Paranoia



  • Prolog


    Wir müssen ihn kriegen…


    Er rannte, rannte so schnell wie seine Füsse ihn tragen konnten. Das Quietschen der Reifen, die hinter ihm her waren, konnte er laut und deutlich hören. Das Herz klopfte heftig gegen den Brustkorb und die eisige Luft brannte in seinen Lungen. Die kalten Regentropfen peitschten in sein Gesicht.
    Schüsse, die aus Pistolen mit Schalldämpfer abgefeuert wurden, schlugen direkt neben seinen Füssen ein. Die giftgrüne Kleidung die er trug, hatte sich an die Haut gesogen und war wie ein zusätzliches Gewicht für seinen Körper. Bald würde er das nicht mehr durchhalten. Er musste ein Versteck finden, so schnell es nur ging. Alles was er sah, war verschwommen, so auch seine Erinnerungen. Warum war er eigentlich auf der Flucht? Wieso waren Anzugträger mit Sonnenbrillen hinter ihm her und fuhren schwarze Jeeps? Wieso trug er nur diese grüne Hemd und diese dazugehörige Hosen?
    Er war barfuss und die Füsse waren bereits blutig gelaufen, als er wieder bei Sinnen war.
    Es war mitten in der Nacht. Er befand sich noch in Köln, das war ihm klar. Aber wo? Köln war keine kleine Stadt und vom Stadtzentrum selbst musste er weit entfernt sein. Es war ein Viertel, eines der älteren, den Gebäuden umrissen nach. Die Strassen waren leer und in allen Häusern war das Licht aus. Wieso hörte niemand seine verzweifelten Schreie, wieso half ihm niemand?
    Von seiner Stirn aus rann feuerheisses Blut in sein linkes Auge. Es brannte fürchterlich und nahm ihm noch zusätzliche Sicht. Er konnte wirklich beinah nichts mehr sehen. „Hilfe, warum hilft mir denn keiner?“, schrie er in die stille Nacht, doch er erhielt einfach keine Antwort.
    Er rutschte aus und landete bäuchlings auf den Boden. Wasser, das sich auf dem Asphalt gesammelt hatte, wurde in kleinen Wassertropfen in die Luft geschleudert und landete auf seinem schon durchnässten Körper. Er richtete sich wieder auf und rannte weiter, so sah er nicht, dass sich Blut in der Wasserlache gesammelt hatte, das von seinem Körper ausgetreten war.


    …er ist eine Gefahr…


    Er flüchtete in eine enge Seitengasse, wo die Autos nicht einfahren konnten. Er stellte sich unter einen Schutz und wusch sich sein längeres Haar aus dem Gesicht. Dabei geriet auch wieder etwas Blut an die Hände, was aber sofort vom Regen weggewaschen wurde. Wo sollte er nur hin? Die Autos würden bald anhalten und die Typen würden zu ihm gelangen.
    „Ich kann nicht mehr“; sagte er leise und kaum hörbar. Sein ganzer Körper zitterte und eine ungeheuerliche Schmerzwelle erfasste seinen Körper. Ausgestrahlt von der linken Seite seines Unterleibes. Als er dort hin griff, spürte er Bissabdrücke. Große Bissabdrücke.
    Was zum Teufel hatte er ihn da gebissen?
    Er sah sich um. Und sah zunächst nichts. Gerade als er beruhigt ausatmen wollte, blickte er in die Mündung einer silbernen Waffe. Ein maskierter Hüne stand vor ihm und drückte ab.


    „Auf Wiedersehen Ben Jäger“


    Ben schreckte auf und sah sich um. Er befand sich in seinem Bett und die Decke war vor seinem Körper geschlagen worden. Er war schweissüberströmt und alles zitterte. „Was war das für ein bekloppter Traum?“, fragte er sich und richtete sich vollends auf. Dabei zog sich ein heftiger Schmerz durch seine linke Seite. Er hob sein Unterhemd und rieb sich über die schmerzende Stelle. Sofort erfasste seine Hand etwas Feuerheisses und als er seine Hand wieder wegzog, war sie mit Blut beschmiert. „Ach du Scheisse…“, zitterte er und stieg aus dem Bett. Dabei versuchte er sich so weit wie möglich zu bewegen. Er lief zu seinem Badezimmer und erblickte sich im Spiegel. Wieder zog er das Unterhemd ein wenig hoch.
    Eine Art Bisswunde wurde sichtbar. Abdrücke von Zähnen leuchteten feuerrot über die Seite und die Haut war blau-violett gefärbt. Feine Rinnsale aus Blut liefen aus den Wunden. „Das kann nicht sein…“, stieß er aus und suchte nach Verbandszeug. „Ach verdammt, ich wollte mir ja welches kaufen…“, stieß er schmerzerfüllt aus und hielt sich am Waschbecken fest.
    Er konnte nur eins tun. Er suchte sein Handy und wählte eine Nummer. „Hoffentlich ist er nicht allzu Böse auf mich!“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 1.


    Semir Gerkan lag zusammen mit seiner Andrea im Ehebett, eng aneinander kuschelnd so, als wollten sie sich nie mehr loslassen. Es war Nacht, inzwischen schon Montag und der Deutschtürke musste am diesem Tag wieder arbeiten und das mit Hotte Herzberger an seiner Seite, da sein Partner eine Woche Urlaub genommen hatte.
    Er genoss die Wärme seiner Frau, ihre zarte Haut und ihr lockiges Haar. Er wollte nicht schlafen, er wollte sie einfach spüren. Ihrem ruhigen, leichtem Atem zuhören und spüren, wie sich der Brustkorb hob und sank.
    Manchmal fragte er sich, wie er ein solches Glück verdient hatte. Eine wunderbare Frau, zwei bildhübsche Töchter und einen Partner, der ihn alles mit Tom vergessen liess, ihn vergeben liess und sogar Patenonkel seiner jüngsten Tochter war – ein bester Freund, wie man ihn sich nur wünschen konnte und den er schon zwei Mal beinahe verloren hatte.
    Doch Ben war nicht abgehauen wie ein Jan, oder hatte sein Vertrauen gegenüber Semir verloren wie ein Chris. Nein – Ben war wie Tom und Semir hoffte, dass er diesen Partner noch lange an seiner Seite haben würde.
    Verträumt blickte er auf Andrea und strich ihr über die nackte Schulter. Sie regte sich kurz und drehte sich um. Ihre Augen, verschlafen und doch wunderschön. „Du bist noch wach?“, fragte sie schlaftrunken und Semir lächelte. „Wie soll ich bitte schlafen können, wenn ich meinen Blick nicht von deiner unendlichen Schönheit abwenden kann?“ Andrea hob eine Augenbraue und lächelte. „Immer noch der alte Casanova“, flüsterte sie und gab ihrem Mann einen Kuss. Ihre Lippen versiegelten sich und die Hände glitten je zum Körper des anderen. „Mein türkischer Hengst fängt wohl Feuer“, lächelte Andrea und küsste ihren Mann wieder leidenschaftlich. „Der türkische Hengst fängt immer Feuer“, erwiderte Semir und küsste seine Frau auf den Nacken und die Schulter. „Nicht aufhören“, flüsterte Andrea und Semir dachte auch nicht daran. Obwohl sie schon lange verheiratet waren, fühlten sich Beide noch immer so verliebt wie am ersten Tag. Sie hatten grosse Schwierigkeiten zusammenzukommen. Doch mit der Hochzeit vor ein paar Jahren, hatten sie dem ständigen Hin und Her endgültig ein Ende gesetzt gehabt.
    „Ich bin der glücklichste Mann der Welt“, sagte Semir zwischen seinen Liebesattacken und Andrea strich ihrem Mann übers Gesicht. „Und ich die glücklichste Frau…“ Sie wollten wieder zu einem Kuss ansetzen, als Semirs Handy klingelte.


    „Um diese Uhrzeit?“, protestierte Andrea da sie genau wusste, dass ihr Mann nun aufspringen würde, um den Anruf entgegen zu nehmen, was auch geschah. Semir zuckte mit den Achseln und setzte sein unschuldiges Grinsen auf. „Damit kommst du nicht durch!“, zischte Andrea und rollte sich in der Decke ein, um ihren Mann keines Blickes zu würdigen.
    Semir sah auf den Display. Die Nummer war ihm bekannt, aber abnehmen wollte er irgendwie gerne, aber irgendwie auch nicht. „Was zum Teufel will Ben von mir um diese Uhrzeit?“, dachte er laut und Andrea drehte sich zu Semir um. „Ben?“, fragte sie nach und Semir nickte. Andreas Sinne schlugen Alarm.
    „Er ruft nie spät in der Nacht an Semir…nimm‘ lieber ab…“ Semir nickte und nahm ab. „Hey Partner…schon solche Sehnsucht nach mir?“, versuchte er zu scherzen, worauf Andrea nur mit den Augen rollen konnte.
    „Semir…ich störe dich wirklich nur ungern…“, Semir konnte hören das Bens Stimme zitterte, „aber hast du Verbandszeug bei dir Zuhause?“
    „Ja habe ich…hast du dich verletzt?“
    „Ich weiß es nicht…kannst du bitte kommen?“ Semir sah zu Andrea und formte mit den Lippen, „Er hört sich gar nicht gut an!“, worauf Andrea gestisch andeutete, dass er zu ihm gehen sollte. „Alles klar Kumpel…gib‘ mir zehn Minuten…“
    „…danke…das bedeutet mir viel…“ Mit diesen Worten hängte Ben auf. „So habe ich ihn noch nie gehört. Er klang total verängstigt!“ Semir lief zu seinem Kleiderschrank und zog sich um. „Also stimmt wirklich was nicht?“, fragte Andrea besorgt und Semir nickte seufzend. „Deine Sinne lagen mal wieder richtig…“ Normalerweise freute sich Andrea über eine Einsicht von Semir, doch dieses Mal sagte ihr etwas, dass diese Freude nicht berechtigt war. Ausserdem war sie besorgt um Ben. „Warte kurz Semir…bevor du gehst…“ Sie stand auf und zog unter dem Bett einen grossen Erste-Hilfe-Koffer hervor. Sie ging zu ihrem Mann gab ihm den Koffer. „Der ist besser als den, den wir im Bad haben!“
    Semir küsste seiner Frau aus Dank leidenschaftlich und ging dann nach unten, um mit seinem Wagen loszufahren.


    Die Strassen Kölns waren in der Nacht friedlich und ruhig. So kam Semir ohne Probleme durch den Verkehr und parkte seinen Wagen vor dem Appartementhaus, wo Ben wohnte. Er stieg aus und nahm von der Rückbank den Erste-Hilfe-Koffer hervor. Er stand am Eingang und klingelte. „Wer da?“, erklang aus dem Lautsprecher. „Hey Ben ich bin‘s…versprochen ist versprochen!“
    „Super…warte ich mach dir auf…die Tür oben ist offen, komm einfach rein!“
    Es krächzte und Semir stieß die Türe auf. Er lief die Treppen auf und betrat sofort Bens Wohnung, schloss danach die Türe hinter sich zu. „Ben…? Wo bist du?“ „Im Wohnzimmer…“, kam die knappe Antwort und Semir lief direkt in den Raum.
    Ben saß auf der Couch und auf dem Salontisch lagen lauter, blutverschmierte Papiertaschentücher. Semirs Partner war bleich im Gesicht und Augenringe zierten sein Gesicht. Mit neuen Papiertaschentüchern versuchte er eine enorme Bisswunde auf der linken Seite zu säubern. Das Unterhemd war hochgezogen.
    „Ben, um Himmels willen…“ Semir legte den Koffer auf den Tisch und fasste seinen besten Freund besorgt an den Schultern. „Hey Semir…danke dass du gekommen bist…“ Semir nahm Ben die Tücher aus der Hand und sah sich die Wunde an. „Wie ist das denn passiert?“, fragte er, während er das Unterhemd hochhielt und mit der freien Hand nahm er den Erste-Hilfe-Koffer. „Wenn ich dir das sage…glaubst du mir das nie…“, erwiderte Ben und zuckte auf, als Semir begann, die Wunde mit Jod auszuwaschen.
    „Komm Ben…wir sind beste Freunde…das kannst du mir doch sagen! Bist du nach der Schicht noch einen Trinken gegangen und hast dich mit einem Hund geprügelt?“
    Ben schüttelte mit dem Kopf.
    „Bist du schlafgewandelt?“
    Wieder kopfschütteln.
    „Hast du irgendwas nach unserer Schicht gemacht?“
    „Nein Semir…ich…gleich nach unserer Schicht bin ich nach Hause und hab mich hingelegt. Ich habe einen riesen Mist geträumt und als ich aufgewacht bin…hatte ich AUA!“ Semir hob entschuldigend die Arme. „Leg dich mal auf die gesunde Seite, dann komm ich leichter ran!“ Ben nickte und tat wie ihm befohlen. Semir machte die große Lampe nahe dem Sofa an um eine bessere Sicht zu bekommen.
    „Du bist also die ganze Zeit im Bett gelegen?“ Ben nickte auf Semirs Frage. Als dieser wieder begann die Wunde auszuwaschen, spürte er wie sein Partner zitterte.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 2.


    „Es klingt bescheuert nicht wahr?“ Semir zuckte mit den Achseln und nahm ein grosses Pflaster hervor. „Noch klingt es nach gar nichts…vielleicht ist ein Tier in deine Wohnung geschlichen und hat dich gebissen!“, murmelte der Deutschtürke. „Ich werde es mal fotografieren…vielleicht kennt unser Gerichtsmediziner so eine Bisswunde.“ Er nahm seine Handykamera hervor und schoss ein Foto, nachdem Ben das Unterhemd hielt. Danach nahm er das hervor genommene Pflaster und klebte es auf Bens Wunde. „So…und nun mach ich uns was zu trinken…“ Er stand auf und machte Tee. Als er zurückkam, saß Ben mit angewinkelten Knien auf dem Sofa. Die Arme hatte er auf den Knie gebettet und die Hände am Kopf.
    „Hey Kumpel…“, sagte Semir leise und hielt Ben die Tasse Tee hin, „mach dir darum keinen Gedanken. Das finden wir schon raus.“ Ben hob seinen Kopf, lächelte gequält und nahm dankend die Tasse entgegen.
    Semir setzte sich neben seinen Partner. „Entschuldige, dass ich dich so spät aus dem Bett geholt habe…du hast sicher schon geschlafen…“ Semir grinste und zuckte mit den Schultern. „Schlafen ist schön gesagt…ich hatte anderes zu tun…“ Zum ersten Mal war Bens Lächeln ehrlich und nicht verzogen. „Ah ja…erspar‘ mir bitte die Details…“, erwiderte er und Semir winkte ab. „Jedenfalls zu Anfang war ich einfach verwundert aber nun, wo ich mir das so ansehe“, er hob nochmals das Unterhemd um auf das Pflaster zu sehen, „bin ich froh, dass ich hergeeilt bin…“ Ben rieb sich die Arme. „Ist dir kalt?“, fragte Semir besorgt. „Geht schon“, folgte die knappe Antwort, die Semir nicht auf sich sitzen liess. Da er und Ben sich nun schon länger kannten, kannte er auch dessen Wohnung und so holte er eine Decke aus dem Wohnzimmerschrank. Mit dieser ging er zurück zu Ben und legte sie um dessen Schultern. „Soll ich bei dir bleiben?“, fragte Semir besorgt und Ben schüttelte mit dem Kopf. „Ich bin dir schon genug zur Last gefallen…“, meinte Ben leise und Semir rollte mit den Augen. Er schrieb kurz eine SMS an Andrea, dass er bei Ben bleiben würde. „Nein Semir…bitte…“ Doch der Deutschtürke liess sich nicht beirren.
    „Wir haben morgen sowieso Streife, weil alle im Urlaub sind. Große Verbrecherjagden stehen nicht an, ausserdem, sollte die Wunde am Morgen nicht besser aussehen, will ich sowieso mit dir zum Arzt. Denn wenn dich wirklich ein Hund gebissen hat, dann ist’s mir lieber, wenn du noch etwas gegen Tetanus oder Tollwut kriegst!“
    „Aber Semir…“
    „…kein Aber…“Aber’s“ sind für diese Nacht tabu. Deine Couch ist bequem und genug Wolldecken hast du ja“, er strich Ben beruhigend über die Schulter, „und nun geh‘ ins Bett und versuch ein wenig zu schlafen!“


    Die Nacht verlief alles andere als ruhig. Zumindest für Ben. Durch die schrecklichen Schmerzen in der Seite wusste er nicht wie liegen und schlafen konnte er sowieso nicht mehr. Als der Wecker um acht Uhr klingelte, rappelte er sich auf und schlurfte zur Küche, wo es nach frischen Brötchen und aufgesetzten Kaffee roch.
    „Na…“, begrüsste Semir ihn mit einem Lächeln. „Du warst schon beim Bäcker?“, fragte Ben erstaunt und Semir zuckte mit den Achseln.
    „Der ist ja bei dir gleich um die Ecke, ausserdem dachte ich mir, solltest du was essen…“
    Ben setzte sich an den Küchentisch und verzog kurz das Gesicht. „Scheint nicht besser geworden zu sein…“, stellte Semir fest und Ben schüttelte mit dem Kopf. „Es fühlt sich taub und feuerheiss zu gleich an.“ Semir gab Ben eine Tasse Kaffee, nachdem er sie eingeschenkt hatte. „Dann gehen wir naher am besten zum Arzt okay?“ Ben erwiderte nichts. Semir war auf dem „Papa-Modus“ – Widerworte waren Tabu und so langsam hatte Ben dies gelernt.
    „Okay, meinetwegen…“, flüsterte er leise und rieb sich übers Gesicht. „Dürfte ich kurz bei den Nachrichten reinschauen?“
    „Mein Haus ist dein Haus“, antwortete Ben auf Semirs Frage und dieser lächelte. „Danke…“, er schaltete den kleinen Fernseher in Bens Küche ein und gerade wurden die neusten News angekündigt.


    „Köln. Auf der Autobahn Richtung Stadtmitte wurde an einer Raststätte die Leiche eines jungen Mannes gefunden, die der Polizei Rätsel aufgibt. Verschiedene Bisswunden weisen zwar auf einen Angriff eines Tieres hin, doch begann der Junge Selbstmord. Ein mysteriöses Abschiedsschreiben wurde gefunden, näheres wollte die Polizei jedoch nicht sagen.“
    In dem Moment klingelte Semirs Handy und er nahm ab. „Chefin, wir sind doch nicht zu spät oder?“, begrüsste er seine Anruferin und je länger das Telefonat dauerte, umso dunkler wurde Semirs Gesicht. „Ja…ja…okay…“ Er hängte auf. Ben sah ihn verwundert an. „Alles klar?“, fragte er besorgt und Semir schüttelte mit dem Kopf.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 3.


    „Das war die Krüger…die Polizisten die die Leiche gefunden haben, sind Dieter und Hotte…ausserdem dürfte dir die Leiche mehr als bekannt sein…“ Ben zog eine Augenbraue hoch. „Ist das die dramatische Pause vor dem Schock?“, fragte er danach und Semir atmete tief durch. „Ben…es ist Mahler…“ Ben liess beinahe seine Kaffeetasse fallen. „Was?“, fragte er laut und Semir hielt sich kurz die Ohren zu. „Mahler…Wolf Mahler…er ist der Selbstmörder!“ Ben blieben die Worte im Halse stecken.
    „Ben…Dieter und Hotte kümmern sich darum, da es dir noch nicht besser geht, finde ich, wir sollten zum Arzt…ausserdem ist es ein Selbstmord!“
    „Mahler würde sich niemals umbringen…dazu ist er zu stolz“, flüsterte Ben, stand auf und machte sich in sein Zimmer. „Wo willst du hin?“, fragte Semir verwirrt und Ben kam beinahe umgezogen wieder zurück. Über seinen nackten Oberkörper, wollte er gerade seinen Pullover ziehen.
    „Ich will mir das ansehen Semir, ich kann nicht glauben, dass Mahler sich selbst umgebracht hat!“ Semir packte den Pullover und zog ihn weg. Dabei bewegte sich Bens Oberkörper rasch und er stieß einen spitzen Schrei aus. „Siehst du, dir geht es bei weitem nicht besser!“, schimpfte Semir und Ben wollte sich den Pullover wieder packen. Aber der Deutschtürke war schneller.
    „Semir bitte…du kanntest ihn doch auch! Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass Mahler den Freitod gewählt hat!“ Semir seufzte. Ben hatte in dieser Beziehung bei weitem recht. Mahler hatte Ben lebendig begraben gehabt, nachdem er ihn gefoltert hatte.
    „Hm…Ben…trotzdem, du kannst dich ja kaum bewegen…“
    „Semir bitte…!“ Semir dachte nach. Er wäre in dieser Situation auch nicht besser gewesen, aber Ben sah wirklich nicht gut aus. Seine Vaterinstinkte schlugen Alarm, aber der Beste-Freund-Instinkt wollte helfen.
    „Lass‘ uns einen Deal machen okay?“, Semir hielt zögerlich den Pullover hin, „Wir gehen zuerst zum Arzt, dann gehen wir der Sache Mahler nach okay?“ Ben antwortete nichts, sondern wollte direkt den Pullover packen, doch Semir zog ihn wieder weg. „OKAY?“, fragte er nun laut nach und Ben grummelte ein kleinlautes „Okay“ hervor. „Gut…also…zieh‘ dich fertig an, wir schauen kurz bei meinem Hausarzt vorbei, ich habe dich schon angemeldet, da dein Hausarzt ja Urlaub hat.“
    „Woher wusstest du…?“
    „…deine Zettelwirtschaft am Kühlschrank – die ist echt beachtlich!“ Ben lächelte kurz. „Danke…“, sagte er leise und Semir zog seine Jacke an. „Was war das? Ich konnte dich nicht verstehen!“ Er öffnete die Türe und Ben lief an ihm vorbei. „Du konntest mich sehr wohl verstehen, mein türkischer Hengst!“, erwiderte Ben und lief zusammen mit Semir zu dessen Wagen, um zum Hausarzt zu fahren.


    Semirs Hausarzt befand sich in der Nähe von Bens Haus. Sie parkten auf dem Parkplatz und liefen in das kleine, schmucke Häuschen, das in mediterranen Farben gestrichen war. Ben sah auf das silberne Schild am Eingang, wo der Name des Arztes eingraviert war.
    „Cem Özer. Wieso wundert mich das nicht?“ Semir ignorierte Bens Kommentar und lief mit ihm zum Empfang, wo eine deutsche Arztgehilfin saß. „Ah, Herr Gerkan…gut, Doktor Özer wartet schon auf Sie und Ihre Begleitung!“ Semir nickte dankend und er zog Ben mit sich, der unfreiwillig seinen Blick nicht von dem Mädchen nehmen konnte. „Sie ist verheiratet!“, zischte Semir und Ben zuckte leicht mit den Achseln. „Gucken wird man doch wohl noch dürfen“, erwiderte er und Semir klopfte kurz an der Türe.
    „Immer rein Gerkan!“ kam eine tiefe, angenehme Stimme und die Beiden traten ein.
    Cem Özer war ein älterer gutaussehender Herr mit schneeweissem Haar und Schnauz. Seine Augen waren warm und einladend. „Ah, Sie müssen Herr Jäger sein“, sagte er in einem wunderschönen, klaren Deutsch, zog seine Lesebrille ab und stand vom Schreibtisch auf. Er reichte Ben die Hand.
    „Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben“, sagte Semir und Özer winkte ab. „Herr Gerkan, Sie haben mir auch schon geholfen…also Herr Jäger, Herr Gerkan hat mir alles erzählt. Ich würde mir das gerne ansehen!“
    Özer ging zu der Liege und bereitete sie vor. „Würden Sie sich bitte setzten und Ihre Oberbekleidung ausziehen?“ Ben nickte, setzte sich auf die Liege und zog den Pullover aus.
    „Ich werde nun das Pflaster entfernen…das könnte ein wenig brennen!“ Mit einem Ruck zog Özer an dem Pflaster und Ben zuckte zusammen und gab einen undefinierbaren Laut von sich. „So, das wär’s.“ Özer beugte sich um die Wunde anzusehen.


    „Solche Wunden sehe ich normalerweise immer nur nach Hundeattacken. Und das bei Rottweilern, wenn diese nicht richtig zubeissen. Sie hatten wirklich Glück!“ Ben atmete tief durch. „Die Hämatome kommen vom harten Aufprall des Kopfes…und Sie können sich wirklich nicht erinnern, mit einem Hund in Kontakt gekommen zu sein?“ Ben schüttelte mit dem Kopf. „Ich war wirklich Zuhause…ich weiß klingt seltsam…“
    „Herr Jäger, ich hab schon verrücktere Sachen gehört, glauben Sie mir…und ich bin kein Polizist und kein Mensch, der eine voreingenommene Meinung hat. Jedenfalls würde ich Ihnen gerne Blut abnehmen und Ihnen sicherheitshalber etwas gegen Tollwut und Tetanus spritzen…noch sieht es nicht danach aus, dass Sie etwas in dieser Richtung erwischt haben…aber man kann nie sicher genug sein!“
    Ben nickte und Özer machte sich daran, die Spritzen vorzubereiten.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 4.


    „So Herr Jäger, das hätten wir“, kündigte Özer an und klebte noch einen Verband auf die Wunde. „Ich werde Sie persönlich wegen den Bluttests anrufen, ansonsten sehe ich kein Problem…wenn Sie also weiterarbeiten wollen, stehe ich Ihnen da nicht im Wege!“ Ben war sichtlich froh über diese Antwort. Denn er wollte unbedingt wissen, was denn nun mit Mahler war und wenn der Arzt nun gesagt hätte, dass er zuhause bleiben sollte, hätte Semir ihn mit Handschellen ans Bett gefesselt gehabt.
    Özer reichte Ben noch eine Schachtel Tabletten. „Sollten die Schmerzen wieder schlimmer werden, bitte ich Sie, welche von diesen zu nehmen!“ Ben bedankte sich und verabschiedete sich zusammen mit Semir. Noch einen Blick an die hübsche Arztgehilfin und schon liefen sie zum Parkplatz.
    „Also doch ein Biss, wie ich es befürchtet hatte…“, murmelte Semir gedankenverloren und Ben atmete tief durch. „Ja…aber woher…Semir ich habe keinen Hund und alles war verschlossen…wie hätte er reinkommen sollen?“ Semir zuckte mit den Achseln und nahm sein Handy hervor. Er schrieb kurz eine SMS. „Das werden wir noch herausfinden…“, meinte er aufmunternd und Ben schüttelte nur mit dem Kopf. „Ich kapiere es einfach nicht Semir, das ist das, was mich nervt!“ Semir hielt kurz an und blieb vor seinem besten Freund stehen.
    „Okay…hör zu…einen „wirklichen“ Grund wird’s ja wohl dafür geben, oder hast du dir wieder zu viele Horrorfilme angeschaut?“ Ben hob die linke Augenbraue. „Natürlich nicht…“, antwortete er grummelnd und lief auf Semirs BMW zu. Der Deutschtürke lief ihm hinterher. „Ben…hör mal…“, der Angesprochene drehte sich um, „mach‘ dir darum bitte keine zu grossen Gedanken…sehen wir mal zu, was mit Mahler ist.“ Ben nickte langsam. „Du hast ja recht…also mein türkischer Hengst, wo soll’s hingehen?“ Semir grinste leicht. „Ich denke, am besten ist es, wir fahren zur Gerichtsmedizin…wahrscheinlich liegt Mahler schon auf dem Seziertisch…der Arzttermin hatte ja etwas gedauert!“
    Sie stiegen gemeinsam in den Wagen und Semir fuhr los.


    Der Gerichtsmediziner sah auf, als die Türe aufging und die beiden Autobahnpolizisten eintraten. „Ben…Semir, mit euch habe ich gar nicht gerrechnet“, begrüsste er seine Besucher überrascht. Er hatte sich über eine Leiche gebeugt gehabt. In seinen Händen die Zange, mit der er den Brustkorb öffnete.
    „Ist das Mahlers Leiche?“, fragte Semir und der Mediziner nickte. „Allerdings, bin grad dran, ihn aufzumachen, aber das seht ihr ja!“ Allerdings, dachte Ben und musste ein paar Mal tief schlucken, als er Mahlers Innereien entdeckt hatte.
    „Weisst du schon was?“ Auf Semirs Frage zuckte der Angesprochene mit den Achseln. „Nun ja…die Bisse, von denen sein Körper voll ist, sind jedenfalls nicht die Todesursache. Keine Gewalteinwirkung oder anderes. Ich nehme gleich Proben vom Magen und den anderen Organen!“
    „Also gehst du von einem Gift aus?“, fragte Ben nach und der Doc nickte.
    „Allerdings. Wobei dies bei einem Selbstmord für einen Mann wirklich untypisch wäre. Männer erschiessen oder erhängen sich in den meisten Fällen. Wenn mit Giften gespielt wird, dann mit denen der Abgase eines Autos. Aber das er erstickt ist, kann ich auch nicht erkennen….“
    „Kannst du schon sagen, woher die Bisse stammen?“
    „Ich denke von einem Hund…wieso fragst du?“ Semir nahm sein Handy hervor und sah kurz Ben an, dieser nickte und Semir suchte in seiner Gallery das Foto hervor, das er von Bens Wunde gemacht hatte. Er streckte dem Gerichtsmediziner das Gerät entgegen. „Wow…ziemlich tief…wer wurde da so zugerichtet…“ Semir presste kurz die Lippen zusammen und Ben hob seinen Pullover. „Ich…“, sagte er knapp und der Doktor schluckte, als er das gigantische Pflaster sah. „Tut mir leid Ben…“, meint er dann mitfühlend und Ben winkte ab.


    „Kannst du herausfinden, ob diese Bisswunden vom gleichen Hund stammen könnten?“, fragte Semir direkt und der Mediziner zuckte mit den Achseln. „Dazu brauche ich aber einen Grössenvergleich von Bens Wunde…ein Foto von einem Handy…hilft mir da eher wenig…“, gestand er und Ben rollte mit den Augen. „Gibt es doch zu, ihr habt Susanne doch „Oben-Ohne-Fotos von mir versprochen!“ Semir und der Doc grinsten kurz. „Ich denke, die Bisswunde wird sie eher abschrecken“, sprach Semir den Gedanken beider aus und der Doktor zog seine blutigen Latexhandschuhe aus. Danach nahm er ein rechteckiges Lineal hervor. „Okay…ich müsste dich dann nochmals bitten, das Pflaster abzunehmen. Keine Sorge, ich hab noch welche.“ Ben tat wie ihm befohlen und hob seinen Pullover. Semir bekam das Lineal in die Hand gedrückt und der Mediziner nahm seine Kamera hervor. „Also Ben, versuch so still wie möglich zu sein, Semir, würdest du mir das Lineal so hinhalten, dass die Wunde sich schön im Winkel befindet?“ Semir nickte und Ben lächelte kurz. „Krieg ich dann das Foto und komm‘ in die nächste Runde Heidi?“, fragte er grinsend und der Doktor rollte mit den Augen. „Du mich auch…“, grummelte er knapp und nach Semirs Prusten schoss er bereits das Foto. „Gut…danke…“ Semir legte das Lineal auf den Seziertisch und sie begaben sich wieder, nachdem Ben ein neues Pflaster bekam, wieder zu Mahlers Leiche, dessen blassen Gesicht immer noch furchterregend aussah, obwohl die Lippen blau angelaufen und die Augen geschlossen waren.
    Ben überkam ein kurzer Schauer und er rieb sich die Arme. „Ich will ehrlich zu euch sein…auch wenn’s respektlos klingt, aber ich bin überhaupt nicht traurig, dass der Kerl hier liegt!“ Auch wenn Semir entrüstet über Bens Kommentar war, so konnte er seinen Partner irgendwie verstehen und auch der Gerichtsmediziner, der in der Geschichte eingeweiht war, seufzte kurz. „Irgendwann bekommt jeder seine gerechte Strafe…obwohl der Kerl ja anscheinend, so glauben es alle, den feigen Weg gewählt hatte…“
    „Du sagst es…“, sagte Ben, „…alle glauben es…aber ich nicht!“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 5.


    „Nun ja, mein Job ist es ja, das herauszufinden“, lächelte der Doc aufmunternd und zwinkerte mit einem Auge, „ich werde mir alle Mühe geben, sicher!“ Ben nickte dankend und verließ mit Semir zusammen die Pathologie. „Mahler hat sich nicht umgebracht…und wenn er es getan hätte, nicht auf diese Weise!“ Semir sah Ben an. „Da gebe ich dir Recht…ich kann’s auch nicht so recht glauben…sich selbst zu vergiften…nein…nicht Mahler!“ Ben grinste. „Schön, dass du meiner Meinung bist“, grinste Ben und sie schritten zum Wagen.
    Sie bemerkten nicht, wie ein schwarzer Audi an der Strasse vorbeifuhr. Er hielt an, als die Fahrerin, die Beiden erblickten. „Da sind sie…du weisst was du zu tun hast“, sagte sie leise und eine dunkle Silhouette erschien auf der Rückbank, sie zog ein Maschinengewehr hervor, „aber denke daran, ich will keinen der Beiden tot. Es soll nur ihn ins Krankenhaus bringen…er wird wie Mahler enden! Nur für ihn, habe ich mir was besonderes ausgedacht. Ein paar Hundebisse, damit ist’s bei ihm nicht getan, er wird schon noch erfahren was es bedeutet, mir mein Leben genommen zu haben…stimmst du mir da nicht zu?“ Die Silhouette nickte. „Da bist du nicht die Einzige…ich hab mit Beiden noch ein Hühnchen zu rupfen…aber wenn wir ihn aus dem Weg geräumt haben, wird es meinem „Erzfeind“ das Herz aus den Leibe brennen. Du weisst gar nicht…wie sehr ich es geniessen werde, wenn sein Herz aus dem Leibe bricht und langsam das Leben verliert“, sagte sie leise, gehässig und öffnete das Fenster.


    „Also, was nun mein türkischer Hengst?“ Semir verschränkte die Arme. „Wollen wir zu Hartmut?“ Ben zuckte mit den Achseln. „Ich folge dir, wohin es auch hingeht!“ In dem Moment hörten die Beiden einen lauten Knall.
    Dann noch einer…
    Und noch einer…
    Semir und Ben gingen zu Boden, der schwarze Audi fuhr davon. Da das Gebäude des Gerichtsmediziners abseits der Stadt war, befand sich niemand ausser ihnen auf dem Parkplatz.
    Der schwarze Audi fuhr davon.
    „Semir…“, Ben richtete sich auf. Das Adrenalin pumpte durch seinen Körper, das Herz raste gegen den Brustkorb, der Puls war auf der höchsten Stufe. Ben sah seinen Partner auf dem Bauch liegen. Beinah regungslos. „Semir…SEMIR!“ Ben rannte auf ihn zu und rüttelte seinen Partner, er drehte ihn um. Keine Wunde auf der Brust. An den Beinen war auch nichts. „Semir!“ Ben gab seinem Partner leichte Klapse auf die Wange und tatsächlich, Semir regte sich. „Au….scheisse mein Arm…“ Ben wendete sich zu den beiden Armen. „Wo?“, fragte Ben. „Links…“, jammerte Semir und richtete sich auf. Und wirklich sah Ben eine tiefe Streifschusswunde. „Verdammt was war das?“, fragte Ben und richtete sich schnell auf und zuckte zusammen. Er verzog sein Gesicht und stieß kurz einen undefinierbaren Laut aus. „Alles okay?“, fragte Semir besorgt und Ben schüttelte mit dem Kopf. „Nein…mein Bauch…“, ächzte er, „mein Bauch tut weh…“ Semir sah auf und verlor beinahe die Farbe aus dem Gesicht.


    Von Bens linker Bauchseite aus, flossen kleine, feine Rinnsale die Jeans herunter. Der graue Pullover verfärbte sich rot. „Scheisse…Ben…leg dich hin! Leg‘ dich hin verdammt!“ Das Adrenalin spielte in Bens Körper noch verrückt. „Wieso…mein Bauch tut doch nur weh…“, meinte er verwirrt und im selben Moment gaben die Beine nach. Semir konnte seinen Partner noch rechtzeitig auffangen.
    Mit einem Ruck zog Semir seine Überziehjacke aus und legte sie Ben unter den Kopf. Danach nahm er sein Handy hervor und fragte nach einem RTW, danach wendete er sich wieder Ben zu der heftig atmete und immer wieder das Gesicht verzog.
    „Der RTW kommt gleich Kumpel…“, versprach Semir und riss die Ärmel seines Pullovers ab, faltete sie zusammen und drückte sie auf die Wunde, worauf Ben zuckte und stöhnte. „Scheisse…“, zischte der Jüngere leise und Semir schluckte. „Tut mir leid…aber ich will nicht dass du mir verblutest…“, entschuldigte er sich und Ben schüttelte langsam mit dem Kopf. „Du musst dich nicht entschuldigen…“, knirschte er und Semir presste die Lippen zusammen. „Verdammt wo bleibt der RTW!“, schrie er laut und in dem Moment öffnete sich die Türe des Zentrums. Der Gerichtsmediziner rannte zu ihnen. „Ich habe die Schüsse gehört…ach du meine…“, stieß er hervor als er die Wunden der Beiden sah. Auch bemerkte er, wie Semirs verletzter Arm unter der Belastung litt. „Gib‘ her!“, befahl er schroff und drückte noch einmal zu, worauf Ben nun aufschrie. „Hoffentlich wurden keine der Nieren verletzt, die Kugel scheint noch zu stecken“, diagnostizierte der Doc und Semir sah ihn geschockt an. Sofort kroch der Deutschtürke in die Nähe des Kopfes seines Partners und nahm einer seiner Hände. „Semir…was zum Teufel war das?“, wimmerte Ben hervor und Semir schüttelte fassungslos mit dem Kopf. „Ich habe keine Ahnung…“, flüsterte er und wurde vom Heulen der Sirenen des RTW’s übertönt.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 6.


    Wie erstarrt, saß Semir auf seinem Stuhl vor dem OP und streckte sich kurz. Ärzte und Schwestern liefen am ihm vorbei und niemand sah ihn an, oder würdigte ihn eines Blickes. Die Punkte auf dem Boden des Krankenhauses hatte er nun inzwischen auch auswendig gelernt und den Kaffeeautomaten hatte er geleert.
    Er hatte nur die Chefin angerufen gehabt. Andrea liess er aussen vor. Man hatte schon genug Probleme, da Aida kränkelte und Lili an Koliken litt, er wollte sie nicht mit weiteren Problemen belästigen obwohl er schon wusste, dass er diesen Gedankengang bald bereuen würde.
    Nach gefühlten Stunden, kam ein Arzt auf ihn zu. Adrett, gut aussehend und mit einer modischen Brille auf der Nase und einem Seitenscheitel. Er lief mit einem Lächeln auf Semir zu. „Herr Gerkan?“, fragte er nach und Semir stand auf, streckte die Hand aus. „Wie geht es meinem Partner?“, fragte er besorgt nachdem sie sich die Hand geschüttelt hatten.
    „Nun ja, Herr Jäger ist zäh Herr Gerkan. Der Schuss hat keine wichtigen Organe verletzt, eine Arterie wurde jedoch beschädigt, deshalb der hohe Blutverlust. Ich würde Herr Jäger gerne für zwei Wochen hierbehalten, da die Wunde sehr empfindlich ist und er ja…dazu neigt anscheinend sich vorzeitig aus dem Krankenhaus zu entlassen…das wäre sehr riskant. Er ist bereits in seinem Zimmer…und wach. Allerdings sehr schwach. Keine Aufregung, keine Reizungen!“ Semir nickte und liess sich von dem Arzt zu dem Zimmer bringen. „Ihre Chefin weiß bereits Bescheid…Sie können also den Besuch in aller Ruhe machen…jedoch…“
    „…ja…keine Aufregung…ich werde bestimmt darauf achten, ich möchte ihn noch ein Weilchen neben mir haben und quälen!“ Der Arzt grinste und entfernte sich, während Semir an die Türe klopfte. Ein schwaches „Herein“ bat ihn herein.


    Ben lag auf dem Rücken in seinem Bett. Eine Kanüle im Handrücken versorgte ihn mit Blut. Ein Schlauch in einem Nasenloch war noch vorhanden. Mit Tapes war es an der Wange angeklebt. Semirs Partner trug einer dieser geschmacklosen Krankenhaushemden.
    Langsam ging der Deutschtürke auf seinen Partner zu und beugte sich über ihn. „Hey, wie geht’s dir Partner…“, fragte Semir leise und Ben lächelte schwach. Er war bleich im Gesicht und die Haut um seine Augen, war mit einem roten Schimmer überzogen.
    „Wie gerädert…aber nun ja, wenn einem so ‚ne Kugel durch den Bauch gejagt wird…“ Semir konnte sich ebenfalls ein Lächeln nicht verkneifen. „Setzt dich doch…“, bot Ben heiser an und Semir schnappte sich einer der Stühle, die in dem Einzelzimmer standen. Er setzte sich zu seinem Partner ans Bett. „Soll ich deine Familie kontaktieren…“ Ben schüttelte mit dem Kopf, neigte ihn dann zu Semir. „Wozu…mein Vater ist beschäftigt und meine Schwester geniesst die Zeit mit ihrem Mann…ich bin nur froh wenn du da bist!“ Semir atmete tief durch und schmunzelte. Tief im inneren, taten ihm diese Worte gut.
    „Weiß man schon, wer das war?“, fragte Ben und Semir verneinte. „Hartmut ist vor Ort und schaut sich alles zusammen mit Dieter und Hotte an…ich soll dir von ihnen und von der Chefin gute Besserung wünschen.“
    „Danke…“, entgegnete Ben leise und hatte Mühe, wach zu bleiben. „Du solltest vielleicht etwas schlafen…“, schlug Semir vor und Ben schüttelte mit dem Kopf. „Damit ich auch noch mit einem weiteren Hundebiss aufwache?“, zischte er schwach und Semir seufzte. „Ben das ist einmal passiert…wer sagt, dass es dir wie Mahler ergehen wird…und dieser hatte sich bestimmt mit den Wachhunden gestritten.“


    „Semir…dieser Traum war mehr als beunruhigend. Ausserdem hatte ich schon zuvor solche schreckliche…“
    „Du hast schon mehr solche schräge Dinge erlebt?“ Ben zuckte mit den Achseln. Es war kaum ersichtlich, doch Semir bemerkte es. „Nur einmal besser gesagt. Ich hatte geträumt das du…“ Semirs Aufmerksamkeit war geweckt, als Ben zu zittern begann. Der Deutschtürke nahm die Hand seines Partners und strich mit dem Daumen darüber. „Ben…du sollst dich nicht aufregen hat der Arzt gesagt. Ausserdem, zwei Wochen strickte Ruhe, kein Entkommen aus dem Krankenhaus.“ Das Zittern hörte abrupt auf und Ben sah Semir mit grossen Augen an, was durch den roten Schimmer noch furchtbarer aussah. „Bitte?“ Semir nickte. „Bitte Ben…nur das eine Mal, so wie ich den Arzt verstanden habe…könnte die Wunde schnell platzen…und da eine Arterie verletzt ist…bitte einfach…dieses Mal…versprich es mir! Nur dieses eine, einzige Mal!“
    Ben erblickte Semirs Augen. Voller Sorge und Angst um ihn. Nicht mal sein Vater, hatte ihm jemals einen solchen Blick geschenkt gehabt.
    „Gut…ich verspreche es…wenn du mir eines versprichst!“ Semir hob den Kopf. „Bitte…unterrichte mich in alles…ich verspreche wiederum auch, dass ich mich nicht aufregen werde…“ Semir lächelte. „Okay…einverstanden…“, erwiderte und Beide ahnten nicht, dass sie beobachtet wurden.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 7.


    „Also…kommst du alleine klar?“ Ben nickte auf Semirs Frage und der Deutschtürke stand auf. „Ich werde mal in die PAST fahren und hoffe, dass ich zwischendurch nicht auch noch krankenhausreif werde!“ Ben hob langsam seinen Arm und packte mit der Hand die Semirs. „Bitte pass‘ auf dich auf“, bat er und Semir lächelte. „Keine Sorge…pass‘ lieber auf dich auf ja? Und denk an dein Versprechen!“ Ben salutierte mit zitternder Hand und Semir winkte seinem Partner noch, bevor er die Türe zumachte.
    Er huschte an einer Schwester vorbei und wählte die Nummer der Chefin.
    „Herr Gerkan? Wie geht es Jäger?“
    „Den Umständen entsprechend gut…er muss sich einfach wirklich schonen“, antwortete Semir und erzählte von der genauen Diagnose. „Okay, wenn er sich nicht daran hält, haben Sie meine Erlaubnis, ihn mit Handschellen ans Bett zu fesseln!“ Semir musste grinsen und stiess die Türe zum Ausgang auf. „Haben wir schon was?“ Ein Seufzen war am anderen Ende zu hören. „Ja…aber nur Thesen, und die möchte ich Ihnen nicht am Telefon sagen. Würden Sie dafür bitte sofort in mein Büro kommen?“ Semirs Inneres verkrampfte bei diesem Satz unfreiwillig, jedoch atmete er tief durch.
    „Ich muss mir ein Taxi holen, versuche aber so schnell wie möglich bei Ihnen zu sein!“
    „Nein…ich komme Sie besser abholen…das Revier ist schon genug in Aufruhr. In fünf Minuten bin ich da!“ Mit diesen Worten hängte sie auf.
    Semir gefiel dies gar nicht. Noch selten hatte er seine Chefin so unruhig gehört gehabt. Sorge und gleichzeitig so etwas wie Wut hatte er vernehmen können. Er setzte sich auf die Treppe des Krankenhauses und sah zu dem Fenster, wo er Bens Zimmer vermutete. Was hatte es bloss mit dem allen auf sich? Er sah keinen Sinn.
    Doch wann hatte das Verbrechen jemals einen Sinn gehabt? Nie – das stand fest, jedenfalls hatte er es so in den vielen Dienstjahren erlebt gehabt.
    Viele Partner die gegangen waren, viele Verbrecher die Rache androhten. Semir mochte gar nicht zählen, besonders bei den Partnern nicht. André, Tom, Chris, alle waren nun tot und nicht mehr auf dieser Erde, zu früh aus dem Leben geschieden und nun hätte er beinahe Ben verloren gehabt.
    „Manchmal bin ich zu alt für diesen Scheiss…“, sprach er leise für sich und sah den silbernen Wagen der Chefin vorfahren.


    Er stand auf und ging auf die Beifahrerseite zu, öffnete die Türe und stieg hinein. Die Chefin lächelte ihn kurz aufmunternd an, bevor eine grosse Falte ihre Stirn zierte. „Sie klangen gar nicht gut Chefin“, gestand Semir und sie seufzte. „Was halten Sie von einer Ausfahrt?“ Semir zuckte mit den Achseln und Kim fuhr los. Sie spurte auf der Fahrseite für die Autobahn ein und trat aufs Gas. „Ich fand diese Sache komisch, dass Sie einfach so beschossen wurden und das gab mir wirklich zu denken. Also bin ich alle Ihre Verbrecher durchgegangen, von Ihnen und Herr Jäger…und was ich da gelesen habe, gefiel mir gar nicht!“
    Semir zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme. „Soweit ich weiss sitzen doch alle noch“, meinte er erstaunt und auf diesen Satz hin verdunkelte sich das Gesicht der Chefin. „Oder?“, fragte Semir nach und die Chefin seufzte. „Nein…es sitzen nicht mehr alle…“, flüsterte sie und schlug aufs Lenkrad. „Die werde ich so was von zusammenstauchen!“, zischte sie und Semir erschrak kurz. „Chefin nun mal raus mit der Sprache, was ist nun eigentlich los?“, fragte Semir neugierig und zugleich ein wenig verängstigt.
    „Vorgestern gab es einen Ausbruch…zwei Straftäter sind geflohen. Eine Person aus dem Frauengefängnis, die andere aus dem Strafvollzug…beide sind Ihnen mehr als bekannt!“ Semir ging die Personen durch, jedoch fand er nichts. Es wollte ihm nicht einfallen.


    „Tut mir leid Chefin, aber ich stehe auf dem Schlauch!“, gestand er und Kim fuhr auf einen Rastplatz, parkierte und schaltete den Motor aus. „Es war noch vor meiner Zeit Gerkan, deshalb kam ich zuerst auch nicht darauf. Ich ging also alle Täter durch die Sie und Jäger in der Zeit von Frau Engelhardt festgenommen hatten…dann ereilte mich die Meldung. „Und?“, fragte Semir noch ungeduldiger. Alles in ihm war unruhig und der Arm schmerzte, er hatte nun wirklich nicht die Beherrschung, einen auf Ratekandidat zu machen und Kim schien dies zu bemerken. Sie holte die Akten aus ihrer Umhängetasche, die sich auf dem Rücksitz befand und reichte sie Semir.
    Dieser öffnete Beide und als er die Fotos sah, schüttelte er mit dem Kopf. „Das kann nicht sein!“, stiess er aus und sein Mund wollte sich beinahe nicht schliessen. „Chefin das ist nicht möglich, die können nicht geflüchtet sein!“ Seine Stimme wurde laut und nun schlug er aufs Armaturenbrett. „Natürlich…deshalb Mahler…sie will sich rächen und für ihn kommt es sicherlich auch gelegen…man will uns Beide fertig machen!“
    „Mich würde es nicht wundern, wenn Sie bei der Schiesserei höllisches Glück gehabt hatten…“, theorisierte Kim und Semir schüttelte wieder mit dem Kopf. „Wie verdammt…wie konnten die Beiden türmen? Ich werde die Wärter so was von vornehmen!“ Kim hob eine Hand. „Das überlassen Sie lieber mir klar?“ Semir wollte ansetzten und sie unterbrach ihn. „Das lassen Sie wirklich meine Sorge sein Gerkan. An Ihnen ist es nun, zusammen mit Herzberger und Bonrath, Melanie Mahler und Tayfun zu kriegen!“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 8.


    „Und Ben?“, fragte Semir nach und Kim lächelte. „Personenschutz, Wachposten und…Ihre Frau ist bei ihm…Sie hatte mich angerufen und sich gesorgt gehabt, weil Sie sich nicht gemeldet hatten. Ich habe Ihr alles erzählt…sie fuhr sofort zu ihm. Ihre Kinder sind bei Ihrer Schwiegermutter, nach dem Besuch bei Herrn Jäger, die Wohnung wird ebenfalls beschützt.“
    „Wie viele Nächte auf der Couch?“, fragte Semir mit wimmernder Stimme und Kim schüttelte mit dem Kopf. „Keine…Sie versteht es. Und…ich habe auch meinen kleinen Beitrag dazu gegeben…“ Semir beugte sich zu ihr vor und sie wich zurück. „Bitte…keine Küsse…der eine hat mir schon gereicht!“, lächelte sie und startete den Motor wieder. „Was nun?“, fragte Semir und Kim fuhr los. „Ich werde Sie im Revier abliefern, suchen Sie alles, alles was man über die Beiden in ihrer Zeit im Gefängnis finden kann, aber wirklich alles! Und ich will wissen, wie die Beiden Knastgeschwisterchen sich kennen gelernt haben“ Semir nickte. „Das wird mir nicht schwerfallen. Die werden sowas von drankommen…“
    „Hoffentlich…was macht ihr Arm!“
    „Tut schon gar nicht mehr weh…“, sagte er gehässig und schnallte sich richtig an. „Gut…ich will dass Sie die Beiden fertig machen. Und ich werde ihnen dabei helfen…“ Die Beiden sehen sich lächelnd an. „Danke Frau Krüger…“
    „Schon in Ordnung…“


    Ben richtete sich leicht auf, als es an der Türe klopfte und er Kinderstimmen hörte. Die Türe öffnete sich und Aida stürmte herein. „Onkel Ben“, sagte sie mit sorgenvoller Stimme und rannte sofort aufs Bett zu. „Na mein Engel“, sagte Ben leise und Aida nahm sich einen Stuhl, kniete sich darauf und beugte sich über Ben. Hinter ihr kam Andrea mit Lili auf dem Arm herein. „Hey Ben…“, begrüsste sie ihn leise und der Angesprochene lächelte. „Schön, dass ihr mich besuchen kommt.“ Aida gab Ben einen Kuss auf die Stirn. „Hast du dolle Schmerzen?“, fragte sie mit süsslicher Stimme.
    „Es geht schon…“, antwortete Ben und Andrea nahm sich ebenfalls einen Stuhl, setzte sich und nahm Lili auf den Schoss. Diese brabbelte und streckte ihre kleinen Ärmchen aus. Ben tat dies mit einem und sofort packte Lili mit ihren Händchen Bens Hand.
    „Wirklich alles in Ordnung?“, fragte Andrea und Ben zuckte mit den Achseln. „Nun ja…wie man sich halt fühlt mit…“ Sie nickte.
    Dennoch bemerkte Ben ihre Bedrücktheit. „Andrea…alles in Ordnung?“ Sie lächelte gequält. „Natürlich, was soll schon sein…“, antwortete sie leise und strich Lili über den Kopf. „Andrea ich bin nicht blöd…“, erwiderte Ben und in dem Moment kam eine Schwester hinein. „Alles in Ordnung Herr Jäger?“ Andrea stand auf. „Dürfte ich Sie um einen Gefallen bitten?“ Die Schwester nickte. „Könnten Sie mir kurz auf die Kleinen aufpassen?“
    „Aber natürlich“, sagte die Schwester lächelnd und nahm die beiden Mädchen mit. Andrea atmete tief durch und setzte sich wieder. Sie nahm sanft Bens Hand. „Ben…eure Chefin hatte mich angerufen…und…wie soll ich dir das bloß sagen?“


    Semir kam im Büro an und wurde von allen erwartungsvoll angesehen. „Wie geht es Ben?“, fragte Hotte besorgt und Semir lächelte knapp. „Er wird durchkommen…“ Ein erleichterndes Seufzen ging durch die Runde. „Habt ihr schon was?“, fragte Semir danach und Jenny nickte. „Hartmut hat was geschickt.“ Sie lief auf ihren Schreibtisch zu und gab Semir eine Mappe. „Er hat sich in den Computer der beiden Gefängnisse gehackt. Mit der Erlaubnis der ollen Schranke“
    „Schrankmann“, korrigierte Hotte sie entrüstet und sie winkte ab. „Ja wie auch immer…sieh’s dir an! Da ist noch eine CD drin, wahrscheinlich die Aufnahmen!“
    „Danke Jenny“, sagte Semir und ging in sein Büro.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 9.


    „Mahler und Tayfun sind draussen…“ Ben begriff zunächst nicht ganz. „Andrea…Mahler ist tot…“, sagte er leise und Semirs Frau schluckte. „Ja…Wolf Mahler…aber nicht Melanie Mahler…“ Bens Augen weiteten sich. „Melanie?“, wiederholte er und versuchte sich aufzurichten, fiel aber ins Kissen zurück, weil sein ganzer Oberkörper brannte und schmerzte. Andrea strich ihm über die Schulter. „Du wirst gut beschützt…alles wird wieder gut…“
    „Aber was ist mit euch…wegen Tayfun?“ Andrea lächelte traurig. „Wir gehen zu meiner Mutter, dort werden wir ebenfalls beschützt werden, du siehst, Frau Krüger hat schon für alles gesorgt. Eigentlich hätten wir schon direkt gehen sollen…aber ich, wir hatten uns alle schreckliche Sorgen um dich gemacht!“
    Ben versuchte zu lächeln. „Hättest du doch nicht müssen, ich bin zäh. So leicht bringt mich nichts zu Fall…“ In Andreas Augen hatten sich Tränen gesammelt. „Andrea…“ „…es ist nichts schon gut…“ Sie beugte sich nach unten, wo sie eine Tasche hatte, die Ben vorhin nicht aufgefallen war. „Ich habe dir frische Kleidung und ein paar Sachen zur Unterhaltung mitgebracht. Semir besteht nämlich darauf, dass du hier bleibst, denn momentan ist ja das mit deiner Wunde noch ziemlich instabil. Und wir wollen dich alle noch ein wenig hierbehalten…“
    „Hey, nun hab‘ ich ja einen Grund gefunden, die Schwester nochmals zu holen, alleine umziehen, fällt mir bei diesem Geschläuche nämlich ziemlich schwer!“, versuchte Ben Andrea aufzuheitern, doch die Sorge um die Familie, um sich und Ben, stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie bemerkte seinen besorgten Blick und presste die Lippen zusammen. „Tut mir leid…“, sagte sie leise und Ben überwand die Schmerzwelle, beugte sich zu Semirs Frau und umarmte sie, ungeachtet der Schläuche, ungeachtet der höllischen Schmerzen, die er der Schuss- und Bisswunde zu verdanken hatte. Andrea legte selbst sanft ihre Arme um Bens zitternden Körper und liess ihren Tränen freien Lauf.


    Semir setzte sich auf seinen Schreibtisch, startete den Computer und blickte mit traurigem Gesicht auf Bens Platz.
    Mahler und Tayfun also, ein neues Bonnie und Clyde Gespann? Wenn ja, wäre es eines, das man nicht unterschätzten durfte. Beide an sich waren schon rachsüchtig und unberechenbar, aber zusammen?
    Für ihn gab somit aber der Tod Wolf Mahlers einen Sinn – Selbstmord? Auf gar keinem Fall, dahinter steckte Melanie Mahler, das war für ihn klar. War es auch sie, die für die Bisswunde bei Ben gesorgt hatte? Dies alles musste er nun herausfinden, mit taubem Arm, völlig übermüdet und voller Besorgnis.
    Es klopfte an der Tür und Hotte trat herein. In seiner einen Hand, ein Kaffeebecher, in der anderen eine Schachtel mit Keksen. „Du musst was essen mein Junge“, sagte der liebliche und dickliche Polizist mit väterlicher Stimme und Semir lächelte. „Danke Hotte…“, entgegnete er, als der Angesprochene die Dinge auf den Schreibtisch stellte und dem Deutschtürken beruhigend auf die Schulter klopfte.
    „Kann ich dir bei irgendwas helfen?“
    Genau dies liebte Semir an Hotte so. Die Hilfsbereitschaft, die Freude Gutes zu tun, ach wie würde er es dies vermissen, wenn es Hotte nicht mehr geben würde. Er hoffte, dass dies nie eintreffen würde.


    „Du könntest mir helfen, diese Videoaufnahmen von beiden Gefängnissen anzusehen…vier Augen sehen mehr als zwei!“ Hotte nickte, nahm sich Bens Schreibtischstuhl, nachdem er tausende von Krümeln abgeklopft hatte, stellte ihn neben Semir, nahm seine Lesebrille hervor und nickte. „Ich bin bereit!“, kündigte er an und Semir legte die CD in seinem Computer, den er mit dem Grossbildschirm verbunden hatte.
    Lange Zeit war nichts zu sehen und Semir gab schon lauter Seufzer von sich, während Hotte Semir bat, die Aufnahme des Frauengefängnisses anzuhalten. „Was ist Hotte?“, fragte er neugierig und Hotte lief auf den Bildschirm zu, drückte kurz und zoomte. „Sieh dir das mal an!“ Es war die Aufnahme eines Empfangs, im Spiegelbild konnte man die Reflektion von Mahler, Wolf Mahler sehen. „Was? Das gibt keinen Sinn!“, stieß Semir aus, stand auf und stellte sich neben Hotte. „Rucksack, Taschen, klar was der vorhatte…aber, wieso zum Teufel wurde SEIN Ausbruch nicht gemeldet? Ich meine, er war ja auch für lebenslänglich weggesperrt worden“, sagte Hotte verblüfft und Semir schüttelte fassungslos mit dem Kopf. „Ich habe keine Ahnung, aber das Gefängnis werde ich mir vornehmen, egal was die Krüger sagt!“
    In dem Moment klingelte das Telefon und Semir nahm ab. „Ja Gerkan?“, begrüsste er seinen Anrufer und hörte aufmerksam zu. „Was?“, stieß er aus, hängte auf und nahm seine Jacke. „Hotte wir müssen sofort zum Doc, komm‘ mit!“ Der Angesprochene nickte, holte seine Jacke ebenfalls und folgte Semir.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 10.


    Semir fuhr zum Gerichtsmediziner, den er dank Ben „Doc“ genannt hatte und stieg mit Hotte aus dem Wagen, nachdem sie geparkt hatten.
    Der Gerichtsmediziner wartete schon am Eingang und wies die Beiden in sein Büro. „Ich habe mir nochmals die Unterlagen des Doktors von Ben, deinem Hausarzt und die meinen angesehen, ausserdem erinnerte ich mich an deinen Bericht.“ Semir verschränkte die Arme und Hotte richtete seinen Hut. „Alle haben das gleiche über die Wunde gesagt, sie sei sehr sauber und schwach für einen Hundebiss.“ Semir nickte. „Es klingt vielleicht seltsam, aber ich hatte da eine verrückte Idee.“ Er stand auf, ging zu einem Regal und holte die Nachbildung eines Gebisses hervor. „Was, wenn Ben gar nicht von einem Hund gebissen wurde?“ Semir sah sich die Nachbildung an. „Hast du die etwa gerade gemacht?“ Der Mediziner nickte. „Allerdings, ich habe drum noch im Bericht des Krankenhausarztes gelesen, dass kleine, aber wirklich klitzekleine Metallpartikel in Bens Wunde gefunden wurden. Also kam ich auf diese Idee!“
    „Soll heissen jemand hat mit dieser Nachbildung Ben verletzt?“, fragte Semir und der Mediziner zuckte mit den Achseln.
    „Na ja, vielleicht ein wenig weithergeholt aber…“
    „…nein…nein das würde vieles erklären…“, murmelte Semir aber Hotte machte eine senkende Geste mit der Hand. „Aber eröffnet neue Fragen…findest du nicht auch?“ Semir seufzte. „Nicht direkt…aber nachdenklich macht es mich schon…wie kam Mahler oder Tayfun in Bens Haus und wieso hatte er nichts gemerkt?“
    „Ich habe diesbezüglich eine Blutprobe des Krankenhausarztes verlangt. Ich will einen toxischen Test machen“, mischte sich der Gerichtsmediziner wieder ein. „Vermutest du K.O. Tropfen?“, fragte Semir nach und der Angesprochene nickte.
    „Jedenfalls danke für deinen Bericht. Und für deine Mühe.“ Der Doc winkte ab. „Richte Ben noch gute Besserung von mir aus. Er soll sich schonen!“ Semir nickte lächelnd und verließ mit Hotte die Gerichtsmedizin. „Was willst du nun tun?“ Semir sah in den Himmel, wo sich die ersten Sterne versammelten und der Mond aufging. „Ich gehe noch zu Ben…Andrea und die Kinder sollten noch bei ihm sein…bringst du mich hin?“ Hotte nickte lächelnd.


    Ben nickte der Schwester dankend zu, die ihn umgezogen hatte und strich Andrea beruhigend über die Schulter und diese nickte dankend. „Tut mir leid Ben, ich mache mir einfach Sorgen…“, gestand sie und Ben lehnte sich zurück ins Bett, der Nasenschlauch war ihm entfernt worden, dabei atmete er tief durch. „Ich mir auch…vor allem um Semir…“, sagte er leise und verzog dabei heftig das Gesicht. „Ben…du solltest dich schonen…reg‘ dich bitte nicht auf…deine Arterie!“ Ben atmete tief durch und pustete kurz. „Schon gut…so empfindlich bin ich auch nicht.“
    Es klopfte an der Türe und Ben richtete sich auf. „Semir, schon?“, fragte er sich und Andrea zuckte mit den Achseln. „Oder die Schwester, dass Aida sie schon in den Wahnsinn getrieben hat…“, scherzte sie und stand auf. Sie ging zur Türe und öffnete sie, dabei stieß sie einen undefinierbaren Laut aus, als eine Waffe ihre Stirn berührte. „Nur langsam Schätzen…“, säuselte Melanie und ihrer ihr kam Tayfun hervor.
    Ben griff sofort zu seinem Nachttisch und zog die Waffe aus der Schublade. Dann richtete er sie auf die Beiden. „Nanana Benni, nicht das der Kleinen was passiert…oder den ganz Kleinen…“ Ben zögerte kurz, presste die Lippen aufeinander. Ein kurzer, heftiger Schmerz ging durch seine Schusswunde, doch er beachtete ihn nicht. Er löste sich von der Infusion und richtete sich auf.
    „Lass‘ die Waffe fallen Melanie“, zischte er und stand endgültig auf. „Oh…wie süss…aber findest du nicht, ich sollte dir alles nehmen…was du mir genommen hast?“
    „Ich habe dir gar nichts genommen“, stöhnte Ben und spürte erneut einen heftigen Stich durch seinen Oberkörper gehen. „Geht’s dir nicht gut?“, fragte Tayfun amüsiert und Andrea schrak auf, als sie einen kleinen, roten Punkt auf Bens Bauch sah. „Bitte…Ben…knall sie ab, achte nicht auf mich!“ Doch Ben konnte nicht…er konnte doch nicht einfach die Frau seines besten Freundes alleine lassen. „Schalte ihn aus, aber töte ich nicht“, befahl Melanie und Tayfun ging auf Ben zu, holte aus und Ben wollte schiessen, doch Tayfun war schneller. Er schlug Ben ins Gesicht und benommen ging dieser zu Boden. Melanie zog Andrea mit sich und diese schrie. „Nein…bitte Ben…“ Sie spürte Mahlers Waffe im Rücken. „Ein falsches Wort und ich schicke Tayfun zu den Kindern…“ Andrea presste die Lippen zusammen und ging ohne ein Wort mit den Beiden mit. Sie stiegen in ihren schwarzen Audi und fuhren davon.


    Kurz nachdem, erschienen Hotte und Semir. Sie stiegen aus und liefen zu Bens Zimmer, wo sie ein Wimmern vernehmen konnten. „Das ist nicht gut…“, murmelte Semir und öffnete die Türe. Ben richtete sich gerade auf. Seine Hand war auf den Bauch gepresst und viel Blut floss aus der Wunde. Es hatte den unteren Teil des T-Shirts und das Hosenbein eingenommen gehabt. Ben sah zitternd zu Semir, hob seine blutüberströmte Hand und versuchte, mit seinen blau angelaufene Lippen ein Wort zu formen. „…Semir…Hilfe…“, stieß er aus und brauch zusammen. Semir konnte noch gerade auf ihn zu gehen und ihn auffangen. „Hotte hol sofort einen Arzt!“, schrie Semir panisch und zuckte zusammen, als Ben einen lauten Schmerzensschrei von sich gab. Mehr Blut floss aus der Wunde. „Verdammt …Ben…du hast mir versprochen nichts zu tun…“, gab Semir geschockt von sich und suchte nach einem Laken, um es auf die Wunde zu drücken.
    Ben packte Semirs Pulloverstoff und umklammerte ihn fest. „Semir…sie haben Andrea…was ist mit den Kindern?“ Semir riss seine Augen noch weiter auf. „Es tut mir leid…ich konnte ihr nichthelfen…“, sagte Ben leise und stieß wieder einen lauten Schrei aus. „Verdammt wo bleibt der Arzt?“, kreischte Semir beinahe und drückte Ben an sich. „Halt durch Kumpel bitte…“ Ben sah Semir direkt in die Augen, seine Lippen waren noch blauer. „Es tut mir echt leid…Semir…ich habe…ich wollte nicht…“ Semir presste die Lippen zusammen.
    Hotte kam zurück. „Ich habe die Kinder bei einer Schwester gesehen…oh mein Gott…“, stieß er hervor und ein Ärzteteam kam hinter ihm hervor. „Gehen Sie von ihm weg Herr Gerkan“, bat der Arzt und nahm eine Atemmaske hervor, um Ben Luft zuzuführen.
    Geschockt ging Semir aus dem Raum, Bens Blut an den Händen und der Kleidung. „Das…ist ein Alptraum…“, stieß er aus, hörte sein Handy klingeln und ging auf die Toilette, um den Blicken der Schwestern aus dem Weg zu gehen.
    „Gerkan?“, begrüsste er den Anrufer und sein Blick verdunkelte sich, „Tayfun!“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 11.


    „Und? Rot steht deinem Partner gut, findest du nicht?“, fragte die gehässige Stimme am anderen Ende und Semir spürte, wie sich sein Inneres verkrampfte. „Lass‘ sofort meine Frau gehen, du hast sie doch oder? Deshalb ist Bens Wunde wieder aufgebrochen, er wollte ihr helfen! Lass‘ sie frei Tayfun!“, drohte er und Tayfun lachte hämisch. „Sonst was? Kommst du mich dann holen? Uuuuh, ich hab ja solche Angst!“
    „Was willst du?“, fragte Semir direkt und hörte, wie Andrea im Hintergrund weinte. „Ich will, dass du leidest Semir!“, kam die Antwort und es wurde aufgehängt. „Verdammt…“, zischte Semir, atmete tief durch und fing an, verwirrt hin und her zu gehen. Was sollte nun tun? Ben konnte ihm nicht helfen und kämpfte um sein Leben.
    Wieder holte ihn das Bild seines blutüberströmten Partners ein und Semir lief zum Waschbecken. Mit dem Ellbogen stieß er den Hahn auf und ließ sofort warmes Wasser über seine blutüberströmten Hände laufen. Bens Lebenssaft verdünnte sich und entschwand im Abguss. Semirs Atem ging hektisch. Die Angst schnürte beinahe seine Brust zu und er konnte nicht mehr klar denken.
    Es klopfte an der Türe und Hotte trat herein. Sein Gesicht besorgt und gleichzeitig vor Furcht verzerrt. Semir richtete sich sofort auf und atmete kurz durch.
    „Und?“, fragte er leicht ängstlich und Hotte versuchte zu lächeln. „Er wird durchkommen…jedoch ist er nun sehr schwach. Er wurde auf die Intensiv verlegt, zur Überwachung…jedoch wird er bald wieder aufwachen, hat der Arzt gesagt. Allerdings ist Ben nun absolut bettlägerig, zumindest für zwei Wochen…“ Der Deutschtürke stützte sich am Waschbecken ab und schüttelte fassungslos mit dem Kopf.
    „Die Kinder?“
    „In Sicherheit…das LKA ist sie gerade abholen gegangen…sie fahren sie nun zu der Großmutter…“ Semir nickte dankend. „Danke Hotte..wirklich…“ Der dickliche Polizist winkte ab. „Hauptsache ist nun, dass wir Andrea finden Semir“, sagte der Angesprochene und lief auf Semir zu, legte ihm eine Hand auf die Schulter, „wir werden dir alle dabei helfen klar? Bitte keine Einzelgänge…“ Semir schluckte tief. „Ich weiss ja nicht mal wo sie sind Hotte…wie soll ich da einen meiner berühmten Aktionen machen…“, sagte er mit einem traurigen Lächeln und strich sich über das Gesicht. „Die Chefin?“ Hotte winkte mit seinem Handy. „Weiss Bescheid, sie wird gleich kommen, damit wir alles andere besprechen können. Eine Schwester hat mich zwar ziemlich zusammengestaucht, aber ich hab‘ zurückgegeben, du kennst mich ja…“ Semir streckte sich. „Ich dachte zuerst, Ben hätte sein Versprechen einfach gebrochen…aber jetzt…er ist fast gestorben, wegen meiner Andrea…“ Hotte lächelte. „Du würdest das gleiche für ihn tun…ich bin echt froh, hat sich eure Freundschaft in den drei Jahren so entwickelt…wenn man euren ersten Fall bedenkt!“


    Es klopfte erneut und der Arzt trat herein. „Meine Herren?“, bat er und Semir folgte Hotte hinaus, sie versammelten sich auf dem Flur. „Herr Jäger ist nun stabil…definitiv…allerdings ist nun wirklich jede Aufregung nicht gut für ihn…allerdings ist er wach geworden, hat nach Ihnen gefragt“, er blickte zu Semir, „Sie müssen ihn beruhigen Herr Gerkan…so gut es in Ihrem Zustand nun geht…“ Semir sah zu Boden. „Ich kann momentan eh nichts anderes tun…“, flüsterte er bedrückt und sah zu Hotte. „Die Chefin kommt sowieso gleich…ich warte unten auf dich…“ Mit diesen Worten verschwand er.
    Semir folgte dem Arzt zur Intensivstation. Semir hasste diese Abteilung des Krankenhauses. Alles roch, klang oder sah nach Tod aus.
    Der Arzt blieb vor einem Zimmer ohne Fenster stehen. „Bitte denken Sie an meine Worte“, appellierte er an Semir und dieser nickte. „Natürlich…ich will ihn nicht verlieren…“, seufzte er und betrat das Zimmer.
    Ben lag leichenblass in seinem Bett. Sein Herzschlag wurde mit EKG-Pats kontrolliert und eine Nasenkanüle versorgte ihn mit Luft. Statt einer Infusion, hatte er nun zwei, eine für Medikamente, die andere war an eine Blutkonserve angeschlossen.
    Die Augen waren geschlossen. Semir lief langsam auf das Bett zu, setzte sich auf einen Stuhl und nahm Bens Hand. Er legte sanft seine Stirn darauf und versuchte durch tiefes Durchatmen, die Tränen zu verdrängen.
    „Es tut mir leid…“, kam es auf einmal leise und Semir schreckte auf. Bens Augen waren einen Spalt weit geöffnet, glänzten fiebrig und sahen den Deutschtürken direkt an. Semir presste die Lippen zusammen. „Was tut dir leid…?“, fragte er nach, sanft und leise. „Dass… ich mein… Versprechen gebrochen…habe…“, stockte Ben hervor und Semirs Augen rissen auf. „Ben…ich…ich habe das doch nicht so gemeint…ich bin nur total erschrocken…ich will doch dich nicht verlieren…“ Bens Augen schlossen sich wieder und Semir dachte, dass sein Partner eingeschlafen war, doch dem war nicht so. „Sind die Kinder okay?“ Semir lächelte traurig. „Ja…es geht Ihnen gut, Sie sind auf dem Weg zu meiner Schwiegermutter….und Andrea…wir werden Sie finden Ben…du hast alles getan, was du tun konntest“, versuchte Semir seinen Partner zu beruhigen. „Ich hab mich von Tayfun niederschlagen lassen wie ein Anfänger…“ Semir nahm seine Hand und strich damit Ben durch das glanzlose Haar. „Ben…du hast wirklich alles getan, was man tun konnte…auch wenn du dein Versprechen gebrochen hast…ich bin stolz auf dich, schon seit drei Jahren bin ich das…auch wenn ich dich manchmal ankeife wie dein alter Vater…aber ich würde um nichts in der Welt dich eintauschen wollen…“
    Nun öffneten sich Bens Augen wieder leicht und ein paar Tränen liefen aus den Augenwinkeln. Semir tat dieser Anblick im Herzen weh. „Partner…ich bin zwar wirklich besorgt um Andrea…aber zusammen mit Hotte werde ich sie finden…ich bin aber auch echt froh, dich noch bei mir zu haben…“
    Ben griff mit zitternder Hand Semirs Arm. „Versprich mir bitte…dass du auf dich aufpassen wirst Partner…ich weiß nämlich genau, dass du Mahler und Tayfun so richtig in den Arsch treten willst…“ Ertappt sah Semir seinen Partner an, sagte aber nichts. „Ich will nur, dass du auf dich aufpasst okay…?“ Semir nickte. „Und du wirst schnell wieder gesund…alleine Streife fahren wird nämlich langweilig sein…“
    „Mach‘ ich“, sagte Ben leise und Semir beugte sich zu seinem Partner, um ihn sanft zu umarmen. „Bis bald Bruder…“, murmelte der Deutschtürke und Ben nickte, „Bis bald…“ Mit diesen Worten ging Semir aus dem Raum, schloss die Türe hinter sich und lehnte sich daran. Er presste die Lippen zusammen, sank in die Hocke und wusch sich Tränen aus den Augen.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 12.


    Semir stand auf und lief Richtung Eingangshalle des Krankenhauses, wo Hotte und Kim standen. Letztere lief auf Semir zu, sah ihn traurig an und legte ihre Hände auf seine Schultern. Eine Geste, mit der er nicht gerechnet hätte. „Wir werden alles tun, um sie zu finden Gerkan…wirklich alles!“ Semir nickte dankend.
    „Wie geht’s Ben?“, fragte Hotte besorgt und Semir zuckte mit den Achseln. „Er sieht schrecklich aus…und es geht ihm auch so…“ Kim verschränkte die Arme. „Er wollte also Ihre Frau beschützten…deshalb ist die Wunde aufgebrochen?“ Semir bestätigte dies. „Tayfun will mich fertig machen…und die Mahler Ben…bitte lassen Sie den Schutz wegen Ben und den Kindern verdoppeln!“ Kim winkte ab.
    „Alles schon getan! Nochmal soll sowas nicht passieren…ich bin ebenfalls sauer Gerkan…“
    „Da sind wir schon drei“, mischte sich Hotte ein und stemmte die Hände in die Hüfte. „Tayfun wird sich sicher melden, er wird was von mir verlangen…“, sagte Semir leise und Kim schnalzte kurz mit der Zunge. „Das ist mir klar…aber er wird sie nicht kriegen Gerkan, geschweige denn Sie umbringen. Sie sind nicht alleine…“ Der letzte Teil des Satzes war leise ausgesprochen worden. Bedacht, ehrlich. Semir lächelte kurz. „Haben wir schon was, bezüglich der Videoaufnahmen?“ Kim nickte auf Semirs Frage, ihr Gesicht verfärbte sich selbst durch das Make-Up in ein rot. Ein rot voller Wut. „Mahler hat den Gefängniswärter bestochen, ebenso einige Gefangene, ein Aufruhr wurde angezettelt und im Wirbel des Geschehens, konnten Mahlers Ex-Frau und Tayfun flüchten!“
    Semirs Augen rissen sich weit auf. „Bestochen?“, fragte er nochmals nach und Kim atmete tief durch. „Die Tracht Prügel hat der Wärter schon bekommen, glauben Sie mir“, sagte sie gehässig und rieb sich kurz symbolisch die Faust.
    „Frau Krüger“, meinte Hotte entsetzt und diese wendete ihren Blick zum dicklichen Polizisten. „Er wollte mich begrabschen, wollte mich bestechen, auch ich kenne meine Grenzen“, zischte sie.
    „Sonst noch?“, fragte Semir ungeduldig und lenkte so die Aufmerksamkeit wieder auf sich.
    „Melanie Mahler hatte ihrem Mann das Gefühl gegeben, dass sie ihn zurückwollte. Wir haben drum die Telefonaufnahmen bekommen. Ausserdem hatten Gefängniswärter berichtet, dass Melanie Mahler ab und an nicht in der Zelle aufzufinden war, wahrscheinlich bekam sie vom bestochenen Wärter des Frauengefängnisses nicht datierten „Freipässe“ um Mahler eben in die Paranoia zu treiben, was die Hundebiss anging, zumindest schien dies ihn ziemlich beschäftigt zu haben, er hatte sogar die Gefängnispsychologin aufgesucht gehabt.“
    „Aber wieso Ben?“, fragte Semir entsetzt nach. „Melanie Mahler glaubt, dass Ben damals den Befehl zur Stürmung vorzeitig gegeben hatte. Hatte er aber nicht. Zudem kann sie ihm, laut Berichten von Mithäftlingen, nicht verzeihen, sie verhaftet zu haben. Angeblich bekommt man ihre Aggression nicht in den Griff. Sie ist eine wandelnde Zeitbombe.“
    „Was sich Tayfun zu Nutze macht“, dachte Semir laut und Hotte stimmte ihm zu. Der Deutschtürke griff sich an den Kopf und trat gegen die Wand. „Verdammt…Andreas Todesurteil ist so gut wie unterschrieben…“, rief er laut und pessimistisch.
    Kim packte ihn am Arm und drückte zu. „Ist es nicht, wir werden sie heil da rausholen!“ Semir atmete tief durch, biss sich auf die Unterlippe und nickte. „Herr Freund ist in alles eingeweiht, er legt gerade eine Nachtschicht ein, wir werden gleich zu ihm fahren…vielleicht hat er ja schon was für uns!“


    Hartmut sass vor seinem Mikroskop und hatte ein Lächeln im Gesicht, breiter als sein Wissen über die Forensik. Er sah sich eine der Kugeln an, die aus dem Gewehr abgefeuert wurden, als Semir und Ben angegriffen worden waren.
    „Melanie Mahler, du bist zwar eine geniale Schlampe, aber mich legst du nicht rein…“, murmelte er leise, obwohl er alleine war. Die KTU war verlassen. Er stand auf und schrieb sich die Ergebnisse auf, per Computer, versteht sich.
    Er legte die Kugel zurück in die Aservatentüte und verschloss sie. „Dich krieg ich auch noch Tayfun…ich denke, dass du die Schüsse abgefeuert hast.“ Er legte die Tüte neben eine andere, in der eine silbrige Form, die aussah wie ein abgebrochener Zahn, lag. Er war in getrocknetem Blut getränkt. „Aber nun kann ich dir, Melanie, nachweisen, dass du Ben verletzt hast…genial, aber nicht genial genug!“
    „Oh, danke für die lobenden Worte“, hörte er auf einmal eine Frauenstimme und drehte sich um. Melanie Mahler, stand vor ihm, eine Pistole auf ihn gerichtet. „Mahler“, zischte Hartmut und versuchte den kalten Schauer zu überdecken, den ihn überkam. „Man hört viel von Ihnen Herr Freund im Gefängnis, Sie tragen ja schwer dazu bei, dass Ben und Semir die Insassen kriegen, nicht wahr?“ Hartmut sagte nichts, er lehnte sich gegen den Tisch, seine eine Hand, griff nach einem Glas. „Was wollen Sie?“; fragte er nach einer Minute des Schweigens und Mahler nickte auf die Beweise. „Die will ich. Ich war ein wenig fahrlässig, aber das wird sich nun ändern.“ Hartmut schüttelte mit dem Kopf. „Auf gar keinem Fall“, erwiderte er laut und schüttete den Inhalt des Glases über die Frau. Ungefährliche Chemikalien, doch es reichte, dass die Frau erschrak und die Pistole sank. Hartmut packte die Beweise und rannte aus seinem Büro, die Treppen hinunter zu der Werkstatt, die zum Ausgang führte.
    Doch leider hatte sich Mahler zu schnell wiedergefunden. Sie holte Hartmut noch auf der Treppe ein, trat ihm in den Rücken und der Rotschopf stürzte die Stufen hinunter. Er schlug mit dem Rücken gegen einer der Spiegel auf, welcher zerbrach. Die Scherben sammelten sich auf dem Fusse der Treppe, wo Hartmut zum Schluss auch hart aufprallte. Dabei liess er die Beweise los und blieb benommen liegen.


    Melanie lief keuchend auf ihn zu, beugte sich und nahm die Beweise. „Nicht schlecht, für einen Forensikfreak“, sagte sie leise, richtete sich wieder auf und wollte los, als sich etwas Spitzes in ihre Wade bohrte. Sie schrie vor Schmerz auf und sah nach unten. Hartmut, dessen Kopf blutüberströmt war, hatte eine Scherbe in die Wade gestossen gehabt. Die Hand umgriff fest die Scherbe und er drückte sie weiter hinein. „Du mieses…“, stiess Melanie aus und trat Hartmut gegen den ausgestreckten Arm und traf dabei das Schlüsselbein. Sofort spürte er, wie es knackte, doch er wollte nicht loslassen.
    „Lass‘ los!“ Sie holte noch einmal aus, traf Hartmut dieses Mal an die Schläfe und Hartmut sackte bewusstlos in sich zusammen, dabei liess er auch die Scherbe los. „Dieses kleine Arschloch“, wimmerte Melanie und zog die Scherbe aus ihrer Wade, dabei entglitt ihr ein kleiner, spitzer Schrei. Von weitem, hörte sie, wie sich ein Wagen näherte. Sie steckte die Beweise in ihre Jackentasche, steckte die Waffe in den Halfter und humpelte durch den Hintereingang nach draussen, durch den sie auch hereingekommen war.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 13.


    Semir stieg aus und lief in die KTU, hängte dabei Kim und Hotte ab. Er hoffte inständig, dass Hartmut etwas hatte, lange würde er diesen Alptraum nicht durchhalten können. Er öffnete die Türe.
    Der rothaarige Forensiker richtete sich auf und hielt sich dabei die Schulter. Dabei wimmerte er und schwankte heftig. „Um Himmels Willen Hartmut!“, stieß Semir aus und lief sofort auf seinen Kollegen zu, dabei erblickte er den blutüberströmten Kopf. „Diese Schlampe…“, zischte Hartmut und drohte wieder einzuknicken, doch Semir konnte ihn rechtzeitig auffangen, nahm einen Stuhl und half ihm sich zu setzten. In diesem Moment kamen Kim und Hotte dazu. „Ach du meine Güte Herr Freund!“, sagte Kim und drehte sich zu Hotte. „Herzberger rufen Sie sofort einen RTW!“ Hotte nickte und nahm sein Handy hervor, während Kim zu den Beiden ging.
    Hartmut hielt sich noch immer die Schulter. „Was ist passiert?“, fragte Semir besorgt und nahm ein sauberes Papiertaschentuch und begann, die Kopfwunde zu säubern, die sich über die linke Stirnhälfte zog.
    „Das war Mahler!“, sagte Hartmut mit leiser, aber bestimmter Stimme. Semir hielt kurz inne. „Was wollte sie hier?“, fragte Kim sofort und Hartmut atmete tief durch. „Sie hat die Beweise geklaut, ich wollte sie aufhalten…aber nun ja…ihr seht es ja…“ Er stieß einen spitzen Schrei auf und hielt sich wieder die Schulter. „Was ist?“, fragte Semir besorgt und hob das T-Shirt an. Der Bereich um das Schlüsselbein war blau grün und geschwollen. „Oje…ich suche was zum Kühlen“, kündigte die Chefin an und lief die Treppen hinauf.
    „Das ist wahrscheinlich gebrochen…“, murmelte Semir fürsorglich und tupfte die Wunde weiter ab. „Tut mir leid Semir…ich habe mich überrumpeln lassen wie ein Tölpel…“, flüsterte Hartmut und Semir legte nur eine Hand beruhigend auf die gesunde Schulter des Rothaarigen.


    Andrea fand sich in einem kleinen Zimmer wieder. Ihre eine Hand wurde mit einer Fessel und einer langen Kette an die kleine Heizung gebunden. Sie saß auf einer abgesessenen Couch. Aus manchen gerissenen Stellen quoll das Futter hervor. Das Zimmer war gut beleuchtet, darüber konnte sie sich nicht beklagen, doch ihr war kalt. Die Heizung gab nicht genügend Wärme.
    Sie wussste nicht, dass sie durch eine Versteckte Kamera von Tayfun und Melanie beobachtet wurde. Letztere hatte ihre Wunde provisorisch verbunden gehabt. Es gab keine Zeit zu verlieren.
    „Sie hat Angst“, meinte Tayfun amüsiert und sah zu Melanie. „Jäger?“ Sie lächelte. „Ausser Gefecht gesetzt. Warte nur ab wenn er vom Tode der Beiden erfährt, dass wird ihm das Herz brechen. Gerkan wird kommen und seine Frau befreien, dessen bin ich mir sicher!“ Tayfun nickte zustimmend. „Endlich bekommen wir unsere Rache“, flüsterte er und nahm Melanie an sich und sah ihr dabei tief in die Augen. Sie lächelte und wollte zum Kuss ansetzten, als sie einen heftigen Schmerz in der Brust spürte, als sie sich von Tayfun losriss, steckte ein Messer zwischen ihren Brüsten, genau auf Herzhöhe. „Du verdammter Mistkerl“, stieß sie aus und fiel zu Boden. Tayfun lief auf sie zu, sah in ihre vor Angst weit aufgerissenen Augen, lächelte, packte das Messer und zog. Sofort floss ein Schwall Blut aus der Wunde und Melanies Augen verloren jegliches Leben.
    „Tut mir leid Süsse, du hattest deinen Spass, jetzt bin ich dran…“, grinste er und blickte zurück auf den Bildschirm, wo Andrea zu weinen begann. „Ja…weine meine Süsse, noch kannst du es!“


    Die Sanitäter schienten Hartmuts Verletzung und versorgten seine Wunden. „Und Sie sind sicher, dass Sie nicht in ein Krankenhaus wollen?“ Hartmut schüttelte mit dem Kopf. „Hartmut…das wäre aber vernünftiger“, versuchte Semir zu appellieren und die Chefin stimmte ihm mit einem heftigen Kopfnicken zu. „Semir…ich kann nicht in ein Krankenhaus, während deine Frau in Lebensgefahr schwebt. Auch ich kenne Andrea und habe sie sehr gern…als Kollegin“, fügte er an als er Semirs Blick bemerkt hatte.
    Semir sah zum Arzt. „Nun ja…die Wunden konnten versorgt werden und wir hätten ihn nur eine Nacht zur Überwachung bei uns haben wollen. In dem Sinne…“, murmelte er geschlagen und verließ mit seinem Team die KTU.
    Sofort richtete sich der Rothaarige auf und schwankte zum Chaos. „Hartmut bitte…“, versuchte es Semir noch einmal, doch hoffnungslos. Wie ein Adler umkreiste Tatort die Splitter und die Treppe. „Im Medikamentenwahn helfen Sie uns überhaupt nicht“, meinte nun auch Kim und Hotte versuchte ebenfalls anzusetzen, doch da beugte sich Hartmut mit verzogenem Gesicht bereits. „Semir ich brauch eine Pinzette!“ Semir zuckte bei dem harschen Ton kurz zusammen. „Bitte?“, fragte er nach und Hartmut drehte sich um. „Eine Pinzette, na los!“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 14.


    „Ja doch…“, murmelte Semir und suchte die ganze KTU nach einer Pinzette ab. Währenddessen lief die Chefin zu Hartmut und beugte sich über ihn. Sie erblickte Staubpartikel, was ihre eine Augenbraue hochzucken liess. „Herr Freund was…?“ Hartmut drehte seinen Kopf zu ihr um.
    „Wenn ich richtig liege kann uns das helfen!“
    „Dieser sinnlose Staub?“
    „Dieser sinnlose Staub!“, antwortete Hartmut und Semir kam in diesem Moment mit einer Pinzette herbei. „Hier“, sagte er knapp und Hartmut nahm die Pinzette mit einem verzogenen Gesicht an, da ein kurzer, heisser Schmerz durch sein Schlüsselbein ging. Danach nahm er eines der Partikel auf, rannte zum Mikroskop und kontrollierte es. „HA!“, schrie er laut, worauf Kim und Semir, die ihm hinterhergerannt waren, zusammenzuckten. „Herrgott Herr Freund!“, zischte Kim und hielt sich symbolisch auf die Brust. Doch Hartmut liess sich nicht beirren. „Melanie Mahler, du Mistschlampe…ich hab dich!“, triumphierte er und winkte Semir an sein Mikroskop.
    „Sieh durch“, bat der Rothaarige und Semir tat wie ihm befohlen. „Na super Hartmut…ein paar Bröckchen Staub und Gestein, was hilft mir das?“ Hartmut hob den Finger. „Nicht ein Bröckchen Semir! Das ist Erde…spezielle Erde wie sie für japanische Häuser gebraucht wird. Es kommt wieder in den Trend, sich Häuser aus Erde zu machen, da es umweltfreundlicher ist. Es gibt bisher“, er lief zu seinem Computer und tippte wie wild auf der Tastatur, „nur EIN Haus, hier in Köln. Es ist noch nicht fertig, wird es wahrscheinlich auch nie sein, da der Auftraggeber sich bei den Aktien verschätzt hat!“ Semirs Gesicht erhellte sich, als er auf die Mappe sah und er klopfte Hartmut aus Versehen auf die verletzte Schulter und dieser stieß ein spitzes „AU!“ aus.
    „Tut mir leid Hartmut…aber das…du bist der Beste!“ Der Rotblonde grinste zufrieden und beide Männer hörten, wie Kim Krüger ihr Handy hervor nahm. „Ich werde die Stürmung auf morgen festlegen…die Beiden müssen sich ihrer Sache sicher sein…sonst wird das ein Schuss in der Ofen!“ Semir musste ihr, auch wenn die Ungeduld ihn beinahe zerriss, zustimmen.
    Sie beriet sich mit dem SEK-Leiter und hängte danach auf. „Also, morgen früh um neun Uhr, wollen wir angreifen…“, sie lief zu Semir und legte ihm beide Hände auf die Schulter, „gönnen Sie sich kurz ruhe…morgen werden Sie ihre Frau in den Armen halten…“ Sie verabschiedete sich von Hartmut mit einem Nicken und lief aus der KTU. „Komm Hartmut“, meinte Semir leise und zog ihn sanft hoch, „ich fahre dich nach Hause!“ Hartmut gab, mit einem Zögern, Semir die Schlüssel zu seinem Wagen und sie fuhren los.
    Nachdem Semir Hartmut nach Hause gebracht hatte, sagte dieser, dass Semir den Wagen noch kurz behalten dürfte, morgen würde er ihn aber gerne in vollkommenen Zustand wieder haben wollen. Semir nickte nur als Zustimmung.
    Er saß eine Weile im Wagen, das Chaos der Gefühle in seinem Inneren war schlimmer als jeder Koffein, er konnte doch nicht schlafen. In diesem Moment klingelte sein Handy. Eine SMS war angekommen. „Wer schreibt mir um diese Uhrzeit?“, fragte er leise und zog das Gerät aus der Tasche. „Ben?“, fragte er sich selbst laut erstaunt und öffnete die SMS.


    „Kann nicht schlafen – mach mir Sorgen!“


    Semir lehnte sich nach hinten, ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. Er erinnerte sich an Hottes Worte, bezüglich ihrer Freundschaft. Wenn man an ihren ersten gemeinsamen Fall dachte, wie Semir Ben noch mit einer Waffe bedrohte, hätte niemals jemand vom Team gedacht, dass die Beiden ein solch gutes Team wurden.
    Eigentlich war das gar keine schlechte Idee. Er konnte nicht schlafen, Ben konnte nicht schlafen, wieso sich also nicht ins Krankenhaus schleichen? Er startete den Motor und fuhr los.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 15.


    Langsam legte Ben sein Handy auf den Nachttisch neben ihn und betete die zitternde Hand auf seinen Oberkörper. Sein Körper war wie Blei und jegliche Bewegung glich einem Marathonlauf. Er hatte sein Spiegelbild auf dem Handydisplay gesehen; ein Schatten seiner selbst. Dicke Augenringe, die mit dem roten Schimmer auf den Lidern konkurrieren konnten, die Haut beinahe weiß wie Schnee und seine Lippen hatten einen rosigen Ton; waren ausgetrocknet.
    Zwei Operationen – sie hatten ihre Spuren hinterlassen. Doch er bereute es nicht, dass es zur zweiten kam; er bereute nur, dass er Andrea nicht retten konnte. Er beneidete tief in innerem Semir um sein Glück, doch zur gleichen Zeit, schätzte er es, da er daran teilhaben durfte. Er wurde Patenonkel von der kleinen Lili – eine Ehre, die keinem Partner zuvor anerkannt wurde. Ein Teil der Familie.
    Er spürte, wie Tränen aus seinen Augenwinkeln rannen, sich kurz in der Nasenkanüle verfingen und langsam dann ihren Weg unter das Plastik fanden.
    Es klopfte kurz an der Türe und er versuchte, sich die Tränen aus den Augen zu wischen, mit nur mässigem Erfolg.
    Eine kleine Gestalt schlich sich in das Zimmer und Ben erkannte schon an der Silhouette, dass es Semir war.
    „Danke dass du gekommen bist“, sagte er heiser und Semir trat in das schwache Licht der Nachttischlampe. Der Deutschtürke setzte sich auf den Stuhl, der noch immer am Bett stand und nickte. „Könnte sowieso nicht schlafen“, kam als Antwort und Ben hob eine Hand und legte sie auf eine Semirs.
    „Seid ihr vorangekommen?“
    Semir erzählte, was geschehen war. Der Überfall auf Hartmut, dessen Verletzungen und dass dieser trotzdem noch den Aufenthaltsort der Beiden Gauner ausfindig machen konnte. „Man darf unseren Feuerpinsel nicht unterschätzen…“, beendete Semir die Erzählung und Ben lächelte knapp als Zustimmung.
    „Wann wollt ihr zuschlagen?“
    „Morgen…um neun…“
    Ben atmete tief durch. „Semir…“, setzte er an und die Finger schlangen sich um Semirs Hand, „bitte versprich mir, wieder zurückzukommen…“ Semirs Mund verzog sich, doch nickte er. „Natürlich Partner…“, sagte er leise, weinerlich, beinahe den Tränen nah, „kann dich so nicht alleine lassen…“ Er legte die freie Hand auf Bens Schulter. Er fühlte sich kalt an. Kaum mit Leben gefüllt – ein furchtbares Gefühl.


    „Semir…ich wollte mich nochmals entschuldigen…für das ich Andrea nicht retten konnte…und eben, dass ich mein Verspre…“ Sofort spürte Ben einen Zeigefinger vor seinem Mund.
    „Ben…nein…ich habe es dir vorhin schon gesagt. Du bist…mein bester Freund…ich hätte es nicht ertragen können, deinen Leichnam auf einem silbernen Tisch liegen zu sehen…nein…du bist nicht nur mein Freund…du bist mein Bruder…“
    Bens Augen rissen sich auf. Ein kleines Wort und doch hatte es doch so eine große Bedeutung. „Du bist auch mein Bruder Semir…“, flüsterte er ergriffen und hob eine Hand. Semir verstand – doch anstatt einzuschlagen, wie sie es immer taten, legte er nur seine Hand in die Bens und sie umgriffen sich.
    „Fass Tayfun…hol‘ dir Melanie. Mach‘ Ihnen die Hölle heiss…“ Semir nickte mit einem Lächeln. „Du kennst mich doch Ben, ich geb‘ erst auf, wenn ich meine Ruhe habe!“ Ben nickte zustimmend. Auch seine blassen Lippen, waren mit einem Lächeln umspielt.
    „Ich wollte dir noch was geben“, sagte er dann nach einer Weile und deutete auf die Schublade seines Tischchens, „mach‘ sie bitte auf…“ Semir tat, wie ihm geheissen und öffnete die Schublade. Darin war nur eine Kette zu sehen. Aus schwarzer Lederschnur mit einem goldenen Indianerkopf.
    „Du hast sie ja immer noch…“, murmelte Semir und zog sie hervor. Er wollte sie Ben geben, doch dieser wies die Hand zurück. „Sie soll dir Glück geben Semir…und so bin ich ja doch irgendwie dabei…“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 16.


    Die Finger umwickelten den Lederband und die Fingernägel prallten immer wieder mit dem Gold zusammen. Er hing um seinen Hals, Ben war da. Das wusste er. Auch wenn dieser eingeschlafen war und der Arzt sagte, dass er noch sehr schwach war, so konnte Semir die Anwesenheit seines Partners spüren – so tief ging inzwischen ihre Loyalität und ihr Zusammenhalt.
    Mit angespanntem Blick sah er durch ein Fernglas auf das japanische Bauhaus und atmete tief durch. „Alles wird gut…“, sprach Kim ihm aufmunternd zu und gab durch ein Walkie Talkie die Positionen und den weiteren Verlauf durch.
    Semir zuckte kurz zusammen, als er durch ein Fenster seine Frau erblickte. Sie saß auf dem Sofa und hatte die Beine am Körper angewinkelt. Sie regte sich nicht, schien aber noch zu leben, denn ihr Kopf hob sich, als eine Gestalt in ihre Richtung kam. „Tayfun!“, zischte Semir und Kim sah durch ihr Fernglas. „Absolut. Ihre Frau scheint unverletzt zu sein…sie ist nur ein Köder…um sie zu kriegen!“ Semir stimmte ihr zu. „Doch ich kann sie nicht alleine lassen!“, beteuerte er und Kim nickte zustimmend. „Natürlich, das weiß ich!“, sie griff wieder zum Funkgerät, „An alle, Zielperson ist in Sichtweite – bereiten Stürmung vor, jedoch wird nicht ohne mein Zeichen das Feuer eröffnet, ich wiederhole: Ohne mein Zeichen wird das Feuer nicht eröffnet!“
    „Verstanden!“, erwiderte die tiefe Stimme des SEK-Leiters und tatsächlich hörte Semir noch die kurze Anweisung, dass sich alle stillhalten sollten.
    Semir und Kim liefen zusammen mit ihnen zugeteilten Männern auf den Eingang des Hauses zu. Sie nahmen ihre Waffen in beidhändigen Anschlag und als sie gerade die Türe eintreten wollten, schlug neben Semirs Füsse eine Kugel ein. Trockener Boden zersplitterte und verfing sich in Staub. „Scheisse“, zischte Semir, der durch den Schock gestolpert war und zu Boden fiel. Kim reagierte sofort, sie beugte sich zu ihm, packte ihn am Arm und zog ihn hoch. „Kommen Sie“, feuerte sie ihren Kollegen an und sie rannten in das Haus, das Hartmut ausfindig gemacht hatte.
    Sie hörten Schritte, die sich näherten. „Tayfun!“, zischte Semir und Kim nahm ihre Waffe wieder in den Anschlag. Doch dann vernahm sie kleinere Schritte und blickte zu Semir. „Ich geh hinten rum!“, sagte sie nur knapp und verschwand. Semir wusste nicht warum, oder wieso, sondern erstarrte, als Tayfun am Kopf der Treppe vor ihm stand und die Waffe an Andreas Schläfe gepresst hatte.


    Sie sah furchtbar aus. Das Haar zerzaust, die Augen verweint und das Make-Up verschmiert. Ihr Mund war verzogen, zeigte grossen Schmerz. „Semir…lauf…“, wimmerte sie doch Semir dachte nicht daran. „Lass‘ meine Frau frei Tayfun!“, schrie er und zielte mit seiner silbernen Pistole auf Tayfuns Stirn.
    Dieser grinste nur. „Aber Semir, möchtest du wirklich, dass ich deiner Frau in den Kopf schiesse? Stell dir die Sauerei vor!“ Semirs Händebegannen zu zittern. „Bitte Schatz…achte nicht auf mich…erschiess dieses Schwein – er hat Ben auf dem Gewissen!“ Semir lächelte traurig, verstellt. „Ben lebt Andrea…und ich hab ihm versprochen, dass wir Beide hier heil herauskommen!“ Andreas Augen rissen auf. Ben lebte – er war also nicht verblutet! Wieder sammelten sich Tränen in ihren Augen.
    „Ach was soll die Scheisse! Ist ja kaum zu aushalten!“, giftete Tayfun angewidert und schleuderte Andrea so gegen die Wand, das diese kurz benommen liegen blieb. Als sie sich aufrichtete sah sie, wie Tayfun zielte und schoss.
    Die Kugel traf genau in Semirs Schussweste ein und durch die Wucht wurde der Hauptkommissar nach hinten geschleudert. Er spürte, wie einer seiner Rippen auseinanderbrach. Als er mit den Rücken auf dem Boden prallte, blieb ihm kurz die Luft weg und er kam kaum noch zu Luft. Sein ganzer Oberkörper fühlte sich wie Blei an und irgendwas hielt ihn auf dem Boden.
    Tayfun näherte sich ihm immer näher, seine Waffe war ausser Reichweite, da er sie im Schock losgelassen hatte.
    „So Semir…endlich bin ich dort wo ich wollte!“; flüsterte Tayfun und zielte mit der Pistole auf Semirs Kopf, „Lebewohl Semir, ich hoffe, in der Hölle hat’s noch ein schönes Plätzchen für dich!“ In diesem Moment wollte Aida sich aufrichten, doch eine helle Stimme befahl ihr unten zu bleiben, doch in diesem Moment fiel ein Schuss.

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

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  • 17.


    Semir hatte die Augen geschlossen und wartete auf das Ende, doch kein Schmerz, keine Erlösung, nur die verdammte Rippe die schmerzte und brannte. Langsam öffnete er die Augen, als er einen Seufzer hörte und Tayfun erblickte, dessen Mund sich einen schmalen Spalt weit öffnete und Blut die Unterlippe herunterlief. Die Augen verdrehten sich und tödlich getroffen ging Semirs ehemaliger Sandkastenfreund zu Boden, während der Körper noch langsam die Treppe hinunterrutschte. Kim Krüger kam hinter einer Wand hervor und sank ihre Waffe. Sie steckte diese in den Halfter und kniete zu Andrea, die wieder auf den Boden gekniet war. „Alles in Ordnung Frau Gerkan?“, fragte sie besorgt und Andrea nickte. „Nur bisschen müde und dreckig“, sagte sie heiser und liess sich von Kim aufhelfen.
    „Mir geht’s auch super, danke!“, knirschte Semir hervor und richtete sich langsam auf. „Was ist mit Melanie?“, fragte er danach. „Tot“, antwortete Kim, „ich habe ihre langsam faulende Leiche im Flur gefunden – mit Messer in der Brust, sie musste sofort tot gewesen sein!“ Andrea stolperte auf Semir zu und die Beiden umarmten sich und küssten sich innig.
    „Gott sei Dank…“, flüsterte Semir und vergass seine Schmerzen. Andrea löste sich leicht und erblickte die Kette. „Die ist doch…“ Semir nickte ihr zustimmend. „Er wollte unbedingt dabei sein…wie auch immer…und nun ist er es!“ Andrea nickte zustimmend. „Ich bin so froh…dass es dir gut geht!“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 17.


    Semir hatte die Augen geschlossen und wartete auf das Ende, doch kein Schmerz, keine Erlösung, nur die verdammte Rippe die schmerzte und brannte. Langsam öffnete er die Augen, als er einen Seufzer hörte und Tayfun erblickte, dessen Mund sich einen schmalen Spalt weit öffnete und Blut die Unterlippe herunterlief. Die Augen verdrehten sich und tödlich getroffen ging Semirs ehemaliger Sandkastenfreund zu Boden, während der Körper noch langsam die Treppe hinunterrutschte. Kim Krüger kam hinter einer Wand hervor und sank ihre Waffe. Sie steckte diese in den Halfter und kniete zu Andrea, die wieder auf den Boden gekniet war. „Alles in Ordnung Frau Gerkan?“, fragte sie besorgt und Andrea nickte. „Nur bisschen müde und dreckig“, sagte sie heiser und liess sich von Kim aufhelfen.
    „Mir geht’s auch super, danke!“, knirschte Semir hervor und richtete sich langsam auf. „Was ist mit Melanie?“, fragte er danach. „Tot“, antwortete Kim, „ich habe ihre langsam faulende Leiche im Flur gefunden – mit Messer in der Brust, sie musste sofort tot gewesen sein!“ Andrea stolperte auf Semir zu und die Beiden umarmten sich und küssten sich innig.
    „Gott sei Dank…“, flüsterte Semir und vergass seine Schmerzen. Andrea löste sich leicht und erblickte die Kette. „Die ist doch…“ Semir nickte ihr zustimmend. „Er wollte unbedingt dabei sein…wie auch immer…und nun ist er es!“ Andrea nickte zustimmend. „Ich bin so froh…dass es dir gut geht!“

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

  • 18.


    Vier Wochen später


    „Also mal sehen…Kleidung, I-Pod…ja ich glaub ich hab alles!“, verkündete Ben zu Semir, der an der Türschwelle stand und das Zimmer betrat. „Kaum zu glauben, dass du eine Tasche packen kannst du Chaot!“, erwiderte Semir grinsend und Ben rollte mit den Augen. „Haha…sehr witzig…“, erwiderte dieser und wollte die Tasche heben, als Semir eingriff. „Das kommt auf gar keinen Fall in Frage!“, sagte der Deutschtürke stark und energisch und umgriff den Henkel. „Der Arzt hat dich zwar entlassen, aber du darfst mindestens noch ein – bis zwei Wochen nichts Schweres heben! Ist das klar!“ Ben hob unschuldig die Arme und Semir hängte sich die Tasche um. „Endlich raus…“, seufzte Ben und lächelte. Semir stimmte ihm mit einem Nicken zu. Ben sah viel entspannter aus. Seine Hautfarbe war so gut wie wieder da, nur der leichte Gewichtsverlust zeigte, wie lange Bens ernster Gesundheitszustand war.
    „Andrea und die Kinder warten Zuhause schon! Wenn wir sie Zuhause warenlassen, dann gibt’s Ärger!“ Semir wollte voraus gehen, als Semir ihn noch einmal bei den Schultern hielt und ihn kurz zurückzog.
    „Bei dir auch wieder gut?“ Semir drehte sich zu Ben um und nickte. „Klar, hab ich dir doch gesagt dass meine Rippen wieder in Ordnung sind…“
    „Das habe ich nicht gemeint!“, entgegnete Ben und wieder lächelte Semir. „Ja, auch das ist wieder in Ordnung“, entgegnete er und Ben atmete erleichtert durch. „Noch kann ich nicht mit auf Streife kommen – kennst ja die Ärzte!“ Semir schüttelte mit dem Kopf. „Komm schon, sie meinen’s ja gut! Ausserdem will ich dich fit dabei haben!“
    Ben zwinkerte kurz mit einem Auge und lief voraus. „Ben…danke!“ Der Angesprochene drehte sich fragend um. „Wofür?“, fügte er seiner Geste hinzu und Semir stellte sich vor seinen Partner. „Du hast beinahe dein Leben für meine Familie geopfert! Du hättest sterben können!“ Ben lächelte. „Erstens: Gerngeschehen Partner – ich würd’s immer wieder tun und zweitens: Ich habe nicht deine Familie gerettet…ich habe unsere Familie gerettet, meine Familie…!“ Semir presste kurz die Lippen zusammen, dann fiel er seinem Partner um den Hals.


    Erstaunt hielt Ben kurz inne, erwiderte dann aber die Umarmung und drückte seinen Partner fest an sich. „Danke mein Bruder…wirklich…danke…“ Semir löste sich und wollte die Kette abziehen, die er noch immer trug, doch Ben sank seine Hand und legte sie auf die Semirs. „Behalte sie…bitte…sie soll dir Glück bringen, wie sie mir Glück gebracht hat! Sie hat mir den besten Partner gebracht, den man sich wünschen kann.“
    „Und weisst du was“, erwiderte Semir, „dieser Partner lädt nun seinen „Bruder“ zu einem Bierchen und einem Grillabend bei der Familie ein, was hält dieser davon?“ Über Bens Gesicht huschte sein freches Grinsen, was wohl jede Frau zum schmelzen brachte. „Der findet das klasse und kommt sofort mit!“
    Sie schlangen ihre Arme um sich und gingen gemeinsam nach draussen. In diesem Moment wollte Ben nicht erfahren, wie Melanie es schaffte, diese Wunde an seiner Seite zu hinterlassen, tief in innerem wusste er es, es musste vor seiner Heimfahrt gewesen sein, als er bei einer Currybude war und einmal nicht aufgepasst hatte, dort musste er die K.O. Tropfen erhalten haben. Doch er würde es nie erfahren.
    Denn kurz danach, kam anderes. Semir erfuhr von einer neuen Tochter, einer unehelichen. Und den Beiden wurde ein wertvoller Freund genommen, in einer edlen Tat erschossen, kurz vor seiner Pension aus dem Leben scheidend.
    Doch das, ist wiederum eine andere Geschichte…


    ENDE

    Semir: Du blutest übrigens!
    Alex: Ich blute?! Ja, ich blute! Ich habe mir 'ne Kugel für dich eingefangen! Man ich stehe hier vielleicht auf der Fahndungsliste!
    Semir: Alex...
    Alex: Weisst du wie Knast hier aussieht?
    Semir: Alex...
    Alex: WAS?!
    Semir: Ich hab dich lieb...
    Alex: Ja schönen Dank auch!

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