N´est-ce pas de deux! - Tanz auf dem Drahtseil!

  • Wenn seine infizierten Opfer noch nicht tot waren,dann lagen sie vermutlich im Krankenhaus.Auch dieser Gerkan war vermutlich noch am Leben,also holte er ein altes Prepaidhandy heraus,das er vor vielen Jahren mal einem Ballettschüler für 20€ abgekauft hatte,weil der ein Vertragshandy zum Geburtstag bekommen hatte,und rief die Krankenhäuser der Umgebung durch.So dumm,dass er mit seinem privaten Handy anrief,oder bei seiner Wohnung vorbeischaute,war er nicht.Ihm war durchaus klar,dass das alles überwacht wurde und so verbarg er sich eben so gut wie möglich.In der Uniklinik wurde er fündig.Ja,ein Herr Gerkan und ein Herr Jäger lägen dort,könnten aber nur von den nächsten Angehörigen besucht werden,weil sie auf der Intensivstation wären,sagte freundlich die Dame an der Information.Karl bedankte sich für die Auskunft und stieg in die nächste U-Bahn,um zur Uniklinik zu gelangen.Nach ein paar Stationen mit der Strassenbahn kam er auch an und weil gerade Hauptbesuchszeit war,schloss er sich einfach dem Besucherstrom an und landete an der Pforte.


    Nachdem eine seiner Pflegemütter,als er 14 gewesen war,lange auf Intensiv gelegen hatte,bis sie dann letztendlich doch gestorben war,kannte er ein wenig die Regelungen und Abläufe,obwohl seitdem ja über 30 Jahre vergangen waren.Er gab sich an der Pforte als Bruder von Ben Jäger aus und bekam so die Auskunft,wo der zu finden war.An der herzchirurgischen Intensiv drückte er sich eine Weile draussen auf dem Flur herum und beobachtete,wie die Mitarbeiter und Besucher da hineingelangten.
    Kurz darauf kam ein Mann vom Fahrdienst mit einem frischen Bett,der etwa seine Statur hatte.Am unauffälligsten war man in irgendeiner Klinikuniform,das öffnete die Türen.Daher bat er den jungen Mann kurz um eine Auskunft,zog ihn in die leere Toilette vor dem Intensivwartebereich und schlug ihn gründlich bewusstlos.Er wechselte schnell die Klamotten,legte seine eigenen in das frische Bett und fuhr selbstbewusst durch die Tür.Er stellte das Bett kurz hinter dem Eingang in eine Nische-das sah so aus,als wenn das da sogar hingehören würde- und strich einfach unauffällig an den ganzen Zimmern vorbei.Durch die Uniform würdigte ihn niemand eines Blickes und plötzlich sah er diesen Gerkan und Jäger in nebeneinanderliegenden Betten.Gerkan hatte die Augen geschlossen und schlief,schien aber nicht beonders schwer verletzt.Sein Fuss tat immer noch schweineweh,er konnte eigentlich nur mit Schmerztabletten laufen,jetzt konnte er sich endlich rächen.Jäger daneben hatte es schlimmer erwischt.Der sah furchtbar krank aus und war an tausend Schläuche und Kabel angeschlossen.Wahrscheinlich war dem zwar eh nicht mehr zu helfen,aber trotzdem würde er versuchen,das für beide schnell zu Ende zu bringen.Was ihm gleich in die Augen sprang,waren die dicken,blutgefüllten Schläuche,die aus der Leiste des Aushilfstanzlehrers kamen und zu einer kleinen Maschine liefen.Das war dort der Ansatz.Danach musste er schnell reagieren und diesen Gerkan erledigen,bevor die ganzen Alarme losgingen.An den Monitoren waren gut erkennbar die „Alarm aus“ Tasten,ein wenig Zeit konnte er so gewinnen.In seinem Kopf legte er einen Plan zurecht,nahm noch eine spitze Schere von einer Anrichte und lächelte irr,als er auf leisen Sohlen das Intensivzimmer betrat.


    Bonrath und die Chefin waren inzwischen in der PASt zurück.Unterwegs hatte Frau Krüger ihrem Kollegen noch erzählt,dass Jenni schon wieder zu Hause war und ihren unfreiwilligen Ausflug in den Rhein wohl folgenlos überstanden hatte.Bonrath lächelte glücklich,er war sehr froh,dass seiner jungen Partnerin,die er inzwischen sehr ins Herz geschlossen hatte,nichts passiert war.“Ich wollte mich auch noch für ihren selbstlosen Einsatz bedanken.Ohne sie,wäre Frau Dorn wohl nicht mehr am Leben!“ lobte ihn die Chefin.Als er gähnte,fragte sie ihn:“Wollen sie nach Hause gehen? Immerhin hatten sie nach ihrem Nachtdienst ja nur einen kurzen Schlaf!“ bemerkte sie ein wenig schuldbewusst.“Nein,ich werde mit ihnen versuchen,diesen Mörder dingfest zu machen,ich kann ja abends früh ins Bett gehen.Ich könnte jetzt sowieso nicht mehr schlafen,das ist schon in Ordnung!“ erwiderte Bonrath mit fester Stimme und setzte sich erst mal an seinen Schreibtisch.
    Susanne stellte ihm und auch ihrer Chefin im Büro je eine Tasse Kaffee hin.“Gibt’s was Neues?“ wollte sie wissen,aber beide schüttelten den Kopf.Sie beschlossen,nachdem es inzwischen früher Nachmittag geworden war,erst mal eine Pizza zu bestellen und nachdem sie sich gestärkt hatten,versuchten sie gemeinsam zu überlegen,wo eine Suche nach Karl wohl den grössten Erfolg bringen würde.

  • Karl ging auf leisen Sohlen zu den beiden Polizisten und pausierte mit einem Druck an deren Monitoren den Alarm für zwei Minuten.Es musste schnell gehen,denn wenn ein Alarm zur Stationszentrale ging,war sicher in Kürze das ganze Pflegepersonal auf den Beinen.Dann trat er zu Ben und besah sich kurz die Schläuche in dessen Leiste.Semir erwachte inzwischen von seinem Mittagsschläfchen.Ein Mann in Krankenhausuniform stand mit dem Rücken zu ihm an Bens Bett.Moment,irgendwie kam der ihm bekannt vor.Semir richtete sich ein wenig auf.Das konnte doch nicht wahr sein-oder doch?


    Karl hatte hinter sich eine Bewegung gespürt und als er sich kurz umsah,bemerkte er,dass Semir wach geworden war.Verdammt,jetzt aber schnell.Karl riss mit einem kurzen Ruck die Schläuche aus Bens Leiste,woraufhin das Blut wie eine Fontäne erst in die Luft schoss und dann begann,wie ein stetiges Rinnsal auf den Boden zu fliessen.
    Semir war mit einem Sprung aus dem Bett auf Karl gehechtet und wurde im selben Moment fast ohnmächtig,weil er sich die Thoraxdrainage dadurch selbst mitsamt Fäden herausgerissen hatte.Ein unbändiger Schmerz durchströmte ihn,aber trotzdem warf er sich mit dem Mute der Verzweiflung auf seinen Widersacher,um Ben zu schützen.Vor seinen Augen war alles rot,denn gemeinsam rollten sie nun auf dem Boden durch Bens Blutlache.Semir bekam schon wieder fast keine Luft,aber trotzdem umklammerte er mit unbändiger Kraft Karls Hand,die immer noch die spitze Schere hielt.


    Die ECMO begann sofort laut zu piepen und da kam schon der Kardiotechniker um die Ecke und war im Augenblick völlig erstarrt,weil er glaubte seinen Augen nicht zu trauen.Am Boden wälzten sich zwei blutüberströmte Männer und seine Maschine bekam keinen Saft mehr,weil die Schläuche auf dem Boden lagen und nebenbei der junge Polizist dabei war,zu verbluten.Bevor der Techniker auch nur reagieren konnte,hatte Karl mit der Kraft eines Irren zugestochen und drang mit der Spitze der Schere zwischen Semirs Rippen durch,der daraufhin sofort erschlaffte.
    Der Techniker wich furchtsam zurück,als er den bewaffneten Mörder sah,der ihn blutüberströmt mit der Schere bedrohte und dabei rückwärtsgehend langsam das Zimmer verliess.Als er draussen war,begann der Techniker laut um Hilfe zu rufen und inzwischen gaben alle Monitore und sonstige Überwachungsgeräte rote Alarme,also höchste Dringlichkeitsstufe.Aus allen Richtungen rannten Ärzte und Schwestern zusammen und versuchten herauszufinden,was los war.In dem ganzen Tumult gelang es Karl seelenruhig seine Kleider aus dem frischen Bett in der Ecke zu nehmen und von der Station zu verschwinden.Er zog sich in der Toilette,in der immer noch der bewusstlose Krankenhausangestellte lag,seelenruhig um,wusch sich notdürftig und spazierte gemächlich Richtung Ausgang.
    Mit einer Gruppe Besucher verliess er das Krankenhaus und jubelte innerlich,wie leicht er sein Vorhaben hatte umsetzen können.Für heute würde er in sein Versteck fahren,aber morgen würde er dann versuchen diese Jenni Dorn und diesen grossen Polizisten,der sie gerettet hatte,zu schnappen.Während nun dutzendweise Polizeiwagen vorfuhren und das Krankenhaus abriegelten,stieg er in die gerade vorfahrende Strassenbahn und war verschwunden.


    Der Kardiotechniker stammelte:“Da war ein Irrer mit einer Schere und hat ihn umgebracht-und dabei wies er auf den nun völlig reglos am Boden liegenden Semir,auf den weiterhin Bens Blut tropfte.Nachdem sich der erste Schock gelegt hatte,teilte sich das Intensivpersonal in zwei Gruppen auf,die erste kümmerte sich um Semir,die zweite um Ben und der Notfallwagen kam nun zum Einsatz.Der geschockte Kardiotechniker bekam den Auftrag die Polizei zu verständigen und wählte mit zitternden Fingern den Notruf.Er beschrieb am Telefon schon grob den Attentäter,der in einer blutübeströmten Krankenhausuniform geflohen war,und die Meldung ging sofort von der Notrufzentrale an alle Einheiten,die verfügbar waren.
    In der PASt kam Susanne schreckensbleich zur Chefin gehetzt.“Frau Krüger,in der Uniklinik hat ein Mordanschlag stattgefunden.Ich weiss nicht,wer das Opfer ist,aber die Täterbeschreibung passt auf diesen Wiesmüller.“rief sie aufgeregt.
    „Verdammt!“ schrie die Chefin und sprang sofort,gefolgt von Bonrath,in einen Einsatzwagen und raste mit Vollgas und Blaulicht zum Krankenhaus.

  • Die Truppe Intensivpersonal,die sich um Semir kümmerte hob ihn gemeinsam vom Boden auf,legte ihn in sein Bett und schloss zunächst einmal das EKG wieder an.Semirs Herz war nur noch am Flattern und noch während die Umstehenden auf den Monitor sahen,ging das Flattern in Kammerflimmern über.“Defi, und laden auf 160!“ ordnete der Intensivarzt,der sich um den einen Patienten kümmerte,an.Eine Schwester fuhr den Notfallwagen heran und noch während die Kleber für die Defipaddels auf Semirs Oberkörper geklebt wurden,begann jemand damit,ihn mit einer Maske und dem Ambubeutel,angeschlossen an den voll aufgedrehten Sauerstoff, zu beatmen.
    Als der Defibrillator bereit war, hörte man nur:“Zurücktreten vom Bett!“ und alle Umstehenden vergewisserten sich,dass sie keinen Kontakt mit dem Metallgestell hatten.Der Arzt löste den Schock aus und Semir hob es durch die Verkrampfung der Muskulatur einige Zentimeter in die Höhe.Sofort fuhr die Schwester fort,ihn weiterzubeatmen und als sich immer noch kein halbwegs normales EKG zeigte,wurde er noch zweimal mit 200 Joule geschockt.Danach begann sich langsam wieder eine annähernd normale EKG-Kurve zu zeigen.Der Herzchirurg ,der inzwischen dazugerufen worden war,hielt seinen Schallkopf auf das Herz des kleinen Türken und sagte:“Perikardtamponade,er muss sofort in den OP!“ Der Anästhesist nickte,aber weil Semir nun wieder begann sich zu regen,wurde entschieden,ihn sofort zu intubieren und dann in Narkose in den OP zu fahren,der inzwischen schon vorbereitet wurde.Er bekam schnell einen weiteren Zugang gelegt,da man sich nicht so sicher war,ob der noch in der Vene lag und dann wurde Ihm Propofol und Fentanyl gespritzt,damit er wirklich weit weg war und sich problemlos intubieren liess.Das klappte auch und schon wurde der Transportmonitor ans Bett umgehängt,ein transportables Beatmungsgerät angeschlossen und zwei Umstehende packten das Bett und schoben es zügig in die OP-Schleuse.Keine 10 Minuten waren vergangen,währenddessen die zweite Truppe um Bens Leben kämpfte.


    Durch die Entfernung der beiden dicken Plastikschläuche war natürlich eine riesige Wunde in der Femoralvene entstanden und Ben drohte nun gleichzeitig zu verbluten und zu ersticken.Das Beatmungsgerät war ja die letzten Tage nur mit niedrigen Drücken und wenig Sauerstoff mitgelaufen,um die Atemmuskulatur nicht völlig erschlaffen zu lassen.Die eigentliche Versorgung Bens lief über die ECMO,die aber nun mangels Zugang nicht eingesetzt werden konnte.Eine Schwester drückte mit einem dicken OP-Tuch mit aller Kraft auf Bens Leiste,um die Blutung zum Stehen zu bringen.Aus dem Labor wurden alle gekreuzten Blutkonserven angefordert und auch sofort aus Bens Arterie eine Blutprobe abgenommen,um den Blutverlust abschätzen zu können und erneut Kreuzblut zu haben.Ein kleiner Beutel mit Hyper-Haes,einem speziellen Plasmaexpander,wurde angehängt,um den Volumenmangel auszugleichen.Der Sauerstoff des Beatmungsgerät wurde auf 100% gestellt und die Beatmungsdrücke wieder erhöht.Trotzdem war Bens Sättigung nur bei 70%,er war schockig und obwohl man das Arterenol steigerte,bekam man keinen halbwegs ordentlichen Blutdruck zusammen.Während der ja eigentlich tief sediert war,merkte er doch im Unterbewusstsein,dass irgendwas nicht in Ordnung war,zuvor war alles so ruhig und friedlich gewesen und jetzt drangen laute Geräusche und hektische Berührungen in sein Unterbewusstsein und versetzten ihn in Aufregung.Man wollte die Sedierung augenblicklich nicht steigern,da das wieder blutdrucksenkend gewesen wäre und so begann Ben sich ein wenig zu regen und die Augen zu öffnen.Ein Gefässchirurg,der gerade zwischen zwei Operationen eine Pause hatte,wurde hinzugezogen und zog sterile Handschuhe an.Er fasste mit zwei grossen Gefässklemmen die Venenstümpfe und schloss die Klemmen.Im Augenblick stand die Blutung,aber jetzt musste Ben schnellstmöglich wieder einen Bypass bekommen,um die Sauersoffversorgung zu gewährleisten.


    „Der Leistenzugang ist so zerfetzt,den muss ich nachher in aller Ruhe flicken,ich würde vorschlagen,wir legen an den Halsvenen einen frischen Bypass!“ schlug der Gefässchirurg vor.Inzwischen waren durch einen Botendienst vier gekreuzte Blutkonserven gebracht worden und der Anästhesist machte schnell den Bedsidetest,um sie dann sofort mit einem Druckbeutel in seinen Patienten zu pumpen.Inzwischen war auch vom Labor der Hb –Wert eingetroffen,der lag nur noch bei 5,5,während der Normwert bei 12-18 lag.Ben hatte demnach über die Hälfte seines Blutes,also etwa drei Liter verloren.Die schon verabreichten vier Konserven waren nicht ausreichend,um seine Sauerstoffversorgung zu gewährleisten und so bekam er nacheinander nochmals vier ungekreuzte Konserven seiner Blutgruppe hineingepresst.Nun war er wieder so stabil,dass man einen Blutdruck hatte und sofort wurde sein Hals von dem inzwischen steril angezogenen Gefässchirurgen desinfiziert und abgedeckt.Weil der Anästhesist mit seinen Bluttransfusionen beschäftigt war,hatte sich eine Intensivschwester mitgewaschen und wie zwei Tage zuvor an der Femoralvene,legte man nun unter dem Schlüsselbein einen frischen Bypass in die Vena Subclavia.Der Kardiotechniker,der sich inzwischen von seinem Schreck erholt hatte,hatte ein frisches System in die ECMO eingelegt und brachte das Gerät zum Laufen.Während die Sauerstoffwerte sich wieder von 70% langsam nach oben bewegten,streckte der Gefässchirurg seinen Rücken durch und liess sich Spezialfäden und eine Lupenbrille aus dem OP bringen.Normalerweise wäre Ben jetzt in den Operationssaal gefahren worden,aber er war einfach zu instabil dazu,deshalb musste man die Operation hier zu Ende bringen.
    Ein fahrbarer Strahler wurde auf Bens Leiste gerichtet und der Gefässchirurg begann mit hauchfeinen Fäden die Leistenvenen zu flicken.Das dauerte so lange,dass inzwischen Semir schon wieder aus dem OP zurückkam
    Während der nun verkabelt wurde,dachte man endlich daran,die Angehörigen anzurufen und so waren kurz darauf eine völlig aufgelöste Andrea mit den Kindern im Schlepptau und aus Düsseldorf ein nicht minder verstörter Konrad,eilig auf dem Weg zur Uniklinik.
    .

  • Vor der Intensivstation sammelte sich inzwischen Polizei und suchte hektisch nach dem Mörder.In der Toilette fanden sie den jungen Mann,der von Karl niedergeschlagen worden war in Unterwäsche und in der Ecke lag seine blutige Uniform.Auch das blutbespritzte Waschbecken zeugte davon,wie Karl wohl entkommen war und die Fahndung wurde sofort auf andere Kleidung geändert,allerdings ohne Erfolg.Frau Krüger war inzwischen mit Dieter eingetroffen und ging nun in Amtshoheit einfach in die Intensivstation.Als sie sich durchfragte,wurde sie auf das Zimmer verwiesen,in dem gerade Ben operiert wurde und blieb dann völlig geschockt in der Tür stehen.
    Es sah dort aus,wie auf einem Schlachtfeld.Obwohl man einige Tücher auf den Boden geworfen hatte,um die grösste Sauerei aufzunehmen,war immer noch ein Blutsee zu erkennen.Ausserdem war das Bett,in dem ihr junger Kollege lag,ebenfalls völlig blutdurchtränkt und anscheinend störte es von den konzentriert arbeitenden Angestellten niemanden.Frau Krüger hatte normalerweise starke Nerven,aber bei diesem Anblick musste auch sie sich abwenden.Vor allem wusste sie auch,wessen Blut da überall verteilt war und dass alleine schon dieser Verlust normalerweise tödlich war.Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt und Bonrath,der ebenfalls einen kurzen Blick in die Intensivbox geworfen hatte,war auch leicht grün um die Nase.


    Draussen wartete schon die Spurensicherung,aber das Intensivpersonal,das inzwischen wieder seiner Routinearbeit nachging,hatte ruhig und bestimmt darauf verwiesen,dass im Augenblick niemand den Raum betreten dürfe,weil sonst Bens Leben dadurch gefährdet würde.“Wenn die Op beendet und Herr Jäger stabil ist,können sie in das Zimmer,aber bitte nicht vorher.Der Kardiotechniker kann schon eher herauskommen,sobald die ECMO zuverlässig läuft,dann können sie mit dem schon mal sprechen!“ schlug eine Schwester im Vorbeigehen vor.Sie sagte dem Mann noch Bescheid,dass die Polizei mit ihm sprechen wollte und nachdem er sich vergewissert hatte,dass mit dem Gerät alles in Ordnung war,kam er tatsächlich zur Aussage auf den Flur heraus.


    Frau Krüger,die inzwischen von den uniformierten Beamten des zuständigen Reviers informiert worden war und sich auch gleich telefonisch die Zusage der Staatsanwaltschaft eingeholt hatte,dass ihre Diensstelle in dem Fall weiter ermitteln durfte,hörte geschockt und betroffen,was der Mann gesehen hatte.Als er vom Stich in Semirs Herz mit der Schere erzählte und dann auch,dass er sich nicht getraut hatte,den Täter zu verfolgen,bestätigte sie ihm,dass er mit dem Absetzen des Notrufs seine Pflicht erfüllt hatte.“Wir werden diesen feigen Mörder finden.Die ganze Kölner Polizei wird die Augen offenhalten,und nicht eher ruhen,bis wir ihn gefunden haben.Sie hätten unbewaffnet gegen diesen gewalttätigen Irren auch keinerlei Chance gehabt und nur ihr eigenes Leben in Gefahr gebracht.Ausserdem war es wichtiger,den Verletzten zu helfen und das ist ja anscheinend sofort geschehen.“ beruhigte sie ihn.Jetzt,wo er zur Ruhe kam,zitterten seine Knie und er musste sich setzen und erst mal von den Kollegen einen Kaffee vor die Nase gehalten kriegen.


    Inzwischen wurde ein sauberes Bett an ihnen vorbei wieder ins Zimmer gefahren,in dem Semir,nun auch beatmet und mit allerlei Schläuchen und Kabeln versehen,schlafend lag.Das Bett wurde auf seinem vorigen Platz neben Ben geparkt,dort sah der Boden nicht ganz so schlimm aus und als der Anästhesist und die Intensivpflegekraft die Geräte an den Bettplatz umgebaut hatten,die Infusionen und Perfusoren mit allerlei Medikamenten liefen,war es dann auch soweit,dass der Gefässchirurg mit Bens Versorgung fertig war.Man fuhr auch neben ihn ein frisches Bett,das völlig mit Einmaluntelagen abgedeckt war und lockerte erst sämtliche Schläuche und Kabel.Dann wurde Ben,der nun wieder tief sediert und völlig schlaff war,mithilfe einer weiteren Pflegekraft mit einem Rollbrett in das frische Bett gezogen.Waschen würde man ihn später,wenn die Spurensicherung ihren Job erledigt hatte,aber man konnte ihn nicht länger in seinem eigenen Blut liegen lassen.Er wurde mit einem dünnen Laken zugedeckt und das blutige Bett zur Seite gefahren.Noch während bei beiden Patienten aus den arteriellen Zugängen Blut entnommen wurde,um den aktuellen Stand der Dinge festzustellen,durfte die Spusi in den Raum.Die machten Fotos,entnahmen Proben und sicherten Fingerabdrücke,damit man Karl bei der Festnahme auch nachweisen konnte,was er getan hatte.


    Draussen war inzwischen eine zitternde Andrea eingetroffen,die nur wegen ihrer Kinder mühsam Fassung bewahrt hatte.Frau Krüger und Bonrath gingen zu ihr,aber bevor das Zimmer nicht gewischt war,würde sie niemand zu ihrem Mann lassen.Der Herzchirurg,der Semir notoperiert hatte,war inzwischen auch wieder auf der Station und holte sie ins Arztzimmer,um mit ihr zu sprechen.Bonrath übernahm es derweil,Ayda und Lilly draussen zu beschäftigen,die wegen der Infektionsgefahr noch zu klein waren,eine Intensivstation von innen zu sehen.Ausserdem wäre es für die Kinder auch sehr belastend gewesen,ihren Papa angeschlossen an so viele Maschinen zu sehen,deswegen liess man prinzipiell Kinder unter 14 Jahren nicht hinein.Frau Krüger fragte,ob sie Semirs Diagnose auch erfahren durfte und in Anbetracht der Umstände,wurde auch sie ins Arztzimmer gebeten.
    „Frau Gerkan,jetzt beruhigen sie sich erst mal.“ sagte der Arzt und reichte ihr ein Papiertaschentuch.“Ihr Mann hat zwar eine lebensbedrohliche Verletzung erlitten,aber er ist momentan stabil und ausser Lebensgefahr.Durch einen Stich ins Herz wurde bei ihm der Herzbeutel-das sogenannte Perikard- verletzt.Gott sei Dank ging die Schere nicht tiefer,aber so hatte er Glück im Unglück,weil der eigentliche Herzmuskel nicht getroffen wurde.Es hat sich zwar sofort Blut in diesem Herzbeutel angesammelt,was erst mal reflektorisch zu Kammerflimmern geführt hat,aber mithilfe einer sofortigen Defibrillation konnten wir das Herz wieder zum Schlagen bringen.Ihr Mann wurde gleich suffizient beatmet und so denke ich nicht,dass wir uns wegen irgendeiner Mangelversorgung Sorgen machen müssten.


    Dieser Herzbeutel ist normalerweise mit einer kleinen Menge gallertartiger Gleitmasse gefüllt und das Herz bewegt sich darin geschmeidig bei jedem Schlag.Kommt es nun zu Flüssigkeitsansammlungen in diesem Spalt-im Falle ihres Mannes eben Blut-wird durch den zunehmenden Druck die Pumpfunktion immer schlechter und es kommt zum Herzversagen.Wir konnten aber im Op sofort eingreifen, das entstandene Löchlein flicken und die Blutung stillen.Wir mussten ihren Mann dazu allerdings thorakotomieren,das heisst,wir haben von vorne durch das Brustbein hindurch seinen Brustkorb geöffnet.Bei solchen Stichverletzungen weiss man ja vorher nie,was sonst noch alles verletzt wurde und deshalb ist das unumgänglich!“ entschuldigte er sich regelrecht.Andrea war blass und blasser geworden und so gab ihr der Arzt,bevor er weitersprach,erst mal eine Tasse süssen Kaffee,damit nicht die Nächste hier umkippte.Frau Krüger nahm Andrea tröstend in den Arm und als sie sich wieder ein wenig gefangen hatte,sprach der Doktor weiter.
    “Er hatte Glück im Unglück,ich konnte die Operation am schlagenden Herzen durchführen,das nur einmal kurz elektrisch zum Stehen gebracht wurde,so brauchten wir keine Herz-Lungenmaschine einsetzen.Der eigentliche Eingriff war in kurzer Zeit vorbei.Wir haben den Brustkorb mit Drähten wieder geschlossen,eine frische Thoraxdrainage eingelegt,die er sich, wie ich gehört habe, beim heldenhaften Versuch,seinen Kollegen zu retten,entfernt hatte und er hat noch einen Blasenkatheter,einen arteriellen Zugang zur Überwachung und einen zentralen Venenkatheter erhalten,damit wir ihn optimal versorgen und überwachen können.Wir haben vor,ihn jetzt bis morgen früh zu beatmen,aber dann zügig aufwachen zu lassen.Sie werden sehen,in ein paar Wochen ist dieser Spuk vergessen und vermutlich wird er keine bleibenden Schäden davontragen.Sein Glück war,dass die Verletzung auf einer Intensivstation stattgefunden hat,draussen wären seine Überlebenschancen wesentlich geringer gewesen.Jetzt beruhigen sie sich noch ein bisschen,ich schaue mal,wie es draussen aussieht und sobald die Reinemachefrau fertig ist,dürfen sie zu ihrem Mann!“ sagte der Chirurg mit einem Lächeln und Andrea trank tapfer ihren Kaffee aus.


    Wenig später wurde sie aufgefordert mitzukommen und Kim Krüger blieb einfach wie ein Schatten hinter ihr und stützte sie.Das Zimmer sah inzwischen wieder einigermassen normal aus und Andrea trat zögernd an Semirs Bett.Er sah eigentlich ganz friedlich aus.Er hatte zwar einen Tubus im Mund und einige Kabel führten zu ihm hin und von ihm weg,aber sonst war der Anblick gar nicht so schlimm,wie sie sich das vorgestellt hatte.Er hatte eine gesunde Gesichtsfarbe und eine Intensivschwester stellte ihr gleich einen Klappstuhl ans Bett.“Frau Gerkan,ihrem Mann geht es den Umständen entsprechen gut,seine Werte sind stabil und er lässt sich gut beatmen.Ich denke,morgen können sie sich schon wieder mit ihm unterhalten.“ informierte auch sie tröstend und Andrea nahm dankbar Platz.Sie strich ihrem Mann zart über die Wange und dann war es doch mit ihrer Fassung vorbei und sie begann zu weinen,allerdings teiweise auch vor Erleichterung.Er schlief friedlich weiter und als eine halbe Stunde später Susanne eintraf,die inzwischen Dienstschluss hatte,konnte sie die Kinder und Andrea einigermassen getröstet mit nach Hause nehmen.

  • Er hatte inzwischen wieder sein Versteck aufgesucht und legte seinen immer noch schmerzenden Fuss hoch.Er hatte seine Rache bekommen,nie mehr würde dieser Gerkan ihm Schmerzen zufügen.Er hatte gesehen,wie sein Blick gebrochen war,als er ihm die Schere ins Herz gerammt hatte,auch die Menge an Blut,die aus diesem Jäger herausgelaufen war,konnte niemand überleben.Nun musste er einen Plan machen,wie er an die beiden anderen Polizisten herankam,aber da würde ihm schon was einfallen.Er aß noch einen Happen,den er sich am naheliegenden Kiosk mitgenommen hatte,trank ein paar Schluck Wasser und streckte sich dann aus,um sich ein wenig auszuruhen.In Kürze war er befriedigt eingeschlafen.


    Auch Konrad war völlig aufgelöst,inzwischen aus Düsseldorf eingetroffen.Er war nur informiert worden,dass auf seinen Sohn ein Attentat stattgefunden habe und es ihm sehr schlecht ginge.Bis er endlich auf der Intensivstation war,gingen ihm die verrücktesten Gedanken im Kopf herum.Wer sollte auf seinen sowieso schon schwer kranken Sprössling so eine Wut haben,dass er gleich ein Attentat planen würde? Das musste wieder mit seiner Arbeit zusammenhängen,er hatte schon immer zu Ben gesagt,dass der lieber in der Firma einsteigen sollte,anstatt für ein paar lächerliche Kröten jeden Tag sein Leben zu riskieren!
    Während Andrea gerade an Semirs Bett sass,wurde nun Konrad vom Stationsarzt im Arztzimmer über den Gesundheitszustand seines Filius informiert.“Ihr Sohn hatte einen massiven Blutverlust,weil ein irrer Attentäter aus seiner Leiste den Bypass gewaltsam herausgerissen hat.Wir konnten ihn inzwischen stabilisieren und auch am Hals einen Neuen legen,aber im Moment steht es immer noch sehr kritisch.Durch den Blutverlust hat Herr Jäger einen hämorrhagischen Schock erlitten,ausserdem war eine ganze Zeit lang seine Sauerstoffversorgung unzureichend,so dass wir leider nicht sagen können,ob er das primär überlebt und auch nicht,welche Spätfolgen zu erwarten sind.Sein sowieso schon durch eine Legionellen-und Mycoplasmen schwer in Mitleidenschaft gezogenes Immunsystem,wurde durch einen mindestens 50% igen Blutaustausch nochmals geschwächt.Auch wenn wir sehr genau testen,dass nur sehr ähnliches Blut transfundiert wird,ist es eben trotzdem Fremdblut,auf das sich das Immunsystem erst mal einstellen muss.Im Augenblick kann niemand sagen,ob er das überlebt,also rechnen sie auf jeden Fall mit dem Schlimmsten!“ erklärte dem blass und blasser werdenden Konrad der Doktor.


    Zögernd trat der Konrad nun,begleitet vom Stationsarzt,an Bens Bett.Der war bis zum Hals zugedeckt,nur die ganzen Schläuche die auf allen Seiten unter der Decke hervorkamen und gerade die am Hals,in denen zu sehen war,dass darin Blut von und zum Patienten gepumpt wurde,liessen erahnen,dass überhaupt noch Leben in ihm war.Er selbst lag geisterhaft blass in den Kissen.Sein Gesicht war eingefallen und die Augen waren geschlossen und lagen in tiefen Höhlen.Mit einem Aufschluchzen liess Konrad sich auf den Stuhl fallen,den ihm der Arzt hilfsbereit unterschob.Er tastete unter der Decke nach Bens Hand,die eiskalt war und als er sie näher ansah,war auf ihr getrocknetes Blut zu finden,das man nur notdürftig versucht hatte abzuwischen.Die Schwester,die gerade verschiedene Werte notierte und eine Perfusorspritze wechselte,sah Konrads entsetzten Blick und sagte:“Tut mir leid,ich werde ihn später gründlich saubermachen,aber im Moment ist er dazu zu instabil.Er braucht jetzt dringend seine Ruhe und muss sich erst einmal von dem ganzen Stress erholen.“


    Wie in Trance nickte Konrad und hielt einfach weiter Bens Hand,bis er nach einer halben Stunde zum Gehen aufgefordert wurde.“Fahren sie nach Hause,Herr Jäger, und ruhen sie sich selber aus.Ihr Sohn ist bei uns in guten Händen,wir kümmern uns gut um ihn!“ sagte die Schwester von eben mit einem Lächeln und cremte dann auch gleich Bens rissige,spröde Lippen ein.“Wenn sich etwas verändert,sagen wir ihnen Bescheid,aber er ist jetzt auf einem niedrigen Level immerhin stabil.Ausserdem war er vor der Erkrankung jung und fit,solche Menschen haben nach meiner Erfahrung schon Reserven.Denken sie an ihn,das gilt genauso,als wenn sie da wären.Bei einer so schweren Erkrankung verschwimmen Zeit und Raum,ob sie die ganze Zeit da sind,oder nur an ihn denken,macht gerade keinen Unterschied,glauben sie mir das!“ sagte sie tröstend.Konrad erhob sich seufzend und streckte seine beinahe eingeschlafenen Glieder.Ein letztes Mal strich er über die blasse Wange seines Sohnes,bevor er sich zum Gehen wandte.


    Er hatte schon bemerkt,dass hinter dem Vorhang im Nachbarbett auch ein Patient lag,denn auch da hörte man eine Beatmungsmaschine rythmisch arbeiten,aber als er im Gehen einen kurzen Blick darauf warf,wer da wohl neben Ben lag,traf ihn fast der Schlag,als er den Kollegen seines Sohnes,diesen Gerkan erkannte.Du lieber Gott,war der etwa auch ein Opfer des Attentäters geworden? Es sah schon so aus,denn auch er war überall verkabelt und wurde anscheinend von Maschinen am Leben gehalten.Auch der hatte ja Frau und Kinder,wie schrecklich war das denn und was war eigentlich vorgefallen? Als er die Schwester fragte,konnte oder wollte sie ihm darüber keine Auskunft geben.Er beschloss von zu Hause aus,sofort den Polizeipräsidenten anzurufen,der mit ihm bei den Rotariern war.Der sollte hier mal für Ordnung sorgen und ihm erklären,was vorgefallen war! Konrad straffte seinen Rücken und bemerkte,als er rausging,dass vor der Intensivbox ein uniformierter Polizist anscheinend Wache schob.“Ja,die beiden haben Personenschutz!“ antwortete er auf Konrads Frage und der fuhr nun doch ein wenig beruhigter nach Hause.

  • Einige Stunden später,der Abend war schon hereingebrochen,hatte sich Bens Zustand soweit stabilisiert,dass er gewaschen werden konnte.Man hatte die Sedierung gerade so tief gehalten,dass er sich zwar nicht regte,aber trotzdem nicht völlig weg war,auch weil die ganzen Narkosemittel einfach stark blutdrucksenkend waren und er sowieso schon eine hohe Dosis Katecholamine brauchte,um einen einigermassen stabilen Blutdruck zu haben.Das war aber unbedingt nötig,damit das Gehirn und die Organe,vor allem die Nieren,ausreichend durchblutet wurden und keine Spätfolgen zurückblieben.Als zwei Schwestern nun Plastikschürzen überzogen,die Zudecke wegnahmen,um ihn mit ständig frischem Wasser sorgfältig von oben nach unten zu waschen begannen,um das ganze getrocknete Blut zu entfernen,öffnete er auf den Berührungsreiz die Augen und sah sie an.“Herr Jäger,können sie mich verstehen?“ fragte aufgeregt die eine Schwester.Ben versuchte sie mühsam zu fixieren und nickte dann langsam.Er war zwar noch furchtbar müde und wollte eigentlich nur schlafen,aber trotzdem hatte er bemerkt,dass ihn behandschuhte Hände anfassten und an ihm herumrieben.Er war sich nicht sicher,ob er wach war,oder träumte,aber irgendwas war vorgegangen.


    Zuvor war alles um ihn herum so friedlich gewesen und plötzlich waren ein scharfer Schmerz in seiner Leiste und laute Geräusche in sein Unterbewusstsein gedrungen.Er hatte Menschen rufen und Maschinen schrille Alarmtöne ausstossen gehört,die ihm wegen der durch die Sedierung erschlafften Trommelfelle,noch um ein Vielfaches lauter in den Ohren gehallt hatten.Er hatte Angst gehabt und sich plötzlich ganz schrecklich gefühlt.Ihm war furchtbar kalt geworden,er hatte gemerkt,wie das Leben aus ihm herausfloss und dann war er auf ein helles Licht zugerast und hatte irgendwie gemeint,seine Mutter zu hören.Er hatte sich plötzlich wohl gefühlt und keine Angst mehr gehabt.
    Jetzt war er wieder ein wenig zu sich gekommen und war fast traurig,dass er diesen Frieden,den er gespürt hatte,nun nicht mehr wahrnahm,sondern ein wenig seinen Körper wieder spürte,diese Schwäche,leichte Schmerzen an Hals und Leiste und vor allem hatte er eines wieder: Angst! Er wurde unruhig,weil er wollte,dass Semir zu ihm käme,aber so wach,dass er sich richtig verständlich machen konnte,war er doch noch nicht.Ein Arzt leuchtete ihm in die Augen und bat ihn zu nicken und dann den Kopf zu schütteln.Er befolgt langsam die Anweisung,obwohl es ihn Kraft kostete,als wenn er den Mount Everest besteigen wollte.Der Arzt lächelte ihn an und sagte:“Willkommen zurück im Leben,Herr Jäger!“ Dann wurde aber die Sedierung wieder höher gestellt,was er vom Kreislauf her jetzt auch vertrug und er bemerkte schon nicht mehr,wie er umgedreht wurde und noch sein Rücken und Po gewaschen und eingecremt wurden.Er wurde mit einer zusammengerollten Decke leicht seitlich gelagert,damit alle Lungenbezirke ein wenig belüftet wurden und er sich nicht wundlag,aber dann deckte man ihn wieder mit einem dünnen Laken zu und liess ihn in Ruhe.


    Im Nebenbett wurde auch Semir endotracheal abgesaugt und aus den selben Gründen ein wenig zur Seite gelagert.Auch der verzog das Gesicht und versuchte unbewusste Abwehrbewegungen zu machen,als er den Sauger in seinem Rachen spürte,aber nach einem Sedierungsbolus,also einer kleinen Menge Narkosemittel,die man ihm zusätzlich im Schuss spritzte,erschlaffte er wieder und schlief weiter.Semir war im OP schon saubergemacht worden und so schliefen die beiden Freunde jetzt friedlich nebeneinander dem nächsten Tag entgegen.


    Frau Krüger war mit Bonrath zurück zum Revier gefahren,wo eine aufgeregte Jenni sie schon erwartete.“Susanne hat mich angerufen,dass auf Semir und Ben ein Attentat verübt wurde.Frau Krüger,ich bin wieder fit,darf ich bitte mitermitteln?“ bat sie und die Chefin nickte aufseufzend.Einerseits hätte sie ihre Beamten jetzt gerne nach Hause in den wohlverdienten Feierabend geschickt,aber das war nun nicht möglich.Man musste Karls Spur verfolgen,solange sie noch warm war und sie hatte schon begonnen,sich zu überlegen,wie man den Verrückten am Besten ausfindig machen konnte.Draussen vor der PASt sammelten sich schon die Pressevertreter und die Chefin rief erst mal ihre Beamten zusammen.Alles Personal,das verfügbar war,wurde ins Revier gerufen und so mancher Mitarbeiter,der eigentlich im Frei gewesen wäre,kam freiwillig zur Arbeit.Im Besprechungsraum kamen nun alle zusammen und gemeinsam beschloss man-nach kurzer Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft-die Presse von den Mordversuchen in Kenntnis zu setzen und gezielt mit Hilfe von Rundfunk,Lokalfernsehen und Internet nach Karl zu fahnden.Tanja,die wieder die Nachtschicht in der Einsatzzentrale angetreten hatte,startete sofort Aufrufe,druckte auch Bilder aus,die den Beamten mitgegeben wurden und gleichzeitig rief Frau Krüger eine Pressekonferenz ein.Sie würde dieses Schwein finden,der hatte sich mit der Falschen angelegt! Sie strich ihr elegantes Kostüm glatt,atmete tief durch und trat dann den Vertretern der Presse entgegen.


    Karl hatte in seinem Versteck den Klängen der wunderbaren Musik gelauscht.Er fühlte sich vollkommen sicher.Er war der Herr der Welt,wer sich ihm entgegenstellte,würde das mit dem Leben bezahlen! Schon reifte in seinem Kopf ein Plan heran,wie er an diese Jenni Dorn und den langen Polizisten herankommen konnte.Mit einem teuflischen Lächeln im Gesicht lehnte er sich gegen einige lange Seilrollen zurück und wartete,bis über ihm Ruhe einkehrte.

  • Konrad hatte von zu Hause aus,sofort den Polizeipräsidenten angerufen.Der war schon daheim und freute sich auf den Feierabend.Als er mit Konrad gesprochen hatte,verdüsterte sich seine Miene.Warum hatte ihm denn niemand Bescheid gesagt? Anscheinend waren seine Mitarbeiter der Meinung gewesen,dass so ein Attentat auf zwei Polizisten nicht wert war,dass er davon sofort informiert wurde.Es würde sicher morgen mit den ganzen Aktennotizen auf seinem Schreibtisch liegen,aber jetzt hatte er seinem Rotarierfreund gegenüber leider zugeben müssen,dass er bisher keine Ahnung von dem Vorfall hatte.Dabei war der Sohn von diesem Jäger sogar eines der Opfer.Er ärgerte sich masslos über seine Mitarbeiter.Jetzt stand er wieder da,als wenn ihn so etwas nicht interessieren würde,aber nicht mit ihm,er würde höchstpersönlich seine besten Leute beauftragen,die Ermittlungen zu übernehmen.Ob das allerdings heute Abend noch so sinnvoll war? Konrad hatte ihm gesagt,dass anscheinend Personenschutz angeordnet worden war,so dürften im Augenblick alle erforderlichen Massnahmen eingeleitet sein.Seine Frau bat ihn zu Tisch und so beschloss er,das Ganze auf morgen zu vertagen und wimete sich der köstlichen Mahlzeit.


    In der ganzen Stadt waren inzwischen Polizisten ausgeschwärmt und begannen Karls Bild herzuzeigen.Im Lokalfunk und Lokalfernsehen wurden Ausschnitte der Pressekonferenz gezeigt,in denen die Bevölkerung zur Mithilfe aufgefordert wurde.Karls Bild flimmerte über die Bildschirme und auch Frau Neumann verfolgte gespannt,was ihr Schützling denn schon wieder angestellt hatte.Eine Kioskbesitzerin zögerte erst,aber dann griff sie zu ihrem Telefon und rief die eingeblendete Nummer an.Als sie den Grund ihres Anrufs mitteilte,wurde sie gleich zu der ermittelnden Beamtin durchgestellt,einer Frau Krüger.
    In schönstem Kölsch teilte die Frau mit,dass Karl an ihrem Kiosk in der Innenstadt regelmässig was zu Essen kaufte,zuletzt heute Nachmittag.Sie wusste sogar noch,was er bestellt hatte,nämlich Currywurst mit Pommes rot-weiss.Frau Krüger fragte nochmals detailliert,wo genau der Kiosk stand und versprach der Frau,einen Polizisten bei ihr vorbeizuschicken,der ihre Aussage aufnahm.
    „Wir haben eine Spur!“sagte sie mit blitzenden Augen.Es waren zwar mehrere Anrufe eingegangen,aber die hatten sich bisher immer als Finte erwiesen.Dieter,der ein wenig in seinem Stuhl in der PASt gedöst hatte,war auf einmal wieder hellwach.Gemeinsam mit Jenny trat er zur Chefin,die anhand des detaillierten Stadtplans genau die Lage des Kiosk einzeichnete.Die Uhrzeit passte auch.Der Täter war unmittelbar nach der Tat anscheinend direkt dorthingefahren und hatte sich Essen gekauft.Mit welcher Kaltblütigkeit er sich ungerührt den Bauch füllen konnte,nachdem er kurz zuvor zwei Menschen in seinen Augen umgebracht hatte,zeigte nochmals,wie gefährlich er war.Sein Versteck musste in unmittelbarer Nähe liegen,denn sonst wurden bisher keine Sichtungen mitgeteilt.Auf Google Streetview betrachtete die Chefin die umliegenden Gebäude.Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.Ein Theater-ganz in der Nähe war ein Theater!


    Sie sah auf die Uhr.Es war schon nach Mitternacht,ob da noch jemand da war,der ihnen aufsperren konnte? Gerade als sie überlegte,ob sie mit grosser Mannschaft,oder lieber nur mit ihren engsten Mitarbeitern dort hinfahren sollte,da bedeutete ihr Tanja,dass wieder ein wichtiger Anruf in der Leitung war.Frau Neumann war am Apparat.“Frau Krüger,ich habe aus dem Fernsehen gehört,dass Karl leider begonnen hat,regelrecht Amok zu laufen.Das lässt mir keine Ruhe mehr.Ich habe krampfhaft überlegt,wo er sich verbergen könnte und mir ist da was eingefallen.Er hat mir mal erzählt,dass er oft noch an unsere alte Wirkungsstelle zurückkehrt,weil ihn das so beruhigt.Ich weiss zwar nicht,wie er dort hineinkommt,ich hatte dem auch eigentlich keine Aufmerksamkeit geschenkt,aber wenn ich mir das so überlege,dann wäre das schon naheliegend.“ Frau Krüger fragte nach der genauen Lage des Theaters und als Frau Neumann ihr bestätigte,dass das exakt dieses Gebäude war,das auch sie schon ins Auge gefasst hatte,beschloss Frau Krüger sich von der Ballettdirektorin helfen zu lassen.“Frau Neumann,ich würde sie gerne abholen und mit ihnen gemeinsam dorthinfahren.Sie sind ortskundig und können uns vielleicht am ehesten helfen,ihn aufzuspüren,damit er nicht noch weitere Menschen umbringt!“ Frau Neumann stimmte nach kurzer Überlegung zu und wenige Minuten später waren die Chefin,Bonrath und Jenni unterwegs zur Ballettdirektorin.
    Tanja hatte inzwischen ausfindig gemacht,wer ihnen aufsperren konnte und ein Mitarbeiter einer Wach-und Schliessgesellschaft wurde umgehend mit dem Schlüssel von seiner Zentrale dorthinbeordert.


    Im Krankenhaus inzwischen wurden Semir und Ben alle zwei Stunden gelagert und abgesaugt.Ihre Werte stabilisierten sich zusehends und der diensthabende Arzt war froh,dass er in dieser Nacht wohl keinen Totenschein ausstellen musste.

  • Etwa eine Stunde später,es war inzwischen 1.30 h in der Nacht geworden,trafen die vier am Theater ein.Frau Krüger hatte kurz daran gedacht,alle Mann hier zusammenzutrommeln,aber dann hatte sie überlegt,dass sie das ja immer noch machen konnte und wenn Karl nun gar nicht dort war,sondern ganz wo anders,dann würde sie sich nur vor der Presse und allen Vorgesetzten blamieren.Der Mann von der Sicherheitsfirma sperrte ihnen freundlich lächelnd die Tür auf.“Wer denken sie denn,soll sich in diesem Gemäuer unbefugt aufhalten?“ wollte er wissen.“Ich fahre da seit Jahr und Tag jede Nacht zweimal Streife,aber da ist noch nie was weggekommen,oder sonst irgendwas gewesen.Das schlimmste Verbrechen waren ein paar jugendliche Graffitisprayer und die habe ich ja in flagranti ertappt.“


    Frau Krüger sah ihn ernst an.“Falls sie heute im Lokalfernsehen den Attentäter noch nicht gesehen haben-hier ist ein Bild von ihm.Er hat mehrere Menschen auf dem Gewissen und ist hochgefährlich!“ und damit zeigte sie dem Sicherheitsmann ein Bild Wiesmüllers.Der wurde nun leichenblass.“Den kenne ich schon seit Jahren.Der arbeitet doch irgendwie beim Theater und ist oft da.Er ist sehr freundlich und hat immer ein nettes Wort für mich,ich kann gar nicht glauben,dass der irgendetwas Übles getan haben könnte!“
    „Doch das ist so,ob sie mir das glauben oder nicht!“ erwiderte die Chefin und dann traten die fünf gemeinsam ein.“Ich warte hier am Ausgang,falls er da ist und zu fliehen versucht,werde ich ihn aufhalten!“ sagte entschlossen der Wachmann und die Chefin stimmte mit einem Nicken zu.“Wo Frau Neumann denken sie,dass sich ihr Angestellter hier wohl verstecken würde?“ fragte die Krüger die Ballettdirektorin.Die überlegte eine Weile.“Am bequemsten wären natürlich die Garderoben,weil da oft Sofas drinstehen.Allerdings sind die meistens verschlossen,weil da die Schauspieler,Sänger und Tänzer auch ihre privaten Dinge darin aufbewahren.Untertags würde das auffallen,wenn er sich da rumtreibt,aber ich denke,wenn er eine Schlüssel aus seiner aktiven Zeit zurückbehalten hat,dann kann er zumindest in die Gemeinschaftsumkleide der Tänzer hinein.Die haben natürlich nicht so einen Luxus,sowas wie private Garderoben sind den Stars vorbehalten.“Gut,dann gehen wir jetzt mal zuerst in diese Gemeinschaftsumkleide und schauen,ob die offen ist!“ beschloss die Chefin.Jenni und Bonrath sahen sich furchtsam an.Es war gespenstisch,wie sie durch die halbdunklen Gänge,in denen nur ein Notlicht brannte,schlichen.Vorsichtig drückte die Chefin die Klinke des Raums hinunter,auf den Frau Neumann wies.Die Tür war offen.Alle zogen vorsichtshalber die Waffen und lugten vorsichtig um die Ecke.Frau Krüger betätigte den Schalter und ein Raum mit dem Charme einer Schulturnhallenumkleide erstrahlte in hellem Kunstlicht.Überall waren Garderobenhaken und kahle Holzbänke,eine Wand war mit Spiegeln und davor Stühlen versehen,wo sich die Akteure schminkten.Er war fast leer,nur an einem Haken hing ordentlich eine dunkle Jacke.“Das ist Karls Jacke!“ sagte Frau Neumann tonlos.Nun war klar,dass sich der Gesuchte hier irgendwo befinden musste.Frau Krüger zog ihr Handy,um alle Einheiten sofort herzubeordern,stellte dann aber fest,dass sie hier unten keinen Empfang hatte.Fluchend wandte sie sich um,und beschloss,nur kurz Richtung Ausgang zu gehen und zu telefonieren,da hörte sie eine erstickten Schrei,der in einem Gurgeln endete.Wie gehetzt rannten sie in die Richtung des Geräuschs.Vorneweg die Chefin,dicht gefolgt von Frau Neumann,dann Bonrath und zum Schluss kam Jenni.


    Als sie kurz vor dem Ausgang um die Ecke bogen,lag da der Wachmann mit weitgeöffneten Augen starr zur Decke blickend,in seinem Blut.Frau Krüger wurde es beinahe schlecht und neben ihr übergab sich Frau Neumann vor Ekel.Seine Kehle war durchtrennt,aber beinahe so,als hätte jemand versucht,den Kopf vom Körper zu trennen.Mit Sicherheit gab es für diesen armen Mann keine Rettung mehr!


    „An alle Einheiten.Grosseinsatz am alten Theater in der Innenstadt,flüchtiger Mörder hält sich vermutlich im Gebäude auf.Vorsicht,er ist bewaffnet und schreckt vor nichts zurück!“ gab Frau Krüger hektisch durch.Gerade wollte sich Bonrath versichern,dass es Jenni nicht auch übel geworden war und drehte sich um.Jenni war weg! Dieter rief:“Jenni,wo bist du?“ ,aber es kam keine Antwort.Mit schreckgeweiteten Augen fragte die Krüger:“Wo ist Frau Dorn?“ Dieter stammelte:“Gerade war sie noch hinter mir.Ich habe mich extra gross gemacht,um ihr den schrecklichen Anblick zu ersparen und als ich mich jetzt umgedreht habe,war sie weg,einfach weg!“ Sie sahen sich an.Es war klar,wer ihre junge Kollegin in seiner Gewalt hatte.Gerade als sie völlig panisch überlegten,was sie jetzt wohl am besten tun sollten,um dieses Ungeheuer von einem weiteren Mord abzuhalten,da hörten sie über den Lautsprecher eine bekannte Stimme.“Suchen sie was,oder vielmehr jemanden?“


    Frau Krüger rief:“Lassen sie sofort unsere Kollegin frei! Geben sie auf,sie haben sowieso keine Chance.Wenn sie sich jetzt ergeben,werde ich mich für mildernde Umstände einsetzen!“ Als Antwort erschallte ein höhnisches Lachen aus dem Lautsprecher.Frau Krüger bat via Funk die Kollegen um äusserste Vorsicht,da der Täter eine Polizistin in seiner Gewalt habe.“Momentan kein Zugriff,ich wiederhole:Kein Zugriff!“ sagte sie hektisch,während sie schon hinter den anderen her in den Zuschauerraum eilte,wohin Beleuchtung und offene Türen wiesen.Immer noch ertönte höhnisches Gelächter aus den Boxen und als sie im grossen Saal angekommen waren,bat Karl sie höflich Platz zu nehmen.“Ich warne sie,wenn sie versuchen,mich zu töten,werde ich ihre Kollegin mitnehmen!“rief er und ein Bühnenstrahler richtete sich in die Höhe auf eine Art Trapez,das in schwindelerregender Höhe leicht vor sich hinpendelte.Darauf festgebunden sass mit schreckgeweiteten Augen und einem Knebel im Mund Jenni.Wenn sie aus dieser Höhe ungebremst in die Tiefe stürzen würde,wäre sie vermutlich tot! Karl zeigte das dünne Seilende,das direkt vor ihm von der Decke hing und mit einem kurzen Ruck Jennis Fall auslösen würde.“Das hier ist die Verbindung,zwischen Leben und Tod.Wenn sie mir jetzt ihre werte Gunst schenken,werde ich ihnen eine Vorführung bieten,wie sie die Welt noch nicht gesehen hat!“ sagte er schmeichelnd und als sich jetzt die Blicke der Beteiligten auf ihn richteten,sahen sie mit Grauen,dass Karl völlig blutbespritzt war.“Oh,das war aber eine Sauerei,das werde ich ihnen nicht weiter zumuten!“ sagte und zog sich kurz in die Kulisse zurück,das Seilende immer noch in der Hand haltend.Fieberhaft überlegten die Krüger und Bonrath,was sie denn nur unternehmen konnten,um diesen Irren auszuschalten und Jenni unbeschädigt da herunterzubekommen,aber ihnen fiel im Augenblick nichts ein.


    Dann ging zuerst das Licht wieder an und bestrahlte die Bühne und gleichzeitig begannen aus den Lautsprechern plötzlich die ersten Takte der Nussknackersuite zu ertönen.
    Während draussen die ersten Streifenwagen eintrafen und das SEK informiert wurde,bekamen die drei Personen im Zuschauerraum eine im wahrsten Sinne einmalige Vorstellung geboten!

  • Karl hatte sich komplett entkleidet und tanzte voller Insbrunst die ersten Takte der Nussknacker-Suite.Bonrath konnte nicht umhin,den trotz 45 Jahren immer noch knackigen und durchtrainierten Körper zu bewundern.Frau Neumann hatte erschrocken die Hände vor den Mund geschlagen und die Chefin überlegte nur eines fieberhaft: Wie konnte sie Jenni unversehrt da herunterbekommen.


    Die war zwar nun nicht mehr von einem Scheinwerfer angestrahlt,aber die Zuschauer konnten trotzdem erkennen,wie sie mit schreckgeweiteten Augen an ihren Fesseln zerrte und verzweifelt versuchte,sich zu befreien.Wiesmüller wirbelte über die Bühne.Wie es die Choreographie,die er vor vielen Jahren einstudiert hatte,verlangte,bewegte er sich manchmal eckig,wie eben ein Nussknacker,um dann im nächsten Moment graziöse Drehungen und elegante Sprünge zu vollführen.Der Chefin kam vor Ekel die Galle hoch.Was bezweckte Karl mit dieser Vorführung? Wollte er zeigen,was für ein toller Tänzer er immer noch war,oder war das nur das Intro für einen perfekt inszenierten Mord.Jedesmal wenn er an diesem herabhängenden Seil vorbeiwirbelte,blieb Kim fast das Herz stehen,weil sie immer befürchtete,dass der nächste Griff,den der Verrückte machte,Jennis Schicksal besiegeln würde.Sie wurde fast wahnsinnig,weil ihr jeder Plan fehlte und sie feststellen musste,dass sie eine grossen Fehler gemacht hatte,indem sie ohne Grossaufgebot das Theater überhaupt betreten hatte.Der arme Wachmann hatte ihre Unfähigkeit mit dem Leben bezahlt und sie konnte das auf ihre Kappe nehmen.


    Allerdings war jetzt für diese Gedanken eigentlich keine Zeit,denn es ging nun darum,die jetzt noch Lebenden zu beschützen,für den Wachmann kam sowieso jede Hilfe zu spät! Sie flüsterte leise zu Bonrath:“Haben sie irgendeine Idee?“,aber der schüttelte auch nur ratlos den Kopf.Wenn jetzt Semir und Ben dagewesen wären,diese kreativen Köpfe,denen würde jetzt sicher irgendetwas einfallen!


    Gerade als sie schon kurz davor war,die Waffe zu ziehen und einfach versuchen wollte,schneller zu sein,als der Nackttänzer zum Seil greifen konnte,da nahmen die drei eine Bewegung seitlich an der Bühne wahr.Ein schwarzgekleideter SEK-Mann mit geschwärztem Gesicht legte den Finger auf die Lippen und versuchte ihnen zu signalisieren,dass sie Karl ablenken sollten,während er und seine Kollegen anscheinend derweil versuchten,Jenni zu sichern.


    Inzwischen waren die letzten Takte der Musik verklungen und Karl stand nun demütig,aber leider ganz in der Nähe des Auslösestricks und verbeugte sich tief.Frau Neumann erhob sich als Erste und begann enthusiastisch zu klatschen und „Bravo!“ zu rufen.Die beiden anderen standen zögernd ebenfalls auf und stimmten in die Bravorufe mit ein.Nach einer ganzen Weile hob Karl wieder die Augen und fixierte mit stechendem Blick seine Muse.Frau Neumann ging nun,ohne weiter zu überlegen,auf die Bühne, verneigte sich vor Wiesmüller und schüttelte ihm die Hand.Verdammt! Die Chefin war ganz fertig,jetzt übernahm schon wieder jemand ihren Part und rettete stattdessen die Situation.Allerdings schwebte nun auch die Ballettdirektorin in direkter Nähe des Verrückten in höchster Gefahr.Gerade als sie sich anschliessen wollte und auch nach vorne gehen,da rief Karl plötzlich mit schneidender Stimme.“Halt,alle bleiben auf ihren Plätzen! Ich habe mit Frau Neumann hier noch etwas zu besprechen!“ und Kim und Bonrath liessen sich wieder enttäuscht auf ihre Sessel zurückfallen.Sie hatten beide gehofft,in einem Handgemenge Karl überwältigen zu können,aber der war durchaus bei aller Verrücktheit auf der Hut.


    „Karl,das war eine hervorragende Darbietung! Das war damals eine einzige Gemeinheit,dass sie diese Rolle nicht tanzen durften,keiner hätte das besser,als sie gekonnt,wie sie uns gerade eben bewiesen haben!“ versuchte ihn die Dame zu besänftigen.“Der sah nun seine Chefin mit stechendem Blick an:“Wenn ich doch so ein guter Tänzer in ihren Augen bin,warum haben sie mir dann nicht einfach die Ballettschule überschrieben und sich zur Ruhe gesetzt,anstatt einen Käufer zu suchen? Sie wussten genau,dass das mein Leben war,denn meine Karriere habe ich für sie und ihren Mann geopfert!“ stellte nun Karl die in seinen Augen allesentscheidende Frage.
    „Ach Karl!“ erwiderte Frau Neumann traurig.“Ich wollte doch nur,dass wir beide genügend Geld haben,um die nächsten Jahre gemeinsam zu geniessen.Wenn sie die Schule bekommen hätten,hätten sie doch für mich gar keine Zeit mehr gehabt.Ich hatte doch vor,mit ihnen auf Reisen zu gehen und auf der ganzen Welt von Russland bis Übersee die schönsten Ballettaufführungen zu besuchen.Wir hätten eine Kreuzfahrt nach der anderen gemacht,um das Geld,das sie durchaus miterwirtschaftet haben,mit Genuss auszugeben.Nach meinem Tod wäre für sie immer noch genug für ein sorgenfreies Leben übriggeblieben.Wenn sie mit mir zum Notar gehen wollen,dann zeige ich ihnen,dass sie schon jetzt als mein Alleinerbe eingesetzt sind.Wie konnten sie denn denken,dass ich auch nur eine Sekunde an ihren künstlerischen Leistungen gezweifelt habe?“ fragte sie mit weicher Stimme.Karl wurde unsicher.Er wusste nicht,was er glauben sollte.Fast kamen ihm vor Rührung die Tränen.


    Im Hintergrund der Bühne erschien nun wieder,sowohl von Karl,als auch von Frau Neumann unbemerkt,der SEK-Mann und hob den Daumen nach oben.Anscheinend war Jenni gesichert.
    Nun erhob sich Frau Krüger:“Wiesmüller,geben sie auf,vielleicht bekommen sie ja mildernde Umstände und dann können sie in ein paar Jährchen ihre Reisen doch noch machen!“ versuchte sie ihn zur Kapitulation zu bewegen.Aber nun schlug bei Karl der Wahnsinn wieder durch.Mit funkelnden Augen sprang er mit einer katzenhaften Bewegung zum Strick und löste ihn aus.Wenn Jenni jetzt nicht gesichert war,würde das Trapez mit hoher Geschwindigkeit in die Tiefe sausen und sowohl Karl als auch Frau Neumann mit sich in den Tod reissen.


    -Nichts geschah!


    Als Karl,der ja auch mit seinem eigenen Tod kalkuliert hatte,erstaunt nach oben blickte,sah er,wie Jenni gerade mit einem weiteren Seil gesichert,langsam zu Boden gelassen wurde.Mehrere SLK-Männer stürzten sich derweil auf ihn, drehten ihm die Arme auf den Rücken und fesselten ihn mit Handschellen.Eine Decke wurde über ihn gebreitet und dann wurde er mit gesenktem Kopf zum Streifenwagen gebracht.“Ich glaube nicht,dass er verurteilt wird,sondern eher,dass er sein Leben in der Forensik beschliessen wird!“ bemerkte Frau Krüger zur zitternden Ballettdirektorin,die sie nun tröstend in den Arm nahm.“Vielen Dank für ihre Bemühungen,sie haben vemutlich meiner jungen Mitarbeiterin selbstlos das Leben gerettet!“ sagte Kim und wie auf ein Zeichen trat die inzwischen befreite Jenni nun heran und bedankte sich mit Tränen in den Augen ebenfalls.Frau Neumann schluckte trocken.“Es war die Wahrheit,was ich Karl gesagt habe! Bringen sie mich jetzt bitte nach Hause!“ befahl sie dann kurz und während Jenni noch von einem Arzt untersucht wurde,begleiteten Kim und Dieter die kleine Lady schweigend zum Wagen.

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  • Ohne von den dramatischen Ereignissen der Nacht etwas mitbekommen zu haben,schlummerten Ben und Semir dem nächsten Morgen entgegen.Lediglich der Personenschützer hatte in den frühen Morgenstunden einen Anruf bekommen und daraufhin seinen Platz vor der Zimmertüre geräumt.Als ihn eine der Nachtschwestern erstaunt fragte,was der Grund dafür sei,sagte er,dass der Attentäter festgenommen wurde.Auch die Schwester atmete erleichtert auf,alle Klinikmitarbeiter hatten sich vor einem erneuten Überfall gefürchtet,jetzt machte sich allgemeine Erleichterung breit.


    Nachdem Semirs Werte nach wie vor stabil waren,beschloss man wie geplant einen Extubationsversuch zu wagen.Sein Hände band man mit gepolsterten Fixies am Bett fest,denn normalerweise ging der erste Griff beim Aufwachen von beatmeten Patienten zum Fremdkörper im Hals und so mancher hatte sich so schon den geblockten Tubus entfernt.Dann schaltete man das Narkosemittel Propofol komplett aus,nur das Sufenta,das Opiat liess man in niedriger Dosierung gegen die Schmerzen weiterlaufen.Die Beatmungsmaschine stellte man auf einen Spontanatmungsmodus um,damit er wieder ohne Unterstützung Luft holen konnte.Zusätzlich bekam Semir noch eine Kurzinfusion mit einem peripheren Schmerzmittel,das den Verstand nicht benebelte und dann dauerte es nicht lange,bis er sich zu regen begann.Er schlug die Augen auf und blickte verständnislos um sich.Ein Pfleger,der die Morgenschicht übernommen hatte,beugte sich über seinen Patienten.“Guten Morgen Herr Gerkan,können sie mich verstehen?“ fragte er.Der kleine Türke fixierte ihn und nickte dann langsam.Erst war er aufgewacht,wie nach einem langen Sonntagsschlaf,aber plötzlich fiel ihm siedendheiss das Attentat wieder ein.Was war mit Ben? Hektisch begann er um sich zu blicken und versuchte,etwas zu sagen,was natürlich mit dem Tubus im Hals nicht ging.Er wurde regelrecht panisch und der hinzugerufene Arzt war schon im Begriff den Versuch abzubrechen und die Sedierung wieder einzuschalten,denn inzwischen pfiff die Beatmungsmaschine,der Blutdruck war in die Höhe geschnellt und Semirs Puls hatte sich ebenfalls beschleunigt.


    Plötzlich hatte eine Schwester,die am Vortag dabeigewesen war,die zündende Idee.Das Letzte,was ihr Patient gesehen hatte,bevor er selber niedergestochen worden war,war sein Freund gewesen,der im Begriff gewesen war,zu verbluten.Er war sicher so aufgeregt,weil er wissen wollte,ob der noch lebte.Sie zog den himmelblauen Vorhang zum Nachbarbett zurück und trat dann zur Seite,um den Blick auf den friedlich schlafenden Ben freizugeben.“Herr Gerkan,ihrem Kollegen geht es den Umständen entsprechend gut.Wir konnten ihn schnell stabilisieren und er ist nicht mehr in akuter Lebensgefahr.Der Attentäter ist festgenommen und jetzt müssen sie sich erst mal um sich selber kümmern und wieder gesund werden!“ sagte sie freundlich und Semir sah angestrengt zu Ben hinüber.Tatsächlich,der lag noch neben ihm und obwohl er nicht wusste,wieviel Zeit seit Karls Angriff vergangen war, immerhin lebte er.Ben war vielleicht ein wenig blasser als vorher,aber anscheinend stimmte das,was die Schwester sagte.Semirs Pulsschlag beruhigte sich,der Blutdruck sank ein wenig und nun konnte er sich auch auf sich selber und seine Empfindungen konzentrieren.Aua,sein Brustkorb und die ganze Rippenseite schmerzte,allerdings nicht so schlimm,dass es nicht auszuhalten gewesen wäre.Er war zwar schon noch ein wenig verpeilt und benebelt,aber so in groben Zügen,wusste er wieder ungefähr was los war.
    Er war ja schon mal intubiert gewesen und hatte auch an diese Zeit noch bestimmte Erinnerungen und so beschloss er,sich jetzt auf das zu konzentrieren,was die Ärzte und Schwestern zu ihm sagten.Das Ding in seinem Hals begann ihn nun unheimlich zu stören und er schluckte trocken.Als er versuchte,seine Hände zu bewegen,bemerkte er,dass die festgemacht waren.Na klasse,er war gefesselt,wie ein Schwerverbrecher! Er versuchte etwas zu sagen,aber da sprach ihn der Arzt schon von sich aus an.“Herr Gerkan,ich werde jetzt erst ihren Rachenraum absaugen,damit nachher kein Speichel hinten runter läuft.Machen sie bitte den Mund weit auf,wie beim Zahnarzt!“ forderte er ihn auf.Semir tat,wie befohlen und ein Sauger verschwand schlürfend darin und entfernte den Speichel,der sich dort angesammelt hatte.Er musste zwar einmal kurz würgen,aber dann war es schon wieder vorbei.


    Nun wurde der Notfallwagen nähergefahren,damit man sofort reintubieren konnte,wenn es nicht klappte mit der Extubation und dann löste der Pfleger schon die Pflaster in seinem Gesicht,mit denen der Tubus verklebt war.Der Arzt steckte den Sauger auf dem geschlossenen endotrachealen Absaugsystem auf und nickte,woraufhin der Pfleger den Blockungsballon des Tubus mit einer leeren Spritze entleerte.Unter Saugen wurde der Schlauch aus seinem Hals gezogen und danach sofort das Bett hochgefahren und eine Sauerstoffmaske auf sein Gesicht gedrückt.Semir hustete noch ein paarmal und sog den Sauerstoff in seine Lungen,aber es ging ganz gut.Seine Hände wurden losgemacht und nun lehnte er sich bequem zurück und gewöhnte sich wieder an das Gefühl,normal zu atmen.Die Umstehenden beobachteten ihn noch kurz und dann wurde der Notfallwagen wieder weggefahren und Semir nochmals bequem hingesetzt.“Ruhen sie sich erst mal ein wenig aus,Herr Gerkan,ich erkläre ihnen später,was passiert ist!“ kündigte der Pfleger an und liess ihn dann alleine.Zuvor hatte er ihm noch eine Glocke in die Hand gegeben,damit er sofort läuten konnte,wenn ihm etwas komisch vorkam.Die Alarmgrenzen des Monitors wurden sehr scharf eingestellt,damit man jede Veränderung der Vitalparameter sofort mitbekam und nun erholte sich Semir erst mal von der Strapaze.

  • Es dauerte nicht lange und dann hatte sich Semir soweit erholt,dass er an sich heruntersehen konnte.Weil nun auch er in seinem Unterarm so eine Arterie stecken hatte,war er nur mit einem Ärmel im Hemd.Vorsichtig fasste er mit der Hand,an der kein Infrarotsensor steckte auf den Verband an seine Brust.Das fühlte sich nämlich voll merkwürdig an.Entlang des Brustbeins brannte es und als er da entlangtastete,konnte er lauter Drähte spüren.Was hatten sie da wohl mit ihm gemacht? Das Letzte,an was er sich erinnern konnte war,dass beim Kampf mit Karl die Schere plötzlich mit einem scharfen Schmerz links vorne zwischen seinen Rippen verschwunden war.Über diesem Einstich war allerdings nur ein kleines Pflaster.Eine neue Thoraxdrainage hatte er auch bekommen! Den Schmerz ,als er sich bei seinem Hechtsprung auf Karl die Alte herausgezogen hatte,würde er auch in seinem Leben nicht vergessen.Gott sei Dank hatte man den Vorhang zwischen den Betten beiseite geschoben gelassen und so wandte Semir nun wieder seinen Kopf zu Ben.


    Der lag eigentlich genauso da,wie er ihn in Erinnerung hatte,nur kamen die Schläuche,die blutgefüllt zu dem kleinen Kästchen führten,jetzt aus seinem Hals,nicht mehr aus der Leiste.Semir räusperte sich:“Hey Kumpel,wie geht’s dir?“,fragte er Ben heiser.Diesmal wurde nicht nur der Herzschlag seines Freundes schneller,sondern der versuchte auch mühsam ein Auge zu öffnen.Er war zwar immer noch sediert und konnte sich kaum bewegen,aber er hatte Semirs Stimme in seiner Nähe gehört und wollte jetzt wissen,wo der war.Unendlich langsam und mühevoll drehte Ben den Kopf ein wenig in Semirs Richtung.Verschwommen konnte er ihn im Bett neben sich sitzen sehen,aber dann war es schon wieder vorbei mit der Wahrnehmung.Er war so erschöpft,dass er sofort wieder einschlief.Beim besten Willen konnte er den Kampf gegen diese Hammernarkotika nicht gewinnen.
    Allerdings war durch diese kleine Bewegung sein Blutdruck ein wenig angestiegen und schon kam die Schwester,die für den jungen Polizisten zuständig war,angelaufen und sah nach dem Grund dafür.“Er war wach und hat mich angesehen!“ erklärte Semir aufgeregt.“Das sollte eigentlich nicht sein,denn durch eine unwillkürliche Bewegung könnte leicht einer der Schläuche verrutschen,die ihn mit der ECMO verbinden.Ich werde ihn ein wenig stärker sedieren!“ erklärte die Pflegekraft und erhöhte die Dosierung des Narkosemittels.“Wenn ich jetzt schon mal da bin,werde ich ihn gleich waschen.Mein Kollege kommt dann später zu ihnen und macht sie frisch,Herr Gerkan,der versorgt nur gerade noch einen anderen Patienten!“ erklärte sie ihm,während sie nun alles für ihre Waschung herrichtete.Obwohl Ben ja nach dem Attentat von dem ganzen Blut befreit worden war,wurde routinemässig jeder Patient auf der Intensivstation täglich einer sogenannten Ganzkörperpflege unterworfen.Dazu gehörte nicht nur die Reinigung,sondern auch das Erneuern der Verbände,die Kontrolle aller Wunden und Einstichstellen,die Beurteilung des Hautzustands und der Sekrete,die sich absaugen liessen und nicht zuletzt die Dokumentation des Ganzen.Auch wurde aus hygienischen Gründen täglich das komplette Bett frisch bezogen,manchmal auch mehrmals.Semir liess einfach den Kopf auf der Seite liegen und sah zu,was die Schwester da bei Ben so machte.


    Sein Bart war wieder soweit nachgewachsen,dass er eigentlich aussah,wie immer.Also rasieren musste man ihn nun ja nicht mehr,da er keinen Tubus mehr im Mund hatte,der verklebt werden musste.Dafür ragte aus seinem Hals nun die sogenannte Trachealkanüle,die mit einem Haltebändchen um den Nacken mit einer Vorrichtung befestigt war.Die Schwester zog eine Plastikschürze über ihren Diensthosenanzug und legte Handschuhe an.Zuerst putzte sie Bens Zähne,während sie einen Plastikabsauger in seinen Mund hing und damit das Zahncremewasser wieder absaugte.In einer Waschschüssel brachte sie dann lauwarmes Waschwasser mit einem Döschen Kondensmilch und 5 Tropfen Bergamotteöl,was fiebersenkend wirkte und ein Aroma nach Zitrusfrüchten durch den Raum ziehen liess.Sie begann nun systematisch ihren Patienten von oben nach unten zu waschen und nur leicht abzutrocknen.Ben hatte immer noch hohes Fieber und durch die Verdunstung der ätherischen Öle auf der Haut,erzielte man einen temperatursenkenden Effekt.


    Als die komplette Vorderseite fertig war,saugte die Schwester den Schleim aus den Bronchien,woraufhin Ben trotz Sedierung wieder leicht die Augen öffnete.Das war so unangenehm,dass es durch den Nebel der Opiate und Schlafmittel drang,genauso wie auch starke Geräusche und heftige andere Reize.Die Pflegerin redete ihm beruhigend zu und so schloss Ben seine Augen nach einer Weile wieder.Nun wechselte die Schwester die Eimalhandschuhe,nicht ohne sich zuvor die Hände desinfiziert zu haben und holte aus dem im Raum stehenden Pflegewagen Desinfektionsmittel und Verbandmaterialien.Zuerst erneuerte sie den Verband um die Schläuche der ECMO.Der vorherige war ziemlich blutig,was aber durch den Zusatz des Heparins,damit das in der Maschine nicht gerann,erklärlich war.Die Wundumgebung wurde schnell und geschickt mit sterilen Kompressen und Desinfektionsmittel saubergemacht und darüber ein neuer Klebeverband angelegt.Das gleiche geschah mit dem Leistenverband.Rund um die Operationswunde war allerdings ein riesiger Bluterguss entstanden.Semir erschrak fast,als er das sah.Ben war wirklich von der Taille bis zur Oberschenkelmitte tiefblau,die Weichteile eingeschlossen.Nachdem der Verband erneuert war,bemerkte die Schwester:“Wir legen nachher wieder intermittierend Eisbeutel darauf,damit die Schwellung abnimmt!“ Da hatte Karl wirklich ganze Arbeit geleistet!


    Nun wurden noch der ZVK und die Arterienpunktionsstelle verbunden und die Markierungen der Schläuche notiert,damit man jegliche Verlagerungen sofort bemerken würde.
    Auch das Tracheostoma wurde noch mit einer sogenannten Metallineplatte frisch verbunden und dann bezog die Schwester erst einmal die ganzen Kissen und Lagerungshilfsmittel,bevor sie frisches Waschwasser vorbereitete und dann ihren Kollegen zu Hilfe holte.Auch der zog eine Plastikschürze und Handschuhe an und gemeinsam drehten sie Ben vorsichtig zur Seite.Sein Rücken und Po wurde noch gewaschen und eingecremt,das Leintuch und die Safetexunterlage erneuert und dann lagerten die beiden Semirs Freund noch zur Seite.Nur ein dünnes Laken wurde über ihn bis zur Hüfte gebreitet und einige Eisbeutel kamen auf den Bluterguss.Während die Schwester ihre ganzen benötigten Dinge wieder wegräumte und die Flächen mit Desinfektionstüchlein abwischte,bereitete der Pfleger nun seinerseits alles vor,um bei Semir ebenfalls die morgendliche Waschung in Angriff zu nehmen.

  • Zuvor kam aber der Stationsarzt,der vorher Semir extubiert hatte zu ihm.“Herr Gerkan,wie geht’s ihnen-kriegen sie genug Luft?“ wollte er wissen.Semir zog die Sauerstoffmaske von seinem Gesicht und sagte:“Kein Problem,aber was war jetzt eigentlich kaputt bei mir und noch wichtiger-wie geht es Ben?“ „Gut,wenn sie schon aufnahmebereit sind,dann erkläre ich ihnen das jetzt.“beantwortete der Arzt die Fragen.“Bei ihnen wurde durch den Stich in den Brustkorb die Lunge und der Herzbeutel verletzt.Sie hatten reflektorisch kurz Kammerflimmern,was wir aber mit Defibrillation wieder beheben konnten.Im OP mussten wir ihren Brustkorb öffnen und das Loch im Herzbeutel übernähen.Die Lunge wird von selber wieder heilen,durch den glatten Stich war es nicht nötig,etwas zu resezieren.Sie haben dann noch eine neue Thoraxdrainage bekommen,nachdem sie die Alte ja sozusagen unfreiwillig verloren hatten und wir haben den Thorax wieder verschlossen.Im Moment sieht eigentlich alles gut aus.Sie müssen sich jetzt noch körperlich schonen und ein paar Tage am Monitor bleiben,damit wir eventuelle Herzrythmusstörungen sofort erkennen und behandeln könnten,aber sonst haben sie gute Chancen das Ganze folgenlos zu überstehen.Seien sie froh,dass der Überfall hier stattgefunden hat,wäre das draussen passiert,würden sie vermutlich nicht mehr leben!“
    Nun musste Semir schon schlucken.Dass es so knapp gewesen war,hätte er nicht gedacht,wobei er,als die Schere in seiner Brust verschwunden war,schon Angst bekommen hatte,aber er war dann so schnell bewusstlos geworden,dass ihm keine Zeit mehr geblieben war,sich Gedanken zu machen.


    „Und was ist jetzt mit Ben? Ich habe bei dem Überfall nur noch gesehen,wie Wiesmüller die Schläuche aus seiner Leiste gerissen hat und dann Unmengen von Blut auf den Boden gelaufen sind.“erzählte Semir.
    „Bei ihm kam es durch den massiven Blutverlust zu einem hämorrhagischen Schock.Ausserdem war er eine ganze Zeit sauerstoffmangelversorgt,weil er ja keine Verbindung zur ECMO mehr hatte.Ein Gefässchirurg hat es geschafft,die Blutung zu stillen und zügig einen neuen Bypass zu legen-sie sehen ja,oben am Hals.Er wurde dann sofort weiterversorgt und die zerfetzten Gefässe in der Leiste wurden genäht.Allerdings können wir noch keine genaue Prognose abgeben,ob durch den wenigen Sauerstoff Schäden entstanden sind.Er reagiert zwar,soweit man das jetzt schon beurteilen kann und hat auch keine augenscheinlichen Lähmungen,aber genau werden wir das erst sehen,wenn wir ihn von der ECMO weghaben.Jetzt hängt es ganz davon ab,wie schnell das neue Antibiotikum greift und die Lunge sich erholt.Sein Immunsystem wurde durch die Austauschtransfusionen,die er gebraucht hat und immer wieder braucht,sehr in Mitleidenschaft gezogen,also wird es noch eine Weile dauern,bis wir was Genaues sagen können!“ erklärte der Arzt.
    „Und was ist mit diesem riesigen Bluterguss?“ wollte nun Semir noch wissen“Ah,den haben sie schon gesehen!“ sagte der Arzt.“Ja das ist eine weitere Komplikation.Das Blut ist natürlich nicht nur nach aussen,sondern auch ins Gewebe gelaufen,bei dieser Gewalttat.Ausserdem müssen wir das Blut ja heparinisieren,damit es in der ECMO nicht gerinnt.Dadurch läuft natürlich noch ständig durch kleine Mikrotraumen etwas nach,ohne dass wir das eigentlich verhindern können.Es ist möglich,dass wir den Bluterguss auch noch entlasten müssen,aber momentan versuchen wir es noch mit Kühlung.


    Die Schwester hatte nebenbei bei Ben wieder ein arterielles Blutgas entnommen und im stationseigenen Kleinlabor untersucht.“Der Sauerstoffaustausch ist zufriedenstellend,allerdings ist der Hb-Wert wieder stark abgefallen,bitte lassen sie doch noch zwei Konserven aus der Blutbank bringen!“ beauftragte der Arzt die Schwester,nach einem Blick auf den Ausdruck.Die nickte und verliess das Zimmer,um den Auftrag zu erfüllen.Jetzt fiel Semir noch was ein.“Weiss meine Frau eigentlich Bescheid?“ wollte er nun wissen. Der Arzt nickte und antwortete.“Die war gestern sogar da und hat sie nach der Operation besucht.Sie und die Kinder wurden dann von einer Freundin nach Hause gebracht.“ “Haben Ben und mich die Kinder hoffentlich nicht so gesehen?“ fragte Semir erschrocken.“Nein,die wurden draussen von ihren Kollegen beschäftigt,das wäre viel zu traumatisch,ein solcher Anblick,wir haben da strenge Regeln,unter 14 Jahren dürfen Kinder nur in Ausnahmefällen herein.“ erklärte der Doktor.Semir liess aufatmend seinen Kopf ins Kissen zurücksinken.“Könnte ich meine Frau vielleicht kurz anrufen und ihr sagen,das es mir gutgeht?“ fragte Semir nun und der Arzt reichte ihm lächelnd sein Telefon.
    Inzwischen war der Bote mit den Blutkonserven eingetroffen und der Arzt machte sich daran,den sogennnten Bedsidetest bei Ben zu machen.Er entnahm aus dessen Arterie noch ein wenig Blut und verrührte es auf vorgefertigten Objektträgen mit ein paar Tropfen Blut aus den Konserven.Wenn da irgendetwas verklumpen würde,würde man von der Transfusion absehen.Die eigentliche Kreuzprobe war schon im Labor vorgenommen worden,dieser vorgeschriebene Test diente eher dazu,Verwechslungen der Konserven nochmals auszuschliessen.Nachdem nichts passierte,verband der Arzt die Konserven mit einem speziellen Transfusionssystem mit Filter und liess es langsam über eine peripheren Zugang an Bens Arm in seinen Patienten tropfen.


    Semir hatte inzwischen Andreas Nummer gewählt.Die hatte fast Schweissausbrüche,als sie die Krankenhauszentralnummer erkannte,nur die Nebenstelle war ihr unbekannt.Mein Gott,hoffentlich bekam sie jetzt nicht den Anruf,vor dem sich jeder Mensch auf der Welt fürchtete,dass Semir gestorben war,oder es sonst irgendwelche Komplikationen gegeben hatte.Mit einem Kloss im Hals meldete sie sich:“Gerkan!“ „Auch!“ sagte Semir fröhlich am anderen Ende.“Schatz,wie geht’s dir?“ schrie Andrea fast unter Tränen ins Telefon.“Keine Aufregung,mir geht’s gut,du weisst doch,Unkraut vergeht nicht!“ sagte Semir am anderen Ende.“Kommst du mich heute besuchen?“ fragte er und sie sagte fast entrüstet.“Natürlich! Meine Mutter ist gekommen und passt auf die Kinder auf,aber Besuchszeit ist heute erst nachmittags um 16.00,solange musst du dich gedulden.““Ich freu mich drauf und noch was-ich liebe dich!“ hängte Semir noch an,bevor er auflegte.Andrea starrte erleichtert das Telefon noch eine Weile an,bevor sie ins Kinderzimmer ging,um den Kleinen und ihrer Mutter von Semirs Anruf zu erzählen.

  • Inzwischen waren drei Tage ins Land gegangen.Frau Krüger war für die zügige Festnahme des Attentäters vom Polizeipräsidenten gelobt worden,während sie selber sich immer noch massive Vorwürfe wegen ihrer Fehleinschätzung der Situation und dem Tod des Wachmanns machte.
    Besuche der Kollegen auf der Intensivstation waren immer noch nicht gestattet,aber Andrea fuhr täglich nach ihren Besuchen in der PASt vorbei und gab ein Statement über den Gesundheitszustand ihres Mannes ab.


    Der Betrieb in der Ballettschule lief wieder und Ayda ging wie selbstverständlich zum Training und bereitete sich auf ihre Hauptrolle vor.Frau Neumann hatte Karls Stunden übernommen und probte auch seine Choreographie mit den Kindern.


    Konrad war am nächsten Tag mit einem einflussreichen,befreundeten Arzt in der Uniklinik erschienen,da er dringend eine Verlegung seines Sohnes in eine Privatklinik forderte.Der hatte sich die Patientenakten angesehen und nur einen kurzen Blick auf Ben geworfen.Danach nahm er sich seinen Rotarierfreund zur Brust.“Konrad,du hast ja keine Ahnung,wieviel Glück Ben damit hat,dass er hier in der Uniklinik liegt.Nur wenige Krankenhäuser in der BRD haben die Möglichkeit einer ECMO und ohne die wäre er schon lange tot.Es wäre sein Todesurteil,wenn man ihn jetzt davon trennen würde.Sei froh,dass du ihn noch hast und ausserdem hat er in Sachen Gesundheitsfürsorge und da gehört für mich eindeutig auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht dazu,seinen Freund Herrn Gerkan eingesetzt und letztendlich bestimmt der jetzt,was gemacht wird.Es tut mir leid,aber ausser,dass er im Augenblick gar nicht transportfähig wäre,geschieht hier das Bestmögliche,um sein Leben zu retten.Wenn er das Ganze überleben sollte,was ich immer noch stark bezweifle,kannst du ihm ja danach eine Luxuskur finanzieren,aber jetzt soll er da bleiben,wo er ist,sonst bist du noch an seinem Tod schuld!“
    Konrad sah eingeschüchtert seinen Freund mit offenem Mund an.Selten fand ihm gegenüber jemand so klare Worte,aber das schockte ihn jetzt doch.Er ging noch kurz zu seinem Sohn,wechselte auch ein paar belanglose Worte mit Semir,dem es anscheinend zügig besserging und fuhr dann wieder in seine Firma,um das nächste grosse Bauprojekt zu planen.Auch Julia fand,begleitet von ihrem Mann,kurz den Weg zu Ben.Sie strich ihm über die fieberheisse Stirn und flüsterte ihm zu:“Gute Besserung-und wenn du das überleben solltest,heisst dein Neffe mit zweitem Vornamen Ben und du musst Pate werden.“ Dann wurde ihr allerdings schon wieder ganz komisch und so brachte Peter sie schleunigst nach Hause,wo sie sich sofort wieder hinlegen musste.


    Semirs Heilungsverlauf war absolut zufriedenstellend und so durfte er nach zwei Tagen,bewacht von einem kleinen,tragbaren Monitor,schon wieder mit Hilfe der Schwester,mit dem Gehwagen aufstehen.Sein erster Weg führte zu seinem Freund.Er fasste ihn mit beiden Händen an,irgendwie musste er ihn berühren und sich so vergewissern,dass er wirklich noch lebte.Nachdem die Narkosemittel wegen der Gewöhnung relativ schnell an Wirkung verloren,öffnete Ben auch sofort die Augen,als er seinen Freund spürte.Ein kleines Lächeln zog über sein Gesicht.Er war zwar immer noch furchtbar müde,aber nun wusste er sicher,dass Semir immer da war.Er hatte zwar gelegentlich gemeint seine Stimme zu hören,aber irgendwie war das so irreal gewesen.Aber jetzt war er sich sicher,Semir war da und passte auf ihn auf.Wie durch einen Nebel hörte er dessen Stimme:“Ben,du musst kämpfen,damit du wieder ganz gesund wirst!“ und er nickte,bevor er wegdämmerte.


    Langsam begann nun das neue Antibiotikum bei Ben zu wirken.Die Entzündungswerte im Labor fingen an zu fallen und als man im Liegen im Bett eine erneute Röntgenkontrollaufnahme der Lunge machte,war eine deutliche Besserung der Pneumonie darauf zu erkennen.“Wenn die positive Tendenz so weitergeht,werden wir morgen versuchen,die ECMO auszuschalten,um zu sehen,ob der Gasaustausch über die Lunge wieder zufriedenstellend funktioniert!“ klärte der Arzt Semir auf.“Und wie geht’s dann weiter,falls das klappt?“ wollte nun Semir wissen.“Dann beginnen wir mit dem Weaning,also dem Entwöhnen von der Beatmungsmaschine.Stellen sie sich das aber nicht so einfach vor,wie das bei ihnen zum Beispiel gegangen ist.Sie waren nach ihrer medianen Sternotomie ja nur kurz nachbeatmet,während ihr Freund nun schon sehr lange maschinell beatmet ist und die Atemmuskulatur leider schon in kurzer Zeit zurückgeht.Das wird eine anstrengende Zeit für ihren Kollegen werden und es wird ihm sehr guttun,wenn sie ihn dabei begleiten! Ausserdem glaube ich fast,dass wir nicht darumherumkommen werden,das riesige Hämatom bei ihm doch auszuräumen,bevor sich das noch infiziert,aber diese Operation sollte besser stattfinden,wenn der Einsatz der ECMO nicht mehr nötig ist,also schieben wir das noch zwei Tage.“


    Nun fragte Semir doch nach:“Sie haben bei mir irgendein medianes Dingsbums erwähnt,was meinten sie damit?“ „Um nach der Stichattacke das Ausmass der Herzverletzung einzuschätzen und reparieren zu können,mussten wir den schnellstmöglichen und übersichtlichsten Zugang zu ihrem Brustkorb nehmen.Wir haben deshalb nach dem Abpräparieren der Haut und Muskelschicht bei der Operation ihr Brustbein der Länge nach gespalten.Sie haben ja die Naht beim Verbinden schon gesehen.Mit einer oszillierenden Säge wird da der Knochen durchtrennt und dann der Thorax mit einem Spreizer sozusagen aufgeklappt,damit man ans Herz rankommt.Das ist übrigens der Standardzugang für die meisten offenen Herzoperationen.Nachdem wir den Herzbeutel übernäht hatten,wurde die Wunde schichtweise wieder verschlossen und das Brustbein mit sogenannten Drahtcerclagen wieder zusammengefügt.Das wächst üblicherweise wie ein Knochenbruch nach etwa 2-3 Monaten wieder zusammen.Normalerweise bleiben diese Drähte lebenslang drin,aber gesetzt den Fall,sie würden stören,was bei sehr schlanken Patienten manchmal vorkommt,kann man sie nach dieser Zeit bei einer weiteren Operation entfernen,aber wie gesagt,nur wenn sie stören.Sehr viele Menschen laufen mit solchen Drähten im Körper herum,ohne dass sie Probleme damit haben.Sie dürfen übrigens die nächsten drei Monate auf gar keinen Fall heben,oder schwer tragen,sonst wird ihr Brustkorb instabil!“ fügte er noch an. „Und arbeiten?“ fragte Semir eingeschüchtert,denn dass das so ein grosser Eingriff gewesen war,war ihm gar nicht bewusst gewesen,er hatte nämlich vergleichsweise wenig Schmerzen,oder die Schmerztherapie war einfach so gut.Der Arzt schüttelte lächelnd den Kopf.“Ein viertel Jahr müssen sie rechnen!“ erklärte er und liess nun einen deprimierten Polizisten zurück.

  • Als nachmittags Andrea zu Besuch kam,brachte sie zwei witzige Genesungskarten aus der PASt mit,eine für Semir und eine für Ben.Alle Anwesenden hatten ein paar nette Bemerkungen und viele Gute-Besserungswünsche hinterlassen.“Wir hoffen,dass ihr bald wieder gesund werdet und unser Fuhrpark dadurch immer neue Fahrzeuge bekommt!“-hatte z.B. Bonrath geschrieben.“Ich brauche neue Rätselaufgaben,sonst wird mir langweilig!“-hatte Hartmut hinzugefügt.Die Chefin hatte geschrieben:“Wird Zeit,dass sie beide wiederkommen,ich konnte schon lange niemanden mehr zusammenstauchen!“ und noch weitere lustige Sprüche waren darauf zu finden.Semir las erst seine Karte laut und dann die Bens.Der war zwar immer noch hundemüde und bekam nur am Rande irgendwas mit,aber er reagierte stark auf Semirs Stimme und als nun Andrea zu ihm trat und ihm zart über die Wange strich,öffnete er mühsam die Augen und lächelte sie an.Andrea gab es einen richtigen Stich ins Herz,denn im Gegensatz zu Semir,der wirklich munter wirkte,lag ihr Freund immer noch sehr elend da.


    Als ihr ihr Mann dann allerdings erzählte,was ihm der Arzt heute bezüglich seiner NotOp und was dabei gemacht worden war,gesagt hatte,wurde ihr alleine bei der Vorstellung davon beinahe schlecht.Kurz nach dem Attentat war ihr das zwar auch schon mitgeteilt worden,aber da hatte sie sich das gar nicht so vorstellen wollen und nur gehofft,dass der Vater ihrer Kinder das irgendwie überleben würde.Sie wollte gar nicht so genau darüber nachdenken und als Semir ihr nun traurig erzählte,dass er drei Monate nicht arbeiten und nicht heben durfte,sah sie ihn ganz verwundert an.“Hast du echt gedacht,dass du nach so einer Sache nach zwei Wochen aus dem Krankenhaus spazierst und dann so ungefähr nahtlos wieder zur Arbeit gehst,Ben eingeschlossen? Mensch,sei froh,dass du noch lebst und dass du das möglicherweise ohne Spätfolgen überstehen kannst.Bei Ben muss man ja sowieso noch abwarten,aber du wirst schön zuhause auf dem Sofa geparkt und von mir verwöhnt,damit du es weisst!“ sagte sie nun resolut und nun musste Semir fast schmunzeln.Ja,so kannte er seine Frau,die hatte die Lage schon im Griff.“Aber ich kann ja nicht einmal die Mädels hochheben,oder einkaufen gehen,oder sowas!“ fügte er an.“Ach,da fällt mir schon was ein für dich,du kannst ja beim Kochen das Gemüse schneiden,die Steuererklärung machen und sowas nicht Anstrengendes!“ erwiderte sie schmunzelnd und nun stöhnte Semir auf.Das war ja schlimmer als Folter,er als Couchpotatoe,na klasse.Dann aber unterhielten sie sich noch eine ganze Weile und als sich Andrea nach einer halben Stunde verabschiedete,war Semir wieder besser gelaunt.
    „Ben,morgen wird ein grosser Tag für dich,da wollen sie die erste Maschine wegnehmen,ruh dich nur noch aus,damit du fit bist!“ sprach er zu seinem Freund und dessen Herzschlag beschleunigte sich wieder zum Zeichen,dass er gehört hatte.
    Semir bekam zum Abendessen schon ein wenig Suppe und leichte Kost,weil er die Mittagssuppe gut vertragen hatte.Bei Ben lief über eine Ernährungssonde,die aus seiner Nase ragte,ebenfalls Sondenkost über eine Sondenpumpe in niedriger Dosierung,so etwa 200ml pro Tag.Einerseits war die Magen-und Darmperistaltik durch die Sedierung zwar eingeschränkt,aber man wusste,dass die Zotten im Dünndarm,über die die Nahrung resorbiert wurde,sehr schnell Schaden nahmen,wenn man sie nicht mindestend mit einer kleinen Menge „Futter“ versorgte.Semir war inzwischen da der absolute Fachmann,denn vor Langeweile fragte er jeden,der an Ben irgendetwas machte,nach dem warum und weshalb aus.


    Bens Haupternährung lief allerdings über den zentralen Venenkatheter.Dadurch wurden ihm gleichmässig über 24 Stunden Flüssigkeit,Eiweisslösung,Zucker und Fett gegeben.Zusätzlich bekam er neben den Antibiotikakurzinfusionen auch Vitamine,verschiedene Mineralstoffe und Mittel,die die freien Radikalen im Blut binden sollten und so gegen die Sepsis wirkten.Eine grosse Latte an Medikamenten lief über sogenannte Perfusorbäume kontinuierlich in ihn hinein und ständig wurden irgendwelche Blutentnahmen und Messungen vorgenommen,damit man sofort eintretenden Mängel erkennen und ausgleichen konnte.Semir hatte noch nie solche High-Tech-Medizin aus der Nähe gesehen und war schwer beeindruckt.
    Die Kühlung von Bens Riesenhämatom hatte man inzwischen eingestellt,da soweit nichts mehr nachlief.Auch Semir bekam für die Nacht noch ein Schmerzmittel,da nun sowohl die Brustwunde,als auch die Thoraxdrainage noch ganz schön wehtaten,sobald er sich bewegte.Ben wurde nochmals abgesaugt und frisch gelagert und dann schliefen die beiden Helden dem nächsten Tag entgegen.

  • Semir bekam nachts nur am Rande mit,wie Ben alle zwei Stunden gelagert wurde.Dabei wischte man immer seinen Mund mit feuchten Schaumstoffkompressen aus und verteilte Creme auf seinen immer noch trockenen und aufgesprungenen Lippen.So sehr die Sepsis in seinem Körper eigentlich nach Flüssigkeit verlangte,hielt man sich dennoch zurück,denn Patienten mit Lungenproblemen mussten einfach trockener gefahren werden,auch zu dem Preis,dass deswegen die Katecholamine,also die kreislaufstützenden Medikamente in wesentlich höherer Dosierung verabreicht werden mussten.Es war gut,das er noch sediert war,denn sonst hätte er ziemlichen Durst ertragen müssen,aber durch die Narkosemittel blitzten zwar immer wieder Missempfindungen durch sein Bewusstsein,aber bevor er darüber nachdenken konnte,schlief er schon wieder.
    Bei Semir,der sich unbewusst im Schlaf schon wieder selber drehte,sah man davon ab,ihn zu wecken,sondern nahm nur zweimal in der Nacht aus seinem arteriellen Zugang im Unterarm Blut ab,das im stationseigenen Kleinlabor kontrolliert wurde.Weil aber die Werte zufriedenstellend waren,durfte er einfach weiterschlafen,soweit das bei der Geräuschkulisse,die wie auf jeder Intensivstation herrschte,überhaupt möglich war.


    Beide hatten an ihrer Blasendrainage einen sogenannten Stundenurimeter hängen,in dem stündlich die ausgeschiedene Urinmenge umgeleert wurde.Die beiden schlafenden Patienten bekamen davon eigentlich nichts mit,aber sobald die Ausscheidung einsparte,wurde sofort reagiert und entweder bekam der jeweilige Patient dann mehr Flüssigkeit angeboten,indem man die Infusion schneller stellte,oder man verabreichte ausschwemmende Medikamente.Auch bei Semir war das noch wichtig,denn das Herz war durch seine Verletzung ,obwohl er sich schon wieder so gut fühlte,sehr in Mitleidenschaft gezogen worden und ein zu wenig,oder zu viel Flüssigkeit in seinem Organismus hätte eventuell fatale Folgen nach sich gezogen.Ein Herzversagen oder zumindest Rythmusstörungen waren Dinge,mit denen man nach einem derartigen Eingriff immer rechnen musste.Auch Nachblutungen,oder Flüssigkeitsansammlungen im Herzbeutel waren eine nicht allzu seltene Komplikation,daher war noch eine ganze Weile die Monitorüberwachung angesagt.
    Trotzdem musste die Nachtschwester,die die beiden Polizisten betreute, immer lächeln,wenn sie das Patientenzimmer betrat.Zwischen den beiden herrschte eine grosse Nähe und es war für beide Patienten einfach die beste Lösung,sie in einem gemeinsamen Zimmer unterzubringen und den Trennvorhang wegzulassen,denn obwohl der Jüngere noch intubiert war,hörte man immer,wie der Ältere sich mit ihm unterhielt,als wenn er auf jeden Satz eine Antwort bekommen würde.Das war sicher positiv für die psychische Verarbeitung der Beatmungssituation und eine vertraute Atmosphäre förderte den Heilungsverlauf mit Sicherheit.


    Kaum war der nächste Morgen angebrochen,kam auch schon die Frühschicht zu Ben,um ihn zu waschen.Man wollte jede körperliche Anstrengung vermeiden,wenn die ECMO entfernt wurde,denn die Umstellung auf einen eigenen Sauerstoffversorgungsmodus war sicherlich wieder eine grosse Anstrengung für seinen Organismus.
    Während Ben nun fürsorglich in seinem Bett gewaschen und eingecremt wurde,sass Semir schon auf einem Stühlchen vor dem Waschbecken und versuchte sich,soweit möglich, selber frisch zu machen.Lediglich für den Rücken und die Füsse brauchte er noch Hilfe,aber der Rest ging eigentlich ganz gut alleine.Während Semir nach dem Waschen mit dem Gehwagen,die Thoraxdrainage,die Redondrainagen und den Urinbeutel daran angehängt,zu seinem inzwischen frisch überzogenen Bett zurückgeführt wurde und dort am Bettrand sitzend schon ein völlig normales Frühstück mit Kaffee und Brötchen bekam,wurde bei Ben nun der Oberarzt dazugeholt und gemeinsam mit dem bereitstehenden Kardiotechniker begann man,die ECMO aus seinem Kreislauf zurückzunehmen.


    Natürlich zog die ganze Sache grössere Blutdruckschwankungen nach sich und als die Förderrate peu á peu zurückgefahren wurde,waren viele Hände nötig,um sofort die Medikamenteneinstellungen zu verändern.Aber nach einer halben Stunde war Ben nun komplett ohne Sauerstoffversorgung durch die Pumpe und seine Werte hielten sich trotzdem einigermassen stabil.Alle paar Minuten kontrollierte man die Blutgase und veränderte daraufhin die Beatmungseinstellungen,aber nachdem Semir sein Frühstück,ehrlich gesagt ziemlich angespannt,beendet hatte,war Ben nun völlig ohne ECMO-Versorgung und hielt sich.Als sich 30 Minuten später nichts dramatisch verändert hatte,rief man den Herzchirurgen dazu und der entfernte die dicken Schläuche aus Bens Hals,indem er zuvor eine spezielle Naht um die Fremdkörper legte und die zuzog,während er vorsichtig die Plastikschläuche entfernte.So verschloss sich das grosse Gefäss an der Wand,ohne Nachblutungen zu provozieren und als man zum Schluss noch einen dicken Verband um Bens Hals legte,atmete nicht nur der Herzchirurg auf,sondern mit ihm noch das ganze involvierte Pflegepersonal,der Kardiotechniker und am allermeisten Semir.
    Man hatte Ben für diese ganze Prozedur nochmals tief schlafen gelegt,damit er nicht einmal mit dem kleinen Finger zucken konnte und so beliess man es noch eine Weile,bis sein Organismus sich an die veränderte Situation gewöhnt hatte.Semir,der inzwischen auch das Gefühl hatte,einen Gewaltmarsch hinter sich zu haben,lehnte sich aufatmend in seinen Kissen zurück und genoss die relative Ruhe,die gerade in ihrem Zimmer herrschte.Bevor er sich versah,war auch er eingeschlafen.

  • Semir erwachte,als ein Arzt vor ihm stand und sagte: "Herr Gerkan,bitte nicht erschrecken,aber ich würde sie gerne untersuchen!“ Semir nickte zustimmend und sein erster Blick wanderte zu seinem Freund.Ben lag immer noch friedlich schlummernd in seinem Bett und so konnte Semir sich nun auf sich selber und die ärztliche Untersuchung konzentrieren.Er wurde von oben bis unten durchgecheckt,aber es war alles in Ordnung mit ihm.Lediglich die Entfernung der Redondrainagen,die in seiner Wunde steckten,wurde angeordnet.
    Ben wurde kurz darauf von den Pflegekräften wieder gelagert und abgesaugt und dann begann man auch schon,dessen Sedierung langsam zu reduzieren.Obwohl er immer noch genügend Schlafmittel und Opiate bekam,begann er sich auch bald ein wenig zu regen.Seine Hände,die bisher frei gewesen waren,wurden vorsichtshalber festgebunden und als Semir ein wenig später sagte:“Ben,kannst du mich hören?“ öffnete der sofort seine Augen und versuchte rauszufinden,woher die vertraute Stimme kam.Er drehte langsam und mühsam den Kopf in Semirs Richtung,aber mehr konnte er augenblicklich noch nicht leisten.Semir wäre am liebsten aus dem Bett gehüpft,um ganz nahe bei seinem Freund zu sein,aber seine ganzen Schläuche und Kabel und wenn er ehrlich war,auch seine Schmerzen,hinderten ihn daran.


    Deshalb setzte er wie in den vergangenen Tagen seine Stimme ein: "Ben,ich bin bei dir,hab keine Angst,zusammen schaffen wir das!“ versuchte er ihm Mut zu machen.Ben nickte und probierte mit dem Mund Worte zu formen,aber natürlich war da noch nichts verständlich.
    Bei Semir entfernte eine Schwester jetzt die Redondrainagen,was zwar schon ziepte,aber trotzdem erträglich war.Über einen Perfusor bekam er kontinuierlich ein leichteres Schmerzmittel,nämlich Metamizol und wenn es schlimmer wurde,liess man ihm immer einen Opiatbolus zukommen,allerdings nicht mehr routinemässig,wie die ersten Tage,sondern nur noch bei Bedarf.


    Bens Blutgase waren relativ gut,alleine mit der Beatmung und als der Stationsarzt nun auch bei ihm den täglichen Ganzkörpercheck machte,war er bis auf den Bluterguss sehr zufrieden.Er meldete den jungen Mann im OP für den folgenden Tag zur Hämatomausräumung an,denn inzwischen waren Hüftpartie und Oberschenkel auf fast das Doppelte ihrer normalen Grösse angeschwollen.Auch war der Bezirk heiss und wenn man ihn betastete,verzog Ben jedesmal trotz kontinuierlicher Opiatgabe schmerzvoll das Gesicht.Auch das Fieber,das schon im Sinken begriffen gewesen war,stieg wieder an,vermutlich durch die Infektion des Blutergusses.Obwohl Ben mit Antibiotika immer noch sehr breit abgedeckt war,bildete die lokale Entzündung wieder eine Fieberursache und musste einfach beseitigt werden.


    Als Andrea nachmittags zu Besuch kam,gab sie sich fast die Klinke mit Konrad in die Hand,der zwischen zwei Geschäftsterminen schnell bei seinem Sohn vorbeigeschaut hatte.Als ihm Semir mitteilte,dass Ben am nächsten Tag operiert werden sollte,bemerkte er nur,dass die Ärzte hier ja angeblich wüssten,was sie taten,aber er würde sich da nicht mehr einmischen,die sollten nur machen! Ben drehte den Kopf weg,als er den unterdrückten Zorn in der Stimme seines Vaters hörte,er reagierte in seinem Zustand sehr fein auf Stimmungen und die hier war definitiv nicht gut.
    Als Andrea,nachdem sie Semir vorsichtig umarmt hatte,jetzt aber an sein Bett trat und seine locker gefesselte Hand nahm,versuchte er sie schon ein wenig zu drücken und öffnete wieder mit einem Lächeln die Augen.Semir konnte bei sich nur denken: Eigentlich sind wir Bens Familie und sein biologischer Vater war viel zu sehr auf Äusserlichkeiten und die Firma fixiert,als dass er auch nur ein wenig Empathie aufbrachte.“Ben,bald kannst du wieder mit uns sprechen,hab nur ein wenig Geduld!“ sagte nun Andrea liebevoll zu ihm und er nickte langsam,bevor er die Augen wieder schloss und weiter vor sich hindämmerte.


    Nach der Besuchszeit wurde Ben zur Fiebersenkung mit lauwarmem Pfefferminzwasser heruntergewaschen und der frische Geruch erfüllte anschliessend den ganzen Raum.Nach einer abendlichen Mobilisationsrunde mit seinem Gehwagen,blieb Semir kurz am Bett seines Freundes stehen und strich ihm ein paar verschwitzte Strähnen aus der Stirn.“Du wirst sehen,wenn du die Operation morgen hinter dir hast,geht’s dir gleich noch ne Ecke besser!“ versuchte er ihn zu trösten und Ben lächelte ihn wieder an,bevor er weiterschlief.
    Auch diese Nacht ging gut herum und bis sie sich versahen,war der Morgen da und Ben wurde nach der Morgentoilette und Rasur schon in den OP abgerufen.Als die ganzen Geräte teilweise umgebaut waren und das transportable Beatmungsgerät umgehängt worden war,wurde Bens Bett aus dem Zimmer gefahren und zurück blieb ein Semir,der vor lauter Nervosität nicht mehr wusste,was er anfangen sollte.Oh Gott,hoffentlich ging alles gut.Er hatte als gesetzlicher Betreuer die Einverständniserklärung für die OP unterschrieben und damit rechtlich den Ärzten erst erlaubt,die Operation vorzunehmen.Damit trug er aber in seinen Augen auch die Verantwortung dafür und konnte nur hoffen,dass er im Sinne seines Freundes richtig entschieden hatte.Vielleicht wäre es ja auch so wieder verheilt? Das konnte ihm niemand sagen,ob es so gewesen wäre.Jetzt war allerdings die Maschinerie angelaufen und ausser Daumendrücken und Beten blieb ihm nichts übrig.Gebannt starrte Semir auf die Tür und hoffte,dass Ben bald wieder zu ihm zurückgebracht wurde.

  • In der Operationsabteilung angekommen,wurde Ben in der Patientenschleuse mit Hilfe einer Art Fliessband auf den OP-Tisch befördert.Das tragbare Beatmungsgerät,der Transportmonitor und die verschiedenen Infusionen und Medikamente,die unbedingt weiterlaufen mussten,wurden mitsamt den Perfusoren mit in den Sterilbereich genommen.Man deckte ihn mit zwei grünen Tüchern zu,allerdings vermied man es,ihn,wie sonst üblich,zu wärmen,da er ja immer noch hohes Fieber hatte.Ben wurde angeschnallt,damit er nicht herunterpurzeln konnte und dann fuhr man ihn mitsamt dem OP-Tisch in den Operationssaal.


    Er wurde vom tragbaren Beatmungsgerät an das grosse Narkosegerät umgehängt und auch sein Monitor wurde in der Einleitung geparkt,da er während der Operation mit einem einzigen Gerät überwacht wurde.Der Anästhesist drehte das Narkosegas zum Sauerstoff mit auf,damit konnte man Narkosemittel sparen und schonte so den Kreislauf. Bens Bein wurde nach aussen rotiert und in dieser Stellung festgemacht. Nun strich der sogenannte Springer,also der unsterile Op-Mitarbeiter vom Rippenbogen bis zur Kniekehle den ganzen Bereich,der blau war,mit grellorangem Desinfektionsmittel dreimal ab.Der Chirurg und sein Assistent waren inzwischen steril angezogen worden und deckten nun das Operationsfeld mit sterilen Klebetüchern ab.Eine neutrale Klebeelektrode kam noch ans unversehrte Bein und dann stellten sich der Operatur und sein Assistent einander gegenüber,einer an Bens rechte und einer an seine linke Seite und die Op-Schwester reichte das Skalpell an.“Schnitt um 8.10 Uhr“ sagte der Operateur nach einem Blick auf die grosse Uhr,die im Op an der Wand hing.Der Narkosearzt vermerkte das im Narkoseprotokoll und erhöhte nochmals die Opiatzufuhr,damit sein Patient auch wirklich keine Schmerzen hatte.


    Beginnend mit dem Unterbauch,machte der Operateur mehrere grosse Schnitte aus denen eine Mischung aus geronnenem Blut und Eiter lief.Ein Abstrich wurde entnommen,um ihn in der Mikrobiologie nach den vorhandenen Keimen zu untersuchen und ein Antibiogramm zu erstellen. „Das hätte sich nie mehr von selber resorbiert,gut dass wir jetzt operiert haben!“ bemerkte der Chirurg und alle Umstehenden nickten.So gut es ging,versuchte man die Blutergüsse auszuräumen.Vom Unterbauch über die Leistenregion bis zur Mitte des Oberschenkels innen verliefen nun einige Längsschnitte und dann wurden noch dicke Silikondrainagen eingelegt und festgenäht,die das Wundgebiet offenhalten sollten und dem Eiter erlaubten,abzufliessen.Das Ganze wurde mit dicken Verbänden bedeckt und nach 20 Minuten war die Operation auch schon beendet.Nachdem Ben ja nicht sofort aufwachen sollte,drehte man nur das Narkosegas ab und hängte ihn wieder an die mobile Beatmungseinheit,legte das Bein gerade hin und deckte ihn mit den grünen Tüchern zu.Auf der Intensivstation wurde wegen der Abholung angerufen und kurze Zeit später lag Ben schon wieder in der Schleuse auf dem angewärmten Fliessband und wurde von einem Intensivarzt und einer Schwester in Empfang genommen.Die bekamen von den Eitermengen berichtet und waren nun auch froh,dass man die OP so bald in Angriff genommen hatte.Bens Körper war sowieso schon so geschwächt,den Kampf gegen diese neue Infektionsquelle hätte er nicht lange durchgehalten.„Bitte die Drainagen täglich mindestens einmal spülen,bis das alles sauber ist!“ bat der Operateur noch und der Intensivarzt und die Schwester nickten.


    Zügig fuhren sie mit ihrem immer noch tief schlafenden Patienten zur Intensivstation zurück und Semir fiel ein Stein vom Herzen,als das Bett zurück auf seinen Platz rangiert wurde und Ben eindeutig lebend darin lag.Er war zwar wieder ein wenig blasser als vorher,aber da berichtete der Anästhesist ihm schon vom Ergebnis der Operation und dass es unbedingt notwendig gewesen war,die durchzuführen.“Wenn man das nicht gemacht hätte,hätte er an einer Sepsis,die von neuen Keimen aus dem Bein ausgehend,den Körper vergiftet hätte,sterben können.Jetzt hat er zwar einige unschöne Schnitte am Oberschenkel und Unterbauch,aber wenn wir die jetzt regelmässig spülen und sauberhalten,wird auch das gut heilen und in einem Jahr sieht man davon nur noch einige dünne weisse Striche.Allerdings werden die Spülungen für ihn sicher unangenehm und schmerzhaft sein,aber trotzdem müssen wir ihn aufwachen lassen.Ihn deswegen länger zu beatmen,wäre kontraindiziert,unser Ziel ist weiterhin,ihn sobald als möglich von der Beatmungsmaschine wegzubringen!“
    Semir nickte,das war einleuchtend und da reduzierte der Arzt auch schon wieder die Dosis der Narkosemittel.Nachdem alle Maschinen umgebaut waren und Ben wieder ein wenig zur Seite gedreht war,liess man die beiden Freunde alleine. „Mann,ich bin so froh,dass du wieder da bist,ich wäre vor Sorgen bald wahnsinnig geworden!“ sagte Semir erleichtert und Ben war zwar noch zu müde,um die Augen zu öffnen,aber sein Herzschlag beschleunigte sich wieder,als Zeichen,dass er gehört hatte.

  • Karl war erst in Untersuchungshaft genommen worden.Da er dort allerdings dermassen wahnhaftes Verhalten zeigte,wurde ein Psychiater zugezogen,der in einem vorläufigen Gutachten feststellte,dass er vermutlich nicht schuldfähig und infolge einer Psychose für seine Taten nicht verantwortlich war.Daher erfolgte zügig eine Überstellung in die Forensik und als Frau Neumann ihn besuchen kam und ihm auch Sachen aus seiner Wohnung mitbrachte,tat Karl so,als wenn nie etwas vorgefallen wäre.
    „Karl,können sie sich nicht mehr erinnern,dass sie im Theater versucht haben,uns alle zu töten?“ fragte sie ihn unglücklich,aber Karl schüttelte den Kopf.Er hatte diesen ganzen Zeitraum aus seinem Hirn verdrängt und wollte vielmehr wissen,wie die Vorbereitungen für die Weihnachtssoiree liefen.Zutiefst unglücklich,aber dennoch wieder froh,dass diese Verantwortung von ihren Schultern war,verliess Frau Neumann die Psychiatrie und beschloss,sobald wie möglich,die Ballettschule zu verkaufen.Der augenblickliche Zeitpunkt war etwas unglücklich,da natürlich in der Presse Querverbindungen aufgezeigt wurden,zwischen den Morden und ihrer Einrichtung.Einige Schüler hatten deswegen gekündigt und waren zur Konkurrenz abgewandert.Deshalb war die Ballettdirektorin auch besonders dankbar,dass Ayda Gerkan immer noch zu den Proben kam,obwohl deren Eltern wohl die grösste Veranlassung gehabt hätten,ihren Vertrag fristlos zu kündigen.Sie gab sich auch besondere Mühe,dieses talentierte Kind auf seine Rolle so gut es ging vorzubereiten und die dankte es ihr mit viel Fleiss und Freude.


    In der PASt lief das Leben seinen gewohnten Gang,obwohl es natürlich hart war,längerfristig zwei der erfolgreichsten Ermittler auszugleichen.Aber ohne zu murren übernahmen viele Kollegen Extraschichten und alle hofften einfach,dass ihr Dreamteam bald wieder fit und einsatzfähig sein würde.


    Als Semir heute schon ein wenig weiter mobilisiert wurde und mit seinem Gehwagen,begleitet von der Schwester,auf dem Intensivflur herumlief,begegnete ihm jemand,an den er überhaupt nicht mehr gedacht hatte.Zwar auch noch merklich angeschlagen,aber auf seinen eigenen Beinen kam ihm der gutaussehende Woodrow Thompson entgegen.Auch er hatte einen Gehwagen dabei,an dem in seinem Fall eine Sauerstoffflasche montiert war,die ihn über eine Nasenbrille mit Sauerstoff versorgte.Überrascht blieben die beiden voreinander stehen und der Tänzer erzählte,dass er auch eine Weile an der ECMO gewesen war,aber jetzt seine Lungenentzündung auf dem Wege der Besserung war.Man hatte ihm zwar erzählt,dass er sich vermutlich in der Ballettschule mit Legionellen und Mycoplasmen angesteckt hatte,aber von den ganzen übrigen Ereignissen,war er noch nicht informiert worden.Semir erzählte ihm eine Kurzversion und als die Schwester freundlich aber höflich bat,das Pläuschchen doch zu einem anderen Zeitpunkt fortzusetzen,liess Semir einen geschockten Mann zurück,der erst mal Zeit brauchte,das Gehörte zu verarbeiten.


    Im Zimmer zurück ging Semir sofort an Bens Bett,fasste ihn an und erzählte ihm aufgeregt: „Ben,du glaubst gar nicht,wen ich gerade draussen getroffen habe.Diesen Thompson,diesen Tänzer.Der hatte die selbe Lungenentzündung wie du und wurde vermutlich genauso behandelt und jetzt läuft er schon wieder herum! Du musst dir nur Mühe geben,dann bist du auch bald wieder fit und wir können uns unterhalten!“ Ben,der inzwischen seine Narkose so ziemlich ausgeschlafen hatte und ja auch nur noch leicht sediert war,öffnete die Augen und sah Semir recht wach an.Er konnte verstehen,was Semir zu ihm sagte,aber was er damit bezweckte und meinte,war ihm völlig unklar.Gerade begann er erst wieder seinen Körper bewusst wahrzunehmen.Er hatte soeben festgestellt,dass ihm seine Leiste und seine Oberschenkelinnenseite ziemlich weh tat und verzog nun das Gesicht. „Hast du Schmerzen?“ wollte Semir aufgeregt wissen und als Ben daraufhin nickte,drehte er sich zur Schwester um und erklärte der: „Mein Freund braucht etwas,ich will nicht,dass er leiden muss!“ Die Pflegekraft nickte und gab Ben aus dem Opiatperfusor einen Bolus,was Ben allerdings auch sofort dazu brachte,die Augen zu schliessen und wieder einzuschlafen.Die Schwester seufzte innerlich und beschloss,den Stationsarzt zu Semir zu schicken,dass der ihm bezüglich des Weanings etwas erklärte.Aber momentan würde sie nicht diskutieren,sondern brachte den älteren Polizisten wieder in sein Bett und verkabelte ihn.Nun schloss auch Semir,erschöpft von seinem Ausflug, die Augen und ruhte sich aus,bis sein Mittagessen kam.

  • Semir hatte zwar keinen rechten Appetit,aber er versuchte trotzdem ein paar Happen zu essen,um bald wieder zu Kräften zu kommen.Bei Ben war inzwischen die Beatmungsmaschine wieder in ihren Einstellungen verändert worden,damit er nun einen Anreiz bekam,selber dazuzuatmen.Man musste die Atemmuskulatur wieder trainieren und das funktionierte einfach über eine allmähliche Reduzierung der Maschinentätigkeit.Anfangs nur zögernd,aber immer wieder machte Ben nun zwischen den mechanischen Hüben einen eigenen Atemzug,der sofort mittels eines Computerprogramms in die Maschinentätigkeit einbezogen wurde.


    Als der Stationsarzt wenig später zu seinen beiden Patienten kam,holte er sich die Loop-Kurven aus dem Speicher des Beatmungsgeräts und war sehr zufrieden mit dem Ergebnis.Wie ihm die Schwester aufgetragen hatte,sprach er nun mit Semir und erklärte dem,was jetzt in der Weaningphase für Ben wichtig war.
    „Herr Gerkan,ich weiss,dass ist jetzt vielleicht schwer verständlich und vor allem für sie auch schwierig auszuhalten,aber um ihren Kollegen von der Beatmungsmaschine wegzubringen,müssen wir jetzt die Dosierungen der Betäubungsmittel drastisch reduzieren.Er wird immer wieder Phasen bekommen,in denen er selbst atmen muss-natürlich mit Unterstützung der Maschine-und dann vor allem nachts dann wieder Zeit zum Erholen.Nachdem sich der Körper relativ schnell an die Opiate gewöhnt,die leider auch ein hohes Suchtpotential haben,ist damit zu rechnen,dass parallel dazu Herr Jäger einen Opiatentzug durchmachen wird.Nach dieser langen Beatmungszeit mit sehr hochdosierten Betäubungsmitteln,ist das fast die Regel.Normalerweise würden wir Patienten nicht dermassen abschiessen,aber nachdem es an der ECMO extrem wichtig ist,dass der Patient ruhig liegt,blieb uns da nichts anderes übrig.Sie haben ja gesehen,wie lebensbedrohlich es sein kann,wenn die Schläuche herausrutschen.
    Er bekommt natürlich gegen die Schmerzen in der OP-Wunde periphere,stark wirkende Schmerzmittel,aber gegen die hohen Opiatdosen,an die Herr Jäger jetzt gewöhnt ist,sind die leider wie ein Vergleich von Zuckerwasser und Alkohol.Sie werden nicht sehr viel bringen und er muss da einfach durch und das aushalten.Falls es für sie zu belastend wird,das anzusehen,können wir ihnen anbieten,sie in einen anderen Raum zu verlegen.“


    Semir schüttelte entsetzt den Kopf.natürlich würde er Ben in seinen schweren Stunden nicht alleine lassen,das wäre ja noch schöner.Aber er hatte sich darüber noch nie Gedanken gemacht,wie so eine Beatmungsentwöhnung ausschauen könnte.Er hatte gedacht,da schaltete man das Schlafmittel aus,dann wurde der Patient wach,wie man halt am Morgen nach einer erholsamen Nacht wach wurde und dann zog man den Beatmungsschlauch heraus-fertig.Als er das dem Stationsarzt erklärte,schüttelte er lächelnd den Kopf. „Leider ist damit nach so einer langen Beatmungszeit nicht zu rechnen.Ihr Freund wird Ganzkörperschmerzen haben,Schweissausbrüche,Übelkeit und Wahnvorstellungen.Wir geben natürlich dagegen andere,sedierende und blutdrucksenkende Medikamente,aber auch die verwandeln halt nur einen kalten in einen warmen Entzug.Letztendlich muss er da durch,wenn er wieder gesund werden will-und davon gehen wir aus.


    „Ich dachte jetzt,dass Ben blutdrucksteigernde Medikamente bekommt,warum soll er jetzt auf einmal blutdrucksenkende kriegen?“ wollte Semir jetzt noch wissen.“So wie es aussieht,kommt ihr Freund langsam aus der Sepsis,auch weil wir jetzt den Eiterherd am Unterkörper ausgeräumt haben.Das letzte Lungenbild sah auch schon recht erfreulich aus,also können wir davon ausgehen,dass die Antibiotika an der Lunge gegriffen haben,wie übrigens bei dem am gleichen Ort wie Herr Jäger infizierten Patienten auch.“ Semir nickte,klar er hatte Thompson ja auf dem Flur getroffen,der war aus dem Gröbsten raus,so wie es aussah. „Dieses Unvermögen des Körpers,selbst einen Blutdruck herzubringen,der die Organdurchblutung ermöglicht,ist ein Zeichen einer schweren Sepsis.Früher sind die Patienten daran gestorben,aber seit einigen Jahren können wir eben chemisch das Noradrenalin,das in der Nebennierenrinde gebildet wird und diese Blutdruckregulierung im Körper steuert,chemisch herstellen und so den Sepsispatienten helfen.
    So wie es aussieht,kommt Herr Jäger jetzt zügig aus seiner Sepsis,weil sich die Parameter stabilisieren.Nur deshalb können wir auch jetzt mit dem Weaning beginnen,das macht in der Sepsis nämlich keinen Sinn.Das Noradrenalin läuft bei ihm nur noch in einer sehr geringen Dosierung und ich denke,wir werden das in Kürze ausschalten können.Jetzt werde ich die Opiate weiter reduzieren und dann sehen wir mal,was passiert!“ kündigte der Arzt an und veränderte gleich nochmal einige Perfusoreinstellungen.
    Als er mit einem Gruss das Zimmer verliess,hatte Semir fast einen Kloss im Hals.Oh Gott,was würde jetzt auf seinen Freund wohl zukommen?

  • Wenig später kam die Schwester mit einer Kurzinfusion wieder,die sie bei Ben anhängte. „Das ist ein peripheres Schmerzmittel,das wirkt zwar an anderen Orten gegen den Schmerz,als im Gehirn,wie die Opiate,aber ein wenig hilft es trotzdem!“ erklärte sie.Ben war nun nochmals wacher,als vorhin und hatte die Augen weit auf.Er schluckte und drehte schon willentlich den Kopf.Als sein trockener Mund von der Pflegerin mit feuchten Mundpflegestäbchen erfrischt wurde und sie auf seinen Lippen Creme verteilte,sah er sie dankbar an.Allerdings tat ihm seine OP-Wunde nun immer mehr weh.Er versuchte mit den Lippen ein paar Worte zu formen und sie beruhigte ihn mit ein paar Worten: „Herr Jäger,es ist alles in Ordnung,sie sind im Krankenhaus,aber leider können sie im Moment noch nicht sprechen,sie haben nämlich einen Luftröhrenschnitt!“ Ben sah sie entsetzt an und wollte mit den Händen,die ihm nur widerwillig gehorchten,nach oben fassen,um herauszufinden,was sie meinte,aber da bemerkte er,dass seine Hände festgebunden waren.Ein paar Tränen flossen daraufhin aus seinen Augenwinkeln und er versuchte sich freizumachen,was aber nicht funktionierte.Allerdings war er so kaputt,dass er irgendwann doch wieder einschlief,bis er etwa eine Stunde später wieder erwachte.


    In seinem Kopf war immer noch Watte und er brachte nicht auf die Reihe,was eigentlich vorgefallen war.Immer wieder schossen Gedankenfetzen durch sein Hirn und machten ihm Angst.Er hatte getanzt,warum wusste er allerdings nicht mehr.Dann der Auftritt in der PASt,er hatte keine Luft mehr gekriegt und musste husten.Gleich musste er jetzt auch husten und die Beatmungsmaschine pfiff nun laut,als er dagegenpresste.Er steigerte sich immer mehr in einen Hustenanfall hinein,warum nur kam da nichts aus seinem Mund? Die Luft jagte stossweise aus seinem Hals und inzwischen war vor Aufregung auch sein Blutdruck in die Höhe geschossen.Ein Gesicht beugte sich über ihn und versuchte ihm etwas Beruhigendes zu sagen,aber die Gesichtszüge der fremden Frau verschwammen zu einer Fratze.Hilfe,die wollten ihn töten.Mit immer mehr Panik im Blick kämpfte er gegen die Fesseln und versuchte abzuhauen.Sein Blutdruck schoss dermassen in die Höhe,das man das Arterenol sofort ausschaltete.Nun kam noch ein Mann dazu,der sich über ihn beugte,ja,jetzt sah er es genau,das war ein Teufel! Auch der wollte ihm ans Leder,die Worte,die an ihn gerichtet wurden und die ganzen schrillen Alarme,steigerten sich in seinem Hirn zu einm irren Crescendo,alles pfiff,kreischte,war laut und er hatte nur noch eines-heillose Angst.


    Irgendwann hört in dem ganzen Chaos eine bekannte Stimme. „Ben,mach die Augen auf,du bist in Sicherheit!“ sagte jemand.Wer war das nur gleich? Doch,jetzt erkannte er die Stimme wieder,die immer wieder dasselbe wiederholte.Das war Semir,sein Freund und Partner.Wenn der da war,war es in Ordnung,der würde auf ihn aufpassen und ihn vor den Teufeln beschützen.Immer wieder sagte der: „Mach die Augen auf!“- die hatte Ben nämlich fest zusammengekniffen.Irgendwann schaffte er es,die Aufforderung in Tat umzusetzen und vorsichtig öffnete er ein Auge einen kleinen Spalt.Ausser einem bekannten,freundlichen Gesicht direkt vor ihm war nun nichts mehr Besorgniserregendes zu entdecken und deshalb traute er sich nun,beide Augen ganz zu öffnen.Das helle Licht blendete ihn zwar,aber ein wenig war er schon beruhigt.Auch die schrillen Alarme aus den Geräten,die ihn so verrückt gemacht hatten,waren verstummt.Man hatte in Windeseile die Beatmungseinstellungen wieder verändert und die Monitoralarme am Bett auf lautlos geschaltet.
    Semir,der voller Besorgnis Bens Panikattacke mitangesehen hatte,hatte die Schwester gebeten,ihm aus dem Bett zu helfen.Seine ganzen Gerätschaften hatte er mitgebracht und so sass er jetzt in einem bequemen Stuhl neben Bens Bett und versuchte seinen Freund zu beruhigen.Dessen Gesichtsausdruck entspannte sich jetzt ein wenig und als Semir seine gefesselte Hand nahm und die begann zu streicheln,konzentrierte er sich ganz auf die Berührung und nach einer Weile fielen ihm einfach wieder die Augen zu und er schlief erschöpft ein.
    Semir liess sich nach einer Weile wieder in sein Bett zurückhelfen.Inzwischen war auch ihm klargeworden,was für ein harter Weg noch vor ihnen beiden lag.Er seufzte auf und versuchte bis zur Besuchszeit noch ein wenig auszuruhen.

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