Der Wahrheit verpflichtet

  • Semir brauste über die Autobahn und malte sich in Gedanken aus, was diese Kerle mit Ben und Max alles anstellten. Gerade jetzt, wo Ben verlobt war und eine eigene Familie gründen wollte. Nein das konnte Semir nicht zulassen. Das durfte er nicht zulassen. Semir fuhr unter der letzten Unterführung vor der neuen Eisenbahnbrücke durch. Plötzlich sah er Flammen hinter den Bäumen hervorstechen. Dort...dort stand doch das Hotel, was Frau Klein beschrieben hatte. „Verdammt...“, stieß Semir aus und zog rüber. Der Wagen rauschte die Ausfahrt hinunter und in den schon zugewachsenen Weg hinein. „Chefin...das...das Haus steht in Flammen. Schicken sie schnellstens die Feuerwehr.“, schrie der Deutschtürke in sein Handy Mit jedem Meter, den Semir dem alten Motel näher kam, wurden die Flammen größer und großer. Er stoppte uns prang aus seinem Wagen, rannte mit Feuerlöscher bewaffnet auf das Haus zu, brach die Tür auf und begann mit dem Löschen. Doch Semir wusste, dass der Kampf mit einem einzelnen Feuerlöscher sinnlos war. Schnell war der Schaum aufgebraucht. Semir musste sich was anderes einfallen lassen. Suchend sah er sich um und entdeckte einen kleinen, fast schon trockenen Tümpel. Das war es...dachte er und entledigte sich all seiner Wertsachen, dem Handy und der Pistole. Semir riss sich seine Jacke vom Leib und tränkte sie mit dem Wasser, bevor er selbst reinsprang und dann mit den nassen Sachen auf das Haus zurannte und im nächsten Moment merkte, wie ihm die Flammen die Flüssigkeit aus dem Körper saugten und der Rauch ihm in die Lungen stieg. „Ben? Max?“, schrie er und sah sich nach irgendeinem Lebenszeichen in den Flammen um. Wo waren die Beiden?


    Ben drehte den Kopf. War das eben Semirs Stimme gewesen? Konnte das wirklich sein? „Semir...Semir, wir sind hier oben...“, rief der junge Hauptkommissar. Ein Hustenanfall überkam ihn, als er den dichten Rauch mit den letzten Worten in sich hineinsog. „Max...Max...Semir ist da...wir sind gerettet.“, stieß Ben aus und drehte den Kopf leicht zur Seite, doch von Max kam keine Antwort. „Max?“, fragte der junge Hauptkommissar. Wieder keine Antwort. „Scheiße... Semir, beeil dich. Max ist ohnmächtig.“, schrie Ben und sah durch die Flammen eine kleine, schemenhaft erkennbare Gestalt an der Treppe stehen. „Verdammt heiß hier...“, rief Semir nur und kam auf die Beiden zu. Plötzlich knarrte der Boden unter ihm. Schnellstens zog er den Fuß weg. Gerade noch rechtzeitig, denn krachend brachen die Dielen unter ihm in die Tiefe. „Verdammt...Ben, das Holz ist schon durchgefressen. Ich...ich muss einen anderen Weg finden.“, rief Semir und suchte nach einer anderen Möglichkeit. „Beeil dich...hier ist die Luft ziemlich dick.“, rief Ben zurück und versuchte, wieder die Fesseln zu lösen. Tatsächlich waren sie schon locker und der junge Hauptkommissar konnte einen Arm hervorziehen. Endlich, dachte er und versuchte, den Mechanismus der Gurte außer Kraft zu setzen. Die Hitze griff immer mehr um sich und trieb das Wasser aus jeder Pore von Bens Körper. Dennoch schaffte er es, die Gurte zu lösen. Sofort hörte er ein dumpfes Schlagen. „Max...Max komm wieder zu dir...los doch...“, stieß Ben aus und zog den Reporter von den immer dichter kommenden Flammen weg. Er suchte in der Umgebung nach einem Ausweg. „Semir? Wo bist du?“, rief Ben, doch als Antwort kam ein Schuh durch ein Fenster geflogen. „Ben...kommt hier durch.“, hörte er Semir rufen. Ben wollte gerne, da gab es nur ein Problem. Zwischen dem Fenster und ihm brannte eine gute drei Meter breite Schneise und das gerade auf dem dünnen Boden. Wenn Ben mit Max auf der Schulter sprang und nicht richtig kalkulierte, brachen sie durch den Boden. Und da ging es gut und gerne sieben Meter in die Tiefe. Was tun?


    Semir suchte draußen nach einem besseren Eingang in die obere Etage. Die alten Weinranken hingen noch an der Fassade und waren noch kein Opfer der Flammen. Eine führte direkt zu einem Fenster. Das ist die Chance...dachte Semir und warf seinen Stiefel so lange gegen die Scheibe, bis sie zerbarst. „Ben...kommt hier durch.“, rief er nach oben und sah sich um. In der Nähe konnte er schon die Martinshörner hören. Hoffentlich schafften es die Beiden rechtzeitig raus, dachte Semir nur und sah nach oben. Dann aber fiel ihm etwas in die Augen, was ihn in Panik geraten ließ. „Ben...Ben...macht, dass ihr da raus kommt...verdammt noch mal.“, schrie er und wollte noch einmal ins Haus rennen, als ihm ein herunterstürzender Balken den Weg versperrte. Oh nein...da hinten war noch der Heizgastank und die Flammen waren bedrohlich nahe an ihm dran. Er stand direkt neben der Treppe. Wenn Ben und Max da nicht rechtzeitig raus kamen, dann...dann waren von ihnen nur noch Fetzen übrig. „Semir...hilf mir mal...“, hörte er Ben dann rufen. Semir ging zum Fenster und sah, wie sein Partner mit einem anderen Körper auf den Arm die Ranken hinunterkletterte. „Beeilt euch...hier fliegt gleich alles in die Luft.“, stieß Semir aus und nahm Max von Bens Schultern. Der junge Hauptkommissar blickte auf die mit Flammen schon übersäten Gastanks. Panik brach in ihm aus. „Oh Shit...“, fluchte er, nahm den bewusstlosen Reporter wieder auf seine Schultern und rannte los. Auch Semir nahm seine Beine in die Hand und versuchte, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und das Hotel zu bringen. Das Metall der Tanks barst und als die erste Flamme mit dem Gas in Kontakt kam, brach die Hölle los. Eine gewaltige Druckwelle riss das gesamte Hotel in kleine Stücke. Holz- und Steinsplitter flogen durch die Luft. Die Druckwelle riss die beiden Kommissare und Max zu Boden. Staub wirbelte auf und legte sich wie eine schützende Decke über alles. Langsam beruhigte sich die Situation wieder. Doch was war mit den drei Männern?


    Jörn Petersen sah aus sicherer Entfernung sich das Spektakel an. Wutschäumend musste er mit ansehen, wie diese beiden Polizisten sich und diesen verfluchten Reporter aus dem Haus retten konnten. Selbst die gewaltige Explosion konnte ihnen nichts anhaben. Das durfte doch alles nicht wahr sein, dachte er und warf das Fernglas wütend auf den Asphalt der Brücke, auf der sie standen. In der Ferne heulten Martinshörner auf und bewegten sich in ihre Richtung. „Boss, wir müssen hier weg oder wir sind geliefert.“, stieß Daniel aus und fasste Petersen an die Schulter. Dieser drehte sich wütend um, nickte dann aber und stieg in die schwarze Limousine. „Was machen wir jetzt, Boss?“, fragte Bruno, während er auf die Autobahn einbog und mit hoher Geschwindigkeit auf der linken Spur Richtung Stadt zurückfuhr. „Jetzt? Jetzt will ich alle Unterlagen dieses Reporters haben. Sicherlich hat er sie bei sich zu Hause versteckt. Fahren wir hin und sehen wir nach.“, erklärte Petersen. Bruno nickte und steuerte den Wagen zur Wohnung von Max Prahl. Die beiden Mitarbeiter von Petersen nahmen die Wohnung komplett auseinander, ließen nichts unberührt oder in einem Stück, doch auch nach drei Stunden Suche mussten sie ohne etwas in der Hand abziehen. „Da oben ist nichts.“, meinte Daniel resignierend. Jörn Petersen nickte und sah sich um. „Ich habe da eine Idee. Fahren wir los.“, meinte Petersen mit einem diabolischen Grinsen. „Alles klar...“


    ...

  • Cem stand in seiner Küche und säuberte den Küchentisch. Auf seiner Haut liefen die kleinen Schweißperlen immer noch über Schulter und Arme auf den Boden hinunter. Seine Unterhose und die Jeans bedeckten den ihnen zugehörigen Teil schon wieder. Nur das Shirt lag zusammengeknüllt in einer Ecke und wartete darauf, fortgeräumt zu werden. War das herrlich, dachte er nur und lächelte zufrieden. Shirin war die Frau fürs Leben. Das merkte er immer wieder. Und gerade in solchen Momenten kamen in ihm Gefühle auf, die ihn sein bisheriges Leben so sinnlos vorkommen ließ. Was war das für ein Leben vor Shirin und seinem jetzigen Job? Immer nur von der Hand in den Mund gelebt, mit Freunden abgehangen, die keine waren. Und mit dem Gesetz auf den Kriegsfuß. Wie gut, dass Semir ihn da rausholen konnte. Er war ein wirklich guter Freund. Ebenso wie Max es jetzt für ihn war. Er war es, der Cems Talent für die Fotografie erkannte. Sein Leben verlief in den Bahnen, in denen er immer geträumt hatte. Eine wunderbare Freundin, ein gut bezahlter Job und wertvolle Freundschaften. Als Cem in der Küche fertig war, nahm er das nasse Shirt, warf es in die Wäsche und zog sich einen frischen Pullover über. „Cem...“, hörte er Shirin von der Tür rufen. „Ich komme gleich...“, erwiderte er lässig und ging in den Flur. Doch abrupt blieb er stehen und spannte sämtliche Muskeln seines Körpers an. Seine Augen weiteten sich ins Unermessliche. Seine Freundin stand in der Mitte des Korridors, wagte nicht, sich zu rühren und hinter ihr zwei Männer mit einem Messer, das bedrohlich gegen Shirins Kehle drückte. „Was...was soll das?“, stieß er aus und wagte nicht, sich zu rühren. Hinter den Männern tauchte Jörn Petersen auf und ging auf den Türken zu. „Das werde ich dir sagen. Ihr Beide werdet die Garanten dafür sein, dass ich kriege, was mir zusteht.“, meinte er und schlug mit geballter Faust in die Magengrube von Cem. Keuchend ging der junge Türke zu Boden und krümmte sich vor Schmerzen. Petersen setzte nach. Er trat Cem gegen die Schläfe. Mit einer ungeheuren Wucht flog er gegen die Wand und verlor jegliches Bewusstsein. Petersen und seine Männer schafften die Beiden fort. Zurück blieb ein Tropfen Blut auf den Boden und ein Zettel, den Bruno mit dem Messer an die Wand schlug.


    Kim sah auf Semir und Ben, als diese auf dem Trittbrett eines Krankenwagens saßen und von zwei Notärzten untersucht wurden. „Da haben sie sich ja mal wieder in eine sehr missliche Lage gebracht. Sie können aber auch nie auf Verstärkung warten.“, tadelte sie die beiden Männer und blickte sie mit einem lehrenden Blick an. „Chefin...wie sollte ich denn ahnen. Dass diese Kerle mich kriegen?“, stieß Ben aus und schrie auf, als der Arzt die Wunde am Arm unaufmerksam streifte. „Schreien sie nicht so. Ist doch nur ein kleiner Kratzer.“, murmelte der Arzt und schnitt den Rest des Mulls ab. Semir grinste ihn nur an. „Gerkhan, das ist nicht witzig. Wenn sie nicht rechtzeitig aus dem Haus gekommen wären, dann würden hier jetzt zwei tote Polizisten und ein toter Reporter liegen.“, knurrte Kim. „Dafür haben wir jetzt die Beweise, dass Petersen hinter all dem steckt.“, erklärte der Deutschtürke und sah den Arzt an. „Kann ich jetzt aufstehen?“, wollte er ungeduldig wissen. „Mir wäre es lieber, wenn sie mit ins Krankenhaus kommen. Wer weiß, wie viel Rauch sie eingeatmet haben.“, erklärte der Mann. „Nein, das geht nicht. Wir müssen die Beweise holen. Max hat uns gesagt, wo sie sind. Cem hat sie bei sich zu Hause.“, erwiderte Semir und blickte seine Chefin mit einem aufgesetzten Hundeblick an. „Semir, sie und Ben gehören in ein Krankenhaus. Ihr Kollege hat leichte Verbrennungen und eine Schusswunde. Ich kann sie unmöglich ermitteln lassen.“, erwiderte sie mit harter Miene. Doch Semirs Blick ließ ihre Härte schneller schmelzen, als ein Eis in der heißesten Wüste. Kim seufzte laut auf. „Aber danach bleiben sie mindestens zwei Wochen krank geschrieben und wehe, sie schrotten ihren Dienstwagen wieder. Ansonsten geht es für sie ab zur Bahnhofspolizei. Dann können sie verzweifelten Touristen beim Ein- und Aussteigen helfen. Ist das klar?“, drohte sie. Semir und Ben schluckten. „Glasklar, Chefin...wir haben verstanden.“, erwiderte Ben.


    Semir und Ben sahen den abfahrenden Krankenwagen mit Max im Innern nach und gingen dann selbst zum Wagen. „So, ich fahre.“, erklärte Semir und nahm den Schlüssel aus Bens Hand. „Warum? Das hier ist nur ein Kratzer. Gib mir die Schlüssel.“, forderte Ben und streckte seinen angeschossenen Arm aus. Der Schmerz zuckte wie ein Zitteraal durch seine Adern. „Siehst du...das hast du davon.“, erklärte Semir und ließ die Zentralverriegelung des Autos entsichern. „Ja, ja...“, kam es nur von Ben. Seine Wunde blutete zum Glück nicht mehr und so stieg er endlich ein. „Okay, fahren wir zu Cem. Wo wohnt er jetzt eigentlich?“, wollte Ben wissen und schnallte sich umständlich an. Um seinen verletzten Arm nicht zu streifen, zog er den linken Arm über seinen Kopf, packte den Gurt und zog ihn wieder auf die andere Seite. Semir sah dem Treiben mit einem leichten Genuss zu. „Warte...ich helfe dir Invaliden mal.“ „Danke Papa...“, kam es von Ben zurück. Endlich startete der Wagen und die beiden Kommissare waren auf dem Weg nach Köln. „Sag schon, wo wohnt der Kleine jetzt eigentlich?“, fragte Ben nochmals. „In einer guten Wohnung in Mühlheim.“, erwiderte Semir. „Hast du ihm die besorgt?“ „Ja, auch ich habe gute Kontakte.“, grinste der Deutschtürke und sah seinen Partner an. „Okay...gut...also Papa Semir hat auch mal einen guten Fang gemacht. Schön...dann steuere uns mal da hin und zwar, ohne den Dienstwagen zu schrotten.“, grinste Ben nur.
    Sie brauchten eine gute Stunde bis zur Wohnung von Cem und Shirin. „Geht’s?“, fragte Semir, als sein Partner sich aus dem Sitz schälte. „Ja, geht schon...danke...“, entgegnete Ben und sah an dem Haus hinauf. „Nicht schlecht...wie bist du nur an diesen Tipp gekommen?“, wollte er wissen. Doch Semir tippte nur gegen seine Nase und schwieg ansonsten. Etwas verwirrt sah Ben seinen Freund und Partner an und beide gingen zur Wohnung hinauf. Auf halber Treppe blieben sie abrupt stehen, als sie sahen, dass die Tür nur angelehnt war. „Da stimmt doch was nicht...“, zischte Semir leise und griff nach seiner Waffe. Ben tat es ihm gleich und gemeinsam lehnten sie sich gegen den Türrahmen. Ben stieß vorsichtig mit dem Fuß gegen das Holz und die Tür schwang sachte auf. Sie sahen in den Flur, nichts war zu sehen. Semir nickte seinem Partner zu und ging dann als erstes hinein. Beide nahmen sich ein Raum nach dem anderen vor. Nichts...keiner war zu Hause. „Hier ist keiner.“, meinte Ben und steckte seine Waffe ins Halfter. „Und ich weiß auch, warum.“, stieß Semir aus und zeigte Ben einen Zettel, den er an einem Messer fand. „Verdammt...die haben Cem und seine Freundin.“


    ...

  • Semir ließ sich an der Wand hinunter gleiten. „Verdammt. Das darf doch alles nicht sein.“, stieß er aus und wischte sich über die Haare. „Sie fordern die Beweise und das in sechs Stunden. Da haben wir nicht viel Zeit.“, meinte Ben und sah sich den Brief immer wieder an. „Aber wo können hier die Beweise sein?“, wollte Semir wissen. „Keine Ahnung. Wir müssen dann wohl überall suchen.“, entgegnete Ben und rief Hartmut an. „Rotschopf, wir brauchen dich mal.“ „Ah Ben, gut, dass du anrufst. Ich konnte DNS-Spuren unter dem Fingernagel des Toten aus der Wohnung sicherstellen.“ „Und? Hast du herausgefunden, zu wem sie gehört?“, wollte Ben wissen. „Allerdings...ich hab euch die Ergebnisse per Mail geschickt. So, und wo soll ich hinkommen?“, wollte der KTU-Techniker wissen. Ben beschrieb ihm die Adresse und sagte ihm, er solle sein ganzes Team mitbringen. „Alles klar, ich bin schon auf dem Weg zu euch.“, erwiderte Hartmut und legte auf. Ben steckte sein Handy ein und legte Semir eine Hand auf die Schulter. „Wir finden ihn schon, Semir. Mach dir keine Sorge.“ „Ich mach mir aber sorgen. Immerhin wissen wir, zu was dieser Mistkerl in der Lage ist. Er hat dich und Max fast in Grillhähnchen verwandelt. Wie soll ich mir da keine Sorgen um Cem und Shirin machen?“, zischte Semir und richtete sich wieder auf. Ben sah seinen Partner kurz an. „Hey, ich mache mir auch Sorgen um die Beiden, aber wir müssen erst mal die Beweise finden. Und dann fällt uns sicherlich etwas ein, wie wir sie retten können.“, meinte Ben und sah seinen Partner eindringlich an.
    Semir nickte kurz und knuffte Ben gegen die Schulter. „Hast ja recht. Entschuldige, aber ich habe Angst, dass dieser Mistkerl dem Jungen etwas passiert.“ „Schon okay...ich rufe mal schnell die Daten ab, die Hartmut mir per Mail geschickt hat.“ Ben nahm sein Smartphone und tippte kurz mit dem Finger darauf rum. „Hier...das ist er. Den haben wir doch schon mal gesehen, oder?“, meinte Ben. „Das ist der, der uns bei diesem Kleinganoven vorm Haus angerempelt hat. Wie heißt der? Bruno Faust...“ „Passt irgendwie. Der hat ein Faustschlag drauf, damit könnte der jeden Stein zertrümmern.”, meinte Ben. „Viel interessanter ist sein Werdegang...Soldat im Auslandseinsatz, mehrere Male verwundet...wurde aus der Armee wegen Misshandlung unschuldiger Zivilisten unehrenhaft entlassen.“, las Semir vom Handy ab. „Ich frag mich, warum dieser Kerl für einen wie Petersen arbeitet. Sicherlich, weil so einer keine Fragen stellt, wenn man ihm einen Auftrag gibt.“, dachte Ben laut nach. Semir konnte nur nicken. Im Treppenhaus waren Schritte zu hören. „Ah Hartmut, da seid ihr ja. Stellt hier alles auf den Kopf. Wir suchen so etwas wie eine CD oder einen Usb-Stick.“, erklärte Ben. Der Rotschopf nickte und machte sich mit seinem Team gleich an die Arbeit. „Übrigens...die CD, die ihr mir gegeben habt. Ganz schön brenzliges Material. Ich hab euch das mal alles mitgebracht.“, erklärte Hartmut und reichte einen Stapel Papiere weiter. Sofort nahm Semir diese an sich. „Damit können wir ihm eine Falle stellen.“, stieß er aus. Ben nickte nur. „Hartmut, wir müssen los. Wenn du was findest, dann ruf uns an. Auch jedes noch so kleine DNA-Krümelchen ist wichtig.“ „Toll...bedeutet ja nur mehr Arbeit für mich.“, grummelte Hartmut leise in sich hinein und widmete sich dann aber seiner Arbeit.


    „Hier...alles aufgelistet...bis ins kleinste Detail. Jegliche Bestechung, die Jörn Petersen vorgenommen haben soll. Und für alles schien Kaufmann einen Beweis zu haben.“, erklärte Semir, während Ben fuhr. Sein verletzter Arm behinderte ihn zwar etwas, doch der junge Hauptkommissar biss die Zähne zusammen. „Was sollen wir eigentlich machen, wenn wir die Beweise haben?“, fragte er. Semir sah auf den Zettel. „Wir sollen Petersen auf der angegebenen Handynummer anrufen und dann wird er uns sicherlich einen Treffpunkt sagen.“, erwiderte Semir. Ben nickte nachdenklich und brummte kurz auf. „Was hast du?“, fragte Semir und sah seinen Partner an. „Nun ja...der Zettel ist für Max. Ich frage mich, woher Petersen wissen sollte, dass Max überleben würde. Es sei denn, er hat uns aus sicherer Entfernung dabei zugesehen, wie wir aus dem Haus gekommen sind.“, erklärte Ben. „Daran hab ich noch gar nicht gedacht. Dann hat er Cem und Shirin aus einer Kurzschlusshandlung heraus entführt. Das war also nicht geplant.“ „Und was denkst du, wird er machen, wenn Max dort auftaucht. Er wird ihn sicherlich über den Haufen knallen.“ „Nur, Max ist im Krankenhaus. Der wird so schnell nirgends hin können. Wir müssen uns was einfallen lassen.“, stieß Semir aus.
    „Ich hab’s.“, kam es von Ben. Semir sah seinen Partner an. „Dann schieß mal los, Keule.“, forderte er. „Ganz einfach. Du wirst hingehen und ich schleiche mich von hinten an die Kerle ran und überwältige sie.“, erklärte Ben mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. „Toller Plan...wirklich ganz toller Plan.“, maulte Semir nur und sah nach vorne, während er über Bens Vorschlag nachgrübelte. „Okay, dann eben nicht.“, grummelte Ben nur und machte ein auf bockiges Kind. „Warte mal...das ist gar nicht so dumm.“, kam es dann von Semir. „Doch, wir machen es so. Nur mit etwas mehr Unterstützung.“, erklärte der Deutschtürke und griff zum Handy. „Chefin, ich bin's. Wir brauchen ihre Hilfe.“, meinte er und erklärte ihr dann, was er sich vorgestellt hatte. „Gut Semir...ich organisiere alles. Bitte passen sie aber dennoch auf sich auf.“ „Geht klar, Chefin.“, erwiderte Semir und legte auf. „Jetzt müssen wir nur noch eins tun.“ Er nahm wieder das Handy und wählte die Nummer, die auf dem Zettel stand.


    ...

  • Jörn Petersen sah auf die große Kiste, die vor ihm stand. „Fühl dich wohl da drinnen. Lange wird es sicher nicht dauern.“, lachte er und horchte auf, als er sein Handy auf den Tisch vibrieren hörte. „Ja?“, meldete er sich und hörte einen Moment zu. „Sie haben also meinen Zettel gefunden? Sehr schön...nur, damit eins klar ist, Gerkhan, eigentlich sollte Prahl kommen. Wenn sie auch nur einen Trick versuchen, dann werden die beiden Küken draufgehen. Und sie gleich mit. Ich hoffe, wir verstehen uns.“ Semir bejahte dies. „Es geht doch...also, kommen sie zum alten Recyclinghof außerhalb von Düsseldorf. Ich gebe ihnen eine Stunde. Wenn sie bis dahin nicht hier sind, kann ich für das Überleben der beiden Turteltäubchen nicht mehr garantieren.“, lachte Petersen und legte auf. Bruno und Daniel sahen ihren Chef an. „Ist alles vorbereitet?“, wollte Jörn Petersen wissen. „Alles ist so, wie sie es wollten. Der Junge ist in der Kiste verstaut, gut verschnürt und geknebelt, und das Mädchen sitzt über dem Becken, ebenfalls gut verschnürt.“, erklärte Bruno und grinste hämisch. „Obwohl ich mir mit ihr etwas anderes, viel schöneres vorstellen könnte.“, lachte er. „Dieses Mal nicht, Bruno.“, meinte Petersen und stimmte in das hämische Grinsen ein. „Was ich nicht verstehe, Boss, wieso knallen wir sie nicht einfach ab.“, wollte Daniel wissen. „Weil ich so meine Rache noch besser auskosten kann. Er muss sich für eine Person entscheiden, die er rettet, während die andere qualvoll stirbt. Er wird das Gefühl des Versagens haben. Und das wird das letzte sein, was er merkt, bevor ich ihn töte.“, erklärte Petersen sein Plan und sah auf seine Uhr. „Wir haben noch Zeit. Sucht euch gute Überblicksmöglichkeiten. Ich will keine bösen Überraschungen erleben. Diesen Bullen ist nicht zu trauen.“, erklärte er und zündete sich eine Zigarette an. Bruno und Daniel nickten, nahmen ihre Schnellfeuergewehre und gingen auf ihre Posten.
    Semir und Ben kamen gut durch den Verkehr bis zum alten Recyclinghof. Der Wagen stoppte einige Meter vor der Einfahrt. „Und hier steige ich aus.“, grinste Ben nur und schwang sich aus der Tür. „Vergiss nicht deine Schutzweste, falls was schief geht.“, mahnte Semir. Ben nickte und nahm sie aus dem Kofferraum. „Hier ist deine...zieh sie am Besten unter den Pullover an, damit man sie nicht sieht.“ „Bin ja kein Anfänger mehr.“, grinste Semir und fuhr weiter, während Ben sich gewagt über den Zaun schwang und auf andere Weise ins Gebäude zu gelangen versuchte. Semir bog in die Auffahrt ein, stoppte und stieg aus. Schnell war die Weste angelegt und der Pullover drübergestreift. Doch irgendwas sagte ihm, dass es gleich sehr ungemütlich und gefährlich wurde. Ob das stimmte?


    Jörn Petersen drehte sich um, als er Geräusche in der Nachbarhalle hörte. Er griff zu seinem Handy und wählte Bruno an. „Es geht los. Haltet die Augen offen. Ich will keinerlei Überraschungen erleben müssen.“, erklärte er nochmals seinen Plan. „Geht klar, Chef...ich bin auf der äußeren Umrandung. Bisher keinerlei Auffälligkeiten.“, erwiderte Bruno nur und legte dann auf. Petersen steckte sein Handy weg und zog sich schwarze Handschuhe über, während er den letzten Rest seiner Zigarette tief inhalierte und den Stummel danach aus dem Mund spuckte. Aus dem Hosenbund zog er seine Waffe und richtete sie auf die Öffnung. Deutlich waren die Schritte zu hören, die sich durch die erste Halle auf die Tür zu bewegten. Er sah eine Silhouette und schoss. Der Schatten blieb erschrocken stehen und hob die Hände über den Kopf. „Glück gehabt.“, stieß Petersen aus und kam auf die Silhouette zu. „Los Hände hoch und Waffe auf den Boden...“, forderte er. Der Schatten hob die Hände und trat ins Licht. „Gerkhan...sehr schön. Wo ist ihr Partner?“, fragte Petersen. Semir legte die Waffe auf den Boden und kickte sie so weg, dass er sie wenigstens noch sehen konnte. „Der parkt gerade den Wagen. Es ist sehr schwer, hier einen guten Parkplatz zu finden.“, erwiderte Semir nur. „Das Witze reißen wird ihnen gleich vergehen. Wo sind die Beweise?“, forderte Petersen und streckte die Hand aus.
    Semir nahm die CD aus seiner Jacke und musste dabei aufpassen, nicht den Pullover aus der Jeans zu ziehen. So wäre sonst die schusssichere Weste aufgeflogen und Petersen hätte etwas geahnt. Vorsichtig hielt er sie dem Mann hin. Mit einem triumphalen Grinsen kam Petersen näher und riss die Hülle mitsamt der Scheibe dem Deutschtürken aus der Hand. „Wo sind Cem und Shirin?“, fragte Semir und sah sich um. Der Baulöwe sah hoch. „Wer? Oh, sie meinen die beiden Türken? Keine Sorge, sie sind hier...es gibt da nur eine Schwierigkeit. Sie können nur einen retten.“, grinste Petersen ihn an. Semir blickte in das Gesicht des Mannes. Ihm traute er wirklich alles zu, doch wie war das gemeint? „Oh, sie grübeln ja richtig. Dann will ich es ihnen erklären. Der kleine Türke ist in einer Kiste eingesperrt und diese befindet sich am rechten Ende des Gebäudes auf dem Fließband der Verbrennungsanlage, während sich die kleine Türkin es auf einem Stuhl über dem Schmelzkessel befindet, in dem sonst Aluminiumreste eingeschmolzen werden. Das ist genau am entgegengesetzten Ende. Und jetzt entscheiden sie sich. Nehmen sie die linke oder die rechte Tür?“, fragte Petersen und ging um Semir herum, bis er die Ausgangstür im Rücken hatte. „Sie sind ja krank. Lassen sie meine Freunde frei.“, forderte Semir und machte einen Schritt auf den Mann zu. „Aber...aber...ich werde ihnen doch nicht den Spaß nehmen. Sie können beide retten. Das heißt, wenn sie schnell genug sind. In sieben Minuten werden ihre beiden Freunde sterben. Rennen sie, Gerkhan...rennen sie.“ Semir sah den Mann an und rannte los. Er entschied sich für den rechten Weg, also zu Cem. Während des Rennens zog er sein Handy hervor und rief Ben an. „Ben...du...du musst Shirin retten. Sie ist im linken Gebäudeteil über einem Kessel. Beeil dich...“, forderte Semir. „Schon unterwegs...“, erwiderte Ben, doch würde er rechtzeitig kommen?


    ...

  • Kim kam mit den Kollegen gerade auf den Hof gefahren, als sie Jörn Petersen aus dem Gebäude spazieren sah. Verdutzt blickte er auf die vielen Polizeiwagen. „Petersen, ich nehme sie wegen dreifachen Mordversuchs fest. Außerdem wegen des Mordes an Toni Kaufmann und dem Ehepaar Gambetti und wegen mehrerer illegaler heißen Sanierungen.“, zählte Kim die Anschuldigungen auf, während drei Kollegen den Mann packten, ihn auf eine Motorhaube drückten und ihn mit den stählernen Armbändern fesselten. Sie richteten den Mann wieder auf. Dieser sah Krüger mit überheblichem Grinsen an. „Sie haben keinerlei Beweise für all das.“, grinste er, doch Kim zog seine Jackentasche auf und förderte die CD zutage. „Da sich das hier in ihrem Besitz befindet, denke ich, dass wir genug Beweise haben.“, erklärte sie wiederum mit einem triumphierenden Gesicht. „Abführen.“ Petersen wurde weggebracht. „Und jetzt sehen wir nach Semir und Ben...“, meinte sie und rannte mit ihrer Waffe in der Hand los. Plötzlich zerrissen aber Schüsse die Luft und danach ein Schrei. War das Semir oder Ben? Wurde einer der Beiden getroffen?


    Semir rannte durch das Gebäude. Seine Lungen brannten und die schwere Weste unter seinem Pullover half nicht gerade dabei, den Raum vor der Zeit zu erreichen. Er schwitzte ohnehin schon. Irgendeine starke Wärmequelle musste ganz in der Nähe sein. Die Heizung konnte es wohl kaum sein, dachte er im Scherz und rannte weiter. Vor ihm lag die Tür und es wurde immer heißer. Semir griff zu seinem Halfter, doch es war leer. Verdammt...stimmte ja, die Waffe lag noch im Vorderraum. Es blieb ihm keine andere Wahl. Der Deutschtürke stoppte in der Tür und presste sich an den Türrahmen. Der Raum war leer. Doch dumpfe Geräusche drangen aus der Kiste, die auf einem Fließband lag. Cem...schoss es Semir sofort durch den Kopf. Das hölzerne Gefängnis bewegte sich weiter auf den feurigen Schlund zu bewegte. Ohne jegliche Vorsicht rannte Semir in den Raum hinein, sprang auf das Förderband und versuchte, die Kiste von der beweglichen Plattform zu ziehen. Cems dumpfe Schreie drangen an Semirs Ohr. „Ganz ruhig, Cem. Ich hab dich in einigen Minuten da wieder raus.“, stieß Semir aus und zerrte an der Kiste, doch sie rührte sich nicht vom Band. Etwas schien sie daran fest zu halten. Verdammt, dachte Semir und sah sich gehetzt nach einer Möglichkeit um, das Ding irgendwie aufzubrechen. Es waren nur noch gute siebzehn Meter, bis die Kiste in den Feuerofen fallen würde. Da...da in der Ecke lag ein Brecheisen. Sofort sprang Semir vom Band und nahm das Werkzeug in die Hand. Mit schnellen Schritten rannte er zur Kiste zurück, rammte das Ende in den Deckel und stemmte sich mit aller Kraft auf den Hebel. Es dauerte gefühlte Stunden, bis das Holz nachgab und Cem wie ein Springteufel aus dem Gefängnis kam. „Cem...alles in Ordnung mit dir?“, fragte Semir erleichtert. „Mhmmhhhppfffff...“, stieß der junge Türke durch das Klebeband aus. „Warte...ich zieh dich erstmal aus der Kiste.“ Doch daraus sollte nichts werden.
    Bruno stand auf der Balustrade und sah auf das Fließband. „Gleich gibt es einen gerösteten Türken in der Kiste...“, grinste er und genoss richtig jeden einzelnen Zentimeter, die die Kiste weiter auf den Ofen zu fuhr. Lässig stand er da, hatte seine Maschinenpistole hinter sich an die Wand gelehnt und zog an einer Zigarette. Das Auftauchen von Semir überraschte ihn vollkommen. „Verdammter Bulle...“, stieß er aus und warf den letzten Rest des Glimmstängels in die Ecke. „Musst einem aber auch alles kaputt machen.“ Bruno griff nach seinem Gewehr und rastete den Munitionsblock in die Verankerung ein. Semir war gerade dabei, Cem aus der Kiste zu helfen, als die erste Salve von Bruno abgeschossen wurde. Sie verfehlte die Beiden nur um Haaresbreite. Semir duckte sich, doch eine Kugel erwischte ihn am Oberarm. „Ahhhhh...verdammt, immer die gleiche Stelle. Als ob ich da einen Magneten drin hab.“, knurrte er, packte Cem unter den Armen und zog ihn mit aller Kraft und einem Urschrei aus der Kiste. „Du bist schwer geworden...“, keuchte Semir und rannte los. „Mmmmmhhh...“, knurrte Cem nur und versuchte, sich so leicht wie möglich für Semir zu machen. Immer wieder zischten die Kugeln an ihnen vorbei, manche gefährlich nahe an den Köpfen der Beiden. „Dieser verdammte Kerl...“, keuchte Semir nur und spürte einen weiteren, dieses Mal aber heftigeren Schlag in der Schultergegend. „Scheiße...“, fluchte er. Schnell warf er Cem und sich in eine Ecke hinter eine große Schalttafel. Hier kamen die Kugeln sicher nicht durch. Oder doch? Er konnte jetzt nur noch auf Hilfe von außen hoffen.


    ...

  • Ben sprang durch ein mit Pappe bespanntes Fenster und rollte sich gekonnt auf dem Boden ab. „So, drinnen wäre ich schon mal...“, murmelte er leise und sah sich um. Aus der Mitte des Raumes kam ihm ein panisches, ersticktes Schreien entgegen. „Oh verdammt...“, stieß er aus, als er Shirin über dem kochenden Kessel mit den Aluresten schweben sah. „Halt durch, Kleines. Ich hol dich gleich da runter.“, rief er und sah, wie sich der Stuhl langsam, aber stetig nach unten bewegte. Ben musste sich etwas einfallen lassen. Er ging zum Schaltpult und sah auf die verschiedenen Knöpfe und Hebel. Einer von denen würde den Stuhl mit Shirin wieder nach oben ziehen. Aber welcher? Bevor er es ausprobieren konnte, traf ihn ein harter Gegenstand im Rücken. Erschrocken krachte er auf das Pult und drehte sich um. Die braunen Augen des jungen Hauptkommissars weiteten sich, als er das Rohr auf sich zufliegen sah. Im letzten Moment warf er sich rettend zur Seite, rollte sich ab und ging in Abwehrstellung gegen seinen Angreifer.
    Daniel schlug mit einem großen Rohr auf den Kommissar ein, doch dieser wich zur Seite und duckte sich immer wieder, als er mit dem Metallkörper nach ihm schlug. „Halt endlich still, du Mistkerl.“, stieß der Gangster aus und Schlug erneut zu, aber wieder verfehlte er Ben. Der tänzelte um seinen Gegner rum und wartete auf den günstigsten Augenblick. Daniel holte zum neuen Schlag aus. Jetzt sah Ben seine Chance, holte mit dem Fuß aus und trat mit brachialer Wut gegen die Brust des Mannes. Der Mann flog nach hinten, landete mit dem Kopf gegen einen eisernen Pfeiler und blieb benommen liegen. Ben, vollkommen außer Atem, ging auf den Mann zu und überprüfte seine Vitalfunktionen. „Hast Glück gehabt...oder auch nicht...“, stieß er aus, zog seine Handschellen hervor und wollte sie dem Kerl anlegen. Doch die Bewusstlosigkeit schien nur gespielt. Daniel riss die Augen auf, packte Bens Arm und schmiss ihn auf den glühend heißen Kessel zu. Vollkommen überrascht schlidderte der junge Kommissar über den Boden fast in die höllisch glühende Feuerstelle des unter dem Kessel befindlichen Ofens. Er konnte sich noch rechtzeitig wieder abfangen und blieb regungslos liegen. Er musste diesen Kerl ausschalten. Im Hintergrund hörte er das erstickte Schreien von Shirin, die immer weiter Richtung Kesselinneres sank.


    Ben rollte wieder vor und kickte seinem Angreifer die Beine weg, sodass dieser mit dem Gesicht gegen den heißen Kessel fiel. Ein Urschrei durchdrang die Halle und jede Zelle von Bens Körper. Der Mann krümmte sich vor Schmerzen und hielt sich die Hände schützend vors Gesicht. Ben richtete sich auf, nahm den Mann ruppig an der Schulter und zog ihm die Arme auf den Rücken. „Du hättest mich nicht provozieren und dich lieber festnehmen lassen sollen. Jetzt hast du den Salat.“, knurrte Ben und ließ die Handschellen einrasten. Schnell rannte er wieder zur Konsole und suchte nach dem richtigen Schalter. Panisch wanderten seine Augen über das Pult, ehe er sich entschloss, einen Hebel nach oben zu drücken. Erwartungsvoll sah er auf die Kette. Sie bewegte sich nach oben. Erleichtert atmete Ben auf und ließ den Kran herumfahren und dann Shirin auf den sicheren Boden. „Bist du in Ordnung?“, fragte Ben, als er den Knebel entfernt hatte. Sie nickte vollkommen aufgelöst und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sicherheit – endlich in Sicherheit, dachte sie und klammerte sich an die Schulter ihres Retters. „Jetzt bist du in Sicherheit.“, meinte Ben und strich ihr beruhigend über den Kopf und den Rücken entlang. „Wo...wo ist Cem? Ist er...?“, fragte sie stammelnd und schluchzte die letzte Träne vor sich hin. „Er ist auch hier. Semir ist bei ihm. Sicherlich sind sie schon auf dem Weg hierher.“, versicherte Ben. Doch da sollte er sich sehr irren.
    Semir drückte sich, soweit es die Wunde in der Schulter zuließ, gegen das Pult und Cem fest an sich. Noch immer streiften Kugeln das kleine, eiserne Pult, hinter dem sie in Deckung gegangen waren. Verdammt, wann gehen dem Kerl denn mal die Kugeln aus?, dachte Semir nur und verfluchte sich selbst. Wie konnte er nur vergessen seine eigene Waffe wieder aufzunehmen? Cem, noch immer geknebelt, stieß seinen älteren Freund immer wieder mit dem Kopf an. „Ja, warte...ich befreie dich gleich davon.“, meinte Semir und riss mit einem kräftigen Ruck das Klebeband von Cems Mund. „Aaahhh... das hättest du auch ein bisschen sanfter machen können.“, quengelte Cem mit leidiger Stimme. „Jetzt zier dich nicht so. Es ist doch ab, oder?“ „Ja, und meine Lippen sicherlich auch.“ „Ruhe...ich muss mir was überlegen, wie ich den Kerl dort oben ausschalten kann.“, stieß Semir aus und wagte in einer Feuerpause seinen Kopf vorsichtig aus dem Versteck vor. Der Mann auf der Empore schoss erneut, als er Semir erblickte, doch der Deutschtürke konnte rechtzeitig den Kopf zurückziehen. „Verdammt, so schnell kommen wir hier nicht raus.“, stieß der Deutschtürke aus und überlegte, wie er den Kerl überlisten konnte. Doch die Schulter...die Kugel schmerzte und das Blut sickerte immer mehr aus der Wunde auf den Boden. Nein, so würde er nicht lange kämpfen können.


    ...


    Wo sind denn die Feeder?

  • Kim und ihre Kollegen gingen den Schüssen nach. Vorsichtig näherten sie sich dem Raum, aus denen sie den Waffenlärm hörten. „Dieter, sie kommen mit mir die Treppe rauf. Die anderen gehen vorsichtig in den Raum rein. Aber bleibt unter der Empore.“, stieß Kim leise aus, nachdem sie einen kurzen Blick durch die Öffnung geworfen hatte. Dieter nickte und ging mit Kim dann leise nach oben. Das Ende der Treppe war erreicht, unbemerkt schlichen sie in den Rücken des Schützen. „Bereit Bonrath?“, fragte Kim ihren Kollegen. Dieser nickte nur und zog vorsichtig schon die Handschellen von seinem Gürtel. „Auf drei...“, flüsterte sie und zählte mit ihren Fingern deutlich sichtbar runter. Bei drei sprang sie auf und rammte den Mann ihre Pistole in den Rücken. „Polizei...Hände hoch und langsam die Waffe runter.“, stieß sie aus. Bruno hob langsam den Arm und ließ sich widerstandslos die Maschinenpistole abnehmen. „Bonrath...“ Sofort kam Dieter, riss dem Mann die Arme auf den Rücken und legte ihm Handschellen an. „Abführen...“, forderte Kim und sah über die Brüstung. „Semir...sind sie okay?“, rief sie. „Chefin...ich...ich brauch einen Arzt. Der Kerl hat...hat mich in der Schulter erwischt.“, erwiderte der Deutschtürke. „Bleiben sie dort unten und bewegen sie sich nicht. Der Arzt kommt gleich zu ihnen.“, meinte Kim und gab über Funk den entsprechenden Befehl.


    Von Kim informiert, saß Andrea mit Wut im Bauch auf dem Gang des Krankenhauses. Wieso nur musste ihr Mann so unvorsichtig sein und sein Leben wieder einmal riskieren? Wieso zog er nie eine schusssichere Weste an? „Was geht in diesem Kerl nur vor?“, fauchte sie laut. „Andrea? Alles in Ordnung?“, fragte Ben. Sie sah auf und nahm ihm den Kaffe ab, den Ben ihr mitgebracht hatte. „Warum Ben? Warum liegt er schon wieder da drinnen und wird operiert? Langsam können wir bei der Krankenkasse Rabatte beantragen, soviel Metall, wie sie schon aus ihm herausgeholt haben.“, kam es mit bitterer Miene von Andrea. Ben schmunzelte und kicherte kurz auf, verstummte aber, als er das ernste Gesicht der Frau seines besten Freundes sah. „Sieh mal...er hatte eine Schutzweste an. Es war wirklich nicht seine Schuld, dass die Kugel durch das dünne Schulterteil in ihn eingedrungen ist. Das war einfach Pech. Du weißt doch, so was passiert sehr schnell.“, versuchte Ben sie zu beruhigen. „Ich mache mir große Sorgen um ihn.“, erklärte Andrea und ließ den Kopf nach hinten fallen. „Wenn es irgendwann zu spät für ihn ist, was soll ich dann machen? Ben, das würde ich nicht schaffen. Wie soll ich das Haus und die beiden Kinder ohne Semir versorgen?“ Ben sah sie an. „Daran darfst du nicht denken. Semir ist unverwüstlich. Was der Kerl schon alles überstanden hat.“, meinte Ben grinsend. Andrea wollte etwas erwidern, als das Bett mit Semir aus dem OP-Bereich geschoben wurde.
    „Doktor, wie geht es meinem Mann?“, fragte Andrea und war von ihrem Stuhl aufgesprungen. „Ihrem Mann geht es sehr gut. Die Kugel hat den Knochen zersplittert, aber wir konnten ihn soweit mit Schrauben stabilisieren. Der Arm und die Schulter müssen mindestens vier bis acht Wochen im Gips bleiben. Er schläft im Moment noch, aber in einigen Stunden wird er aufwachen und dann können sie zu ihm.“, erklärte der Arzt und ging weiter. Ben stand auf und nahm Andrea an den Schultern in die Arme. „Siehst du, es ist alles gut gegangen.“, meinte er. „Ja, jetzt...aber was, wenn die Kugel nur einige Zentimeter weiter unten in seinen Körper eingedrungen wäre?“ „Dann hätte er jetzt einen blauen Fleck auf der Brust.“, lächelte der junge Hauptkommissar. „Sieh mal...die heutigen Schutzwesten halten wirklich alle Kugeln ab. Es sei denn, man hätte mit einen Panzer auf Semir gefeuert.“ Andrea musste lachen. „Siehst du, du hast deinen Humor wieder gefunden. Komm, wir warten, bis Semir aufwacht.“, schlug er vor. Andrea nickte und ging mit ihm zur Station, wohin man ihren Mann brachte.


    Einige Stunden später wachte Semir auf der normalen Station auf und blickte sich vorsichtig um. „Semir...endlich bist du wach.“; meinte Andrea erleichtert, als sie sah, wie ihr Mann die Augen aufschlug. „An...Andrea...wo sind die Kinder?“, wollte er wissen und versuchte, sich aufzurichten. „Nicht...deine Schulter ist im Gips und darf nicht bewegt werden. Ben passt auf die Kleinen auf. Das war sein Vorschlag und ich habe ihn gerne angenommen, obwohl Ben auch fertig war.“, erklärte die zweifache Mutter. Semir nickte und ließ sich wieder zurück ins Kissen fallen. „Wie lange muss ich hier drin bleiben?“, fragte er. Andrea lachte auf. Es war klar, dass Semir am liebsten das Krankenhaus direkt vom OP-Tisch wieder verlassen wollte. Wer blieb schon gerne so eine lange Zeit in solch einem kleinen, steril eingerichteten und tristen Zimmer? „Der Arzt meint, du musst ungefähr vier Wochen hier bleiben. Danach kannst du nach Hause und in acht Wochen nehmen sie dann die Schrauben raus.“, erklärte Andrea und strich ihren geliebten Mann über den Kopf. Entsetzt blickte Semir sie an. „Was? Ich...ich soll vier Wochen hier im Bett bleiben?“, stieß Semir mit entsetztem Blick aus. „Was denn? Hältst du meine Gesellschaft so lange nicht aus?“, kam es aus dem Nebenbett. Semir blickte sich fragend um, schob den Vorhang beiseite und erblickte einen etwas leicht blass dreinblickenden Max Prahl, der ihn frech angrinste. Semir lachte auf und reichte ihm die gesunde Hand. „Na, wenn das so ist, dann vergehen die Wochen wie im Fluge.“, lachte der Deutschtürke.




    Ende.



    Aber Semir und Ben ermitteln weiter ... „Ausgewechselt“
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    So, das wars wieder. Die nächste Story startet am 20. April. Bis dahin. Habt viel Spaß ;)

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