Alte Wunden heilen nicht

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    Der Hauptkommissar, von dem Markus wusste, dass es sich um Bens Partner handelte, drückte ihn immer noch mit voller Wucht gegen seinen Wagen. Die ganze Zeit zierte ein dreckiges Grinsen sein Gesicht, als dieser Gerkhan den Aufenthaltsort seines Partners wissen wollte. Gerkhans Worte kamen nur wie durch Watte an sein Ohr. Dieser Kommissar war so außer sich, dass es für ihn eine köstlich frohlockende Befriedigung war zu wissen, dass Gerkhan nur noch Bens Leiche finden würde. Um nichts in der Welt hätte er den Aufenthaltsort verraten. Auch wenn er gefasst worden war, seine Rache war vollkommen und nichts und niemand würde ihm diese nehmen. Markus trat in seine eigene fantastische Welt, in der er die Befriedigung von seinen Ermordungen verspürte. Seine Augen wurden ganz glasig und verträumt und Siedner reagierte nur noch passiv auf die Menschen um ihn herum. Er sah, wie sich Gerkhans Lippen bewegten und wie dieser ihn völlig aufgebracht anfunkelte. Doch die Worte traten nur gedämpft in sein Ohr.
    „WO ist Ben?! Sagen sie Schon!“ Ihm wurde gegen die Schulter gestoßen und abrupt aus seinem eigenen Reich katapultiert. Wütend zogen sich seine Augenbrauchen zusammen und er starrte den Hauptkommissar mitten ins Gesicht. Konnte man ihn nicht einfach mal in Ruhe lassen? Seine kalten grauen Augen trafen die Braunen Gerkhans. „Wo ist Ben? Sag schon!“, zischte der Deutschtürke bedrohlich und hielt Siedner fester am Kragen. Mittlerweile verzichtete Gerkhan auf die Höflichkeitsformen, er wollte auf der Stelle wissen, was der Mann mit Ben angestellt hatte. Siedner lachte auf. „Sie können machen was sie wollen. Ich werden ihnen nicht weiterhelfen! Ben hat bekommen, was er verdient hat, genauso wie die anderen Schlampen! Für ihn ist es bald vorbei…und sie können nichts daran ändern! Er ist ein dreckiger Verräter und wird jämmerlich krepieren!“, fauchte Siedner zurück mit einem Lächeln auf den Lippen.
    Als Semir das hörte, wurde er ganz weiß im Gesicht. Was hatte dieser Kerl bloß mit ihm gemacht? Er ließ den Mann los. „Los, bloß weg mit ihm“, sagte er tonlos zu den beiden Polizisten, die Siedner an den Armen festhielten. Diese nickten und führten Siedner mit einem verachtenden Blick zu einem Streifenwagen. Semir sah ihnen nach und zuckte zusammen, als die Worte ‚Für ihn ist es bald vorbei‘ durch seinen Kopf hallten. Das bedeutete doch, dass Ben noch am Leben sein musste! Die Frage war nur, für wie lange noch? Dem Hauptkommissar wurde bewusst, dass es jetzt um jede Sekunde ging, dass an jeder einzelnen Sekunde Bens Leben hängen könnte. Als er sich umdrehte, schaute er Frau Krüger direkt ins Gesicht. Sofort wurde den Beiden klar, dass sie denselben Gedankengang gehabt haben mussten. Mit schnellen gezielten Schritten ging Semir auf die Dienststellenleiterin zu. „Chefin, Ben lebt noch! Wir müssen ihn so schnell wie möglich finden!“, sagte der Hauptkommissar mit entschlossener Stimme. Frau Krüger nickte zustimmend. „Warten sie“, erwiderte sie und lief auf dem silbernen BMW zu, um nur kurz danach den Arm zur Funkstation auszustrecken. Plötzlich drehten die zwei Helikopter, die die ganze Zeit über ihren Köpfen gekreist hatten, ab und flogen in zwei unterschiedliche Richtungen. Nur einen Moment später stand Kim wieder vor ihren Hauptkommissar. „Kommt einmal alle zusammen!“, trommelte sie das ganze Team zusammen, „. Wir haben schon gesucht, aber noch nicht gründlich genug. Es geht um das Leben einer unserer Kollegen! Wir können nicht nur mit Autos weitermachen! Da Siedner aus dieser Ecke gekommen ist, können wir daraus schließen, dass Jäger im nördlichen Teil des Waldgebiets irgendwo festgehalten wird. Diesen Teil durchsucht bereits eine Hundestaffel. Trotzdem müssen wir uns alle an der Suche beteiligen, denn wie wir grade erfahren haben, befindet sich Jäger höchstwahrscheinlich in einer lebensgefährlichen Situation! Also los, die Zeit drängt! Finden wie unseren Kollegen!“ Als Frau Krüger ihre Ansage beendet hatte, nickten alle Beamten. Augenblicklich herrschte hektisches Treiben. Der Großteil des Teams stieg zurück in die Streifenwagen und fuhr auf dem Waldweg die Strecke ab, aus der der Gesuchte gekommen war, um dann am besagten Punkt auszusteigen und sich zusammen mit der Hundestaffel an der Suche des Kollegen zu beteiligten. Man musste zu Fuß weiter machen. Nur mit dem Wagen, ohne das Dickicht abzulaufen, würde in dieser Situation nichts bezwecken. Jeder Mann wurde gebraucht, denn alleine das nördliche Gebiet war fast so groß wie das Südliche. Noch dazu drängte die Zeit und man wusste nicht, wie viel Ben noch blieb. Mit einer großen Zahl an Polizisten und zwei Helikoptern wurde das Waldstück kontinuierlich abgesucht. Der Rest des Teams, das nur aus vier Polizisten, Semir und Frau Krüger bestand, fuhr, abgesehen von den beiden Autobahnpolizeimitgliedern, mit Siedner davon, um diesen fürs erste in U-Haft zu bringen. Der kleine Deutschtürke sah diesem Monster hasserfüllt nach. Na warte, wenn ich meinen Partner wegen dir nicht lebend wieder sehe, wird das hier für dich die Hölle auf Erden!, schwor Semir sich insgeheim. Aber daran wollte er eigentlich gar nicht denken. Ben lebte. Nur an das durfte er festhalten. Doch plötzlich wurde er je aus seinem Gedankengang gerissen, als ihn eine Hand an der Schulter berührte. Blitzschnell drehte Semir sich um. Natürlich war es Frau Krüger. „Gerkhan, wollen sie hier noch ewig rumstehen oder ist es nicht an der Zeit, dass wir ihren Partner finden!“, fuhr sie ihn forsch an. Frau Krüger hatte ihre Worte in dieser Weise absichtlich gewählt, denn sie wusste, dass sich ihr Kommissar durch sie schleunigst in Bewegung setzten würde. Trotzdem war der Chefin der hasserfüllte Blick, den Semir Siedner hinterher geworfen hatte, nicht entgangen. Doch jetzt gab es etwas anderes zu tun. Ihr Hauptkommissar musste gerettet werden. Und das stand momentan über allen anderen Dingen. Und Frau Krügers Worte bezweckten das, was sie beabsichtigte hatte. Semir setzte sich in seinen BMG und startete den Motor, kurz bevor Frau Krüger die Beifahrertür geschlossen hatte. Der Wagen heulte auf und Semir gab Gas und brauste den anderen Polizeiwagen hinterher. Semir stoppte neben den anderen Einsatzwagen und die Dienststellenleiterin und ihr Hauptkommissar schlossen sich der Suche an. Noch waren sie am Anfang und unglücklicherweise wusste sie nicht, dass sich das Regenauffangbecken ganz am Ende befand.


    ...

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    „HILFE! Kann mich jemand hören? Ich brauche Hilfe!“, rief Ben zum gefühlten tausendsten Mal aus voller Kehle. Doch wieder mal, so befürchtete er, hatte ihn niemand gehört. Ein weiteres Mal schüttelte er sein Bein, doch die Kette saß einfach bombenfest. Frustriert stöhnte er auf. Das Wasser stieg und stieg und wollte nicht aufhören. Noch immer konnte Ben die Motorengeräusche der Hubschrauber hören, aber immer wenn er nach oben sah, konnte der junge Kommissar durch die dicken Stangen und das Geäst keine Helikopter oder etwas ähnliches über sich rumfliegen sehen. Er war doch hier! Warum kamen die nicht mal hier her? Oder vielleicht gehörten diese Hubschrauber auch gar nicht zur Polizei und sie waren hier für was vollkommen anderes? Diese Fragen schossen Ben binnen Sekunden durch den Kopf. Nein, das konnte nicht sein! Wenn seine Kollegen nicht nach ihm suchen würden, dann wären die Helikopter doch sicherlich schon abgedreht. Ben klammerte sich an diesem Gedanken, der sein einziger Hoffnungsschimmer war, an dem er festhielt, damit er nicht ins Wasser fiel. Mittlerweile ging ihm das Wasser schon bis zur Brust, sodass der Polizist die Arme heben musste, um an einem höher liegendem Riss Halt zu finden. Das fiel ihm nicht leicht, schmerzvoll verzog sich sein Gesicht, als er seine Schulter schraffen musste. Die Schnittwunde und die aufgeplatzte Schussverletzung brannten höllisch, als sich sein ganzer Körper streckte. Ben spürte das Blut an seinen Schultern, scheinbar bluteten die Verletzungen immer noch. Doch das sollte jetzt Bens kleinstes Problem sein. Das Wasser war schon wieder gestiegen und berührte ihn unter den Achseln. Panisch sah er an sich herunter, lange würde es nicht mehr dauern, und das Wasser würde ihm bis zum Hals stehen. Tapfer bis er die Zähne zusammen, als er seine Finger noch weiter in die Ritze presste. Seine Arme begannen unter dieser schmerzvollen Position zu zittern, aber nicht nur diese Stellung machte Ben zu schaffen. Es war auch die Kälte, die seinen Körper nach und nach durchzog. Aber auch wenn dieses eisige Wasser mehr als unangenehm war, richtete Ben seine Augen erneut nach oben und blickte durch die Stangen gen Himmel. Tränen der Angst suchten sich ihren Weg über die blauen Wangen. „HALLO, ich bin hier! Holt mich hier raus! Ich brauche dringend Hilfe! Kann mich jemand hören?“


    Währenddessen hatte die noch übrig gebliebene Belegschaft, die noch auf dem Revier geblieben war, samt Hartmut und Susanne gespannt den Funkverkehr verfolgt. Alle hatten aufgeatmet als Markus Siedner endlich gefasst werden konnte. Doch die Enttäuschung war umso größer, als sie über Funk erfuhren, dass Sieder Ben nicht bei sich gehabt hatte und dieser Kerl auch nicht verraten wollte, wo er ihren Kollegen festhielt. Allen war klar, dass jetzt im Moment eine riesen Suche nach Ben im vollem Gang war. Unter anderen Umständen, wäre es ein Fortschritt gewesen, da Sieder gefasst wurde und bereits auf den Weg zur JVA Ossendorf war, aber als sie dann mitbekamen, dass Ben höchstwahrscheinlich in einer lebensgefährlichen Situation steckte, konnten besonders Hartmut und Susanne nicht mehr still sitzen. „Hartmut, wir müssen doch irgendwas machen können! Die suchen jetzt zwar mit vielen Männern nach ihm, aber was ist wenn sie zu spät kommen?“, sagte Susanne verzweifelt, und heftete ihre Augen auf Hartmuts angespanntes Gesicht. Oh, Gott! Wenn Ben etwas passiert…dachte sie und überlegte fieberhaft, was sie unternehmen konnten. Hochkonzentriert sah Hartmut auf den Bildschirm, auf dem immer noch das große Waldgebiet in der Nähe von Elpenau angezeigt wurde. Mit einer Hand fuhr er sich über das Gesicht, als sich in ihm plötzlich ein Gedanke regte. „Susanne“, machte er die Dienststellensekretärin aufmerksam und zeigte mit dem Finger auf das südliche Waldgebiet, „diesen Teil können wir ja ausschließen, also bitte vergrößre mal das nördlich Stück!“ Die Blondine tat wie ihr geheißen, und zoomte heran. „Und jetzt?“, fragte Susanne aufgeregt und etwas neugierig. Hartmut sah sie an. „Wir haben schon alle möglichen Wohngebäude, industriellen Anlagen oder Ähnliches überprüft. Aber was ist mit den Städtischen? In jedem Wald ist doch eine Pumpstation von der örtlichen Feuerwehr oder sogar mehrere!“, erklärte Hartmut seine Idee und fuhr sich mit der Hand durch den roten Haarschopf. Die Sekretärin sah ihn etwas enttäuscht an. „Das hab ich leider alles schon überprüft“, sie drückte ein paar Knöpfe und zwei rote Punkte tauchten auf dem großem Bildschirm auf. Einer lag im südlichem Bereich und der andere am Anfang des Nördlichen. Bestimmt zeigte Susanne mit dem Finger auf den mehr nördlich liegenden Punkt. „Diesen müssten Semir und die anderen schon durchsucht haben und der da kommt ja gar nicht erst in Frage. Siedner kann Ben da unmöglich festgehalten haben“, erklärte sie bedauernd und schüttelte den Kopf, während Hartmut die Punkte für einen weiteren Moment musterte. Ein Verdacht beschlich ihn, der seine Sekunden brauchte um richtig auszureifen. Doch auf einmal sprühten die Augen des Kriminaltechnikers nur so vor Aufregung. „Susanne und was ist wenn es vielleicht eine Nebenstation oder so etwas ähnliches gibt, die gar nicht mehr richtig gewartet wird oder einfach in Vergessenheit geraten ist?“, rief Hartmut und zeigte wie Susanne auf den Bildschirm. „Was wenn von dieser Station hier“, er deutete auf die Pumpstation im nördlich liegendem Gebiet, „ein Rohr verläuft, das zum Beispiel Wasser leitet. Ich kenn mich damit nicht so sehr aus, aber es gibt doch in den meisten Wäldern diese Regenauffangbecken, die Wasser sammeln, das dann bei einem Waldbrand genutzt werden kann. Schau mal nach ob es bei dieser Station so ein Becken gibt!“ Gespannt hatte die Blondine zugehört, und Hartmut hatte Recht. So was gab es wirklich und genau an das hatte niemand bis jetzt gedacht. Susanne tippte etwas in den Computer hinein und schon erhielt sie die Information, die die Beiden benötigten. Blitzschnell drehte sie sich auf ihrem Bürostuhl zu dem KTUler um. „Hartmut, du lagst richtig! Im Gegensatz zu der im südlichen Teil, hat diese wirklich kein Regenauffangbecken. Es gibt eine entferntere Nebenstation, wie du gesagt hast, und diese besitz ein Becken! Jedoch wurde diese seit gut zwei Jahren nicht mehr gewartet und stand deswegen nicht mehr im System, da sich dieses immer automatisch aktualisiert. Scheinbar ist sie einfach vergessen worden…“, berichtete sie und fügte hinzu, „und die befindet sich hier!“ Es wurde erneut auf ein Knöpfchen gedrückt und ein roter Punkt erschien am Ende vom nördlichen Waldgebiet. Auf Hartmuts Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, das jedoch sofort wieder verflog. „Wir müssen sofort Semir und der Krüger Bescheid sagen!“ Gesagt, getan. Schon war Susannes Arm zum Telefon gewandert.


    ...

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    Semir stiefelte durch das dicke Geäst. Diese paar Minuten kamen ihm jedoch schon wie eine halbe Ewigkeit vor. Es juckte ihn zwischen den Finger. Hier war weit und breit nichts zu finden. Überall waren nur Bäume, Bäume, Bäume und noch mehr Bäume. Vor nur weniger als einer Minute hatten sie die Pumpstation der örtlichen Feuerwehr Köln zurückgelassen, in der er gehoffte hatte, Ben vorzufinden. Jedoch waren die Hunde nicht auf den Geruch seines Partners angesprungen und als die Tür aufgestemmt wurde, waren auch nur riesige Ventile und Schaltmodule zum Vorschein gekommen. Kein Ben. Semir hatte deprimiert aufgeatmet. Wo war Ben bloß? Ob er überhaupt noch am Leben war? Siedner meinte, Ben hätte nur noch wenig Zeit. Ob es schon zu spät war? Der Hauptkommissar schüttelte den Kopf und vertrieb den Gedanken so schnell wie er gekommen war. Das hat doch keinen Sinn!, dachte er. Hier in einem Gebüsch wird Siedner seinen Partner wohl kaum versteckt haben! Ungeduldig lief er erneut auf den Wald weg, wo die ganzen Polizeiwagen abgestellt worden waren. Semir wollte grade einen anderen Weg einschlagen, als sein Handy in seiner Hosentasche klingelte. Kurz sah er auf das Display und drückte sich das Smartphone dann ans Ohr. „Susanne, hast du was Neues herausgefunden?“, fragte er augenblicklich nach. Am anderen Ende hörte er es kurz knacken bis Susannes aufgeregte Stimme ertönte. „Semir, wir wissen vielleicht wo Ben ist! Hartmut hatte die zündende Idee!“ Das Herz des Hauptkommissars machte einen Satz. „Ein gibt eine weitere stillgelegte Pumpstation mit einem Regenauffangbecken. Das haben wir übersehen! Es wurde schon lange nicht mehr überprüft und war deswegen im System nicht gemeldet“, erklärte Susanne schnell. Semirs Herzfrequenz beschleunigte sich. „Wo Susanne…wo ist diese Station? Führe mich hin!“, rief Semir ins Telefon und setzte sich in ein leeres Polizeiauto. „Ich hab dein Handy auf dem Schirm! Du musst den ganzen Waldweg runter fahren!“, sagte die Dienststellensekretärin an, während Semir den Motor startete und den Waldweg hinunterraste. Sein Handy hatte er auf laut geschaltet und auf den Beifahrersitz geworfen. Gut einen Kilometer fuhr der Hauptkommissar auf dem haprigen Weg gen Norden. „Halt an!“, erklang plötzlich Susannes Stimme. „Du musst jetzt zu Fuß weiter. Links von dir müsste jetzt ein kleiner Durchgang sein?“ Semir bejahte, der Trampelweg war gut zu erkennen und Gerkhan hatte den Eindruck, dass hier erst vor kurzem jemand langgerannt sein muss. Die Motorengeräusche von einem der Helikopter kamen näher und Semir fiel ein, das Susanne Bens neuen möglichen Aufenthaltsort auch an diese weitergegeben haben musste. Kurz lächelte er. Die hübsche Frau dachte er an alles, woran er in dem Stress zum Beispiel nicht gedacht hätte. Falls er Ben gleich finden würde, könnte die Beamtem im Heli schnell Verstärkung holen. Geschwind stieg Semir aus dem zivilen Mercedes und drückte sich erneut das Handy ans Ohr. „Du müsstest jetzt einfach geradeaus gehen, dann würdest du direkt zu dem Häuschen kommen“, Susanne strich sich nervös durch ihr blondes Haar, sie hoffte, dass sie ihren Freund richtig dirigiert hatte. „Danke Susanne, ich melde mich wieder!“, antwortete Semir und beendete das Gespräch. Sein Bauchgefühl riet ihm, sich besser zu beeilen. Die Zeit lief! Im selben Moment hoffte Hartmut, dass er mir seiner Vermutung nicht falsch lag.


    Schnell rannte Semir den Pfand lang bis er nach einer Minute an einem kleinem Häuschen ankam, dass ziemlich verwachsen aussah. Es wirkte sehr heruntergekommen. Der Hauptkommissar sah sofort, dass es schon lange nicht mehr überprüft worden war. Seine Augen wanderten zu der Tür, sie war beschädigt und es sah so aus, als wäre sie aufgebrochen worden. Vorsichtig setzte Semir einen Schritt auf das Häuschen zu, als er plötzlich ein Geräusch hörte. Es war ein leises Rauschen, das hinter der Station, wie Semir feststellte immer lauter wurde. Im schnellen Gang folgte der kleine Deutschtürke dem Geräusch. Nur nach ein paar Schritten, wurde dem Hauptkommissar schlagartig bewusst, dass es sich um Wasser handeln musste, das unter seinen Füßen durch die Erde floss. Nach weiteren Metern mischten sich plötzlich andere Laute unter das fließende Geräusch. Semir hörte ganz deutlich jemandem rufen. „Hilfe! Kann mich jemand hören? Ich bin hier!“ Diese Stimme würde Semir zwischen tausenden von Menschen heraushören. Ben!, schoss es Semir durch den Kopf und seine Beine bewegten sich wie von allein. In einer unglaublichen Geschwindigkeit flitzte Semir den Pfad entlang und kam auf einer Lichtung, die nicht so sehr von Ästen verhangen war, heraus. Abrupt blieb der kleine Beamte stehen, als sich ein riesiges Betonbecken vor ihm ausbreitete, von dem schon mehr als die Hälfte mit Wasser gefüllt war. Auf dem Becken lag ein riesiges Gitter, dass die Tiere anscheinend daran hindern sollte in das Becken hinein zufallen. Durch ein Rohr floss eine kupferfarbene Brühe in das Auffangbecken und genau auf der überliegenden Seite erkannte Semir die Person, um die er sich solche Sorgen gemacht hatte und die im Moment krampfhaft versucht Halt an der verwachsenen Betonwand zu bekommen. Es war Ben. Erleichterung packte Semir, er war nicht zu spät gekommen. Endlich hatte er seinen Partner gefunden, und wie es aussieht lebte dieser noch. „BEN!“, rief Semir und rannte um das Becken herum, zu der Seite an der sich Ben festhielt.


    ...

  • So Leute! Macht euch gefasst! Viel Spaß:)



    Als Ben plötzlich jemanden seinen Namen rufen hörte, zuckte er erschrocken zusammen. In den letzten Minuten hatte er versucht seine Kräfte zu mobilisieren, um sich so gut wie möglich an dem Riss in der Betonwand festzuhalten, da es langsam einfach zu anstrengend und schmerzhaft für den jungen Mann war. Aber Ben hatte gewusst, was dann eintreten würde. Und das wollte er auf gar keinen Fall. Und jetzt sagte jemand ganz plötzlich seinen Namen, worauf er vorhin die ganze Zeit gewartet hatte und nun einfach nicht mehr mit gerechnet hätte. Der Polizist hob den Kopf und sah einen Meter über sich Semir stehen, der ihn erschrocken anstarrte. „Semir…bin ich froh…dich zu sehen!“, krächzte Ben schwach und wagte sich nicht zu bewegen, weil er Angst hatte endgültig abzurutschen. „Oh mein Gott“, stieß Semir hervor, als er seinen Partner so zugerichtet in dem Becken vorfand. Ben hatte zahlreiche Strammen, Blut und Dreck im einem schmerzverzerrtem Gesicht, dass es Semir im Herzen weh tan, ihn so zu sehen. Der junge Hauptkommissar sah seinen Partner weiterhin aus fiebrigen Augen an. Das Wasser sprudelte währenddessen munter weiter in das Betonbecken und reichte Ben schon bis zu Hals. Es schwappte um den Kopf des Beamten, sodass sich Ben verschluckte und stark husten musste. Semir erkannte die Lage sofort und sah sich hektisch um. „Wir müssen dich da irgendwie rauskriegen! Und zwar schleunigst!“, schrie er fast und entdeckte die flachliegende Eisentür des Gitters. Mit großen Schritten spurtete er zu dieser hinüber und zerrte so sehr er konnte an ihr. Doch die Tür wackelte einzig und alleine ein bisschen hin und her und knirschte etwas. Semir sah das große Schloss und die dicke Kette. Er alleine würde hier nichts ausrichten können. Dennoch zog er seine Waffe und gab zwei Schüsse ab. Nichts geschah. Die dicke Kette und das Schloss hatten zwar ein paar Dellen, aber ansonsten waren sie fast unversehrt. „Semir, die kriegst…du nicht auf! Markus wollte…dass ich hier…ertrinke!“, kam es leise vom anderen Beckenrand, während Semir ein weiteres Mal an der Kette rüttelte, die sich aber immer noch nicht löste. In Windeseile griff er zu seinem Handy und wählte die Nummer von Frau Krüger. Nach dem ersten Tuten ging sie sofort ran. „Gerkhan! Wir wissen schon Bescheid, der Heli hat uns informiert! Wir sind gleich da…wie geht es Jäger?“, man hörte an Frau Krügers Stimme, dass auch sie nervös war. „Ben, steckt ganz schön in der Klemme! Das Schwein hat ihn in dieses Regenauffangbecken gesteckt und jetzt kann ich ihn nicht rausholen und das Wasser steht ihm schon bis zum Hals“, erklärt Semir schnell die momentane Sachlage, als er Ben plötzlich nach Luft schnappen hörte. Geschockt sah der kleine Deutschtürke, dass sein bester Freund schon fast mit dem Kopf unter Wasser war. „Frau Krüger, wir brauchen hier sofort einen großen Seitenschneider!“, schrie er ins Telefon und spurtete zurück an die andere Seite. „Ben schwimm!“, rief Semir besorgt durch das Gitter, als er sah dass der Kopf seines Partners kaum noch über Wasser war. „Ich…ich kann…nicht…mein Bein….ich häng an einer Kette fest“, hustete Ben und zog sich mit seiner letzten Kraft an der Kante, in der seine Hände steckten, noch ein kleines Stück nach oben. Dieses kranke Schwein!, dachte Semir und musste verzweifelt mit ansehen, wie sein Partner immer mehr von der braunen Brühe hustete und fast keine Luft mehr bekam. Schließlich versuchte der Hauptkommissar seinen Arm durch die dicken Stäbe zu strecken. Und tatsächlich, es gelang, der Arm passte wirklich hindurch. „Partner, nimm meine Hand! Los!“, schrie der kleine Deutschtürke panisch, als Bens Kopf vollkommen untergetaucht war. „BEN! BEN!“, schrie Semir, „LOS, nimm meine Hand!“ Der junge Mann zappelte im Wasser krampfhaft hin und her und versuchte verzweifelt an die Wasseroberfläche zu gelangen. Semir versuchte nach Ben zu greifen, doch er konnte ihn nicht erreichen.
    So langsam wurde dem jungen Hauptkommissar schummrig, dennoch pochte das Adrenalin durch Bens Adern und verlieh ihm die Kraft sich vom Boden zu lösen. Leicht stieß er sich ab und kam schwer atmend an die Oberfläche. Seine Arme brausten durch das Wasser und er versuchte fieberhaft an irgendetwas Halt zu finden. „Partner! Nimm meine Hand!“, hörte er Semir angsterfüllt rufen. Nach Luft ringend und mit einer Menge Adrenalin in den Adern riss Ben die Augen wieder auf und versuchte seinen verletzten Arm nach Semirs Hand auszustrecken. Der kleine Deutschtürke packte sofort zu und streckte auch noch seinen andern Arm ins Becken hinein um Ben besser halten zu können. Mit pochendem Herzen ergriff Semir auch noch Ben andere Hand, sodass er mit dem Bauch auf den breiten Stangen lag. „Ben halt dich gut fest!“, rief er Ben zu, der vollkommen erschöpft zu ihm hochsah. Der kleine Deutschtürke konnte seinen Freund kaum merklich nicken sehen und erst jetzt zum ersten Mal bemerkte er die tiefe Schnittwunde an Bens Schulter, die sich fast den ganzen Oberarm hinab zog. Purpurnes Blut suppte aus der tiefen Wunde und unterstrich im erhobenen Maße Bens kalkweiße Haut. Auch aus der ehemaligen Schussverletzung, die sich immer noch immer Wasser befand, floss das Blut in Strömen ins Wasser. Die Nässe beschleunigte das Austreten des Blutes aus Bens Wunden, sodass die Brühe um den Verletzten von braun zu dunkelrot wechselte. Semir merkte dass Ben immer schlaffer wurde und ihm drohte aus den Händen zu rutschen. „Partner! Hörst du, nicht schlapp machen! Gleich sind die Kollegen da und dann holen wir sich da raus! Hörst du? Ben!“, versicherte der kleine Beamte seinem Freund, der sich große Mühe geben musste, um seinem Partner überhaupt ordentlich anzusehen. „Danke…Semir“, krächzte Ben leise und sah seinen besten Freund tief die Augen, „ich hab gewusst…dass du…kommst.“ Langsam traten Semir die Tränen in die Augen. Mittlerweile war die Brühe schon wieder so hoch gestiegen, dass es erneut Bens Hals erreicht hatte. Es fehlte circa nur noch einen halben Meter, bis das ganze Becken vollkommen gefüllt war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt würde das Wasser das Gitter erreichen und komplett über die Ränder des Beckens schwappen wie eine Teller Suppe, dem zu viel aufgetan wurde. „Semir…ich hab…Angst!“, flüsterte Ben und Semir konnte Todesangst in den braunen Augen seines besten Freundes erkennen. „Ben…du brauchst keine Angst haben! Ich bin doch bei dir! Wir holen dich gleich raus!“ Langsam bekam es der Hauptkommissar mit der Angst zu tun. Wenn die Kollegen nicht gleich kommen würden, würde Ben vor seinen Augen ertrinken. Genauso wie Siedner es gewollt hätte. Erneut erwachten dieser starke Hass und diese mörderische Wut auf Siedner in Semir. Warum musste dieses Monster so etwas dermaßen Schreckliches seinem Partner antun, obwohl Ben kaum was damit zu tun hatte? Die Antwort lag auf der Hand, Markus Siedner war geistesgestört. Kein Mensch mit halbwegs rationalem Denkvermögen und einem Ausmaß an moralischen Grundsätzen, würde einem anderen Lebewesen nie im Leben so etwas Grausames antun können! Aber Semir beschloss seinen Hass hinten anzustellen und sich um seinen Partner zu kümmern, bei dem das tückische Nass wieder fast bis zum Mund reichte, und das mit geschreckten Hals. „Du musst höher Kumpel. Achung!“, warnte er Ben vor, denn Semir konnte sich gut vorstellen, welche Schmerzen sein Freund grade erdulden muss. Zwar war es auch für ihn anstrengend Ben die ganze Zeit an den Armen zu halten und auf dem Gitter zu liegen, aber das war dem kleinen Deutschtürken im Moment egaler als egal. Vorbereitend straffte Semir seine Schulter und wollte ziehen, doch es ging nicht. Augenblicklich schrie Ben schmerzgepeinigt, als sich sein ganzer Körper samt seinen Verletzungen spannte und noch mehr verkrampfte. „Oh Gott! Tut mir leid!“, stieß Semir hervor und verstand nicht, warum er Ben die letzte Ellenlänge bis zum Gitter nicht mehr hoch ziehen konnte. Bei dem Schrei wäre dem Hauptkommissar fast das Herz herausgesprungen. „Die Kette…“, nuschelte Ben, der schon wieder Wasser in seine Lungen bekam und heftig husten musste. Doch diesmal kam er nicht weiter nach oben, die Kette, die fest an seinem Fuß befestigt war, hatte ihr volle Länge erreicht und war total gespannt. Semir verstand sofort, was er meinte. „WO bleiben denn die Kollegen?!“, schrie er nun vollkommen außer sich, die pure Angst um seinem Partner stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er merkte, wie Bens Hände langsam an Kraft verloren. „Bein bleib hier! BEN!“, heiße Tränen liefen Semir über die Wangen. „Danke…Semir…du“ waren die letzten Worte des jungen Mannes bevor sein Kopf komplett vom Wasser umhüllt wurde. „BEEEEEEN!!!“, schrie Semir aus vollen Leibeskräften, als in dem Moment die Kollegen mit Frau Krüger an der Spitze und einem großen Seitenschneider anrückten. „Oh mein Gott!“, stieß Frau Krüger hervor, als sie die Szene erblickte. Sofort sah sie die flache Eisentür, aus der bereits das Wasser überschwappte. „Schneiden sie sofort die Tür auf!“, brüllte Semir vom anderen Becken herüber. Die Kollegen reagierten sofort und setzten das große Werkzeug an das massive Schloss an. Sie drückten die große Mettallschneideschere so kräftig, wie sie konnten, zusammen, bis es schließlich klack machte und das Schloss aufsprang. Mittlerweile quoll das Wasser an allen Seiten über und benässte Semirs Klamotten, mit denen er immer noch auf dem dicken Gitter lag und die reglose Hände seines bewusstlosen Freundes in den Seinen hielt. Als Kim die Tür aufhob, sprang Semir auf und raste auf die beiden Polizisten mit dem Seitenschneider zu. Er riss ihnen diesen aus der Hand und vollführte einen Hechtsprung durch die offene Flachtür ins Becken hinein.


    ...

  • Semir kämpfte sich immer näher an die Kette, die fest um Bens Bein geschlungen war, heran. In dem Wasser versuchte er die Augen offen zu lassen, damit er besser sehen konnte. Doch die dreckige Brühe brannte in seinen Augen und ließ ihn nicht fiel erkennen. Dennoch hielt der kleine Deutschtürke die Augen tapfer offen und fand glücklicherweise, schneller als er gedacht hätte, die Kette. Sein Herz klopfte in seiner Brust vor Aufregung um die Wette. Semir spürte, dass er sich beeilen musste, denn langsam wurde ihm die Luft ebenfalls knapp. Er zog sich an der Kette nach oben und erfühlte den Stahl um Bens linkes Bein. Seine Augen öffneten sich erneut und Semir konnte schemenhaft sehen, wo er den Metallschneider ansetzten musste. Das schaffte er bereits nach wenigen Sekunden und drückte schließlich mit seiner ganzen Kraft zu. Die viel dünnere Kette zerbrach sofort und Semir merkte wie Bens Körper an die Oberfläche wanderte. Sofort packte er seinen bewusstlosen Freund unter den Armen und schwamm zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. Der Seitenschneider sank auf den verwachsenen Betonboden. Er strampelte stärker mit den Beinen, als zu Anfang, denn so langsam schrien auch seine Lungen nach Sauerstoffe. Als Semir dachte, dass sie an dem Ausgang des Betonbeckens angekommen waren, schwamm er mit Ben in den Armen gen Oberfläche. Er hoffte, dass er sich mit der Entfernung des einzigen Ausgangs nicht verschätzt hätte, denn sonst würden sie mit den Köpfen an die harten Eisenstangen des Gitters stoßen. Binnen Sekunden durchdrang Semir die Wasseroberfläche und stellte erleichtert fest, dass er den Weg genau richtig eingeschätzt hatte, als auch gleich viele starke Arme nach ihn und Ben griffen. Schnell wurden sie Beide von den Kollegen und Sanitätern aus dem Becken gezogen. Als ersten holte Semir tief Luft und füllte seine Lungen mit ausreichend Sauerstoff. Er saß an dem Beckenrand und rieb sich kurz das dreckige stinkende Wasser aus den Augen, damit er wieder klar sehen konnte. Als er wieder halbwegs gucken konnte, sah er seinen besten Freund kalkweiß und total reglos am Boden liegen. Augenblicklich arbeitete sein Verstand wieder auf Hochtouren. „Ben! Ben!“, wiederholte er den Namen seines Partners, in der Hoffnung Ben würde aufwachen. Der Hauptkommissar entriss sich den Händen, die ihn festzuhalten versuchten und krabbelte zu dem Kopf seines Freundes. Ängstlich beugte er sich über Ben, der vollkommen still da lag. Tränen traten dem Hauptkommissar in die Augen, vorsichtig nahm er das Gesicht des jungen Mannes des jungen Mannes in beide Hände und gab leicht Klapse auf die Wange. Doch weder flatterten Bens Augenlieder, noch fing er an sich zu regen oder gab sonstige Lebenszeichen von sich. Sein Freund fühlte sich eiskalt. Semir bemerkte gar nicht, dass sich der Notarzt und seine Sanitäter sich um ihn und Ben versammelt hatten. „Ben! Ben, bitte wach auf!“, flehte Semir, die Tränen flossen in Rinnsalen über die Wangen des kleinen Mannes. Liebevoll strich er seinem Partner die nassen Haare aus der Stirn und schluchzte erneut auf. Semir stand so unter Schock, dass er sich nicht mal wehrte, als er mit sanfter Gewalt von Ben entfernt wurde. Der kleine Beamte wurde in eine beruhigende Umarmung gezogen. Kurz sah er nach oben und er kannte Dieter, der ebenfalls einen traurigen Ausdruck im Gesicht hatte, aber beruhigend auf den Hauptkommissar einredete. Auch bei Frau Krüger glänzten die Augen verräterisch und sie hielt sich schluchzend die Hand vor den Mund, während bei Jenni große runde Tränen aus den grünen Augen kullerten.


    Da das Wasser immer mehr stieg, weil die Ventile immer noch nicht geschlossen werden konnten und Ben sich eiskalt anfühlte, wurde dieser blitzschnell auf eine Trage gehievt, die nur kurz nach ausgeklappt wurde. Sofort machte sich das Ärzteteam an die Arbeit. Mit einem glatten Schnitt wurde Bens weißes klitschnasses Unterhemd von dem Körper gelöst. Einer der beiden Sanitäter trocknete noch schnell die Brust des Patienten ab, bevor die EKG Elektroden auf dem Oberkörper befestigt wurden. Auf dem Herzmonitor konnte man Bens unregelmäßigen Herzschlag in Form einer unförmigen Linie erkennen. Schnell legte der Notarzt einen Zugang, um Bens Kreislauf zu stabilisieren und spritze noch etwas gegen die Schmerzen. Der Pulsoximeter wurde dem Patienten an den Finger gesteckt, als sich das Ärzteteam auch schon den äußerlichen Verletzungen zu wand. Die Schnittwunden an Arm und Bein bluteten nach wie vor, genauso wie die aufgeplatzte Schussverletzung. Schnell wurden die nötigen Kompressen und Druckverbände an den blutenden Stellen angelegt, damit Ben nicht noch mehr Blut verlor. Der Arzt warf einen Blick auf den Herzmonitor. „Er stabilisiert sich, aber der hohe Blutverlust könnte noch Schwierigkeiten machen“, erklärte er, „wir sollten so schnell wie möglich los!“ Die Sanitäter nickten und überprüften ein weiteres Mal die Verbände. „Er muss im Krankenhaus gründlich durchgesteckt werden!“, sagte der Arzt und warf einen Blick auf Bens Körpertemperatur, die viel zu niedrig war. Der Sanitäter erkannte den Blick seines Chefs und breitete eine Decke über den zitternden Körper aus.
    Semir, der bei Dieter gestanden hatte und sich wieder etwas beruhigt hatte, trat näher an den Arzt heran. „Wird er es schaffen?“, fragte der Hauptkommissar den Notarzt und warf einen besorgten Blick auf seinen blassen Freund. Der Mediziner drehte sich und sah einen völlig durchnässten und fröstelnden Semir. „Das kommt darauf an wie hoch den Blutverlust ist und wie sich das auf den Kreislauf auswirkt. Seine Atmung und seine Herzfrequenz sind fürs erste stabil. Aber ihr Freund könnte kollabieren, deswegen müssen wir jetzt los!“, erklärte er und fügte noch hinzu, „sie kommen besser mit und lassen sich ebenfalls mal durchchecken. Sie sind vollkommen durchnässt!“ Semir nickte, so konnte er bei Ben sein, was mit ihm war spielte im Moment keine Rolle. Außerdem fühlte sich der kleine Deutschtürke ganz ok, abgesehen von der Kälte die seinen Körper durchzog. Jedoch bemerkte der Mediziner das unterdrückte des Kommissars und gab seinem Angestellten ein Zeichen, der sofort eine zweite Decke hervorzog und diese Semir reichte. Dieser nahm sie dankend entgegen und warf sie sich um die Schulter. Alle sahen zu wie Ben transportfähig gemacht wurde, als sich auch schon die Trage zusammen mit dem Team in Bewegung setzte. Semir sah Frau Krüger an, die erleichtert aufgeatmet hatte, als sie hörte, das Jäger halbwegs stabil war. „Na siehst du“, flüsterte Jenni dem kleinen Beamten ins Ohr, „Ben packte das immer!“ Und nun entspannte sich Semir auch etwas, er lief dem Ärzteteam schnell hinterher und ergriff Bens kalte Hand. „Es wird alles wieder gut Kumpel!“, murmelte Semir mehr zu sich selbst, er war im Moment einfach nur glücklich, dass es nicht zu schlecht um Ben stand. Der junge Polizist wurde in den Krankenwagen verfrachtet und Semir nahm neben Bens Kopf Platz und hielt die ganze Zeit dessen eisige Hand. Es wird alles wieder gut werden, dachte Semir als sie in die Kölner Uniklinik einfuhren.


    Dort musste er sich jedoch für erste von seinem Freund verabschieden, der in den Behandlungsraum geschoben wurde. Semir sah Ben hinterher, bis sich die Türen schlossen und Semir selber kurz durchgecheckt wurde. Sein Freund war noch immer nicht bei Bewusstsein gewesen und das beunruhigte Semir doch schon sehr. Bei ihm war aber alles in Ordnung und er bekam nur einen trockenen Jogginganzug. Als sich der Hauptkommissar nach seinem Freund erkundigen wollte, wurde er jedoch in den Wartebereich geschickt, wo er auf sein ganzes Team traf. Jenni kam gleich auf ihn zu. „Und weißt du schon was?“, wollte die junge Polizistin sofort wissen. Resigniert schüttelte Semir den Kopf. „Nein leider nicht…ich weiß auch nicht wie es grad um ihn steht“, sagte der kleine Deutschtürke traurig und lief den Kopf hängen. In dem Moment herrschte plötzlich ein riesiger Aufruhr in dem Behandlungszimmer, in dem Ben vor einer halben Stunde verschwunden war. Mehrere Schwestern stürmten über den Flur in den für Semir und seine Freunde unzugänglichen Raum, wo Ben sich befand. Alle wussten, dass etwas nicht in Ordnung und in Semir breitete sich ein noch schlechteres Gefühl in der Magengegend aus, als er ohnehin schon hatte. Zurück blieben die Freunde von Ben, die entsetzt die Tür anstarrten, in der die Krankenschwestern verschwunden waren.

  • Hey Leute, ich bin wieder da! Und im Gegensatz zu Ben war ich wirklich in Kanada Kanu paddeln :D
    Ach ja wegen den ärztlichen Aspekten, da hatte ich etwas recherchiert und mir das dann irgendwie zusammen gemauert...ich hoffe das geht in Ordnung, aber Susan ist ja da und passt auf :D



    Als Ben in den Behandlungsraum eingeliefert wurde, herrschte hektischen, aber koordiniertes Treiben um ihn herum. Die Sanitäter hatten den bewusstlosen Polizisten auf den Untersuchungstisch umgelagert. Zwar zügig, aber vorsichtig. Der frisch desinfizierte behandelnde Arzt hatte sich noch schnell mit dem Notarzt über die bereits diagnostizierten Verletzungen ausgetauscht. Ben wurde komplett durchgecheckt. Der Blutverlust war erheblich und die zwei Schnittwunden waren tief. Auch die aufgeplatzte Schussverletzung mussten schleunigst behandelt werden. Sorgen bereitete den beiden Medizinern die Verletzung am Kehlkopf. Um Bens Hals waren große, bereits lila und grün verfärbten Würgemale zu erkennen, die für eine äußere Gewalteinwirkung sprachen. Noch dazu kam, dass die Sauerstoffsättigung noch zwar im Normbereich war, am immer mal wieder bedrohlich absank und an der untersten akzeptablen Grenze kratzte. Der bereitschaftshabende Arzt entschied sich erst die äußeren und inneren Verletzungen zu behandeln, um dann nach abgeschlossener OP sofort ein CT durchführen zu können. Da Ben schon länger nicht mehr bei Bewusstsein war, musste überprüft werden, ob sein Gehirn irgendeinen Schaden von dem langen Unterwasserbleiben davon getragen hatte. Doch nun hieß es die Verletzungen zu versorgen und den starken Blutverlust auszugleichen, um eine eventuelle Gefährdung eines Kreislaufzusammenbruchs auszuräumen. Gerade als Ben für die OP vorbereitet und intubiert werden sollte, sprang das EKG plötzlich um.
    Eine schnelle wellenförmige Linie zeichnete sich auf dem Monitor ab. Augenblicklich reagierte das ganze anwesende Krankenhauspersonal. „Kammerflimmern!“, rief eine Krankenschwester, als die beiden Ärzte auch schon „Defibrillator vorbereiten!“ wie aus einem Mund riefen. In Windeseile wurden zwei Pads auf den Oberkörper des jungen Mannes geklebt. Die Päddels des Defibrillators hatte der Bereitschaftsarzt schon in der Hand. Eine Sekunde später strömte der erste Stromstoß durch den Körper des Polizisten. „Keine Änderung!“, teilte die Schwester mit einem Blick auf das EKG dem Arzt mit. „Weg vom Tisch!“, rief dieser und setzte gleich ein weiteres Mal an, wodurch sich Bens Körper wieder aufbäumte. Beide Ärzte starrten den Monitor an, es gab keine Änderung. Unbewusst schüttelte die große Krankenschwester den Kopf, doch der Mediziner Mitte fünfzig ließ sich nicht beirren. „Wieder weg vom Tisch, Stromstoß jetzt!“, hallte seine Stimme durch den Raum und er setzte ein drittes Mal an. Und tatsächlich- nachdem sich der Oberkörper des Hauptkommissars erneut aufgebäumt hatte, erschien auf dem Herzmonitor ein langsamer Rhythmus. Bens Herz begann glücklicherweise kontrolliert zu schlagen und pendelte sich nach und nach wieder ein. Alle Beteiligten atmeten erleichtert auf, den jungen Mann nicht verloren zu haben. Eine beleibte Schwester, die neben dem Notfallwagen stand, nahm schleunigst den Ambubeutel zur Hand und legte ihn nach Überschrecken des Hals auf Bens Gesicht, um diesen zu beatmen. Als sich sein Herzschlag nun fast gänzlich beruhigt hatte, griff der Arzt zum Tubus und dem nötigen Besteck, um seinen Patienten für die OP zu intubieren.


    Währenddessen war Semir vollkommen in Sorge um seinen Partner vor den Türen, durch die die Schwestern verschwunden waren, wie ein eingesperrter Tiger umhergelaufen. Alle hatten gesehen, wie das Klinikpersonal in den Behandlungsraum, in dem Ben sich befand, gestürmt war. Verzweifelt fuhr sich Semir durch die kurzen Haare. „Das kann doch nichts Gutes heißen! Warum kommt denn niemand raus?!“, schrie der kleine Beamte ängstlich. Semir blieb stehen und sah in die besorgten Augenpaare seines Teams. Vorsichtig machte Dieter einen Schritt auf seinen Freund zu. Beruhigend strich er Semir über den Arm, der mit Augen voller Sorge und Angst auf ihn blickte. „Semir, Ben ist ein Kämpfer! Er wird das packen, das hab ich im Gefühl“, meinte der hochgewachsene Polizist einfühlsam und bugsierte Semir, der wieder damit begonnen hatte planlos umher zu tigern, zurück in den Wartebereich und drückte ihn sanft auf einen Stuhl. Niedergeschlagen ließ sich der kleine Hauptkommissar auf diesem nieder und vergrub das Gesicht in den Händen. Die angestaute Müdigkeit von drei anstrengenden nervenaufreibenden Tagen mit nur wenig Schlaf prasselte in dem Moment auf Semir hinab. Er war so ausgelaugt und müde, Semir hätte in einer ganz anderen Situation am liebsten einfach nur geschlafen. Aber er konnte nicht, die Angst um Ben raubte ihm den letzten Nerv und nur Jenni, die sich neben ihn gesetzt hatte und ihre zierliche Hand auf seine Schulter gelegt hatte, hielt den kleinen Beamten davon ab, sofort wieder aufzuspringen und wie wahnsinnig gegen diese dumme Tür zu trommeln, die sie alle von Ben trennte. Leise stöhnte Semir auf, kleine Tränen glitzerten in seinen Augenwinkeln.
    Niemand konnte es ertragen den sonst so starken Hauptkommissar so am Boden zu sehen. Doch noch viel stärker quälte die Ungewissheit das Team. Nicht zu wissen, wie es Jäger ging, oder ob er schon…Nein! Daran wollte niemand denken, denn allein der schlichte Gedanke daran war einfach unerträglich. Die drei Autobahnpolizisten betrachteten Semir traurig, der sich die vereinzelten Tränen heimlich aus den Augen wischte. Plötzlich hörte man das Klacken von Schuhen auf dem Flur, wodurch sich sofort alle Köpfe in Richtung des Geräuschs richteten. Andrea kam mit eiligen Schritten auf die Gruppe zu. Sofort sah sie wie niedergeschlagen ihn Mann war. An den betroffenen Gesichtern der Anderen konnte sie erkennen, dass es nicht gut um Ben stehen musste. Augenblicklich ging sie auf Semir zu und zog ihn in eine liebevolle Umarmung und strich ihrem Liebsten sanft über den Rücken. „Wie geht es Ben?“, flüsterte sie ihm zart ins Ohr. „Ich…weiß es nicht“, kam es von Semir stockend und schluchzend an ihrer Schulter, als sich seine Frau langsam von ihm löste, um ihn anzusehen. Zärtlich wischte sie eine fließende Träne mit dem Daumen von seiner Wange. „Zwei Schwestern sind in den Raum gestürzt“, Semir deutete auf die Doppeltür, die für ihn und seine Freunde verschlossen blieb, „ganz plötzlich, als gäbe es einen Notfall und bis jetzt ist noch niemand rausgekommen und hat irgendetwas über Ben gesagt!“ Geschockt hatte Andrea die Luft eingezogen. Als Kim sie kurz angerufen und ihr berichtet hatte, dass sie Ben gefunden hatten und Sieder festgenommen werden konnte, war ihr Gedanke gewesen den jungen Mann hier anzutreffen. Doch das war nur positives Denken und ihre optimistische Art gewesen, das wurde Andrea schlagartig bewusst. Die Angst, die Sorge, samt Ungewissheit, walzten sich auf ihr nieder und ließen auch ihre Miene verdüstern. Aber sie musste jetzt stark sein- für ihren Ehemann. Genauso wie damals, das noch gar nicht so lange her war, als Ben angeschossen wurde. Er wurde von diesem Schein niedergeschossen…und nun wussten sie nicht einmal, wie es um ihren Freund, den besten Freund ihres Mannes, stand. Wut kochte in Andrea auf, unbewusst ballte sie die Fäuste. „Woher wusstest du, dass wir Ben gefunden hatten?“, fragte Semir leise und holte seine Ehefrau somit aus den Gedanken. Schnell verscheuchte die zweifache Mutter diesen Mistkerl aus ihrem Kopf, als sie schon zu Frau Krüger rüber nickte, die leicht lächelte. Semir erwiderte dieses. Das Zusammenhaltsgefühl durchflutete ihn in dieser Sekunde, allen ging es so wie ihm- die Ungewissheit zerfraß sie alle.


    ...

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    „Ich glaube ich geh mal eine Runde Kaffee holen…der würde uns allen ganz gut tun“, mit diesen Worten setzte sich die junge Polizistin in Bewegung, auf den Weg zum Kaffeeautomaten. Denn es stand außer Frage, das ganze Team war völlig übermüdet- außer Andrea vielleicht, die aber sicherlich vor Sorge und durch die quengelnden Fragen der Kinder auch nicht gut geschlafen hatte- und brauchte einen Aufputsch. Der kleine Hauptkommissar sah seiner Kollegin dankbar nach, als sich plötzlich die Tür vom Behandlungsraum öffnete und sich auch sofort wieder schloss. Augenblicklich schnellten alle Köpfe herum. Heraus trat ein Mann in Weiß und einer gestressten Miene. Dieser kam mit gezielten Schritten auf die Gruppe zu. Jenni, die das Erscheinen des Mediziners noch mitbekommen hatte, war schnell zurück zu ihren Freunden gestratzt. Alle machten einen Schritt auf den Arzt zu, als der nun endlich mit Falten auf der Stirn vor der Truppe stand. Es war nicht der Notarzt, der Ben im Wald für den Anfang versorgt hatte. Wahrscheinlich der Bereitschaftsarzt, mutmaßte Semir und sah den Mediziner erwartungsvoll an. „Wie geht es Ben?“, rutschte es dem kleinen Deutschtürken sofort heraus. Er musste jetzt einfach wissen, wie es seinem besten Freund ging, sonst drehte Semir noch durch. Der Bereitschaftsarzt strich sich seine bereits etwas ergrauten Haare zurück und dachte für einen Moment an die Defibrillation. Er sah den kleinen Mann vor sich. Wie er es hasste diese Frage zu stellen, aber leider war es nun mal die Vorschrift, an die man sich halten musste. „Guten Tag, ich bin Dr. Saarstedt. Ich habe Herrn Jäger behandelt“, stellte er sich zunächst vor. Einen kleinen Moment wartete er mit der Frage ab. „Sind sie die Familie von Herrn Jäger oder mit ihm verwandt?“ Auch Semir hasste diese Frage. Hoffentlich verwehrte dieser Arzt ihnen nicht, sich nach Ben zu erkundigen. Schluckend sah er seinem Gegenüber ins Gesicht , der den ganzen Schmerz, die ganze Angst und die vielen Sogen um die geliebte Person, die vor wenigen Minuten noch zwischen Leben und Tod geschwebte hatte, in dem Blick des Deutschtürken erkennen konnte. „Ich bin Hauptkommissar Semir Gerkhan von der Kripoautobahn…und das sind meine Kollegen“, begann Semir gefasst und stellte sich und die Anderen nun auch vor, schließlich kannte der Mann sie gar nicht. „Mein Dienstpartner ist da drin“, er zeigt mit dem Finger wage in die Richtung des Behandlungsraums, „Ben…Herr Jäger hat nicht sehr viel Kontakt zu seiner Familie, wie sind seine Familie…auch wenn wir nicht mit ihm verwandt sind. Ich bitte sie, wir müssen wissen, wie es ihm geht!“ Fast schon flehend sah Semir Dr. Saarstedt an. Dieser musste einen Augenblick überlegen. Es war ein Verstoß, ganz klar, man musste mit Patienten verwandt sein. Doch dann blickte er in diese ganzen traurigen Augen, die ihn alle bittend ansahen. Der Arzt schwankte mit seiner Entscheidung. In dem Moment öffnete sich erneut die Tür der Notaufnahme und der Notarzt, den Semir kannte, kam mit einem Sani heraus. Offenbar erkannte der sofort in welcher zwiespältigen Situation sich sein Kollege befand.
    „Ah Herr Gerkhan“, find dieser an und stellte sich neben seinen Medizinerfreund, „er hat Herrn Jäger aus dem Wasser gezogen und durch sein schnelles Handeln vorm Ertrinken gerettet.“ Der Notarzt erzählte vorige Situation an den Bereitschaftsarzt gewandt, der eine immer mehr entschlossene Miene bekam. Dieser Gerkhan und seine Kollegen sind von der Polizei, er hat meinen Patienten vorm Ertrinken gerettet, sie sehen alle so mitgenommen und besorgt aus…,überlegte Dr. Saarstedt ein paar Sekunden. Er kam schließlich zu dem Schluss, dass er das verantworten konnte. „Ich denke das geht in Ordnung!“, verkündete der Mann Mitte Fünfzig mit einem Lächeln auf den Lippen, als er sah, wie sich das Gesicht des kleinen Kommissars sofort aufhellte. Zufrieden lächelte der Notarzt, gab seinem Kollegen und Gerkhan noch schnell die Hand, nickte den anderen Polizisten zu und wanderte mit seinem Sanitäter den Flur hinunter. Semir sah dem Mann für einen Augenblick kurz nach. Ohne ihn würden er und seine Freunde vielleicht keine Auskunft über Bens Befinden erhalten. Jedoch räusperte sich der Bereitschaftsarzt einmal kurz, sodass sich wieder alle Augen auf ihn richteten, als sein Kollege verschwunden war. Der Hauptkommissar sah ihn abwartend an.


    „Nun gut, ihr Kollege wurde grade für den OP fertig gemacht. Die zwei tiefen Schnittwunden an Arm und Oberschenkel müssen, genauso wie die aufgeplatzte Schussverletzung an der Schulter, genäht werden. Aufgrund starker äußerlicher Gewalteinwirkung erlitt Herr Jäger eine schwere Kehlkopfquetschung. Die Folgen waren Ödeme in den Kehlkopfweichteilen, sowie leichte Blutungen und damit eine verminderte Sauerstoffzufuhr. Es bestand die Gefahr einer Blutung in die offenen Atemwege…mussten deswegen sofort operieren.“ Als er geendet hatte, sah er in total schockierte Gesichter, die seinen Blick ängstlich erwiderten. Saarstedt haderte einen Moment damit, ob den Freunden seines Patienten noch mehr zumuten konnte und von der Defibrillation erzählen sollte. Der kritische Zustand, in dem der junge Mann vor wenigen Minuten geschwebt hatte, sollte besonders Gerkhan nicht verschwiegen werden, das hatte der Mediziner im Gefühl. „Herr Jäger hatte wegen den großen Schnittwunden ebenso eine erhebliche Menge an Blut verloren, sodass der Kreislauf unstabil wurde und das Herz nicht mehr kontrolliert schlug. Es kam zu Kammerflimmern. Wie mussten ihn defibrillieren…konnten ihn aber zurückholen“, etwas nervös endete Saarstedt den Gesundheitsvortag über Ben, er konnte sehen, dass jeder krampfhaft die Luft angehalten hatte. Die Gesichter waren zu geschockten und teils verzweifelten Ausdrücken versteinert.


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    Semir fühlte sich nach dem Gesagten des Arztes einfach nur schrecklich. Er hätte vor Freunde, dass Ben noch lebte, Luftsprünge vollführen können, aber als der kleine Hauptkommissar hörte, wie schlecht es seinem Partner ging, bildeten sich schon wieder Tränen in seinen Augenwinkeln. Verstohlen wischte er diese fort. „Wird es Ben schaffen?“, flüsterte Semir leise und ballte bei seiner Frage die Hände angespannt zu Fäusten. Dr. Saarstedt sah ihn wieder direkt an und legte den Kopf leicht schräg. „Er ist noch nicht über dem Berg, aber seine Chancen stehen gut…Herr Jäger ist jung und war von meinem Standpunkt her, vorher kerngesund. Mein Kollege sagte, sie hätten ihn aus dem Wasser gezogen?“ Sofort nickte Semir. „Wissen sie, wie lange ihr Partner unter Wasser war? Er war, als er stabil war und bevor er intubiert wurde, die ganze Zeit ohne Bewusstsein…“, erklärte der Mediziner und sah den Kriminalhauptkommissaren an. Ein scharfer Stich verspürte Semir in seinem Herzen, seine Beine wurden zittrig wie Wackelpudding. Dieter bemerkte dies sofort und stellte sich, wie Andrea, stützend neben seinen Freund. Die schrecklichen Bilder, wie Ben krampfhaft versucht hatte Luft zu holen, wie sein Partner ihm noch etwas sagen wollte, als das Wasser Bens Kopf vollkommen umspült hatte, spielten sich vor Semirs innerem Auge ab und erwachten zum Leben. Sein Herzschlag beschleunigte sich vor Aufregung, als im Geiste dem kleinen Beamten das Bild, wo er Ben mit beiden Händen festgehalten und sein bester Freund ihn mit Todesangst in den Augen angesehen hatte, seine vollen Flügel entfaltete. In den Händen verspürte Semir den immer schwächer werdenden Handdruck seines Partners. Merklich begann der Hauptkommissar zu zittern.
    Dr. Saarstedt musterte den plötzlich blass gewordenen Polizisten besorgt. „Herr Gerkhan, geht es ihnen gut?“, fragte er mit lauter Stimme und fasste seinem Gegenüber leicht an der Schulter. „Schatz?“, flüsterte Andrea alarmiert. Mit der Berührung des Arztes schreckte Semir aus den schrecklichen Geschehnissen auf. Etwas verwirrt sah er kurz um sich, bis ihm einfiel, dass er gar nicht auf die Frage des Docs geantwortet hatte. Tief holte er Luft und überlegte einen Moment. Kurz nachdem Ben unter Wasser gewesen war, wurde das Schloss der Gittertür von den Kollegen aufgeschnitten und Semir war ins Becken gesprungen um seinen Freund dort rauszuholen. Einzig konnte der kleine Deutschtürke schätzen. Aber er wusste, dass jede Minute für schlimme Folgen bei seinem Partner sorgen konnte. Schnell versuchte Semir die aufkommenden Bilder abzuschütteln. Alle starrten ihn an und warteten auf seine Antwort. Semir konnte Andreas besorgten Blick auf sich spüren. Nur einen Augenblick später hatte er sich wieder gefasst. „Ich kann es nicht genau sagen…zwei Minuten oder etwas länger…ich…ich konnte ihn nicht so schnell rausziehen, sein Fuß war an einer Kette“, zögernd kamen die Worte aus Semirs Mund, im selben Moment spürte er eine beruhigende Handbewegung, als Andrea ihm sanft über den Rücken strich. Währenddessen hatten Dieter, Kim und Jenni ihrem Kollegen genau zu gehört. Sie wollten sich gar nicht ausdenken, was passieren könnte, wenn Ben länger unter Wasser gewesen wäre.
    Jenni hatte sich an ihrer Uniform festgekrallt und hoffte inständig, dass ihnen der Arzt nicht noch eine Hiobsbotschaft vermitteln würde. Wie lange konnte sie die Luft anhalten, bis ihr schummrig wurde? Etwas mehr als eine Minuten oder sogar weniger, dachte die Polizistin, und Ben war ja auch noch so zugerichtet gewesen mit seinem Hals…Wieder tauchte die Fratze dieses psychotischen Schweins vor ihrem inneren Auge auf. Vor Zorn zog sie die Augenbrauen zusammen- wenn Ben auch nur…Zusammen mit Semir und den anderen würden sie dafür sorgen, dass Siedner für den Rest seines Lebens in einer Gummizelle verschmorte, das schwor sich Jenni. Sie war so damit beschäftigt gewesen Markus Siedner in Gedanken zu verfluchen, dass die junge Frau erst nach ein paar Sekunden bemerkt hatte, dass der Bereitschaftsarzt wieder mit Sprechen begonnen hatte. Jedes Augenpaar funkelte voller hoffnungsvoller Erwartung, aber auch Angst…Angst und Furcht vor einer erneuten schlechten Nachricht. Die Miene Saarstedts war unergründlich.
    „Das wird sich zeigen. Wir werden nach der OP sofort ein CT veranlassen, um genau überprüfen zu können, ob das Gehirn Schaden genommen hat und ob es zu Blutungen gekommen ist. Das ist durchaus möglich so wie das Gesicht von Herrn Jäger zu gerichtet war. Wenn das der Fall ist, müssen wir sofort reagieren, sowas kann sehr gefährlich werden! Was die Folgen betreffen würde, wenn der Fall eintrifft, da müssen wir sein Erwachen abwarten…dann wissen wir es genau“, den letzten Satz sagte Saarstedt etwas leiser, sofort weitete sich alle Augenpaare ins Unermessliche. „BITTE WAS?!“, stieß Semir entsetzt hervor. „Wenn wirklich ein Schaden vorliegt, muss Herr Jäger therapiert werden, aber noch ist das CT noch nicht gemacht! Mein Kollege sagte zu mir, dass das Wasser ziemlich kalt war und wenn es zwei Minuten waren, dann hat Herr Jäger eine Chance das unbeschadet zu überstehen“, es war eine Prognose ins Positive, ermutigend lächelte er den Hauptkommissaren und seine Kollegen an. Semirs Herz hatte eine Hüpfer gemacht, als er das gehört hatte. „Und wie lange wird die OP ungefähr dauern?“, meldete sich nun auch wieder Andrea zu Wort, die den Doktor fragend ansah. Unschlüssig kratzte dieser sich am Kinn. „Ich schätze um die drei Stunden. Das hängt von der Schwere der Kehlkopfverletzung ab…aber ich darf ihnen versichern, Herr Jäger ist in guten Händen!“, erklärte Saarstedt und schaute auf die Uhr. Es war bereits viertelnach neun und Bens OP musste schon begonnen haben. „Ihr Kollege würde danach auf die Intensivstation verlegt werden, dort haben leider nur wenige Leute hin Zutritt“, fügte er hinzu, „sie sollten sich alle etwas hinlegen. Sie sehen sehr geschafft aus!“ Abwartend blickte Saarstedt jedem ins Gesicht und wartete auf Fragen. Als keine kamen, da alle damit beschäftigt waren die neuen Informationen einzuordnen und zu verarbeiten, verabschiedete er sich höflich und gab jedem die Hand. Mit einem ermutigenden Handschlag verkündete der Mediziner den Polizisten, dass sie nach der OP und dem CT sofort informiert werden würden. Semir, Andrea, Dieter, Jenni und Kim nickten dankbar für die in Kenntnissetzung und sahen den Bereitschaftsarzt den Flur hinunter gehen.
    Die eventuelle Folge, eine traumatische Dysphonie, die auftreten könnte, hatte Saarstedt nicht erwähnt. Soviel wollte er dem Hauptkommissar, der ein besonderes Band zu seinem Partner zu haben schien, nicht zu zumuten. Nun stand erst mal das die OP und das CT im Mittelpunkt, die Licht ins Dunkle bringen würden. Auch wenn der Arzt wusste, dass der Kriminalhauptkommissar, sowie seine Kollegen und Freunde, es bald erfahren würden. Doch man lobte den Morgen für gewöhnlich nicht vor dem Abend!
    ...

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    Die Gefühle fuhren in Semir Achterbahn. Dr. Saarstedt war weg. Alle standen um ihn herum und waren für einen Augenblick mit sich selber beschäftigt. Zwei Worte wirbelten in einem Fort durch seinen erschöpften Geist. Ben lebte…Ben lebte…immer wieder zogen sie ihre Kreise. Mit jedem Mal wurden sie verständlicher und waberten in Semirs Bewusstsein. Er konnte es nicht glauben! Sein Freund und Partner lebte! Eine unglaubliche Erleichterung machte sich in ihm breit, der Bereitschaftsarzt hatte es gesagt, das war der Beweis! Saarstedt sagte, dass Ben vielleicht wieder vollends gesund werden würde nach all dem, was der zweifach Mörder Sieder ihm angetan hatte.
    Doch ein Wort plagte Semir. Das kleine Wörtchen ‚vielleicht‘ bohrte sich in den kleinen Türken und beunruhigte ihn zu tiefst. ‚Wir mussten in defibrillieren‘ waren die Worte des Mediziners gewesen, ‚wenn er aufwacht‘. Was wäre, wenn Ben aufgrund des Sauerstoffmangels bleibende Schäden davon tragen würde? Dann wäre nichts, wie es vorher war. Zittrig plumpste Semir auf einen Wartestuhl, seine Beine hätten ihn vor lauter Erschöpfung nicht mehr getragen. Wenn das der Fall wäre und Ben nicht mehr gesund werden würde, wäre das dann seine Schuld? Hätte er schneller reagieren sollen? Schuldgefühle machten sich in Semir breit. Nein, an sowas durfte er jetzt nicht denken. Sein Partner würde es schaffen! Ben war ein Kämpfer, genau wie Dieter es gesagt hatte, und obendrein war Ben ein Sturkopf. Alles was zählte war, dass Ben am Leben war, das war die Hauptsache. Auch wenn es seinem besten Freund nicht gut ging und dessen Leben am seidenen Faden gehangen hatte, Ben lag in keinem Metallsarg und war auch nicht auf den Weg zur Gerichtsmedizin. Ein schwerer Seufzer kam über Semirs Lippen, jetzt wusste er zwar Bescheid, aber er fühlte sich auch nicht besser. Was im OP vor sich ging, bekamen sie alle ja nicht mit, und…und vielleicht in diesem Moment, kämpften die Chirurgen um Bens Leben. Es war ein halsbrecherischer gewagter Tanz am Abgrund, bei dem man nicht wusste, wie er enden würde. Semir rieb sich sachte über die Augen und schloss diese, vollkommen erschöpft. Das Bild wie sein Partner kalkweiß und reglos vor ihm lag, tanzte ihm im Kopf herum. Der kleine Hauptkommissar wollte nicht an dieses schreckliche Ereignis erinnert werden. Er kniff seine Augen fest zusammen, um zu hoffen den Bildern auf diese Art und Weise entkommen zu können. Plötzlich spürte Semir eine Hand auf seinem Knie. Diese zarte Hand erkannte er sofort. Sie war wie ein rettender Anker, der ihn aus seinem Sog voller grässlicher Erinnerung zog. „Semir…“, leise drang Andreas Stimme an sein Ohr, ruhig und gefühlvoll. Es dauerte nur ein paar Sekunden, da öffnete Semir seine Augen und blinzelte in das liebevolle Gesicht seiner Frau. „Liebling…komm wie fahren nach Hause. Eine Krankenschwester meinte eben zu mir, dass wir angerufen werden, wenn Ben aus dem OP kommt…du kannst hier nicht viel für ihn tun“, ihr Blicke begegneten sich, beide sahen den Schmerz des jeweils anderen. „Andrea, ich kann jetzt nicht gehen…Ben braucht mich!“, die Worte flossen aus seinem Mund, für Semir waren sie eine Selbstverständlichkeit. Auch wenn er sich müde und völlig erledigt fühlte, er konnte jetzt nicht einfach gehen! Schließlich ist mein Partner da drin, schoss es dem Kriminalhauptkommissar durch den Kopf. Augenblicklich verschränkten Frau Krüger und Dieter die Arme ineinander und schüttelten synchron den Kopf. Kim sah wie ihr Kommissar vor Müdigkeit fast aus den Latschen kippte. Auch merkte sie, wie die letzten Tage an ihren restlichen Kraftreserven zerrten. Die Tage forderten ihren Tribut. „Gerkhan…sie brauchen Schlaf. Wann haben sie das letzte Mal richtig geschlafen? Sie müssen sich ausruhen! Wenigsten für drei Stunden und mehr…so ausgelaugt können sie Jäger nicht helfen!“, Frau Krügers Worte waren direkt, aber sanft. Insgeheim wusste Semir, dass seine Chefin Recht hatte. Er war der, der von allen am wenigsten in den drei Tagen geschlafen hatte und das spürte der Kommissar nun um so sehr in seinen Knochen. Die Nacht bevor Ben und er zur Burg Arras gefahren waren, am Freitagmorgen, da war Semir das letzte Mal richtig ausgeruht gewesen. Nun war es ein herbstlicher Montagvormittag, Semir hatte sein Zeitgefühl verloren. Einzig allein seine Müdigkeit sagte ihm, dass er nicht mehr konnte. Jeden Moment könnten ihm die Augen zufallen. Und wenn Ben aus dem OP kam, wollte Semir voll und ganz für ihn da sein und nicht vor Erschöpfung einschlafen. „Aber wenn uns Bescheid gesagt wird, fahren wir schleunigst hier her!“, legte er bestimmt fest und fuhr sich über das müde Gesicht. Erleichtert atmete Andrea auf. Ihr Mann brauchte die Ruhe und sie war froh ihre Überzeugungskünste nicht mehr beanspruchen zu müssen. Für Ben würde man hier alles Mögliche in Gang setzten um ihm zu helfen, da war sie sich sicher. Unauffällig warf die zweifache Mutter einen Blick auf Kim, die ebenfalls ziemlich geschafft aussah, aber über die Entscheidung ihres Kommissars zufrieden nickte. „Komm Liebling wir fahren…Ben ist in guten Händen“, ermutigte Andrea ihren Ehemann und half ihm beim Aufstehen. Von Bonrath wurde Semir leicht an der Schulter gefasst und den Flur hinunter geführt. Als die Fünf an dem Hauptausgang ankamen, peilten sie zunächst Andreas gemütlichen kleinen Wagen an, in dem sich Semir seufzend auf dem Beifahrersitz niederließ. In seiner Verfassung hätte er unmöglich fahren können. Kurz dachte der kleine Beamte an seinen BMW, der von den Kollegen zurück zur Dienststelle gebracht worden müsste. Eine leichte Brise blies der Gruppe ins Gesicht.


    Nun war der Herbsttag im vollen Gange, das graue Licht ließ die korpulenten Wolken am Himmel fahl erscheinen, sodass der Tag genauso wie der vorige wirkte. Die Stimmung der Fünf spiegelte sich in dem Wetter wieder. Für die Menschen auf den Straßen ging jedoch der Alltag, samt Arbeit und Privatleben, weiter. Sie wussten nichts von den tragischen Ereignissen, die sich auf dem Klinikgelände und gar in der eigenen Umgebung abspielten, die Schicksalsschläge ihrer Mitmenschen blieben ihnen verschleiert. Sie bekamen davon schlicht nichts mit und lebten ihr Leben weiter. Das wäre eigentlich ganz einfach, wenn man nicht betroffen wäre, dachte sich Dieter traurig und begutachtete für einen Augenblick die große Klinik. Schluckend drehte er sich zu Jenni um, die seinem Blick gefolgt war und ebenfalls denselben Ausdruck im Gesicht hatte.
    „Ich werde nochmal kurz zum Revier fahren…noch ein paar letzte Sachen wegen Siedner regeln, bevor ich auch erst mal nach Hause fahre“, verkündete Frau Krüger und alle Köpfe ruckten schwungvoll zu ihr herum. Semir wollte grade den Mund öffnen um etwas zu sagen, da funkte Jenni ihm dazwischen. „Bonny und ich auch, wir müssen auch noch unbedingt Susanne und Hartmut Bescheid sagen! Gott, die Armen drehen bestimmt grade durch, die wissen ja nur dass wir Ben gefunden haben!“, kam es von der jungen Polizistin, worauf Dieter nur bestätigend nickte. Auch der Hauptkommissar nickte geschlagen, er wollte sich jetzt auch nicht mit Siedner befassen. Er wollte sich einfach ausruhen, um damit später voll und ganz für seinen Freund und Partner da zu sein. Kurz verabschiedeten sich die drei Autobahnpolizisten von Semir und Andrea, unter der Bedingung sich sofort zu melden, wenn sie etwas Neues über Bens Zustand erfuhren. Es dauerte nicht mehr lange, da startete Andrea den Motor und fuhr vom Parkplatz in Richtung ihres Familienhauses, während Semir besorgt aus dem Fenster schaute und seine Augenlider immer schwerer wurden.
    ...

  • Das Wasser kam immer mehr auf ihn zu. Es stieg höher und höher und wollte in seinem stetigen Fluss aus brauner Brühe nicht inne halten. Die Kälte machte sich in seinen Händen breit und biss ihm wie eine wildgewordene Schlage in die Haut. Augenblicklich fror Semir am ganzen Körper, er spürte wie sich die Rohre an seine Brust drückten. Doch er bekam es nur am Rande mit. Seine aufgerissenen Augen waren voll und ganz auf seinen Partner gerichtet, der bereits vollkommen unter Wasser war und Semir in den vorigen Sekunden das letzte Mal angesehen hatte, bevor er bewusstlos geworden war. Mit seiner ganzen Kraft umklammerte Semir Bens Handgelenke um diesen auf gar keinen Fall los zu lassen. Verzweifelt rief er nach Ben, wiederholte den Namen seines Partners ein duzendes Mal. Schrie ihn aus voller Kehle, doch Ben konnte ihn nicht mehr hören. „Ben…Ben…“ Der Kopf des jungen Mannes war vom Wasser umhüllt und seine Haare bewegten sich im Wasser geschmeidig hin und her. Ben…, Semir wusste nicht mehr ob er schrie oder dachte. Sein Blick wanderte panisch hin und her. Ihm gegenüber lag die verschlossene Eisentür, die er aus eigener Kraft nicht aufbekommen hatte. Er blieb mit den Augen am Trampelpfad, dem einzigen Zugang zur Lichtung, der nicht vom Gestrüpp zu gewuchert war, hängen. Warum kamen denn die Kollegen nicht?! Mit Adrenalin in den Adern schrie er um Hilfe, und hoffte inständig seine Kollegen würden in dem Moment auf die Lichtung kommen. Doch nichts geschah, die Sekunden kamen dem kleinen Deutschtürken wie Stunden vor. Warum kam keine Hilfe? Seine Klamotten wurden nass, das Wasser schwappte über das Becken. Semir spürte die kalten reglosen Hände seines Partners, der sich nicht mehr bewegte. „Ben…nein nicht!“, schrie Semir und Tränen flossen aus seinen Augen. Auf einmal ging ein heftiger Ruck durch seine im Wasser liegenden Arme, sodass Ben ihm beinahe aus den Händen rutschte. Erschrocken zog der Hauptkommissar die Luft ein, als auch schon ein zweiter Ruck Ben endgültig aus seinen Händen zog. Panisch sah Semir wie sein Partner auf den nicht sichtbaren Grund des Beckens gezogen wurde. „NEIN BEN!“, schrie Semir aus voller Kehle, er konnte von dem Körper nur noch ein paar Umrisse erkennen. „BEN, nein Ben!“ Völlig geschockt sah Semir wie sein Freund in dem Wasser verschwand und nicht mehr zu erkennen war. Vergeblich fischte der kleine Beamte mit dem Arm in der Brühe herum und versuchte Ben noch irgendwie erwischen zu können. Doch er traf auf nichts. Sein Arm rauschte im Wasser hin und her, doch kein Ben war zu spüren. Ben war weg, einfach so. „Ben, Ben!“ Der Name seines Partners wurde zu Semirs Mantra. Mit hektischen Bewegungen rührte er weiter in dem Becken herum, in der Hoffnung auf Ben zu stoßen. „Wo bist du?“, stieß Semir aus, immer mehr Tränen flossen ihm über die Wangen. „Oh nein bitte nicht!“ Der Hauptkommissar spürte nichts außer kaltem Wasser, dass seine Haut reizte. Panisch richtete er sich auf und rüttelte an den Stangen, die sich keinen Millimeter bewegten. Plötzlich nahm das Wasser unter Semir eine andere Farbe an. Aus rostig braun, wurde eine Art dunkelrot, in die sich das Wasser färbte und zwischen den Stäben hindurchquoll. „NEIN!“, weinte Semir und stürzte seine Arme erneut in das Becken. Er schrie ununterbrochen nach seinem Partner, als die Welt um ihn herum plötzlich verschwamm und ganz schwarz wurde.


    Semir schreckte hoch als er das heftige Rütteln an seiner Schulter verspürte. Verstört riss er seine Augen auf und blickte in das besorgte Gesicht seiner Frau. Andrea hatte ihren Mann schreien hören und war sofort zu ihm geeilt. Sie hatte grade etwas zu Essen gemacht, als sie die panischen Rufe aus dem Schlafzimmer vernahm. Mit großen Schritten war sie die Treppe hinauf ins Elternschlafzimmer gerannt und sah dort, wie sich Semir im Schlaf wild umher warf und seine Hände nach irgendwas zu greifen versuchten. Sofort war ihr klar, dass er ein einen Alptraum haben musste und Andrea konnte sich auch schon in der ersten Sekunde vorstellen, worum der handelte. Die Rufe nach Ben bestätigten sie nur in ihrer Vermutung. Schnell ging sie auf das Ehebett zu und legte ihre Hand auf Semirs Schulter. Sie ruckelte an ihr, bis die Augen ihres Mannes aufflogen. „Schatz ganz ruhig! Du hattest einen Alptraum!“, sagte sie sanft und zog ihn in eine Umarmung. Semir ließ diese sofort zu schmiegte sich an sie. Seine hektische Atmung beruhigte sich wieder und er tauchte in in die reale Welt ein. Leicht strich Andrea ihren Mann über den Rücken. „Es war so schrecklich! Ben ist vor meinen Augen im Becken verschwunden…ich wollte ihn noch packen, aber er war weg! Und dann verfärbte sich das Wasser rot!“, stieß Semir leise und drückte sein Kopf noch etwas doller an den Hals seiner Frau. Diese strich nun zärtlich mit der Hand über seinen Hinterkopf und wartete darauf, dass er sich vollends beruhigt hatte. „Semir, es ist alles gut! Ben lebt und er ist im Krankenhaus“, versicherte ihm Andrea, die sich langsam von ihm löste und ihrem Liebsten ins Gesicht sah. Mit einem Daumen wischte sie die restlichen Tränen fort, sanftmütig lächelte sie Semir an. „Ich wollte grade etwas kochen. Du solltest etwas essen…“, Semir nickte, er merkte auf einmal wie sein Magen knurrte, bis er plötzlich inne hielt. „Moment mal…Andrea wie lang hab ich geschlafen?“ Er sah neben sich auf den Wecker, der fast halb eins zeigte. Fast drei Stunden hatte er geschlafen, Semir fühlte sich nicht grade ausgeruht, aber wesentlich besser als vorher. Mit einer Tasse Kaffee und ein wenig Essen würde das fürs Erste reichen. „Und hat das Krankenhaus angerufen?“, fragte er dann, wobei er die Antwort eigentlich schon kannte, denn sonst hätte Andrea ihn natürlich geweckt. Sie schüttelte den Kopf. „Nein leider nicht“, sagte sie leise, „aber komm, ich mach dir etwas zu essen!“ Andrea stand wieder auf und ging hinunter in die Küche. Semir blieb noch einen Moment am Bett sitzen und überlegte. Warum hatte das Krankenhaus noch nicht angerufen? Ok, Dr. Saarstedt hatte gesagt, dass die OP schon drei Stunden beanspruchen könnte, und dann hatte er ja auch noch etwas von einem CT gesagt. Trotzdem wollte Semir wissen wie es Ben ging, es juckte ihn vor Ungeduld in den Fingern. Er hoffte so, dass alles gut ging.
    Schließlich stand er auf, zog sich seine Hose an und ging kurz ins Badezimmer, um sich dort etwas Wasser ins Gesicht zu spritzen. Mit schweren Schritten ging er hinunter in die Küche, wo eine tüchtige Andrea eine Pfanne abwusch und ein Teller Kartoffeln mit zwei Bratwürsten schon auf ihn warteten. Andrea lächelte ihn aufmunternd an, als er sich am Esstisch niederließ und sein Mittagessen zusammen mit einem Kaffee vertilgte. Semir musste sagen, dass ihn das Wasser im Mund zusammen lief. So eine einfache Mahlzeit schmeckte für ihn in dem Moment einfach herrlich. Als Semir fertig war, stellte er den Teller in die Geschirrspülmaschine und umarmte seine Frau von hinten. „Danke, dass du immer für mich da bist. Danke, dass du stark für mich bist, wenn ich es nicht bin!“, flüsterte er ihr liebevoll und zutiefst dankbar ins Ohr. Daraufhin drehte sich die zweifache Mutter um, beide sahen sich einfach nur tief in die Augen. Das was sie sich sagen wollten, vermittelten sich auch ohne Sprache. Eine Weile sahen sie sich in die Augen, den Toren zur Seele, und Andrea konnte viel Schmerz in denen ihres Mannes erkennen. Langsam zog sie ihn noch näher an sich ran und beide gaben sich einen zärtlichen Kuss. „Ich liebe dich!“, sagte Semir leise und voller Überzeugung. „Ich dich auch mein Schatz!“, sie drückte ihren Kopf auf seine Brust und schmiegte sich in die Umarmung, „und ich sage dir, Ben wir das schaffen! Das weiß ich!“ Für ein paar Sekunden schloss Semir seine Augen und gab sich diesen Worten hin. Er hoffte so sehr auf sie.
    Als Andrea nach ein paar Minuten einen Blick auf die Uhr warf, die an der Wand hing, löste sie sich ganz langsam aus der gemeinsamen Zweisamkeit. „Ich muss jetzt die Kinder abholen“, sagte sie leise und wollte in den Flur gehen, um sich ihre Jacke überzustreifen. Andrea hatte sie schon in der Hand, als plötzlich das Telefon neben ihr auf der Kommode zu klingeln begann. Sofort griff sie nach dem Hörer, aus den Augenwinkeln konnte Andrea erkennen, wie Semir zu ihr hechtete. „Gerkhan“, ihr Stimme wirkte angespannt. „Hier ist Schwester Ulrike von der Uniklinik Köln.“ Andrea hörte die Krankenschwester am anderen Ende der Leitung. Semir hatte sich bereits neben sie gestellt und starrte mit großen Augen auf das Telefon. Andreas Herz begann vor Aufregung schneller zu schlagen. Was würde man ihr gleich mitteilen?
    ...

  • Oh Leute, es tut mir leid, dass ich nicht geschrieben habe, aber übermorgen fängt wieder Schule an *schief*....Doch morgen ist Showdown mit mehreren Teilen :D



    „Mir wurde mitgeteilt, dass ich sie informieren soll“, begann Schwester Ulrike, sie konnte die angespannte Stille am Ende der Leitung sehr wohl wahrnehmen. Lange wollte sie diese armen Angehörigen nicht mehr auf die Folter spannen. „Herr Jäger ist eben aus dem OP gekommen. Es ist alles glatt gelaufen, aber im Moment wird bei ihm noch ein CT durchgeführt.“ Auf der anderen Seite des Telefons konnte sie die Personen erleichtert aufatmen hören. Dennoch fuhr sie fort. „Die Ergebnisse stehen noch nicht aus, werden aber auch bald vorliegen!“, erklärte sie und wartete auf eine Antwort. Ein Rascheln und Jauchzer, aus denen man die Erleichterung hinaushören konnte, drangen durch den Hörer. Es dauerte ein paar Sekunden bis die Stimme eines Mannes meldete. „Ich komme sofort!“, kam sofort von diesem, als es in der Leitung schon Knack machte und das Gespräch beendet war.


    „Andrea, Ben hat´s geschafft!“, rief Semir voller Freude und wirbelte seine Frau herum. „Siehst du, ich hab´s dir doch gesagt!“, ihre Augen sprühten vor Erleichterung, lächelnd legte sie ihre Arme um Semirs Hals, der sie wieder auf den Boden setzte. Sein Gesicht strahlte, Ben hatte die OP gut überstanden und nun endlich konnte der Hauptkommissar zu ihm. „Bei ihm wird grad das CT gemacht“, fügte Andrea zögerlich hinzu, als auch schon ein Schatten über das Gesicht ihres Mannes flog. „Aber mach die keine Sorgen, es wird alles wieder gut!“, versicherte sie ihm ein weiteres Mal. Aber Semirs Herz schlug immer noch schneller vor Aufregung. Mag sein, dass das CT noch nicht gemacht war, aber sein Partner hatte die OP heile durchstanden und Semir fühlte förmlich, wie es ihn zur Klinik zog. Es war so, als hätte die zweifache Mutter seine Gedanken gelesen. „Schatz, nimm den Wagen…ich hole die Kinder zu Fuß ab und komme dann so schnell wie möglich nach!“ Ihre Worte waren klar und bestimmt. Nur zu gerne würde sie mit ins Krankenhaus kommen, aber die Kinder warteten bereits auf ihre Mutter. Semir nickte. In Windeseile hatte er sich seine Jacke übergestülpt und sich seine Schuhe angezogen. Der Hauptkommissar wurde in seinen Bewegungen immer hektischer. Als er alles hatte, gab er seiner Frau einen schnellen Kuss zum Abschied. „Ruf an, wenn du mehr weißt!“, erinnerte Andrea ihn und strich ihm dabei über die Schulter. „Ich werde auf dem Revier anrufen, damit die da nicht ganz im Dunklen sitzen!“ Wieder hatte Andrea an alles gedacht. „Danke mein Schatz! Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde!“, gab Semir ehrlich zu und umarmte sie nochmal, bis er aus der Haustür brauste und in Andreas Kleinwagen sprang. Der Motor summte auf und schon war Semir flink auf die Straße gebogen, wo der kleine Deutschtürke sofort die Richtung zur Kölner Uniklinik einschlug.


    Es dauerte eine kleine Weile bis sich der Kriminalhauptkommissar völlig genervt durch den Verkehr geschlagen hatte. Mehrere Straßen waren dicht gemacht worden, sodass Semir wohl oder übel die Umleitungen nutzen musste. Zusätzlich waren mehr Autos auf den Straßen, da anscheinend viele Leute in ihrer Mittagspause auf den Weg nach Hause waren. Semir hatte immer frustriert die Luft aus den Lungen gelassen, als er mit dem kleinen Wagen schon wieder stehen bleiben musste. Doch endlich konnte er aus der Ferne, das Klinikgebäude erkennen und Semir trat erneut auf Gas. Nach nur einer Minute hatte er den riesigen Parkplatz erreicht und parkte Andreas Wagen so nahe an dem Haupteingang, wie es die Parkmarkierungen erlaubten. Der kleine Hauptkommissar machte einen Satz aus dem Auto heraus und lief in Richtung Eingang. Schnurstracks fragte er sich durch und wurde, wie bereits vermutet, zur Etage der Intensivstation geschickt. Dort war er bereits von Dr. Saarstedt angemeldet worden und traf auf Schwester Ulrike, die er nicht sofort erkannte. Schweratmend blieb Semir vor der kleinen Frau stehen. Er hatte sich wirklich beeilt.
    Grade wollte der kleine Hauptkommissar mit Sprechen beginnen, als ihn die Intensivkrankenschwester unterbrach. „Sind sie Herr Gerkhan?“, fragte sie ganz ruhig und mit einem Lächeln auf den Lippen. Augenblicklich nickte Semir und zog sogar seinen Dienstausweiß hervor. „Wie…wie geht es meinem Partner Herr Jäger?“, seine Augen wurden vor Erwartung immer größer. Erneut musste die Schwester lächeln. „Soweit ich weiß, hat ihr Kollege die OP gut überstanden. Bei ihm wurde vor zehn Minuten das CT durchgeführt, weswegen der Intensivarzt Dr. Lambert noch einem mit ihnen reden möchte. Aber machen sie sich keine Sorgen, es wurden keine schwerwiegenden Befunde ausgemacht. Die Gehirnströme sind in Ordnung und Herr Jäger befindet sich schon in seinem Zimmer. Aber jetzt kommen sie, ich bringe sie zu ihrem Kollegen!“ Fast im selben Moment blitzten Semirs Augen vor Freunde auf, auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Der kleine Deutschtürke nickte und folgte der Intensivschwester, die mit zielsicheren Schritten ein Zimmer in der Mitte des Gangs ansteuerte. Nach nur wenigen Sekunden öffnete diese die Tür und machte den Durchgang für den Kommissare frei. Mit einem großen Schritt war Semir in dem klinisch weißen geräuschvollen Raum. Sofort trat Ben in sein Blickfeld, der in einem Multifunktionsbett lag. Er hatte ein Krankenhaushemdchen an und war mit tausenden Geräten verbunden, die ununterbrochen Geräusche von sich gaben. Der junge Mann hatte eine Nasenbrille im Gesicht und eine Blutkonserve am Handgelenk. Die dicke weiße Decke machte Bens ultra blasser Haut Konkurrenz und hob sich kaum noch von ihr ab. Doch diese ganzen medizinischen Geräte sah Semir im ersten Moment nicht. Er nahm einzig allein Ben war, der nur drei Schritte von ihm entfernt war. Er eilte zu seinem besten Freund und beugte sich über ihn. „Ben!“, stieß Semir überglücklich aus und strich diesem liebevoll und ganz sanft über die Wange, die nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen war. „Ihr Freund liegt noch in Narkose, es dauert noch ein wenig bis er aufwacht“, teilte ihm die Schwester Ulrike mit, worauf sich Semir zu ihr umdrehte. „Er atmet selbstständig, was schon mal sehr erfreulich ist. Aber sie sehen ja, er hat durch die Schnitte und die vorige Schussverletzung eine Menge an Blut verloren“, sie zeigte mit dem Finger auf die Blutkonserve, erst jetzt merkte Semir wie schlecht sein Partner aussah, „aber das wird schon werden! Er braucht sehr viel Ruhe und wird auch fürs erste erst mal hier bleiben, damit ihr Freund so gut wie möglich überwacht werden kann…aber wie gesagt, Dr. Lambert wird gleich zu ihnen kommen und ihnen alles erklären!“ „Danke“, gab Semir von sich, worauf die Schwester lächelnd nickte. „Setzen sie sich ruhig zu ihm, dort ist ein Stuhl“, mit diesem Worten verschwand sie aus dem kleinen Raum und ging Richtung Schwesternzimmer. Sie würde schon auf diesen jungen Hauptkommissar Acht geben, der die Krankebschwester sehr an ihren eigenen Sohn erinnerte, der fast in demselben Alter war.
    ...

  • So Leute, der heutige erste Teil ...den nächsten gibt es heute Abend :)


    Semir war den Worten der Krankenschwester gefolgt und rückte nur wenige Sekunden später mit dem Stuhl ganz nah, aber auch vorsichtig, an Ben heran. Sanft nahm er die Hand seines Freundes in seine und strich ganz leicht mit dem Daumen über Bens blasse Haut. Wehmütig betrachtete der Hauptkommissar seinen Partner genauer. Dessen ganzer rechter Arm war von der Schulter bis zur Mitte des Ellenbogens dick bandagiert. Bens Hals zierte ein dicker Verband genauso wie auch seine linke Schulter und sein Oberschenkel, den der Kommissar im Moment noch nicht sehen konnte. Gott, was hatte dieses Schwein ihm nur angetan?! Semir wollte dass Alles gar nicht so genau wissen, was jetzt zählte war, dass Ben hier bei ihm war und nicht in diesem Becken ertrunken war. Die andere Hand des Kommissars wanderte währenddessen zu Bens Kopf, um ihm sanft durch die Haare zu streichen. Jedoch wollte er die großen Pflaster, die auf der Wange und der Stirn des jungen Hauptkommissars prangten, nicht berühren. „Es wieder alles gut werden!“, versprach er seinem Freund mit emotionaler Stimme, eine paar Freudentränen traten dem kleinen Mann in die Augenwinkel. So glücklich war er, Ben wieder an seiner Seite zu haben.
    Eine ganze Weile saß Semir an Bens Bett und wartete darauf, dass sein bester Freund endlich aufwachte. Er hatte ganz vergessen, dass noch der Intensivarzt vorbei schauen wollte, um ihn genauer zu informieren. Deswegen zuckte der kleine Türke leicht zusammen, als hinter ihm eine Stimme ertönte. Er war zu sehr auf Ben konzentriert gewesen und hatte nicht gehört wie der Arzt in den Raum getreten war. „Herr Gerkhan?“, sagte Dr. Lambert und trat näher an den Hauptkommissaren heran, der die Hand seines Patienten hielt. Augenblicklich drehte dieser sich leicht erschrocken um und stand auf, um ihm die Hand zu reichen. „Sind sie Dr. Lambert?“, fragte Semir, als beide die Hände wieder gesunken hatten. Der Intensivarzt nickte und lächelte leicht. „Ja, ich habe die Ergebnisse des CT von Herrn Jäger!“, begann er, während Semir aufmerksam zuhörte, „ihr Kollege hat Glück gehabt. Keine Blutungen oder sonstige Verletzungen lagen vor. Die Verletzungen am Kopf hätten dafür sprechen können, er muss einen Schutzengel gehabt haben!“ Leicht nickte Semir und lächelte zu seinem Freund hinüber. „Er ist ein Dickschädel!“, kam es von dem Hauptkommissar, woraufhin Dr. Labert auch wieder verhaltend lächelte. Das entging Semirs aufmerksamen Augen nicht. „Doktor, ist noch was mit meinem Partner?“, wollte er sofort wissen, sein Blick fixierte seinen Gegenüber. Mit der Hand wischte sich der Intensivarzt über die große Stirn und räusperte sich. „Nun wie ihnen von meinem Kollege sicherlich schon berichtet wurde, war die Gewalteinwirkung auf Herrn Jägers Hals sehr groß, sodass der Kehlkopf operativ versorgt werden musste. Die OP ist zufriedenstellend verlaufen und es kam zu keinen weiteren Komplikationen. Die Gewalteinwirkung auf ihren Kollegen war erheblich, doch wie sich die Verletzungen am Kehlkopf auf die Stimme ihres Partners auswirken, kann ich ihnen noch nicht genau sagen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Traumatische Dysphonie, eine Stimmstörung, als Folge bei Herr Jäger auftritt ist relativ hoch!“, erklärte der Arzt und beobachtete den Hauptkommissar genau, der ihn mit geschockten Blick anstarrte. „Wird…wird Ben nicht mehr sprechen können?“, rutsche es Semir besorgt heraus und drehte seinen Kopf zu Ben, der immer noch friedlich vor sich hin schlief. „Kein Sorge, der Fall wird nicht eintreten! Aber ob es sich um eine einfache oder schwerwiegendere Dysphonie handelt, wird erst Herr Jägers Aufwachen zeigen“, versicherte ihm der Arzt, wodurch Semir erleichtert aufatmete. „Und was kann man dagegen machen?“, wollte der Kriminalhauptkommissar nun wissen. Hoffentlich ist diese Dysphonie bei Ben nicht so schlimm! Obwohl auch er die starken Würgemale am Hals seines Partners gesehen hatte. „Wenn sie nicht so schwer ist, klingen die Symptome nach acht bis vierzehn Tagen ab. Fällt sie schwerwiegender aus, müssen stimmtherapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Nun gut, wir werden uns sicher sein, wenn ihr Kollege aufwacht! Bitte verständigen sie sofort eine Schwester, wenn er wieder zu Bewusstsein kommt“, bat Dr. Lambert und als Semir keine weiteren Fragen mehr hatte, verabschiedete sich der Arzt und ging leise aus dem Zimmer. Zurück blieb Semir der sich wieder neben seinen Freund setzte und dessen Hand nahm.
    ...

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  • Eine weitere halbe Stunde saß Semir an Bens Bett und redete ununterbrochen mit ihm. Semir war so froh, dass sein Freund wieder da war und er spürte, dass er jetzt nur noch besser werden konnte. Der kleine Deutschtürke strich seinem Partner weiterhin durch die Haare, als er plötzlich eine Regung in seiner Hand verspürte. Aufgeregt ries Semir seine Augen auf. Ben schien so langsam wieder zu sich zu kommen. „Partner, ich bin bei dir!“, rief er und drückte mit beiden Händen die von Ben. Fortan flüsterte Semir immer den Namen seines Freundes, bis der tatsächlich ganz langsam und schwerfällig die Augen öffnete. In dem Moment drückte der kleine Beamte auf den Klingelknopf.
    Ben, der seine Umgebung erst mal nur verschwommen wahrnahm, musste ein paar Mal zwinkern um scharf sehen zu können. Allmählich begann er sich zu orientieren und schaute ein wenig hin und her. Ben war von der Narkose noch etwas benebelt und bemerkte erst später, dass jemand neben ihm saß und ihm durchs Haar strich. Ganz vorsichtig drehte der junge Mann den Kopf nach rechts. Augenblicklich sprang ihm ein strahlender Semir ins Gesichtsfeld. Siedenheiß viel Ben wieder alles ein, er war verletzt in dem Becken gewesen und Semir hatte ins festgehalten, damit er nicht von Anfang an in dem Regenauffangbecken ertrank. Erst jetzt begann er seinen Köper wahrzunehmen. Seine Gliedmaßen schmerzten etwas und sein Hals tat weh. Doch es war alles auszuhalten und so begann Ben Semir zu fixieren. „Ben endlich!“, hörte er seinen Partner sagen, der ihm sofort eine Hand an die Wange legte. Der junge Hauptkommissar wollte etwas sagen, doch heraus kam nur ein kehliges heiseres Geräusch. Sofort wurde er unruhig, als nicht die gewünschten Worte aus seinem Mund flossen. „Nicht sprenchen Ben….du bist im Krankenhaus und wurdest am Hals operiert. Alles ist gut!“, versuchte Semir seinen Partner zu beruhigen, als auch schon Schwester Ulrike gefolgt von Dr. Lambert ins Zimmer kam. Erfreut sahen die beiden, dass ihr Patient wach war. Die Intensivschwester stellte sich sofort an die Geräte und checkte die Werte, die alle in Ordnung zu sein schienen. Währenddessen ging der Arzt an die andere Seite des Betts und begrüßte seinen Patienten. „Guten Tag Herr Jäger, schön dass sie wieder wach sind! Ich bin übrigens ihr Arzt Dr. Lambert“, stellte er sich vor und überprüfte nach Ansage mit einem Lämpchen die Pupillenreflexe des Beamten. Unter Semirs aufmerksamen Augen gab er ein paar Angaben in ein Gerät, bis der Intensivarzt sich wieder den beiden Männern zuwandte. Mit gezielten Worten erklärte er Ben einfühlsam, was in der OP genau passiert war und warum er nicht sofort sprechen konnte. Dr. Lambert forderte seinem Patienten dazu auf erneut ein paar Sprechübungen zu machen. Doch das Resultat änderte sich nur geringfügig von dem Vorigen. Nach ein paar Minuten beschloss er ein wenig später einen Logopäden vorbei zu schicken, der eine genaue Diagnose fällen und die dazugehörigen Behandlungsmaßnahmen festlegen sollte. Als Dr. Lambert fertig war, verabschiedete er sich von den beiden Männern und verließ den Raum. Nur kurz danach auch Schwester Ulrike, jedoch nicht ohne zu erwähnen, sie oder eine ihrer Kolleginnen zu rufen, wenn irgendetwas wäre. Sie würde etwas später, wenn die Besuchszeiten vorbei waren, nochmal vorbei schauen. Und wenn ja irgendetwas mit dem Hauptkommissars nicht stimmen würde, könnte man das natürlich sofort auf den Monitoren in der Stationszentrale erkennen. Außerdem war ja noch dieser Gerkhan da, der eine besondere Freundschaft mit ihrem Patienten zu teilen schien. Leise ging die Intensivschwester nun auch aus dem weißen und piependen Raum, irgendwie war ihr der junge Mann ans Herz gewachsen. Mit flinken Schritten war sie in dem nächsten Zimmer eines anderen Patienten verschwunden.


    Nach einer Weile waren Ben und Semir nun wieder alleine. Eine Zeit lang schwiegen sie beide und sahen sich nur an, bis Semir erzählte, das auch die anderen sich schreckliche Sorgen gemachte hatten und auch total froh gewesen waren ihren Kollegen endlich lebend gefunden zu haben. Bens fragende Blicke konnte Semir genau einordnen. Er erzählte ihm, dass sie Sieder festgenommen hatten und dass dieser mittlerweile in U-Haft saß.
    „Ben, ich bin so froh, dass du lebst!“, kam es auf einmal von Semir, dem kleine Tränen in die Augen stiegen. Zu gern hätte Ben an der Stelle etwas gesagt, doch es blieb ihm leider nichts anderes übrig, als die körperliche Bindung zu wahren und seinem besten Freund in die Augen zu schauen. „Es war echt verdammt knapp gewesen! Ich hatte echt Angst um dich, jag mir nie wieder einen solchen Schrecken ein! Hast du gekört Kleiner, oder du schreibst die nächsten tausend Berichte alle selber!“, der Deutschtürke wischte sich mit der freien Hand die einzelnen Tränen weg, als er sah, wie die braunen Augen seines Partners aufblitzen und sich ein Lächeln auf dem blassen Gesicht abzeichnete. Fast im selben Moment musste auch Semir lächeln. Die bloße Vorstellung alle Berichte schreiben zu müssen, war für Ben schlicht unerträglich, doch er hatte Semirs strake Zuneigung ihm gegenüber gespürt und das hatte sich in dem Moment einfach nur schön angefühlt.
    Nach einer Weile klopfte es und er Logopäde mit dem Namen Martin spazierte in den Raum. Er machte mit Ben ein paar Sprechübungen, derweil Semir nach draußen an die frische Luft ging. Dort informierte er Andrea und das ganze Revier, dass es Ben den Umständen entsprechend ging. Er wusste, dass die Besucherzeiten bald am Ende waren, und riet deswegen seiner Frau am besten zu Haus bei den Kindern zu bleiben. Am morgigen Tag gäbe es auch noch genug Zeit. Als Semir seine Anrufe beendet hatte, ging er zurück zur Intensivstation und suchte Bens Zimmer auf. Er stellte fest, dass der Logopäde bereits verschwunden war und anstelle von ihm stand nun Intensivschwester Ulrike bereit. Sie bat ihn höflich sich von Ben zu verabschieden, da das Ende der Besucherzeiten erreicht waren. Semir tat, wie ihm befohlen und zog seinen Freund zum Abschied in eine vertraute, aber vorsichtige Umarmung. Der Kriminalhauptkommissar fuhr mit dem Versprechen, seinen Partner gleich morgen wieder zu besuchen, viel beruhigter als auf der Hinfahrt nach Hause.


    Und tatsächlich, es stellte sich glücklicherweise heraus, dass Ben nur eine leichte Traumatische Dysphonie davon getragen hatte. Bereits nach nur elf Tagen, in denen ebenfalls seine anderen Verletzungen gewaltige Fortschritte machten, hatte er wieder eine klare Stimme, die einfach nur noch müde klang. Da sich sein Kreislauf immer mehr kontinuierlich stabilisiert hatte und sein Körper auch das Fremdblut nicht abgestoßen hatte, wurde Ben mit wieder mehr Farbe im Gesicht auf die Normalstation verlegt. Dort musste er widerwillig aber noch eine gute Woche verharren bis er endlich nach Hause durfte. Mit kindlichem Verlangen ersehnte sich Ben den Tag seiner Entlassung. Doch Semirs tägliche Besuche und auch die der Freunde und Kollegen ließen ihn die frühen Weckzeiten vergessen. Schließlich war der Tag gekommen und Ben konnte zwar noch etwas angeschlagen, aber glücklich wie Aida, wenn sie ein Eis bekam, die Kölner Uniklinik verlassen, als Semir ihn abholte. Physisch war Ben im Groben genesen, aber Semir merkte sehr wohl, dass sein Freund mit dem Passierten noch zu kämpfen hatte.

  • 3 Monate später…


    Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte Semir auf die Akte, die mit der dicken Aufschrift ‚Markus Siedner‘ auf seinem Schreibtisch lag. Fast schon widerwillig ließ sich er auf dem Bürostuhl nieder und griff nach dem schweren Ordner. Wie oft hatte er sie sich schon durchlesen müssen? Für den bereits abgeschlossen Prozess zigmal. Und jedes Mal verspürte der Kriminalhauptkommissar eine ungeheure Wut, bei der er sich wirklich beherrschen musste. Jeder in der PASt hatte die Akte gelesen und bei jedem hatten sich die Nackenhaare kerzengrade aufgestellt. Sie war schlimmer als jeder Horror- und Thrillerstreifen, sodass man bei jedem Absatz entsetzt die Luft einziehen konnte. Jeder Polizist hatte sich gefragt, wie ein Mensch nur solche grausamen und unmoralischen Taten vollrichten konnte. Keiner konnte Siedners selbst formulierte Gedankengänge, die auf Papier gebracht worden waren, nachvollziehen. Sie waren einfach nur krank, vollkommen unmenschlich und waren für die Mitarbeiter der Autobahnpolizei einfach unvorstellbar. Alle scheuten einen gewissen Teil des Ordners, denn er kam den meisten etwas unwirklich vor, dass ein Freund und Kollege entführt und unter starker Gewalteinwirkung dermaßen misshandelt wurde.
    Nach ein paar Sekunden schlug Semir die erste Seite auf, als ihm ein Foto von Siedner förmlich ins Gesicht sprang. Sofort erschienen wässrige graue Augen, die aus dem Bild herausstachen und als einziges Merkmal die sonst unscheinbare Ausstrahlung des Mannes unterzeichneten. Es war ein eiskalter Blick, ein Blick ohne Gewissen. Ohne Frage die Augen eines Mörders. Bei Semir zog sich immer, wenn er diesen Mann sah, innerlich etwas zusammen. Der kleine Deutschtürke konnte gegenüber dieses zweifachen Mörders nur reinen Abscheu empfinden, besonders wenn er an Ben dachte, als dieser regungslos im dreckigen Regenauffangbecken hin und her trieb. Es war ein Bild, das dem Hauptkommissar noch oft im Geiste heimsuchte und ihn an die schrecklichen Vorkommnisse erinnerte. Jedoch schob die Tatsache, dass sein bester Freund lebte, die grässlichen Gedanken beiseite. Seufzend blätterte Semir weiter und erschauderte, als ihm der Tatort, an dem Manuela Reichenbacher brutal erwürgt wurde, vor Augen geführt wurde. Die Fotos vom Tatort waren schlimmer als jedes auf gruselig getrimmtes Helloweenschaupiel. Die Böden und Wände der ehemaligen Metzgerei waren, wie Semir sich noch ganz genau erinnern konnte, mit viel, sehr viel Blut beschmiert gewesen. Der Stuhl von Manuela war blutüberströmt gewesen und ein Teil des Bluts am Boden konnte ihr zugeordnet werden. Doch der Großteil –der kleine Beamte ballte unbewusst die Hände zu Fäusten- war das Blut seines Partners gewesen. Die Stelle an der Ben gehangen hatte, die lange Schleifspur auf dem Flur bis ihn zu dem Blut, das sich neben der großen Doppeltür der Metzgerei in Form von einer gigantischen Pfütze angesammelt hatte. Semir war so froh gewesen, dass er diese Blutlache zu der damaligen späten Stunde nicht gesehen hatte. Sein Partner hatte durch seine Verletzungen einer Menge an Blut verloren, verursacht durch die edlen reißscharfen Messer Siedners. Laut den Schriften hatte die Arbeit mit den Messern Siedner einen erregenden, für seine Mitmenschen nicht zu verstehenden Kick verliehen. Und dann war ja auch noch das Becken gewesen, wo dieser Kerl Ben ertränken wollte. Die Fotos vom Becken ließen Semir erneut scharf die Luft einziehen. Weitere der beiden toten Frauen, Anja Wenschek und Manuela Reichenbacher, sowie ihren Würdemalen, die auf den ersten Blick die Todesursache nahezu verrieten, waren mit beigelegt. Genauso wie die Obduktionsberichte, die Zeugenaussagen von Bäßmann und Staade, die ganzen anderen wichtigen Beweise, andere wichtige Dokumente und eine Kopie von Siedners langen Geständnis, das jedem Menschen dem Atem verschlug. Die Morde und Folterungen an den beiden jungen Frauen waren von Markus Sieder ganz genau beschrieben worden, ebenso seine Gründe. Nach dem Mann war das Motiv immer nur Rache für die Taten, die ihm seiner Meinung nach zugefügt worden waren, gewesen. Die Hintergründe konnte das werte Gericht natürlich nicht so licht verstehen. An dem Punkt kam Ben ins Spiel. Niemand wusste um die ganzen Umstände so Bescheid wie er. Der junge Mann war der ersehnte Kronzeuge, obwohl die erdrückende Beweislage gegen Siedner erheblich war. Jedoch hatte sich der Prozess sehr lange hingezogen. Ben musste genesen und musste sich mit dem Erlebten erst mal auseinander setzten. Die Zeit über hatten alle Kollegen, besonders Semir und Andrea, an seiner Seite gestanden, um ihn auf seinem Weg, physisch und seelisch zu heilen, unterstützt.


    Überraschenderweise hatte Seidner, nachdem Ben, sein einzig überlebendes Opfer, letztendlich ausgesagt hatte, doch noch ein Geständnis abgelegt. Wahrscheinlich hatte sich der Anwalt für seinen Mandanten ein gemildertes Strafmaß erhofft, wenn Siedner gestehen würde, denn es war offensichtlich, die Beweislage war eindeutig und sprach gegen den Doppelmörder aus Köln. Leicht fing Semir an zu zittern, als er an der Stelle angekommen war, in der Markus beschrieb, wie er sein Messer in Bens Arm und Bein gerammt hatte. Für Siedner mochte es ein Feuerwerk aus sadistischen Höhepunkten und erfüllten Träumen gewesen sein, doch der Hauptkommissar konnte nur blankes Entsetzten und einen heftigen Stich im Herzen empfinden, als er las wie sein Kumpel leiden musste. Glücklicherweise war der Prozess genauso ausgegangen, wie es Semir und die Schrankmann von Anfang an vermutet hatten. Eins musste der Kriminalhauptkommissar der Schrankmann lassen, sie hatte eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. Dem kleinen Beamten war ein unendlich großer Stein vom Herzen gefallen, als der Richter das Urteil verkündet hatte.
    Markus Sieder würde den Rest seines gestörten Lebens in der Geschlossenen Anstalt für psychisch Kranke verbringen müssen. Und das war Semir und allen anderen nur mehr als recht. Jeder hatte erleichtert aufgeatmet, dieses Monster war nur hinter Schloss und Riegel und würde einem geliebten Menschen und anderen Unschuldigen nichts Grausames mehr antun können. Fast zwei Wochen war der Prozess nun völlig beendet, in denen Siedner in einer tristen Zelle saß, wofür sich Semir so sehr eingesetzt hatte. Jedoch konnte Semir sich noch ganz genau an Markus` zutiefst hasserfüllten Blick erinnern, den er Ben zugeworfen hatte, als der schlaksige Mann endgültig abgeführt wurde. Natürlich war dem jungen Hauptkommissar das nicht entgangen, auch Ben hatte tiefen Hass, aber auch eine gewaltige Enttäuschung, geschürt, doch er wollte einfach mit der Sache abschließen. Nach Abschluss der Verhandlung hatte Semir seinem Partner vor den großen Pforten des Gerichts sofort in eine väterliche und feste Umarmung gezogen. Ben hatte diese sofort zugelassen und für einen Moment seine Augen geschlossen. Aber schon im nächsten Moment spürte er leichtes Schulterklopfen und sah in die leicht lächelnden Gesichter seiner Familie, Freunden und Kollegen, die genauso so froh wie er waren, das alles endlich hinter sich zu lassen. Viele schüttelten ihm die Hände und Ben lächelte jeden dankbar und ehrlich an, Semir hatte die braunen Augen seines Freundes zum ersten Mal wieder richtig glücklich aufblitzen sehen, wobei es auch ihm sofort besser ging. Nach einer kurzen Weile hatte auch Andrea Ben in eine freundschaftliche und sanfte Umarmung gezogen und ihm leicht über den Rücken gestrichen. Gott, war sie froh, dass es ihrem Freund gut ging und endlich alles vorüber war!
    Ben wusste, ohne die Hilfe seines Partners, würde er nicht am Leben sein. Als die meisten gegangen waren und nur er, Andrea und Semir nun vor dem Justizgebäude standen, hatte er seinem besten Freund tief in die Augen gesehen. Augenblicklich schlugen die Beiden ein und hielten die Hand des anderen ganz fest. Beide hatten das tiefe Band an Verbundenheit und grenzenlosem Vertrauen, das ihre Freundschaft so besonders machte, gespürt und wussten wie viel wert es war.
    Andrea hatte diese Szene lächelnd beobachtet. Auch sie wusste, was für eine innige Freundschaft ihr Mann mit Ben verband. Nach ein paar Minuten, als sich die Hauptkommissare wieder zu ihr gedreht hatten, stellte sie sich zwischen die beiden Männer und legte jedem eine Hand auf die Schulter. Zusammen waren die Drei an diesem ausnahmsweise mal sonnigen Februartag Schulter an Schulter über den Platz gegangen. Wenig später stiegen sie in den silbernen BMW und fuhren Richtung Heimweg.
    ...

  • Semir zuckte leicht zusammen, als er eine Berührung an der Schulter vernahm. „Na Partner, was machst du?“ Er drehte sich um und blickte augenblicklich in das strahlende Gesicht seines Partners. Die Arbeit hatte Ben so sehr gefehlt, hier blühte er förmlich wieder auf. Der junge Kommissar stellte zwei Kaffeetassen auf den Tisch und sah seinem Freund über die Schulter. „Achso…du liest sie schon wieder…“, stellte er etwas bedrückt fest und schob eine Kaffeetasse zu Semir hinüber. Dieser hatte den plötzlichen Stimmungswandel ganz genau mitbekommen. Semir wusste, dass es Ben an Siedner und die ganzen Taten, die ihm angetan wurden, nicht mehr erinnert werden wollte. Das konnte der kleine Deutschtürke nur zu gut verstehen, er selber wollte an dieses Schwein keinen weiteren Gedanken mehr verschwenden. Ein Schatten huschte über Bens Gesicht, als seine Augen die Akte ein weiteres Mal erfassten. Wie oft wollte er Siedner aus seinen Gedanken streichen und das einfach hinter sich lassen. Doch das war eben zwei Wochen nach dem abgeschlossenen Prozess etwas schwierig, das musste sich der junge Mann eingestehen. Semir sah was in seinem Partner vor sich ging und legte seine Hand an Bens Arm, um ihn nur kurz danach in eine Umarmung zu ziehen. „Es ist vorbei Ben! Es war das letzte Mal, heute werden sie und die restlichen Ordner abgeholt und ins Archiv gebracht“, erklärte Semir, als er Ben wieder ansah und nach seinem Kaffee griff. Dieser nickte verhaltend und ließ sich ebenso wie Semir auf seinem Bürostuhl nieder. „Ach stimmt, hab ich ganz vergessen!“, antwortete er und nippte an seiner Tasse. Dennoch merkte Semir, dass irgendetwas noch nicht stimmen konnte. „Was ist denn los Ben? Ich seh doch, dass du was hast!“, ging es sofort bei dem kleinen Beamten weiter und sah seinem Gegenüber eingehend an. Ertappt senkte Ben den Blick auf den Schreibtisch. Es würde nichts bringen, wenn er es vor Semir verschwieg. Sein Partner merkte es doch sofort, wenn ihm etwas durch den Kopf ging und ihn beschäftigte. „Weißt du ich frag mich einfach immer wieder, ob es nicht anders hätte laufen können. Hätten Anja, Manuela, meine alte Band und natürlich ich anders gehandelt, dann wäre das vielleicht gar nicht alles passiert! Anja und Manuela wären nicht tot und Markus wäre gar nicht erst auf die Idee gekommen jemals so etwas Grausamen zu tun…ich meine, hätte ich damals irgendwas anders machen können, dann wäre es dazu gar nicht erst gekommen!“, stieß Ben mit traurigen braunen Augen aus, während er sich auf seinem Schreibtisch abstütze. Semir glaubte sich verhört zu haben. „Mensch Ben, das hatte wir doch schon so oft! Du bist der Letzte, der schuld an der ganzen Sache ist!“, kam es sofort von dem Deutschtürken. Ben schwieg. Nun wurde Semir einfühlsamer. „Partner, warst du mit Anja zusammen gewesen? Hast du ihn wie Manuela gequält und gemobbt? Nein, keines von beiden! Und außerdem warst du damals siebzehn…achtzehn, mein Gott, du bist verliebt in Manuela gewesen, das kann man dir doch nicht übel nehmen! Du wolltest sein Freund bleiben und hattest ihn sogar immer verteidigt. Ben, du hast ihn nicht verraten, Siedner hat sich in seinem kranken Denken von dir abgewandt und wollte nicht nur an Manuela, sondern auch an völlig Unschuldigen wie Anja und dich, für seine früheren Demütigungen und sein damaliges schweres Teenagerleben rächen! Glaub mir Partner, du kannst am wenigsten für das Passierte und Siedners gestörten Geist!“, legte Semir energisch fest, in der Hoffnung Bens Schuldgefühle endgültig aus dem Weg zu räumen. Diese Gedanken hatte der junge Mann schon lang genug mit sich rum getragen, er sollte diese endlich hinter sich lassen! Langsam hatte Ben aufgeschaut, den eindringlichen Blick seines Partners hatte er auf sich gespürt und schließlich nicht mehr ausgehalten. Nach weiteren Sekunden nickte er zögerlich. Man, Semir hatte doch recht! Er konnte echt nichts für das Ganze, er hatte sich Markus gegenüber nie so verhalten wie Manuela. Leicht schlug sich Ben die Hand an den Kopf. Der junge Hauptkommissar selber hatte sogar gedacht, als er Markus beim Klassentreffen wiedergesehen hatte, das er sein Freund sei. So sehr hatte er sich getäuscht! „Semir, du hast recht! Danke, dass du immer für mich da bist!“, sagte Ben mit voller Überzeugung und sah seinen Partner in die Augen. Dieser zwinkerte ihm locker zu. „Natürlich! Das bist du doch auch immer für mich“, lächelte Semir und nahm einen weiteren Zug von seiner Tasse. Ben tat es ihm gleich, beide schwiegen eine Weile und genossen ihr heißes Getränk. „Was Mobbing alles so anrichten kann!“, kam er nachdenklich von dem Jüngeren, Semir sah auf. „Das stimmt, eine grässliche Art mit den Mitmenschen umzugehen“, bestätigend nickte der kleine Hauptkommissar. „Manuela hatte bestimmt nie gedacht, dass ihre Art und Weise solche Konsequenzen mit sich ziehen würde“, murmelte Ben traurig. Noch immer hatte er an dem Verlust seiner früheren Schulfreunde zu knabbern. Warum musste es auch so ausgehen? „Ben, nicht nur ich denke, dass Manuela nicht der einzige Auslöser gewesen war. Siedner ist psychisch krank, wie es auch die ganzen Ärzte und Therapeuten bestätigt haben. Früher oder später hätte er bestimmt eine ähnlich grausame Tat vollzogen, und das wäre dann vielleicht sogar gegen andere Leute gerichtet gewesen!“, Semir merkte schon, er musste seinen Freund schleunigst auf andere Gedanken bringen. Leicht hatte Ben genickt und seine Tasse auf den Tisch gestellt. „Und weißt du, was dir jetzt gefallen würde?“, ging es gleich grinsend bei dem kleinen Kriminalhauptkommissar weiter. Der junge Beamte ging auf die Ablenkung ein. Das Grinsen auf Semirs Gesicht ging gleich auf seins über und zog an seinen Mundwinkeln. „Du meinst ein paar Berichte schreiben?“, meinte er und sah Semir an, der seine Ironie noch nicht sofort geschnallt hatte. „Bitte was? Nein mensch! Ich meine, schön gemütlich Streife fahren!“, ungläubig verschränkte Semir die Arme vor der Brust. Berichte schreiben? Das war doch wirklich das, was Ben am meisten an der Polizeiarbeit hasste! Doch als sein Partner in frech angrinste, machte es auch bei ihm Klick. Schmollend zog er eine Schute, augenblicklich begann Ben schallend zu lachen. „Partner, du müsstest dein Gesicht sehen! Einfach zu köstlich…warte mal ich mach mal´n Foto“, lachte der junge Mann beherzt und tat so, als würde er sein Handy in der Jackentasche suchen. „Das ist ja so witzig“, schmunzelte nun auch Semir, stand allerdings auf und zog seinen lachenden Freund auf die Füße. „Hop hop Opa! Jetzt heißt es zu arbeiten, aber da braucht man Disziplin für….allerdings bin ich mir bei dir sicher, dass du nicht mal weißt, wie man das buchstabiert!“, frotzelte Semir und kassierte auch gleich einen leichten Schlag an der Schulter. Grade als sie bei Susannes Schreibtisch vorbei gehen wollten, drehte sich diese auf ihrem Bürostuhl geschwind um. „Ben, Semir…das ist grade rein gekommen! A1 Richtung Köln, Kilometer 46…Überfall auf einen Geldtransporter“, verkündete die Blondine. Gleichzeitig sahen sich die beiden Hauptkommissare an. „Schnappen wir uns die Typen Partner?“, fragte Semir und hob die Hand. „Darauf kannst du wetten!“, schoss es aus Ben heraus, der sofort einschlug. Susanne schüttelte lächelnd den Kopf über die beiden Kommissare. Die Beiden passten zusammen, wie die Faust auf´s Auge! Mit diesen Worten traten sie aus der PASt und stiegen in den BMW. Nur kurz danach brausten sie auf ihre geliebte Autobahn, wo sie beide einfach hingehörten. Ben schaute noch ein paar Sekunden aus dem Fenster, an denen die anderen Autos vorbei sausten. Kurz schielte er unauffällig zu Semir hinüber, der vergnügt am Steuer saß und leise vor sich hin pfiff. In dem Moment wurde ihm bewusst, dass er mit der Vergangenheit und all den zurückliegenden Vorkommnissen jetzt abschließen konnte. Ben hatte den für ihn besten Freund und Partner an der Seite, den er sich nur vorstellen konnte. Zusammen mit Semir und seinen Freunde konnte der junge Hauptkommissar gut in die Zukunft blicken, solle kommen, was da wolle!


    Ende



    So, das war meine Geschichte und ich hoffe sie hat euch gefallen...ich wollte mich für die vielen Feeds und Zugriffe bedanken, ihr seid echt super! :D Ich arbeite auch schon an einer neuen Story, aber bis die online ist, wird es noch ein wenig dauern.
    Habt noch alle einen schönen Sommer, der hoffentlich noch etwas anhält!
    Alles Gute
    Desiree

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