Freitag der Dreizehnte

  • So liebe Leute, mit einem Tag Verspätung beginnt nun die neue Story. Ich hoffe, ihr hab an ihr wieder so viel Spaß wie an der letzten. ;) Ich verspreche euch, dass es dieses Mal nicht langweilig wird. Auf keinen Fall ... hehe :D
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    „Beeeeen?“, säuselte eine liebliche Stimme. „Hmmm, noch nicht...“, murmelte er nur und drückte seinen Kopf tiefer ins Kopfkissen. „Ben, komm schon...dein Urlaub ist vorbei. Du musst zur Arbeit.“, kam es von Emily und strich ihrem Lebensgefährten sanft mit den Fingerkuppen über den nackten Rücken. Gänsehaut bildete sich auf seinem Rücken und seine Haare stellten sich auf. „Uhhhhhhh...das ist gut...“, kam es schnurrend von Ben. „Hey mein Kater...du musst jetzt raus.“ „Na schön...aber sehr, sehr ungern.“, murmelte er nur und stand auf. Schnell war er in der Dusche verschwunden und Emily deckte in der Zwischenzeit den Tisch. In den letzten Wochen hatten sie Besuch von Emilys Eltern bekommen. Ben hatte sich erst ein wenig dagegen gesträubt, doch dann war das Wochenende ein voller Erfolg. Emilys Vater hatte mit ihm sogar eine Gemeinsamkeit entdeckt. Beide fuhren leidenschaftlich gern auf einer alten Harley und sammelten Oldtimers. „Dein Vater ist wirklich klasse...“, hatte er ihr danach gesagt, als sie sich geliebt hatten. „Freut mich, dass ihr euch so gut versteht. Meine Mum ist auch hellauf begeistert von dir.“, erwiderte sie. Jetzt saß sie am Tisch und konnte sich durchaus vorstellen, mit Ben den nächsten Schritt zu wagen. Ben kam aus der Dusche und aß mit seiner Freundin gemeinsam Frühstück. „Du Schatz, ich muss los. Wir sehen uns heute Abend.“, meinte er, küsste sie innig und stieg in seinen Mercedes, als er die Treppen förmlich hinunter gesprungen war. Der Mercedes beschleunigte und schnurstracks war er auf der Autobahn.


    Manuele Morabito und Gennarino Ferramenti saßen in ihrem Wagen und blickten sich um. „Warum verlangt der Don eigentlich, dass wir den Kerl umbringen? Ich meine, was haben wir davon?“, wollte Manuele wissen und sah seinen Cousin an. „Du hast ihn doch gehört. Dieser Kerl hat mit ... Da ist er...“, stieß Gennarino nur aus und sah dann auf den hochgewachsenen Mann, der vor ihnen aus der Tankstelle kam und in einen Opel stieg. „Also los...“, meinte Manuele nur und startete den Alfa Romeo. Aus dem Handschubfach holte Gennarino eine Pistole, schraubte einen Schalldämpfer rauf und nickte seinem Fahrer zu. Dieser wollte gerade losfahren, als ein dunkelsilbernern Mercedes auf die Tankstelle zufuhr. Manuele startete den Wagen und rollte langsam vorwärts. Als er neben dem Opel stand, ließ der Beifahrer das verspiegelte Fenster runter und tippte den Mann an. Dieser drehte sich um und erschrak. Doch schon war drei Mal ein Plopp zu hören. Getroffen sank der Mann zusammen und der Alfa rauschte davon. Alles blieb aber nicht unbeobachtet.
    Ben tankte gerade und hörte, wie neben ihm ein Wagen wegrauschte. „Hey, noch nie was vom Schritttempo gehört.“, fluchte er dem Alfa nach. Grummelnd drehte er sich wieder um und sah dann den Toten neben der Zapfsäule liegen. „Oh verdammt...“, stieß er aus, ließ den Zapfhahn schließen und legte das passende Geld auf die Zapfsäule. Schnell war er wieder in seinen Mercedes gesprungen und jagte hinter dem Alfa her. „Cobra 11 an Zentrale...verfolge flüchtigen Alfa Romeo Richtung Wuppertal...es gab einen Toten an der Tankstelle Köln Süd...schickt bitte die Kollegen und einen Leichwagen hin. Und schickt mir Verstärkung...“, forderte Ben über Funk. „Alles klar Ben, habe verstanden. Ich schicke dir sofort Verstärkung...“, kam es von Susanne wieder. „Danke dir, Schatz...“, erwiderte der junge Hauptkommissar. „Lass das nicht deine Emily hören.“, lachte die Sekretärin und hängte den Funk auf. Ben musste grinsen und sah dann den Alfa vor sich. „So Freunde, jetzt hab ich euch.“, knurrte er nur und schaltete einen Gang hoch.


    Manuele sah durch den Rückspiegel und blickte dann zu Gennarino. „Wir kriegen Besuch. Die Polizei ist hinter uns.“, meinte er gelassen. „Tja, aber wie es aussieht nur ein Mann. Mit dem werden wir fertig.“, lächelte der Italiener und zog sich die Maske über. Auch der Fahrer verbarg sein Gesicht und ließ den Motor aufheulen, doch schnell wurden sie vom Mercedes eingeholt und schon sahen die beiden Maskierten in das Gesicht eines entschlossenen und grimmigen Hauptkommissars. „So, wollen wir mal mit ihm Theater spielen.“, grinste Manuele unter seiner Maske hervor. Schon rammte der Alfa den Mercedes und versuchte ihn, gegen die innere Leitplanke zu drücken. „So mein Freund...dich mach ich fertig.“, lachte der Fahrer nur.
    „Wow...“, stieß Ben aus und zog nach links rüber. „Na wartet...das werde ich euch nicht durchgehen lassen.“, knurrte er nur und fuhr wieder nach rechts rüber. Blech kreischte und der Außenspiegel splitterte. „So, ihr kleinen Käfer. Euch werde ich jetzt mit einer großen Fliegenklatsche ausradieren...“, fauchte er und zog erneut rüber. Dieses Mal war es der Alfa, der von der Fahrbahn flog und dann über ein Feld rauschte, durch mehrere Strohballen fuhr und dann an einem Busch zum Stehen kam. „Na, ich habe euch jetzt...“, freute sich der junge Hauptkommissar nur und brachte seinen Mercedes am Straßenrand zum stehen. Mit gezückter Waffe rannte er auf den Alfa zu, bog in gebührendem Abstand um den Wagen und zog die Fahrertür auf. Doch da war niemand. Nur auf der Beifahrerseite hing einer schlaff in seinem Sicherheitsgürtel. Ben wollte herum, den Puls fühlen, als ein kräftiger Arm sich um seinen Hals schlang.


    ...

  • Manuele warf sich auf den Mann und presste ihm den Arm um den Hals zusammen. Mit der anderen Hand schlug er die Pistole gegen das Dach, bis sie in einem hohen Bogen ins hohe Gras fiel. Ben versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Er wirbelte herum und bekam die Hand zu packen. In einem gekonnten Griff warf er den Angreifer über seine Schulter und hörte ein Ratschen. Dann sah er auf seinen Arm. „Mein neues Hemd...das hat mir meine Freundin geschenkt. Das wirst du bezahlen.“, fauchte Ben nur und warf sich erneut auf den Kerl, wollte ihm die Maske vom Kopf reißen. Doch sie wälzten sich nur auf dem Boden hin und her, jeder kassierte von dem anderen hin und wieder Kinnhaken, doch dann schaffte er es, seinem Gegner die Maske vom Kopf zu reißen. Er sah in ein südländisches Gesicht mit funkelnden Augen. „Das hast du nicht umsonst gemacht.“, fauchte dieser und riss sich los. Dabei riss er Ben den Ärmel seines Hemdes ab und zum Vorschein kam das Oberarmtattoo des jungen Hauptkommissars. Sein Kontrahent betrachtete aufmerksam das Tattoo an Bens Arm und einen Moment lang huschte ein hämisches Grinsen über das Gesicht des Südländers. Ben wusste nicht, was er davon halten sollte. Seine Augen verengten sich zu besorgten Schlitzen. Plötzlich wurde alles um in herum Schwarz. Sein Körper kippte nach vorne und blieb im vorherbstlichen Dreck liegen.
    „Wow...das war knapp...“, stieß Gennarino aus, warf den Ast weg und half seinem Freund hoch. „Danke...los, wir machen den Bullen kalt und dann nichts wie weg.“, knurrte Manuele nur und zog seine Waffe hervor. Er entsicherte sie und zielte auf den am Boden liegenden und noch halb bewusstlosen Mann. Gennarino sah die Szenerie mit gemischten Gefühlen an. „Nein, lass ihn... komm, wir müssen weg von hier.“, stieß der noch recht junge Mafioso aus, als er die Sirenen nahen hörte. Manuele sah sich um und blickte dann zu Ben hinunter, der langsam wieder zu sich kam. „Er hat mein Gesicht gesehen. Er muss sterben.“, stieß er aus. „Nein, lass ihn. Wir müssen hier weg oder wir sind geliefert.“, meinte der Jüngere der Beiden. „Er hat dich sicher nur kurz gesehen. Das kann ihm nicht viel nützen. Du weißt, was der Boss gesagt hat. Keinen Stress mit der Polizei.“, knurrte Gennarino nur und zog seinen Freund hinter den nächsten Büschen und war damit außerhalb des Sichtfeldes der anrückenden Polizei.


    Siggi und Mario waren die ersten, die mit ihrem Streifenwagen auf dem Standstreifen zum Stehen kamen. „Verdammt, das ist doch Ben da unten oder nicht?“, kam es von Mario. „Los schnell runter...“, meinte Siggi nur und sofort waren sie bei dem Wrack, was auf dem Dach lag. „Ben...Ben...bist du in Ordnung?“, fragte Siggi und schlug sanft mit der flachen Hand auf die Wange des jungen Hauptkommissars. Er stöhnte auf und langsam flackerten die Augenlider. „Wa...was?“, kam es lallend von ihm. „Ben...wie viele Finger zeige ich?“ Mario zeigte Zeige- und Mittelfinger hoch, hielt sie dicht vor das mit kleinen Schrammen und Prellungen versehene Gesicht von Ben. Der junge Hauptkommissar verdrehte kurz die Augen. „A...acht?“, stammelte er nur und schloss dann die Augen. „Gehirnerschütterung...und das sicher nicht zu knapp.“, meinte Siggi nur und griff zu seinem Handy. Schnell war ein Rettungswagen gerufen und auch die Chefin informiert. „Komm erstmal hoch, Junge.“, kam es nur von Siggi und dieser half Ben auf. Langsam gingen sie zum Standstreifen zurück. „Ohh, mein Kopf.“, kam es nur von Ben. Plötzlich schien etwas in seinem Hals zu passieren. Ein Reflex, den er schon lange nicht verspürt hatte. Der Kommissar riss sich kurz los und verschwand hinter dem nächsten Baum, lehnte sich dagegen und ließ dem Reflex freien Lauf. „Japp...eindeutig eine Gehirnerschütterung.“, kam es trocken von Mario und sah auf, als der Krankenwagen vorfuhr. „Sag mal, wo ist eigentlich der zweite Teil vom Chaosduo?“, wollte Siggi wissen. Mario sah sich um. „Stimmt, wo ist Semir?“


    „Papa, ich will aber nicht. Bitte...mir tut auch nichts mehr weh.“, klagte Ayda quengelnd und zupfte an Semirs Arm. „Doch ,du musst. Ich weiß, es ist unangenehm, aber es wird nicht besser, wenn wir warten.“, versuchte es Semir mit ruhigen Worten. „Aber...aber...aber er wird mir sicher meinen Zahn ziehen mit einer großen Zange.“, kam es weinerlich von Ayda. Der Papa drehte seinen Kopf und sah seine Tochter fragend an. „Wer hat dir denn das erzählt?“ „Der Freddy...er hat gesagt, wenn ein Zahn krank ist, dann nimmt der Arzt eine große Zange und zieht ihn raus.“ In Aydas Stimme schwang die Angst mit, das hörte Semir deutlich. Er legte den Arm um seine Tochter und küsste sie auf die blonden Haare. „Ach mein Schatz, der Zahnarzt will nur nachsehen, ob alles in Ordnung ist.“, meinte der Vater nur und sah dann auf, als die Schwester aus dem Handlungszimmer kam. „Herr Gerkhan...und Ayda...“, lächelte sie nur und Semir stand mit seiner Tochter auf, die sich aber keinen Zentimeter bewegen wollte. Er beugte sich zu ihr runter und blickte in die strahlenden Augen seiner ersten Tochter. „Weißt du was, wenn du jetzt mitkommst, dann gehen wir nachher rüber ins Spielzeugland und kaufen dir was feines, ja?“, fragte er und strich seiner Ayda durchs Haar. „Au fein...“, stieß sie aus und klatschte begeistert in die Hände. „Na dann komm.“, lächelte er nur und betrat mit seiner Tochter das Behandlungszimmer.
    Dr. Karl Wirsing wusch sich eben die Hände, als die nächsten Patienten schon reinkamen. „Ah hallo Ayda...du bist heute also dran, ja?“, lächelte er und ging dann zu dem berühmten Zahnarztstuhl hinüber. Ayda hatte sich schon hineingesetzt und sah den Mann mit großen, leicht ängstlichen Augen an. Langsam nickte sie nur. „Na, dann gucken wir mal, ob alles in Ordnung ist.“, meinte er und sah zu Semir hinüber, nickte ihn kurz zu und nahm dann sein Besteck in die Hand, richtete Stuhl und Lampe nochmals aus und bat dann Ayda, sie solle den Mund öffnen. Langsam tat sie es und hielt dann still. Der Arzt fuhr mit dem Spiegel und dem kleinen Haken in den Mund und tastete jeden Zahn ab. „Tut das weh?“, fragte er immer wieder. Ayda schüttelte kurz mit dem Kopf, doch dann zuckte sie kurz zusammen. „Okay...ein Milchzahn...etwas zu früh...jetzt musst du ganz tapfer sein. Der muss raus.“ „Waaas?“, kam es weinerlich von Ayda, doch sie merkte nur ein leichtes Ruckeln und dann nichts mehr. „So, das war es.“, lächelte Dr. Wirsing und hielt einen kleinen, etwas blutigen Zahn seiner kleinen Patientin hin und sie staunte nur. „Ich...ich hab gar nichts gemerkt.“, kam es staunend von der Kleinen. „Und? Schmerzen?“, fragte Semir nun. Ayda konnte aber nur mit dem Kopf schütteln. Zufrieden und mit einem kleinen Spielzeug vom Zahnarzt und einem großen aus dem Spielzeugland fuhr Semir seine Tochter zurück nach Hause, ehe er sich dann auf zum Dienst machte.


    ...

  • Ben wischte sich den Mund ab und ließ sich vom Notarzt untersuchen. „Verdammt, die Kerle sind mir entwischt.“, knurrte er nur und sah mit dröhnenden Kopf zum Notarzt auf. „Du hast Glück, dass du so gut davon gekommen bist.“, meinte Siggi nur und reichte ihm ein Glas Wasser, während der Notarzt die Behandlung weiter fortführte. „Herr Jäger, sie haben eine mittelschwere Gehirnerschütterung. Es ist besser, wenn sie mit uns ins Krankenhaus fahren.“, meinte der Mediziner nur und zog eine Spritze auf. „Nein, das kann ich nicht...das...das...was wollen sie mir denn da geben?“, fragte Ben mit leichter Nervosität. „Das ist ein Beruhigungsmittel und ein Schmerzmittel gibt es gleich. Ich will nur ausschließen, dass sie bleibende Schäden davontragen.“ Der Arzt zog die Spritze auf und wollte sie Ben einflößen, als dieser von der Trage sprang. „Nein, das können sie nicht machen. Ich muss die Täter finden.“, knurrte Ben nur und hielt sich am Krankenwagen fest. Siggi stützte ihn leicht. „Seien sie vernünftig. Nehmen sie wenigstens die Spritze, wenn sie schon nicht ins Krankenhaus wollen.“, forderte der Arzt. Widerwillig ließ sich Ben die Medizin in seinen Körper einspritzen und zog dann sein zerrissenes Hemd wieder an. „Danke...“, meinte er nur knapp zum Mediziner und ging dann zu seinem Wagen. „Hey, du willst doch nicht etwa fahren oder?“, stieß Mario nur aus. „Okay, dann fahr du mich halt. Und zwar zu der Tankstelle, wo der Mord passiert ist.“, forderte Ben und warf dem Polizisten seine Wagenschlüssel rüber. „Moment mal...ich darf mit deinem Mercedes fahren?“, freute sich der junge Beamte. „Ja, ich darf ja nicht...also los.“, bestimmte Ben nur.


    Mario wendete den Mercedes und fuhr zurück zur Tankstelle, wo schon die Gerichtsmedizin und die Spurensicherung ihre Arbeit aufgenommen hatte. „Hallo Doc...was hast du schon für mich?“, fragte Ben und ging neben die Leiche, über die sich bis vor ein paar Minuten noch der Gerichtsmediziner gebeugt hatte. „Tja Ben...drei Schüsse. Alle in die Brust.“, erklärte Rolf Löffler und streifte sich die Handschuhe von den Fingern. Dann ging er nochmals in die Knie und zeigte auf eine Stelle in der Herzgegend. „Direkter Herzschuss. Der arme Kerl war sofort tot. Alles andere dann morgen nach der Obduktion.“, erklärte der Rechtsmediziner und packte seine Tasche zusammen. Ben nickte ihm zu und sah auf die Leiche hinunter. Das Gesicht des Mannes sah makellos aus. Keine Verunreinigung, kein Leberfleck, nicht einmal eine Narbe war zu erkennen. Langsam ging der junge Hauptkommissar in die Hocke und betrachtete den Toten genauer. Auch, wenn er diesen aufsteigenden Leichengeruch und den Geruch des Blutes nicht mochte, so war es doch sein Job herauszufinden, wer der Tote war. Die Augenbrauen waren gezupft und auf den Lippen schien eine glänzende Flüssigkeit getrocknet zu sein. „Ben, kommst du mal. Wir haben die Identität des Opfers.“, riss Hartmut ihn aus seinen Gedanken. Der Angesprochene nickte, erhob sich und ging zum rothaarigen Techniker.
    „Wie heißt er denn?“, meinte Ben etwas geschafft. Noch immer war sein Körper vom Schlag auf den Kopf geschwächt und machte nicht das, was er sollte. Hartmut blickte etwas besorgt auf den jungen Hauptkommissaren. „Hallo Hartmut...den Namen...“, kam es knurrend von Ben. „Ähm ja...hier...Darius Funke...wohnhaft in der Michaelisgasse 89 in Köln-Ossendorf.“, meinte Hartmut nur und reichte dem Hauptkommissar den Personalausweis in einer eingeschweißten Tüte. „Danke Hartmut...habt ihr sonst was gefunden? Hülsenspuren? Was ist mit den Überwachungsbändern? Ist dort was zu sehen?“ „Ben, wir haben gerade erst angefangen. Ich rufe dich an, wenn ich was gefunden habe, okay?“, meinte der Techniker nur. Ben nickte und ging zurück zu Mario. „Wohin jetzt?“ „Zur Station. Semir wird sicherlich schon auf mich warten.“, erklärte Ben nur.


    Der Deutschtürke saß schon in seinem Büro und schrieb die noch anstehenden Berichte, als er die Glastür hinter sich öffnen hörte. „Hey Ben...wo kommst du denn her? Ich dachte, wir sind hier zum Frühstücken verabredet.“, meinte Semir nur und sah dann seinen Partner an. „Oh man, du siehst aus, als ob du von einem Dampfer überfahren wurdest.“, grinste Semir nur. „Ja, ich hab dich auch lieb. Ich hatte einen Zusammenstoß mit zwei maskierten Mördern. Sie haben einen Darius Funke umgebracht, brutal erschossen.“, erklärte Ben nur und nahm aus dem Eisschrank eine Packung Eiswürfel heraus, füllte sie in ein Handtuch, was er sich aus der Küche mitgebracht hatte und legte es auf seinen Kopf. „Was ist denn passiert?“, wollte Semir wissen und Ben erzählte alles. „Wow, da hast du ja ein Abenteuer hinter dir. Hast du wenigstens jemanden erkennen können?“ „Leider nein...die Kerle waren maskiert.“, kam es nur von Ben. Sein Kollege nickte nur und beide widmeten sich dann ihrer Arbeit. Noch ahnten sie nicht, was die Ereignisse vom Vormittag für Kreise ziehen sollten.


    ...

  • Hartmut wertete die Spuren und die Aufnahmen des Videos aus. „Na, das ist doch...“, stieß er aus und ließ ein paar Bilder schießen. Sofort scannte er die geschossenen Bilder in die Datenbank ein und ließ den Suchmodus laufen. Nach einigen Minuten hatte er die ersten Ergebnisse. „Wow...ganz schön beschriebene Blätter... Manuele Morabito und Gennarino Ferramenti…ganz schön verruchte Kerle. Alles, was das Gesetzbuch zu bieten hat, haben sie schon durchgenommen.“, murmelte Hartmut nur und ließ die Datei als Email an Ben und Semir versenden. Dann widmete er sich der Kugel, die der Doktor ihm schon geschickt hatte. Seit der Obduktion waren zwei Stunden vergangen. Er legte sie unter das Mikroskop, vergrößerte sie und ließ das Kaliber und den Abdruck in der Datenbank suchen. „Oh man...das wird die Beiden aber sicherlich interessieren.“, meinte Hartmut nur und griff zum Telefon.
    „Hartmut, hast du schon was gefunden?“, wollte Ben wissen, als er den Hörer in die Hand nahm. „Allerdings...da hast du dir ja zwei Kerle ausgesucht Ben...ich hab dir die Fahndungsfotos mal geschickt. Keine nette Gesellschaft.“, meinte Hartmut nur. Ben öffnete die Email und projizierte die beiden Bilder auf den großen Bildschirm an der Wand. „Noch etwas?“, fragte er dann. „Ja, die Kugel stammt aus einer Waffe, die schon mal bei einer Schießerei in Düsseldorf und einer weiteren in Wuppertal. Dabei soll es sich um Schutzgeld und Mafiaabrechnungen gehandelt haben.“, erklärte er nur. „Danke Hartmut. Wie immer warst du eine große Hilfe.“, bedankte sich Ben und legte dann auf. Semir stand schon vor dem Bildschirm und sah sich die beiden Männer an. „Verdammt, das sind zwei Mafiakerle. Weißt du, was das wieder heißt?“, fragte Semir mit düsterer Miene. Ben nickte nur. „Das wird wieder eine verdammt dreckige und gefährliche Arbeit werden.“, murrte der junge Hauptkommissar. „Na los...Susanne soll uns mal den Wohnort heraussuchen. Dann fahren wir mal hin und nehmen uns die Beiden vor.“, kam es nur von Semir und schon war er aus dem Büro verschwunden, beauftragte Susanne damit und kam dann wieder. „Ich hoffe, wir stechen nicht wieder in ein Wespennest.“


    Manuele Morabito und Gennarino Ferramenti liefen zum nächsten Rastplatz und sahen sich um. „Los, nehmen wir uns dieses Wagen dort und verschwinden.“, zischte Gennarino nur und zeigte auf einen Audi. Manuele nickte nur und ging auf den Wagen zu und näherte sich von der Rückseite. Der Besitzer saß in seinem Auto und telefonierte wild vor sich hin. Manuele riss schnell die Tür auf, seine Hände krallten sich in die Jacke des Mannes und schlug mit der Faust in das verdutzte Gesicht. Bewusstlos und wie ein nasser Sack ging das Opfer zu Boden. Aus der Stimme klang nur ein dumpfes „Hallo? Hallo?“ des Anrufer vom Ende der anderen Leitung. Manuele schnappte sich den Schlüssel und winkte Gennarino heran. Gemeinsam stiegen sie in den Audi und rauschten vom Parkplatz. Unterwegs klingelte das Handy des Eine. „Der Boss...“, stieß Gennarino nur aus und hielt sich den Lautsprecher ans Ohr. „Don Salvestro, wir haben den Auftrag ausgeführt. Funke ist tot.“, meinte der junge Mann nur und wartete auf eine Antwort. „Sehr gut. Ihr könnt jetzt in eure Wohnungen zurückfahren. Wartet dort auf weitere Anweisungen. Ach ja, Gennarino...für dich habe ich einen ganz besonderen Auftrag.“, meinte der Mann am anderen Ende der Leitung. Der junge Mafioso hörte aufmerksam zu und nickte hin und wieder. „Si Don Salvestro...ich werde sie nicht enttäuschen.“, erklärte der junge Mann und sah dann zu Manuele an. „Was hat er gesagt?“, wollte der Fahrer wissen. „Er hat und beglückwünscht und wir sollen unsere Wohnungen aufsuchen.“, erklärte Gennarino nur. „Klasse, ein paar freie Tage werden mir gut tun.“


    „Ben, Semir...ich hab hier die Adresse eines der Männer...“, erklärte Susanne, als sie wieder ins Büro kam. Beide Köpfe wanderten zur Tür und sahen die Sekretärin an. Sie legte einen Zettel auf den Tisch und verschwand wieder aus dem Büro. „Danke Susanne...“, riefen die Beiden nur im Chor ihr hinterher. Semir sah auf den Zettel und sah ihn sich an. „Jungfernstraße 81b...in Köln-Niebühl. Dann machen wir uns mal auf den Weg dorthin.“, kam es von Semir und schon war er drauf aufzustehen. „Semir, diese Kerle sind gefährlich. Wir sollten lieber auf Nummer Sicher gehen und mit den schwarzen Jungs dort anrücken.“, erklärte Ben und sah seinen Partner an. Semir nickte nur und stand dann auf. „Dann müssen wir das mit Frau Krüger absprechen.“, erklärte der Deutschtürke und ging mit seinem Partner auf das Büro der Chefin zu. „Frau Krüger, wir bräuchten mal das SEK an dieser Adresse.“, kam es von Semir und legte den Zettel vor der Chefin ab. Kim sah auf und legte ihren Stift weg, lehnte sich nach hinten und warf die Beine übereinander. Eine Geste, die eine Erklärung von ihr einleitete.
    „Meine Herren, sie wissen doch, dass wir zum Sparen aufgefordert worden sind. Ohne einen triftigen Grund kann ich ihnen das SEK nicht überlassen.“, meinte sie nur und sah die Beiden an. „Chefin, jetzt haben sie sich nicht so. Wir sind hinter einen Mörder her, der im Verdacht steht, der Mafia anzugehören.“, erklärte Ben mit empörter Stimme. „Wenn dem so ist, dann ist der Fall etwas für das BKA und nicht für uns.“ „Chefin, was ist los? Sie haben sich doch sonst nicht so.“, knurrte Semir nur und konnte das Verhalten von Kim sich nicht erklären. „Semir, Ben...ich bin zum Sparen verpflichtet. Glauben sie mir, ich würde ihnen gerne die Unterstützung gewähren, die sie verdienen, aber ich kann nicht. Was, wenn sie hinkommen und keiner dort ist? Dann haben wir das Geld umsonst verpulvert, was wir dann wieder brauchen, um ihre stetig steigenden Kosten für die Dienstwagen zu decken.“ „Das...war jetzt nicht fair.“, maulte Semir und Ben nickte heftig. Kim lächelte nur. „Fahren sie hin und überprüfen sie, ob der Vogel nicht ausgeflogen ist. Dann können sie das SEK rufen.“, entgegnete Kim nur und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit. Die beiden Autobahnkommissare mussten unverrichteter Dinge wieder das Büro verlassen. „Das war ja wohl ein Schlag in die Hose. Und nun?“, kam es nur von Ben. „Fahren wir dennoch hin. Egal ob SEK oder nicht. Wir haben einen Mord aufzuklären.“, erklärte Semir nur. Ben nickte und gemeinsam gingen sie zum BMW.


    Manuele fuhr in seine Straße und stoppte dann vor seiner Tür. „Okay Kleiner...du fährst den Wagen jetzt und erfüllst deinen Auftrag. Ich rufe dich an, wenn du mich wieder abholen kannst.“, meinte der Italiener nur. Gennarino nickte nur und brauste davon. Manuele ging zu seiner Wohnung, nahm die Post raus und schloss seine Tür auf. Schnell war eine CD eingelegt und eine Flasche Wein aufgemacht. Das Töten war doch anstrengend und so war es wenigstens erträglich. Er wäre beinahe eingeschlafen, als er ein Quietschen von der Straße hörte. Vorsichtig stand er auf, sah auf die Straße und erblickte einen silbernen BMW. Doch diesen Wagen hatte er noch nie hier gesehen. Das war kein Bewohner seines Hauses. Dann aber sah er was, was seinen Blick zornig werden ließ. „Da bist du ja schon wieder. Heute morgen bist du nochmals davongekommen, aber jetzt werde ich dich erwischen.“, fauchte er und zog seine Waffe aus dem Schulterhalfter. Schnell versteckte er sich in einer Nische und suchte nach dem Schalldämpfer. „Verdammt, wo war das Ding bloß?“, fauchte er nur. Dann eben ohne.
    Ben stieg aus und ging zum Kofferraum. „Was ist? Was willst du denn hier hinten?“, fragte Semir und spielte gekonnt mit den Wagenschlüsseln. „Ich hab ne Freundin und die will ich noch lange genießen. Und du hast Frau und zwei Kinder. Also, hol die schusssicheren Westen raus.“, erklärte Ben nur und ruckelte am Kofferraum herum, stützte sein ganzes Gewicht drauf, sodass der ganze Wagen wackelte. „Ist ja gut...ist ja gut...“, stieß Semir aus und öffnete den Kofferraum. „Geht doch...“, grinste Ben nur und zog sich die Weste an, reichte Semir dann seine. So gesichert und mit den Waffen in der Hand gingen sie zum Haus und sahen sich nach dem Klingelschild um. Als sie wussten, welcher Stock, erklommen sie die Stufen und machten sich daran, die Tür aufzubrechen. „Bist du bereit?“, flüsterte Semir nur. Ben nickte. „Okay...auf drei?“ „Auf drei...“, bestätigte der junge Hauptkommissar nur. Der Deutschtürke zählte runter und trat mit einem kräftigen Bums die Tür auf. Plötzlich zischten Kugeln an ihm vorbei und drei Stück drangen durch die dünne Schicht des oberen Westenbereichs. „Aaaaahhhh...“, schrie Semir und wurde durch die Wucht der eindringenden Kugeln nach hinten geworfen. „Semir!!!“, schrie Ben nur, gab ein paar unkontrollierte Schüsse ab und zog seinen Partner aus der Schusslinie. Vorsichtig besah er sich die Wunden und merkte, dass ein Schwall Blut aus dem Mund des am Boden Liegenden floss. „Shit...Shit...Shit...ich brauche sofort einen Krankenwagen…”, schrie Ben ins Telefon, als sich endlich jemand in der Zentrale meldete. Er gab seinen Standort durch und legte auf. „Halte durch Partner...Hilfe kommt gleich...“


    ...

    Einmal editiert, zuletzt von Christopher007 ()

  • Manuele Morabito verschwand über die Terrassentür, die Feuerleiter hinunter und durch den Hinterhof. Pfeifend ging er auf die andere Straßenseite und sah auf seine Fenster. Um den zweiten Bullen brauchte er sich im Moment keine Gedanken machen. Der würde sicherlich bei seinem halbwegs toten Kollegen hocken und heulen. Er kannte diese Verbundenheit der Bullen untereinander. Diese Verbundenheit herrschte auch bei ihnen, aber nur bei den oberen Bossen und deren Familienangehörigen. Bei den mittleren und unteren Rängen, so wie er, war diese Verbundenheit nicht so stark. „Jetzt muss ich mich nur um den Anderen kümmern.“, meinte er, stieg in seinen Wagen und fuhr davon. Hinter sich sah er nur das Aufblitzen von Blaulichtern. Vielleicht schaffte es der Bulle ja. „Vielleicht...“, lachte Manuele gehässig und war im Nu verschwunden.
    Ben hielt den Kopf von Semir auf seinem Schoß gebettet und versuchte, die Blutungen zu stoppen. Die Augenlider seines Partners flatterten. „Verdammt Semir, bleib bei mir...hörst du, bleib bei mir...“, stieß Ben aus uns tätschelte die Wangen seines Partners und Freundes. Doch immer mehr driftete Semir in die Tiefen der unendlichen Bewusstlosigkeit ab. „Nein...Semir...Semir!!!“ Ben schrie seinen Freund an, wurde dann aber von zwei Händen vom regungslosen Körper seines Freundes weggezogen. „Lassen sie uns bitte unsere Arbeit machen.“, forderte eine ruhige Stimme und ging dann neben Semir auf den Boden, betastete die Wunden, prüfte Puls und Herzschlag. „Verdammt, der stirbt uns hier fast weg. Schnell in den Krankenwagen und ab ins Krankenhaus.“, stieß der Notarzt aus. Die Sanitäter nickten und legten einen provisorischen Druckverband an. Vorsichtig legten sie den Hauptkommissar auf die Trage und trugen ihn dann zum Rettungswagen. Ben ging hinter den Medizinern her und sah dann dem Rettungswagen nach, wie er abfuhr. „Halte durch Partner...ich bitte dich, halte durch.“, flüsterte er und ging dann in die Wohnung zurück. Er musste erstmal die Chefin anrufen und dann Andrea. Oh verdammt, dachte er nur.


    Gennarino fuhr mit seinem Audi auf eine große Mauer zu. Ein mit Schmuckwerk reich verziertes Eisentor versperrte ihm den Weg. Er stieg aus und drückte den Summer. „Si?“, fragte eine Stimme am anderen Ende. „Gennarino Ferramenti...ich bin hier, weil ich zum Boss will.“, erklärte der junge Mann. Die Kamera über dem Tor nahm ihn genau ins Visier und blickte ihn einige Minuten an, schwenkte dann aber zum Wagen rüber und wieder zurück zu Gennarino. „Komm rein...der Don erwartet dich.“, kam es dann aus dem Summer. Gennarino nickte nur und stieg in den Audi, fuhr langsam die Toreinfahrt hinauf, die sich in einigen Serpentinen einen Berg hinaufführte. Oben auf thronte ein schlossähnliches Haus mit einer zweiläufigen, doppelten und eckigen Wendeltreppe, die zu einer großen, aus Eichenholz gefertigten Tür führte. Rechts und links neben der Treppe standen zwei alte Kanonen, eine zeigte genau auf die Auffahrt. Gennarino bremste seinen Wagen ab, setzte ihn neben einen steinernen Löwen und stieg dann die imposante Treppe hinauf. Oben vor der Tür und auf der das Haus umrundenden Balustrade standen mehrere grimmig aussehende Wachposten mit Waffenhalftern unter ihren Mänteln und Maschinenpistolen über den Schultern. „Halt Junge...gib mir deine Waffe, bevor wir dich reinlassen.“, forderte einer der Posten und hielt die Hand auf. Der junge Mann nickte, nahm vorsichtig sein Gürtelhalfter ab und reichte es dem Mann. Dann zog er aber dessen Hand und ihn dicht an sich. „Ich will es aber nachher wiederhaben.“, knurrte er nur.
    Die Tür öffnete sich mit einem lauten, ächzenden Knarren und gab den Blick auf einen schachbrettartig gekachelten Boden frei. „Gennarino, da bist du ja endlich.“, kam es aus einem der Nachbarzimmer. Der Angesprochene folgte der Stimme und stand dann in einer Art Rittersaal. Der ganze Raum war mit Parkett ausgelegt und Holzlamellen verkleideten die Wände bis zur Brusthöhe. Vor einem steinernen, erloschenen Kamin in einer großen grünen Ledercouch saßen zwei Männer, einer mit weißen Haaren und Schnurrbart, der andere mit schwarzen, nach hinten gegelten Haaren und einer Narbe über dem rechten Auge. „Ahhh...Gennarino...bene…da bist du ja…sehr gut.”, meinte der Ältere und streckte seine Hand aus. Am Ringfinger klaffte ein dicker Ring mit einem Siegel, dass eine Krake darstellte. Gennarino ging vor ihm auf die Knie und drückte seine Lippen auf den Ring. „Der Auftrag ist erledigt?“, fragte der Mann. „Vollkommen Don Salvestro...der Mann ist tot.“ „Gab es irgendwelche Komplikationen?“, wollte der zweite Mann, Alfredo Cutolo, wissen. „Leider ja, aber das Problem wird nicht mehr sprechen können.“, erwiderte Gennarino Ferramenti und sah beide Männer an. „Sehr gut...du kennst ja deinen neuen Auftrag. Meine Kinder brauchen dringend einen Lehrer und einen Aufpasser. Kümmere dich darum.“, forderte der alte Don. Gennarino nickte und verließ dann wieder die Villa.


    Andrea machte gerade Layla für die Krabbelgruppe fertig, als das Telefon klingelte. „Ich bin doch gleich weg...“, murrte sie nur , griff aber nach dem schnurrlosen Hörer und nahm das Gespräch an. „Hallo Andrea...hier ist Ben...“, hörte er den Kollegen ihres Mannes am Ende der Leitung. „Ben? Was ist los?“, wollte sie wissen, doch dann schoss ihr ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf. „Ist was mit Semir? Ist...ist ihm was passiert? Ben, nun sag doch was.“, forderte Andrea mit zitternder Stimme. Ihr Atem ging stoßweise und das Herz schlug bis in den Hals hoch. Der Puls raste nur so vor sich hin, während den Minuten des Wartens. Es zerriss ihr förmlich das Herz und den Körper. „Andrea...es ist vielleicht besser, wenn du dich hinsetzt. Ich...ich...“ „Ben, jetzt stammele nicht rum. Sag mir bitte, was mit Semir los ist.“, forderte sie mit leicht hysterischer Stimme. „Semir wurde angeschossen. Er...er liegt im Krankenhaus und wird gerade operiert. Es...es ist besser, wenn du herkommst.“, kam es mit heiserer Stimme von Ben. Andrea schluckte und merkte, wie sich ihr Hals zuschnürte. Ihre Beine fingen an, zu wackeln und nachzugeben. Sie schwankte und verlor das Bewusstsein. „Andre? ANDREA? Alles in Ordnung? Shit...“, kam es nur von Ben aus dem Hörer. Die Frau seines Partners lag regungslos im Wohnzimmer und Layla wackelte mit ihren kleinen Beinen im Tragekorb hin und her.


    ...

  • Ben hörte, wie etwas dumpfes am anderen Ende zu Boden fiel. „Shit...“, stieß er nur aus und legte auf. „Hartmut, nimm hier alles auseinander. Ich will alles haben, klar?“, fauchte er nur und verschwand dann zu seinem Wagen. Mit Blaulicht fuhr er wie ein rasender Wilder durch die Stadt und versuchte, zu Semirs Haus durchzukommen. „Susanne, ich brauche schnell einen Krankenwagen zu Semirs Haus. Andrea meldet sich nicht mehr...“, stieß er über Funk aus. Susanne war erschrocken, dennoch tat sie gleich, was von ihr verlangt wurde. „Bitte...bitte...lass nichts schlimmes passiert sein.“, schickte der junge Hauptkommissar ein Stoßgebet in den Himmel. Der Mercedes schnellte über die Straßen und bog in die Vorortsiedlung ein, in der Semir wohnte. Die Bremsen kreischten und der Wagen kam endlich zum Stehen. Ben sprang raus und zog in aller Eile den Schlüssel für Notfälle aus seiner Tasche, den Semir ihm einmal gab. „Andrea? ANDREA?“, schrie er durch das Haus und hörte dann seine kleine Patentochter aus dem Wohnzimmer weinen. Sofort rannte er hin und fand ein schreckliches Bild vor.
    Andrea lag am Boden. Aus ihrer Schläfe blutete es. Am Tisch waren kleine Blutreste. Sofort rekonstruierte Ben, dass sie durch den Schock der Nachricht zusammenklappte und mit dem Kopf gegen die Kante des Tisches schlug. „Hier ist die Rettung...“, hörte Ben dann Stimmen aus dem Flur. „Ja...hier im Wohnzimmer...bitte schnell...“, forderte er und nahm die weinende Layla auf den Arm, wiegte das Mädchen langsam hin und her, presste das kleine, mit lichten Haaren übersäte Köpfchen an seine Schulter. Die Sanitäter kümmerten sich sofort um die Frau und untersuchten sie genau. „Ein kleiner Schwächeanfall...das wird gleich wieder. Die Kopfwunde ist auch nicht weiter schlimm.“, erklärte der Notarzt und zog eine Spritze auf. Ben konnte nichts sagen. Semir lag im OP und Andrea war zusammengebrochen. Beinahe hätte es beide Eltern getroffen. Was würde dann aus den Kindern werden? „Da...sie kommt wieder zu sich.“, kam es dann vom Arzt. „Danke...ich danke ihnen.“, kam es nur von Ben. „Schon gut...das ist unser Job. Sie sollte sich nicht so viel bewegen und ruhig liegen.“, meinte der Notarzt dann und ließ Andrea auf den Sessel nieder. Ben wiegte immer noch Layla auf den Arm und kniete sich dann vor Semirs Frau hin. „Andrea...wie geht es dir?“, fragte er.


    Doch Andrea sah Ben nur an. „Ben, was ist passiert? Warum liegt Semir im Krankenhaus?“, wollte sie wissen. „Wir...wir waren bei einem Einsatz und man hat auf uns geschossen. Semir wurde getroffen.“, erklärte er und neigte beschämt sein Haupt. „Wie? Aber wie konnte das passieren? Ich meine, Semir hat doch eine Schutzweste im Auto. Hat er die nicht angelegt?“, kam es aufgeregt von Andrea und sie drohte wieder in eine Bewusstlosigkeit zu fallen. „Die Kugeln drangen wahrscheinlich durch eine dünne Schicht in seinen Körper ein. Andrea, es tut mir Leid...“, kam es von Ben. „Ich...ich will zu ihm...ich will ins Krankenhaus.“, meinte sie leise und sah dann auf Layla, die immer noch an Bens Schulter lehnte und an ihrem Daumen nuckelte. „Was wird aus deinen Kindern? Wer soll sich um sie kümmern?“, fragte er dann. Sie sah zum Telefon und nahm es in die Hand. „Ich...ich rufe meine Nachbarin an...sie...sie hat schon einige Male Ayda abgeholt.“, kam es nur von Andrea und sofort benachrichtigte sie die Nachbarin. Sofort versprach diese Ayda und Layla zu holen. Sie bedankte sich und fuhr mit Ben ins Krankenhaus.
    Dort saß bereits Kim Krüger vor dem OP-Bereich und blickte auf, als sie Schritte im Bereich der Tür hörte. „Kim, was ist mit meinem Mann? War schon ein Arzt hier und konnte was sagen?“, wollte die aufgeregte Frau sofort wissen und ergriff kurz die Hände der Revierleiterin. „Bisher habe ich noch nichts gehört. Sie operieren ihn immer noch. So wie es aussieht hat eine Kugel die Lunge und eine weitere die Speiseröhre. Das ist alles, was ich erfahren konnte.“, meinte Kim nur und nahm Andrea in den Arm. Sie ließ es geschehen und sah auf die rot leuchtende „Zutritt verboten“-Schrift über der Tür. Wie lange waren sie denn schon da drin? Und wie lange würde es noch dauern?


    ...

  • Dr. Amir Ceylan stand im OP und hatte den Deutschtürken unter dem Messer. „Verdammt, das ist zu viel Blut... Saugen...Saugen...“, forderte er immer wieder, wie er es schon in der letzten Stunde getan hatte. „Doktor, wir haben kaum noch Reserven...ich musste schon zwei Mal nachbestellen.“, kam es von der Anästhestin. „Dann bestellen sie eben ein drittes Mal nach. Der Mann bleibt mir nicht auf den Tisch.“, fauchte der Chirurg und ging wieder mit seinem Besteck in den Körper hinein. Zwei der Kugeln hatte er bereits, doch die dritte war kaum zu fassen. „Wo sitzt du kleines Mistvieh...“, fauchte er und musste immer wieder das Blut absaugen. Dann sah er etwas kleines, glänzendes. „Ah...da haben wir dich ja. Oh verdammt, die Kugel hat die Speiseröhre angegriffen. Wir müssen ganz behutsam vorgehen. Wie stabil ist er?“, fragte Dr. Ceylan seine Mitärzte. „Lange kann ich ihn nicht mehr halten. Höchstens eine halbe Stunde.“, erklärte die Anästhesistin.
    Der Chirurg nickte und machte sich sofort daran, das Loch fachmännisch zu bearbeiten. Er hatte kaum den letzten Handgriff getan, da schlugen die Geräte plötzlich Alarm. „Was...was ist? Wieso spielen jetzt die Geräte so verrückt? Ich war doch fertig.“, fauchte der Mediziner nur und sah seine Kollegin an. „Er wird instabil...der Blutdruck fällt und der Puls rast nur so dahin. Kommen sie schnell zum Ende.“, forderte sie. Amir Ceylan nickte nur und nähte dann die Wunden zu. Doch jetzt fiel der Druck immer weiter und Semir geriet in Gefahr, den Ärzten auf den Tisch zu bleiben. „Herzstillstand...“ „Sofort Defi her...Laden auf 200...weg vom Tisch.“, schrie Dr. Ceylan und jagte die Stromstöße durch Semirs Körper. Der Torso zuckte auf, doch die Linie auf dem Monitor blieb durchgängig und das mörderische Piepsen wurde lauter. „Laden auf 400...weg vom Tisch... Komm schon...reiß dich zusammen...“


    Andrea sah immer wieder auf die Tür zum OP-Raum und ging dann zur Bank zurück, auf der sie, Ben und Kim saßen. „Warum sagt mir niemand was? Wir sitzen schon drei Stunden hier. Und sie haben mir noch nichts gesagt.“, kam es mit zitternder Stimme von Andrea. Ben wollte etwas sagen, doch er fand nicht die passenden Worte. „Ben, warum...warum muss es gerade ihn treffen? Er... er ist doch so ein guter Mensch...“, weinte Andrea und lehnte sich an die breite Schulter von Ben. Zaghaft hob dieser die Hand und strich der Frau seines Freundes über den Rücken. Er merkte, wie dieser bebte. Dann endlich öffneten sich die Türen des OP-Raumes und ein Bett wurde herausgeschoben. „Semir...endlich...wie...wie geht es meinem Mann?“, wollte Andrea sofort wissen und griff die Hand ihres Mannes. Sie war eiskalt. Sie zuckte zurück. Erschrocken blickte sie den Arzt mit den tiefschwarzen Augen und dem südländischen Teint an. Dieser zog sich die grüne Schutzkappe von seinen verschwitzten Haaren und wischte sich mit dem behaarten Unterarm die triefend nasse Stirn ab.
    „Frau Gerkhan?“ Andrea nickte und zitterte dabei am ganzen Körper. „Es war eine schwere Operation. Ihr Mann hat drei Kugeln in der Brust gehabt. Eine hat die Speiseröhre verletzt und eine zweite die Lunge.“ Er machte eine kurze Pause, um der Frau Zeit zu lassen, das eben Gehörte zu verarbeiten. „Aber wie können drei Kugeln durch eine Schutzweste dringen?“, fragte sie, vollkommen aufgelöst. „Ich habe die Kugeln angesehen und so wie es aussieht, sind es Vollmantelgeschosse.“, erklärte der Arzt. „Wird er...wird er wieder gesund?“ „Das kann ich nicht sagen. Er hatte am Ende der OP einen Herzstillstand und wir mussten ihn reanimieren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Hirn in dieser Zeit unterversorgt wurde. Wenn dem so ist, kann er irreparable Schäden davon getragen haben.“, erklärte er und sah Andrea mit einem entschuldigenden Blick an. „Semir...“, kam es nur leise von ihr. „Kann...kann ich zu ihm? Können wir zu ihm?“ „Im Moment nur die nahen Angehörigen. Er liegt auf der Intensivstation. Er ist in ein tiefes Koma gefallen. Wir können nicht sagen, wann oder ob er wieder wach wird.“, meinte Dr. Ceylan und führte Andrea dann zu ihren Mann.


    Ben ballte die Fäuste und schlug wie wild gegen die Flurwand. „Ich kriege diesen Mistkerl und dann bring ich ihn um.“, fluchte der junge Hauptkommissar und wandte sich zum Gehen, doch Kim hielt ihn fest. „Ben, das macht es jetzt nicht besser, wenn sie jetzt auf Rachefeldzug gehen. Sie wissen doch, mit was für Kreisen wir es hier zu tun haben.“, versuchte Kim ihn umzustimmen. Aber Bens Augen funkelten dermaßen voller Hass und Rachegelüste, dass er gegen jegliche Argumente immun war. „Chefin, lassen sie mich los. Ich will den Kerl haben und wenn ich dafür meine Marke abgeben muss. Das ist es mir wert.“, zischte er nur, riss sich rüde los und stapfte voller Wut dem Ausgang entgegen. „Das gibt ein böses Erwachen.“, dachte Kim nur laut und schüttelte den Kopf, innerlich aber wünschte sie sich, dass Ben den Täter zu fassen bekam.


    ...

  • Der Mercedes rauschte mit einer Höchstgeschwindigkeit über die Autobahn, die dem ICE Konkurrenz machen wollte. Ben kümmerten im Moment nicht die Autofahrer, die seinetwegen schnellstens die linke Spur verlassen mussten. Ihm ging es darum den Täter zu finden. Der Mann, der Semir und seiner Familie das angetan hatte. Er hatte die Diagnose des Arztes noch im Kopf und die Wörter „Hirnschaden“, „Koma“ und „Herzstillstand“ rotierten vor seinem geistigen Auge wie ein rotes Tuch. Er scherte mit dem Wagen nach rechts ab, raste die Auffahrt zur PASt hinunter und stoppte nur wenige Zentimeter vor der Hauswand. Mit einem Knall fiel die Autotür zu und Ben stapfte wütend vom Parkplatz weg zu dem nahegelegenen Grünstreifen. Als er dort war, kam seine Wut vollständig hoch. Er trat Erde in die Luft, schrie wie ein verwundeter Löwe und riss an seinen Haaren, bis er kleine Büschel davon zwischen seinen Fingern hatte. Doch das reichte ihm noch nicht. Er kniete sich auf die Erde und schlug mit den Fäusten in einen dort befindlichen Maulwurfshügel. Endlich verrauchte die ganze Wut und der junge Hauptkommissar wurde langsam wieder klarer im Kopf. Er stand auf, wischte sich die Erde von den Hosen und Händen und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Etwas erschöpft, aber sichtlich ruhiger ging er zum Eingang der PASt. Er hatte nicht bemerkt, dass ihm die Kollegen aus den Fenstern und vom Parkplatz her zugesehen hatten.


    „Er kommt...“, rief Hotte nur und alle stahlen sich schnellen Fußes zu ihren Plätzen. Die Tür schwang auf und Ben kam rein. Susanne blickte auf, ließ von ihrer Schreibarbeit ab. „Ben, was...was ist mit Semir? Wie geht es ihm?“, wollte sie sofort wissen und hielt ihn auf den Weg in sein Büro auf. Wortlos stoppte er seinen Gang und drehte sich um. „Semir hat drei Vollmantelkugeln abbekommen. Die Ärzte konnten sie zwar entfernen, aber er ist in ein starkes Koma gefallen.“, erklärte Ben mit trockener Stimme. Es herrschte eine Stille und die Luft war zum Zerreißen gespannt. Hotte blieb der Mund offen stehen, während Dieter sich nur über seine Glatze strich. Susanne hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund und sah den jungen Hauptkommissar an. Dieser nickte nur und drehte sich wieder um. „Ich...ich muss etwas alleine sein.“, erklärte Ben nur und schloss die Tür hinter sich. Er ließ sich in seinen Stuhl fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Ihm gegenüber der Stuhl seines Partners, leer und verwaist.
    Einige Stunden später kam Kim ins Zimmer und sah Ben in der gleichen Haltung posieren, wie er es schon seit dem Betreten des Büros getan hat. „Ben? Kann ich sie einen Moment sprechen?“, fragte die Chefin nur und wartete, bis ihr Kollege aufsah. Seine Augen waren rot und vollkommen verweint. Kim sah einen Moment weg. Noch nie hatte sie die Augen von Ben so gesehen. In ihrer Gegenwart hatte er noch nie geweint. „Soll ich später wiederkommen?“ „Nein...es...es geht schon...wie geht es Semir?“, wollte der junge Hauptkommissar wissen. „Unverändert...tut mir Leid, dass ich nicht bessere Nachrichten hab...aber kommen sie bitte mit in mein Büro. Dort wartet jemand auf sie, der ihnen bei der Suche weiterhelfen kann.“, erklärte Kim nur. Ben hörte auf und bewegte seinen Körper langsam nach oben. Seine Füße lenkten ihn zur Tür und zum Büro von Kim Krüger. „Ben...sie kennen André Geiger sicherlich noch... er hat in dem Fall mit den gestohlenen tschechischen Waffen ermittelt.“, meinte Kim. „Allerdings...keine guten Erinnerungen, wenn ich überlege.“, knurrte er nur. „Nun...dieses Mal ist es etwas anders...“, fing Geiger an und ließ seine Finger knacken. Ben wollte sich nicht setzen. Er wollte auch nicht mit diesem Mann sprechen. Seine einzige Aufgabe war es, den Kerl zu finden, der Semir das angetan hat.


    „Und was ist dieses Mal anders?“, wollte Ben nur wissen. Kim ließ sich in ihren Stuhl fallen und sah beide mit einem abwartenden Blick an. „Dieses Mal hatten sie einen zufälligen Zusammenstoß mit unserer Zielperson. Auf der Autobahn wurden zwei meiner Männer Zeugen an dem Mord des an Darius Funke.“ „Und warum haben sie dann nicht eingegriffen?“, fauchte Ben nur. „Wenn sie den Mörder gefasst hätten, dann würde mein Kollege jetzt nicht im Krankenhaus liegen und auf den Tod warten.“, schrie Ben vor Verzweiflung, kam auf den Mann zu und packte ihn am Kragen. „Hey, mal ganz langsam...wir konnten nicht unseren Auftrag in Gefahr bringen. Wir sind hinter einem größeren Fisch her, als sie ahnen können. Sagt ihnen der Name Giuseppe Salvestro etwas?“, fragte Geiger und sah in Bens Gesicht. Dort fing es an zu arbeiten. Jeder, der beim LKA angefangen und einige Zeit dort verbracht hatte, wusste etwas mit diesem Namen anzufangen. „Allerdings kenne ich ihn.“, erklärte Ben nur und sah zur Chefin. „Können sie mir erklären, wen sie meinen?“, fragte sie nur.
    „Giuseppe Salvestro ist der graue König der hier ansässigen italienischen Mafiaclans. Noch vor zehn Jahren waren die einzelnen Clans und Familien untereinander verfeindet und mieden es, in die Geschäftslandschaften der anderen Familien einzudringen, wollten sie nicht einen Bandenkrieg riskieren. Doch seit acht oder neun Jahren registrieren wir eine Organisation in den Geschäften und den kriminellen Machenschaften.“, erklärte Hauptkommissar André Geiger und blickte Kim an. „Und weiter?“, fragte sie. „Wir vermuten, dass die Italiener sich zu einer großen Allianz zusammengeschlossen haben und einen Mann aus der alten Heimat haben kommen lassen. Dieser soll die Geschäfte koordinieren und vor allem das Geld, was eingenommen wird, waschen und wieder in neue Geschäfte investieren. Vor allem hat unter diesem quasi König eine Verschärfung der Schutzgelderpressung stattgefunden, der es nicht nur auf italienische Restaurants abgesehen hat. Immer mehr asiatische oder auch deutsche Gaststätten geraten in die Augen der Mafia.“, erklärte Geiger nur. „Und was sollen wir da machen?“


    ...

  • Don Salvestro trank seinen Chianti aus und erhob sich dann vom Sessel. „Alfredo, ich werde jetzt nach meinen Kindern sehen und dann will ich die Berichte sehen zu unseren Unternehmungen. Die anderen Bosse müssten dann auch eintreffen. Bereite alles vor.“, bat der weißhaarige Mann und Cutolo nickte nur. „Ich werde alles vorbereiten, Don.“, erklärte Alfredo nur. Giuseppe Salvestro ging in den mit Marmor ausgekleideten Flur und stieg die mit roten Samt versehene Steintreppe hoch. „Papa....“, kam es sofort von einem quirligen, kleinen Mädchen, dass aus einem der Zimmer stürmte. „Meine kleine Chiara...wie geht es meinem kleinen Engel?“, fragte der Mann und hob die Achtjährige hoch in die Luft, drückte ihr einen Kuss auf den Bund und nahm sie dann auf den Arm. „Tommaso hat mir bei den Hausarbeiten geholfen. Aber er hat mich angeschrieen.“, klagte die Kleine nur. Giuseppe sah zur Treppe am Ende des Flures hinüber. Sie führte in das Turmzimmer seines zweiten Sohnes. Pietro, der Älteste, war in Neapel bei seinem Onkel und führte dort die Geschäfte der Familie mit. Tommaso begleitete ihn auf jeden seiner Reisen. Nun waren sie schon seit 9 einhalb Jahren in Deutschland und reisten von Familienhaus zu Familienhaus und koordinierte die jeweiligen Geschäfte der jeweiligen Familie. „Dann werde ich gleich mit ihm sprechen. Geh du mal schön in den Garten und spiel dort ein bisschen.“, meinte Giuseppe Salvestro und ließ seine Tochter wieder runter.
    Tommaso werkelte in den Schränken seines Turmzimmers und warf immer wieder Klamotten in eine große Sporttasche. Plötzlich hörte er Schritte auf der Wendeltreppe. Jemand war auf dem Weg zu seinem Zimmer und er kannte nur eine Person, die diese Schritte gehören konnten. Schnell nahm er die Tasche, warf sie unter sein Bett und schloss die Schubladen. Keine Minute zu früh...im nächsten Moment stand Giuseppe in der geöffneten Tür, seine eindringlichen blauen Augen durchleuchteten seinen Sohn, merkten ihm die Nervosität an. „Ich hab gehört, du hast mit Chiara Schularbeiten gemacht?“, fing er an und betrat das runde Zimmer. „Ja...die Kleine kam zu mir und wollte, dass ich ihr bei dem Text helfe, den sie zu schreiben hat.“, erklärte der Junge mit den blonden Haaren. Seine grünen Augen wirkten nervös und die Sommersprossen auf Nase und unter den Augen stachen aus dem blassen Gesicht hervor. „Und du hast sie angeschrieen. Warum hast du deine Schwester angeschrieen?“, fragte der Vater mit einem seiner strengsten Blicke. „Weil...weil...sie hat mich einfach mit ihren Fragen genervt. Kann man denn hier nicht mal gereizt sein?“, fauchte Tommaso nur. Sein Vater griff ihn mit einem starken Griff bei den Schultern. „Hör zu...lass deine Wut nicht an deiner Schwester aus. Du hast allen Grund auf mich sauer zu sein, weil ich diesen...diesen Mistkerl aus dem Haus geworfen hab.“ „Das ist kein Mistkerl...Darius...er...er ist...“ Tommaso hielt inne und überlegte sich, ob er das Unausweichliche seinem Vater erzählen sollte.


    Andrea saß am Bett ihres Mannes und blickte durch ihre verweinten Augen auf den leblosen Körper. Semir lag dort, vollkommen blass und blutleer. Eine Nasenkanüle und ein Atemschlauch halfen ihm beim Luft bekommen. Ein weiterer Schlauch in der Armvene war mit einem Tropf und einer Kochsalzlösung verbunden. Ein weiterer Tropf führte dem Komapatienten Nahrung zu. Die Geräte piepsten monoton vor sich hin. Sobald eine Veränderung eintreten wurde, sollten sie es anzeigen. „Semir...bitte komm bald wieder zu uns zurück. Wir brauchen dich doch. Ich brauche dich...“, meinte Andrea und wischte sich eine weitere Träne aus dem Auge. Vorsichtig tastete sich ihre Hand über das Bettlaken und suchte nach der von Semir. Endlich fand sie die kalte Hand ihres Mannes. Sie schrak zurück, suchte jedoch gleich wieder die Nähe ihres Liebsten. „Bitte...wach auf...komm zu mir zurück...Ayda und Layla brauchen doch ihren Vater und ich brauche meinen Mann. Wie sollen wir das denn ohne dich schaffen? Ich will niemand anderes heiraten...“ Sie machte eine Pause, schniefte in ein Taschentuch und sah dann wieder auf die geschlossenen Augen ihres Mannes. „Bitte...lass mich nicht allein.“


    Manuele Morabito fuhr mit seinem Wagen die Auffahrt hinauf und ging ins Haus hinein. „Manuele...schön, dich zu sehen...“, kam es von Alfredo Cutolo, als er auf den Brüstungsgang hinaustrat und den Untergebenen die Stufen hinaufkommen sah. „Beinahe wäre ich gar nicht hier gewesen. Diese Bullen wollten mich hops nehmen...“, erklärte der Mann nur und verbeugte sich kurz vor dem Mafioso und sah ihn dann an. „Was wollte denn die Polizei von dir?“, fragte Cutolo nur und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Es...es gab bei der Beseitigung dieses Transen einen Zwischenfall... Wir hatten einen Bullen im Genick.“, erklärte Manuele und blickte den Mann an. „Was habt ihr gemacht? Ich hoffe, ihr habt das Problem gelöst.“, meinte Alfredo. „Si Monsignore...allerdings wollte Gennarino nicht, dass ich den Bullen erschieße.“, erklärte Manuele nur. Cutolo nickte und ließ seine Blicke schweifen. „Es war vielleicht besser so...wir wollen nichts mit der Polizei zu tun haben. Und da ihr ja Masken getragen habt... Masken, was für ein Blödsinn...“, stieß Cutolo plötzlich aus. „Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, in der wir unser Gesicht nicht zu verstecken brauchten und die Opfer haben dennoch nichts gesagt. Weil wir unsere Arbeit gründlich gemacht haben.“, knurrte Alfredo nur und wandte sich um. „Komm erstmal rein...nimm dir eine Suppe und Brot...du brauchst das sicherlich...die anderen Familienanführer werden bald hier eintreffen und dann brauchen wir dich.“, meinte Alfredo Cutolo nur und bat den Mann ins Haus.
    „Das ist jetzt nicht wahr, oder?“, fauchte Giuseppe Salvestro wütend. Seine durchdringende Stimme ließ den ganzen Turm erzittern. Tommaso sah seinen Vater an, versuchte seinen Blick fest wirken zu lassen. „Ich....ich liebe ihn. Darius und ich....wir haben uns hier geliebt...ja, da guckst du, was? Du hast einen schwulen Sohn. Der große Mafiakönig hat einen schwulen Sohn.“, kam es jetzt selbstsicher von Tommaso, doch schon im nächsten Moment landete die geballte Faust des herrisches Vaters im Gesicht. Blut schoss aus der Nase und der Kopf des Jungen flog gegen die Wand. Benommen blieb er einen Moment auf dem Bett liegen, doch Giuseppe griff nach ihm. Er zog seinen Sohn hoch und schlug mit der flachen Hand immer wieder auf beide Wangen seines Sohnes. „Mein Sohn ist und wird keine checca...keine Schwuchtel...das werde ich verhindern.“, schrie er und ließ dann endlich von Tommaso ab, als dessen Gesicht vollkommen blau und aufgeschwollen war. Er verließ das Zimmer und zog den Schlüssel ab, schloss zu und stieg wieder runter.


    ...

  • „Wir haben eine Kontaktperson, doch diese braucht dringend Hilfe. Da möchte ich sie um Hilfe bitten. Es gibt eine Möglichkeit, wie wir diese Organisation von innen zerschlagen können.“, ging es bei André Geiger weiter. Ben und Kim sahen sich nur an und blickten dann wieder zu dem BKA-Beamten. „Was haben sie vor? Und reden sie bitte nicht lange um den heißen Brei herum...was wollen sie?“, knurrte Ben nur und sah immer wieder auf den Telefonhörer. Er hoffte, dass sich das Krankenhaus bald melden würde, um irgendwas über Semir zu berichten. „Wir wollen ihre Hilfe...es heißt, dass Salvestro einen Hauslehrer für seine Kinder sucht und genau da wollen wir anknüpfen.“, erklärte Geiger und sah Ben eindringlich an. Dieser verstand erst einige Momente später den Wink. Seine Augen weiteten sich, die Pupillen stachen entsetzt hervor und er hob abwehrend seine Hände. Die Füße strauchelten, als er einige Schritte zurück unternahm.
    „Nein, das...das kann ich nicht...hören sie, ich bin kein Lehrer...“, kam es abwehrend von Ben. „Das wissen wir, aber sie haben doch wohl die Schulbank besucht...wir bereiten sie vor. Außerdem werden sie mit allen, was sie benötigen, ausstatten.“, erklärte Geiger nur. „Ich habe eine Begegnung mit zwei Mafiosos gehabt...was, wenn die mich erkennen?“, fragte Ben nur. „Keine Angst...wir werden sie unkenntlich und etwas älter machen. Allerdings nicht viel...also, was sagen sie? Werden sie uns helfen?“, fragte André Geiger nur. Ben sah den Mann verachtend an, überlegte doch im gleichen Moment. So würde er vielleicht auch den Kerl finden, der Semir das angetan hat. „Chefin?“, wandte er sich an Kim um. „Ben, das müssen sie dieses Mal entscheiden... ich kann es ihnen nicht befehlen.“, erwiderte sie nur. Der junge Hauptkommissar nickte und blickte dann wieder zu dem BKA-Beamten. „Okay, ich mach's.“


    Gennarino stand an seinem Dachfenster und sah auf die Altstadt hinaus. Der alte König hatte schon Recht. Es war seine Idee, dass die Mitarbeiter, die nicht unmittelbar zur Familie gehörten, auch nicht in der Nähe der Familie wohnten und erst in die Villa kamen, wenn eine bestimmte Abfolge Codes befolgt wurde. Plötzlich klingelte sein Handy. Doch es war nicht das normale Handy. Das Klingeln kam aus einem kleinen Geheimfach hinter einem der Bilder an der Wand. Schnell zog er das Bild zur Seite und das Handy aus seinem Versteck. „Was ist?“, fragte Ferramenti den Anrufer. „Ich habe jemanden für dich gefunden. Für du-weißt-schon-was...“, kam es aus dem Hörer. „Jetzt? So schnell schon?“ Das Staunen war in Gennarinos Stimme kaum zu überhören. „Allerdings...ich denke, ich kann ihn dir in drei Tagen vorstellen. Du wirst ihn einführen. Noch eins, er ist einer von uns...also sorge dafür, dass ihm nichts passiert. Du weißt, dass du dann selbst nicht mehr sicher bist.“, klang es aus dem Telefon. „Ich weiß...das Risiko nehme ich auf mich. Aber euer Mann ist dann auch dran.“, erwiderte Ferramenti nur und legte dann auf. Schnell war das Handy wieder im Versteck verschwunden. Langsam ließ sich Gennarino un seinen Sessel gleiten und dachte nach. Sollte er gleich mit dem König telefonieren oder sollte er lieber noch abwarten? Es wäre besser, wenn er abwarten würde. Ja, das wäre wohl eher das Beste.


    Semir schlug die Augen auf, doch Nebel hüllte ihn ein. Wo bin ich?, dachte er und versuchte, durch den Nebel zu blicken. Doch keine Chance, etwas zu erkennen. „Semir....“, kam es plötzlich aus dem Dunst. Der Deutschtürke versuchte, die Richtung der Stimme zu fixieren. Es klappte aber nicht. „Semir...hier bin ich...“, erklang es erneut. „Wer ist da? Was wollen sie?“, fauchte Semir nur und fasste sich an die Stelle, wo normalerweise sein Halfter war. Ein Griff ins Leere. „Semir, ich bin es...bleib ganz ruhig...und erschrecke dich nicht...“, kam es wieder von der Stimme. Der Angesprochene drehte sich auf der Stelle sah sich immer wieder um. Doch der Nebel war zu dicht, als dass er jemanden erkennen konnte. „Komm raus...zeig dich...“, forderte er deshalb und nahm die Hände in die Luft, bereit zum Kampf. Nun kam der graue, undurchdringliche Dunst in Bewegung. Er zog an Semir vorbei, sammelte sich hinter ihm und formte sich in eine Gestalt, die Semir vor vier Jahren begraben musste. Langsam nahm es Form an. „Du?“, stieß der Entsetzte aus.
    Die Schwaden hatten sich geformt und vor Semir war Tom Kranich erschienen, sein langjähriger Partner und Freund. „Hallo Semir...“ Die grau-grünen Augen strahlten eine zufriedene Ruhe aus, als sie Semir ansahen. „To...Tom...ich...was...was...wie...was...“, stammelte der verdutzte Deutschtürke. Tom grinste. „Semir, ich bin hier...und du bist auch hier. Komm, verlassen wir den Nebel.“, meinte die Gestalt. Der Körper wurde durch einen hellen, cremefarbenen Anzug verdeckt und eine weiße Nelke ragte aus dem Knopfloch hervor. Gemeinsam gingen sie aus dem Nebel und waren dann an einem Ort, wo sie vor Jahren zusammen waren. „Der See?“, staunte Semir nur. Sie waren wieder am See. Dort, wo er und Tom damals Urlaub machen wollten und dann von einer Verbrecherbande aufgelauert wurden. „Ja, der Chef hat es mir hier gemütlich gemacht. Semir, hier will ich mit dir reden.“, erklärte Tom nur. Semir sah sich um. Alles war so friedlich und still. „Reden? Worüber reden?“, fragte der Deutschtürke nur. „Über dich...über Andrea un und über Ben...aber vor allem über dich...“, erklärte Tom nur und setzte sich in den Liegestuhl. Fragend ließ sich Semir einfach daneben fallen und sah seinen ehemaligen Partner oder dessen Geist an. „Warum über mich? Ich fühle mich super...so leicht und so frei...als ob...als ob ich keine Sorgen mehr habe.“, erklärte er nur. Wie recht Semir doch hatte. Doch wusste er um seinen Zustand?


    ...

  • Tommaso lag auf seinem Bett und blickte mit verweinten Augen zur Decke hoch. Das getrocknete Blut klebte in seinem Gesicht, das Auge war geschwollen und die Wange war rot unterlaufen. Er hielt sich ein Kühlpack auf die Wange und jammerte vor sich hin. Warum war sein Vater nur so ein Despot? So ein Tyrann? Warum konnte er ihn nicht so akzeptieren wie er war? Ein Schwuler in der Familie eines Mafiabosses, das passte nicht in diese Welt der Machos und der Gewalt. Doch was sollte er machen? Er war nun mal so. „Tommaso, ich soll mir mal deine Verletzungen ansehen.“, kam es dumpf hinter der Tür hervor. Sofort erkannte der Junge die Stimme von Benedetto Fortis, dem Leibarzt seines Vaters. „Ich will niemanden sehen.“, schrie der Junge nur und warf das Kühlpack gegen die Tür. „Bitte mach auf...ich will dir wirklich nur helfen.“ „Nein, das...das kann niemand.“, fauchte der Junge zurück und drehte sich zum Fenster um. Wenn er hier nur weg könnte. Er musste raus...raus aus diesem Würgegriff seiner Familie, seines Vaters. Aber wie entkam man der Mafia? Und dann noch der italienischen Mafia? Man entkam niemanden, gehörte man einmal zur Familie. Und ganz besonders, wenn man in diesen Kreis hineingeboren wurde.
    Benedetto stieg wieder nach unten und stieß auf dem Flur mit Giuseppe Salvestro zusammen. „Er will nicht mit mir reden.“, erklärte er nur. Giuseppe nickte und ging dann einfach in den Raum, wo schon die anderen Bosse und Familienoberhäupter versammelt waren. „Meine Freunde und liebe Verwandte...ich begrüße euch zu dieser Zusammenkunft. Reden wir über das Geschäft und danach gibt es dann eine Stärkung aus Bella Italia...“, grinste Salvestro nur. Die anderen rieben sich die Hände und dann ging es los. Vollkommen abgeschottet und unter den strengen Augen ihrer Leibwächter legten sie die Geschäfte für das kommende Quartal fest und teilten sich die Städte wie eine Torte unter sich auf. Ein tödliches Geschäft, wenn jemand aus der Reihe tanzte oder im Gebiet des anderen wilderte. Die Gesetze dieser Gemeinschaft waren hart und duldeten keinerlei Verstöße.


    „Gut, dann kommen sie mal mit...wir werden sie jetzt kosmetisch verändern und dann alles andere.“, erklärte Geiger nur und ließ Ben und Kim dann wieder alleine. Die Chefin stand auf und ging auf Ben zu. „Wollen sie das wirklich machen, Ben?“ „Wenn ich so den Kerl finden kann, der auf Semir geschossen hat, dann mach ich das. Auch, wenn ich dafür diesem BKA-Affen helfen muss.“, erklärte er nur und sah dann zur Tür, als diese aufgingen. „Okay Herr Jäger, kommen sie bitte mit. Wenn sie wollen, Frau Krüger, kommen sie mit.“, kam es nur von dem BKA-Beamten. „Und ob ich das will...und ich werde sie genau im Auge behalten. Sollte meinem Beamten irgendwas passieren, dann werde ich sie so was von fertig machen, dass sie nicht mal mehr als Security einen Job kriegen.“, drohte Kim mit ruhiger Stimme und nahm sich dann Jacke und Tasche. „Susanne, ich bin auf dem Handy zu erreichen.“, erklärte sie der Sekretärin nur. Susanne nickte und verstand, was ihre Vorgesetzte meinte. Sollte sich etwas an Semirs Zustand ändern, wollte sie es sofort wissen.
    Sie fuhren in ein etwas abgelegenes Haus am Rande von Köln. „Sagen sie nur, hier haben sie sich eingemietet?“, kam es von Ben. Das Haus war heruntergekommen und kaum noch als solches erkennbar. „Ein besseres Versteck gibt es doch gar nicht oder? Keiner würde vermuten, dass hier eine hochempfindliche Überwachungs- und Planungsanlage des BKA’s seinen Unterschlupf hat.“, entgegnete Geiger nur und ging auf das zusammengefallene Hoftor zu. Die Autobahnpolizisten sahen sich nur an. Kim blickte auf das alte und verfallene Backsteingebäude. „Kommen sie bitte...“, meinte André Geiger nur und lief mit ihnen über den Hof, ging in ein Gebäude hinein und stieg dann die Treppe hinunter. Mit einem unguten und mulmigen Gefühl folgten Ben und Kim. Standen sie eben noch in einem verfallenen Gebäude, sah es jetzt vollkommen anders aus. Vor ihnen waren Tische mit der neuesten Überwachungs- und Abhörtechnik eingerichtet, einzelne Hochleistungscomputer und Scanner standen in der anderen Ecke des Raums. Es sah beinahe wie in einem James Bond-Film aus. „Kommen sie...“
    Ben und Kim folgten dem Mann und standen dann einem jungen Beamten gegenüber, der sie mit seiner viel zu dicken Brille ansah, die Nase hochzog und dann auf die Gruppe vor sich blickte. „André, was kann ich für sie tun?“, wollte der junge Mann wissen. Ben musste etwas grinsen und blickte den Mann an. „Felix, das sind zwei Kollegen von der Autobahnpolizei. Sie werden uns in der Sache Mafiakönig helfen.“, erklärte der BKA-Agent. Der mit Felix angesprochene nickte nur und schob seine Brille nach oben auf die Stirn. „Gut, was soll ich denn dabei machen?“, wollte er wissen. André Greifer machte platz und schob Ben nach vorne. „Wir werden ihn ausstaffieren, mit Wissen versorgen und dann zu unserem Zielobjekt bringen lassen.“, erklärte Geiger nur. Felix nickte nur. „Wäre da nicht eher Sascha Hingst angebracht?“ Kim und Ben sahen beide BKA-Beamte mit fragenden Blicken an. „Wer ist Sascha Hingst?“, fragten sie im Chor. Felix grinste nur und holte aus einer Akte ein Foto hervor. „Das ist Sascha Hingst. Er ist ein Journalist und bestens mit der Mafia in Nordrheinwestfalen vertraut. Die Herren würden ihn gerne in der Kühlkammer der Rechtsmedizin wissen. Doch er ist mehr als misstrauisch. Und außerdem stehen einige unserer besten Leute in seiner Umgebung. Unbemerkt und unauffällig.“, erklärte André Geiger und grinste. Ben überlegte einen Moment. „Könnte ich mich mit ihm unterhalten, bevor ich mich in die Sache hineinstürze?“, wollte Ben wissen. Geiger sah ihn nur an. „Tut mir Leid, aber wir dürfen keinem außenstehenden etwas sagen.“


    ...

  • Tom sah seinen früheren Partner an. „Semir, weißt du denn überhaupt, warum ich hier bin? Oder vielmehr warum du hier bist?“, wollte er von seinem Partner wissen. Semir blickte angestrengt zu Tom hinüber und dann auf den See hinaus. Was war passiert? Diese Frage stellte er sich im Moment selber. „Ich...ich glaube, ich kann mich nicht erinnern. Ich...ich glaube, ich weiß aus den letzten zwei Jahren so gut wie kaum etwas.“, stieß Semir dann aus. Erschrocken blickte Tom ihn an. „Du weißt nichts? Nichts aus den letzten 24 Monaten?“, harkte er nach, doch Semir schüttelte nur mit dem Kopf. „Oh verdammt...Semir, hör mir zu. Ich kann dir leider nur sagen, was passiert ist. Du wurdest während eines Einsatzes angeschossen. Du liegst im Koma. Dass du dich nicht erinnern kannst, liegt daran, dass während der OP dein Herz ausgesetzt hat und dadurch dein Hirn unterversorgt wurde.“, erklärte der Geist nur. Geschockt blickte der Deutschtürke zur Seite. „Ich bin...bin...tot?“, fragte er nach.
    „Nein...du liegst im Koma und Andrea sitzt an deinem Bett. Semir, du musst mir jetzt zuhören. Ich bin hier um dich zu warnen. Das hier ist eine Zwischenstation. Verstehst du? Das hier ist die Schwelle zwischen den Lebenden und den Toten. Du musst dich entscheiden. Willst du auf die eine Seite, zu den Toten, dann musst du nur in den See. Für die andere Seite, für das Leben, musst du nur diesen Weg durch den Wald gehen.“, erklärte Tom. „Das ist doch eine einfache Entscheidung...Andrea und Ayda warten auf mich.“, kam es entschlossen von Semir. „Halt...ich muss dich warnen...es wird nicht leicht. Jemand wird dich dazu überreden wollen, in den See zu gehen und dazu wird er alle Tricks anwenden. Gib gut...gut...auf dich acht...“ Toms Stimme stockte. „Hey Partner, was...was ist denn mit dir?“, fragte Semir und wollte beherzt zupacken, doch die Hand ging durch den Körper seines Freundes. Erschrocken zuckte er zurück. „Pass auf dich auf, Partner...“ Langsam wurde die Erscheinung von Tom Kranich wieder zu dem, was es war...Nebel. Nur das Gesicht blieb so lange wie es konnte, doch auch das verflüchtigte sich. Erschrocken, allein gelassen und verängstigt blickte sich Semir um. Ein höhnendes, dreckiges und zugleich eiskaltes Lachen drang aus dem Wald. Der Deutschtürke warf seinen Kopf hin und her, sah sich dann einer schwarzen Nebelspirale gegenüber, die auf ihn zukam. Das Lachen kam von ihr. Er konnte es förmlich spüren. Die Spirale stoppte kurz vor seiner Nase. Die höhnenden Lacher verstummten und der Dunst bekam ein Gesicht. „Hallo Semir...“


    „Und wieso dürfen sie uns nichts sagen? Ich dachte, wir arbeiten zusammen.“, fauchte Ben wütend und stemmte die Hände in die Hüften. Geiger blickte ihn nur an und ging dann auf den jungen Hauptkommissar zu. „Weil ich nicht will, dass dieser Journalist mit einer Kugel im Kopf in seiner Wohnung gefunden wird.“, erklärte der BKA-Mann. „Ach, und sie glauben, ich würde ihn verraten?“ Wut und Zorn schwang in der Stimme Bens mit. Kim zog ihn sanft am Arm weg und blickte ihn eindringlich an. „Ben, wir sollten uns es nicht mit diesen Herren verscherzen. Immerhin ist ein Mafioso für Semirs...Zustand verantwortlich. Wir können gegen diese Kerle nicht ohne Hilfe vorgehen.“, zischte Kim nur und sah in die Augen des jungen Hauptkommissars. Dort waren deutlich Rachegefühle zu lesen. Erschrocken über diese Gefühle ließ sie ihn los. „Ben, bitte...ich weiß, dass Semir ihr Kollege und ihr Freund ist. Bitte...riskieren sie nicht leichtfertig ihr Leben.“, bat sie ihn, doch er riss sich los. „Nein, ich werde mir jetzt diesen Reporter kaufen...Ich will den Mann finden und dann werde ich ihn eigenhändig und langsam erwürgen.“, fauchte Ben nur und rannte zu seinem Wagen. „Ben...Ben... bitte...“, schrie Kim hinterher, doch es war zu spät. Ben war weg. „Verdammt, wo will dieser Kerl nur hin?“, stieß Geiger aus und sah ihm nach. Kim blickte ihn nur an, antwortete nicht. Ihr ging es jetzt in erster Linie um Ben...und Semir, was war mit Semir? Wie lange würde er noch im Koma liegen?
    Ben hielt seine Finger fest umschlossen und grinste leicht. In der Hand hielt er einen Zettel, den er vom Schreibtisch dieses Felix mitgehen hat lassen. „Und jetzt werden wir mal ein wenig mit diesem Sascha Hingst unterhalten.“, murmelte er vor sich her, startete den Wagen und fuhr los. Immer wieder klingelte das Telefon, erschien die Nummer von der Chefin, Susanne oder die der PASt. Es interessierte ihn aber nicht. Ben blendete es einfach aus. Einige Minuten später schnarrte der Funk. „Ben? Hallo Ben...melde dich. Zentrale an Cobra 11...bitte melden.“, hörte er die Stimme der charmanten Sekretärin. Wieder nahm der jungen Hauptkommissar es nicht wahr. Ein schneller Griff und das Funkgerät war ausgestellt. „Lasst mich doch alle in Ruhe.“, zischte er nur und fuhr zur angegebenen Adresse. Auch als ein Bild seiner Freundin auf dem Display erschien, drückte er nicht den grünen Knopf. Seine Blicke waren vernebelt vor rachedürstenden Tatendrang.


    ....

  • „Gut, kommen wir jetzt zu unserem letzten Punkt.“, meinte Giuseppe Salvestro und klappte die große Mappe zu. Alle anderen sahen ihn an. „Wir haben immer noch den einen großen Gegner...der Mann, der uns kennt und alles daran setzt, um unsere Organisation zu zerschmettern.“ Alle nickten raunend und sahen sich an. „Ich habe bereits einen Mann für diesen Auftrag. Unser Informant hat ihn mit allem versorgt, was nur möglich ist.“, fing Alfredo Cutolo an und zog die Aufmerksamkeit auf sich. „Er ist bereit, uns diesen Sascha Hingst vom Hals zu schaffen.“ „Und wie will er das anstellen? Immerhin wird dieser Kerl von einer Schar BKA-Beamten bewacht.“, erklärte einer der Familienbosse. „Keine Sorge... er hat da so seine eigenen Methoden. Manuele ist der Beste in seinem Fach.“, erwiderte Cutolo nur und sah den König an. Salvestro nickte nur. „Gut, er soll sofort anfangen. In drei Tagen muss der Auftrag erledigt sein. Sollte sich irgendjemand ihm in den Weg stellen, so gilt die Losung: Keine Zeugen.“
    Nach dieser Besprechung ging Salvestro noch einmal den Turm hinauf und versuchte, mit seinem Sohn zu reden. „Tommaso? Ich möchte mit dir reden...bitte mach die Tür auf.“, forderte der besorgte Vater mit einfühlsamer Stimme. Doch es kam keine Antwort aus dem Zimmer. „Tommaso? Hallo?“ Er drückte die Klinke herunter und betrat das Zimmer, doch es war leer. „Verdammt...Vincenzo, los komm her...“, schrie er und sofort kam ein dicklicher, grimmig aussehender Mann in das Zimmer. „Signore?“, fragte er nur. „Tommaso ist weg... sucht ihn...und zwar sofort.“, fauchte der Mafiakönig nur und seine Augen funkelten vor Wut. „Si Signore... Hey Rafael, komm sofort her... der Knabe des Königs ist weg. Sofort an den Parkplatz runter...“, knurrte Vincenzo und rannte die Treppe wieder runter. Wo war Tommaso hin?
    Tommaso warf die Tasche über die Mauer und krallte sich mit seinen Fingern daran fest. Mit ganzer Kraft zog er sich hoch und landete sicher auf der anderen Seite. Puh geschafft, nun musste er nur noch zu einem Fahrzeug und dann nichts wie weg hier. Tommaso sah sich um und ging auf einen der Wagen zu. Nur noch einige Meter und es war geschafft. Die Tasche über der Schulter rannte der junge Italiener los. Plötzlich riss ihn jemand zu Boden und nagelte ihn fest. „Lasst mich los...verdammte Mörder...Schweine...“, schrie Tommaso nur und wollte sich aus dem Griff befreien, doch es war nicht möglich. Er lag auf dem Beton der Auffahrt und war gefangen. „Komm hoch, Junge, dein Vater wartet schon auf dich...“, kam es von Vincenzo, der die Arme von Tommaso hinter seinen Rücken verschränkt hatte. „Nein, lasst mich los...ich will hier weg...“, schrie der Junge und wehrte sich immer wieder. Zwecklos. Was würde sein Vater mit ihm anstellen?


    „Wer...wer bist du?“, wollte Semir verängstigt wissen, als er den Nebel ansah. „Ich bin du...“, erklärte der Gegenüber. „Was? Nein...das kann nicht sein...“ „Doch, ich bin du... beziehungsweise dein Körper. Du bist nur der Wille. Dein Wille zu überleben und dein Sinn für Gerechtigkeit. Ich bin der, der all deine dämlichen Aktionen aushalten muss. Und ich muss sagen, es reicht mir.“, fauchte der Mann, der Semir vollkommen ähnelte, doch auf seinem Gesicht waren weitaus mehr Schrammen, Schürfwunden und Prellungen zu sehen, als es bei dem anderen Semir der Fall war. Der Mann trug einen schwarzen Rollkragenpullover, schwarze Jeans und ein schwarzes Jackett. „Nein, du bist nicht mein Körper...du bist nicht ich...das ist nicht möglich...“, zischte der Deutschtürke. Der schwarz gekleidete Mann fixierte seinen Gegenüber mit Blicken, warf dann den Kopf nach hinten und lachte lauthals los. „Du glaubst mir nicht? Wird dich dann das hier überzeugen?“, fragte er und riss den Pullover aus der Jeans hoch. Zum Vorschein kam ein vernarbter Messerstich, den sich Semir bei einem seiner ersten Einsätze zugezogen hatte. „Oh Gott...“, stieß der Deutschtürke aus und sah seinen Gegenüber an. „Was...was willst du von mir?“, fragte er nur. „Ich bin so unendlich müde. Weißt du, wie du mich schlauchst?“, knurrte der Mann nur und ließ sich auf einen Stein fallen. „Das tut mir Leid, aber du...ich...wir...wir haben nun mal einen Job zu erledigen. Ach was streite ich mich denn hier mit dir? Du bist mein Körper, ich bin der Verstand. Und ich sage jetzt, ich will zurück ins Leben.“, fauchte Semir nur und wollte sich auf den Waldweg begeben, doch plötzlich schoss vor ihm eine Feuerwand auf. „Du gehst nirgends hin.“


    ...

  • Ben saß den dritten Tag in Folge in seinem Wagen und beobachtete das Haus genau. Immer wieder versuchten Susanne oder Kim ihn zu erreichen, doch sein Handy war seit der letzten Nachricht von Andrea, dass sich bei Semir nichts verändert habe, ausgeschaltet. Seine Sachen klebten an seinem Körper und der Bart war in den letzten Tagen dichter und dichter geworden. Doch das war ihm egal. Die Positionen der BKA-Leute hatte er schon ausmachen können. Zwei saßen in einem Wagen in einer Seitengasse mit Blick auf die Wohnung des Reporters. Drei andere waren als Bauarbeiter getarnt und arbeiteten schon drei Tage lang an einer kaputten Wasserleitung. Wahrscheinlich haben sie die selbst noch rausgerissen, dachte Ben nur und sah dann wie das Postauto in die Straße einbog. „Pünktlich wie jeden Tag.“, murmelte er und sah auf seine Uhr. Das war der einfachste Weg um mit Sascha Hingst zu sprechen, stellte er in den letzten Tagen fest. Immer wieder bekam der Mann Post und zwar jeden Tag um die gleiche Zeit. Doch wie stellte es Ben nun am Besten an? Wenn er nun einfach mit dem Postboten reden würde? Vielleicht ginge das. Er nahm es sich für den nächsten Tag vor. Als der Plan gefasst war, startete er den Wagen und fuhr zu seiner Wohnung. Auffallen wollte er ja nicht. Jedenfalls nicht sofort. Und diese BKA-Hunde waren mehr als misstrauisch. Dagegen musste was unternommen werden.


    Frisch geduscht und umgezogen war Ben am nächsten Tag wieder am Platz und sah sich um. In der Seitenstraße stand schon der Postwagen. Schnell war der Entschluss gefasst, Ben stieg aus und ging auf den Mann zu. Aus der Nähe bemerkte der junge Hauptkommissar, dass beide in etwa die selbe Statur hatten. „Entschuldigung...ich bräuchte mal ihre Hilfe...“, meinte Ben nur und zückte den Dienstausweis. Der Bote sah ihn nur an, blickte kurz auf den Ausweis und griff an seinen Gürtel. „Nein...nein...ich bin wirklich Polizist. Hören sie, ich benötige ihre Uniform und ihr Auto für eine unauffällige Überprüfung. Werden sie mir helfen?“, flehte Ben regelrecht. Der Mann überlegte und ließ langsam von seinem Gürtel ab. „Gut, aber ich brauche es schnell wieder.“, meinte er nur und fing an, sich zu entkleiden. Wenigstens waren die Temperaturen noch angenehm und so fror der arme Postbote nicht. „Danke...ich danke ihnen...“, meinte Ben nur und setzte sich das Base-Cap auf den Kopf, zog es tief ins Gesicht hinein. So ausstaffiert ließ er sich hinters Steuer fallen und fuhr los. Hoffentlich ging der Plan auf.
    Sascha Hingst sah von seinem Polit-Magazin hoch, als es an der Tür klingelte. „Ah, die Post...“, kam es nur von ihm. Er trank seinen Kaffee aus und ging nach vorne. „Hallo, ich habe hier die Post...“, kam es von einem ihm unbekannten Mann. Sascha rümpfte kurz die Nase, zog die Augenbrauen hoch und ließ sein Gehirn durchrattern. Da stimmte doch was nicht. „Einen Moment, ich hole schnell ihr Geld. Das ist ja per Nachnahme...kommen sie kurz rein.“, bat Hingst den Mann nur und verschwand dann im Wohnzimmer. Der junge Mann mit den verwuschelten Haaren und dem Drei-Tage-Bart erinnerte ihn an die Drohung, die er letztens bekam. Er war doch dieser südländische Typ, die alles taten um in der Rangfolge der Mafia aufzusteigen. Plötzlich fiel ihm die alte Pistole in die Augen, die ihm einer seiner Freunde zum Abschied aus Hamburg schenkte. Ben sah sich im Flur nur um und legte die Sendung auf einen der Tische ab. Die Fotos schienen ihn derart zu faszinieren, dass er vergas, sich abzusichern. Im nächsten Moment presste sich eine kalte, metallische Rundung in seinen Nacken. Er spürte, was es war. „Okay, du mieser Scheißkerl...heb schön die Arme an die Decke und lass sie oben, wenn du nicht eine neue Nahrungsmittelverwertungsöffnung haben willst.“, fauchte der Journalist nur und presste die Mündung der Waffe weiter in den Nacken des Mannes hinein. „Ganz ruhig bleiben...bitte...ich...ich brauche ihre Hilfe...“, kam es nur von Ben. „Die Hilfe werde ich dir gleich geben. Los, vorwärts und keine falsche Bewegung.“, fauchte Sascha Hingst nur.


    Andrea strich leise über das Gesicht ihrer schlafenden Tochter. „Danke Elli, dass du auf die Beiden aufpasst.“, meinte sie zu ihrer Nachbarin. „Kein Thema, du hast jetzt genug um die Ohren. Es freut mich, wenn ich mich um die beiden Stöpsel kümmern kann.“, erwiderte sie mit einem kurzen Lächeln. Andrea nickte nur und warf dann ihren Mantel über den Arm. „Ich hoffe, sie werden ihren Papa schnellstens wiedersehen können.“, murmelte sie und spürte, wie ihr wieder die Tränen in die Augen schossen. „Komm, ganz ruhig...dein Mann wird das schaffen. Du darfst nicht das Schlimmste annehmen.“, versuchte Elli ihr Mut zu machen. Scheinbar klappte es. Die Tränen versiegten langsam und Andrea fuhr kurz darauf ins Krankenhaus hinüber. Noch immer lag ihr über alles geliebter Mann auf der Intensivstation. Und noch immer war das Koma nicht überstanden. „Semir...Semir, bitte komm zu uns zurück. Wir brauchen dich doch so nötig.“, murmelte sie und griff nach seiner Hand. Sie war kalt, doch das war Andrea egal. Ihr ging es darum, für ihren Mann da zu sein. Schon oft hatte man gehört, dass ein Komapatient dadurch wieder zu den Lebenden zurückgeholt wurde, wenn ein ganz besonderer Mensch mit ihm sprach. Für Semir war dies zweifellos Andrea. Nun saß sie schon den fünften Tag in Folge hier und hoffte inständig, dass ihre Gebete bald erhört wurden. Von dem Kampf, den ihr Mann mit sich selbst ausfocht, merkte sie nichts. Vor ihr lag nur eine leblose Hülle.
    Er hielt sich die Hand vors Gesicht. Die Feuerwand war dicht vor ihn und strahlte eine unbändige Hitze aus. Langsam wich er zurück. Als Semir etwa fünfzehn Meter vom Waldweg entfernt war, verschwand die Wand wieder. Der Mann sah Semir nur an. „Du wirst nicht zurückgehen. Du wirst in den See gehen. Bring mich zur Ruhe. Ich will nicht mehr.“ „Nein, ich habe Familie...ich will nicht sterben.“, schrie Semir nun und wollte seinen eigenen Körper angehen, doch er wurde durch etwas abgestoßen, landete fast im See. Benommen blieb er am Ufer liegen, rappelte sich auf, doch plötzlich bewegte er sich...von allein. Irgendwas zog ihn Richtung See. „Nein...NEIN!!“, schrie Semir immer weiter und stemmte sich mit aller Macht gegen die Kraft. Er krallte sich am Steg fest, zog sich selbst nach vorne. „Lass dich einfach fallen. Es ist so einfach. Erspare uns das Leiden...Semir, schließ die Augen...komm schon...“, forderte der schwarz gekleidete Mann und setzte sich auf einen Stein, beobachtete den Kampf des Deutschtürken mit der ihn in den See ziehenden, unsichtbaren Macht.


    ...

  • Manuele wischte sich die Hände ab. Seine Blicke fielen auf die vier gebrochenen Augen im Wagen. Es war manchmal so einfach, an ein Opfer heran zu kommen. Je dichter der Schutz, umso leichter fand der Italiener es. Diese beiden BKA-Polizisten waren nun anderweitig beschäftigt. Doch es waren noch andere da, das wusste er. Sein Instinkt des Jägers meldete ihm das. Unweigerlich wanderte sein Blick auf den Bauarbeiter, der wie aufgeregt etwas in sein Handgelenk sprach. „Wie auffällig...“, murmelte er nur und nahm eine neue Angelsehne aus seiner Tasche. „Erste Regel bei Attentaten...nie die gleiche Waffe verwenden.“, lächelte er und schlich sich langsam an den Mann heran. Die Sehne wickelte er um beide behandschuhten Hände. Kein Laut gaben seine Schritte von sich. Konzentriert sah er auf sein gleich drittes Opfer. Blitzschnell wie eine Kobra schlug er zu, wickelte sie Sehne um den Hals des Mannes und zurrte zu. Röchelnd fasste sich der kahlköpfige Mann an den Hals, versuchte, die Leine loszubekommen, Aber die Kräfte schwanden und die Sinne wurde taub. Das Leben verließ schnell den Körper und schlaff hing der Mann im Griff, die Schlinge immer noch um den Hals gelegt. Manuele ließ nicht locker, zog sein Opfer weg von der Straße in ein Gebüsch hinein und zog dann seine Hände weg. Sein Blick wanderte hinüber zum Haus. „Und jetzt zu dir.“, grinste er nur und blickte sich noch einmal um. Keiner war mehr zu sehen. Jetzt konnte er an seine Arbeit gehen.


    Ben, immer noch steif von der Angst, hob die Hände und bewegte sich so, wie es der Mann mit der Waffe von ihm verlangte. „Hören sie, ich will nichts böses...ich muss mit ihnen reden.“, versuchte er. „Schnauze halten...du glaubst wohl, du kannst mich für dumm verkaufen, was? Sobald ich die Waffe weglege, bin ich ein toter Mann. Ich kenne euch Mafiosos genau. Durch aufsehenerregende Taten wollt ihr in der Rangfolge aufsteigen. Ich weiß bescheid. Los, auf den Stuhl da.“, fauchte Sascha Hingst nur. „Hören sie, sie machen einen Fehler. Ich bin kein Mafioso...Ich bin Polizist...“, versuchte es Ben erneut. „Ha, das glaube ich ihnen sofort. Und jetzt hinsetzen und die Arme nach hinten.“, forderte der Journalist mit Nachdruck, presste die Mündung weiter in den Nacken des Mannes. „Okay, jetzt reicht es...“, stieß Ben nur aus, ließ sich zur Seite fallen, ergriff den Arm des Mannes und drehte ihm ihn schmerzvoll auf den Rücken. „Ahhhh...hey, hey, aufhören...Ahhhh…”, schrie Sascha nur und ließ die Waffe fallen. Nun war es Ben, der ihn auf den Stuhl stieß und die Waffe aufhob. „Was? Damit wollten sie mich in Schach halten?“, fragte er nur. Es war eine alte Pistole, wie man sie aus Piratenfilmen kannte. „Ich hätte sie bis dahin schon am Stuhl festgebunden gehabt.“, knurrte der Journalist nur. „Das glaube ich nicht.“ „Nun machen sie schon. Töten sie mich.“, forderte Sascha nur. „Hören sie mir überhaupt zu? Ich bin Polizist und will mit ihnen reden. Also hören sie zu.“, fauchte Ben und fing an, alles zu erzählen, was sich in den letzten Tagen zugetragen hatte.
    Als Ben mit seinen Erzählungen zu ende war, sah Sascha ihn nur fragend an. „Und sie wollen nun von mir alles zu Giuseppe Salvestro wissen?“ Ben nickte. „Das wird schwierig, aber ich werde ihnen sagen, was ich weiß.“, meinte der Journalist und ging zu einem Schrank, nahm einige Blätter raus und reichte sie Ben rüber. „Hier, das ist eigentlich meine ganze Arbeit. Alles, was sie wissen müssen, um vorbereitet zu sein.“, erklärte er. „Können sie mir einige Einzelheiten nennen.“ „Sicherlich... die Mafiafamilien sind einer strengen Rangordnung unterworfen. Meist orientieren sie sich an der Familienkonstellation. Das heißt, der Vater oder der Großvater, je nachdem wer der Älteste in der Familie ist, ist Oberhaupt des Clans und seine Söhne die Nachfolger. Und jeder hat eine ihm zugewiesene Anzahl Männer unter sich und ein spezielles Gebiet, sei es Schutzgelderpressung, Geldwäsche, Drogenhandel oder das Führen von Bordellen oder Restaurants. Außenseiter werden mit Misstrauen behandelt, können aber durch gekonnte Taten und errungenes Vertrauen in der Rangfolge aufsteigen.“, erklärte Hingst nur. Ben hörte gebannt zu, merkte nicht, dass draußen Gefahr aufzog.


    Manuele machte sich bereit, zog aus seiner Innentasche ein zerlegtes Scharfschützengewehr. Schnell war es zusammengesetzt und er sichte sich eine gute Schussposition im Garten. Durch sein Zielfernrohr sah er genau durch die große Scheibe. Plötzlich stockte er. Das war doch dieser Bulle von der Autobahn oder nicht? Manuele warf noch einmal einen präzisieren Blick durch. Ja, das war er. „Na warte...dich kriege ich auch.“, meinte er nur und zielte mit seinem Gewehr, ging noch etwas dichter an sein Opfer heran. Ein in Form geschnittener Busch bot sich perfekt für seinen Schuss an. In der Tasche hatte er noch eine besondere Überraschung für diesen Kerl. Immer wieder suchte er den richtigen Punkt, suchte die richtige Position und korrigierte wieder. Warum musste sich der Kerl auch bewegen? Immer wieder setzte Manuele neu an, doch dann bekam er ihn genau ins Visier. „Arrivederci Hingst...“, lachte er nur und krümmte langsam den Finger.
    „Was ist noch wichtig?“, wollte Ben wissen und ging einige Schritte zum Flur hin. Sascha sah ihn an. „Das finden sie alles in diesen Seiten.“ Der Journalist sah den Polizisten an. „Und sie wollen wirklich da hinein gehen?“ „Ich muss...wenn ich den Mann finden will, der meinem Partner ins Koma geschickt hat.“, erklärte Ben nur. „Und sie wollen als Lehrer dort hinein? Es ist eine gewagte Idee...aber bitte... vielleicht nicht ganz falsch.“, erklärte Sascha Hingst nur. Plötzlich zerbarst das Fenster und eine Fontäne einer zähen, roten Flüssigkeit kam aus dem Kopf des Mannes geschossen. Ben schloss erschrocken die Augen, als ihm einiges davon ins Gesicht spritzte. Noch ehe der Mann auf dem Boden aufschlug, war er tot. „Nein...nein...nein...“, schrie Ben nur und ging auf den Mann zu, doch schon kam etwas anderes durch das Fenster geflogen. Ben sah nur eine kleine olivefarbene Kugel, die über den Boden rollte. Schleunigst sprang er auf, warf sich in den Flur und hielt seine Hände über den Kopf. Mit einem lauten Knall wirbelte Staub, Teile von Möbeln und anderen Gegenständen durch die Luft. Seine Ohren rauschten und kaum war etwas zu hören. Er blieb einfach am Boden liegen.


    ...

  • „Verdammt, meine Männer melden sich nicht. Wenn das mit Herrn Jäger zu tun hat, dann kann er sich schon mal warm anziehen.“, drohte André Geiger nur und lenkte den Wagen an den Seitenrand. Kim sah ihn nur böse an. „Herr Jäger meldet sich seit drei Tagen nicht...was glauben sie, wird er machen? Er wird den Attentäter seines Partners suchen. Ihre Männer haben sicher ihre Geräte ausgeschaltet, weil sie mal in Ruhe Pause machen wollten.“, fauchte sie nur und stieg aus. Geiger setzte zum Widerwort an, doch ein lauter Knall hielt ihn davon ab. Erschrocken blickte er zum Haus seines Schützlings. „So eine Scheiße...“, fluchte er, zog seine Waffe und rannte los. Auch in Kim stiegen Gefühle auf, die sie keines Falls beruhigten. Sie kannte Ben und sie wusste, dass er jede kleinste Chance auf einen Erfolg wahrnehmen würde. Sicher war er hier, aber war er gerade jetzt hier, als es diesen lauten Knall gab? Sie hoffte es nicht. Noch einen ihrer Männer zu verlieren konnte und wollte sie sich nicht leisten. Mit ihren Stöckelschuhen war sie schneller als Geiger und warf sich gegen die Haustür, die kaum noch Widerstand leistete. „Hallo? Ben? Sind sie hier? Antworten sie doch.“, rief sie hustend in die Staubwolke hinein. Keine Antwort. Doch durch den Nebel zeichneten sich schwache Konturen einer auf dem Boden liegenden Person ab. War das Ben? War er tot?


    Semir krallte seine Hände in den Boden ein, stemmte seine ganze Kraft gegen die, die ihn versuchte, in den See zu ziehen. „Bleib ganz ruhig Semir...lass einfach los und es wird alles vorbei sein.“, erklärte sein Körper nur. „Nein...meine Familie...meine Andrea braucht mich...“, stieß der Deutschtürke aus und zog sich auf den rettenden Steg zurück. „Du...du wirst mich nicht schaffen...auch wenn du ich bist...du schaffst mich nicht. Jetzt lass mich vorbei. Ich will zu meiner Familie.“, forderte Semir und ging an seinem Körper vorbei. Dieser ergriff aber seine Hand und zerquetschte fast sein Gelenk. „Ahhhh...du tust mir weh...“, stieß Semir aus und ging unter Schmerzen in die Knie. „Du wirst hier bleiben oder du gehst baden. Zu deiner Familie wirst du nicht mehr kommen. Es sei denn, du lässt dich auf einen Handel ein.“, kam es von Semirs Körper und ließ Semir los. Dieser blickte den Mann in dem schwarzen Anzug skeptisch an. „Und, was wäre das?“, fragte er nur und rieb sich das Handgelenk.
    „Wenn du mir beweisen kannst oder besser, wenn du mich überzeugen kannst, dass du da unten mehr gebraucht wirst, als jetzt, dann lasse ich dich gehen.“, erklärte der Mann nur und grinste. „Und wie soll ich das machen? Du wirst ja immer gegen mich argumentieren, egal, was ich dir sage.“, fauchte Semir nur und sah sein Gegenüber an. „Oh, du wirst nicht für dich sprechen. Es wird jemand sein, der dich kennt und der weiß, was du in all den Jahren gemacht hast.“, grinste der Körper nur. Ein kurzes Schnipsen und Semir sah jemanden, mit dem er hier in dieser Schattenwelt nicht gerechnet hatte. „Du?“, kam es von Semir. „Warum nicht? Hast du was gegen meine Hilfe?“


    „Ben...Ben? Sind sie in Ordnung? Sagen sie doch was...“, forderte Kim immer wieder und schlug auf die Wangen des jungen Hauptkommissars. Nach dem dritten Schlag regte sich endlich wieder Leben in ihm. „Ohhhh... was...was ist passiert?“, fragte er und hielt sich benommen den Kopf und schüttelte seine Haare aus. Staub wirbelte dadurch im ganzen Flur hin und her. „Was ist hier passiert?“, fragte die Chefin nur. „Ich...ich habe mich mit diesem Hingst unterhalten. Er...er hat mir Papiere gegeben und mir erklärt, wie die Mafiafamilie funktioniert.“, erklärte er nur und lehnte mit seinem Kopf gegen der Wand. Geiger kam aus dem Wohnzimmer zurück. „Was...Was haben sie gemacht? Da drinnen liegt Sascha Hingst. Mein einziger Zeuge ist tot...“, fauchte er nur und wollte den jungen Hauptkommissar angehen, doch Kim hielt ihn auf. „Lassen sie...ändern können wir es doch nicht mehr.“ „Er hat meinen einzigen Zeugen auf dem Gewissen. Mein ganzer Prozess fällt gerade zusammen. Was soll ich denn noch machen?“, zischte der BKA-Kommissar. „Hören sie...ich...ich werde mich trotzdem zu der Mafiafamilie begeben. Ich...ich bin dann die einzige Chance, die sie haben.“, stieß Ben unter Schmerzen aus.
    „Was? Ben...das...das können sie nicht tun.“, stieß Kim aus. „Ich muss...der Mann da drinnen ist meinetwegen gestorben. Ich bin...bin es ihm schuldig.“, erklärte er nur und versuchte aufzustehen, doch seine Chefin drückte ihn sofort wieder auf den Boden. „Sie bleiben jetzt erstmal sitzen. Sie brauchen einen Arzt. Und dann können sie gehen.“, kam es nur von der Chefin. Kim rief sofort einen Arzt. „Ich seh mal nach meinen Leuten. Die müssen hier irgendwo sein.“, meinte André Geiger und verließ das Haus. „Wie...wie geht es Semir?“, fragte Ben nur und fuhr mit der Hand über den Hinterkopf. Er zuckte zurück, als er eine Beule spürte und etwas klebriges seine Hand benetzte. „Unverändert. Andrea ist immer noch bei ihm. Die Ärzte meinen, er scheint mit sich selbst zu kämpfen.“, erklärte sie nur. Ein kurzes Nicken war alles, was Ben noch dazu sagen konnte. „Meine Leute sind tot...alle Drei...“, kam es von Geiger, als er wieder im Flur stand. „Aber wie? Wer könnte das getan haben?“, fragte Kim geschockt. „Salvestro. Ein anderer fällt mir nicht ein. Hingst hatte genug Material beisammen, um die ganze Organisation an die Öffentlichkeit zu bringen.“ Er wandte sich an Ben. „Tja, sie sind nun meine einzige Hoffnung, diese Kerle hinter Schloss und Riegel zu bringen.“


    ...

  • Tommaso saß schon seit mehreren Tagen in seinem Zimmer und konnte nicht raus. Zum Essen wurde er von Vincenzo und zwei anderen Gorillas seines Vaters geholt, zum Tisch gebracht und dann wieder in seine Zimmer gesperrt. Was sollte er jetzt noch machen? Sein Vater war schon seit einigen Tagen nicht mehr nach oben gekommen. Beim Essen sprach er nicht mit ihm, strafte ihn nur mit verachteten Blicken. Einzig Chiara redete noch mit ihm, doch sie war erst acht Jahre alt. Würde sie es denn verstehen, dass ihr großer Bruder sich in Männer verliebt hatte. „Tommaso...bist...bist du da?“, hörte er die Stimme seiner Schwester hinter der Tür. „Chiara.? Lass...lass mich raus...bitte...“, forderte er mit sanfter Stimme und kratzte vorsichtig an der Tür. „Das...das hat Papa verboten. Aber ich lasse dich dennoch raus.“, erklärte sie nur und schon war das Umdrehen eines Schlüssels zu hören. Kurz darauf ging die Tür auf und die kleine Schwester stand in der Tür. „Danke Kleines...“, meinte Tommaso nur und rieb Chiara den Kopf. „Papa wird stinkig, wenn er weiß, dass ich dich rausgelassen habe.“, kam es mit einem spitzbübischen Grinsen von ihr. Tommaso lächelte nur und wollte die Treppe runtersteigen. Doch auf halbem Wege kam ihm Giuseppe Salvestro, sein Vater, entgegen. Die Augen der Beiden blickten sich tief an. „Du? Wer hat dich raus gelassen?“, fauchte er. „Ich...ich...“, stammelte Tommaso nur. „Ich wollte dich sowieso holen. Komm mit...CHIARA!“, rief er nach oben und wenige Momente später kam auch die Kleine runter. „Kommt, ich möchte euch euren neuen Hauslehrer vorstellen.“, meinte der Vater nur und ging dann mit seinen Kindern in die große Flurhalle hinunter.


    Ben stand mit einem mulmigen Gefühl in der Eingangshalle und sah durch die Tür nach draußen. Die schwer bewaffneten Männer auf der Balustrade sahen misstrauisch nach innen. Sie hatten ihn gerade durchsucht, als er mit diesem Gennarino im Wagen hergefahren war. Eine unbequeme Fahrt. Die ganze Zeit musste er im Kofferraum liegen. „Eine Sicherheitsmaßnahme. Tut mir Leid...“, meinte der Mafioso, als Ben ihn am Rathausplatz traf. Nur widerwillig legte sich der junge Hauptkommissar hinten hinein. Jetzt stand er hier, irgendwo in NRW, denn so weit konnten sie nicht gefahren sein, dass sie das Bundesland verlassen hätten. Er sah zur Treppe rauf, als ein weißhaariger Mann mit Schnurrbart herunterkam, hinter ihm ein Junge, so etwa um die 17 oder jünger. Ein kleines, quirliges Mädchen folgte den Beiden. „Gennarino, das ist er also.“, kam es von dem weißhaarigen Mann. Der Angesprochene nickte. „Ich habe ihnen ja gesagt, dass ich einen finden werde. Das hier ist Bastian Knigge.“, stellte Gennarino den Mann vor und lehnte sich dann kurz zu Ben rüber. „Verbeugen sie sich kurz und warten sie, bis er ihnen die Hand zustreckt.“, raunte er ihm ins Ohr. Ben tat, was er sollte und wartete auf die Hand. Hoffentlich würde seine Tarnung halten.
    Giuseppe lächelte nur und streckte dem jungen Mann mit dem sympathischen Aussehen die Hand entgegen. „Ich bin Giuseppe Salvestro, der Vater von Tommaso und Chiara. Es freut mich, dass sie die Beiden als Hauslehrer unterrichten werden. Wo liegen ihre Stärken?“, fragte er den Mann mit dem Dreitagebart, der Brille auf der Nase und dem etwas abgetragenen Jackett. „Vor allem in der Musik, Mathematik und Geschichte.“, erwiderte Ben und hoffte, dass die Bücher ausreichen würden, die sich in seiner Tasche befanden. „Ah Geschichte...“, kam es nur von dem Mann. „Sehr gut...wir müssen viel über die Vergangenheit wissen, wenn wir uns in der Gegenwart zurechtfinden und die Zukunft erobern wollen.“, erklärte Salvestro nur und schob dann seinen Sohn nach vorne. „Das hier ist mein zweiter Sohn Tommaso. Um ihn müssen sie sich, was das Schulwesen angeht, weniger kümmern. Doch um meine Chiara...sie ist mein Augenstern.“, erklärte der Mafiakönig stolz und die Kleine kam nach vorne, sah zu dem neuen Lehrer neugierig auf. „Hallo...“, kam es fröhlich aus ihrem Mund. „Hallo...wie alt bist du denn?“, fragte Ben vorsichtig. „Acht, aber bald werde ich neun.“, erwiderte sie. „Sie wird ihnen keine Schwierigkeiten machen. Wenn ihnen Gennarino ihr Zimmer gezeigt hat, dann möchte ich sie gerne noch sprechen.“, kam es fordernd von Salvestro. Ben nickte nur.


    Nachdem Gennarino Ben sein Zimmer gezeigt und er sein Gepäck ausgepackt hatte, sah er aus dem Fenster. Nun war es schon acht Tage her, seit dem Semir im Koma lag und noch immer keinerlei Besserungsnachrichten von ihm. Immer wieder sah er sich um, öffnete die Tür einen Spalt. Keine Bewachung. Ungewöhnlich, dachte Ben nur und griff zu seinem Ersatzhandy, dass Kim ihn für den Einsatz zur Verfügung stellte. „Auf der Simkarte sind nur die Nummern von Andrea und meiner eingespeichert. Meine ist unter den Namen „Direktorin“ abgespeichert. Nur, falls ihnen das Handy abgenommen werden sollte.“, waren ihre Worte, als sie es ihm überreichte. Ben sah auf die Hand, in der er es zu liegen hatte und suchte nach der Nummer von Andrea. Es klingelte ein paar Mal und am Ende meldete sich eine aufgelöste Stimme. „Andrea? Wie geht es Semir? Ist er schon aus dem Koma erwacht?“, fragte Ben mit heiserer Stimme. Immer wieder sah er sich um, horchte nach jedem Geräusch. „Nein...nein Ben, sein Zustand ist unverändert.“, kam es leise von Andrea zurück. Ben nickte nur. „Und dir? Wie geht es dir und den Kindern?“ Besorgnis und Angst waren deutlich erkennbar. „Wie soll es uns schon gehen? Ayda fragt jeden Morgen und jeden Abend nach ihrem Vater und Layla ist noch zu klein dafür, aber auch sie spürt, dass ihr Papa nicht da ist. Es ist einfach schwer.“, erklärte sie. „Ich weiß...ich bin sicher, Semir wacht wieder auf. Das weiß ich...er ist ein Kämpfer.“
    Als er das Handy wieder zuklappte, klopfte es an der Tür. „Bastian, der Don will sie jetzt sprechen.“, hörte er Gennarinos Stimme. „Ja, ich...ich komme sofort.“, meinte Ben nur und steckte das Handy wieder in sein Jackett. Er öffnete die Tür und sah in das leicht gebräunte Gesicht des jungen Südländers. „Gehen wir...und bitte, keine eigenmächtigen Gespräche, die er nicht anstößt.“, erklärte der Italiener nur. Ben nickte und folgte dem Mann die Treppe hinunter. Er bewohnte den anderen Turm. Durch ein kleines Fenster konnte er in den Garten hinaus sehen. Tommaso saß dort auf einer Steinbank unter einem Baum. „Bastian...du wirst erwartet.“, kam es rufend vom Anfang der Treppe. Ben bemühte sich nach unten und ging dann hinter Gennarino her. Doch das Bild des traurigen Jungen ging ihm nicht aus dem Kopf.


    ...

  • „Kemal...bist du...bist du tot?“, fragte der Deutschtürke entsetzt und ging einen Schritt auf seinen Bruder zu. „Da kannst du ganz beruhigt sein.“, schaltete sich nun der Körper von Semir ein und zog so die Blicke der beiden Männer auf sich. „Er hat sich den Kopf gestoßen und ist für eine Zeit ohnmächtig. Das hier ist einfach ein Traum für ihn.“, erklärte er nur. Beide nickten. „Gut, dann Kemal, du vertrittst die Interessen deines großen Bruders. Du wirst mir erklären, weshalb ich ihn wieder zurück lassen sollte.“, erklärte der schwarz angezogene Körper. Kemal nickte nur und klopfte seinem großen Bruder auf die Schulter. „Keine Sorge, ich denke, das schaffe ich.“, raunte er ihm zu. Semir nickte ergeben. „Mein Bruder hat zwei bezaubernde Kinder, die ihn lieben und eine wunderschöne Frau, die ihn braucht.“, fing Kemal an und machte eine theatralische Drehung zu dem Körper, der auf einen dicken Baumstumpf saß und ein unbewegliches Gesicht machte. „Sie werden drüber hinwegkommen. Ich bin sicher, seine Frau wird einen neuen Mann finden.“, höhnte der Mann nur. Kemal stieß einen wütenden Schnaufer aus, auch Semir ballte die Fäuste. „Weiter...“, forderte der Körper nur. „Seine Familie umfasst nicht nur die Kinder...auch seine Kollegen würden ihn vermissen. Für ihn ist er ein Teil einer größeren Familie. Aber nicht nur sie, ich...ich würde meinen Bruder ebenso vermissen. Wir haben uns erst jetzt wieder versöhnt. Und ich will die verlorene Zeit mit ihm nachholen.“ „Sentimentales Geschwafel.“, knurrte der Körper nur. Kemal wischte sich durchs Haar. Dieser Kerl war hart. Er ließ sich durch solche Argumente nicht überzeugen. Doch was würde ihn denn überzeugen?


    Ben ging in das große Arbeitszimmer und wurde auf einen Stuhl gesetzt. „Signore Knigge. Bitte, setzen sie sich.“, forderte Salvestro nur und reichte ihm eine Tasse. „Tee, Kaffee oder Cappuccino?“, wollte der Mann hinter dem Schreibtisch wissen. „Kaffee bitte.“, erwiderte Ben oder Bastian Knigge, wie er in seiner Verkleidung hieß. „Sehr gut...“, erwiderte Giuseppe und reichte ihm die Tasse mit dem Bohnensaft. Dankend nickte der Hauslehrer und nahm einen kräftigen Schluck. „Alle Achtung... sie scheinen an italienischen Kaffee gewöhnt zu sein.“, meinte der Mann nur. „Ich...ich war kürzlich in Italien und habe dort schon solch einen Kaffee getrunken.“, erklärte Ben nur. „Sehr gut...sie werden meine kleine Chiara...sie ist sehr musikalisch. Ich hoffe, sie können ihr Talent fördern.“ „Was spielt sie denn? Meine Fähigkeiten begrenzen sich auf Schlagzeug, Gitarre und Klavier.“, meinte Ben nur. „Klavier...sie werden ihr jeden Tag zwei Stunden Unterricht darin erteilen. Außerdem braucht sie dringend Hilfe in Geschichte. Die Unterrichtszeit beginnt um zehn Uhr und endet für meine Kleine um vierzehn Uhr. Zwei Stunden Pause und dann um sechszehn Uhr Klavierunterricht.“, erklärte er. „Und was ist mit ihrem Sohn?“, fragte Ben vorsichtig. „Ihn unterrichte ich selbst. Er geht sie nichts an. Das verstehen sie hoffentlich...“, kam es mit harter Stimme von Salvestro. Ben nickte nur. „Gut, dann haben sie jetzt eine Zeit für sich. Besuchen sie den Garten, aber bitte...zu ihrer eigenen Sicherheit, klettern sie nicht über die Mauer oder begeben sie sich in deren Nähe, wenn sie nicht getötet werden wollen.“, meinte der Mafioso mit einem falschen Lächeln. Ben schluckte nur und stand dann auf. Er würde jetzt erstmal das Gelände erkunden. Vielleicht fand er ja was.


    Semir sah, wie sein Bruder und sein Körper wie wild diskutierten. „Er wird dort unten gebraucht. Immerhin ist er Polizist. Er dient der Gerechtigkeit.“, fauchte Kemal nur und sah den Körper an. „Was glaubst du, warum ich so aussehe? Ich bin sein Körper...ich muss das mitmachen, was er ausheckt. Was meinst du, wie ich mich dabei fühle? Ich bin müde und ich will nicht mehr. Es ist mir egal, ob er Familie hat oder nicht. Es ist mit auch egal, ob er da unten gebraucht wird oder nicht. Sein Leben ist nun vorbei. Und im übrigen...deine Argumente hängen mir zum Halse raus, Kemal...“, fauchte der Körper und schnipste mit seinen Fingern. Die Erscheinung von Kemal verschwand wieder. „So, mein Lieber...jetzt zu uns. Wir gehen jetzt in den See...“, fauchte der schwarz gekleidete Mann. Semirs Augen funkelten nur. Die Wut stieg in ihm auf. „Du verdammter...Mistkerl...“, schrie Semir nur und warf sich mit Zornesröte im Gesicht auf seinen Körper, fing ihn an zu würgen und schlug auf ihn ein.
    „Doktor...Doktor...kommen sie schnell...“, schrie Andrea den Flur entlang. Immer wieder sah sie ins Zimmer zurück. Die Geräte spielten vollkommen verrückt und Semir zitterte am ganzen Körper. Der Arzt kam ins Zimmer und sah auf die Anzeigen. „Verdammt, was ist hier nur los?“, fluchte er und ging sofort zu dem Bett des Patienten, leuchtete ihm in die Augen und nahm den Puls. „Anscheinend versucht er unter allen Umständen wieder ins Leben zurück zu kommen.“, stieß er aus. Andrea kam ans Bett. „Er...er wird aufwachen?“, fragte sie und bekam Freudetränen in den Augen. „Das denke ich...Hier, Herzrhythmus, Puls, Atemfunktion...alles wird wieder hochgefahren...und das alles viel zu schnell. Ich brauche ein Beruhigungsmittel. Er wird mir sonst instabil“, fauchte Dr. Ceylan und riss der Schwester förmlich die Spritze aus der Hand. Nach wenigen Augenblicken beruhigte sich alles einigermaßen, doch Semirs Werte kletterten weiter nach oben. Als ob er mit aller Gewalt endlich wieder zurück ins Leben wollte. „Das...das ist unglaublich. So etwas habe ich in meiner langen Berufskarriere noch nicht gesehen.“, erklärte er, als er mit Andrea am Fenster stand. „Was...was wird jetzt noch passieren, Doktor?“, fragte Andrea mit heiserer Stimme. Etwas in ihr ahnte, dass mit Semir nicht alles in Ordnung war.


    ...

  • Dr. Ceylan atmete tief ein. „Wir werden ihren Mann an einen Gehirnstrommesser schließen und sehen, ob alles in Ordnung ist. Außerdem werden wir noch ein CT machen und sehen, ob die Wunden gut verheilt sind.“, erklärte der Arzt. Andrea nickte nur und wischte sich die Tränen aus dem Auge und von der Wange. „Das...das ist wundervoll...wie ein großes Geschenk.“, meinte Andrea nur und sah auf ihren Mann, der ruhig und friedlich im Bett lag. „Bitte Semir...bitte komm schnell wieder zu mir. Werde wieder wach...Ayda, Layla und ich brauchen dich doch so sehr.“, flüsterte sie und küsste dann ihren Mann, als er mit seinem Bett aus dem Zimmer geschoben wurde. „Nur keine Sorge, Frau Gerkhan, jetzt ist er auf dem Weg der Besserung.“, erklärte Dr. Ceylan und legte der Frau eine Hand auf die Schulter. „Sie sollten jetzt aber nach Hause fahren und sich um ihre Kinder kümmern. Kommen sie heute Abend wieder. Dann wissen wir mehr.“, meinte er nur und ging dann dem Bett hinterher. Andrea hielt sich kurz am Türrahmen fest und fuhr dann wirklich nach Hause zu ihren Kindern. „Mama, wann kommt Papa wieder?“, fragte Ayda. „Bald...wir fahren bald zu ihm und er wird dann sicher ganz, ganz gesund sein.“, erklärte sie und hob Layla auf den Arm. „Na meine Kleine, bald wirst du den Papa sehen.“
    Das CT von Semir stellte den Arzt zufrieden. Die Wunden waren gut verheilt und befanden sich fast in hundertprozentigem Grundzustand. „Sehr schön...wirklich sehr schön.“, erklärte Dr. Amir Ceylan. Nun war das Schädelmessgerät dran. Vorsichtig wurden die Kontakte auf die Stirn des Deutschtürken gelegt und das Gerät eingeschaltet. „Dann wollen wir doch mal sehen, was so in deinem Kopf vorgeht.“, murmelte er nur und starrte auf den Bildschirm. „Hmm, eigenartig...was sind denn das für Gehirnwindungen?“, stieß der Doktor nur aus und sah mit zusammengekniffenen Augen auf den PC-Schirm. Die Schreibnadel schlug mit komischen Bewegungen aus, so als finde in seinem Kopf ein unbändiger Kampf statt. Fast eine viertel Stunde sah der Mediziner auf das Gerät. „Ich kann mir das nicht erklären. Aber seine Vitalfunktionen werden doch immer stärker und stärker.“, murmelte er vor sich her.


    Ben verließ das Haus und wieder musste er an einigen schwer bewaffneten Männern vorbei, die für ihn etwas militärisches hatten. Die Maschinenpistolen vor den zweireihigen, schwarzen Mänteln, schwarze Handschuhe und ein weinrotes Barett. „Ist ja wie beim Militär hier...“, murmelte er nur vor sich her. Doch dann musste er an die Worte von Sascha Hingst denken. Die Mafiafamilien waren rangmäßig durchstrukturiert. Und hier schien es auch auf alle Bereiche zuzutreffen. Hier schienen auch die Leibwächter militärisch organisiert zu sein. „Reiß dich zusammen. Du hast einen Auftrag...“, murmelte er und schlug sich kurz gegen die Brust. Er ging in den Garten. Hier würde zwar nichts zu finden sein, aber er konnte sich ja nicht gleich mit dem Spionieren anfangen. Vielleicht würde ihm eines der Kinder helfen. Wo hatte er es denn gelesen? Schnell waren die Papiere von Hingst aus der Jacketttasche gezogen, auseinandergefaltet und überflogen. Ah, hier...Kinder waren meist unwissend über die Tätigkeit der Familien. Einzig die ersten Söhne wurden auf die Weiterführung der Geschäfte vorbereitet. Ben ging weiter durch den Garten, bis er zu einem Kreis aus Steinen kam. Ein Teich war in dem Steinkreis eingelassen. Ben erschrak einen Moment, als er den jungen Tommaso auf einer Steinbank sitzen und telefonieren sah. Er schien irgendwen erreichen zu wollen und hatte Ben noch nich bemerkt. Sofort zog sich der junge Hauptkommissar hinter den Baum zurück, um den er gebogen war.
    „Nein, nein, Francese, ich habe noch nichts von Darius gehört. Nichts mehr, seit er von hier weg ist.“, meinte Tommaso nur. „Wie? Du hast auch nichts mehr von ihm gehört? Aber, er sollte doch am Montag im Club spielen. Hat er nicht?“ Die Stimme des Jungen war voller Sorge und sie klang obendrein noch schockiert. Ben lauschte angestrengt, wollte jedes Wort verstehen. „Dann...dann muss ihm was passiert sein. Ich weiß, dass er sich nicht immer gleich meldet, aber nie versäumt er einen Gig. Das kann nicht sein. Ihm muss was passiert sein.“ Und wie ihm was passiert ist, dachte Ben nur und lauschte dann weiter. „Tommaso...“, kam jedoch die laute Stimme des Vaters aus dem Haus. „Ich muss Schluss machen. Ruf mich an, wenn du wieder was von ihm hörst. Ciao Francese...“, verabschiedete sich der Junge von seinem Gesprächspartner. Schnell sprang er auf und rannte am Baum vorbei, erschrak, als er Ben hinter dem Baum sah. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“, meinte er nur. „Was...was...du...du hast mich nicht erschreckt.“, erklärte Tommaso und sah sich den neuen Hauslehrer ganz genau an. „TOMMASO!!!“, kam es nochmals aus dem Haus. „Entschuldige, ich...ich muss weg.“


    ...

  • Kim und André Geiger saßen im Büro in der PASt und warteten auf einen Anruf. Doch nichts. „Warum meldet er sich nicht? Er muss doch schon bei den Mafiosos sein.“, fauchte Geiger nur. „Hören sie auf...sie machen mich verrückt.“, stieß Kim nur aus und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Es geht immerhin um den Mafiakönig Nummer eins. Und wenn ihr Kollege sich nicht in den nächsten Stunden meldet, dann hat sich der Auftrag erledigt.“, fauchte der BKA-Kommissar. „Ben wird sich schon melden. Er ist gut vorbereitet und kann schon auf sich aufpassen. Außerdem, durch den kleinen Peilsender wissen wir immer, wo er ist. Ihre Leute sind doch schon in der Nähe oder?“ Kim sah den Mann eindringlich an, hoffte, die Frage positiv beantwortet zu kriegen. „Zwei sind in der Nähe. Auf einem Campingplatz. Sie leiten das Signal weiter und sind die erste Anlaufstelle für ihren Mann, wenn es Schwierigkeiten gibt.“, erklärte Geiger nur. Kim blieb der Mund offen stehen. „Warum nur zwei? Es geht hier um einen guten Mann, um einen meiner besten. Und da setzen sie nicht alle Kräfte ein?“, fauchte sie. „Zwei Polizisten sind mehr als genug. Sie wissen nicht, wie die Mafia arbeitet. Sie haben selbst in den Reihen der Polizei ihre Informanten. Ich versichere ihnen, ihr Mann ist ausreichend von uns geschützt.“, erwiderte er und endlich klingelte das Telefon. Kim stellte auf Lautsprecher. „Ben...sind sie drinnen? Hatten sie irgendwelche Schwierigkeiten?“
    „Es war etwas unbequem...jedenfalls die Fahrt, aber sonst war alles gut.“, ertönte Bens Stimme durch den Hörer. „Konnten sie schon etwas herausfinden?“, mischte sich dann Geiger ein. „Wie denn? Ich bin gerade erst angekommen.“, knurrte es aus dem Hörer. Geiger und Kim schwiegen. „Doch...eins hab ich. Dieser Sohn, dieser Tommaso...er vermisst unseren Toten von der Autobahn.“ „Darius Funke? Sie meinen ihn?“, stellte Kim fest. „Ja, ich weiß nicht, was er mit dem Sohn von Salvestro zu tun hat, aber ich finde es heraus. Es wäre aber nicht schlecht, wenn sie Nachforschungen über unseren Toten anstellen und sie mir zukommen lassen könnten.“, bat Ben nur. „Keine Sorge, das lässt sich irgendwie einrichten.“, erwiderte Kim nur und sah Geiger mit scharfen Blick an, als dieser einen Einwand einwerfen wollte. „Danke Chefin, gibt es...gibt es Neuigkeiten?“, kam es mit schwerer Stimme von Ben. „Ich denke, sie sollten sich jetzt nur auf ihren Auftrag konzentrieren. Alles andere ist nebensächlich. Rufen sie an, sobald sie was verwertbares haben.“, kam mit schneller Stimme von Geiger und beendete das Telefonat. „Sagen sie mal, ticken sie noch ganz richtig? Was sollte das denn?“, schrie Kim und war drauf und dran, dem Mann eine zu kleben. „Wenn er jetzt durch unsinnige Gefühle gegenüber seinem Partner verwirrt wird, dann ist der ganze Auftrag gefährdet. Besser, er erfährt nichts und hat so alle Sinne für das Bevorstehende geschärft.“


    Dr. Ceylan stand am Bett seines Patienten und untersuchte die Vitalfunktionen. Alles war noch nicht auf dem Niveau, dass man es Leben nennen konnte, aber es war auf dem besten Weg dahin. Die Tür ging auf und Andrea kam in den Raum. „Doktor, wie sieht es aus?“, fragte sie. Dr. Ceylan sah sie an. „Frau Gerkhan? Sie sind schon da? Aber, es ist doch erst fünf Uhr.“ „Ich...ich konnte nicht länger warten. Gibt es schon etwas neues?“, fragte sie vollkommen aufgeregt. „Noch nicht...im Moment...“ Der Arzt stockte und sah auf die Geräte. „Das gibt es doch nicht...“ „Ha...Hallo?“, kam es leise und kaum hörbar aus dem Bett. Erschrocken näherte sich Andrea ihrem Mann. „Ja...Semir...ja, ich bin hier.“, erwiderte sie und strich ihm über den Handrücken. Tränen schossen in ihre Augen. „Oh, ich bin so froh, dass du lebst. Du lebst...wie wunderbar.“, weinte sie. Schwach huschte ein Lächeln über das blasse Gesicht des Deutschtürken und er hob schwach die Hand, strich seiner Frau durchs Gesicht. „Wo...wo ist Ayda und wo ist Chris?“, fragte er dann. Andrea stutzte und drehte sich zum Arzt um. „Ayda ist zu Hause, aber Chris...wie kommst du auf Chris?“, fragte sie nur. „Na, er ist doch mein Partner.“, kam es als Antwort. „Frau Gerkhan, ich müsste sie bitte kurz sprechen.“, bat der Arzt und ging mit der Frau auf den Flur hinaus.
    „Was ist denn? Warum fragt mein Mann nach seinem verstorbenen Partner? Was ist mit ihm, Doktor?“, wollte sie wissen. „Wir haben den Kopf ihres Mannes genau untersucht. Er...er scheint in Folge seines Herzstillstandes und der Sauerstoffunterversorgung des Gehirns, ein Teil seines Gedächtnis verloren zu haben.“, erklärte der Arzt. „Das...das heißt, er weiß nicht, dass wir eine zweite Tochter haben. Und dass er einen neuen Partner hat?“, kam es geschockt aus Andreas Mund. Sofort hielt sie die Hand davor. Glauben konnte sie es nicht. „Es sieht so aus.“, meinte der Arzt nur. „Und, wie? Wie lange kann dieser Zustand anhalten? Ich meine, wird er sich an die Zeit wieder erinnern?“, fragte Andrea dann. „Ich fürchte, sie ist unwiderruflich verloren. Wenn sie wollen, schicke ich unseren Klinikpsychologen zu ihrem Mann. Er sollte sich um das Problem kümmern können.“, meinte Dr. Ceylan und verließ dann die auf einen Stuhl niedersinkende Frau. Wie? Wie sollte sie damit umgehen, dass zwei Jahre ihrer Ehe verloren waren? Zwei Jahre, in denen sie Höhen und Tiefen erlebt hatten. In denen ihnen Layla geboren wurde und Semir sich mit seinem Bruder versöhnte. Wie sollte sie damit klar kommen?


    ...

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