arzt. „Er bekommt jede Chance, die er kriegen kann!“ und schon zog die Schwester den Perfusor auf und startete wenig später das Medikament. Auch ihr fiel die Veränderung ihres Patienten auf. Er wirkte so friedlich. Entweder war es jetzt dann so weit, oder irgendetwas war geschehen, was niemand für möglich gehalten hätte. Unauffällig fuhr sie den Notfallwagen vor die Zimmertür, vielleicht würde man den bald brauchen, aber als eine ganze Stunde ins Land gegangen war, ohne dass sie ihn benötigt hatten, stellte sie ihn wieder an seinen gewohnten Platz. Langsam, beinahe unmerklich begann es Ben immer besser zu gehen und Sarah die ihn die ganze Zeit gebannt beobachtete, wagte es kaum zu glauben, aber das Gegenmittel wirkte!

  • Hartmut begann nun zu gähnen. Wenig später kam der Stationsarzt herein und untersuchte Ben kurz durch. „Es ist erstaunlich, aber er stabilisiert sich!“ sagte er überrascht. „Ich kann natürlich noch keine endgültige Entwarnung geben, aber ich würde sagen, er schwebt aktuell nicht mehr in Lebensgefahr!“ teilte er ihnen mit und Sarah brach nun vor Erleichterung in Tränen aus. „Wir werden jetzt dann nochmals großes Labor abnehmen und die Hirnströme messen, aber ich sehe keine Krämpfe mehr-das ist ein gutes Zeichen!“ teilte er ihnen mit. „Möchten sie nicht auch ein paar Stunden nach Hause gehen und sich ein wenig hinlegen?“ sagte er zu den Anwesenden. „Vor allem du Sarah? Du siehst ganz schön fertig aus und ich denke euer Kind braucht auch ein wenig Erholung!“ beeinflusste er sie und nach kurzem Nachdenken willigte Sarah ein. Ben würde jetzt von ihren Kollegen dann sowieso gewaschen und gerichtet werden, die Visiten würden stattfinden und die Intensivroutine würde anlaufen. „Versprecht ihr mir, dass ihr mich sofort anruft, wenn es eine Verschlechterung gibt?“ versicherte sich Sarah und der Arzt nickte. „Natürlich-ich werde das der Tagschicht übergeben und jetzt wird es wirklich Zeit, dass ihr alle miteinander ins Bett kommt!“ bestimmte er, denn auch der große rothaarige Mann sah aus, als würde er in Kürze aus den Latschen kippen.


    Sarah küsste Ben noch kurz auf die Stirn, Semir und Hartmut strichen ihm über die Schulter und dann verließen sie gemeinsam die Intensivstation. Am Parkplatz unten trennten sich ihre Wege. „Ich schreibe Frau Krüger wenn ich zu Hause bin noch eine kurze Mail, Hartmut, dass du die ganze Nacht gearbeitet hast-du brauchst heute sicher nicht mehr zum Dienst erscheinen!“ erklärte Semir und Sarah drehte sich nun zu dem großen Mann um und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, so dass er ein wenig rot anlief. „Danke Hartmut-du hast ihn gerettet, ohne dein Genie wäre Ben jetzt tot!“ sagte sie gerührt und nun fuhren alle drei in verschiedene Richtungen davon, um sich schlafen zu legen, während langsam die Morgendämmerung über Köln hochzog.


    Zuhause schrieb Semir, wie er versprochen hatte, noch eine kurze Mail an Frau Krüger und teilte ihr die Neuigkeiten mit. Dann schaute er, ob Andrea die Jalousien im Schlafzimmer auch geschlossen hatte, was der Fall war und nach einer kurzen Wäsche und Zähneputzen kroch er neben Andrea ins warme Bett. Die erwachte ein wenig und kuschelte sich an ihn ran: „Und, hat Hartmut was gefunden und hat das Mittel geholfen?“ wollte sie dann schlaftrunken wissen und Semir nickte. „Ich erzähl´s dir morgen genau, aber ich muss jetzt ein paar Stündchen schlafen!“ teilte er ihr mit und gemeinsam drifteten sie wieder ins Land der Träume. Andrea´s Eltern hatten versprochen, die Kinder morgens fertig zu machen, so dass auch Andrea keinen Wecker gestellt hatte und ebenfalls erst mal bis neun Uhr schlief. Dann zwickte allerdings ihr Oberschenkel und so stand sie seufzend auf und ging erst einmal frühstücken. Ihr Vater fuhr sie danach zum Hausarzt, der den Verband wechselte und sich die Wunde ansah. „Ich denke, sie sollten ein Antibiotikum nehmen, die sieht ein wenig gerötet aus.“ teilte er ihr mit. „Und bitte viel liegen und schonen!“ befahl er und gab ihr gleich noch eine Krankmeldung mit. „Kind, wir bleiben so lange, bis du wieder fit bist und versorgen unsere Enkel und den Haushalt“ teilte ihr ihr Vater mit und Andrea sagte leise: „Danke, wenn ich euch nicht hätte!“


    Während die Hauptpersonen noch den Schlaf der Gerechten schliefen, war der Chemiker nach einem Abstecher zum Frühstücksbuffett frisch gestärkt wieder in seinen Wagen gestiegen und nach Köln gefahren. Dort mietete er sich in einem kleinen unscheinbaren Hotel in der Innenstadt ein und erzählte der Rezeptionistin eine Story von einem Städte-Bildungsurlaub, der ihn die nächsten Tage bis Wochen in Köln festhalten würde. Er bezog sein Zimmer, stellte seinen Wagen gegen eine horrende Gebühr auf den hoteleigenen Parkgaragenstellplatz ab und machte sich dann erst mal auf, die Stadt zu erkunden. Er hatte Zeit-aber er würde seine Opfer in Kürze ausfindig machen und dann einen Plan schmieden, wie er sie grausam töten konnte!

  • Sarah war wirklich in ihrer Wohnung einfach ins Bett gefallen und eingeschlafen. Zu anstrengend war die Rückreise und danach die emotionale Achterbahnfahrt im Krankenhaus gewesen. Gegen Mittag wachte sie auf und war fast erschrocken, dass es schon so spät war. Beinahe panisch sah sie auf ihr Handy, aber da war kein Anruf drauf. Sie brühte sich einen Tee auf, aß ein wenig Müsli mit H-Milch, die sie Gott sei Dank im Haus hatte und duschte sich und wusch ihre Haare. In ihrem Bauch ging es rund-das kleine Wesen darin schlug anscheinend gerade Purzelbäume und mit einem Lächeln sagte sie laut zu ihm: „Da hast du aber mit deinem Papa nichts gemeinsam-der ist ein Morgenmuffel!“
    Obwohl-immerhin war es schon Mittag und nun hatte Sarah es plötzlich sehr eilig, ins Krankenhaus zu kommen. Und was war, wenn es Ben wieder schlechter ging, die Ärzte sie aber wegen ihrer Schwangerschaft nicht beunruhigen wollten? Sie drückte aufs Gas und beinahe wär sie geblitzt worden, aber in letzter Sekunde sah sie die Laserpistole und verlangsamte ihre Fahrt. Sie stellte ihren Wagen in die Personaltiefgarage, in der erstaunlicherweise sogar ein Platz frei war-eher selten sonst zur Mittagszeit- und eilte zur Intensivstation. Ohne zu läuten betrat sie die Räumlichkeiten und ging in Ben´s Zimmer. Da kam auch schon die Stationsschwester mit einem breiten Lächeln auf sie zu. „Dein Freund ist ein Teufelskerl, der erholt sich in wahnsinnig schnellem Tempo!“ sagte sie und Sarah fiel ein Stein vom Herzen.


    Ein Laie wäre vielleicht von dem Anblick, der sich ihr bot, erschrocken, aber Sarah sah auf den ersten Blick, dass Ben in Bauchlage war. Die Dialysemaschine war verschwunden und als Sarah den Monitor musterte, konnte sie erkennen, dass Ben´s Herzfrequenz rhythmisch und um die 90 war. Er hatte zwar noch Noradrenalin laufen, aber darunter einen stabilen Blutdruck von 120/80 mm/Hg. Sein Fieber war bei 38,5°C und das ohne Kühlung, man hatte nur auf eine Zudecke verzichtet und die Sauerstoffsättigung war bei 99%. Als sie die Beatmungsparameter prüfte, hätte sie jubeln können vor Freude, denn er hatte nur noch 50% Sauerstoff und das war natürlich ein Riesenfortschritt gegen die 100% heute Nacht.Sarah trat zu ihm, strich ihm zärtlich durchs dunkle Haar und küsste seinen Nacken-etwas, was er sehr liebte. War da jetzt nicht die Herzfrequenz gerade ein wenig hochgegangen? Die Sedierungsperfusoren liefen zwar noch, aber anscheinend begann Ben, zumindest im Unterbewusstsein, schon wieder ein wenig mitzubekommen. „Schatz, ich bin stolz auf dich-du wirst sicher wieder ganz gesund werden!“ beschwor sie ihn und streichelte seine Schulter.
    In diesem Augenblick kam mit breitem Lächeln der Chefarzt herein. „Na Sarah, jetzt werden sie froh sein, dass sie ihn zu uns nach Köln haben verlegen lassen! Er verbessert sich stündlich, die Nierenwerte fordern keine Dialyse mehr und die Leber beginnt sich auch zu erholen. Wir haben ihn, sobald wir die Dialyse abhängen konnten, auf den Bauch gedreht und das tut seiner Lunge sehr gut. Die Gase werden stündlich besser, also heute wage ich die Prognose zu stellen, dass er das Krankenhaus auf seinen eigenen Füßen verlassen wird. Gut ein wenig Zeit müssen wir ihm natürlich schon noch geben, die Pneumonie ist auch kein Kinderspiel, aber im Gegensatz zu gestern ist er wesentlich stabiler!“ erklärte er ihr. Sarah überlegte einen Moment, ob sie ihm vom Antidot erzählen sollte, aber dann beschloss sie zu schweigen. Sie würde deswegen höchstens Ärger kriegen, auch wenn es geholfen hatte, die Halbgötter in Weiß ließen sich nicht gerne ins Handwerk pfuschen!


    Semir, der nur ungern und schlecht schlief, wenn es so hell im Zimmer war, war gegen Mittag erholt im beinahe völlig finsteren Schlafzimmer aufgewacht. Er stand auf, duschte und kam gerade zurecht zum Mittagessen. Seine Schwiegermutter wollte gerade einen Teller für ihn auflegen, da hob er die Hand. „Nein danke-ich trinke jetzt erst mal einen Kaffe-ich esse vielleicht später was, aber so direkt nach dem Aufstehen brauche ich noch gar nichts außer Kaffee!“ erklärte er. Dann erblickte er Andrea auf dem Sofa. „Schatz, geht´s dir nicht gut?“ fragte er erschrocken und setzte sich zu ihr. Andrea erzählte ihm nun von den Worten des Arztes und zeigte ihm die Antibiotikaschachtel. „Meine Eltern bleiben bei uns, bis ich wieder fit bin, ist das nicht nett?“ fragte sie dann und Semir beteuerte seinen Dank. Gut, ehrlich gesagt knirschte er innerlich mit den Zähnen, denn die Anwesenheit und die Besserwisserei von seiner Schwiegermutter waren manchmal schwer zu ertragen, aber es war wohl für Andrea und die Kinder die beste Lösung.
    Nachdem er seine zwei großen Tassen Kaffee geschlürft hatte, beschloss er, Frau Krüger anzurufen, was er dann auch gleich erledigte. Sie fragte besorgt, ob es Neuigkeiten von Ben gäbe, aber momentan musste Semir verneinen: „Ich bin gerade erst aufgestanden und habe noch nicht mit dem Krankenhaus telefoniert und ich wollte auch Sarah nicht wecken, vielleicht schläft sie ja noch, aber ich versichere ihnen, die hätten uns Bescheid gegeben, wenn er sich wieder verschlechtert hätte!“ erklärte er. Nun sagte Frau Krüger noch: „Ein Herr Hintersteiner von der Bayerischen Grenzpolizei hat auch angerufen, er bräuchte noch die Zeugenaussagen von allen Beteiligten, soweit das möglich ist-würden sie sich darum kümmern, Gerkan?“ und Semir versprach das zu erledigen. Sie gab ihm noch dessen Durchwahl und inzwischen hatte sein Schwiegervater die Kinder von Schule und Kindergarten abgeholt, die ihn freudig begrüßten. Es kam sonst eher selten vor, dass der Papa mittags unter der Woche da war und Ayda wurde gar nicht fertig, ihm von ihren Erlebnissen in der Schule zu berichten. Andrea war auch kurz aufgestanden und hatte sich zum Essen an den Tisch gesetzt, war aber danach froh, wieder ihr Sofa aufsuchen zu dürfen-ihr Oberschenkel pochte ganz ordentlich.
    Semir machte sich nun auf, ins Krankenhaus zu fahren und anschließend in die Dienststelle, um den Papierkram zu erledigen.


    Der Chemiker hatte inzwischen die erste Stadtrundfahrt hinter sich. Er überlegte, ob er heute schon die Adressen seiner Opfer aufsuchen sollte, die er ja aus dem Hotelcomputer von seinem Komplizen erhalten hatte, oder ob er noch ein wenig warten sollte. Dann beschloss er aber, sich erst später darum zu kümmern, auch er hatte schließlich in seinen Augen einen Urlaub verdient!

  • Ziemlich ereignislos verging der Rest des Tages. Semir war im Krankenhaus vorbeigefahren und hatte eine erleichterte Sarah an Ben´s Bett sitzend angetroffen. „Semir, er stabilisiert sich!“ sagte sie mit einem glücklichen Lächeln und auch der hätte jubeln können vor Freude. Er streichelte ebenfalls Ben´s Schulter, woraufhin die Herzfrequenz hochging und sagte: „Jetzt schau bloß, dass du bald wieder auf den Beinen bist!“ und nach einem kurzen Plausch mit Sarah machte er sich auf den Weg zur Dienststelle, wo er begann, den Papierkram zu erledigen. Als er die PASt betrat, sahen ihn einige fragende Augenpaare an, aber mit einem breiten Lächeln durchbrach er die bange Stille: „Ich komme gerade aus dem Krankenhaus-Ben geht es besser!“ und nun brach verhaltener Jubel aus.
    Semir telefonierte ein paar Mal mit Hintersteiner und der hatte dermaßen spezielle Vorstellungen von den Berichten, dass er nach einer Weile beschloss: „Herr Gerkan, wissen sie was, ich komme nach Köln und nehme selber die Protokolle auf, nicht dass uns hinterher vor Gericht die Beweise wegbrechen, weil wir irgendeinen Verfahrensfehler gemacht haben. Ich möchte Jantzer die nächsten 20 Jahre hinter Gittern schmoren sehen, ich hoffe, dass die Gerichtsverhandlung noch vor meiner Pensionierung stattfindet. Ich reise morgen mit dem Zug an-kann mich jemand vom Bahnhof abholen und können sie mir vielleicht ein kleines Hotel empfehlen-nicht zu teuer, damit die Spesenkasse des Steuerzahlers nicht ausgereizt wird?“ und Semir versprach, das zu erledigen. Innerlich musste er grinsen, der dicke bayerische Polizist war schon eine Marke für sich, aber gut, dass es so unbestechliche Unikate bei der Polizei gab! Susanne buchte ein nettes kleines Hotel in der Innenstadt für Hintersteiner, suchte eine passende Zugverbindung heraus und wenig später wusste der Bayer, dass er gegen 16.00 Uhr am nächsten Tag von Semir am Hauptbahnhof abgeholt werden würde.


    Sarah hatte sich in der Krankenhauscafeteria etwas zu essen gekauft, ihre Kollegen waren rührend um Ben und sie besorgt und als gegen Abend nochmals Konrad und Julia vorbeikamen, waren sie sehr froh zu hören, dass es bei Ben rasant aufwärts ging. Ben würde noch bis zum nächsten Morgen tief sediert auf dem Bauch liegen bleiben-man wählte immer eine längere Zeitspanne für die erste Bauchlage und die Literatur besagte auch, dass bei einem Sauerstoffbedarf über 50% das einfach Standard war-und Standards wurden an Lehrkrankenhäusern immer schon hochgehalten- und so fuhr Sarah nicht allzu spät nach Hause und begann dort erst einmal die Koffer auszupacken und die Waschmaschine anzustellen. Sie telefonierte danach auch noch mit ihrer Familie, die aus allen Wolken fiel, als Sarah grob von dem schrecklichen Ende ihres Wellnessurlaubs erzählte. Sie hatte es bewusst vermieden, sich früher zu melden, denn ihre Eltern waren beide nicht sonderlich gesund und neigten dazu, auf große Aufregungen mit Herzattacken zu reagieren. Jetzt war das Schlimmste vorbei und langsam konnte Sarah sich wieder entspannen. Sie sah noch bis Mitternacht fern und schlief danach tief und traumlos.


    Andrea hatte zwar immer noch Schmerzen, aber mit Liegen und Tabletten ging es eigentlich und so ruhte sie, umsorgt von ihren Eltern, einfach aus und als wenig später Semir wiederkam, machte der sich aufseufzend daran, ihre Koffer auszupacken. Seine Schwiegermutter hatte das angeboten, aber das wollte er nicht. Er war durchaus fähig ne Waschmaschine anzustellen, nur das Angebot, dass Margot die Sachen morgen bügeln würde, nahm er dann doch dankend an. Gegen Abend rief ihn Hartmut an und wollte wissen, ob es Neuigkeiten von Ben gab und auch der war sehr froh, dass die so positiv waren. So ging auch bei den Gerkans der Tag zu Ende und gegen Mitternacht lagen alle tief schlafend in den Betten.
    Semir hatte beschlossen, lieber zu arbeiten, als Urlaubstage zu vergeuden. Sein Rücken schmerzte zwar noch, aber zum Arzt gehen und eine Krankmeldung holen war nicht in seinem Sinn. Außerdem hätte er dann den ganzen Tag daheim rumhängen müssen und sich von seiner Schwiegermutter nerven lassen-da ging er doch lieber arbeiten! So fuhr er Streife und sah immer wieder auf die Uhr, um die Ankunft Hintersteiner´s nicht zu verpassen.


    Der Chemiker fand inzwischen, dass er langsam mal damit beginnen könnte, seine Rache vorzubereiten. Er würde sich jetzt bei den ihm bekannten Adressen umsehen und dass dieser dunkelhaarige Polizist in die Uniklinik verlegt worden war, wusste er ja auch. Er war eigentlich gespannt, ob der noch lebte und wie die ihn behandelt hatten. Nach seinen Erfahrungen waren seine Opfer ohne Antidot bisher rettungslos verloren gewesen, aber er musste unbedingt seine Studien nach dem ultimativen Wahrheitsserum weitertreiben!
    So holte er erst einmal sein Auto aus der Parkgarage, programmierte die Adresse der Gerkan´s im Navi und stand wenig später vor dem hübschen, modernen Haus mit Pool. Es war Nachmittag, zwei kleine Mädchen spielten im Garten und er beschloss, mal wieder zu einer weiteren Verkleidung zu greifen, um sich einen Eindruck von den Örtlichkeiten zu machen. In der Straße gab es Gas, wie er an den entsprechenden Schildern an einer nahegelegenen Mauer feststellen konnte, und so holte er aus dem Kofferraum einen Blaumann mit passendem Käppi. Im nächsten Baufachhandel kaufte er eine spezielle Spraydose und einen leeren Werkzeugkoffer und wenig später läutete ein kleiner Mann an der Haustür der Gerkan´s.

  • Margot hörte es klingeln. Als sie öffnete stand ein Handwerker mit Schildmütze im Blaumann draußen. „Hier in der Straße strömt irgendwo Gas aus-ich müsste kurz rein und mit diesem Indikatorspray“-er hob die Spraydose „schauen, ob das bei ihnen im Haus ist.“ sagte der Mann. Erschrocken öffnete Margot die Tür. „Hans-Hubert! Kommst du mal?“ rief sie laut und Andrea´s Vater kam sofort ebenfalls zum Eingang. Der Chemiker stellte den Werkzeugkoffer an der Tür ab, sagte nochmals sein Sprüchlein und schon baten ihn Andrea´s Eltern herein. Der ältere Mann ging ihm voraus durchs Haus von Zimmer zu Zimmer, während Margot zu den Kindern eilte, um die zu beaufsichtigen. Überall wo irgendwelche Leitungen, Herde oder Sonstiges zu sehen waren, sprühte der Chemiker sein Spray und erklärte: „Wenn hier irgendwo Gas ausströmen würde, würde sich der Sprühnebel blau verfärben, aber ohne Flecken zu hinterlassen, keine Sorge!“
    Im Wohnzimmer lag Andrea mit einer Wolldecke auf dem Sofa, neben sich eine Kanne Tee und sah ein wenig angegriffen aus. Auch sie wollte natürlich sofort wissen, was los war und wieder erklärte der Chemiker ganz geschäftsmäßig die Sache mit dem Gasaustritt. So kam er durchs ganze Haus und sah auch, dass das ältere Ehepaar, vermutlich die Großeltern, nicht fest hier wohnte, denn im Gästezimmer standen Koffer und eine Behelfsmatratze lag zusätzlich am Boden. Anscheinend hatte diese Frau Gerkan von Jantzer eine verpasst gekriegt-Recht geschah´s ihr. Im Geiste zeichnete er schon einen Plan des Hauses. Alarmanlage war keine zu sehen auch deutete nichts auf die Anwesenheit eines Hundes hin. An der Wand hingen Fotos auf denen auch der kleine Polizist zu sehen war, der dafür verantwortlich war, dass seine besten Mitarbeiter tot waren-er würde sich fürchterlich an ihm rächen-und was war am Schlimmsten für Eltern? Wenn sie ihre Kinder leiden sahen!
    Prüfend warf er noch durch die Terrassentür einen Blick auf die beiden kleinen Mädchen-schade, aber auch die würden dafür büßen müssen, dass man ihm in die Quere gekommen war. Nach seinem Rundgang sagte er: „Danke, dass sie mich hereingelassen haben, also bei ihnen ist das Gasleck auf jeden Fall nicht!“ und Hans-Hubert schloss erleichtert die Tür hinter dem kleinen Mann. Der Chemiker beschloss, trotz alledem noch ein paar Tage zu warten, vielleicht waren die Großeltern bis dahin abgereist, denn die wirkten noch recht fit und alleine gegen vier Erwachsene würde ein wenig schwierig für ihn werden. Er sah auch noch das Fahrzeug mit der auswärtigen Autonummer in der Einfahrt stehen-wenn das abends weg war, war damit zu rechnen, dass die beiden nach Hause gefahren waren-er würde jetzt jeden Tag hier vorbeikommen und das kontrollieren!
    Der Chemiker verschwand um die Ecke, um zu seinem Wagen zu gehen und Andrea´s Vater wunderte sich noch, dass der nicht gleich im nächsten Haus weitermachte mit seiner Suche-obwohl, die waren vermutlich zu mehreren und vielleicht waren sie das letzte Gebäude gewesen!


    Semir stand Punkt vier am Hauptbahnhof. Er hatte seinen BMW ein wenig entfernt im Halteverbot in der Nähe der Domplatte abgestellt. Seine Kollegen würden das Polizeifahrzeug erkennen und ihm keinen Strafzettel verpassen-hoffte er zumindest. Wenig später kam Hintersteiner in Uniform mit seinem Rollkoffer aus dem Ausgang und sah sich suchend um. Semir trat auf ihn zu und ein breites Grinsen lag auf dem Gesicht des dicken Bayern: „Ja Servus!“ sagte er herzlich und schüttelte mit seiner dicken Pranke Semir´s Hand, dass der beinahe aufgeschrien hätte. Hintersteiner folgte Semir und sah sich interessiert um. Der monumentale Kölner Dom ragte direkt vor ihnen auf, aber viel mehr zog Hintersteiner die originale Kölsch-Brauerei an, die sozusagen im Schatten des Doms lag. „Gerkan-wenn ich in Zivilklamotten bin, müssen sie mich dahinein begleiten!“ sagte er und wies auf den urigen Brauereiausschank. „Wie lange müssen sie denn noch arbeiten?“ fragte er und Semir grinste in sich hinein. „Ich denke, ich kann in Kürze Feierabend machen!“ gab er seinem Kollegen Bescheid und schon starteten sie zum Hotel, in dem Hintersteiner´s Zimmer gebucht war. Das wäre sogar zu Fuß vom Bahnhof aus zu erreichen gewesen, aber Semir wollte sich auch einfach bei dem dicken Polizisten bedanken, der Andrea gemeinsam mit ihm, vielleicht das Leben gerettet hatte. Als Semir ihn am Hotel abgeliefert hatte, damit Hintersteiner in Ruhe einchecken konnte, fuhr er noch schnell im Krankenhaus vorbei, um danach sein Auto zuhause abzustellen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Zentrum zu gelangen. Zwei Stunden später holte er seinen bayerischen Kollegen zu Fuß am Hotel ab, um mit ihm die Kölner Innenstadt unsicher zu machen.

  • Sarah war am Vormittag, nachdem sie das Nötigste zuhause erledigt hatte, ins Krankenhaus gefahren. Dort hatte man Ben kurz zuvor von der Bauchlage in die Rückenlage zurückgedreht und ihn auch gleich gewaschen. Die Blutgase hatten sich daraufhin nicht merklich verschlechtert und so ordnete der Chefarzt an, dass man mit dem Weaning beginnen sollte, also ab sofort versuchen, den Patienten von der Beatmungsmaschine wegzubringen. Ben´s Hände wurden nun festgebunden, damit er sich nicht versehentlich extubierte und dann reduzierte man die Narkosemittel. Als Sarah das Zimmer betrat und die Werte am Monitor und an der Beatmungsmaschine noch einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht hatten, setzte sie sich glücklich lächelnd zu Ben und nahm seine Hand. „Guten Morgen Schatz!“ sagte sie weich und tatsächlich schlug der daraufhin die Augen auf und sah sie verständnislos an. Er wusste überhaupt nicht, wo er war und was los war, aber er hatte Sarah´s Stimme erkannt. Allerdings schloss er nach kurzer Zeit die von der Bauchlage ein wenig verquollenen Augen wieder, im Augenblick war noch Alles zu viel und zu anstrengend.


    Mit jeder Stunde, die ins Land ging, wurde er ein wenig wacher. Man drehte ihn immer wieder um, wusch ihn kühl ab gegen das Fieber und saugte den Schleim aus seinen Bronchien, was ihm gar nicht gefiel! Er versuchte dann immer den verhassten Sauger abzuwehren und hustete, aber das Pflegepersonal wusste schon, wie man damit umgehen musste. Sarah tat das zwar immer in der Seele weh, wenn ihr Freund so geplagt wurde, aber sie war professionell genug, um zu wissen, dass es notwendig war und sie versuchte dann immer, ihn mit ihrer Stimme zu beruhigen.In seinem Magen lag eine Ernährungssonde und nachdem er Wasser gut vertragen hatte, begann man ihn auch mit Sondenkost über eine Pumpe enteral zu ernähren, denn man wusste, dass es gerade für den Darm, der ja auch ins Immunsystem eingebunden war, wichtig war, dass die Dünndarmzotten mit Nahrung versorgt wurden und keine bösen Keime dort überhandnahmen. Sarah sagte zu Ben: „Die letzte ordentliche Mahlzeit hattest du vor vier Tagen beim Frühstücksbuffett. Seitdem ist so viel geschehen, es kommt mir wie eine Ewigkeit vor!“ und nun fixierte sie Ben schon ein wenig länger und man hatte den Eindruck, er verstünde etwas.


    Sarah ging selber zum Mittagessen in die Krankenhauskantine und als sie zurückkam und sich setzte, hatte das Baby in ihrem Bauch Turnstunde. Es war ihr unvorstellbar, dass sie das zuvor nicht wahrgenommen hatte, aber jetzt konnte sie sogar sagen, wohin die kleinen Beinchen gerade traten-so ein Leberhaken war nämlich gar nicht so nett! Kurz entschlossen machte sie Ben´s Hand los. Wenn er auch noch nicht ganz wach war, aber erstens wehrte er sich nur bei pflegerischen Maßnahmen und zweitens war Sarah sicher, dass sie ihn im Griff hatte. Sie rückte ganz nah an sein Bett, legte seine immer noch fieberheisse Hand auf ihren Bauch unter das Sweatshirt und sie hatte fast das Gefühl, das Baby schmiegte sich, nachdem es ein paarmal wild gestrampelt hatte, nun in Papas schützende Hand und wurde ganz ruhig. Als Sarah Ben intensiv beobachtete, sah sie, dass auch er jetzt ganz ruhig wurde und nur noch fühlte und plötzlich überzog ein Lächeln sein Gesicht und ein paar Tränen des Glücks begannen aus seinen Augen zu fließen. Nach einer Weile wurde die Position für Sarah unbequem und sie setzte sich wieder anders hin, worauf Ben unwillig seine Hand wieder festmachen ließ.


    Sarah ging immer mal ein wenig raus in die Grünanlagen, um sich und dem Kind frische Luft zu gönnen und sich ein wenig zu bewegen. Auch Julia und Konrad kamen kurz vorbei und waren positiv überrascht, welche Fortschritt Ben gerade machte. Ben konnte schon deren Hände drücken und als am späten Nachmittag endlich Semir vorbeikam, konnte Ben ihn mitsamt Tubus im Mund schon anlächeln und erkannte ihn eindeutig. „Mensch Großer, das ist ja super, dass es dir schon so viel besser geht-bald wirst du den Schlauch loshaben und dann können wir uns wieder unterhalten!“ sagte Semir aufmunternd und Ben nickte. „Ich muss jetzt dann eine Kölner Stadtführung für einen bayerischen Kollegen machen, der extra aus dem Bayerischen Wald angereist ist, um ein paar Vernehmungen zu machen, ich befürchte, das wird feuchtfröhlich, also bringe ich jetzt zuvor lieber das Auto weg!“ erzählte er noch und Ben musste grinsen. Als Semir gefahren war, kam die Abendvisite und die Ärzte beschlossen, die Extubation für morgen zu planen. „Ab zwei Uhr keine Ernährung mehr und um sieben alle Sedierungsperfusoren komplett aus!“ lautete die Anordnung und Sarah versprach: „Ben ich bin morgen ganz früh da und bleibe als deine Privatschwester bei dir!“ und er nickte. Dann allerdings schlief er erschöpft ein und auch Sarah kehrte jetzt in ihre Wohnung zurück, um Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln.


    Auf der Intensiv fuhr derweil ein kleiner Mann in Reinigungsdienstkleidung mit einem großen Wäschewagen über die Station und spähte in alle Boxen. Ein Lächeln überzog dessen Gesicht, als er sein dunkelhaariges Opfer intubiert im Bett liegen sah. „Na hoffen wir, dass die für morgen geplante Extubation auch klappt!“ hörte er das Pflegepersonal sagen. Wenn das so war, konnte er ja vielleicht doch seinen ursprünglichen Plan in die Tat umsetzen! Er würde warten und vor Vorfreude begann sein Herz zu hüpfen, als er sich im Geiste ausmalte, wie grausam er sich rächen würde!


    Sarah wunderte sich ein wenig, als die Tür beim Aufschließen klemmte. Sie konnte ja nicht wissen, dass der Chemiker da schon mit Einbruchswerkzeug hantiert hatte und sich nun in der Wohnung genau auskannte. Außerdem hatte er einen Ersatzwohnungstürschlüssel in einer Schublade im Flur gefunden-wenn die Zeit reif war, würde er ihn benutzen.

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