Die Rückkehr des Teufels

  • Hallo,
    heute werde ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich mal wieder eine Geschichte von mir veröffentlichen.
    Dem Ein oder Anderen wird sie vielleicht bekannt vorkommen, auf der alten Seite war sie schon mal, doch leider habe ich es da nicht geschafft sie fertig zu stellen.
    Das wird sich ändern und ich hoffe sie gefällt euch!!
    So jetzt aber Schluss


    Viel Spaß beim Lesen :D



    Die Rückkehr des Teufels


    Kapitel 1
    Der Frühling hatte es endlich geschafft sich gegen den langen und kalten Winter durchzusetzen. Die ersten Blumen reckten ihre Köpfe der warmen Sonne entgegen und die Vögel zwitscherten ihre schönsten Lieder. Die dicke Schneedecke war verschwunden und jeder sehnte sich nur noch, nach der Wärme des Sommers.


    Halb 10 in Deutschland, die warmen Strahlen schienen durch das Fenster der hellen Penthouse Wohnung und kitzelten den jungen Hauptkommissar wach. Ben verzog das Gesicht und gähnte herzhaft, er war schon jetzt bester Laune, denn schließlich lag ein langes Wochenende vor ihm. Das erste seit 2 Monaten. Ben drehte sich um und als er den warmen, weichen Körper neben sich spürte, hatte seine Laune den Höchstpunkt erreicht.


    Seit Saskias Tod hatte er sich nicht mehr nach Frauen umgesehen, der Schmerz war für ihn einfach noch zu nah. Es hatte ihn innerlich fast zerrissen und er drohte an ihrem Tod zu zerbrechen. Er wusste nicht, ob je über ihren Verlust hinweg kommen würde. Tausende von Nächsten lag er wach, hatte immer wieder die selben Bilder im Kopf und machte sich immer und immer wieder die selben Vorwürfe. Warum hatte er sich nicht einfach bei ihr entschuldigt, sein verdammtes Ego beiseite geschoben; aber nein er wollte nicht nachgeben. Jeden Tag hasste er sich mehr dafür und wollte an manchen Tagen sein Gesicht nicht im Spiegel sehen. Nach außen hin spielte er den Starken – er wollte kein Mitleid und so merkte keiner das es unter seiner Oberfläche brodelte wie in einem Vulkan. Einem Vulkan, der jede Sekunde auszubrechen drohte.


    Die Wochen vergingen, aber das Schuldgefühl begleitete ihn noch monatelang. Wenn er mit Semir unterwegs war, war er ganz der Alte, aber sobald er zuhause alleine war kamen alle Erinnerungen und Schuldgefühle zurück. Wer weiß wie das Ganze wohl ausgegangen wäre, wenn nicht an einem stürmischen, verregneten und grauen Tag an seiner Tür geklingelt und seine Nachbarin davor gestanden hätte. „Entschuldigen sie die Störung Herr Jäger, aber ich habe mich ausgesperrt, könnte ich vielleicht schnell ihr Telefon benutzen?“ er konnte sich noch an jede Einzelheit jenes Nachmittags erinnern. Wie sie vor ihm gestanden hatte, das blonde Haar zu einem lässigen Pferdeschwanz zusammen, die Hände tief in den Hosentaschen ihrer Jeans und die Charmesröte auf ihren Wangen. Als er in diesem Augenblick in ihre blauen Augen gesehen hatte, fühlte es sich an, als ob der Schmerz für einen winzigen Moment verschwunden wäre.
    „Ach, Schlüsseldienste sind viel zu teuer, kommen sie, ich helfe ihnen!“
    Von diesem Tag an verbrachten sie oft seine Feierabende zusammen. Sie saßen einfach nur auf der Terrasse und redeten, redeten über alles, er konnte sich den Schmerz von der Seele reden.


    Durch einen liebevollen Kuss wurde Ben aus seinen Erinnerungen gerissen, er hatte gar nicht bemerkt das Melanie wach war. „Guten Morgen!“ grinste er und küsste sie. „An was hast du gedacht?“ fragte sie zwischen den Küssen. „An unsere erste Begegnung!“ hauchte Ben und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Wenn du jetzt wieder sagst das ich ausgesehen habe wie eine Tomate, kannst du was erleben!“ Melanie sah ihn gespielt ärgerlich an und war mit einer eleganten Bewegung über ihm. „Ja, ich glaub ich bin jetzt ein ganz böser Junge!“ grinste er schelmisch und fuhr Melanie durch das lockige Haar, als plötzlich sein Handy auf dem Nachttisch klingelte. Die beiden ignorierten es und gaben sich ganz ihren Gefühlen hin, doch als es immer lauter wurde und einfach nicht aufhörte, griff Ben mit einem genervten Seufzer nach dem Mobiltelefon.
    „Semir ich hab frei!“ sagte er statt einer Begrüßung während Melanie seinen Hals und seine Brust mit Küssen liebkoste. „NEIN NEIN NEIN!“ Bens Stimme wurde lauter. Er bereute es, sein Handy nicht zufällig auf der Dienststelle vergessen zu haben. Nach 10 Minuten, in denen sich Ben standhaft gegen seinen Partner und seine Vorgesetzte versucht hatte zu widersetzten, musste er doch nachgeben. „Das ist das letzte Mal!“ zischte er ins Telefon und schmiss das Handy zurück auf den Nachttisch. „Lass mich raten, dass mit dem verlängerten Wochenende ist Schnee von gestern!“ bemerkte Melanie und rutschte wieder auf ihre Seite des Bettes. „Es tut mir so leid Süße, aber ich arbeite wirklich nur heute. Ab Morgen gehöre ich dir – ganz allein, versprochen!“ er schlang die Arme um sie und küsste ihr den Hals. „Jaja!“ hauchte sie leise und mit geschlossenen Augen. „Ich frage mich nur, warum ich mir ausgerechnet nen Polizisten als Freund ausgesucht habe!“ sie seufzte theatralisch. Ben grinste „Ist doch ganz klar!“ gespannt sah Melanie ihn an. „Wegen den Handschellen natürlich!“ „Blödmann!“ lachte Melanie und schob Ben von sich weg um aufzustehen. Alleine wollte sich auch nicht mehr im Bett bleiben.
    Trotz des Zeitdrucks, lies Ben es sich nicht nehmen mit seiner Angetrauten eine schöne heiße Dusche zu nehmen. Semir konnte ruhig warten.


    „Und was machst du heute?“ fragte Ben während er seine grüne Jacke anzog. „ Ich werde mal meine Mutter besuchen und ihr erzählen das du nie Zeit für mich hast!“ lächelnd reichte sie ihm seinen Thermobecher mit Kaffee. Ben nahm sie liebevoll in den Arm „Morgen schmeißen wir alle Handys und Telefone einfach aus dem Fenster und bleiben den ganzen Tag im Bett!“ er grinste vielsagend. „Jetzt mach das du weiter kommst, sonst muss Semir noch alleine auf Verbrecherjagd gehen!“ Melanie begleitete Ben bis zur Haustür und verabschiedete sich dort mit einem Kuss voller Zärtlichkeit und Leidenschaft. „Ich liebe dich!“ rief er noch bevor er in seinen silbernen Mercedes stieg und um die Ecke bog.


    Nachdem Ben weg war, machte Melanie sich so schnell wie möglich fertig. Sie war nicht gerade begeistert das Ben ausgerechnet heute nicht bei ihr sein konnte. Es hatte einen Grund gegeben warum sie sich genau dieses Wochenende frei genommen hatte, auch wenn Ben davon nichts wusste. Sie schloss die Fenster und vergewisserte sich zweimal ob sie auch wirklich nichts vergessen hatte. Als sie in ihren Wagen stieg, war das alte Gefühl der Angst sofort wieder da.


    Mit zitternden Händen und einem flauen Gefühl im Magen fuhr sie aus der Ausfahrt. Den gesamten Weg zu ihrer Mutter, die außerhalb der Stadt in einem kleinen Häuschen wohnte, hatte sie den Blick im Rückspiegel. Erst als sie vor dem alten Haus stand und ihre Mutter sie schon mit offenen Armen erwartete, flaute die Angst ein wenig ab. „Hallo mein Schatz!“ liebevoll schloss Frau Schultze ihre Tochter in die Arme. „Hallo Mama.“ sie versuchte ihre Stimme völlig normal klingen zu lassen und betrat dann das gemütliche Häuschen. Wie immer hatte ihre Mutter sich bereits dem Wetter angepasst und das ganze Haus passend zum Frühling dekoriert. Auf dem Tisch standen Narzissen und im ganzen Haus roch es frisch und luftig.
    „Wow, du warst ja wieder richtig fleissig!“ staunend betrachtete Melanie die zahlreichen Gemälde die in der Ecke standen. Ihre Mutter hatte einfach das Talent zum Künstler, dass war schon immer so. Sie freute sich, dass ihre Mutter ihr Hobby nun endlich zum Beruf gemacht hatte und ganz gut davon leben konnte.


    Während Melanie sich die Bilder genauer ansah, deckte ihre Mutter den Tisch auf der kleinen Veranda. Sie wollte ihrer Tochter Zeit lassen, sie wusste warum sie so schweigsam war, auch sie hatte diesen Tag mit Angst erwartet.
    „Hm der Kuchen ist Wahnsinn!“ schlemmte Melanie und nahm sich ein weiteres Stück von dem cremigen Schokoladenkuchen. „Ich hab den Kuchen extra für Ben gebacken, weil er den so gerne mag, nimmst ihm nachher einen mit!“ Melanie nickte mit vollem Munde. „Warum bist du alleine gekommen, ich dachte er hätte dieses Wochenende frei?“ Melanie schluckte „Er musste kurzfristig ins Büro!“ Frau Schultze nickte schweigend. Eine Zeit lang war außer dem gleichmäßigem kauen und das ticken der Uhr nichts zu hören. Melanie hatte den Kopf gesenkt und versuchte dem Blick ihrer Mutter auszuweichen. Sie wollte die Sache nicht laut aussprechen, vielleicht in der Hoffnung, dass sie dann nicht passieren könnte. Doch als die Uhr zur vollen Stunde schlug und Melanie vor Schreck ihre Tasse fallen lies, war das Thema nicht mehr zu vermeiden.
    Er ist heute entlassen worden, nicht wahr?“ fragte Frau Schultze vorsichtig und schmiss die Scherben in den Mülleimer. Melanie nickte mechanisch und starrte abwesend auf die Tischplatte. „Er kann nicht wissen wo ich bin, nicht mal wie ich aussehe – ich hab mich doch total verändert und nach all den Jahren...“ es hörte sich an, als wollte Melanie sich selbst Mut zusprechen, aber ihre Stimme klang zittrig und brüchig. „Er kann mich doch nicht finden, oder?“ nun brach Melanies komplette Fassade. Tränen schossen ihr aus den Augen und ihre kalten Hände zitterten wie Espenlaub.
    „Mein Schatz!“ Frau Schultze eilte zu ihrer Tochter und nahm sie tröstend in die Arme. „Ben würde nie zulassen, dass dir irgendwas passiert, er wird dich beschützen. Alles wird wieder gut!“ ihre Mutter sprach leise und meinte jedes Wort genauso wie sie es sagte. Sie freute sich mehr als andere Mütter über den Freund ihrer Tochter, denn sie wusste, dass Ben genau das war, was Melanie brauchte, auf jeden Fall was ihre Sicherheit betraf.

  • Kapitel 2


    Melanie blieb den ganzen Tag bei ihrer Mutter und als sie fuhr hatte sie einen halben Schokokuchen für Ben und ein seltsames Gefühl in der Magengegend dabei. Egal was sie tat, sie wurde die Angst einfach nicht los.
    9 Jahre war es jetzt her, dass ihr Exfreund hinter Gitter gekommen war. Sie war damals durch Zufall hinter seine dunklen Machenschaften gekommen und hatte ihn daraufhin zur Rede gestellt. Ein riesen Fehler wie sie heute wusste! Flavio hatte ihr unmissverständlich klar gemacht, dass sie das Ganze rein gar nichts angehen würde und als ihm drohte zur Polizei zu gehen, lag sie am nächsten Tag mit schwersten Verletzungen im Krankenhaus. Von diesem Zeitpunkt an, war nichts mehr beim Alten, sie hatte Angst vor Flavio und er nutzte diese um sie zu unterdrücken. In einem Monat war sie 8 mal auf der Intensivstation gewesen, weil er sie verprügelt hatte. Noch heute zog sich eine 4cm lange Narbe über ihren Oberschenkel, er hatte in der Wut nach einem Messer gegriffen und sie konnte ihm gerade noch, in letzter Sekunde ausweichen.


    Obwohl ihr Leben einem Albtraum glich, schaffte sie es nicht, sich von ihrem Peiniger zu trennen. Immer und immer wieder lies sie die Schläge und Misshandlungen über sich ergehen. Erst als er versucht hatte sie zu vergewaltigen und sie wieder mit schwersten Verletzungen auf der Intensivstation lag, änderte sich alles. Eine junge Krankenschwester namens Sybille, hatte ihr die Geschichten mit den Stürzen und Stößen nicht mehr abgekauft und irgendwann hatte Melanie sich ihr total verzweifelt anvertraut. Sybilles Bruder war Staatsanwalt und mit dessen Hilfe war sie über Nacht untergetaucht.


    Bis zum Gerichtstermin hatte sie ständig in Angst und Schrecken gelebt. Trotz des Zeugenschutzprogrammes fürchtete sie Flavio könnte sie finden und umbringen. Er hatte sie nicht gefunden und durch ihre Aussage wurde er auf 9 Jahre verdonnert, die Polizei hatte neben zahlreichen Waffen auch ein paar Kilo Heroin bei ihm gefunden.


    Ein Schauer lief über ihren Rücken als sie sich daran erinnerte, wie er sie im Gerichtssaal angesehen hatte und mit lauter Stimme sagte: „Wenn ich draußen bin, gehörst du wieder mir, dass schwör ich dir und wenn nicht wirst du bald einige Meter tiefer liegen!“ dann hatte er gelacht und hatte erhobenen Hauptes den Saal verlassen.
    Noch am selben Tag, hatte sie ihre Sachen gepackt und die Stadt verlassen. Sie hatte ihr Aussehen geändert, ihren Job gekündigt, ihre Freunde und Bekannte zurückgelassen,. Kurz – sie hatte ihr Leben aufgegeben nur um nie wieder von Flavio gefunden zu werden.
    Mit den Jahren war es leichter geworden, sie hatte es geschafft sich ein neues Leben aufzubauen und als Ben in ihr Leben getreten war schaffte sie es ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen.
    Sybilles Bruder hatte sie vor ein paar Wochen angerufen und ihr mitgeteilt, dass Flavio bald entlassen werden würde und bot ihr wieder Personenschutz an. Aber Melanie hatte genug vom Zeugenschutzprogramm, sie hatte genug davon Angst zu haben. Und schließlich war sie doch weit weg von ihm, wie sollte er wissen in welcher Stadt sie nun war. Er würde sie niemals wieder finden!


    Melanie fuhr gerade von der Autobahn ab, als ihr der schwarze Geländewagen hinter ihr, wieder einfiel. Kurz nachdem sie von ihrer Mutter weggefahren war, hatte sie ihn das erste Mal wahrgenommen. Der Fahrer war viel zu nah aufgefahren und hatte sie, obwohl sie ihr Tempo absichtlich verringert hatte, nicht überholt. Sofort klingelten alle Alarmglocken!
    „Ganz ruhig, Melanie. Das ist eine Autobahn und da fahren nun mal viele Autos. Vielleicht nur ein blöder Zufall!“ sprach sie sich selbst Mut zu. Um sich aber trotzdem zu vergewissern das sie recht hatte, fuhr sie die nächste Auffahrt sofort wieder auf, starrte in den Rückspiegel und hoffte das der Wagen nicht mehr auftauchen würde. Gerade als sie erleichtert aufatmen wollte, tauchte das Auto wieder hinter ihr auf. „Fuck!“ fluchte Melanie und trat automatisch fester aufs Gaspedal, auch der Fahrer hinter ihr beschleunigte, hielt aber nun mehr Abstand.


    In Melanis Kopf überschlugen sich die Gedanken und sie umklammerte das Lenkrad fester, damit ihre Finger nicht so zitterten. Was sollte sie jetzt nur tun? Nach Hause fahren konnte sie auf gar keinen Fall, sie durften nicht erfahren wo sie wohnte. Oder wussten sie das längst? War sie vielleicht schon viel länger verfolgt worden, ohne das sie es bemerkt hatte? Sie dachte an ihre Mutter, auch sie hatte damals ihre alte Heimatstadt verlassen, aber viele Jahre nach Melanie und sie hatte geheiratet, hieß also nicht mehr wie damals. Plötzlich hatte sie Angst um ihre Mutter, würde Flavio zu ihr gehen um sie zu finden? Oder brauchte er das gar nicht mehr, denn wer sonst sollte das hinter ihr sein? Er hatte sie also doch gefunden, obwohl sie ihre Identität geändert hatte. Tränen der Verzweiflung füllten ihre Augen und bahnten sich ihren Weg über das Gesicht der jungen Frau.
    Sie sah wieder in den Rückspiegel, hoffte das der Wagen einfach verschwunden war, aber die Scheinwerfer des riesen Autos grinsten ihr immer noch entgegen.


    „Denk nach, denk nach!“ sagte sie zu sich und hämmerte auf dem Lenkrad herum.
    „Ben! Mädchen du bist so dumm!“schimpfte sie sich selbst und drückte Bens Nummer. Warum war ihr das nicht sofort eingefallen. Angespannt wartete sie auf die weiche Stimme des Hauptkommissars. Tuuut tuuut tuuut.
    „Bitte Ben geh ran!“ flehte sie und merkte wie ihr die Tränen die Sicht nahmen.
    „Hey mein Schatz!“ ertönte endlich Bens Stimme aus dem Lautsprecher.
    „Ben!“ ihre Stimme klang furchtbar, weinerlich und aufgebracht. Sie räusperte sich um sie wieder unter Kontrolle zu bringen. „
    Bist du schon zuhause?“
    „Nein, es dauert noch ein bis zwei Stunden, aber...!“
    „Ich komm bei dir vorbei, dann können wir gemeinsam nach Hause fahren, ok?“
    Einen Moment blieb es am anderen Ende der Leitung still
    „Ok, dann bis gleich!“ antwortete Ben etwas verwirrt.
    „Ben?“
    „Ja?“
    „Ich liebe dich!“ hauchte Melanie und unterdrückte die Tränen, die in ihren Augen brannten.
    „Ich liebe dich auch mein Schatz!“


    „Was ist denn los?“ fragte Semir seinen jungen Kollegen, der etwas verwirrt schauend das Telefon beiseite legte.
    „Keine Ahnung, Melanie kommt mich abholen!“ Ben zuckte mit den Achseln und lies sich an seinem Schreibtisch nieder.
    Semir feixte „Ihr beide haltet es ja nicht mal ein paar Stunden ohne einander aus!“
    „Tja Kollege, wer kann der kann!“ Ben nahm einen Stapel Akten und warf sie seinem Kollegen auf den Tisch.
    „Was ist das?“ fragte Semir
    Ein breites Grinsen machte sich auf Bens Gesicht breit „Das mein Lieber, ist die Entschädigung, für den super Tag, um den du mich heute gebracht hast! Du solltest dich beeilen, die Chefin wollte diese Berichte schon vor gut einer Woche haben!“ bevor Semir etwas einwenden konnte, ging die Tür auf und Melanie kam herein gestürmt.


    Ohne etwas zur Begrüßung zu sagen, stürmte sie auf Ben zu und fiel ihm um den Hals.
    „Wow!“ machte Ben vor Überraschung. Melanie wollte sich eigentlich nichts anmerken lassen und am besten so sein wie immer, aber sie war einfach so froh endlich in Bens Nähe zu sein, dass sie kurz die Kontrolle über sich verloren hatte.
    Der Land Rover, hatte sie die ganze Zeit verfolgt und erst als sie auf den Parkplatz der PAST fuhr und ins Gebäude stürmte, verschwand er mit quietschenden Reifen. Es war bereits finster und sie hatte den Fahrer nicht erkennen können, genauso wenig wie sie sich das Kennzeichen des Wagens gemerkt hatte. Aber was hätte das auch genutzt, wenn es einer von Flavios Handlangern gewesen, konnte sie rein gar nichts dagegen tun. Nur Flavio selbst durfte sich ihr nur auf eine Entfernung von 20km nähern.


    „Ähm...!“ begann Melanie verlegen. „Ich hab euch Kuchen mitgebracht!“ dann hatte sie wenigstens eine Erklärung warum sie überhaupt hergekommen war.
    „Etwa den mega leckeren Schokoladenkuchen von deiner Mutter?“ fragte Ben aufgeregt und seine Augen leuchteten wie die eines kleinen Kindes an Weihnachten. Melanie nickte und ihm die Kuchenplatte.
    „Semir, den musst du unbedingt probieren, sowas leckeres hast du noch nie zuvor gegessen, glaub mir! Warte ich hol die Teller!“
    Semir schüttelte lachend den Kopf und warf einen Blick zu Melanie hinüber, sie hatten den Blick abgewandt und starrte aus dem Fenster. Er konnte sich irren, aber er fand, dass sie aussah als würde sie Todesängste ausstehen. Ihre sonst so schön gebräunte Haut war blass, ihre Augen waren leicht geschwollen und die Lippen hatte sie zu einem schmalen Strich zusammen gepresst. Das schelmische war vollständig aus ihrem Gesicht verschwunden.


    Erst als Ben wieder zurück ins Büro kam, veränderte sich ihr Ausdruck schlagartig. Sie lächelte und der starre Blick war verschwunden. Semir war verwirrt, aber da sein Partner scheinbar nichts bemerkte schwieg er und dachte das sie vielleicht einfach einen schlechten Tag gehabt hatte, oder es ihr einfach nicht gut ging. Frauen waren oft einfach zu kompliziert zu verstehen.

    Einmal editiert, zuletzt von Summer89 ()

  • Kapitel 3
    „Die hats aber eilig!“ lachend schüttelte Ben den Kopf und stieg aufs Gas um seine Freundin nicht zu verlieren. Melanie schoss über die Autobahn, als wäre der Teufel höchst persönlich hinter ihr her. Ben war froh, dass nur noch wenige Autos unterwegs waren, denn bei Melanies Fahrweise hätte er womöglich gleich noch ein paar Überstunden machen müssen.


    „Eigentlich hätte ich dich jetzt festnehmen müssen!“ lachte Ben als er aus seinem Wagen stieg. Melanie sah ihn mit schuldbewusster Miene an und Ben nahm sie liebevoll in den Arm. „Du hast gegen den halben Punktekatalog verstoßen, kann es sein das du es heute ein wenig eilig hattest?“ flüsterte er und küsste sie aufs Haar. Melanie schluckte, jetzt musste eine schnelle und gute Ausrede her.
    „Naja ich wollte eben da weiter machen, wo wir heute morgen aufgehört haben!“ grinste sie. Ben legte den Kopf schief
    „Soso, aber ich glaube jetzt bist du die Unartige!“
    „Ach wirklich und was wirst du jetzt machen?“ in ihren Augen leuchtete der Schalk.
    Ben tat, als ob er angestrengt nachdenken müsste „Ich glaube um eine Verhaftung werden wir nicht rum kommen!“ mit ernster Miene holte er seine Handschellen hervor.
    Melanie grinste
    „Aber dafür musst du mich erstmal erwischen!“ bevor Ben reagieren konnte, hatte sie sich aus seiner Umarmung gelöst und rannte in Richtung Wohnung davon.
    Ben lies ihr einen kleinen Vorsprung und lief ihr dann grinsend nach. Ach wie er diese Frau liebte. Er liebte ihr Lachen, er liebte es wie sie morgens nach dem aufstehen aussah, wenn ihre Haare wirr von ihrem Kopf abstanden. Er liebte es wenn sie seinen Namen sagte und er sie jede Nacht in seinem Arm halten konnte. Sie war die Sonne in seiner Welt – sie war alles für ihn.


    Diese Nacht verbrachten sie im obersten Stockwerk, in Bens Wohnung. Auch wenn nur ein paar Stufen sie von ihrer eigenen Wohnung trennten, so fühlte sie sich hier doch geborgen und sicher. Sie spürte Bens warme Haut und als sie sanft über seinen Arm, den er um sie geschlungen hatte, strich war sie in ihrem eigenen kleinen Paradies. Einem Paradies in dem ihr nichts geschehen konnte, hier war sie sicher!
    Bens gleichmäßiger Atem kitzelte sie im Nacken – er war eingeschlafen. Vorsichtig drehte sie sich um in sein Gesicht blicken zu können. Es war friedlich und ein zufriedener Ausdruck lag darauf. Sie liebte es ihm beim schlafen zu zusehen. Wenn er so friedlich neben ihr schlief, wurde ihr bewusst wie verletzlich er war. Wie leicht ihm doch was zu stoßen konnte und schon allein der Gedanke daran lies ihr Herz in der Brust zerspringen.
    Sie erinnerte sich an jenes Gespräch, dass sie vor langer Zeit mit Ben geführt hatte. Es war nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht und er wollte wissen von was die Narbe an ihrem Oberschenkel stammte. Sie hatte ihm damals nur erzählt, dass ihr Exfreund gewalttätig gewesen sei, ersparte ihm jedoch die Einzelheiten.
    „Sag mir wo der Kerl wohnt und ich brech ihm noch heute jeden einzelnen Knochen!“ hatte er damals zu ihr gesagt und als sie in seine Augen blickte und dort puren Hass erkannte, wusste sie, dass Ben niemals mehr von Flavio erfahren durfte – zu seinem eigenen Schutz.


    „Wo gehen wir eigentlich hin?“ fragte Melanie als sie, nach einem ausgiebigen Frühstück im Bett, mit Croissants, Eiern, Kaffee und frischen Semmeln, am späten Vormittag die Wohnung verliesen.
    „Lass dich überraschen mein Schatz!“ flötete Ben und legte Melanie den Arm um die Schulter. Melanie lächelte und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht.
    Das ungute Gefühl wegen des Wagens und Flavios Entlassung, waren so gut wie verschwunden. Melanie wusste das es nur an Bens ständiger Nähe lag und wenn sie am Montag Morgen alleine das Cafe aufsperren musste, würde die Angst präsenter sein denn je.
    Sie verdrängte die dunklen Gedanken und konzentrierte sich einfach auf das Hier und Jetzt.
    „So wir sind da!“ sagte Ben und Melanie sah sich um.
    „Eine Bootsfahrt?“ fragte sie mit leuchtenden Augen.
    Ben nickte „Gibts was romantischeres?“ er küsste sie und Melanie schlang die Arme um ihn
    „Du bist einfach der Beste!“ säuselte sie
    „Weiß ich doch!“
    Die Bootsfahrt war traumhaft schön.Sie saßen ganz vorne und Ben hatte den Arm wieder um sie gelegt. Während ein lustiger Mann ihnen diverse Geschichten über Köln erzählte, lies Melanie einfach nur die Umgebung auf sich wirken. Die Sonne spiegelte sich auf dem Wasser und hier und da schwammen ein paar Enten und Schwäne an ihnen vorbei. Was waren Schwände doch für edle Tiere. Mit ihrem weißen Gefieder und den gebogenen Hälsen.


    Als sie unter der Deutzer Brücke durchfuhren, erklärte ihnen der Sprecher, dass dies das neue Wahrzeichen der Liebe geworden sei. Verliebte Pärchen kamen hier her und befestigten Schlösser mit ihren Namen an dem Brückengeländer. Den Schlüssel warfen sie dann, als Zeichen ihrer ewigen und nie endenden Liebe in den Rhein. Und tatsächlich, tausende von Vorhängeschlössern in allen möglichen Farben und Formen blitzten ihnen, in der Sonne entgegen.
    Nach gut einer Stunde war die Fahrt vorbei und der Sprecher verabschiedete sich in und Kölsch. Ben und Melanie warteten bis alle anderen das Boot verlassen hatte, dann schlenderten sie Hand in Hand von Bord.
    „Das war wirklich schön, vielen Dank!“ sagte Melanie und lächelte Ben an.


    „Immer wieder gerne, aber unser Ausflug ist hier noch nicht zu Ende!“
    „Wo geht’s denn jetzt noch hin?“
    „Wie wärs denn mit einem kleinen Abstecher zur Deutzer Bücke?!“ grinste Ben und hielt wenig später ein grünes Vorhängeschloss mit ihren Namen in die Höhe. Melanie schlug die Hand vor den Mund. Was für Überraschungen hatte er denn noch so im Petto.
    „So, willst du den Schlüssel weg werfen?“ fragte Ben nachdem er das Schloss an einem, noch recht freien Platz angebracht hatte.
    Melanie schüttelte den Kopf „Nein, wir machen das Zusammen!“
    Vorsichtig umschlossen sie Beide einen Teil des Schlüsselbundes, zählten bis drei und liesen ihn dann fallen. Schon Sekunden später verschwand er in dem grünen Wasser des Rheins.
    „Ich liebe dich!“ hauchte Melanie und schmiegte sich an Bens Brust
    „Ich liebe dich!“ lächelte Ben und schloss die Arme fest um sie.


    „Es war heute ein wirklich schöner Tag!“ sagte Melanie als sie am frühen Abend in die Wohnung zurückkehrten.
    „Sollten wir bald wiederholen!“ antwortete Ben und hängte seine Jacke an den Harken, neben die weiße Kommode.
    „Auf jeden Fall!“ Melanie stellte ihre Schuhe in den kleinen Schuhschrank und als sie sich wieder aufrichtete drehte sich plötzlich alles um sie herum.
    „Wuuh!“ machte sie und hielt sich an der Kommode fest.
    „Alles in Ordnung?“ fragte Ben mit besorgter Miene.
    Melanie schluckte „Ja, bin wahrscheinlich nur zu schnell aufgestanden!“
    „Komm leg dich erst einmal hin!“ fürsorglich brachte Ben Melanie zu dem Ledersofa.
    „Es wird mir bestimmt gleich wieder besser gehen!“ lächelte Melanie in Bens besorgtes Gesicht.


    Aber es wurde nicht besser, ganz im Gegenteil zu dem Schwindel bzw. dem leeren Kopfgefühl kam noch eine starke Übelkeit mit Erbrechen und sogar Fieber hinzu.
    „So wir fahren jetzt sofort ins Krankenhaus, nicht das das was ernstes ist!“ Ben holte Melanies Tasche und half ihr auf. In ihrem Kopf drehte sich noch immer alles. Ihr ging es viel zu übel um lange zu widersprechen.
    In Bens Wagen angekommen reichte er Melanie eine Plastiktüte „Für alle Fälle!“grinste er und Melanie nahm sie dankend entgegen.


    Im Elisabeth Krankenhaus herrschte wie immer reges Treiben und so dauerte es auch bis sie endlich an Empfang vorsprechen konnten.
    „Hallo. Was haben sie für Beschwerden?“ fragte eine ältere Dame mit grauem Haar hinter dem Tresen.
    „Übelkeit, Schwindel und Fieber!“ antwortete Melanie
    „Wie lange haben sie das schon?!“
    „Seit ungefähr 3 Stunden!“ antwortete Melanie und fühlte sich jetzt plötzlich ein bisschen in Panik geraten, vielleicht hatte sie sich nur den Magen verdorben oder brütete etwas aus, eigentlich doch noch kein Grund fürs Krankenhaus.
    „Wie hoch war das Fieber?“ ratterte die Frau ihre Fragen herunter, ohne sie auch nur einmal anzusehen.
    Melanie warf eine Blick zu Ben „Definitiv über 38° Grad!“ antwortete er
    „Kann eine Schwangerschaft bestehen?“
    Eine Schwangerschaft, Melanie stolperte in Gedanken über dieses Wort. Eine Schwangerschaft, daran hatte sie gar nicht gedacht, aber konnte sie überhaupt schwanger sein?
    „Ähm nein ich denke nicht, also meine Periode war regelmäßig!“ antwortete ich stockend.
    „Das heißt gar nichts!“ lächelte die ältere Frau und sah sie freundlich an. „Dritter Gang rechts!“
    Sie bedankten sich und gingen.
    Schwanger, sie wurde den Gedanken daran einfach nicht los. Sie sah Ben von der Seite an, er hatte dazu noch gar nichts gesagt. Als er merkte das sie ihn ansah, lächelte er, aber auch er beschäftigte sich im Moment ganz deutlich mit dem Thema „Schwangerschaft“


    Melanie wurde Blut abgenommen, es wurden Test gemacht und gut der Letzt wurde ein Ultraschallbild gemacht. Es war anstrengender als jeder andere Arztbesuch zu vor, was vielleicht nur daran lag das sie die Ungewissheit ständig begleitete.
    „Frau Graber, herzlichen Glückwunsch!“ lächelte der Arzt, ein junger Mann mit blonden Haaren und einer kleinen, Rahmenlosen Brille.
    Das Herz rutschte Melanie in die Hose, sie war schwanger. Sie war wirklich schwanger.
    „Könnten sie bitte, meinen Freund herein holen?“ sagte sie leise
    Als Ben das Zimmer betrat war Melanie kreidebleich und er erschrak als er dieses Entsetzen in ihren Augen sah. War sie schwer krank? Hatte sie eine unheilbare Krankheit? Würde er sie verlieren?
    „Ist es was ernstes Doktor?“ fragte er mit trockenem Mund und lies sich neben Melanie sinken. Der Arzt lachte „Ernst ist es, aber im positiven Sinne möchte ich mal meinen!“ Als Ben ihn nur Verständnislos ansah fuhr er fort „Sie werden Vater, herzlichen Glückwunsch!“



    Vielen Dank an Elvira,für die romantischen Tipps :thumbup:

  • Kapitel 4


    Einige Minuten lang war es einfach nur Still, in dem sterilen Raum. Der Arzt hatte sich abgewandt und füllte gerade den Mutterpass aus, er lies Melanie und Ben damit etwas Zeit um sich über die Sache klar zu werden – den ersten Schock zu überwinden.
    Melanies Hände zitterten und sie warf einen vorsichtigen Blick zu Ben. Der Hauptkommissar stand immer noch wie erstarrt im Raum und Melanie wagte es nicht ihn anzusprechen.
    Viel zu groß war die Angst vor seiner Reaktion. Sie hatten nie zuvor über Kinder gesprochen und jetzt war sie plötzlich schwanger. Was wenn Ben noch nicht bereit war, Vater zu werden, was wenn er das Kind nicht wollte?
    Tränen stiegen ihr in die Augen und lies den Kopf sinken.
    „Wie hat José Ortega y Gasset so schön gesagt:
    'Überraschung, Verwunderung sind der Anfang des Begreifens.'“ lachte der Arzt und drehte sich wieder zu ihnen um. Er hatte schon mehr als einmal erlebt, dass ein Baby nicht immer geplant war und leider hin und wieder auch absolut unerwünscht. Doch bei den Beiden hatte er ein gutes Gefühl, wenn sie erstmal ihren Schock überwunden hatten, würden sie gut mit dem Eltern werden umgehen können.


    Endlich löste Ben sich aus seiner Starre und räusperte sich. Melanie lies ihren Kopf gesenkt und ihre ganze Aufmerksamkeit galt nun dem Reißverschluss ihrer Jacke.
    „Sieht man schon was?“ fragte Ben und Melanie glaubte sich verhört zu haben. Abrupt hob sie den Kopf und sah ihn an. Ben lächelte, setzte sich neben sie und griff nach ihrer Hand. Diese Geste nahm mehr Furcht von ihr, als tausend Worte es je gekonnt hätten.


    Der Arzt griff nach dem Mutterpass und holte das Ultraschallbild hervor. Mit einem Lächeln reichte er es Ben.
    „Darauf sieht man jetzt noch nicht so viel, aber es ist auch erst die 6. Schwangerschaftswoche, in ein paar Wochen werden wir schon deutlich mehr zu sehen bekommen!“
    Auf dem Bild war wirklich nur ein kleiner ovaler Fleck zu erkennen, aber für Ben war es das größte. Das hier war sein Kind!
    „Ich kann es nicht glauben, wir werden Eltern!“ sagte er plötzlich und Melanie war sich nicht sicher, ob er es zu ihr sagte oder ob er es nur laut hören wollte, damit er es glauben konnte. Sie nickte und drückte seine Hand fester.
    „Freust du dich?“ fragte Melanie leise und schaute Ben direkt in die Augen.
    „Natürlich freue ich mich, dass ist einfach das Größte. Ich kanns gar nicht glauben – wir sind schwanger!“ lachte er und nun überkam auch Melanie die Vorfreude.
    „Ach eine Frage hätte ich noch Doktor!“ Ben blieb in der Tür stehen
    „Gerne doch!“
    „Was ist mit dem Fieber? Besteht da eine Gefahr für das Baby?“ fragte Ben
    Der Arzt schüttelte den Kopf „Ich denke nicht das es sich hier um etwas ernstes handelt. Bei manchen Frauen reagiert der Körper in den ersten Schwangerschaftswochen einfach total über, er weiß noch nicht so genau was er machen soll. Normalerweise sollte das Fieber die nächsten Tage ganz verschwinden und sollte es nicht steigen, besteht kein Grund zur Sorge!“
    „Dankeschön!“ Ben schüttelte ihm die Hand
    „Auf Wiedersehen!“ verabschiedeten sich die Beiden und verliesen strahlend das Krankenhaus.


    „Kannst du es fühlen?“ fragte Ben strich über Melanies nackten Bauch.
    Sie lächelte und richtete sich in dem großen Bett ein wenig auf, um Ben anzusehen.
    „Nein, aber das geht doch auch noch gar nicht, oder?“ ehrlich gesagt, hatte sie keine Ahnung ab wann man ein Baby im Bauch spürte oder gar wie sich das anfühlen würde. Sie war genauso ratlos wie Ben und zahlreiche Paare vor ihnen.


    „Moment!“ sagte Ben und stand auf „Für was gibt’s denn das gute alte Internet!“
    Melanie zog währenddessen ihr Hemd wieder an und schlüpfte unter die schwarze Bettdecke.
    „Von anziehen hab ich aber nichts gesagt!“ scherzte Ben als er mit seinem Laptop zurück kam.
    „Kannst ja mit unter die Decke schlüpfen, dann überleg' ich's mir vielleicht nochmal!“ grinsend hob Melanie die Decke an und Ben schlüpfte sofort hinein.
    Sie kuschelte sich an ihn, während er das Internet nach dem Thema Schwangerschaft und alles was damit zu tun hatte, durchstöberte.
    „Ah, hier stehts, so um die 19/20 Schwangerschaftswoche spürt die Frau die ersten Kindesbewegungen!“las Ben interessiert vor. „Also in ungefähr 13 oder 14 Wochen spüren wir den Kleinen das erste Mal!“
    „Wie kommst du darauf das es ein Junge wird?“ fragte Melanie und sah Ben herausfordernd an.
    „Naja, was Semir nicht schafft, sollte für mich doch kein Problem sein!“ grinste Ben etwas überheblich und Melanie musste lachen als sie an Semirs Worte dachte. „Diesmal wird’s garantiert ein Junge!“ hatte er vor Lillis Geburt gesagt und dann war es doch wieder ein Mädchen geworden.
    „Tja, dann sollten wir aber die Sachen in neutralen Farben kaufen, denn ich glaube das es ein Mädchen wird!“
    „Ganz ehrlich!“ sagte Ben mit ernster Miene „Ob Mädchen oder Junge, Hauptsache es ist gesund!“ Melanie nickte und kuschelte sich wieder in Bens Arm.
    „Wie geht’s dir jetzt?“ fragte er nach einer Weile


    „Naja mir ist zwar noch ein bisschen Übel, aber nicht mehr ganz so schwindlig!“ antwortete Melanie und war froh das sich die Welt um sie herum nicht mehr ganz so schnell drehte.
    „Wie soll er oder sie eigentlich heißen?“ fragte Ben nach einer Weile
    „Puh, keine Ahnung hab mir noch keine Gedanken gemacht, du etwa?“


    Ben überlegte eine Weile „Moritz wenns ein Junge wird und Julia wenns ein Mädchen wird? Oder Oliver und Amy, oder Linus und Alice?“
    Melanie verzog das Gesicht „Also unser Kind wird sicher nicht nach einem Computer Programm benannt!“
    „Du meinst Linux!“ verbesserte Ben sie
    „Na von mir aus auch das, wie wärs denn stattdessen mit Leon und Emma?“
    „Nöö, als bei Leon muss ich immer an den Kerl aus Gute Zeite Schlechte Zeiten denken. Alvin und Lea!“ schlug Ben vor
    „Wie der von den Chipmunks? Alexander und Kim?“
    „Was wie die Krüger? Das willst du unserem Kind nicht antun! Benjamin und Nadine?“
    „Annika und Finn!“
    „Bernhard und Bianca!“


    So ging das noch bis tief in die Nacht, ohne das die Beiden dabei auch nur auf eine annähernde Einigung gekommen wären. Egal welcher Name vorgeschlagen wurde, einer von ihnen hatte immer irgendwas dagegen. Doch auch wenn sie sich noch nicht einigen konnte, so fühlte es sich doch unwahrscheinlich gut an, einen Namen für ihr gemeinsames Kind auszuwählen. Bald würden sie zu dritt sein, eine kleine Familie. Die Familie die sich Melanie immer schon gewünscht hatte.


    Endlich schien ihr Leben endlich mal perfekt zu verlaufen, natürlich war im Hinterkopf immer noch die Angst Flavio könnte sie finden. Aber wie groß waren seine Chancen sie in einer Großstadt mit 1.017.155 Einwohnern zu finden? Und sollte er sie doch finden, würde sie alles dran setzten, dass ihre kleine Familie in Sicherheit ist. Sie würde es nicht noch einmal zu lassen, dass Flavio ihr Leben zerstört. Mit diesem Gedanken und wohl gehütet in Bens Armen, schlief sie ein.


    Wenn sie nur gewusst hätte, wie nahe doch die Gefahr schon war? Wie schnell sie die Vergangenheit, die sie so vehement versucht hatte zu vergessen, sie wieder einholte und wie schnell sich Glück in Unglück verwandeln konnte, dann hätte sie sicher nicht so selig von einer heilen Welt geträumt.


    Viel Spaß beim lesen :rolleyes:

  • Kapitel 5
    „Ich wünsche euch beiden einen wunderschönen Tag!“ verabschiedete sich Ben mit einem liebevollen Kuss.
    „Ich dir auch und pass auf dich auf!“ Melanie winkte ihm nach und schloss dann mit einem Lächeln auf dem Gesicht die Tür.
    Der Arzt hatte sie für diese Woche krankgeschrieben, aber wenn es wir besser gehen würde, durfte sich auch wieder arbeiten – zumindest noch eine Weile.
    Melanie beschloss den Tag für einen Frühjahrsputz zu nutzen. Der Arzt hatte zwar gesagt, sie solle sich schonen, aber so schlimm schaute ihre Wohnung ja auch nicht aus.
    Nur ein bisschen Wäsche waschen, bügeln, durch wischen, Regale abstauben, den Müll runter bringen und dann was leckeres zu Essen kochen. Das war doch wohl zu schaffen.
    Sie war gerade dabei ihre Lieblings Musik in den CD-Player zu schieben, als es an der Türe klopfte.
    „Na hast du was vergessen?“ rief sie und nahm an das Ben aus diesem Grund nochmal zurück gekommen war. Wer sonst sollte um diese Zeit schon bei ihr klopfen.
    „Oder hattest du....?“ die Worte blieben ihr im Halse stecken, als Melanie die Tür öffnete und erkannte wer da vor ihr stand.


    „Guten Morgen Partner, na das Wochenende scheint ja ein richtiger Jungbrunnen für dich gewesen zu sein!“ grinste Semir als Ben am Morgen das Büro betrat
    „Und du erscheinst an einem Montag Morgen auch noch auf die Minute genau zur Arbeit. Ein Wunder ist geschehen!“ stichelte der Türke weiter.
    Aber Ben lächelte weiter, hängte seine Jacke über den Stuhl und setzte sich, ohne auf Semirs Worte einzugehen.


    „Ah, ich versteh schon der Gentleman schweigt und genießt!“
    „Genau Partner!“ antwortete Ben nur und loggte sich in seinen Rechner ein.
    Semir musterte seinen jungen Partner und war mit der Antwort alles andere als zufrieden, denn normalerweise hüllte er sich nicht in solch geheimnisvolles Schweigen.
    Naja, er würde schon noch raus finden was dahinter steckte, dass hatte er bisher immer.


    „Willst du auch eine?“ fragte Ben nach ein paar Stunden und hielt seinem Kollegen eine Packung Prinzenrollen hin.
    „Mhm, dankeschön!“
    Ben lehnte sich in seinem Chefsessel zurück und legte die Füße auf die Kante seines Schreibtisches. Abwesend starrte er auf seinen PC und schob sich eine Prinzenrolle nach der anderen in den Mund. „Sag mal wärst du gerne Patenonkel?“ fragte Ben schmatzend und sah Semir an, als hätte er ihn gerade nach dem Wetter gefragt.
    Semir schmiss seinen Kugelschreiber auf den Schreibtisch und lehnte sich ebenfalls zurück. „Tja, solltest du so etwas mal zu Stande bringen, dann liebend gerne!“ herausfordernd sah der Türke seinen jungen Kollegen an. Dieser schob genüsslich seinen letzten Keks in den Mund, zerknüllte das Papier und warf es mit der Lässigkeit von Dirk Nowitzki in den Mülleimer. Dann drehte er sich wieder zu Semir und konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen.


    „Das hab ich schon geschafft Semir!“ seine Stimme überschlug sich vor Aufregung. „Ich werde Vater!“
    Semir stand so schnell auf, dass er fast vom Stuhl gefallen wäre. Lachend kam er auf Ben zu und umarmte ihn.
    „Glückwunsch, dass ist ja super! Gratuliere!“ er küsste ihn links und rechts auf die Wange, so wie es in der Türkei üblich war und klopfte ihm dann auf die Schulter.
    Ben würde Vater werden, so ganz konnte er das nicht glauben. Ben der Frauenheld, der Draufgänger war sittsam geworden.


    „Und weißt du schon was es wird?“ fragte Semir und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch.
    „Ein Junge natürlich!“ antwortete Ben etwas überheblich „Du weißt doch, wer kann der kann!“ Einen Moment sahen sich die Beiden mit unergründlichen Mienen an, dann brachen beide in schallendes Gelächter aus.
    „Du und Vater!“ Semir schüttelte den Kopf und wischte sich die Lachtränen aus den Augen.
    „So ganz kann ich mir das nicht vorstellen!“
    „Warum?“
    „Dann ist es vorbei mit den durchzechten Nächten, der Flirterei und dem langen Ausschlafen!“
    Ben überlegte einen Moment dann antwortete er „Das Leben verändert sich, dass stimmt schon, aber sei ehrlich könntest du dir ein Leben ohne deine Kinder noch vorstellen?“
    Semir schüttelte den Kopf.
    „Na siehst du und damit du mir auch wirklich glaubst, dass ich bereit bin so eine Verantwortung zu tragen und nicht irgendwann verschwinde, zeig ich dir jetzt was!“
    Neugierig beugte sich Semir über den Schreibtisch um zu sehen was Ben aus seiner Jackentasche kramte.
    „Und wehe du verlierst auch nur ein Wort darüber!“ warnte Ben Semir mit Grabesstimme.
    „Ich schweige wie ein Grab, versprochen!“
    Ganz vorsichtig holte Ben ein kleines, mit schwarzem Samt überzogenes Döschen hervor und als er es öffnete hielten beide die Luft an.
    „Wow!“ staunte Semir und sah sich den silbernen Ring mit dem blauen Stein aus der Nähe an.
    „Wirklich?“ fragte Ben verunsichert
    „Ja klar, der ist toll!“ Semir lehnte sich wieder zurück und Ben steckte den Ring wieder ein.
    „Hast dich ja richtig ins Zeug gelegt! Darf ich fragen was er gekostet hat?“
    Ben schüttelte den Kopf lächelnd „Glaub mir, dass willst du gar nicht wissen!“
    „Doch will ich!“ bohrte Semir nach
    „Es ist der Ring für Prinzessinnen, Saphirring Windsor!“ antwortete Ben und Semir hackte wenig später auf seine Tastatur ein.
    „Boa!“ staunte Semir als er den Preis des guten Stücks sah.
    „Sag es nicht!“ grinste Ben und wusste genau worauf sein Kollege gleich anspielen würde.


    „Jan?“ Melanie konnte nicht glauben das er tatsächlich vor ihr stand.
    „Hallo!“ sagte der Mann nur knapp und drängte sich wenig später in die Wohnung.
    „Was willst du?“ fragte Melanie immer noch nicht ganz Herr ihrer Sinne. Sie hatte mit Ben gerechnet und jetzt stand plötzlich Oberhauptkommissar Jan Brenner vor ihrer Tür.
    „Was für eine überaus freundliche Begrüßung. Ich freue mich auch dich zu sehen Iris!“ antwortete Jan mit sarkastischem Unterton.
    „Iris gibt nicht mehr!“ fauchte Melanie und ging ins Wohnzimmer. Mit einem Mal kamen all die schrecklichen Erinnerungen zurück und das gefiel ihr gar nicht.
    Brenner folgte ihr. Sein Blick schweifte durch das helle, schön eingerichtete Zimmer und blieb an einigen Bildern hängen. Er erkannte einen jungen Mann mit dunklen Haaren neben Iris und er fühlte einen Stich in seinem Inneren.
    „Flavio ist wieder draußen!“ begann Jan und riss sich von den Bildern los.
    „Ich weiß, Stefan hat mich schon vor Wochen informiert!“ antwortete Melanie kühl. Sie wollte nicht so abweisend klingen, aber sie war nicht erfreut das Jan hier war.
    „Ach und hat er dir auch gesagt, dass Flavio vor hat dich umzubringen?“ blaffte Jan und
    „Was?“ erschrocken fuhr Melanie herum.
    Jan nickte „Ja, er hat seinem Mitinsasse geschworen, er würde sich an der Frau rächen die ihm das alles angetan hat.“
    Völlig sprachlos starrte Melanie Jan an und war unfähig auch nur einen Ton raus zubringen.
    „Er weiß wo du bist, kennt deine neue Identität, ich weiß nicht woher, aber du musst jetzt verschwinden, zumindest solange bis wir dieses Schwein haben. Es ist...!“
    „Das geht nicht!“unterbrach Melanie ihn aufgebracht.
    „Was?“
    „Ich kann nicht wieder abhauen. Ich muss ein Cafe führen und habe hier ein Leben!“ sagte Melanie
    Jan trat zu ihr und sah ihr tief in die Augen. „Wenn Flavio dich hier findet, wirst du bald nichts mehr von dem allen haben und jeder der in näherem Kontakt zu dir steht oder sich Flavio in den Weg stellt wird sterben! Wir müssen von hier verschwinden!“


    Melanie schüttelte den Kopf und brachte Raum zwischen sich und Brenner. „Wie lange muss ich noch vor Flavio weg laufen? Wie oft wird er mein Leben noch zerstören? Ich kann nicht mehr und ich will nicht mehr!“ Melanies Stimme war wütender geworden.


    „Iris, ich ..“ bevor Brenner fortfahren konnte, klingelte Melanies Handy. Mit einem Blick auf das Display nahm sie ab.
    „Sabrina, es....!“ wollt sie ihrer Angestellten gerade etwas erklären, doch diese war viel zu aufgebracht um ihr zu zu hören.


    „Was? Fang bitte nochmal ganz von vorne an!“ Melanie wusste zwar nicht warum, aber sie machte den Lautsprecher ihres Mobiltelefons an, damit Jan mithören konnte.
    „Melanie, gerade war ein seltsamer Typ hier, er hat eine Torte bestellt und zwar mit einem Foto von dir und einem Südländer. Und es sollte folgender Spruch drauf stehen: Iris und Flavio, Ewige Liebe bis in den Tod! Kannst du mir das erklären? Was hat das zu bedeuten?“ quasselte die junge Frau drauf los und in Melanies Kopf drehte sich alles. Ohne etwas einzuwenden lies sie sich das Handy von Brenner aus der Hand nehmen und wie in Trance schlurfte sie zu ihrem Sofa hinüber.
    Alle ihre Ängste und Befürchtungen waren mit einem Mal wahr geworden, das gute, glückliche Gefühl, welches sie vor kurzem noch hatte war gänzlich verschwunden.
    Ihre Hände zitterten und die eiskalte Erkenntnis lähmte sie.
    Er hatte sie gefunden!!!! :S

  • Kapitel 6
    „Iris!“ jemand schüttelte die junge Frau am Arm und es dauerte ein wenig, bis sie wieder ganz in der Realität angekommen war. Mit Tränen in den Augen blickte sie Jan an.
    „Es war auf jeden Fall nicht Flavio selbst, der im Café aufgetaucht ist. Ein Handlanger nehm ich an, aber das war klar das er dieses Risiko nicht ein gehen wird. Er...!“
    Melanie hörte Jan gar nicht zu, es war ihr egal ob Flavio selbst im Café war um diesen Auftrag aufzugeben oder nicht. Eigentlich ging es auch nicht um diesen Auftrag. Viel mehr ging es um die Tatsache das Flavio schon wieder in ihre Wohlfühlzone vorgedrungen ist. Das Cafe war ihr zweites zu Hause und dort wäre sie auch heute gewesen, wäre sie nicht krankgeschrieben gewesen. Aber das alles konnte Flavio doch nicht in so kurzer Zeit über sie herausgefunden haben! Das er in Erfahrung gebracht hatte in welcher Stadt sie nun lebte war eine Sache, aber das er auch noch genau ihr Cafe, welches sie unter einem anderen Namen eröffnet hatte gefunden hatte war eine andere.
    Wie lange hatte er schon an ihrem Leben teilgenommen, ohne das sie es mitbekommen hatte? Wie oft war sie beobachtet worden? Jemand musste ihm all diese Informationen über sie, zu gekommen haben lassen, aber wer? Sie hatte doch alle Verbindungen zu ihrem früheren Leben gekappt und völlig neu angefangen. Wo hatte sie etwas übersehen?


    „Also, jetzt pack ein paar Sachen zusammen, wir sollten nicht zu viel Zeit vergehen lassen!“ sagte Jan und stand auf.
    Melanie blieb sitzen „Und wie soll ich Ben das erklären?“ fragte sie mit müder Stimme.
    „Ich dachte es geht dir darum ihn zu schützen?“ fragte Jan und Melanie hörte den ungeduldigen Unterton in seiner Stimme.
    „Du kannst ihn am Besten beschützen, wenn du erstmal aus seinem Leben verschwindest. Ein glatter Bruch, verstehst du?“ als Melanie nichts erwiderte fuhr er fort.
    „Was glaubst du denn was passiert, wenn er bei dir ist wenn Flavio auftaucht? Glaubst du er könnte irgendwas gegen....!“
    „ Er könnte mich beschützen!“ unterbrach Melanie ihn forsch.
    Sie kannte zwar Brenners flapsige Sprüche, aber sie würde es nicht zu lassen, dass er über ihren Ben so abwertig sprach.
    „Glaub bloß nicht, dass du ein besserer Bulle als er bist!“ fauchte Melanie und schob sich an Jan vorbei in die Küche.
    Er folgte ihr, aber sie würdigte ihn keines Blickes. Was glaubte er, wer er war. Taucht nach 9 Jahren plötzlich wieder in ihrem Leben auf und erwartet das sie alles stehen und liegen lässt um mit ihm zu gehen. Auch wenn es hier evtl. um ihr Leben ging, so einfach konnte sie nicht verschwinden. Sie war nicht mehr das naive kleine Mädchen von früher. Früher war Brenner der Prinz auf dem weißen Pferd für sie! Der Prinz der sie vor dem bösen Drachen beschützt hatte. Aber Märchen gehen zu Ende und dieses endete eben nicht mit „Und wenn sie nicht gestorben sind!“. Ihr gemeinsames Märchen hat vor langer Zeit geendet unter ganz anderen Umständen.
    „Iris!“ begann Jan und trat an sie heran „Ich hab das nicht so gemeint. Aber wie soll er dich denn beschützen, wenn er nicht einmal weiß wovor? Ich wusste es damals und doch hat mich seine Klinge damals getroffen und dich beinahe das Leben gekostet!“
    Melanie wusste wovon er sprach, auch ohne die Narbe an seiner Hüfte sehen zu müssen. Dieser Teil ihrer Erinnerung an damals, hatte Melanie sehr gut vergraben und sie tatsächlich fast ganz vergessen. Wie durch einen Schleier erkannte sie die Geschehnisse jenes Tages.


    Es war ein recht warmer Tag gewesen und sie saß schon seit Wochen, so kam es ihr zumindest vor, in diesem Haus fest. Ein Haus das ihr Schutz bieten sollte, bis zu dem Tag an dem Flavio vor Gericht verurteilt werden sollte. Aber bisher fehlte von Flavio jede Spur und somit war kein Ende in Sicht. Langsam fühlte sie sich wie ein Tiger im Käfig. Jeden Zentimeter dieses Hauses war sie schon unzählige Male abgelaufen und es gab nichts neues für sie zu entdecken. Auch Bernt Gruber, ebenfalls ein wichtiger Zeuge der gegen Flavio aussagen sollte, lebte mit ihr in diesem Haus. Aber er war ein mürrischer, exzentrischer alter Mann und Melanie mied ihn, so gut sie konnte. Auch die Sicherheitsbeamten waren nicht gerade gesprächig und so verbrachte die junge Frau die meiste Zeit alleine in ihrem Zimmer. Wahrscheinlich wäre sie früher oder später verrückt geworden, aber zum Glück besuchte Jan Brenner sie so oft er konnte in ihrem „Gefängnis“.
    Mit ihm konnte sie reden und in seiner Nähe fühlte sie sich wohl. Er schaffte es trotz des ganzen Kummers, sie zum Lachen zu bringen und mit ihm zusammen durfte sie auch nach draußen. Naja, eigentlich durfte er es nicht, aber Brenner hielt sich nie an Vorschriften. An manchen Abend fuhr er mit ihr zu einem nahe gelegenen See und oft lagen sie bis spät in die Nacht unter dem Sternenhimmel. In seiner Nähe hatte sie sich immer sicher gefühlt.


    An jenem Tag war sie schon mit einem unguten Gefühl aufgestanden und dieses Gefühl hatte sich mit jeder Stunde verschlimmert. Es kam ihr vor als hinge ständig ein dunkler Schatten über ihr, eine Bedrohung die sie nicht einordnen konnte.
    So sehr sie es auch versuchte, sie schaffte es nicht auch nur ein wenig Ruhe zu finden. Die Zeit verging viel zu langsam und als die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand, stand Melanie immer noch am Fenster und starrte auf die Einfahrt. Jeden Abend stand sie hier und wartete darauf das der schwarze BMW zwischen den Bäumen auftauchen würde. Die Unruhe in ihrem Inneren wurde stärker und sie war sich sicher das irgendwas schreckliches passiert sein musste.
    Eine Weile blieb die junge Frau noch am Fenster stehen und schaute in die anbrechende Nacht hinaus. Die Dämmerung legte sich wie ein Schleier über die Natur und Melanie konnte alles nur noch Schemenhaft erkennen. Dort trüben am Gartenzaun huschte eine Katze und irgendwo in der Ferne bellte ein Hund. Ein Abend wie jeder andere.


    Melanie löste sich aus ihrer Position und beschloss in die Küche hinunter zu gehen und sich ein Glas Wasser zu holen, als plötzlich das Handy am Schreibtisch klingelte. Brenner hatte ihr das Mobiltelefon heimlich mit den Worten „Wenn ich mal einfach nur deine Stimme hören möchte!“ zugesteckt und außer ihm wusste niemand davon.
    Mit großen Schritten durchquerte Melanie das Zimmer und nahm den Anruf an. Erleichterung machte sich breit, als sie Jans Stimme hörte.
    „Melanie, hör mir genau zu!“ schrie er beinahe und Melanies Magen verkrampfte sich.
    „Irgendwer hat gequatscht – er ist auf dem Weg zu euch – versteck dich und komm nicht eher raus, bis ich da bin!“ seine Stimme überschlug
    „Hast du verstanden?
    „Ja ich ha...!“ plötzlich hörte sie laute Stimmen von unten und wenig einen Knall. Das Blut gefror ihr in den Adern.
    „Er er er ist hi hier!“ stotterte Melanie und die Angst schnürte ihr die Kehle zu.
    „Schließ die Tür ab und versteck dich, ich bin gleich da!“ der Motor heulte auf und wenige Sekunden später hatte er aufgelegt.

  • Melanie zitterte am ganzen Leib und doch tat sie wie Brenner ihr befohlen hatte.
    Sie schloss die Tür zu ihrem Zimmer ab und suchte dann verzweifelt nach einer Versteckmöglichkeit. Wie ein aufgescheuchtes Huhn lief sie von einer Seite ihres Zimmers zur anderen, ohne auch nur ein passendes Versteck zu finden. Wie sollte man das auch in einem einfachen Zimmer. Sie hörte den Tumult lauter werden, dass Haus war zwar groß aber irgendwann würden sie doch vor dieser Tür stehen und lange würde sie ihnen sicher keinen Widerstand leisten können. Mit klopfendem Herzen legte sie sich auf den Boden und robbte unter das große Himmelbett. Es war kein besonders einfallsreiches Versteck, aber Jan war ja gleich bei ihr. Dieser Gedanke hatte ihr die nötige Hoffnung gegeben um durchzuhalten.
    Schüsse fielen und lautes Geschrei drang bis in ihr Zimmer. Tränen liefen ihr übers Gesicht und sie hatte niemals zuvor solche Angst gehabt. Sie betete das sie sie nicht finden würden, dass was auch immer sie aufhielt durch diese Tür zu kommen. Doch leider wurden ihre Gebete nicht erhört, denn wenig später prallten harte Tritte gegen die Tür und das Holz knarrte ehe es schließlich mit einem schrecklichen Laut zerbarst.
    Melanie presste ihre Hand vor den Mund um einen Schrei zu unterdrücken und versuchte möglichst nicht zu atmen.
    „Hier ist niemand!“ hörte sie die Stimme eines Mannes
    „Sie muss hier sein!“ antwortete jemand mit italienischem Akzent.
    Melanies Magen verkrampfte sich, als sie Flavios Stimme hörte und wenig später seine teuren Schuhe vor dem Bett auftauchten. Sie hielt die Luft an und schickte Stoßgebete gen Himmel.
    „Boss sie ist nicht hier, wir sollten verschwinden!“
    „Ruf die anderen zusammen, ich komme gleich!“ antwortete Flavio und Melanie atmete erleichtert, aber vorsichtig aus. Er hatte sie nicht gefunden!!
    „Cara mia! Du kannst jetzt unter dem Bett hervor kommen!“ sagte Flavio plötzlich mit liebevoller Stimme und Melanie riss die Augen vor Schreck auf. Sie rührte sich nicht.
    „Zwing mich nicht dich zu holen, rosa!“ seine Stimme war feindseliger geworden und Melanie erinnerte sich nur zu gut an das was als nächstes passieren würde. Flavio war kein Mann der Geduld. Vorsichtig und obwohl jede Faser ihres Körpers sich dagegen wehrte, kam sie langsam unter dem Bett hervor.
    „Benissimo!“ lächelte Flavio überheblich und kam auf Melanie zu.
    „perché piangi? Freust du dich denn so mich zu sehen?“ er nahm ihr Gesicht in die Hände und zwang sie ihn anzusehen. Melanie wollte schreien und sich von ihm los reißen, aber sie war genauso gelähmt wie damals.
    Sein Gesicht näherte sich dem ihren und Melanie schloss weinend die Augen. Sie wollte nicht das er sie küsste, dass er sie anfasste, aber ihr Körper reagierte nicht mehr auf die Befehle ihres Gehirns.
    „Wage es nicht sie zu berühren!“ ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen.
    Flavio fuhr herum und Melanie stolperte zurück.
    Brenner stand mit gezogener Pistole im Türrahmen.
    „Ach der Oberhauptkommissar!“ lachte Flavio aber in seinem Gesicht erkannte Melanie das er nicht mehr mit ihm gerechnet hatte.
    „Hände hoch!“ befahl Jan und trat in das Zimmer.
    Überraschenderweise tat Flavio wie es ihm befohlen wurde und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
    „Ah, der Italiano hat also doch was dazu gelernt!“ stichelte Jan und steckte die Pistole ein um ihm Handschellen anzulegen.
    Was dann geschah konnte Melanie nicht mehr genau sagen. Viel zu schnell war alles gegangen. Sie wusste nur noch, dass Flavio plötzlich ein Messer in Händen hielt und bevor Brenner reagieren konnte, hatte er auch schon zugestoßen!


    „Iris!“ mit sanfter Stimme holte Jan sie aus den dunklen Erinnerungen und als sie diesmal in seine Augen sah, wusste sie was sie ihm schuldete. Er hatte ihr damals das Leben gerettet und wollte es auch diesmal tun. Er wollte sie und Ben beschützen.
    „Versprichst du mir, dass Ben nichts geschehen wird?“ fragte sie mit weinerlicher Stimme.
    „Das kann ich nur, wenn du jetzt mit mir kommst!“ antwortete Jan und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
    Melanie wischte sich mit dem Ärmel über die nassen Augen und nickte.
    „Ok, gib mir 5 Minuten!“ dann verschwand sie im Schlafzimmer.
    Erleichtert atmete Jan aus und fuhr sich durch die Haare. Es war schwerer gewesen, als er gedacht hatte, sie zu überreden. Er musste ihr Vertrauen zurück gewinnen, dass sie ihm wieder blind vertraute, so wie früher. Nur dann konnte er seinen Fehler beheben und vielleicht würde sie ihm dann auch irgendwann verzeihen können!

  • Kapitel 7
    „Und weißt du schon was du machen wirst?“ fragte Semir als er zusammen mit Ben die PAST, nach Feierabend verließ.
    Ben zuckte mit den Schultern „Ich hab zwar tausend Ideen im Kopf, aber eine wirklich Gute war noch nicht dabei!“
    Semir grinste „Bekommst du etwa kalte Füße, Partner?“
    „Unsinn, aber ich will eben, dass alles stimmt!“ antwortete Ben gleich etwas gereizt.
    „War doch nur Spaß!“ lenkte Semir ein und klopfte ihm auf die Schulter „Du machst das schon, da habe ich gar keine Bedenken!“
    Ben lächelte und trat zu seinem silbernen Mercedes.
    „Wie hast du das damals eigentlich bei Andrea gemacht?“
    Semir schüttete lachend den Kopf und öffnete die Fahrertür seines BMWs. „Hier wird nicht abgekupfert, dir wird schon was einfallen und wenn nicht heute dann eben morgen, mach dir da mal nicht so viel Stress!“
    „Du hast ja recht. Na dann wünsch ich dir mal nen schönen Feierabend und bis morgen!“ Ben winkte dem Türken zu und fuhr vom Parkplatz.


    Die Ganze Fahrt über grübelte Ben über sein Vorhaben. Wie sollte sein Heiratsantrag aussehen? Würde ein Strauß roter Rosen reichen? Oder sollte es doch eher ein Candle - Light - Dinner in einem teuren Restaurant sein? Oder sollte er ihr einen eigenen Song schreiben? Es gab so viele Möglichkeiten und mindestens genauso viele Sachen die Besser sein konnten. Ben wollte das es perfekt ist. Es sollte so umwerfend sein, dass sie irgendwann ihren Kindern noch stolz davon berichten würden.
    Bis der junge Hauptkommissar sich versah stand er auch schon vor seiner Wohnung. Er hatte keine Blumen gekauft, sich keinen Song ausgedacht und auch keinen Tisch in einem Restaurant reserviert, kurz – der Antrag musste noch warten.
    Gut gelaunt, weil ihm noch Zeit blieb sich etwas besonderes auszudenken, ging Ben in seine Wohnung. Er wollte zuerst Duschen, ehe er zu Melanie ging.
    Als er wenig später mit nassen Haare und frischen Klamotten vor ihrer Tür stand, störte ihn etwas. Es störte ihn nicht direkt, aber es fiel ihm auf. Melanie hatte ihm heute morgen gesagt, sie würde, wenn er nach hause kam, was leckeres gekocht haben. Aber es roch nicht nach Essen.
    Das Einzige was er roch, war der feine Apfelduft des Putzmittels, welches die Reinigungskraft für das Treppenhaus benutzte. Vielleicht war es ihr heute nicht so gut gegangen, der Arzt hatte ihr ja gesagt sie solle sich ausruhen.
    Ben klingelte, wenn sie nichts gekocht hatte, dann würde er sie eben zum Essen ausführen, oder sich zur Abwechslung selbst an den Herd stellen. Alles gar kein Problem.
    Er klingelte erneut.
    Schlief sie etwa? Ben kramte in seiner Jeans nach seinem Schlüsselbund und sperrte die Türe leise auf. Auf Zehenspitzen schlich er in die Wohnung und schloss die Türe leise.
    Auch hier roch es nicht nach frischem Essen und auch sonst hatte sich seit heute morgen hier nichts verändert. Aber rein gar nichts. Der Frühstückstisch stand noch genauso da und auch die alten Klamotten im Wohnzimmer lagen noch an Ort und Stelle.
    Hoffentlich war ihr nichts passiert. Schoss es Ben durch den Kopf und er eilte hinüber ins Schlafzimmer. Abrupt blieb er stehen als er das leere, ungemachte Bett vor sich sah. Melanie war nicht hier. Sie hatte, wie es schien, überstürzt die Wohnung verlassen müssen. Vielleicht war etwas im Cafe, es wäre nicht das erste Mal das es ein Problem gab, dass nur die Chefin lösen konnte. Er holte sein Handy aus seiner Hosentasche und wählte ihre Nummer.
    Wenig später ertönte die Melodie hinter ihm. Ben fuhr er herum und entdeckte Melanies Handy.
    Das die junge Frau ihr Telefon nicht bei sich hatte, kam so gut wie nie vor. Schon alleine wegen ihrem Laden. Ben steckte sein Handy zurück in seine Hosentasche und ging hinüber zu der weißen Kommode.
    Ben stutzte, denn dort lag nicht nur ihr Mobiltelefon, sondern auch ihre Schlüssel, ihre Geldbörse und ein zusammen gefalteter Zettel. Was hatte das zu bedeuten?
    Ben griff nach dem Zettel und begann die krakeligen Zeilen darauf zu lesen.


    Lieber Ben,
    es tut mir leid das ich dich auf diese Art und Weise verlassen muss.
    Aber die Umstände lassen mir keine andere Möglichkeit.
    Vielleicht kann ich dir irgendwann erklären was mich zu diesem Schritt drängte, vielleicht kann ich dir irgendwann die ganze Geschichte erzählen – die Wahrheit.
    Ich hoffe du kannst mich dann verstehen und mir irgendwann verzeihen.
    Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt
    In liebe Iris
    Ps. Such nicht nach mir!


    Iris? Wer zum Teufel war Iris?
    Ben starrte auf das Stück Papier in seiner Hand. Es war eindeutig Melanies Handschrift, wenn auch sehr ungleichmäßig und krakelig. Es schien als wäre sie in großer Eile gewesen.
    Immer wieder überflog er die Zeilen, versuchte zu begreifen was das alles zu bedeuten hatte. Heute morgen war doch noch alles in Ordnung gewesen, oder nicht? Und warum hatte Melanie mit Iris unterschrieben? Welche Geschichte würde sie ihm irgendwann erzählen und was meinte sie damit das dies dann die Wahrheit sei? Warum sollte er nicht nach ihr suchen? Und wann würde er sie überhaupt wieder sehen?
    Tausende von Fragen schossen dem Hauptkommissar durch den Kopf und er wusste nicht auf eine Einzige eine Antwort. Melanie / Iris war verschwunden und konnte sich nicht erklären warum.
    Hatte sie Probleme? Wenn ja, warum war sie damit nicht zu ihm gekommen? Warum hatte sie nicht mit ihm darüber gesprochen? Oder wollte sie gar nicht verschwinden? Aber dann hatte sie immer noch genug Zeit gehabt ihre Sachen und diesen Brief hier zu lassen, also eher unwahrscheinlich das sie entführt wurde.
    Verwirrt lies sich Ben aufs Bett sinken und vergrub das Gesicht in seinen Händen.
    Irgendwer musste ihm doch sagen können was geschehen war, mit irgendwem musste sie doch darüber gesprochen haben. Jemand dem sie vertraute, mit dem sie über alles reden konnte – ihre beste Freundin. Sabrina! Sofort war Ben wieder auf den Beinen und suchte in Melanies Handy nach der Nummer ihrer Freundin. Mit Sabrina verstand sie sich super und schließlich waren die beiden Frauen auch jeden Tag zusammen, sicher würde sie mehr wissen.
    „Hier ist sie, Sabrina Heinze!“ Ben wollte gerade ihre Nummer wählen als es an der Türe klingelte.
    „Melanie!“ schoss es ihm durch den Kopf und er stürmte zur Tür und riss sie auf.
    Doch es war nicht seine Freundin die vor der Tür stand, es war Max Rüde. Ihr Nachbar und recht guter Freund.
    „Hallo Ben!“ grüßte der junge Mann freundlich.
    „Hey Max, was gibt’s?“ fragte Ben und konnte seine Enttäuschung kaum verbergen.
    „Ich wollte nur mal nachfragen ob bei euch alles in Ordnung ist?“
    „In Ordnung? Warum?“ hakte Ben mit gerunzelter Stirn nach.
    Max vergrub die Hände in seinen Hosentaschen und hatte wohl das Gefühl, dass es wohl doch besser gewesen wäre nicht her zu kommen. Eigentlich ging es ihn ja auch nichts an.
    „Naja, ich hab Mel heute mit einem anderen Mann das Haus verlassen sehen und sie wirkte sehr aufgebracht, hatte total verweinte Augen und …!“
    „Was für ein Mann? Wann?“ sofort war Ben hellwach. Also doch eine Entführung?
    Max überlegte kurz „Keine Ahnung, aber ich hab den Typ vor ein paar Wochen schon draußen vor dem Auto in seinem Wagen sitzen gesehen. Fährt so nen schwarzen BMW! Gegen Vormittag müsste das gewesen sein, wenn ich mich nicht irre!“
    „Hast du dir das Kennzeichen gemerkt?“
    Max schüttelte den Kopf „Nein tut mir leid, dachte das wäre ein Kollege von dir oder so!!“
    „Verdammt!“ fluchte Ben „Kannst du den Typ beschreiben?“
    „Ja ich denke schon, längere braune Haare, Lederjacke...!!“
    „Reicht es für ein Profilbild?“ unterbrach Ben ihn geschäftig
    Max nickte
    „Gut, dann komm. Wir fahren zur Dienststelle!“
    Ben schlug die Tür hinter sich zu. Er hatte eine Spur und die würde er verfolgen. Ganz gewiss würde er sich nicht an Melanies Bitte, er solle nicht nach ihr suchen, halten. Sie war die Mutter seines ungeborenen Kindes und die Frau seines Lebens.

  • Kapitel 8


    Während Ben zusammen mit Max zurück zur Dienststelle fuhr, rief er Semir an.
    Er brauchte jetzt jemanden mit dem er reden konnte, jemanden der die Sache nüchterner betrachten konnte als er. Jemanden der wissen würde was jetzt zu tun war.
    „Hallo Partner, na wie ist es gelaufen?“ meldete sich Semir und spielte auf den Antrag an.
    „Sie ist weg!“ antwortete Ben und hatte Probleme seine Stimme unter Kontrolle zu halten.
    „Wie? Hat ihr der Ring etwa nicht gefallen, oder war den Antrag so schlimm?!“ stichelte Semir und lachte.
    „Nein Semir! Ist ist weg! Entführt worden!“ fauchte Ben zurück.
    „Wie? Was? Entführt?“ stotterte Semir
    „Keine Ahnung, ich bin gerade auch erst dabei mehr heraus zu finden. Mein Nachbar kann den Kerl beschreiben mit dem sie verschwunden ist! Wir sind gerade auf den Weg zur Dienststelle!!“
    „Ich bin sofort da!“ beendete Semir wenige Sekunden später das Telefonat.


    „Die Haar etwas kürzer!“ sagte Max „Ja genau so und die Augen ein wenig mehr auseinander!“
    Ben veränderte mit der Computermaus den Abstand und schaute seinen Nachbarn erwartungsvoll an „So etwa?“
    Max nickte „Jetzt nur noch einen Dreitagebart!“
    „Genau so hat der Typ ausgesehen!“ stellte Max zufrieden fest und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    Ben druckte ein Exemplar aus und starrte auf das Papier in seinen Händen.
    Obwohl der Mann etwas an sich hatte, dass ihm bekannt vor kam. So kannte er ihn doch nicht. Er war sich sicher, dass er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Eigentlich hatte Ben fast damit gerechnet, einen alten Bekannten zu treffen. Jemanden den er irgendwann hinter Gitter gebracht hatte und der sich nun auf diese Weise an ihm rächen wollte. Keine schöne Vorstellung, aber dann hätte er wenigstens gewusst was passiert war. Aber so hatte er keine Anhaltspunkte für Melanies Verschwinden. Was hatte dieser Mann mit ihrem Verschwinden zu tun?
    „Ben!“ Semir kam aufgebracht ins Büro gestürzt.
    „Was ist passiert?“ Die knappe Erzählung am Telefon reichte Semir ganz und gar nicht.
    „Danke Max, dass wars erstmal. Ich werd einem Kollegen Bescheid geben, dass er dich nach Hause fährt!“ Ben stand auf und brachte Max zur Tür.
    „Nee, lass gut sein. Ich ruf Mia an! Und bitte halt mich auf dem Laufenden!“ freundschaftlich klopfte Max ihm auf die Schulter und verschwand.
    Ben schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Semir sah ihm an, wie sehr ihm die Sache schon jetzt an die Substanz ging.
    „Also was ist passiert?“ fragte Semir erneut.
    Anstatt einer Antwort reichte Ben ihm den Zettel und lies sich wieder hinter seinem Schreibtisch nieder.
    Semir las den Brief!
    „Iris? Wer ist Iris?“ Semir sah seinen Kollegen fragend an.
    „Ich weiß es nicht! Ich versteh überhaupt nicht was in diesem Brief steht, beziehungsweise was es zu bedeuten hat.“ antwortete Ben und fuhr sich nervös durchs Haar.
    Erneut überflog Semir den Brief.
    „Also der Brief ist zwar sehr hastig verfasst worden, aber es deutet nichts darauf hin das sie entführt worden ist. Es klingt eher so, als würde sie aus freien Stücken gegangen zu sein. Als ob...!“
    „Dann erklär mir bitte warum sie gegangen ist? Heute morgen war doch noch alles in Ordnung! Was hat sie plötzlich dazu gebracht mich zu verlassen? Und was meint sie dann mit der Wahrheit und der Bitte, ich solle nicht nach ihr suchen? Verdammt was hat das alles zu bedeuten?“
    wütend fuhr Ben in die Höhe und begann im Büro auf und ab zu laufen.
    „Lass mich doch bitte mal ausreden!“ sagte Semir und fing nochmal von vorne an.
    „Es klingt für mich so, als ob sie nicht gehen wollte, aber es für sie keine andere Möglichkeit gegeben hat. Sie ist gegangen weil sie DICH damit beschützen wollte!“ jetzt wo Semir den Brief nochmal gelesen hatte und seine Vermutung laut aussprach, gab es für ihn keinen Zweifel mehr.
    „Um mich zu schützen?“ fragte Ben ungläubig.
    Semir nickte.
    „Und vor was bitte?“
    „Keine Ahnung, dass gilt es jetzt heraus zu finden. Aber ich denke das uns diese Iris weiterbringen wird. Wenn wir wissen wer Iris ist, werden wir auch Melanie finden!“ stellte Semir zufrieden fest.
    „Du meinst, Iris war ein Hinweis?“ fragte Ben
    „Ich denke schon, du kannst niemals so aufgebracht sein, dass du deinen eigenen Namen verwechselst!“ lächelte Semir
    „Du hast recht!“ Ben setzte sich wieder an seinen Schreibtisch „Ich werde jetzt erstmal diesen Kerl hier!“ er deutete auf das Phantombild „Zur Fahndung ausschreiben, der weiß definitiv wo Melanie ist!“
    Nach ein paar Minuten stand Ben auf, zog seine Jacke an und ging zur Tür.
    „Wo willst du hin?“ fragte Semir
    „Ich fahr jetzt ins Cafe, Sabrina ist Melanies beste Freundin und es würd mich doch wundern, wenn sie nicht irgend etwas wissen würde!“antwortete Ben mit neuem Elan.
    „Warte ich komm mit!“
    „Beeil dich alter Mann, in ner halben Stunde schließt der Laden!“ grinste Ben
    „Ich geb dir gleich alter Mann!“ drohte Semir und eilte hinter seinem Partner her.


    Eine knappe viertel Stunde später brachte Ben seinen Wagen vor Melanies Cafe zum stehen. Ein paar vereinzelte Gäste genossen noch eine gute Tasse Kaffee und ein leckeres Stück Kuchen.
    „Ben!“ kaum hatten die beiden Hauptkommissare das Cafe betreten eilte auch schon Sabrina auf sie zu.
    „Wo ist Mel und was ist mit ihr?“ die junge Frau wirkte aufgebracht und die Furcht in ihren Augen, machte Ben bewusst, dass sie mehr wie er, aber auch nicht alles wusste.
    „Können wir hinten weiter reden?“ fragte Ben.
    Sabrina nickte und führte die beiden Männer in das kleine Büro.
    „Wann hast du das letzte Mal mit Melanie gesprochen?“ fragte Ben
    „Na heute Morgen, ich hab sie wegen diesem Kerl angerufen!!“ antwortete Sabrina und lehnte sich gegen die Wand.
    „Welcher Kerl?“ fragte Semir.
    „Na der Kerl der diese Bestellung hier aufgegeben hat!“ sie schob sich an Ben vorbei zu dem kleinen Schreibtisch in der Ecke und holte aus dem Bestellfach das oberste Blatt heraus.
    „Das kam mir schon sehr merkwürdig vor und da hab ich sie eben sofort angerufen!“
    Ben griff nach dem Foto.
    Der Mann war definitiv nicht der selbe, wie der den Max heute Morgen gesehen hatte. Es war ein Südländer mit lockigem schwarzen Haar und einem recht sympathischen Lachen. In seinen Armen hielt er eine junge Frau mit langen, glatten hellbraunen Haaren. Ben stockte der Atem, als er erkannte das diese Frau auf dem Foto, seine Melanie war. Sie hatte lediglich eine andere Haarfarbe und Frisur.
    „Iris und Flavio, Liebe bis in den Tod. Wieder der Name Iris!“ bemerkte Semir und schaute zu seinem Partner. Ben starrte immer noch völlig abwesend auf das Foto.
    Der Türke nahm ihm das Bild aus den Händen und warf selbst einen Blick darauf. Auch er erkannte Melanie sofort.
    „Dann ist Melanie also Iris!“ stellte Ben nach einer Weile fest und ein seltsames Gefühl überkam ihn. Ein Gefühl von Verrat und Enttäuschung. Er hatte ihr alles über sich erzählt und geglaubt auch sie hätte das getan. Doch jetzt stellte sich heraus das er die Frau, die Mutter seines Ungeborenen Kindes scheinbar gar nicht kannte.
    „Sieht so aus. Aber wer ist nun dieser Flavio? Und dieser Spruch klingt mir auch nicht gerade einladend. Vielleicht ist sie deshalb verschwunden!“ sponn Semir den Faden weiter.
    „Also ist sie tatsächlich verschwunden!“ stellte Sabrina fest.
    „Hat sie irgendwas in der Art zu dir gesagt? Hatte sie das geplant?“ bohrte Semir weiter.
    „Nein nicht sie, als ich sie anrief hab ich ihr nur das mit der Torte erzählen können, dann meldete sich plötzlich irgend so ein Kommissar. Moment wie hieß er nochmal!“ Sabrina versuchte sich zu erinnern. „Ah ja, Jan Brenner. Kommissar Jan Brenner. So hat er geheißen und..!“
    „Kommissar? Bist du dir da ganz sicher?“ unterbrach Ben sie ungläubig.
    „Ja ganz sicher!“ antwortete Sabrina pikiert, sie hasste es unterbrochen zu werden.
    „Er meinte dann, Melanie müsste jetzt für einige Zeit verschwinden und das es ihr gut gehen würde, ich brauche mir keine Sorgen machen und ehe ich nachfragen konnte, hatte er aufgelegt.“
    „Warum hast du mich nicht sofort informiert?“ fragte Ben ärgerlich.
    „Entschuldige mal, der Kerl hat gesagt er sei Kommissar, ich dachte du wüsstest längst Bescheid, oder das es zumindest etwas mit dir zu tun hat. Außerdem hatte ich hier wirklich alle Hände voll zu tun!“ zischte Sabrina wütend zurück. Sie war normalerweise nicht so energisch, aber das Ben ihr jetzt die Schuld gab, konnte sie wirklich nicht auf sich sitzen lassen.
    „Schon gut, er hatts nicht so gemeint. Vielen Dank, sie haben uns sehr weitergeholfen. Falls ihnen noch was einfallen sollte, oder sich jemand bei ihnen meldet, rufen sie mich bitte an!“ Semir reichte der jungen Frau seine Karte und verließ zusammen mit Ben das Cafe.


    „Semir, was hat das alles zu bedeuten?“ fragte Ben mit leiser Stimme und starrte auf das Foto, welches sie aus dem Cafe mitgenommen hatten.
    „Ich weiß es nicht, aber wie es scheint ist Melanie nicht die, für die wir sie gehalten haben.“ stellte Semir nüchtern fest und lenkte den Wagen auf die Autobahn. Ben war jetzt nicht in der Verfassung selbst zu fahren.
    „Ja sie hat mich all die Jahre über belogen und ich hatte wirklich gedacht sie liebt mich!“ Ben wandte seinen Blick ab.
    „Junge, jetzt warte erstmal ab, jeder Mensch hat eine Vergangenheit und vielleicht wollte sie dich da einfach nicht mit reinziehen, ich glaube die Sache wird sich bald aufklären!“ Semir versuchte seinem jungen Partner Trost zu spenden. Obwohl er selbst nicht ganz daran glaubte. Warum hatte Melanie beziehungsweise Iris ihre Identität geändert? Warum hatte sie Ben gegenüber nie etwas erwähnt und warum verschwand sie jetzt so plötzlich? Hatte es sich bei diesem Kommissar Brenner wirklich um einen Polizisten gehandelt? Oder konnte es sein, dass Ben da in ein abgekartetes Spiel geraten war?
    Eins war sicher, die Vergangenheit von Bens Freundin musste jetzt gründlich unter die Lupe genommen werden. :evil:

  • Kapitel 9
    Schweigend lenkte Jan seinen Wagen über die Straßen. Er brauchte kein Navi und keine Karte die ihm den Weg zeigten, so oft war er diese Straße gefahren.
    Es fing an zu regnen. Einzelne Regentropfen klatschten auf die Windschutzscheibe und liefen langsam daran herab. Jan schaute zu Iris hinüber. Seit sie ihre Wohnung hinter sich gelassen hatten, hatte sie kein Wort mehr gesagt und jetzt liefen ihr Tränen über die blassen Wangen.
    Er wandte seinen Blick wieder auf die Straße und versuchte das miese Gefühl in seinem Inneren zu ignorieren. Der Anblick sie so traurig zu sehen, ließ ihn fast das Herz in der Brust zerspringen. Natürlich war ihm von vornherein klar, dass es nicht einfach werden würde und doch hatte er gehofft es würde wieder so wie früher werden. Sie hatten sich doch so lange nicht gesehen und er hatte sie so sehr vermisst. Kein Tag war vergangen, an dem er nicht an sie gedacht hatte. Seit sich ihre Wege damals getrennt hatten, war er nicht mehr derselbe.
    Er hatte geglaubt irgendwann damit klar zu kommen, aber er hatte es niemals geschafft ein neues Leben ohne sie zu beginnen. So oft hatte er mit dem Gedanken gespielt, einfach bei ihr zu klingeln, einfach wieder vor ihr zu stehen und genauso oft war er tatenlos sitzen geblieben und hatte sie lediglich aus der Ferne beobachtet. Warum er sich nicht getraut hatte? Sie hatte es geschafft ein neues Leben aufzubauen und er hatte Angst er könnte da nicht mehr hinein passen, er hatte Angst es zu zerstören.
    Aber hatte er nicht genau das jetzt geschafft? Hatte er nicht durch sein Verhalten, ihre ganze heile Welt zerstört? Schnell verdrängte Brenner diese dunklen Gedanken, es half nichts die Vergangenheit zu bereuen, dadurch würde er sie nicht ungeschehen machen können. Das Wichtigste war jetzt sie zu beschützen, um jeden Preis der Welt.


    Immer wieder kontrollierte, er durch einen Blick in den Rückspiegel die Straße hinter ihnen. Aber noch immer waren sie die Einzigen auf der Landstraße. Der Regen wurde stärker als Jan zuerst auf einen alten Feldweg einbog und wenig später vor einem alten Schuppen zum stehen kam. Er schaltete den Motor aus und blickte zu Iris hinüber.
    „Wir sind da!“
    Iris sah sich um und als sie die alte Scheune sah, schaute sie ihn nur skeptisch an.
    „Keine Angst, hier verstecken wir nur den Wagen. Unsere Unterkunft liegt in Mitten des Waldes und ist auch wesentlich gemütlicher als dieser alte Schuppen!“ lächelte Jan.
    Iris stieg aus und wartete bis Jan den Wagen in die alte Scheune gefahren hatte.


    Eine Hütte im Wald war zwar nicht das was sie erwartet hatte, aber sie musste zugeben das es eine gute Versteckmöglichkeit war. Jan hatte gute Arbeit geleistet, obwohl sie sich doch fragte wie er es geschafft hatte so schnell eine solche Hütte ausfindig zu machen.
    Der Regen wurde immer stärker und Iris zog die Kapuze ihrer grünen Jacke tiefer ins Gesicht. Die Jacke war nicht wasserdicht, aber an Regen hatte sie wirklich nicht gedacht.
    „Tut mir leid, aber einen Regenschirm habe ich nicht dabei!“ entschuldigte sich Brenner und holte Iris Sachen aus dem Kofferraum.
    „Macht nichts, bin ja auch nicht aus Zucker!“ antwortete Iris trocken und schlug den Kofferraumdeckel zu.
    Jan sagte nichts, ihre abweisende Haltung verletzte ihn noch immer und so schloss er die Scheunentore und marschierte vorneweg hinein in den Wald.


    Iris folgte dem Kriminalhauptkommissar mit einem kleinen Abstand. Sie brauchte Zeit um die ganze Sache zu begreifen und damit klar zu kommen. In ein paar Stunden war ihr Leben wieder völlig aus den Bahnen geworfen worden. Sie hatte Ben, einen armseligen Brief mit einem lächerlichen Hinweis hinterlassen. Jan hatte sie davor gewarnt, ihr klar gemacht das es gefährlich sei, Ben nur einen Teil der Wahrheit zu erzählen. Aber sie hatte ihm lediglich einen Namen hinterlassen. Einen Namen mit dem er vielleicht gar nichts anfangen konnte. Doch egal was Jan gesagt hatte, sie wollte sich wenigstens von ihm verabschieden können. Ben sollte nicht das Gefühl haben das sie ihn im Stich ließe oder ihn womöglich nicht liebte. All das tat sie nur für ihn, für ihn und das Baby das sie unter ihrem Herzen trug.


    Aber was wenn ihr nun etwas zustoßen würde? Wenn ihre Pläne nicht funktionieren würden und Flavio ihnen zuvor kam? Was wenn sie Ben nie wieder sehen würde? Tränen schossen ihr in die Augen und das erste Mal hatte sie das Gefühl einen Fehler gemacht zu haben.
    Bevor Iris sich jedoch weiter in Vorwürfe und Sorgen verstricken konnte, lenkte Jan ihre Aufmerksamkeit auf sich.


    „So hier sind wir!“ sagte er und deute auf eine kleine, alte Holzhütte.
    Iris sah sich um. Die Hütte stand auf einem kleinen Anhang und war umgeben von Kiefern und Tannen welche sie von drei Seiten wie ein Sichtvorhang umgaben. Ein Stück dahinter konnte Iris einen kleinen See erkennen.


    „Ist schön hier!“ sagte Iris „Erinnert mich irgendwie an damals!“
    Brenner trat zu ihr, legte ihr den Arm um die Schulter und zog sie an sich. Es hätte tausende von Dingen gegeben die er ihr jetzt gerne gesagt hätte, aber er schwieg und genoss lediglich den Augenblick.
    „Komm lass uns reingehen, nicht das du dich noch erkältest!!“ fürsorglich brachte Jan die junge Frau in die kleine Hütte, die innen gar nicht so klein war, wie sie von außen wirkte.
    Alles was man so für das tägliche Leben brauchte, hatte darin Platz gefunden. Eine kleine Küchenzeile, ein Ofen, ein Tisch mit 2 Stühlen, ein paar Regale an der Wand. Ein altes Sofa einen und Bett auf der anderen Seite.


    „Ich mach gleich mal Feuer!“ Jan brachte Iris Sachen zu dem Bett, zog seine Lederjacke aus und begann den Ofen an zu zünden.
    Iris legte auch ihre nasse Jacke ab und hängte sie über einen der Stühle. Mit großem Interesse beobachtete sie Jan. Er schaffte es tatsächlich ein richtiges Feuer zu entfachen.
    Ihre Blicke kreuzten sich und ein Grinsen breitete sich auf Jans Gesicht aus „Ich haben Feuer gemacht!“ sagte er mit tiefer Stimme und klopfte sich dann wie ein Gorilla auf die Brust.
    Iris konnte nicht anders und fing an zu lachen. Es war ein ehrliches Lachen und kam aus tiefsten Herzen.
    Ein warmes Gefühl machte sich in Brenners Brust breit, als er ihr Lachen hörte. In den letzten Jahren hätte er alles dafür getan, sie nur einmal lachen zu hören. Wenn sie lachte war es, als würde die Sonne aufgehen – so war es immer gewesen und so würde es immer sein.


    „Also diese Dosenravioli waren gar nicht so übel!“ stellte Iris am Abend nach ihrem Mahl fest und tupfte sich den Mund mit einem Blatt Zewa ab.
    „Tja ich bin eben ein Sternekoch!“ grinste Brenner und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche.
    „Einbildung ist auch eine Bildung, nicht wahr!“ antwortete Iris und stand auf.
    „Nicht so frech junge Dame, sonst..!“ warnte Jan mit erhobenen Zeigefinger
    „Was sonst?“ fragte Iris herausfordernd und konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen.
    „Sonst muss dir der Höhlenmensch den Hintern versohlen!“ wieder klopfte er sich wie ein Menschenaffe auf die Brust.
    „Kann der Höhenmensch ja mal probieren!“ Iris griff nach ihrer Jacke und zog sie an.
    „Wo willst du hin?“ fragte Brenner mit zusammengezogenen Augenbrauchen
    „Ich muss mal pinkeln und ich geh mal davon aus, dass es sowas wie eine Toilette hier drin wohl noch nicht gibt!“ antwortete Iris und öffnete die Tür.
    „Moment ich komm mit!“ Jan stand auf und holte eine Taschenlampe aus der obersten Schublade der Küchenzeile.
    „Oh nein, dass bekomme ich schon noch alleine hin!“ lehnte Iris dankend aber bestimmend ab. Sie hatte keine Lust, dass Jan ihr beim Pinkeln zusah, dass ging nun wirklich zu weit.
    „Jetzt stell dich doch nicht so an, ich kuck dir schon nichts weg. Aber falls ein wildes Tier kommt, muss dich ja jemand beschützen!“ ohne auf Iris Einwende zu achten trat er in die kalte dunkle Nacht hinaus.


    „Iris wie weit willst du denn noch laufen, jetzt setzt dich doch einfach irgendwo hin!“ schimpfte Brenner genervt und blieb stehen. Iris war jetzt, so kam es ihm zumindest vor, einen halben Kilometer in den Wald gelaufen nur um mal schnell zu pinkeln.
    „Dreh dich um!“ befahl Iris und wartete bis der Schein der Taschenlampe in die andere Richtung schien.
    Brenner grinste in sich hinein und als er wenig später das Plätschern hörte konnte er sich ein „Na endlich!“ nicht verdrücken.
    „Sei ruhig!“ fuhr ihn Iris ärgerlich aus der Dunkelheit an.
    „Das nächste Mal geh ich alleine!“ murrte Iris auf dem Rückweg
    „Nein, dass nächste Mal gehst du höchstens hinters Haus!“ lachte Jan und legte den Arm wieder um die junge Frau.
    „Das kannst du vergessen!“

  • Er wollte gerade darauf antworten, als er etwas hinter sich knacken hörte. Blitzschnell fuhr er mit gezogener Pistole herum und leuchtete mit der Taschenlampe in die Dunkelheit.
    „Was ist?“ flüsterte Iris erschrocken
    Brenner leuchte vorsichtshalber die nähere Umgebung ab, konnte aber außer ein paar kleinen Wildtieren nichts erkennen.
    „Nichts, war wahrscheinlich nur ein Reh!“ beruhigte er sie und griff nach ihrer Hand.
    Bis sie wieder in der Hütte waren, redeten sie nicht mehr miteinander. Brenner war jetzt wieder hellwach und achtete auf jedes noch so kleine Geräusch und jede noch so kleine Bewegung. Er durfte nicht unaufmerksam werden, egal wie sehr er die Zeit mit Iris genoss.


    „Jan? Bist du noch wach?“ fragte Iris mit zitternder Stimme, einige Zeit später. Der Wind war in den letzten Stunden stärker geworden und heulte wie ein wütender Wolf um die Hütte. Dazu kamen der Regen der wie Faustschläge auf das Dach der Hütte trommelten und die Angst die sich wieder breit machte.
    Die Stunden die sie mit Jan verbracht hatte, hatten sie von der Furcht abgelenkt, aber jetzt wo sie alleine in ihrem Bett lag und Zeit hatte wieder über alles nachzudenken, fühlte sie sich beschissen.
    Ben fehlte ihr und die Ungewissheit ob sie ihn je wieder sehen würde trieben ihr Tränen in die Augen. Immer mehr Tränen bahnten sich ihren Weg über das Gesicht der jungen Frau und ihre Nerven spielten verrückt. Plötzlich fühlte sie sich wie ein kleines Mädchen und von dem was sie sich geschworen hatte, war nicht mehr viel übrig. Was sollte sie schon gegen Flavio ausrichten?


    „Ja was ist los?“ antwortete Jan von dem alten Sofa aus.
    „Kannst du bitte bei mir schlafen?“ ihre Stimme war kaum mehr als ein flüstern und Brenner kam zu ihr. Er wusste das sie weinte, aber er stellte keine Fragen, denn er kannte ihre Antworten.
    „Rutsch rüber!“ sagte er stattdessen nur leise, streifte sich die Schuhe ab und schlüpfte unter die Decke.
    Er schlang seinen Arm um sie und Iris vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.
    Der Duft seines Aftershaves stieg ihr in die Nase und rief tausende Erinnerungen wach. Schon immer hatte Jan diesen Duft benutzt.
    „Werden wir das Ganze alleine überstehen?“ fragte Iris leise nestelte an den Knöpfen von Jans Poloshirt herum. Damals hatten sie eine Menge Polizisten als Verstärkung hinter sich und jetzt waren sie nur zu zweit in einer einsamen Hütte im Wald. Vielleicht fand Flavio sie nicht, aber sie konnten doch nicht ewig hier bleiben.
    „Ich pass schon auf dich auf!“ antwortete Brenner und strich ihr übers Haar.
    Es war zwar keine direkte Antwort auf ihre Frage, aber im Moment beruhigte es sie, denn Jan hatte sie noch nie belogen.
    Iris kuschelte sich näher an Jan und während sie dem rauschen des Regens und dem Pfeifen des Windes lauschte, schlief sie langsam ein.


    Durch das Zwitschern der Vögel und strahlendem Sonnenlicht wurde die junge Frau am nächsten Morgen geweckt. Iris gähnte und streckte sich, da fiel ihr auf das Jan nicht mehr bei ihr lag. Sie setzte sich auf und blickte sich um. Aber Jan lag weder auf dem abgenutzten Sofa noch war er überhaupt in der Hütte. Langsam stand die junge Frau auf, schlüpfte in ihre Sneakers und ging zu dem kleinen Fenster über der Küchenzeile hinüber.
    Was sich ihr draußen zeigte, war das absolute Gegenteil von gestern. Heute war alles in goldenes Sonnenlicht getaucht und der See glitzerte wie tausende Diamanten. Sie wollte gerade nach draußen gehen, als ihr der Zettel auf dem Tisch auffiel.


    Wunderschönen Guten Morgen,
    bin eben schnell Frühstück besorgen!
    Bleib bei der Hütte, auch wenn du pinkeln musst ;)


    Jan

    Das würde sie sich jetzt wahrscheinlich noch eine halbe Ewigkeit vorhalten lassen müssen – dass war typisch Jan! Aber sie musste tatsächlich pinkeln und sie wollte die Chance nutzen und ihr Geschäft so schnell wie möglich alleine verrichten. Eilig zog sie ihre grüne Jacke an und trat nach draußen. Es war frisch und die junge Frau fröstelte.
    Jetzt würde sie Jans Anweisung von letzter Nacht Folge leisten und lediglich hinters Haus gehen.
    Ein paar Minuten später kam sie frierend wieder hervor und wollte nur noch zurück in die warme Hütte, als sie Jan zwischen den Bäumen erkannte. Er hatte eine große Tüte bei sich und kam mit großen Schritten auf sie zu.


    „Guten Morgen!“ rief sie, doch als er näher kam, sah sie wie wütend er war.
    Seine Lippen waren nur noch ein gerader Strich und seine Augen verschwanden beinahe unter seinen zusammengezogenen Brauen.
    „Was ist passiert?“ fragte sie mit besorgter Stimme.
    „Dein super Bulle hat mich zur Fahndung ausgeschrieben, dass ist passiert!“ fauchte Brenner und hielt ihr wutentbrannt die Lokalzeitung vors Gesicht! X(

  • Kapitel 10


    Die halbe Nacht war Ben auf den Beinen gewesen. Er hatte versucht wenigstens ein wenig zu schlafen, aber in seinem Kopf herrschte ein zu großes Chaos, als das er auch nur eine Stunde schlafen hätte können. In den letzten Stunden hatte er Dinge erfahren, die er noch immer nicht glauben konnte. Melanie hatte ihm ihre wahre Identität verschwiegen und ihn also die ganzen Jahre über belogen. Das hatte sie, auch wenn Semir ihn versuchte von etwas andrem zu überzeugen. Dazu kam das fragliche Bild mit dem seltsamen Spruch „Iris und Flavio Liebe bis in den Tod“. Nie zuvor hatte Melanie je einen Flavio erwähnt. Er wusste nur, das von einem ihrer Exfreunde, die Narbe an ihrem Oberschenkel stammte, doch schon damals hatte sie sich in tiefes Schweigen gehüllt. Konnte da eine Verbindung bestehen? Aber wie passte dann dieser zwielichtige Kommissar in die ganze Geschichte? Warum hatte sie zu dem mehr Vertrauen als zu ihm, den Vater ihres ungeborenen Kindes? Er erinnerte sich daran, wie glücklich er vor ein paar Stunden noch gewesen war, als er erfahren hatte das er Vater werden würde! Gestern war seine einzige Sorge, dass sein Heiratsantrag perfekt sein musste und heute wusste er nicht mal, ob er seine Freundin je wieder sehen würde.


    Einige Zeit saß Ben nur da und starrte ins Leere, dann stand er auf, griff nach seinem Schlüsselbund und verließ die Wohnung. Es gab so viele offene Fragen und er würde jetzt beginnen nach Antworten zu suchen.
    Als er vor Melanies Tür stand, hielt er kurz inne. Er würde gleich in ihre Privatsphäre eindringen, ihre Sachen durchsuchen und womöglich auf Dinge stoßen die ihm nicht gefallen würden.
    „Scheiß drauf!“ sagte er zu sich selbst und betrat die Wohnung.
    Hätte sie ihn nicht belogen, müsste er jetzt nicht zu solchen Mitteln greifen.
    Er schloss die Tür hinter sich und sein Magen verkrampfte sich schmerzhaft als ihm der bekannte Duft ihres Parfums in die Nase stieg. Tausend Erinnerungen wurden dadurch wach gerufen, Erinnerungen die Ben sofort wieder verdrängte.
    Einen Augenblick stand Ben noch unschlüssig im Flur und überlegte wo er mit seiner Suche beginnen sollte und was genau er eigentlich suchte.
    „Wo würde ich etwas verstecken, dass niemand finden soll?“ fragte er sich selbst und betrat das Schlafzimmer.
    Er trat zu der weißen Kommode, auf der immer noch Melanies Handy,ihre Geldbörse und ihre Schlüssel lagen. Ben nahm das Mobiltelefon an sich und begann ihre Telefonliste und ihre SMS durchzusehen. Aber es waren keine Leute und keine Nachrichten darauf die ihm seltsam vorkamen. Er fühlte sich furchtbar als er das Handy wieder zurück legte. Normalerweise hatte er kein Problem im Leben von anderen Leuten herum zu schnüffeln, das gehörte nun mal zu seinem Beruf. Aber hier ging es um jemanden den er kannte – jemanden den er liebte!
    „Reiß dich zusammen!“ ermahnte er sich selbst und öffnete die erste Schublade der Kommode. Er atmete tief durch und begann dann zwischen ihrer Unterwäsche nach irgendetwas auffälligen zu suchen. Aber außer Seide und Spitze konnte er nichts finden. Auch in den beiden anderen Schubläden fand er keinerlei Hinweise.
    Ben trat vor den großen Kleiderschrank und öffnete die beiden Türen. Sofort fiel ihm auf das einige von Melanies Klamotten fehlten. Wieder ein Stich in seiner Brust, sie hatte also vor länger nicht nach Hause zu kommen. Er verdrängte die aufkommenden Gefühle und machte sich wieder an die Arbeit. Er nahm den Schrank genauestens unter die Lupe, hob Kleiderstapel heraus, und suchte jeden Zentimeter ab, aber auch hier schien Melanie nichts versteckt zu haben. Ben wollte den Schrank gerade wieder schließen als ihm der schwarze Schuhkarton unter Melanies langem Mantel auffiel.
    Er ging in die Hocke und holte den Karton heraus. Sein Herz schlug schneller als er den Deckel abnahm. Der Inhalt bestand aus Fotos und diversen Krimskrams. Den Großteil der Fotos kannte Ben; ihr erster gemeinsamer Urlaub nach Irland, der Karnevalsball im letzten Jahr und die Geburtstagsfeier seines Vaters. Der Rest zeigte den Aufbau ihres Cafes und diverse Landschaftsbilder. Er legte den Stapel Fotos beiseite und sah die restlichen Sachen durch. Postkarten von Sabrina, Gedichte und Zeitungsausschnitte über ihn und Semir und den ersten Auftritt seiner Band.
    Ben griff nach dem Karton, den er zuvor achtlos aufs Bett geworfen hatte und wollte die Sachen wieder zurück legen, als ihm auffiel das sich etwas in dem Karton gelöst hatte. Er sah sich die Schachtel genauer an, sie hatte einen doppelten Boden. Vorsichtig entfernte er diesen und entdeckte lediglich einen zusammengefalteten Zeitungsausschnitt darin.
    „Italienischer Millionärssohn wandert für …!“ Ben klappte den Ausschnitt auseinander um den Rest der Überschrift lesen zu können, als die Hälfte eines Fotos heraus fiel. Ben traute seinen Augen kaum, als er den Mann von dem Phantombild darauf erkannte. Das Foto war auseinander gerissen worden und so konnte Ben nur erkennen das er irgendjemanden den Arm um die Schultern gelegt hatte und lässig in die Kamera grinste. Ben drehte das Bild um und suchte nach dem Entwicklungsdatum, als er Teile einer Inschrift entdeckte.


    FÜR IMMER UND EWIG...
    DEIN GELIEBTER....


    Obwohl Teile der Schrift fehlten, war es für den Hauptkommissar wie ein Schlag in die Magengegend! Wieder überschlugen sich die Gedanken in seinem Kopf – noch mehr Information die er nicht einordnen konnte. Fassungslos saß er da und starrte vor sich hin, als sein Blick auf den Zeitungsausschnitt in seinem Schoß fiel. Er legte das Foto beiseite und las den ganzen Artikel.


    „Italienischer Millionärssohn wandert für 9 Jahre hinter Schwedische Gardinen!“
    München
    Der italienische Millionärssohn Flavio Zingarelli wurde gestern wegen Drogenhandels und schwerer Körperverletzung zu 9 Jahren Haft verurteilt.
    Der Mord an einem der Kronzeugen konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden!
    Zur Verurteilung, kam es nur aufgrund der Aussage der zweiten Kronzeugin.


    Ben holte sofort sein Mobiltelefon aus der Hosentasche und wählte Semirs Nummer.
    „Sag mal weißt du eigentlich wie spät es ist?“ meldete sich Semir mit verschlafener Stimme. Ben warf einen Blick auf den Wecker neben sich - 06:30 Uhr, so früh war das nun wirklich nicht und schließlich hatte er wichtige Neuigkeiten.
    „Melanie ist in kriminelle Geschäfte verwickelt!“ antwortete er und wartete auf Semirs Reaktion. Einige Zeit herrschte lediglich Stille dann beendete Semir mit folgenden Worten das Gespräch „Ich bin gleich da!“
    Ben nahm Foto und Zeitungsausschnitt an sich und machte sich auf den Weg zur Dienststelle.
    Die ganze Fahrt über versuchte Ben die gefundenen Informationen logisch und sinnvoll miteinander zu kombinieren, aber es gab immer eine Variable die er nicht kannte oder eine die nicht ins Bild zu passen schien. Als er seinen Wagen vor der PAST parkte, rauchte ihm der Kopf.
    „Ben!“ kaum hatte er die Dienststelle betreten, kam auch schon Bonrath auf ihn zu geeilt.
    Er sparte sich etwas zu sagen und sah ihn nur genervt an.
    „Ich glaub du bist da jemanden ziemlich auf die Füße getreten. Er wartet in eurem Büro auf euch und ist stinksauer, also ich meine so richtig!“
    „Von was zum Teufel sprichst du?“ unterbrach Ben seinen Kollegen unfreundlich. Ihm fehlte der Geist für so etwas.
    „Na der Kerl vom Fahndungsfoto, er ist hier und..!“ bevor Bonrath seinen Satz beenden konnte, stürmte Ben schon in Richtung Büro.
    „Wurde auch mal langsam Zeit, ich dachte..!“ weiter kam Jan nicht, denn da hatte Ben ihn schon am Kragen gepackt und ihn gegen die Wand gedrückt
    „Wo-ist-sie?“ zischte er und funkelte seinen Gegenüber wütend an.
    „Jetzt beruhige dich mal wieder Kleiner!“ lächelte Brenner etwas überheblich. 8)

  • Kapitel 11


    Das war zu viel für den Hauptkommissar, nach allem was in den letzten Stunden passiert war und der vergangenen, schlaflosen Nacht, war das jetzt, der Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte.
    Bens Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, er verstärkte den Griff an Brenners Kragen, fuhr herum und warf ihn auf den Schreibtisch. Bens Tastatur, Akten und diverse Süßigkeiten ergossen sich über den Boden. Jan gab ein ächzendes Geräusch von sich, als er mit dem Rücken auf der Tischplatte aufschlug.
    „Ich frag dich jetzt nochmal!“ knurrte Ben „Wo ist sie?“
    „Zwing mich nicht dir weh zu tun, du super Bulle!“ sagte Jan mit dem selben süffisanten Grinsen.
    Bevor Ben etwas erwidern konnte, hatte sich Brenner mit einer schnellen, fliesenden Bewegung aus seinem Griff gewandt und bis Ben sich versah, lag er mit dem Gesicht nach unten auf seinem Schreibtisch!
    Jan drehte ihm den Arm auf den Rücken, beugte sich über ihn und flüsterte in sein Ohr „Du bist viel zu wütend um konzentriert zu sein – ne gefährliche Sache..!“
    Weiter kam er nicht, denn die Tür ging auf und Semir stürmte herein.
    „Hey! Lassen sie sofort meinen Partner los!!!“ schrie er und riss an Brenners Jacke.
    Brenner lies, mit einem „Schon gut!“ Ben los und trat einen Schritt zurück. Er war nicht hier um Ärger zu machen, ganz im Gegenteil! Jetzt musste er Fingerspitzengefühl beweisen, was angesichts des schlechten Starts etwas schwierig werden konnte.
    „Alles klar bei dir?“ fragte Semir seinen Partner. Ben grummelte etwas unverständliches und strich sein Shirt zurecht.
    „Nachdem die Fronten jetzt geklärt sind, kann ich mich ja endlich mal vorstellen!“ begann Brenner „Kriminalhauptkommissar Jan Brenner, Bayerisches Landeskriminalamt!“
    „LKA?“ fragte Semir überrascht.
    „Ja, Zeugenschutzprogramm!“ antwortete Brenner entnervt. Die Zeit drängte, schnellst möglichst musste die Fahndung nach ihm gestoppt werden!
    „Ich bin hier um...!“
    „um mir zu sagen wo meine Freundin ist!“ unterbrach Ben ihn forsch.
    „Du wirst sicher verstehen, dass dies aus Sicherheitsgründen leider nicht möglich ist und eure lächerliche Aktion mit dem Steckbrief in der Zeitung, hat die Situation für uns nicht gerade einfacher gemacht!“ antwortete Jan zynisch.
    Ben rührte sich und machte den Anschein Brenner gleich wieder an die Gurgel zu springen.
    Semir hielt ihn zurück
    „Nur um Missverständnisse auszuschließen!“ sagte er mit bedrohlicher Stimme und schaute Brenner an „Wir werden sie auf jeden Fall zu Melanie begleiten!“
    Jan schüttelte den Kopf „Nein, dass geht nicht!“
    „Hast du eine Ahnung, was alles geht!“ funkelte Ben sein Gegenüber böse an.
    „Ich bin wegen der Fahndung hier – nicht um zu verhandeln!“ antwortete Brenner gereizt.
    Während er hier mit diesen beiden Autobahncowboys diskutierte, war Iris allein und er hatte ein ganz mieses Gefühl.
    „Entweder so, oder sie können die Nacht in unserem komfortablen Gästezimmer verbringen!“ drohte Semir
    Brenner machte einen Schritt auf den Türken zu und blickte auf ihn hinab „Sie sollten ganz vorsichtig sein, mit ihren Drohungen – ich kann ihre Karriere schneller beenden als sie glauben!“
    „Jetzt pass mal auf du Vollpfosten, wenn du mir jetzt nicht sofort sagst wo du meine Freundin versteckt hältst, dann vergess ich meine gute Erziehung!“ Ben kochte vor Wut. Was glaubte dieser Fatzke wer er war? Hier ging es schließlich um seine Melanie und für sie würde er alles tun.
    Brenner atmetet tief durch und sah Ben an
    „Ok, ihr könnt mitkommen, aber wenn ihr etwas passiert, dann mache ich euch höchstpersönlich dafür verantwortlich! Ich werd sie nicht noch einmal verlieren!“ ohne eine Antwort abzuwarten, verlies Brenner das Büro.
    Er hatte schon viel zu viel Zeit vergeudet!


    „Ich fahre!“ stellte Brenner fest und öffnetet die Tür seines schwarzen BMWs.
    „Ach, und warum ausgerechnet du?“ frotzelte Ben, er hatte diese überhebliche, selbstgerechte Art von diesem Kerl so was von satt.
    „Ganz einfach, weil ich eure Unfallstatistik kenne und ich habe keine Lust in einen Tankwagen oder einen Wohnwagen zu rasen oder sowie letzte Woche, als ihr euren Dienstwagen mal schnell in einem Baum geparkt und die Autobahn für mehrere Stunden lahm gelegt habt!“
    Ben und Semir trauten ihren Ohren kaum, der Typ wusste alles über sie!
    „Woher?“ stammelte Semir, aber Brenner stieg ungerührt in seinen Wagen und lies den Motor an.


    Die Fahrt über schwiegen sich die drei Männer an, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Bens Ärger war, in Anbetracht der Gewissheit, dass er Melanie gleich wieder gegenüber stehen würde, beinahe ganz verraucht. Semir ging alles nochmal durch und musste feststellen, dass Brenner verdammt gut über alles informiert war. Er hatte sie also definitiv schon länger im Visier – wie oft waren sie wohl schon von ihm observiert worden? Doch aus welchem Grund? Der Mann war ihm nie zuvor begegnet und doch kam es ihm vor, als würde er ihn von irgendwoher kennen. Der Türke versuchte sich zu erinnern und ging dann, als er keine konkrete Erinnerung fand, davon aus das er ihm wohl indirekt, als er sie beobachtet hatte aufgefallen sein musste.
    Jan Brenner starrte auf die Straße, die ganze Sache war anders gelaufen als er sie geplant hatte. Er hatte erwartet, die Aktion würde nicht länger als ein paar Minuten dauern. Ein paar Minuten, von wegen, eine ganze Stunde war seitdem vergangen. Das komische Gefühl hatte ihn noch immer nicht losgelassen, ein Gefühl das er nicht direkt einordnen konnte. Doch er wusste, dass es erst aufhören würde, wenn er Iris wieder bei sich hatte.


    „Das ist nicht dein Ernst, oder?“ fragte Ben skeptisch als Jan den Wagen wieder vor der alten Scheune zum stehen brachte. Auch Semir zuckte nur mit den Achseln, als Ben ihn fragend ansah. Brenner sparte sich eine Antwort und marschierte in den Wald. Das Gefühl wurde immer unerträglicher!
    Ben und Semir eilten ihm hinter her, sie würden ihn keine Sekunde aus den Augen lassen, keiner von ihnen traute ihm.
    „Ich glaubs wirklich nicht!“ schimpfte Ben vor sich hin „Du hast sie mutterseelenalleine hier im Wald gelassen? Ohne Schutz? Ihr habt ja wirklich tolle Methoden jemanden zu schützen, beeindruckend!“
    „Du wärst überrascht wie gut sie sich selbst beschützen kann, sie muss sich nur wieder daran erinnern!“ antwortete Brenner.
    „Ach bist du jetzt auch noch ein Experte in Sachen menschlicher Psyche geworden?“
    „Nein, aber ich kenn sie einfach besser als du!“ erwiderte Jan trocken und grinste.
    Ben biss die Zähne zusammen.
    „So hier sind wir!“ sagte Brenner nach einer Weile und deutete auf die kleine Hütte, die zwischen den Bäumen aufgetaucht war.
    „Hübsch!“ sagte Semir und meinte es tatsächlich auch so, nach so einem Häuschen hatten Andrea und er schon seit Jahren gesucht. Im Sommer musste es, durch den See bestimmt traumhaft schön sein.
    „Beeindruckend!“ antwortete Ben mit sarkastischem Unterton.
    „Iris?“ Brenner rief ihren Namen und Bens Herz begann zu rasen, gleich würde er seine Angebetete wieder in den Armen halten – gleich würde alles wieder in Ordnung sein!
    „Iris?“ Jan rief erneut ihren Namen und trat zur Tür als sein Blick auf den Boden fiel.
    „Oh nein!“ hauchte er und zog seine Pistole.
    „IRIS!“ Brenners Stimme bebte!
    Er riss die Tür auf und stürmte hinein. Ben und Semir fuhren zusammen und zogen ebenfalls ihre Waffen. Die beiden wollten dem Hauptkommissar gerade folgen, als er ihnen wieder entgegen wankte. Sein Gesicht war kreidebleich und er sah aus, wie ein Mensch der bei lebendigen Leibe verbrannte.
    Bens Magen verkrampfte sich schmerzhaft!
    „Sie ist....!“ stieß Brenner hervor ;(

  • Kapitel 12
    „Wie sie ist weg?“ fragte Ben und glaubte sich verhört zu haben. Als Brenner ihm nicht antwortete drängte er sich an ihm vorbei und betrat die Hütte.
    Abrupt blieb er stehen, als der Chaos sah. Tisch und Stühle waren umgestoßen worden. Kaputtes Geschirr, Semmeln, Marmelade und Wurst waren über den Dielenboden verteilt.
    Brenner hatte Recht, sie war nicht mehr hier.


    Purer Hass, schoss dem jungen Hauptkommissar plötzlich wie Batteriesäure durch die Venen!
    „Oh wie siehts denn hier aus?“ fragte Semir und begann sich umzusehen.
    Ben antwortete nicht, ihm war gerade etwas in den Sinn gekommen, etwas das ihn noch wütender machte.
    „Sag mal willst du uns verarschen?“ knurrte Ben und stürzte auf Brenner zu.
    „Verarschen? Ich hab jetzt andere Probleme als deinen Kinderkram!“ antwortete er nur und wandte sich ab.
    „Oh ja, da hast du Recht!“ zischte Ben und hielt ihn am Arm zurück „Du erzählst mir wo Melanie ist und die ganze dazugehörige Wahrheit, oder ich...!“
    „Kleiner, die Wahrheit würdest du doch nicht verkraften!“ Irgendwie musste er diese beiden Hilfssheriffe loswerden.
    „Lassen wirs drauf an kommen!“ antwortete Ben und sah Brenner herausfordernd an. Langsam bekam Ben den bösen Verdacht, dass er sie ziemlich verarscht hatte. Als ob ein LKA Beamter eine Kronzeugin in eine einsame Hütte im Wald bringen würde und dann noch völlig ohne Schutz, dass war lächerlich. Er ärgerte sich, dass er nicht vorher drauf gekommen war und sich tatsächlich Hoffnungen gemacht hatte, Melanie endlich wieder in den Armen halten zu können. Das ganze war doch viel zu einfach gewesen und so etwas war normalerweise nie einfach! Irgendetwas stinkte hier zum Himmel und er würde nicht eher ruhen bis er auf jede Frage eine zufriedenstellende Antwort bekommen hatte.
    „Wie wärs wenn ihr beide zur Abwechslung mal wieder die Autobahn in Schutt und Asche legt, oder Verkehrskontrollen durchführt – mir völlig egal, Hauptsache ihr steht mir dabei nicht im Weg rum und lasst mich meine Arbeit machen!“ antwortete Brenner angesäuert. Er wusste nicht wie lange er die Fassade noch aufrecht erhalten konnte. In seinem Inneren herrschte absoluter Ausnahmezustand. Iris war weg und er wusste wo sie war, es gab keine andere Möglichkeit. Er war blind gewesen und naiv zu glauben Flavio würde sie nicht finden. Schon gestern Nacht, als er das Knacken im Unterholz gehört hatte! Er hätte sie aus der Stadt schaffen sollen, weit weg von alle dem! Aber nein, er war geblieben und hatte sie auch noch alleine gelassen. Er war ein Idiot – wieder einmal.
    „Oh ja, deine Arbeit ist wirklich bewundernswert, vielleicht sollte ich dich fürs Bundesverdienstkreuz vorschlagen!“ frotzelte Ben und konnte seine Wut kaum mehr unterdrücken.
    „Ach was weißt du schon von meiner Arbeit, du Hampelmann!“ Brenners Fassade bekam immer mehr Risse. Er wusste wie die Zeit drängte und musste sich mit diesen Beiden Typen herumschlagen – er hätte nie zu ihnen fahren sollen!
    „Der Hampelmann würde aber eine schwanger Frau nicht alleine in so einer Dreckshütte mitten in der Wildnis aussetzen!“ bellte Ben und machte einen Schritt auf Brenner zu.
    Jan öffnete den Mund, schloss ihn wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Schwanger! Warum hatte Iris ihm nichts davon gesagt? Sein Magen verkrampfte sich – das änderte alles!


    „Kommt mal her!“ rief Semir und unterbrach die beiden Streithähne.
    Ben und Brenner betraten die verwüstete Hütte.
    „Die hier hab ich gefunden!“ Semir hielt eine Pistole in die Höhe.
    „Sehr gut, Hartmut wird uns definitiv mehr über ihre Geschichte erzählen können!“stellte Ben zufrieden fest und holte eine Plastiktüte aus seiner Jackentasche.
    „Ich ruf ihn gleich an, hier gibt’s noch mehr für ihn zu tun!“ sagte Semir und kramte sein Handy aus der Jackentasche.
    „Das mit der Pistole könnt ihr euch sparen!“ sagte Brenner resigniert.
    „Ach was!“ Ben gab einen ungläubigen Laut von sich und erntete dafür von Semir einen bösen Blick. Ihm ging das Gestreite zwischen den Beiden jetzt schon ziemlich auf den Wecker. Die Beiden verhielten sich wie zwei wilde Tiere die sich um eine fette Beute stritten und übersahen dabei um was es hier wirklich ging. Es ging um Melanie! Auch wenn Brenners Verhalten mehr als verdächtig war, so hatte er ihnen nichts vorgespielt. Es war blankes Entsetzen in seinen Augen, als er ihr Verschwinden bemerkt hatte. Auch Ben würde das sehen, aber im Moment war er blind vor Hass und Verzweiflung. Ein Zustand den Semir nur zu gut kannte!
    „Sie kennen die Waffe?“ hakte Semir nach.
    Brenner schloss die Augen und atmete tief durch.
    „Ja ich kenne sie!“
    „Woher?“ drängte Ben.
    Brenner fuhr sich durch die Haare und überlegte wo er am besten anfangen sollte. Der Zeitpunkt war gekommen! Es gab keine Ausweichmöglichkeit mehr, jetzt gab es nur noch eine Möglichkeit und zwar die Wahrheit. Nun musste er über seinen Schatten springen und seine Angst überwinden! Ein letztes Mal musste er das Risiko eingehen – für Iris.
    Er räusperte sich und begann dann, die Geschichte zu erzählen! :S

  • Kapitel 13


    „Iris wurde damals als verdeckte Ermittlerin in Flavio Zingarellis Firma eingeschleust. Nach allem was wir über ihn wussten, hatte Iris perfekt in sein „Beuteschema“ gepasst. Sie sollte Beweise dafür finden, dass er einen florierenden Handel mit Waffen, Drogen und sogar jungen Frauen führte. Wir hatten bis dato absolut nichts gegen den Kerl in der Hand! Sie war als Flavios persönliche Sekretärin eingestellt worden, aber schnell war klar, dass sie für die Infos näher an ihn heran musste. Ein paar Wochen später schien unser Plan auch aufzugehen, Flavio begann sich sehr für sie zu interessieren. Lud sie zum Essen ein, machte ihr Geschenke und trug sie regelrecht auf Händen!“ Brenner machte eine Pause und blickte in die Runde, beide Hauptkommissare hingen ihm gespannt an den Lippen. Für Ben würde es nicht leicht werden, dass alles zu verstehen, aber er konnte keine Rücksicht mehr darauf nehmen. Er räusperte sich und fuhr fort.
    „Die Sache entwickelte sich immer besser und die beiden wurden schlussendlich ein Paar. Flavio vertraute ihr und sie wurde ein Teil der Zingarelli-Familie. Aber trotz des ganzen kamen wir im Fall nicht weiter, Iris fand keinerlei Hinweise auf irgendwelche krummen Geschäfte und unser Boss wollte endlich Beweise, sonst müsste er sie vom Fall abziehen. Iris hat dann klar gemacht, dass sie sich ganz sicher nicht vom Fall abziehen lassen würde und wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war sie nicht mehr davon abzubringen. Danach hatte sie den Kontakt zu uns abgebrochen und als wir wieder Kontakt hatten, lag sie das erste Mal im Krankenhaus!“ Ben atmete in einem Stoß aus.
    „Sie lag im Krankenhaus?“ seine Stimme zitterte.
    Brenner nickte und fuhr fort, bevor Ben weitere Fragen stellen konnte.
    „Sie ließ sich auch dadurch nicht von ihrem Ziel abbringen und kehrte zu Flavio zurück. So lief es noch fast einen ganzen Monat ab, sie kam mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus und kehrte danach zu Flavio zurück. Knochenbrüche, Quetschungen, schwere Hämatome, aber Iris machte weiter. Es war wie eine Fixe Idee, man konnte nicht mehr mit ihr reden – sie war eine Andere geworden. Erst als ein befreundeter Staatsanwalt, dessen Schwester Intensivkrankenschwester ist, mich kontaktierte und mir erzählte, dass sie schon wieder bei ihnen Gast war und alle Verletzungen auf eine versuchte Vergewaltigung hinwiesen, brach ich die Sache ab. Mit Hilfe des Staatsanwalts liesen wir sie verschwinden und sie kam ins Zeugenschutzprogramm. Zwischenzeitlich hatten wir einen weiteren Zeugen ausfindig machen können, einen Zeugen der die restlichen Beweise liefern konnte. Kurz vor der Verhandlung war unser Versteck von irgendjemanden preis gegeben worden und Flavio kam mit seinen Leuten. Für den Kronzeugen kam jede Hilfe zu spät, aber wenigstens schaffte ich es Iris zu retten. Durch ihre Aussage konnte er zwar zu 9 Jahren Haft verurteilt werden, aber das war nichts im Gegensatz zu dem was er bekommen hätte, wenn der andere hätte aussagen können. Nachdem Flavio Iris nach der Verhandlung noch gedroht hatte, bekam sie eine neue Identität. Sie musste die Stadt verlassen und jede Verbindung zu ihrem alten Leben kappen! Vor ein paar Wochen hab ich von dem Mitinsassen dann erfahren, dass Flavio wusste wo sie war und sie zurück holen würde. Naja und jetzt bin ich eben hier!“


    Als Brenner mit seiner Erzählung geendet hatte, herrschte für einen Moment eine betretene Stille.
    Semir vergrub seine Hände in den Hosentaschen und lies sich die Geschichte nochmal durch den Kopf gehen. Iris war also Polizistin gewesen und war durch eine Verdeckte Ermittlung in Gefahr geraten. Dieser Flavio hatte sie gefunden und hatte sie entführt. Jetzt verstand Semir auch warum sie einfach verschwunden war, sie hat das wegen Ben gemacht. Sie wollte nicht das ihm etwas zustieß. Semir war in gewisser weise erleichtert, den er mochte die junge Frau und hätte es schrecklich gefunden, wenn er sich dermaßen in ihr geirrt haben sollte. Jetzt, wo sie die Wahrheit kannten, konnten sie endlich zusammen nach Iris suchen, denn die Zeit drängte.
    „Dann sollten wir...!“ weiter kam Semir nicht.
    „Du hast einfach zugesehen wie dieser Scheißkerl sie misshandelt und vergewaltigt hat?“ Bens Stimme zitterte vor Wut und mit tiefster Abneigung taxierte er Brenner.
    Auch der Kriminalhauptkommissar spürte Bens Aggression und mache sich innerlich auf alles gefasst.
    „Es ist nicht so..!“ versuchte er zu erklären, aber Ben lies ihn gar nicht zu Wort kommen.
    „Erst lässt du sie im Stich und jetzt tauchst du einfach hier auf und spielst dich als ihr Retter auf und das obwohl sie nur wegen dir in diese Lage gekommen ist!“
    „Nein, so ist es n...!“ versuchte Brenner sich zu verteidigen und spürte wie Ben sich immer mehr in Rage redete.
    „Nein natürlich nicht, in deinen Augen ist sie wahrscheinlich auch noch selber schuld. Gehst du mit allen von deinen Leuten so um? Wie kannst du jeden morgen ohne schlechtes Gewissen in den Spiegel schaun? Wie kannst du...!“
    „BEN!“ Semir brachte seinen jungen Partner mit scharfer Stimme zum schweigen. Er hatte die Nase jetzt voll.
    „Jetzt reiss dich mal zusammen. Iris wusste vorher worauf sie sich einlies und sie hatte die Wahl auszusteigen und auf zu hören. Es war ihre und nicht Brenners Entscheidung!“
    Einen Augenblick starrte Ben seinen Kollegen nur fassungslos an. „Ach, dann bist du jetzt auf der Seite von dem Mistkerl. Vielen Dank Semir!“ ohne auf Semirs weiter Worte zu hören, drehte sich Ben um und stapfte in Richtung See davon.
    „Jäger warte!“ rief Brenner und wollte dem Hauptkommissar hinterher. Der Junge hatte jetzt viele Informationen auf einmal bekommen und es war nur verständlich das es einfach zu viel für ihn war. Er konnte Ben verstehen und in seiner Lage hätte er genauso reagiert.
    „Lass ihn lieber in Ruhe, er braucht jetzt erstmal Zeit für sich!“ hielt Semir ihn zurück. Es war ihm nicht leicht gefallen, Ben dermaßen zusammen zu stutzen, aber irgendwann würde er es ihm danken. Sie durften jetzt nicht den Kopf verlieren und mussten sich auf den Fall konzentrieren, sie mussten Iris retten, alles andere musste bis später warten.


    „Ich werde jetzt mal die Spurensicherung anrufen, vielleicht finden sie etwas das uns weiterbringen kann!“ sagte Semir und holte sein Handy aus der Jackentasche.
    „Und eine Hundestaffel!“ ordneten Brenner an
    Semir nickte und wählte die Nummer der Leitstelle.


    Bens Hände zitterten vor Wut als er Steine in den See warf. Semir war ihm in den Rücken gefallen und war jetzt auf Brenners Seite. Er war wirklich ein toller Partner, lies ihn einfach hängen! Ben verstand die Welt nicht mehr. Melanie war schreckliches widerfahren und das war alleine Brenners Schuld, auch wenn Semir da anderer Meinung war. Ben hätte nie zugelassen das ihr jemand weh getan hätte und schon gar nicht wegen eines Falles. Aber dieser Brenner war jemand der über Leichen gehen würde, solange es nur seinem eigenen Vorteil nutzte. Wie hatte sich Melanie nur in so einen Typen verlieben können, womöglich hatte sie das alles nur wegen ihm über sich ergehen lassen. Dieser Gedanke machte ihn noch wütender und er ballte seine Fäuste in den Taschen!


    Während Semir die Kollegen anforderte schaute Brenner sich nach Jäger um. Der junge Hauptkommissar stand unten am See, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und den Blick auf das Wasser gerichtet.
    Ben liebte Iris, daran gab es für ihn keinen Zweifel mehr. Die ganzen Vorwürfe die er ihm gemacht hatte, beruhten auf der Tatsache, dass er Angst hatte sie zu verlieren. Langsam begann er den Kleinen zu mögen.


    Bevor Gerkhan ihn aufhalten konnte, ging Brenner zu Ben hinunter. In ein paar Stunden würden sie auf dem Weg nach München sein, denn genau dort würde Flavio Iris hinbringen, da war er sich sicher. Also wollte er die Zeit nutzen um Ben etwas wichtiges zu sagen.
    Ben drehte sich nicht um, als Brenner sich neben ihn stellte.
    Nach einer Weile räusperte sich Jan.
    „Jäger, ich bin nicht zurück gekommen, um dir irgendetwas oder irgendjemanden weg zu nehmen! Ich bin hier, weil ich Iris schützen wollte. Jetzt weiß ich zwar, dass es besser gewesen wäre, dich einzuweihen, aber ich bin schon mal verraten worden und glaub mir, ich bin damals mehr als einmal durch die Hölle gegangen!“
    „Wars das?“ fragte Ben desinteressiert und verschränkte die Arme vor der Brust.
    „Ja, das wars. Ich wollte nur das du weißt, dass wir auf der selben Seite stehen und das gleiche Ziel verfolgen! Aber eins musst du akzeptieren!“ sagte Brenner und drehte sich zum gehen um „Ich werde immer ein Teil ihres Lebens sein, obs dir passt oder nicht!“
    Bevor Brenner die Hütte erreicht hatte, drehte er sich noch einmal zu Ben um und rief ihm zu „Jetzt lass uns zusammen nach unserer Herzdame suchen!“

  • Einen Moment zögerte Ben noch, dann folgte er Brenner. Auch wenn er den Kerl nicht leiden konnte, er hatte Recht; sie mussten Iris schnell finden!
    Als sie bei der Hütte ankamen, war die Spurensicherung bereits bei der Arbeit.


    „Semir, kannst du mal kommen!“ Hartmut und stand im Eingang der kleinen Holzhütte.
    „Einschusslöcher?“ fragte Semir und sah sich die Löcher in Tür und der Wand daneben an.
    Hartmut nickte „Und diese haben wir gefunden!“ er hielt eine Plastiktüte mit Patronenhülsen in die Höhe.
    „Kannst du schon sagen ob die Patronen aus Iris Waffe stammen?“ fragte Brenner und griff nach einem letzten Strohhalm. Iris war immer eine gute Schützin gewesen und wenn sie geschossen hatte, dann stammte das Blut neben der Tür definitiv nicht von ihr.
    Hartmut fragte sich wer Iris war und wer vor allem dieser Kerl war, der ihm da voller Selbstverständlichkeit Fragen stellte. Erst als Semir ihm zu nickte antwortete er. „Die hier sind definitiv aus einer Neunmillimeter Para abgeschossen worden, aber aus welcher Waffe die anderen Patronen stammen die wir noch gefunden haben, kann ich euch erst später sagen.


    Lautes Gebell lenkte die Aufmerksamkeit auf die ankommende Hundestaffel.
    Brenner stellte sich vor und erklärte dem Einsatzleiter die Sachlage, kurz darauf wurde ein Deutscher Schäferhund namens Pablo auf die Blutspur angesetzt. Der Hund nahm die Witterung auf und folgte zielsicher der Fährte. Alle anderen blieben erstmal bei der Hütte zurück, um den Hund nicht bei der Nachsuche zu behindern. Wenige Sekunden später verschwand der Hundeführer mit Pablo aus dem Blickfeld.
    Nach einer Weile war ein aufgebrachtes Bellen mit anschließendem sofortigen Verstummen des Hundes zu hören.
    Über Funk war die Stimme des Hundeführers zu hören „Leiche im Unterholz!“ 8|

  • Kapitel 14
    Als die Stimme des Hundeführers verstummte, herrschte eine angespannte Stille. Selbst ihre Umgebung schien die Luft anzuhalten, kein Vogel sang, kein Lüftchen regte sich. Semir hatte sich als erster wieder gefangen und schaute zu Ben und Brenner. Bens Gesicht war kreidebleich und in seinen Augen spiegelte sich Angst, Zweifel, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Für einen Moment glaubte Semir die selben Gefühle auch in Brenners Gesicht zu erkennen, doch als er ihn ein zweites Mal ansah, trug er die selbe Gefühlslose Maske wie zuvor.


    Semir löste sich von den Beiden und ging ein paar Schritte „Am Besten bleibt ihr erstmal hier, ich werd mir das alleine ansehen!“ sagte er leise und ging den selben Weg wie der Hundeführer zuvor.
    Brenner warf einen flüchtigen Blick zu Ben und folgte Semir. Sein Magen rebellierte und er zwang sich die Bilder in seinem Kopf nicht auszumalen, alleine die Vorstellung war schon schlimm genug. Doch egal wie elend er sich fühlte, er musste es mit eigenen Augen sehen, was auch immer dieser Gerkhan sagte. Er hatte Recht, es war besser wenn Ben erstmal zurück blieb, der Junge war mächtig durch den Wind und der Anblick eines nahestehenden Toten konnte einen beinahe in den Wahnsinn treiben. Jan drehte sich um um sich zu vergewissern das Ben immer noch bei den andern Hundeführern stand, als er abrupt stehen blieb.


    Ben war natürlich nicht zurück geblieben, stattdessen taumelte er ihm hinterher, so sah es zumindest aus. Sein Blick war leer und wahrscheinlich nahm er die Umgebung um sich herum gar nicht war.
    „Junge, tu dir das nicht an, es ist besser wenn du...!“ versuchte Brenner ihn zurück zu halten.
    „Sag du mir nicht was ich zu tun habe!“ fauchte Ben, drängte sich an dem Hauptkommissar vorbei und folgte Semir.
    Einen Augenblick hielt Jan inne, dann lief auch er in Richtung des Leichenfundortes. Ben war alt genug um zu wissen was er tat und dies wäre nicht der erste geliebte Mensch den er tot beziehungsweise ermordet vor sich sehen würde. Hatte er nicht auch die Staatsanwältin Saskia Ehrbach nach ihrer Ermordung gesehen?


    Semirs Puls raste als er zu dem Hundeführer stieß. Er hatte Melanie oder besser gesagt Iris wirklich gern gehabt. Vor allem hatte sie es geschafft, Ben neues Leben einzuhauchen. Was wenn er sie nun verloren hatte? Würde er diesen Verlust ein weiteres Mal überstehen, oder würde er endgültig daran zerbrechen?
    „Er liegt da hinten, rechts unter der Baumgruppe!“ unterbrach der Hundeführer Semirs Gedanken und Semir starrte ihn an
    „Er?“ wiederholte er und merkte wie sein Herz es kaum wagte der Erleichterung stand zu geben. Der Mann nickte
    „Ja es handelt sich um einen Mann!“
    Am liebsten wäre Semir dem Beamten um den Hals gefallen. Es war also nicht Iris und das bedeutete das sie noch am Leben war, endlich mal gute Nachrichten.
    Semir beachtete die Leiche nicht weiter, zuerst musste er Entwarnung geben und da kam Ben auch schon zu ihnen herauf gestapft.
    „Ben!“ rief Semir beinahe strahlend.
    Der junge Hauptkommissar hob den Kopf und verzog verständnislos das Gesicht als er Semirs Gesichtsausdruck sah.
    „Sie lebt!“ lachte Semir und fiel Ben um den Hals.
    Ben verstand absolut nicht was plötzlich in seinen Partner gefahren war und gab nur ein fragendes
    „Hä?“ von sich.
    „Ja, die Leiche es ist nicht Iris!“ half Semir seinem Kollegen auf die Sprünge.
    „Nicht? Bist du sicher?“ fragte Brenner mit zitternder Stimme, er war als letzter dazu gestoßen und wagte es kaum, sich der neuen Hoffnung hin zu geben!
    Semir nickte „Wenn sich nicht plötzlich zu einem Mann mutiert ist!“ antwortete Semir kühl.
    Jetzt schien auch Ben endlich die Aussage verstanden zu haben und das erste Mal seit Stunden breitete sich auf seinem Gesicht ein Lächeln, nein ein Lachen aus.
    „Sie lebt, sie lebt!“ lachte er immer wieder und fiel Semir um den Hals.
    So ganz konnte Brenner die plötzliche Gemütsänderung der beiden nicht anstecken. Natürlich war er mehr als erleichtert das Iris noch am Leben war, aber das hieß noch lange nicht das sie außer Gefahr war. Noch immer war sie in Flavios Gewalt und das bedeutete das noch lange keine Zeit für Freude oder Erleichterung war.
    Brenner ging neben der Leiche in die Knie, er kannte diesen Mann nicht. Sicherlich war es wieder einer von Flavios Handlangern, einer die für ihn die Drecksarbeit machten und von denen er sich, wenn nötig ganz schnell trennen konnte.
    Jan erkannte die Schusswunde an seiner rechten Schulter, ganz sicher wäre diese Verletzung nicht lebensgefährlich gewesen, aber einen Verletzten mit sich rum zu schleppen oder gar einen Arzt aufzusuchen, kam für Flavio nicht in Frage!
    Er hatte ihm kurzerhand die Kehle durchgeschnitten.
    Flavios Weg war von Leichen gepflastert und es gab eigentlich nur einen, dem er über all die Jahre vertraut hatte – Pietro, seinen Halbbruder.
    „Hat er irgendwelche Papiere bei sich?“ fragte Semir als er zusammen mit Ben zu Brenner trat. Jan stand auf und schüttelte den Kopf.
    „Was anderes hab ich aber auch nicht erwartet!“ antwortete er knapp und fuhr sich durchs Haar.
    „Dann werd ich mal den Gerichtsmediziner anrufen und Hartmut soll sich mit seinen Leuten die Umgebung genauer anschauen!“ warf Ben ein und holte sein Mobiltelefon aus der Tasche.
    „Kannst du gern machen, aber die werden nichts finden, was uns weiter bringt!“
    „Ach und was schlägst du dann vor, Klugscheißer?“ fragte Ben und steckte sein Handy zurück in die Hosentasche. Dieser Kerl trieb ihn mit seiner Überheblichkeit noch in den Wahnsinn, für was hielt er sich?
    „Ich schlage vor, dass wir so schnell wie möglich nach München aufbrechen!“ antwortete Brenner ruhig und sah in die Runde.
    „München?“ zischte Ben und funkelte sein Gegenüber herausfordernd an. Er traute diesem Kerl noch immer nicht über den Weg, er verheimlichte ihnen etwas, etwas ausschlaggebendes.
    „Ja, genau in die Landeshauptstadt von Bayern!“ genervt machte Brenner sich auf den Weg zurück zu seinem Wagen. Die Zeit drängte und er hatte keine Zeit, den beiden jeden einzelnen Schritt stundenlang und haargenau zu erläutern.
    Ben wollte ihm hinterher, aber Semir hielt ihn zurück und rief stattdessen „Warum sollte Flavio Iris ausgerechnet nach München bringen?“
    Brenner blieb stehen und drehte sich langsam zu den beiden um. „Weil er verrückt ist. Er hat sich eine eigene kleine kranke Welt geschaffen und in dieser liebt ihn Iris. Er wird alles so machen, wie es vor 9 Jahren gewesen ist und er glaubt dort einfach weiter machen zu können!“
    „Aber da wird Mel, ähm Iris niemals mitmachen!“ Ben würde noch Zeit brauchen um sich an diesen Namen zu gewöhnen.
    „Genau aus diesem Grund müssen wir sie so schnell wie möglich aus seinen Fängen befreien!“ sagte Brenner mit Grabesstimme. Ben und Semir lief es eiskalt den Rücken hinunter.
    Einen Moment sahen sich die beiden Autobahnpolizisten nur schweigend an, dann sagte Semir „Ruf den Doc an und gib Hartmut Bescheid, sie sollen uns die Berichte einfach per E-Mail schicken, sowas kannst du doch mit deinem neuen Telefon abrufen oder nicht!“
    Ben grinste „ Ja du Techniklegastheniker, deins kann das übrigens auch!“


    „Wie erklären wir das eigentlich der Krüger?“ fragte Ben während sie in Brenners Wagen Richtung Stadtzentrum zurück brausten.
    „Wir rufen sie unterwegs an? Außerdem kommt sie eh erst in 2 Tagen von ihrer Fortbildung zurück, vielleicht haben wir die Sache dann längst überstanden!“ sagte Semir und zuckte mit den Schultern.
    „Ja vielleicht!“ sagte Ben mehr zu sich selbst und starrte wieder aus dem Wagen. Wie sehr wünschte er sich die Sache längst überstanden zu haben? Wie sehr wünschte er sich seine Freundin, die Mutter seines Ungeborenen Kindes endlich wieder in die Arme schließen zu können. Wie sehr wünschte er sich, dass das alles nur ein böser Traum war, aus dem er schon bald wieder erwachen würde.
    „Also ich fahr dich jetzt nach Hause Semir und während du deine Sache regelst, werde ich mit Ben zu ihm fahren, damit er ein paar Sachen zusammen packen kann. In ca. 30 – 45 Minuten werden wir wieder hier sein!“ es hörte sich an, als hätte Brenner das alles schon vor langer Zeit und bis ins kleinste Detail geplant, aber in Wirklichkeit trieb ihn nur Angst zu diesen Höchstleistungen. So sehr die Furcht auch an ihm nagte, so sehr musste er einen klaren Kopf bewahren – für Iris! X(

    Einmal editiert, zuletzt von Summer89 ()

  • Kapitel 15
    Brenner brachte seinen schwarzen BMW vor Bens Wohnhaus zum stehen und öffnete die Tür um auszusteigen.
    „Du kannst ruhig sitzen bleiben, wird nicht lange dauern!“ schlug Ben vor und beeilte sich auszusteigen. Das Letzte was er jetzt brauchen konnte war diesen schrägen Typen in seiner Wohnung.
    „Ach ich komm doch gerne mit rauf, ich könnte sowieso ein Glas Wasser vertragen!“ antwortete Brenner grinsend und folgte dem jungen Hauptkommissar in dessen Wohnung.
    „Wow is ja ne schicke Bude!“ staunte Jan und blickte sich um.
    „Danke und damit das auch so bleibt, bleibst du am besten genau hier stehen und fasst nichts an, ich bin sofort wieder da!“ wies Ben den Hauptkommissar mit ernster Stimme an und verschwand dann in seinem Schlafzimmer.


    Er wollte nur so schnell wie möglich ein paar Klamotten zusammen packen und dann zusammen mit dem Spinner nach München aufbrechen. Je schneller er ihn wieder los war, umso besser. Wenn er nicht die einzige Verbindung zu Iris gewesen wäre, hätte er ihn schon längst versucht los zu werden, aber was tat man nicht alles wenn man verzweifelt war. Ja er war verzweifelt, oder zumindest nahe dran. Egal was Iris ihm verheimlicht hatte oder ob sie ihn belogen hatte, er liebte sie und jeder Gedanke daran sie verloren zu haben war unerträglich. Er musste sie retten, sie zurück bringen und alles andere konnte warten.


    Brenner wartete bis Ben verschwunden war und begann sich dann in der offenen, hellen und wahnsinnig großen Wohnung um zu sehen. Seine eigene war für eine Person durchaus groß, aber nicht mal annähernde so geräumig wie diese. Die Einrichtung schien wesentlich teurer gewesen zu sein und im Gegensatz zu seiner eigenen war sie auch noch sauber. Aber als Iris und er sich noch täglich gesehen hatten, war seine Wohnung auch immer blitzblank, er wusste wie sehr sie seine Unordentlichkeit immer gestört hatte.


    Brenner trat vor eine Kommode auf der zahlreiche Bilder in glänzenden Rahmen standen.
    Ben mit seinem Vater und seiner Schwester, an deren Hochzeit, Ben und Semir bei einem Kletterausflug. Die beiden mit ihren Kollegen aus dem Revier. Bens Motorrad. Ben mit seiner Band und dann waren mindestens doppelt so viele die entweder Iris alleine oder zusammen mit Ben zeigten. Brenner nahm vorsichtig eines der Hochglanzbilder und betrachtete es näher. Auf dem Foto schien die Sonne, die beiden lagen sich, auf einer rotkarierten Picknickdecke in den Armen und strahlten in die Kamera. Brenner versetzte es einen Stich, denn so glücklich hatte er seine Iris schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen. Sie schien mit diesem Jäger wirklich den richtigen Mann gefunden zu haben, die wahre Liebe. Und vielleicht war es ein Fehler gewesen das er wieder in ihr Leben getreten war, aber jetzt war es zu spät sich darüber Gedanken zu machen und sie hatte sich doch auch gefreut ihn wieder zu sehen, oder nicht?


    „Also mit Anweisungen kommst du nicht so wirklich klar, oder?“ fragte Ben und riss Brenner somit aus seinen Grübeleien. Er stellte das Bild an seinen Platz zurück und drehte sich um.
    „Kommt ganz drauf an wer diese Anweisungen gibt!“ antwortete der Hauptkommissar mit kühler Stimme und von seinen Selbstzweifeln war nicht mehr die geringste Spur zu spüren.
    Ben atmete tief ein und wollte gerade etwas antworten, als Brenner ihm ins Wort fiel
    „Junge du solltest dich jetzt besser beeilen, ich will spätestens in 6 Stunden in München sein!“ ohne Ben die Chance zu lassen, noch etwas zu erwidern, verließ Brenner die Wohnung.
    „Arschloch!“ zischte Ben
    „Das hab ich gehört!“ tönte es ihm vom Flur entgegen.
    „Gut so!“ grinste Ben und folgte mit einem zufriedenen Lächeln dem Münchner Hauptkommissar nach draußen.
    Ben kam gerade die Treppen herunter, als die Haustür zu Maxs Wohnung sich öffnete.
    „Ben!“
    „Hallo Max!“ antwortete Ben und lächelte.
    „Hast du Melanie schon gefunden? Oder etwas neues heraus gefunden?“ fragte der junge Mann
    Ben schüttelte den Kopf „Ich darf über laufende Ermittlungen leider nicht sprechen!“
    „Hm, versteh schon!“ nickte Max und blickte betreten zu Boden.
    „Naja Max, ich muss dann auch los!“ verabschiedete sich Ben und wollte gerade gehen, als Max etwas einfiel.
    „Jetzt hätte ichs fast vergessen, Melanies Mutter war hier und sie war ziemlich besorgt weil sie sie nirgends erreichen konnte. Ich hab versucht sie zu beruhigen und ihr angeboten, es auszurichten das sie hier war und das Melanie sich bei ihr melden soll!“
    Ben schluckte und merkte wie ihm plötzlich flau im Magen wurde. Melanie und ihre Mutter hatten immer schon ein sehr inniges Verhältnis und telefonierten jeden Tag miteinander. Da musste ihr es ja früher oder später auffallen, dass etwas nicht stimmte.
    „Ok, danke Max!“ verabschiedete sich Ben und setzte seinen Weg fort. Wie sollte er Elke die Sache erklären? Wie sollte er ihr erklären das er nicht die leiseste Ahnung hatte wo sich ihre Tochter im Moment aufhielt? Ihm war schrecklich zu mute.
    „Alles ok?“ fragte Brenner und musterte Ben besorgt? Er war kreidebleich und irgendetwas schien ihm im Treppenhaus gewaltige Sorgen bereitet zu haben.
    „Du siehst fürchterlich aus!“
    „Mir geht’s wunderbar, danke der Nachfrage!“ fauchte Ben und blickte wütend aus dem Seitenfenster.
    Brenner musterte ihn noch einen Moment, lies dann den Motor seines Wagens an und fuhr in Richtung Semir.
    „Jetzt sag mir schon was dir die Laune so verhagelt hat!“ bohrte Jan weiter und lenkte seinen Wagen durch die Straßen.
    „Ach gar nichts, nur die Tatsache das sich Iris Mutter bereits Sorgen um ihre einzige Tochter macht, weil sie nicht versteht was los ist! Ich muss ihr jetzt irgendwie erklären, wie es passieren konnte das ihre Tochter entführt wurde und warum wir immer noch nicht die geringste Ahnung haben wo sie sich im Moment aufhält!“ zischte Ben und funkelte Brenner wütend an.


    Brenners Blick war starr auf die Straße gerichtet und Ben fragte sich, ob er ihm überhaupt zugehört hatte. Ben atmete hörbar aus und lies sich zurück in den Sitz fallen. Warum tat der Kerl immer das Gegenteil von dem, was er gerade von ihm erwartete.


    Einige Kilometer weit, herrschte absolute Stille im Wageninneren und außer dem gleichmäßigen, souveränen Surren des BMW-Motors war nichts zu hören. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nach zu hängen.
    „Kannst du mir einen Gefallen tun?“ räusperte sich Brenner nach einiger Zeit.
    „Das glaubst du doch wohl selber nicht!“ antwortete Ben ohne ihn anzusehen, der Kerl hatte sie doch wirklich nicht mehr alle.
    Jan tat als hätte er Bens Satz nicht gehört und fuhr unbeirrt fort „Wenn Elke das nächste Mal anruft, dann gib sie mir bitte, ich werde ihr die Sache erklären können!“
    Ben fuhr herum und glaubte sich verhört zu haben. Hatte der Vollpfosten ihn gerade gefragt, ob er mit der Mutter seine Freundin reden könne?
    „Ach will der Super-Ex ihr erklären warum er ihre Tochter, durch seine schwachsinnige Aktion verloren hat?“ fragte Ben herausfordernd und der Gedanke daran, wie Elke ihn zur Sau machen würde, lockte ihm ein Lächeln auf die Lippen.
    „Ich werde es ihr besser beibringen können, dass ist alles!“ antwortete Brenner und in seiner Stimme war der gleiche überhebliche Ton wie zuvor.
    „Ach ich hab ja ganz vergessen das du in allem immer besser bist, als der Rest der Welt!“ Ben hätte noch so vieles gehabt was er ihm gerne gesagt hätte, aber sie bogen gerade in die Kantstraße Semir wartete bereits vor der Nummer 5 auf sie.
    Er schluckte seine Wut hinunter, denn ihm war klar das sie ihn im Moment nicht weiter brachte und ihm nur sinnlos Kraft kostete.
    „Hallo Partner, na alles klar?“ fragte Ben als er ausstieg.
    „Wie mans nimmt, Andrea ist nicht so begeistert das wir mal wieder nen Alleingang machen, aber sie kann natürlich verstehen das wir Iris suchen müssen!“ antwortete Semir und verstaute seine Tasche im Kofferraum.
    „Ihr könnt euren Kaffeeklatsch auch während der Fahrt halten!“ drängte Brenner und stieg ein.
    „Du darfst gerne neben dem Arsch sitzen!“ sagte Ben und öffnete die hintere Wagentür als sein Handy plötzlich klingelte.
    Als er es aus seiner Hosentasche gefischt hatte und einen Blick auf das Display warf, verschwand mit einem Schlag jegliche Farbe aus seinem Gesicht.
    Sein Herz schlug hart gegen seine Brust als er den Namen auf seinem Telefon aufblinken sah.
    „Warum gehst du nicht ran? Wer ist es?“ fragte Semir und verstand nicht warum Ben nicht einfach ran ging.
    Ben schluckte „Es ist Elke!“ ?(

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