Erloschene Erinnerungen

  • Ein wunderschöner Frühlingsmorgen, wie er herrlicher nicht sein konnte. Die Sonne vertrieb mit ihren immer stärker werdenden Strahlen den Frühnebel und lies langsam alles Leben neu erwachen. Die Vögel zwitscherten und ließen einen alle Sorgen vergessen. Eigentlich ein perfekter Morgen, der einem das Gemüt erheitern sollte. Nur einer hatte schlechte Laune.
    Ben saß gähnend am Steuer seines Mercedes und absolvierte mit Semir die morgendliche Routinefahrt. “Hast wohl wieder zu wenig geschlafen, was?”, stichelte Semir und schlürfte genüsslich an seinem Kaffee. “Wenn ich mit zwei Stunden Schlaf auskommen würde wäre ich jetzt auch top fit. Aber Schönheit braucht Zeit. Will ja nicht so aussehen wie du wenn ich alt bin”, entgegnete Ben. “Na sag mal, bisschen Respekt vor dem Alter bitte. Außerdem mach ich mit meinen Töchtern immer Mittagschlaf wenn ich frei hab”. Semir grinste Ben von er Seite an. Ben verdrehte die Augen und konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. Er beneidete Semir wirklich um sein Familienleben. Jedes mal, wenn er bei den Gerkans eingeladen war, fühlte er sich richtig wohl. So stellte er sich Familie vor. Manchmal wünschte er sich auch selbst eine Familie zu haben. Aber irgendwie hatte es noch nicht geklappt. Seine Beziehungen hielten meist nicht länger als ein paar Monate. Da kam das Thema Familie oft noch gar nicht zur Sprache. Aber vielleicht würde es irgendwann soweit sein. Jetzt war er noch jung und wollte sein leben in vollen Zügen genießen.


    Ein Funkspruch von Susanne störte plötzlich die Stille, in der jeder seinen Gedanken nach hing. “Zentrale an Cobra 11, Jungs seid ihr noch auf der A53?” Semir nahm das Funkgerät und antwortete. “Ja Susanne, wir sind kurz vor der Ausfahrt Köln Zentrum”. “Das passt. Bei Kilometer 325 wurden Steinewerfer von einer Brücke gemeldet. Könnt ihr euch das mal ansehen?”. “Ja, wir übernehmen. Cobra 11 Ende”. “Es könnte ja auch mal ein Montag vergehen, an dem nichts wäre”, sagte Ben genervt und gab Gas. Kurz darauf waren sie an der gemeldeten Stelle angekommen und sahen schon, wie ein paar Jugendliche, die wahrscheinlich die Schule schwänzten, auf einer Brücke standen. Einer hatte dabei einen ziemlich großen Stein in der Hand und war gerade im Begriff diesen nach unten fallen zu lassen. “Verdammt”, stieß Semir aus, als er sah, wie der Stein nach unten fiel und ein Auto auf der Motorhaube traf. Die Frau im Wagen erschreckte sich dermaßen, dass sie in ihrer Überreaktion das Steuer verriss und mit ihrem Wagen das Fahrzeug auf der linken Spur streifte. Dieser verlor die Kontrolle und der darauf folgende Wagen war schon aufgefahren. Eine Reaktionskette wurde ausgelöst und immer mehr Fahrzeuge verwickelten sich in den Auffahrunfall. Ben verfolgte das Geschehen mit aufmerksamen Augen und konnte gerade noch vor dem letzten Fahrzeug zum stehen kommen. “Puh, das war knapp. Wenn ich heute schon meinen Wagen geschrotet hätte, wäre die Chefin bestimmt sauer gewesen. Schließlich haben wir erst Montag”. Bevor Ben seine Befürchtung richtig ausgesprochen hatte, kam schon von hinten ein weiterer Wagen angeprescht und krachte mit voller Wucht in den Mercedes. Ben sah völlig zerknittert zu Semir rüber. “Na die Woche fängt ja super an”. “Du wirst es überstehen, Partner. Ich gab dir bei der Chefin Rückendeckung”, grinste Semir ihn schadenfroh an. “Na vielen Dank auch. Ich weiß ja, auf dich kann man sich immer verlassen”, antwortete Ben ironisch. “Und jetzt los. Schnapp dir die Typen Semir, die werde ich mir höchstpersönlich vorknöpfen. Ich kümmere mich um das Chaos hier”. Semir sprang aus dem demolierten Wagen und nahm die Verfolgung der Jugendlichen auf, die sich nach dem Unfall verzogen hatten. Ben dagegen forderte erst Verstärkung an, dann kümmerte er sich um die anderen Fahrer und vergewisserte sich, dass niemand ernsthaft verletzt wurde. Zum Glück blieb es nur bei Blechschäden. Doch in dem ganzen Durcheinander merkte Ben nicht, dass er vom Rande der Autobahn aus genau beobachtet wurde. Eine Person, in schwarz gekleidet, besah sich jeden seiner Schritte genau und zog sich danach unauffällig vom Unfallort zurück.

  • Der weitere Tag verlief weitestgehend ruhig. Ben musste sich zwar eine Standpauke von ihrer Chefin Kim Krüger über den völlig zerstörten Dienstwagen anhören. Aber er machte sich bei der Vernehmung der Jugendlichen, die Semir geschnappt hatte, seinem Ärger wieder Luft. Die Jugendlichen waren alle minderjährig und konnten somit gesetzlich noch nicht belangt werden. Doch nach Bens Ansage waren alle drei so klein, dass sie unter den Tisch gepasst hätten und versprachen so etwas nie wieder zu tun.


    Am Abend brachte Semir seinen Kollegen nach Hause, da er ja nun zur Zeit keinen Dienstwagen hatte. “Also Partner, dann hol ich dich morgen früh wieder ab. Und Ben, bitte sei ausnahmsweise mal pünktlich”, ermahnte der Deutschtürke ihn. “Ja Papa”, entgegnete Ben genervt und schwang sich aus dem Wagen. Ben hob seine Hand zum Gruß und sah Semir davonbrausen. Galant nahm er die Schlüssel in die Hand, öffnete die Haustür und stieg die Treppen zu seiner Wohnung hinauf. Dort angekommen knipste er erst das Licht an, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich mit der Flasche in der Hand erschöpft auf die Couch fallen. “Man, was für ein Tag”, stieß er aus und nahm einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche.


    Zwei Männer saßen in einem dunklen Auto am Straßenrand und beobachten den jungen Mann, der gerade das Haus betrat. Kurz darauf ging das Licht in seiner Wohnung an. Ralf Schröder sah seinen Bruder an. “Dieser Jäger scheint ein leichterer Fang zu sein. Am besten wir statten ihm gleich mal einen kleinen Besuch ab”.



    Ben horchte auf, als es an der Tür läutete. Ein kurzer Blick auf seine Uhr verriet ihm, das es schon spät war. Hatte Semir etwas vergessen und war deshalb nochmals umgekehrt? Ohne zu zögern schwang er sich von der Couch und ging zur Wohnungstür. Unbedacht sah er nicht auf den Monitor, der ihm seine Besucher ankündigte, sondern öffnete gleich die Tür. “Na Semir, hast du waaass…”. Ben brach mitten im Satz ab, als er in den Lauf einer Waffe blickte. “Los rein!”, ließ sein Angreifer verlauten. Bens Gedanken rotierten. Vor seiner Tür standen zwei Männer. Der eine, der ihm die Pistole an die Stirn hielt, kam Ben irgendwie bekannt vor. Aber er konnte sich im Moment nicht daran erinnern woher. Viel wichtiger war, wie er aus dieser Situation wieder herauskommen sollte. Seine Dienstwaffe lag auf der Ablage in der Küche. Sein Handy lag auf dem Couchtisch, ebenfalls unerreichbar. Sollte er um Hilfe rufen? Ihn würde wahrscheinlich niemand hören. Die Männer drängten ihn in die Wohnung zurück und schlossen die Tür. Ben suchte fieberhaft mit den Augen den Raum ab um etwas zu finden, mit dem er sich verteidigen könnte. Der Mann mit der Waffe drängte ihn weiter in die Wohnung. Mit der freien Hand griff er an Bens Seite und nahm ihm die Handschellen ab, die noch an ihrem Platz steckten. “Du wirst uns heute begleiten… Los Toni, mach ihn fest”, sagte er, den Blick nicht von Ben abwendend. Ben lief bei seinem Blick eiskalt den Rücken herunter. Er musste sich von dem Gehilfen die Handschellen anlegen lassen. Mit Gegenwehr hätte er keine Chance. Kaum hatten sich die Eisen um seine Handgelenke geschlossen nickte der Mann vor ihm und Ben wurde hart im Nacken getroffen. Ein schmerzerfülltes Stöhnen entfuhr ihm bevor er zu Boden sank.

  • “Mein Gott, dass der Junge nicht einmal pünktlich sein kann”. Semir sah wieder auf die Uhr und trommelte wütend mit den Fingern auf sein Lenkrad. Er wartete jetzt bereits eine viertel Stunde und Ben ließ sich immer noch nicht blicken. “Es kann doch nicht so schwer sein ein mal den Wecker rechtzeitig zu stellen”, nörgelte Semir und wählte Bens Nummer. Doch nach mehrmaligem läuten ging nur die Mailbox ran. Zornig stieg Semir aus und machte sich auf den Weg zur Haustür. Eine Dame kam ihm entgegen und so konnte er ins Haus und nahm gleich zwei Treppen auf einmal bis er vor Bens Tür stand. Semir läutete laut. Auch nach mehrmaligem läuten wurde ihm nicht geöffnet. Er begann gegen die Tür zu klopfen. “Ben, bist du da? Komm schon, mach auf, du Schlafmütze”. Doch auch wieder keine Antwort. Vergeblich versuchte es Semir weiter. Als sich nach einiger Zeit immer noch nichts rührte und Ben auch auf dem Handy nicht zu erreichen war, nahm Semir seinen Dietrich hervor und verschaffte sich Zugang zu Bens Wohnung. Denn Semir hatte ein komisches Gefühl beschlichen. Es war zwar normal, dass Ben zu spät kam. Aber dass er auf die Anrufe und das Läuten nicht reagierte, kam ihm merkwürdig vor. So wollte er doch auf Nummer Sicher gehen und nachsehen, ob alles in Ordnung war.


    Semir betrat die Wohnung und rief nach seinem Freund. Er durchsuchte alle Räume, aber fand ihn nirgends vor. Sein Handy lag auf dem Tisch, eine geöffnete und angebrochene Flasche Bier stand daneben. Seine Dienstwaffe lag auf der Ablage in der Küche. Da Ben nie sein Bett machte, konnte Semir nicht erkennen, ob er die Nacht darin geschlafen hatte. Als er wieder zurück ging fiel sein Blick allerdings auf den Boden. Ein paar kleine rote Tropfen, die er beim hereinkommen völlig übersehen hatte. Semir kniete sich hinunter und hielt den Atem an. Es war getrocknetes Blut. “Verdammt”, entfuhr es Semir. Nun wusste er, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Er wählte sofort Susannes Nummer. “Semir, wo bleibt ihr? Eure Schicht hat schon angefangen. Die Chefin ist auch schon da und nicht gerade begeistert. Außerdem…”. Semir unterbrach die Sekretärin. “Susanne, hör mir zu! Schick mir bitte sofort die KTU zu Bens Wohnung. Und gib eine Fahndung nach ihm raus”. “Semir, was ist los?”, klang Susanne sehr besorgt. “Ben ist verschwunden. Ich sollte ihn heute abholen. Ich bin in seiner Wohnung, aber von Ben keine Spur. Hier ist Blut. Wir müssen das umgehend untersuchen. Ich warte noch auf Hartmut und dann mach ich mich gleich auf den Weg zur PAST. Bis später, Ciao”. Semir wartete erst gar keine Antwort ab, sondern legte einfach auf. Er machte sich große Sorgen um Ben. Was wenn es sein Blut war? Wo steckte er nur? Semir hoffte, dass ihm nichts zugestoßen war. Hoffentlich würden sie ihn bald finden. Wie sehr sich Semir da aber täuschte.


    Ben erwachte mit einem schmerzhaften Hämmern im Kopf. Langsam öffnete er die Augen und versuchte sich zu erinnern, was passiert war. Er versuchte seine Hände zu bewegen und spürte die viel zu engen Eisen, die seine Hände auf dem Rücken zusammenhielten. Ben musste sich erst einmal orientieren. Er lag auf eine staubigen Boden in einem fast dunklen Raum. Nur ein kleines verstaubtes Fenster ließ etwas Licht einfallen. Wahrscheinlich ein Kellerraum. “Wo bin ich denn da schon wieder rein geraten”, fluchte Ben und versuchte sich an der Wand abzustützen und in eine sitzende Position zu gelangen. Er fuhr sich mit der Zunge über seine spröden Lippen und merkte den metallischen Geschmack an seinem Mundwinkel. Seine Lippe war wohl aufgeplatzt. Er atmete tief durch um seine Situation zu analysieren. Auch versuchte er sich an die Gesichter der Männer zu erinnern, die in Überfallen hatten. Eine kam ihm bekannt vor, aber er konnte sich nicht so richtig erinnern. Es musste einen Grund geben, warum er hier festgehalten wurde. Aber den wollte er eigentlich nicht herausfinden. So begann er an seinen Fesseln zu rütteln, in der Hoffnung sich irgendwie zu befreien.

  • “Haben wir schon eine Spur?”, fragte Kim ihren Kommissar, der ihr gegenübersaß. Semir schüttelte deprimiert mit dem Kopf. “Hartmut hat herausgefunden, das das Blut auf dem Boden von Ben stammt. Mehr wissen wir noch nicht. Es gibt keine Spuren eines Kampfes und auch sonst hat keiner der Nachbarn etwas gesehen oder gehört. Wir tappen im Dunkeln”. “Dann gehen Sie bitte alle Unterlagen sorgfältig durch. Wir müssen herausfinden was geschehen ist. Die Suche nach Ben Jäger hat jetzt für alle oberste Priorität. Das brauch ich ihnen aber nicht zu sagen”, ergänzte Kim. Semir nickte und verließ das Büro um sich an die Arbeit zu machen. Kim saß noch eine Weile an ihrem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster. Die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings fielen ihr aufs Gesicht und sie schloss die Augen. “Wo bist du nun schon wieder Ben?”, frage sie in den Raum und machte sich dann auch an die Arbeit an ihrem PC.


    Aus dem Augenwinkel registrierte Ben, das die seitliche Tür geöffnet wurde und zwei Personen den Raum betraten. Es waren die selben, die ihn in seiner Wohnung überfallen hatten. Der eine kniete sich vor ihm auf Augenhöhe. “Wie ich sehe bist du wach. Das freut mich. Dann können wir ja gleich mit der Befragung beginnen”. Ben wurde bei dem Blick in die stahlblauen Augen wieder eiskalt. Aber er kannte diese Augen. Deshalb versuchte er Stärke zu zeigen und erst mal auf Zeit zu spielen. “Wir wäre es, wenn ihr mir erst mal verraten würdet, wer ihr seid und warum ihr mich hier gefangen hält”, meinte Ben bissig und bekam als Antwort einen Schlag ins Gesicht. “Ich stelle hier die Fragen”, war sein Kommentar dazu. Er deutete seinem Komplizen an und dieser trat auf Ben zu und zog ihn am Kragen seines Shirts an der Wand entlang hoch. Die Steinmauer scheuerte an seinem Rücken. “Ich dachte immer, ihr Polizisten seid nur naiv. Aber das ihr auch noch dumm seid…”. Der Mann streifte ihm Raum umher ohne Ben anzusehen, während der andere ihn immer noch festhielt und gegen die Wand drückte. Ben verfolgte jeden einzelnen seiner Schritte genau. Nun trat er wieder vor ihn. “Sollen wir deinem kleinen Gedächtnis vielleicht auf die Sprünge helfen?”, fragte er und schnippte mit dem Finger. Unverwandt traf ihn eine Faust in der Magengegend, so dass er sich zusammenkrümmen musste. Als Ben sich vor Schmerz allerdings ein wenig bückte, traf ihn der nächste Hacken schon am Kinn und er sah nur noch schwarze Punkte vor seinen Augen tanzen. Der Griff wurde gelockert und so sank er wieder zu Boden. Schwer atmend versuchte er sich zu konzentrieren. Er wurde von dem Mann an den Haaren gepackt und er zwang ihn, ihn anzusehen. “Jetzt mal Klartext zum Mitschreiben für dich: ich will einige Antworten von dir. Und du wirst sie mir geben, sonst kann es sehr ungemütlich werden”. “Ich kenne Sie doch gar nicht”, stieß Ben verzweifelter aus als im lieb war. “Und ob du mich kennst…”.


    “Vielleicht kann sich ja dein kleines mickriges Hirn nicht mehr erinnern, aber ich erinnere mich genau an dich. Und an den Tag, wie du mir vor meiner Frau und meinem Sohn die Handschellen angelegt hast. Als ob ich ein Schwerverbrecher gewesen wäre. Ich wollte nur für meine Familie das Beste. Runter von den Schulden. Also hatte ich mit meinem Freund ein Casino überfallen. Niemand kam zu schaden. Keinen hätte es gestört. Und die Polizei tappte völlig im Dunkeln. Aber meinem Freund wurde es dann doch zu heiß. Und er hat ausgepackt und ist heulend zu euch gerannt. Hat mir alles in die Schuhe geschoben. Hat mich verraten”. Seine Stimme wurde immer lauter. “Und dann hast du mich festgenommen, hast dafür gesorgt, das ich in den Bau wandere. 5 Jahre. 5 verdammte Jahre. Meine Frau will nichts mehr von mir wissen und meinen Sohn hab ich seitdem nie wieder gesehen. Und dieser Dreckskerl von Freund hat nur Bewährung bekommen. Und er sitzt jetzt irgendwo und macht sich eine schönes Leben. Und das auch noch mit meinem Geld. Und deshalb sagst du mir jetzt sofort, wo sich dieser Scheißkerl versteckt hat. Unter welchem Namen habt ihr ihm eine neue Identität verschafft? Ich welchem schnuckeligen Eigenheim darf er sich räkeln, während ich im Gefängnis schmoren durfte? Also los… sag schon!”.

  • Bens Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Schwach konnte er sich an den Fall erinnern. Es war sein erstes eigenes Kommando beim LKA damals. Nach einem Casinoüberfall hatten sie wirklich keine Spur. Gerd Reimann, einer der Täter hatte sich dann aber wegen der Medienberichte freiwillig gestellt, da er kalte Füße bekommen hatte. Und so konnte Ralf Schröder überführt werden. In seinem eigenen Haus. Deshalb kam ihm sein Gesicht so bekannt vor. Jetzt hatte er kürzeres Haar und wirkte dünner. Aber diese stechenden Augen waren gleich geblieben. Gerd Reimann hatte wegen seiner Aussage tatsächlich nur Bewährungsstrafe bekommen und hatte aber Zeugenschutz beantragt. Die Beute galt als verschwunden, denn Reimann behauptete Schröder hätte das Geld. Genauso umgekehrt. Es wurde aber nie gefunden. Doch Bens Problem war, dass der ganze Fall schon so lange zurück lag und er sich beim besten Willen nicht erinnern konnte, welche Identität Gerd Reimann bekommen hatte, geschweige denn wo er sich zur Zeit aufhielt. Auch wenn er es wüsste, wäre er sich sicher, dass wenn er es verraten würde, dies für Reimann das Todesurteil bedeuten würde. Denn Ralf Schröder schien in seiner Verzweiflung und Wut zu allem fähig zu sein. Ben musste also auf Zeit spielen. Er musste irgendwie Semir kontaktieren, der ihn da raus holt. Bens Plan nahm in seinem Kopf langsam Gestalt an.


    “Und, haben wir schon etwas?” Kim war an den Türrahmen gelehnt und hatte die Arme vor ihrer Brust verschränkt. “Nein, leider noch nichts konkretes”, antwortete Semir resigniert. Kim begab sich auf die andere Seite des Schreibtisches und setzte sich auf Bens leeren Stuhl. Semir berichtete seiner Chefin über die Ergebnisse. “Ein gewisser Ralf Schröder wurde vor ca. 3 Monaten aus der Haft entlassen. Er wurde von Ben hochgenommen, als er damals seinen ersten Einsatz beim LKA leitete. Schröder hat wegen einem Überfall auf ein Casino 5 Jahre bekommen und hat nun abgesessen. Er wurde von dem Mittäter überführt. Allerdings gibt es von Schröder keine aktuelle Meldeadresse. Susanne lässt gerade die Akten anfordern. Vielleicht kann uns der zweite Täter, Gerd Reimann, weiterhelfen. Er befindet sich in Zeugenschutz. Sobald ich die Akten habe werde ich zu ihm fahren”. “Wir wissen nicht, ob der Fall überhaupt mit Bens verschwinden zu tun hat”, wand Kim Krüger ein. “Aber es ist der einzige Anhaltspunkt, den wir haben. Ansonsten kann ich nichts tun. Ich muss Ben finden!”. “Aber seien Sie vorsichtig und handeln Sie nicht überstürzt”, ermahnte Kim und verließ dann das Büro wieder. Semir starrte weiter auf den leeren Stuhl ihm gegenüber. Er musste Ben finden. So schnell wie möglich. Aber wie?


    Ralf nickte Toni zu und dieser ließ schließlich von Ben ab. Entkräftet sank er an der Wand hinunter. Ben wollte keine Schwäche zeigen, aber dieser Kerl hatte ihm so zugesetzt, dass er sich beim besten Willen nicht mehr auf seinen Beinen halten konnte. Ralf trat näher an ihn heran und kniete sich wieder auf Bens Augenhöhe. Kraftlos hob Ben den Kopf und blickte ihn an. “Da du jetzt vermuten kannst, was auf dich zukommt wenn du nicht endlich redest, schlage ich vor, du sagst mir besser, was ich wissen will. Sonst kann es noch richtig ungemütlich für dich werden”, drohte er ihm. Ben schüttelte den Kopf. “Ich verrate Ihnen gar nichts”, sagte er mit letzter Kraft, bevor ihn die Faust erneut im Gesicht traf und er zur Seite kippte.

  • Semir stand am nächsten Morgen vor der Wohnungstür des kleinen Appartments und läutete. Die Gegend war schäbig, freiwillig wohnte hier sicher niemand. Semir war gestern bereits hier, hatte aber kein Glück. Er hatte über den Zeugenschutz deshalb telefonisch mit Gerd Reimann, jetzt Maurer, Kontakt aufgenommen und für heute Vormittag ein Treffen vereinbart. Semir behagte es nicht so lange mit der Befragung zu warten, schließlich war Ben seit gestern verschwunden. Die Tür wurde endlich geöffnet. Vor ihm stand ein großer, schlanker Mann mittleren alters. Er sah genauso schäbig aus wie die Gegend. “Gerkan, Kripo Autobahn. Darf ich reinkommen?”, hielt ihm Semir seinen Ausweis vor die Nase. “Bitte, kommen Sie”. Reimann führte Semir in den kleinen Raum, in dem ein Sofa und eine kleine Kochecke mit Sitzgruppe stand. Gemütlich war es hier nicht. “Ich komme gleich zum Punkt. Mein Kollege ist seit gestern verschwunden und ich versuche ihn wieder zu finden”, sagte Semir ohne Umschweife. “Ralf Schröder wurde vor kurzem aus der Haft entlassen. Ist ihnen in der letzten Zeit etwas ungewöhnlich vorgekommen, oder hat er womöglich versucht Kontakt zu Ihnen aufzunehmen?”. “Nein, nicht das ich wüsste. Ich habe ja meinen Namen geändert und bin hierher gezogen. Ich wüsste nicht, wie er mir auf die Spur kommen könnte. Ich habe alle alten Zelte abgebrochen, wenn Sie verstehen, was ich meine”. “Haben Sie jemals Rachegefühle gegen Ralf Schröder gehegt, da das Geld nicht wiedergefunden wurde?”. “Nein, natürlich nicht. Ich bin froh, aus der ganzen Sache raus zu sein. Und ich möchte auch nichts mehr mit meinem alten Leben zu tun haben”. Semir befragt Gerd Reimann noch weiter, doch leider ohne Ergebnisse. Er schien mit seinem jetzigen Leben zufrieden zu sein und wollte anscheinend seine Vergangenheit hinter sich lassen. “Eine letzte Frage noch. Wo waren Sie am Montagabend und in der Nacht auf Dienstag?”. Gerd berichtete, dass er seine Wohnung nicht verlassen hätte und den ganzen Abend und nächsten Tag zuhause war, da er immer noch arbeitssuchend wäre. Semir glaubt ihm fürs erste und verabschiedete sich. Er war enttäuscht. Er hatte sich mehr erhofft. Nun stand er wieder da. Ohne Anhaltspunkte und noch immer auf der Suche nach Ben.


    Ben zitterte vor Kälte. Er war auf dem besten Weg, sich eine Unterkühlung einzufangen, wenn er die nicht bereits schon hatte. Schließlich hatte er außer seinem Shirt oben herum nichts an. Und in diesem Keller war es nicht gerade warm und behaglich. Durch das schmale Fenster fiel immer mehr Licht ein. Es musste langsam wieder Morgen sein. Seine Handgelenke pochten schmerzhaft und sein Körper fühlte sich an wie ein Sandsack, der ständig bearbeitet wurde. Er war am Ende seiner Kraft. Nichts desto trotz hatte er bisher kein Wort verraten. Allerdings hatten sie ihm auch nicht gestattet mit Semir in Kontakt zu treten. Bens Plan ging nicht auf. Er hatte schon überlegt, ob er einfach zugeben sollte, dass er nichts wusste und sich nicht erinnern konnte. Aber was würden sie dann mit ihm anstellen? Ben musste noch ein wenig Zeit gewinnen. Semir würde ihn bestimmt bereits suchen. Er hoffte darauf, denn lange hielt Ben nicht mehr durch, wenn die Prozedur so weiter ging. Doch diesmal ließen Sie sich anscheinend mehr Zeit. Ralf war seit gestern nicht mehr aufgetaucht.


    Doch kaum hatte Ben seinen Gedanken zu ende gedacht, wurde die Tür aufgestoßen. “Guten Morgen, wünsche wohl geruht zu haben. Ich hoffe heute haben wir bessere Laune”, flötete Ralf und Toni trat bereits auf Ben zu und zerrte ihn wieder auf die Beine. “Wie lange wollen Sie noch dieses Spiel spielen”, fragte Ben und sah Ralf dabei grimmig in die Augen. Eine kurze Pause trat ein in der Ralf Ben hasserfüllt ansah. “Bis du mich anflehst”, antwortete Ralf kalt und deute Toni an der Ben hinter sich her aus dem Raum schleifte.
    Ben ergab sich und ging freiwillig mit. Er wurde in einen anderen Raum gestoßen. Als Ben aufblickte traute er seinen Augen kaum. Wie versteinert stand er da. “Na, damit hast du wohl nicht gerechnet…” hauchte ihm Ralf ins Ohr, dass ihm beinahe schlecht wurde. Mit geschockten Augen sah er auf die Person, die dort saß.

  • “Nina…” flüsterte Ben mit zitternder Stimme. Er konnte seinen Augen kaum glauben. Er hatte Nina vor gut einem Jahr bei einem Einsatz kennen gelernt. Er hatte sich in sie verliebt. Doch leider hatte das Schicksal es nicht gut mit ihnen gemeint. Durch die Verkettung verschiedener schrecklicher Ereignisse, die beiden beinahe das Leben gekostet hätte, hatten sich ihre Wege getrennt. Er hatte sie seitdem nicht wieder gesehen. Und nun saß sie auf ein mal vor ihm und alle Gefühle und Emotionen kamen wieder in ihm hoch, die er bis dato versucht hatte zu verdrängen.
    Nina sah ihn aus rot verweinten Augen an. Sie saß auf einem Stuhl in der Mitte des Raumes. Ihre Beine waren an die Stuhlbeine gefesselt, ihre Hände waren hinter der Stuhllehne zusammen gebunden. Durch das Klebeband über ihrem Mund konnte er ihre Schluchzer vernehmen. Einige Schrammen zierten ihre Arme und ihr Gesicht und ihr Haar war zerzaust. Aber sie schien sonst unverletzt zu sein. Doch weitere Tränen kullerten ihr übers Gesicht als sie ihn ansah.


    Unvermittelt riss Ralf Ben an den Haaren den Kopf in den Nacken und zog an den Handschellen um seine Handgelenke. “Darf ich vorstellen… Oder nein, ich vergaß… Ihr kennt euch ja bereits”, hauchte Ralf voller Sarkasmus triefend weiter in Bens Ohr. Ben packte die Wut und er stieß mit seinem Ellenbogen voller Wucht in Ralfs Rippen. Dieser stöhnte auf, doch sofort war sein Gehilfe zur Stelle, der Ben fixierte. Ben tobte vor Wut. “Du Schwein! Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, dann…”. “Was dann? Was willst du tun, Bulle?… Warts ab, dich krieg ich schon noch klein!… Los da rüber!”, befahl er und Toni schleifte ihn zur gegenüberliegenden Wand. Er löste eine Handschelle und kettete Ben an einem an der Wand verlaufenden Heizungsrohren fest. Ralf nahm Bens Kinn und funkelte ihn böse an. “Ihr habt euch sicher eine Menge zu erzählen. Dann will ich euch mal ein wenig allein lassen”. Unverwandt schoss Ralfs Faust auf Bens Gesicht nieder, was ihm kurzzeitig den Atem raubte. Ohne ein weiteres Wort verließen die Beiden den Heizungsraum und verriegelten die Tür hinter sich.


    Als Ben sich wieder gefangen hatte wandte er sich sofort an Nina. “Nina, wie geht’s dir? Haben sie dir irgend etwas getan?”, fragte Ben ganz aufgeregt. Nina sah ihn aus verweinten Augen an, doch schüttelte sie langsam den Kopf. Dennoch konnte man immer noch ihre Schluchzer unter ihrem Knebel hören. So verstört hatte Ben Nina noch nie gesehen. Sie war ja selbst einmal Polizistin gewesen und kannte solche Situationen, wenn das überhaupt der richtige Ausdruck war. Aber selbst bei ihrer Entführung damals war sie immer fachlich geblieben und hatte, soweit er sich erinnern konnte, nie irgendwie die Fassung verloren oder sich der Situation ergeben. Sie war stark. Aber auch Sensibel. Und ihre Sensibilität war sowohl ihre Stärke, als auch ihre Schwäche. Diese Zerbrechlichkeit wusste Ben ebenso zu schätzen wie ihre Intelligenz und ihr Einfühlungsvermögen. Doch jetzt saß vor ihm nur noch ein zitterndes Häufchen Elend und Ben fragte sich, wo ihre frühere Stärke geblieben war. Noch mehr verspürte er aber den Drang sie zu befreien und zu beschützen. “Keine Sorge, Nina. Ich bring dich hier raus”, sagte Ben selbstsicher und begann abermals an seinen Fesseln zu rütteln.

  • Nina sah Ben an, der versuchte sich von den Handschellen zu befreien. Doch sie wusste, dass das unmöglich war. Er wollte ihr wahrscheinlich Hoffnungen machen. Sie war wütend auf sich selbst, dass sie Ben so einen bemitleidenswerten Anblick bot. Das war gar nicht ihre Art. Eigentlich war sie immer stark gewesen. Selbst nach den schlimmen Ereignissen, auch nach ihrer Trennung von Ben hatte sie wieder neuen Mut fassen können um ihr Leben weiter in die Hand zu nehmen. Sie war immer ein Menscher der nie so schnell aufgab. ´Ich habe schon viele Kämpfe verloren, doch manche sind es wert gewonnen zu werden´, hatte sie damals zu Ben gesagt. Sie hatte immer die Kraft gefunden weiter zu machen.


    Seitdem war in ihrem Leben alles in bester Ordnung gewesen. Sie hatte einen neuen Job und führte ein ruhiges, beständiges Leben. Bis vor ein paar Stunden. Es hatte an ihrer Haustür geläutet. Sie öffnete und zwei Männer standen da. Der eine verpasste ihr sogleich eine schallende Ohrfeige und drängte sie hinein. Sie hatte natürlich gelernt sich zu wehren, aber gegen zwei so starke Männer hatte sie leider keine Chance. Sie kämpfte so lange, bis einer der beiden ihr ein feuchtes Tuch vor Mund und Nase drückte und langsam ihre Sinne schwinden ließ. Dann war sie hier in diesem Raum wieder aufgewacht. Sie saß auf diesem Stuhl, gefesselt und wehrlos, und wusste nicht was diese Typen mit ihr vorhatten, geschweige denn, warum sie überhaupt hier war. Nach einiger Zeit kam dann einer der beiden zurück. “Na sieh mal an, wir sind ja wieder wach. Dann kann´s ja losgehen”, hatte er gesagt, als er direkt vor Nina getreten war. “Was wollen Sie von mir?“ Sie versuchte sich zu wehren und wand sich in ihren Fesseln, bis derjenige langsam die Geduld verlor und wieder mit der flachen Hand auf sie einschlug, sodass Nina die Tränen in die Augen traten. “Wart´s ab…”, drohte er nur drückte ihr ein Stück Klebeband auf den Mund. Als die Tür kurz darauf das nächste mal aufgestoßen wurde traute Nina ihren Augen kaum. Auf ein mal stand Ben vor ihr. Sie hatte ihn über ein Jahr nicht gesehen. Und nur holte sie ihre Vergangenheit wieder ein. Als sie erkannte, dass er wahrscheinlich der Grund war, warum sie hier war, bröckelte ihre Selbstsicherheit mit einem Mal und alles brach in ihr zusammen.


    Ben machte sich derweilen immer noch an seinen Fesseln zu schaffen, obwohl es eigentlich aussichtslos war. Er sah übel mitgenommen aus. Sein Gesicht und seine Arme zeugten von Schlägen. Nina wollte sich nicht vorstellen, wie der Rest seines Körpers aussah. Seine Handgelenke waren schon ganz aufgescheuert. Aber dies hielt ihn nicht davon ab sie noch weiter zu strapazieren. Wie eine Leier redete er dabei in einem fort. Wahrscheinlich mehr, um sich selbst zu beruhigen. “Keine Angst, wir kommen hier raus… Ich bring dich hier raus… Tut mir Leid, dass du da mit rein gezogen wurdest. Aber ich hab´s gleich… Ich bring dich hier heil wieder raus…”. Nina wusste genau, dass Ben eigentlich keine Chance hatte die Handschellen zu lösen. So saß sie ihm gegenüber, sah ihm zu und wartete bis die Zeit verging. Wartete auf das, was kommen sollte.

  • Semir war derweilen immer noch dabei die Akten zu wälzen. Das Gespräch mit Gerd Reimann hatte ihn wenig befriedigt. Er hatte sich mehr erhofft. Nun hieß es wieder von vorne anfangen. Er hob den Kopf, als Kim Krüger sein Büro betrat. „Wie geht die Suche voran?“, fragte Kim mitfühlend. Auch sie wollte ihr bestmöglichstes tun. „Er ist bereits seit zwei Tagen fort und wir haben kein Lebenszeichen von ihm. Ich muss ihn finden“. Kim nickte, erkannte die Verzweiflung ihres Kommissaren. „Das wollen wir alle. Aber wir können nicht einfach kopflos losrennen. Wir brauchen stichhaltige Beweise und Anhaltspunkte. Wir haben immer noch keine Ahnung wer die Entführer sind oder warum sie Ben entführt haben“. „Ich werde nicht aufgeben“. Semir war sich sicher, er würde Ben bald finden. Aber mit jeder Stunde die verging schwand seine Hoffnung.


    Am Mittag kam noch Andrea ins Büro, um nach ihrem Mann zu sehen. Sie machte sich große Sorgen um ihn, aber natürlich auch um Ben. Er gehörte zur Familie. Und genauso verhielt sich Semir auch. Er war heute Nacht nicht nach Hause gekommen, sondern hatte die ganze Zeit durchgearbeitet. Doch noch immer fehlte von Ben jegliches Lebenszeichen. Und Andrea konnte nur erahnen, wie es in ihrem Mann aussah. „Du musst was essen, dich ein wenig ausruhen“, riet Andrea fürsorglich. Doch Semir war weder müde, noch hungrig oder durstig. Er war wütend, besorgt und frustriert. „Andrea, mein Schatz, ich muss ihn finden. So schnell wie möglich“, sah er zu ihr auf und Andrea konnte den Anflug von Tränen in seinen Augen erkennen. „Das wirst du Liebling“, machte sie ihm Hoffnung und beide umarmten sich liebevoll, um sich gegenseitig halt zu geben.


    Natürlich hatte Ralf sich Zeit gelassen für seinen nächsten Auftritt. Er wollte, dass dieser Treffer saß. Er wollte Ben Jäger endlich zum reden zwingen. Und welche Methode ist besser als Erpressung. Und dann auch noch eine Frau. Das macht jeden Kerl weich, dachte er sich. Als er den Kellerraum betrat, war es das selbe Bild wie vorhin. Ben stand an der Wand gekettet und versuchte sich zu befreien während Nina immer noch heulend auf ihrem Stuhl festsaß. “Wie erbärmlich“, höhnte Ralf und trat nah an Ben heran. “Ich hab mir erlaubt, ein bisschen in deiner Vergangenheit zu graben um einen wunden Punkt zu finden. Und ich denke, ich habe genau den richtigen erwischt“, sagte er mit Blick auf Nina und sah sie mit seinen stechenden Augen an. “Lass sie aus dem Spiel. Ich warne dich, wenn du ihr irgend etwas antust…”. “So, sie ist dir also wichtig…”, stellte Ralf noch mal fest. “Wäre doch schlimm, wenn dich die Kleine so leiden sieht”. Ralf verzog theatralisch das Gesicht. “Du kannst es beenden Ben, wenn du mir sagst, was ich wissen will”.


    Nina wusste immer noch nicht, was hier eigentlich gespielt wurde. In Bens Verzweiflung hatte er nicht gesagt, warum er hier war, oder was die Kerle von ihm wollten. Wahrscheinlich wollte Ben sie da nicht noch weiter mit reinziehen. Oder er hatte Angst sie würden belauscht werden. Aber eins wusste sie. Wenn Ben ihnen nicht bald die Informationen gab, die sie haben wollten, würde er wahrscheinlich völlig ausrasten. Denn kaum hatte er zu ende gesprochen begann für Ben die Tortour von Neuem.

  • “Du sagst mir jetzt sofort, wo Reimann sich aufhält und unter welchen Namen? Ich will das verdammte Geld wieder haben und mich an dem Kerl rächen. Los… sag schon!” schrie er Ben weiter an, während er auf ihn einschlug. Doch dieser blieb eisern und kein Wort kam über seine Lippen. Ralf wurde immer wütender. Er packte Ben am Hals und drückte ihm langsam die Luft ab. “Rede endlich!”. Ben hatte Mühe noch genug Luft zu bekommen und musst schon stark röcheln. Mit letzter Kraft in der Stimme sagte er nur noch: “Vergiss es!”. Unverwandt ließ Ralf ihn daraufhin jedoch los. Ben sog schnell Luft in seine Lungen und atmete hustend erst ein paar mal durch. “Na, wenn das so ist, dann ziehen wir mal andere Seiten auf”, sagte Ralf, entfernte sich von Ben und trat auf Nina zu. Ben konnte nicht glauben was er sah. Ralf trat vor sie und setzte sich auf ihren Schoß. Er begann ihr durchs Haar zu streichen und ihr Gesicht zu berühren. Dann sah er Ben wieder mit durchtriebenem Blick an. “Na Ben, was hältst du davon, wenn ich mir einfach deine kleine Freundin hier nehme?”, provozierte er ihn und riss Nina mit einem Ruck die Bluse auf. Ben fing an zu schreien und zu toben. “Wehe du fasst sie an! Du würdest dir wünschen du wärst tot, wenn du sie auch nur mit einem Finger anrührst!”. “Was willst du tun? Komm doch her und halt mich auf”, säuselte Ralf verächtlich und öffnete den Knopf von Ninas Jeans. Diese starrte ihren Peiniger mit angsterfüllten Augen an, denn sie wusste, sie konnte sich in ihrer Lage nicht wehren. Am liebsten hätte sie ihm die Augen ausgekratzt oder ihm in seine empfindlichen Teile getreten. Sein Gewicht auf ihrem Schoß und seine Hände, die weiter über ihren Körper nach unten glitten ließen sie aber verzweifeln. Übelkeit machte sich in ihr breit. Sie saß wie erstarrt da und schloss einfach nur die Augen.


    Ralf war für den Moment so von Nina fasziniert. Von ihrer Angst und von dem Zittern ihres Körpers. Das Gefühl der Macht über sie gab ihm einiges. In diesem Augenblick achtete er auch gar nicht auf Ben, der immer noch schrie und an seinen Fesseln zerrte. Ben war in seiner Wut so außer sich, das er auch nicht sofort bemerkte, wie sich die Halterungen um das Heizungsrohr, an das er gefesselt war, langsam lösten. Mit einem Ruck war das Rohr aus der Wand gerissen, so sehr hatte er sich dagegen gestemmt. Ben nahm das Rohr, mit seinen immer noch gefesselten Handgelenken, schnell in beide Hände, stürmte auf Ralf zu und schlug auf ihn ein. Er traf ihn an der Schulter, so dass dieser aufschrie und sich aus seiner Position löste. Der Angriff kam überraschend. Ralf musste einige harte Schläge mit dem Metallrohr einstecken. “Geh sofort von ihr weg. Wehe du rührst sie auch nur noch einmal an”, schrie er dabei. Doch geschickt wehrte Ralf einen Schlag mit dem Unterarm ab, bekam dann das Rohr zu fassen und entriss es Ben. Dieser stand nun ganz ohne Verteidigung da und war ihm wie ausgeliefert. “Das wird dir eine Lehre sein”, zischte er und begann nun selbst auf Ben einzuschlagen. Die ersten Schläge konnte Ben noch ein wenig abblocken. Aber da er durch seine Fesseln in seiner Bewegung eingeschränkt war, trafen ihn die weiteren Schläge unvermindert an verschiedenen Stellen seines Körpers, was ihn laut aufschreien ließ. Ben wurde von Ralf dermaßen bearbeitet. Immer wieder fuhr das Rohr auf ihn nieder. So lange, bis Ben nach einem harten Schlag auf die Schläfe bewusstlos zu Boden sackte. Aber das schreckte seinen Angreifer nicht ab von ihm abzulassen und er schlug und trat weiter auf sein Opfer ein. Endlich kam Toni, aufmerksam durch den Lärm, in den Kellerraum und sah was hier vor sich ging. Er zog Ralf von Ben weg. “Komm, ich glaube der hat genug”. “Versuch das ja nicht noch mal”, fauchte Ralf und trat dem bewusstlosen Ben noch einmal in die Seite. Danach zog Toni in aus dem Raum und die Tür fiel laut knallend ins Schloss.


    Nina musste das ganze Schauspiel mit ansehen und sie biss sich auf die Zunge aus Ärger so hilflos auf diesen Stuhl hier verbannt worden zu sein. Sie hatte wirklich Angst gehabt, vor dem was folgen würde. Als Ralf ihre Hose öffnete schloss sie gedemütigt die Augen. Solche Angst und Scham hatte sie noch nie zuvor verspürt. Ihr tat es in der Seele weh, als die daran dachte, dass Ben das hier jetzt mit ansehen müsste. Sie hörte Ben schreien, dann ein Krachen. Plötzlich verschwand das Gewicht auf ihren Schenkeln. Als sie die Augen wieder wagte zu öffnen hatte Ralf Ben gerade das Heizungsrohr entwendet, mit dem Ben auf Ralf los ging. Sie musste mit ansehen, wie Ben immer mehr Schläge einstecken musste. Wie er vor Schmerzen aufstöhnte und schließlich in sich zusammen sackte, als er an der Stirn getroffen wurde. Doch dies hielt Ralf nicht davon ab weiter auf Ben einzuschlagen. Nina wollte schreien, wollte Ben helfen, doch sie konnte nichts tun. Aus blankem Hass wurde pure Verzweiflung. Weitere Tränen liefen ihr übers Gesicht und sie musste ihren Blick abwenden. Bis endlich dieser Toni Ralf aus dem Raum zerrte. Nun lag Ben vor ihren Füßen. Er blutete aus diversen Wunden an seinem Körper. Sein Gesicht war zu ihr gewandt und sie konnte sehen, wie auch Blut aus der Wunde am Kopf rann. Doch er war ohne Bewusstsein und rührte sich nicht. Hilflos starrte Nina auf Ben hinab. Hoffentlich konnten sie dieser Hölle bald entkommen.

  • Semir sah erschrocken auf, als sein Telefon läutete. Er war so in die Akten auf seinem Schreibtisch vertieft. Gewissenhaft ging er alle Bericht noch mal durch. Einige der Fälle lagen schon weit zurück, aber Semir scheute keine Mühen um sie sich alle nochmals anzusehen. Er hoffte irgendeinen Anhaltspunkt auf Bens verschwinden zu finden. “Gerkan, was gibt’s?”, meldete er sich. “Hallo, hier Kommissar Reinhardt. Wir haben die Wohnung von Gerd Reimann heute den ganzen Tag überwacht, aber nichts auffälliges. Er hat heute morgen die Wohnung verlassen und ist seitdem nicht wieder aufgetaucht”. Semir überlegte. “Das ist seltsam, denn laut seiner Aussage gestern ist er arbeitsuchend und müsste eigentlich zu Hause sein. Und ihr seid sicher, das er nicht nach Hause gekommen ist?”. “Ja, ganz sicher. Es ist alles ruhig”. Semir verabschiedete sich und wies noch mal an ihn sofort anzurufen, wenn er auftauchen sollte. Irgend etwas stimmte hier ganz und gar nicht.


    Zwei Stunden später gab es endlich Neuigkeiten. Die Überwacher teilten Semir mit, dass Gerd Reimann gegen spätem Nachmittag kurz nach Hause gekommen war. Er ging für einige Minuten in seine Wohnung, lehrte danach den Briefkasten vor dem mehrstöckigen Hochhaus und verschwand dann wieder. Was aber den Beamten sofort auffiel war, das Reimann viel zu schick gekleidet war. Sein Anzug, den er anhatte, war jedenfalls nicht von der Stange und für diese Wohngegend eher untypisch. Sie hefteten sich natürlich sofort auf seine Fersen. Als er um ein paar Ecken gebogen war stieg er dann in einen Sportwagen ein und fuhr damit davon. Doch leider hatten sie ihn nach einigen Kilometern den Wagen im Feierabendverkehr aus den Augen verloren und standen nun ratlos da.


    “Das darf doch nicht wahr sein!”, fluchte Kim Krüger und wanderte wie ein aufgescheuchter Tiger in ihrem Büro umher. “Chefin, wir müssen diesen Gerd Reimann finden. Der lebt ein Doppelleben sag ich ihnen. Der hat das Geld. Und ich bin mir hundertprozentig sicher, dass das alles mit Bens Entführung zu tun hat. Und damit, das Ralf Schröder nach seiner Haftentlassung immer noch nicht aufgetaucht ist. Er wird von Ben den Namen aus dem Zeugenschutzprogramm wissen wollen, damit er ihn finden kann, weil er weiß, dass er das Geld hat”. Kim lief weiter auf und ab. “Glauben Sie Jäger wird ihm den Namen verraten?”. “Das denke ich nicht”, antwortete Semir. “Entweder er weiß ihn sowieso nicht, oder er wird ihn nicht preisgeben. Aber beides ist für Ben gefährlich. Was sollen wir tun?”. “Ich weiß es leider auch nicht. Aber uns bleibt leider nichts anders übrig als abzuwarten”, erwiderte Kim resignierend.

  • Ben kehrte aus seiner Bewusstlosigkeit zurück. Doch er wünschte sich, er wäre nicht wach geworden. Die Schmerzen zogen sich durch seinen ganzen Körper. Er war zu schwach um sich zu bewegen. Ein Stöhnen entfuhr ihm. Nina bemerkte dies. Sie sah, das Ben ganz leicht seinen Körper spannte und die Augenbrauen zusammen kniff. Er schien wach zu werden. Zum Glück, denn Nina befürchtete schon, Ben würde gar nicht mehr aufwachen. Sie hatte zwar kein Zeitgefühl, aber es ist nie gut so lange ohne Bewusstsein zu sein. Doch langsam regte er sich. Er öffnete die Augen und stöhnte wieder auf. Etwas brannte in seinem linken Auge und sein Kopf dröhnte. Sein Arm glitt über den verstaubten Boden zu seinem Kopf. Er spürte das feuchte Blut, als er seine Stirn berührte. Nachdem er mehrmals die Augen noch mal geschlossen hatte, um die klebrige rote Flüssigkeit aus seinem Auge zu bekommen, versuchte er sich langsam aufzurichten. Nina verfolgte jede seiner Bewegungen mit besorgtem Blick. Endlich hatte er es geschafft sich unter scheinbar starken Schmerzen aufzurichten und ging die zwei Schritte wacklig auf Nina zu. Er stützte sich mit einer Hand keuchend an der Rückenlehne ab, mit der anderen entfernte er als erstes das Klebeband vor Ninas Mund. “Oh Gott Ben, ist alles in Ordnung?”, war sofort ihre erste Frage. “Ja, es geht schon”, antwortete er gepresst, doch sank er vor ihr auf die Knie und hielt sich die Seite. “Ben, sei ehrlich..”. Ben sah auf, blickte in ihre tiefblauen Augen. Er wusste, er konnte ihr nichts vormachen. “Er hat mich ganz schön erwischt. Aber ich mach dich erst mal los. Wir haben wahrscheinlich nicht viel Zeit”. Ben löste Ninas Fesseln. “Geht’s dir auch gut? Hat er…”. Ben wollte die Frage gar nicht zu ende formulieren, als er sich weiter an ihren Seilen zu schaffen machte. Er wusste nicht, wie lange er bewusstlos war. Wenn Ralf ihr etwas angetan hätte, wenn er sie angefasst hätte, dass könnte er sich nie verzeihen. Daran wollte er gar nicht erste denken. Doch Ninas Antwort erleichterte ihn ein wenig. “Nein, hat er nicht”, entgegnete sie monoton. In dem Augenblick wurde ihr erst so richtig bewusst, was ihr eigentlich wegen Bens Einsatz erspart blieb. Das schlimmste, was einer Frau je passieren könnte. Als Ben das letzte Seil löste stand Nina sofort auf und fiel Ben um den Hals.


    “Warum hast du das getan?”, fragte Nina und sah ihm dabei in die Augen, nachdem sie sich die einzelnen Wunden kurz besehen und sich ein Bild über Ben Verletzungen gemacht hatte. “Ich konnte nicht anders. Ich konnte nicht zusehen, wie er dich verletzt. Das hätte ich nicht ertragen”. “Danke… ich weiß nicht, was ohne dein Eingreifen passiert wäre… Danke Ben”, schluchzte sie und vergrub ihr Gesicht in seiner starken Schulter, damit er ihre Tränen nicht sah. Ben drückte sie an sich, so fest er konnte. So fest es sein schmerzender Körper zu ließ. Er strich ihr beruhigend über den Rücken. “Es ist gut, ich bin ja da”, flüsterte er ihr ins Ohr und schloss für einen Moment die Augen.


    Doch herrschte im nächsten Moment wieder der Polizist in ihm. “Nina wir müssen hier verschwinden”. Sie sah zu ihm auf. “Aber wie? Du kannst kaum laufen”. Sie strich mit ihrer Hand sanft seinen Haarschopf beiseite um einen besseren Blick auf die große Wunde an seiner Stirn zu bekommen. Ben zuckte zusammen. “Keine Angst, ich schaff das schon. Haben sie die Tür verschlossen?”. “Nein, ich glaube nicht”. “Gut, dann komm, ich bring uns hier raus”, versprach Ben, nahm ihre Hand und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand neben der Tür. Er zeigte ihr an leise zu sein und wollte gerade mit der Hand an die Türklinke fassen, als ihn ein stechender Schmerz in der Seite wieder durchfuhr. Unverwandt stöhnte Ben auf und krümmte sich leicht zusammen. “Ben!”, entfuhr es Nina und sie versuchte ihn aufrecht zu halten. “Geht´s wieder?”, fragte sie nach einigen Sekunden. Ben wurde kurz schwarz vor Augen und er sank an der Wand nach unten, doch hatte er sich schnell wieder gefangen. “Besser ich gehe vor”, beschloss Nina, packte Ben unterm Arm und schlang ihn über ihre Schultern. Sie öffnete leise die Tür und spähte auf den Gang hinaus. Niemand war zu sehen oder zu hören. Durch eine Tür am Ende des Ganges konnte man Tageslicht sehen. Am anderen Ende führten Treppen nach oben. “Komm, hier entlang”. Leise schlichen sie Richtung Türe. Zum Glück war sie nicht verschlossen. Über Treppen konnte man nach draußen gelangen. Die Beiden befanden sich nun hinter dem Haus. Büsche und Sträucher boten ihnen die nötige Deckung. Vorsichtig sah Nina um die Ecke. “In der Auffahrt stehen zwei Autos. Meinst du, du schaffst es dorthin? Ich denke, es ist unsere einzige Möglichkeit”. Ben nickte, hielt sich aber immer noch die Seite.

  • Auch auf die Gefahr hin entdeckt zu werden, sie mussten es riskieren. Nina stützte Ben, der humpelnd mit ihr zum ersten Auto ging. Sie sah durch die Seitenscheibe hinein. “Treffer! Der Schlüssel steckt…”, verkündete sie flüsternd. Sie öffnete die Beifahrertür und ließ Ben behutsam auf den Sitz gleiten. Er versuchte so tapfer wie möglich zu sein, doch musste er die Augen zusammenkneifen, als er einstieg. Sein Herz pochte vor Aufregung. Wenn die Typen sie jetzt entdecken würden, wäre alles aus. Nina schloss die Tür, ging schnell um den Wagen und stieg auf der Fahrerseite ein. Sie startete den Motor und brauste ohne zurückzublicken mit schnellem Tempo vom Hof.


    “Bist du eigentlich wahnsinnig geworden? Was hast du dir dabei gedacht ihn so zuzurichten? In dem Zustand kann der uns gar nichts mehr sagen”, schnaubte Toni. Ralf lief noch immer wutentbrannt im Zimmer umher. “Wenn wir nicht bald Nägel mit Köpfen machen, werden wir hier noch versauern bis der uns irgendwas sagt. Dieser Bulle ist so stur. Und du willst doch auch deinen versprochenen Anteil bekommen, oder etwa nicht?”. “Natürlich will ich das. Aber es bringt uns allen nichts, wenn du ihn halb umbringst”. Natürlich hatte Toni recht. Aber Ralf konnte einfach nicht mehr abwarten. Er brauchte endlich den Namen. Ansonsten konnte er Gerd und sein Geld nie finden. Er musste sich was einfallen lassen. Etwas, dass Ben Jäger endlich zum Reden bringt. Und die Frau war genau das richtige Mittel. Das hatte er gespürt. Es war sein wunder Punkt. “Also los, dann lass uns noch mal runter gehen. Ich glaub ich weiß, wie wir es aus ihm herauskriegen”. Toni hielt ihn kurz am Arm fest. “Du glaubst wirklich, er weiß es überhaupt? Meinst du nicht, er hätte es nicht schon längst gesagt? Vor allem nachdem wir die Kleine entführt und sie ihm präsentiert hatten? Du hast doch selbst gesehen, wie schockiert der Bulle war”. “Unsinn! Ich bin mir sicher er weiß es. Er ist nur stur. Also komm…”. In dem Moment waren Motorengeräusche aus dem Hof zu hören und die beiden Ganoven wandten sich sofort zum Fenster und blickten hinunter in die Hofeinfahrt. “Verdammt, die hauen ab! Hast du die Tür nicht abgeschlossen?”. “Wie denn? Ich musste dich doch von deinem Prügelwahn abhalten”, versuchte sich Toni zu verteidigen. “Idiot! Los hinterher!”. Ralf zerrte Toni hinter sich her zum andern Wagen, der ebenfalls in der Einfahrt stand. Toni schwang sich auf den Fahrersitz des Van und die beiden nahmen sogleich die Verfolgung auf.


    “Stimmt was nicht?” fragte Nina und bremste etwas ab, nachdem sie gut fünf Minuten gefahren waren. Ben antwortete nicht gleich, zögerte, bis auch Nina den schwarzen Wagen im Rückspiegel auftauchen sah. “Meinst du die haben unseren Ausflug so schnell bemerkt?”. “Kommt mir so vor. Gib lieber ein bisschen Gas”, wies Ben sie an. Nina beschleunigte wieder und konzentrierte sich weiter auf die Straße. Auch ihre Verfolger wurden schneller. Der Van fuhr neben sie und kam gefährlich nahe heran. Nina erkannte, wie Ralf mit einer Waffe auf ihren Kopf zielte. Erschrocken bremste sie ein wenig ab. Sie sah noch, wie er abdrückte, als Ben sie am Genick packte und ihren Kopf nach unten drückte. “Pass auf Nina, die schießen auf uns!”. Nina konnte die Fahrbahn nicht mehr sehen, traute sich aber andererseits auch nicht wieder hoch zu sehen, aus Angst vor den Kugeln, die ihnen gerade um die Ohren flogen. Der Wagen geriet ins Schlingern. Trotz aller Aufregung blickte Nina kurz hoch, sah wie der Van sie auf einmal von der Seite rammte. Der Kotflügel presste sich in Ninas Fahrertür und stieß ihr Bein von der Bremse weg. Nina versuchte trotzdem den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen, aber ihr Gefährt fuhr unkontrolliert in immer größeren Bögen, raste jetzt auf die Leitplanke zu.


    Nina riss das Steuer in die andere Richtung, wich im selben Moment einer Kugel aus, die ihrem Kopf galt, hörte Bens Schreie… Sie fand die Bremse nicht mehr! Die Leitplanke kam immer näher. Der Van rammte sie wieder. Eine Scherbe aus der Seitenscheibe striff Ninas Auge, so dass sie nur noch verschwommen sehen konnte. Der Wagen kontraktierte, die Federn quitschten, ebenso die Handbremse, die Nina eben noch aus Verzweiflung angezogen hatte. Nina erkannte noch, wie sie auf den Abgrund hinter der Leitplanke zurasten. Abhang. Gefälle. Waldrand. Schlimme Erinnerungen von ihrem Autounfall kamen plötzlich in ihr hoch. Sie sah Bens Hand verschwommen, wie er noch versuchte ins Lenkrad zu greifen, obwohl sie beide wussten, dass es zu spät war.


    Der Wagen rast durch die Leitplanke, die Frontscheibe zerbarst. Dann das Brummen des Motors. Reifen, die auf ein mal keinen Boden mehr zum greifen hatten. Nina schrie unbewusst auf. Beide sahen die Wand aus Bäumen und Waldboden, denen sie entgegenstürzten. Ein Baum kam immer näher. Dann der gewaltige Aufschlag. Der Knall explodiert in Ninas Ohren genauso schnell, wie die Schmerzen in ihrer Brust, die durch das Halten des Sicherheitsgurtes ausgelöst werden. Sekundenlang herrscht absolute Stille. Nina spürte noch unter Schock, wie Bens Körper zur Seite kippte. Sein Kopf bleibt regungslos auf ihrer Schulter liegen. Sie lehnte sich halb bewusstlos gegen die Nackenstütze, drehte ihren Kopf noch einmal zur Straße hoch. Sie sah, wie der Van auf dem Seitenstreifen hielt und deren Insassen sie jetzt beobachteten. Sie bekam noch mit, wie warmes Blut sich den Weg über ihren Hals bahnte. Dann wurde alles schwarz.


    Schadenfroh betrachtetet Ralf das verbeulte Auto und die Opfer darin. Obwohl er wütend war, dass die beiden abhauen konnten, hatte er doch auch Genugtuung bei diesem Anblick. Niemand legt sich freiwillig mit ihm an und kommt ungestraft davon. “Komm schon Ralf, dass ist zu gefährlich. Wenn uns jemand sieht. Lass uns abhauen. Denen kann man wahrscheinlich sowieso nicht mehr helfen”. Ralf grinste Toni verräterisch ein. “Nein, warte… Mir kommt da gerade eine Idee!”

  • Nina musste husten. Der Qualm von Kohlenstoffdioxid und Stickstoff zog ihr in die Nase, gefolgt von dem Geruch berennender Reifen. Schlagartig öffnete sie die Augen. Rauch. Überall war Rauch. Sie starrte auf die Motorhaube vor sich. Flammen züngelten vor der zerbrochenen Scheibe. Nina schnallte sich sofort ab. `BEN? Was war mit ihm?´. Ihre Augen brannten von dem Rauch. Sie konnte kaum etwas erkennen, denn die Tränen nahmen ihr beinahe jede Sicht. Sie griff in Richtung des Beifahrersitzes. Spürte Bens Brust, reglos. Augenblicklich drehte sie sich in seine Richtung. Er hing in seinem Gurt im Sitz. Sein Kopf war immer noch an ihrer Schulter gelehnt. Langsam schob sie ihn auf seine Seite zurück. Seine Augen waren geschlossen. Er hatte Blut im Gesicht. Nina tastete nach seinem Hals, atmete auf, als sie einen schwachen Puls spürte. Um sicher zu gehen wollte sie seine Atmung überprüfen, erschrak aber, denn als sie die Hand zurückzog war diese ebenfalls blutgetränkt. “Ben…?”. Wieder musste sie husten. Das giftige Gas breitete sich weiter im ganzen Wagen aus. Sie mussten hier raus. Mit Mühe konnte Nina die eigene Tür öffnen, da sie vom Zusammenstoß völlig verbogen war. Nina stürzte aus dem Wagen und ging so schnell wie möglich zur anderen Seite. Panik und Schock setzten ihrem Körper zu, ließen sie immer wieder straucheln. Doch Nina wusste, sie musste schnell handeln, wenn sie Ben retten wollte. Sie hatte bereits alles um sich herum vergessen und war nur noch auf ihre Aufgabe konzentriert. Ben so schnell wie möglich da raus holen. Bens Tür war ebenfalls eingedrückt. Sie zog und zerrte an dem Griff, bis die Tür sich endlich quietschend öffnen ließ. Wieder rüttelte sie an seiner Schulter und sprach ihn an. “Ben, kannst du mich hören? Ben… bitte…”. Doch noch immer keine Reaktion. Ihre Hände zitterten. Sie öffnete Bens Gurt und packte ihn unter den Armen. Stöhnend zog sie ihn aus dem Wrack. “Du musst abnehmen”, scherzte sie panisch und schleppte ihn aus dem Auto. Ihre Lungen wollten frischen Sauerstoff einatmen, doch der Qualm widersprach ihrem Wunsch. In folge dessen glitt sie langsam mit Ben zu Boden.


    Ihr Husten holte sie wieder in die Realität. Nina wusste nicht, wie lange sie ohnmächtig war. Ben lag noch an ihrer Seite. Seine Augen immer noch geschlossen und reglos. Wieder packte sie ihn und zog ihn weiter vom brennenden Wagen weg. Weit genug entfernt legte sie ihn ab, beugte sich über ihn. “Ben, sag doch was… Lass mich jetzt nicht im Stich…”, weinte sie und versuchte nochmals Ben wach zu bekommen. Sie beugte ihr Gesicht über seine Nase, spürte zum Glück seinen zögerlichen Atem auf ihrer Wange. Er begann zu husten. Nina merkte, dass er jetzt wohl bei Bewusstsein war, obwohl seine Augen immer noch geschlossen waren. Er verzog leicht das Gesicht. Durch den beißenden Rauch liefen Tränen an seiner Wange hinunter. Nina sah, dass es ihm nicht gut ging. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände. “Ben… Kannst du mich verstehen?”. Er wollte wahrscheinlich antworten, musste aber heftig husten. Ein wenig Blut lief aus seinem Mund. “Ganz ruhig… ich bin hier… ich bin bei dir…”. Ben schüttelte mit dem Kopf. Er öffnete die Augen eine kleinen Spalt und sah sie glasig an. “Ich ka… kann… n… nicht…”, versuchte er zu sprechen, geriet aber immer wieder ins stocken und musste wieder husten. “Bitte Ben, gib nicht auf!”, fing Nina an zu weinen. Ben stöhnte nochmals auf, versuchte schwerfällig zu atmen. Plötzlich war eine Explosion zu hören, gefolgt von noch mehr Qualm und Rauch. Nina hatte sich schützend über Ben gebeugt. Aber zum Glück waren sie weit genug entfernt. Der Motorblock war wohl explodiert. Nina sah Ben wieder an. Zitternd lag er in ihren Armen, die Augen vor Schmerz zusammengekniffen. “HILFE… Ich brauche Hilfe…”. Ihre Worte gingen in schluchzen unter. Plötzlich trat jemand neben sie.

  • Ein junger Mann war an ihrer Seite und kniete sich zu ihr. “Ich habe den Rettungsdienst gerufen. Er ist gleich da. Sind sie verletzt?”, sah der Mann sie aus aufrichtigen Augen an. Nina schüttelte den Kopf. “Nein, aber mein Freund… er…”. “Keine Angst, es kommt gleich jemand”, versuchte der Mann sie zu beruhigen und brachte Ben schon mal in Seitenlage. In dem Augenblick konnte man auch die Sirenen hören. Nina stand noch völlig unter Schock, als ein Rettungssanitäter in ihrem Blickfeld erschien. “Ganz ruhig, ich helfe ihnen jetzt! Ist alles in Ordnung?”. `Helfen sie nicht mir, helfen sie Ben´ wollte Nina sagen, musste aber unweigerlich wieder husten und brachte keinen Ton heraus. Sie sah, wie zwei weitere Sanitäter aber bereits neben Ben gekniet waren und sich um ihn kümmerten. Er wurde wieder auf den Rücken gedreht. Wie teilnahmslos verfolgte sie die Gespräche um sich herum. “Er hat ein paar heftige Prellungen. Eine Rippe scheint angebrochen zu sein. Schwierigkeiten bei der Atmung. Wahrscheinlich ist ein Lungenflügel verletzt. Ich denke wir sollten besser intubieren. Wie sieht´s bei dir aus?”. “Ein paar tiefe Schnittwunden. Hämatome. Sie steht unter Schock. Wahrscheinlich auch eine Rauchvergiftung - ich gebe ihr gleich Sauerstoff”, sprach der Mann an ihrer Seite. “Was ist mit ihm?”, flüsterte sie erschöpft. “Beruhigen Sie sich, Sie müssen tief einatmen”, sagte der Sanitäter, ohne auf ihre Frage einzugehen. Gleichzeitig stülpte er ihr eine Sauerstoffmaske über. Sie musste nach Ben sehen, doch war ihre Sicht durch den Mann verdeckt. Sie wollte ihn mit dem Arm ein wenig beiseite drängen, er schüttelte aber nur mit dem Kopf. “Bitte nicht bewegen, ich werde ihnen jetzt einen Zugang für die Infusion legen”. Damit stach er mit einer Nadel in ihren ohnehin schon schmerzenden Arm, während sie nochmals versuchte nach Ben zu sehen. Der Sanitäter verstand. “Machen Sie sich keine Sorgen um ihn. Ihrem Freund wird gut geholfen”.


    “Hilfst du mir kurz beim intubieren?”, fragte der andere Sanitäter und der Mann wandte sich von Nina ab. Ben wurde ein Beatmungsschlauch eingeführt und das lose Ende an ein Gerät angeschlossen. Bens Gesicht war so blass. Seine Hände zitterten immer noch, so als sei er wach. Die Sanitäter hatten ihm das Shirt aufgeschnitten und sie sah die vielen Schnittwunden und Prellungen von den Schlägen an seinem Oberkörper. Sah, wie er langsam und unter Schmerzen versuchte zu atmen. “Ich glaube er kollabiert!”, stellte der andere Mann fest, nachdem er Elektroden auf Bens Brust geklebt hatte. Das EKG gab unregelmäßige Töne von sich. “Ich spritz ihm noch was nach, damit er sich stabilisiert. Ich bekomme rechts kaum Lungengeräusche. Wir müssen ihn so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen”. Ein Sanitäter rannte zum Wagen, war in sekundenschnelle mit einem Head Set im Ohr wieder zurück. “Ich habe eine Anmeldung für das Zentralklinikum. Patient ist männlich, Anfang dreißig. Nach Autounfall Quetschungen, rechts kaum Atemgeräusche, EKG unregelmäßig. Patient ist intubiert und beatmet. Blutdruck schwankt zwischen 110 und 85 systolisch, Puls 54 und sinkend. Er ist seit unserem eintreffen bewusstlos, Pupillen sind erweitert. Blutung aus den Atemwegen und Hämatome am gesamten Thorax. Er war kurz vor´m kollabieren. Wir bringen in so schnell wie möglich her”. Nina verstand die Worte alle gar nicht. Sie starrte immer noch wie gebannt auf Ben, der nur wenige Zentimeter vor ihr lag. Wie konnte das nur passieren? Warum hatte sie nicht besser aufgepasst? Warum hatte sie nicht eher reagiert? “Ben…”, flüsterte Nina nochmals, versuchte mit ihrer Hand seine Wange zu berühren. Zögerte aber dann aus Angst, ihm noch mehr Schmerzen zuzufügen. Der Sanitäter sah dies und schob sie sanft beiseite. “Keine Angst, es wird alles gut”, versuchte er sie aufzumuntern. Ben wurde auf eine Trage verfrachtet und in den Rettungswagen geschoben. “Kommen Sie, Sie fahren auch mit”, sagte er zu Nina und wollte ihr helfen einzusteigen. Danach setzten ihre Erinnerungen aus.

  • “Der Patient hat schwere innere Verletzungen. Die Lunge hat es wahrscheinlich durch eine angebrochene Rippe erwischt. Der Aufprall auf dem Airbag muss recht heftig gewesen sein. Wir haben ihn vor Ort noch intubiert und beatmet. Seine Werte konnten wir stabilisieren”.


    Er wusste erst gar nicht, wo er sich eigentlich befand, als Ben zu sich kam. Seine Brust schmerzte. Eigentlich sein ganzer Körper. Das starke pulsieren in seinem Kopf lässt ihn fast wieder ohnmächtig werden. Jemand leuchtete in seine Augen.
    “Pupillen sind erweitert. Er steht unter Schock. Bringt ihn schleunigst in den Traumaraum”.


    `Wo war er? Was war passiert?` dachte sich Ben. Wer waren diese Menschen um ihn herum? Warum halfen sie ihm nicht? Die Schmerzen machten ihn beinahe wahnsinnig. Er versuchte einzuatmen, aber es gelang ihm irgendwie nicht. Die Liege, auf der er lag, rollte diesen endlosen Korridor entlang. Dann waren sie endlich in einem Raum angelangt. Ein Mann in Weiß schob sich in sein Blickfeld. Nun wusste Ben, was hier gespielt wurde.
    “Können Sie mich verstehen?… Wie heißt er?… Wir kennen nur seinen Vornamen… Ben… Also gut, Ben. Sie sind hier im Zentralklinikum. Wir werden jetzt versuchen ihre Verletzungen zu behandeln… Wie lange ist er schon so?… Seit wir hier eingetroffen sind. Er war bis dahin bewusstlos.”


    Bens Schmerzen wurden immer stärker. Er wollte nur noch schlafen. Konnte an gar nichts anderes mehr denken. “Er reagiert”, stellte der Arzt fest und leuchtete Ben erneut in die Augen. Die Helligkeit explodierte förmlich in seinem Kopf.
    “Es wird alles wieder gut, versuchen Sie sich so wenig wie möglich zu bewegen. Verstanden?… Geben Sie mir bitte 7mg Midozolam, er ist mir eindeutig zu wach. Der Mann muss uns ja nicht hier gleich auf dem Tisch wegsterben”.


    Ben spürte, wie ihm eine weitere spitze Nadel in seinen Arm gestochen wurde. Danach folgte ein Gefühl der Leichtigkeit. Trotzdem spürte Ben immer noch die Schmerzen von all den Dingen, die an beziehungsweise in ihm steckten. Ein Rohr steckte in seinem Hals, durch das kalter Sauerstoff in seine Lungen strömte. Ein stechender Schmerz aus seiner rechten Brusthälfte legt fast sein Denken lahm. Diverse Zugänge steckten in seinen Armen und Handrücken. Ben wurde schwindlig.
    “Die Pupillen reagieren nur ganz schwach auf Licht. Habt ihr irgendwelche Kopfverletzungen feststellen können?… Nein, keine offenen Wunden, nur die Platzwunde an der Stirn, aber die scheint nicht vom Unfall gekommen zu sein, da das Blut schon getrocknet war… Gut, dann machen wir bitte den OP klar. Ich brauche noch Röntgenaufnahmen von Schädel und Thorax, ein ausführliches EEG und einen PET-Scan. Dann ab dafür…”


    Ben sah, wie er in einen anderen Raum geschoben wurde. Eine Deckenleuchte blendete ihn, so dass er den Kopf davon weg drehte. “Ist er noch wach?”, hörte Ben die Stimme einer aufgeregten Schwester.
    Wir haben ihm 7mg Midozolam verabreicht, aber offensichtlich reagiert er nicht darauf. Rufen Sie bitte einen Anästhesisten. Wir sollten ihn vorsichtshalber stärker betäuben”.


    Der Arzt beugte sich über Ben.
    “Wenn sie mich noch verstehen können, bleiben sie einfach ganz ruhig. Sie werden gleich einschlafen, dann hören auch die Schmerzen auf. Einfach ganz ruhig bleiben”.


    Wieder wurde Ben müde. Doch diesmal schien das Mittel stärker zu wirken. Ben hörte noch, wie das EKG neben ihm Alarm schlug, dann wurde alles still.

  • “Semir? Es wurde gerade ein Unfall auf einer Landstraße gemeldet. Hotte und Dieter sind noch draußen. Kannst du vielleicht hin fahren und dir das kurz ansehen?”, trat Susanne in sein Büro und übergab ihm den Zettel. “Ja, ist gut, mach ich schnell”. “Ein bisschen Ablenkung tut dir wahrscheinlich gut”. Susanne berührte mitfühlend seine Schulter und warf ihm einen verständnisvollen Blick zu. “Danke Susanne”, sagte Semir, schnappte sich seine Jacke und sprintete zum BMW. Auf dem Weg zur Unfallstelle gingen ihm noch so viele Fragen durch den Kopf. Irgendwas musste er doch übersehen haben.


    Kaum war er angekommen, kam ihm schon Hartmut entgegen. “Hallo Semir. Der Wagen sieht echt übel aus. Der Motor scheint explodiert zu sein, er ist völlig abgebrannt. Die Feuerwehr konnte den Rest noch löschen. Laut Aussage hat eine Frau ende zwanzig den Wagen gefahren. Aber wir haben auf der Straße Spuren gefunden. Wie es scheint, ist der Wagen gerammt und abgedrängt worden. Das müssten wir uns genauer ansehen”. “Danke Hartmut”, bedankte sich Semir. “Gibt´s schon was neues wegen Ben?”, fragte der Rothaarige. Semir musste den Kopf schütteln. “Nein, leider nicht. Wir haben immer noch keine Spur”. “Kopf hoch, wir finden ihn”, sprach Hartmut ihm Mut zu. Gerne hätte er seinen Optimismus geteilt. Semir begab sich zum Unfallfahrzeug. Die Front war gegen einen Baum gedrückt. Der Aufprall muss wirklich heftig gewesen sein, so wie das Auto aussah. Die Scheibe war zersplittert, die Glasscherben lagen im Fußraum verteilt. Überall waren Blutspritzer. Der Fahrerairbag war nicht aufgegangen. Auf dem Beifahrerairbag klebte ebenfalls Blut. Semir umrundete das Gefährt langsam. Ein wenig weiter abseits war das Gras zusammengedrückt. Auch hier war Blut. Ein Verletzter schien dort gelegen zu haben. ´Hoffentlich hatte er Glück´ dachte sich Semir noch insgeheim. Auf der Beifahrerseite angelangt zog er seine Handschuhe an und begann in dem verkohlten Innenraum nach Spuren zu suchen. Doch war hier weiter nichts zu finden. Hartmut trat wieder neben ihn. “Was haben wir über die Unfallopfer?”, fragte Semir. “Laut Sanitäter waren es ein Mann und eine Frau. Einer der beiden schien schwer verletzt zu sein. Sie wurden beide sofort ins Zentralklinikum gebracht. Leider hatte keiner der beiden einen Ausweis oder sonstige persönliche Gegenstände bei sich. Nur das hier konnten sie mir geben”. Hartmut überreichte Semir einen Plastikbeutel mit einem Gegenstand darin. Semir schnürte es augenblicklich die Luft ab. Er nahm den Beutel in seine Hand, drehte ihn ein paar mal und sah dann Hartmut geschockt an. “Die Kette gehört Ben!”, stieß er verzweifelt aus.


    Semir raste wie ein Gestörter Richtung Klinikum. Tausend schreckliche Szenarien wirbelten in seinem Kopf herum. Immer wieder sieht er die Bilder des zerstörten Wagens, des blutüberströmten Airbags und der eingedrückten Stelle im Gras vor seinem geistigen Auge. ´Bitte lass es nicht Ben sein´ dachte er sich die ganze Fahrt über. Konnte es Ben sein, der in den Wagen gesessen war? Zwar hatten sie seit zwei Tagen keine Spur von ihm. Aber es war doch eher unwahrscheinlich, dass Ben mit einer Frau in einem fremden Wagen unterwegs wäre. Und die Kette gab es ja schließlich nicht nur einmal. `Ok Semir, beruhig dich. Es ist bestimmt nicht so, wie du denkst` redete Semir sich ein bevor er ausstieg und sich auf den Weg zum Empfang machte.


    “Guten Tag, Semir Gerkan, Kripo Autobahn”, zückte er seinen Ausweis hervor. “Vor kurzem wurden hier zwei Personen nach einem Autounfall eingeliefert. Ich muss die Zeugen befragen. Ist das möglich?”. Nervös trat er von einem Bein auf das andere. Die freundlich Empfangsdame wies ihn an sich zur Notaufnahme zu begeben. Dort angekommen fragte Semir sich durch und musste noch auf den behandelnden Assistenzarzt warten. Endlich kam dieser durch die Tür getreten. Semir stellte sich nochmals vor und gab sein Anliegen kund. “Wir haben leider noch keine Anhaltspunkte über die Identität der beiden Unfallopfer, da beide weder Ausweis noch persönliche Gegenstände mit sich führten. Der Mann wird zur Zeit noch operativ versorgt, da er schwerer verletzt war. Über den Stand der Dinge kann ich Ihnen leider noch nichts sagen. Die Frau wurde nur leicht verletzt, hatte noch vor Ort einen Kreislaufzusammenbruch. Aber wir konnten sie stabilisieren. Wenn Sie möchten, können wir gerne nachsehen, ob sie bereits wieder wach ist”. Der Arzt begab sich mit Semir zum Behandlungsraum. Die Schiebetür wurde geöffnet und Semir meinte sein Herz würde wieder für einen Schlag aussetzten.

  • “Nina?!”, rief er aus und schob sich an dem Arzt vorbei. Er stürmte auf sie zu und ergriff sofort ihre Hand. Nina schien noch zu schlafen. Sie war ganz blass, mehrere Schnittwunden, Abschürfungen und Prellungen waren auf ihrer Haut zu erkennen. Aber sie atmete. Sie lebte. Wie kam sie hier her? Semir konnte sich das alles nicht erklären. “Sie kennen die Dame?”, riss der Arzt ihn aus seinen Gedanken. “Ja, sie ist eine ehemalige Kollegin von mir. Wie geht es ihr?”. “Nun, sie hat eine leichte Rauchvergiftung. Durch den Aufprall an dem Baum wahrscheinlich auch eine Gehirnerschütterung und mehrere kleinere Verletzungen. Aber sie ist nicht in Lebensgefahr. Durch den Schock und den anschießenden Kreislaufzusammenbruch ist ihr Körper noch sehr geschwächt, wir haben ihr eine leichte Beruhigung verabreicht. Sie wird aber bald zu sich kommen”. “Darf ich bei ihr bleiben?”, war Semirs nächste Frage. “Natürlich”. “Sagen Sie, haben sie nähere Angaben zum anderen Unfallopfer? Es kann sein, dass es ebenfalls ein Kollege ist - mein Partner”. Der Arzt blätterte in den Unterlagen. “So weit wir wissen ist er schätzungsweise Anfang dreißig, braune halblange Haare, braune Augen. Mehr haben wir leider nicht. Halt, hier steht noch, sein Vorname wäre Ben. Hilft ihnen das weiter?” Semir wurde augenblicklich kreidebleich. “Ja, das ist er”, brachte er noch mit zitternder Stimme hervor, bevor er sich auf den nächsten Stuhl setzten musste. “Es tut mir sehr Leid, Herr Gerkan. Ich bin mir sicher, meine Kollegen geben ihr bestes. Leider kann ich Ihnen aber noch nicht mehr sagen, da noch immer operiert wird. Er wird es hoffentlich schaffen”, sagte der Arzt mitfühlend und trat an Semir heran. “Sie können gerne hier bei Ihrer Kollegin bleiben. Ich informiere Sie sofort, wenn ich etwas weiß. Falls etwas sein sollte, rufen Sie mich bitte. Ich werde später noch einmal nach Ihnen sehen”, verabschiedete er sich und schloss die Schiebetür wieder.


    Nun saß Semir da, blickte auf Nina hinab, streichelte ihre Hand. Allein mit seinen Gedanken, Ängsten und Sorgen. Wieso musste Ben wieder so etwas passieren? Und was hatte Nina damit zu tun? Was war überhaupt geschehen, dass sie nun beide hier waren? Die Fragen konnte wohl nur sie ihm beantworten. Also hieß es Geduld üben und warten. Doch Zeit schien sich endlos in die länge zu ziehen. Aus Minuten wurden Stunden. Eine Stimme riss ihn nach einiger Zeit aus seiner Lethargie.


    “Semir?”, kam es heißer von Nina. Sofort hatte sie Semirs Aufmerksamkeit. “Hey Kleines, was machst du denn für Sachen?”. Nina richtete sich ein wenig auf und umarmte Semir stürmisch. Obwohl sie meinte jeden ihrer Muskeln ganz deutlich zu spüren drückte sie sich ganz fest an ihn. “Wo bin ich hier?”. “Im Krankenhaus. Es wird alles gut“, entgegnete Semir. “Gut das du da bist. Ich hatte solche Angst. Was ist mit Ben?”, flüsterte sie. “Ich weiß es leider nicht. Er wird immer noch operiert”, sagte Semir resignierend. “Was ist überhaupt passiert? Wir hatten seit zwei Tagen keine Spur von ihm. Und jetzt ist er hier, mit dir. Wie kommt das?”. Nina erzählte ihm , was vorgefallen war. Von der Entführung, den Schlägen, der Flucht und dem schrecklichen Unfall. Nina fühlte sich so schuldig, das sie den Wagen nicht besser unter Kontrolle hatte. Semir musste bei dem Gehörten hart schlucken. Doch tröstete er sie, dass sie richtig reagiert hätte und wahrscheinlich keiner etwas dafür konnte. Natürlich erzählte Nina nichts von der Situation, die dazu geführt hatte, dass Ben so ausgerastet war und dieser Typ ihn halb tot geschlagen hätte wenn niemand eingegriffen hätte. Zu sehr schämte sie sich dafür.


    “Ich weiß leider auch nicht, um was es bei den Typen genau ging. Ich kenne weder ihre Namen, noch den Hintergrund. Der Eine sagte irgendwas von einem Verräter und er wollte von Ben den Namen wissen um an irgendwelches verschwundene Geld zu kommen. Mehr kann ich dir nicht sagen. Ich kann mich aber ganz genau an die Gesichter der beiden erinnern. Semir wir müssen sie finden. Sie haben von der Straße auf uns herabgesehen. Ich weiß nicht warum sie gegangen sind. Aber sie werden es bestimmt wieder versuchen, weil sie noch nicht haben, was sie brauchen… Was immer das auch sein mag“. “Ich werde mich darum kümmern. Ich weiß, wer da dahinter steckt. Wir sind an dem Fall bereits dran. Wir lagen mit unserer Vermutung absolut richtig. Ruh du dich aber noch ein wenig aus”. “Nein, ich werde mit dir kommen”, sagte sie und schwang die Beine von der Liege. In diesem Augenblick trat der Assistenzarzt wieder durch die Schiebetür.

  • Der Arzt sah, dass Nina wach war und gerade versuchte von der Liege aufzustehen. Zu schnell schwang sie die Beine über und stand auf, denn im nächsten Moment drohte sie wieder zusammenzubrechen. Der Arzt kam sofort beherzt zur Hilfe und stütze Nina, die sich langsam wieder setzte und sich stöhnend den Kopf hielt. “Sie müssen langsam machen. Sie haben eine Gehirnerschütterung und sollten noch liegen bleiben”, ermahnte sie der Arzt. “Nein, ich… Was ist mit Ben… ich meine Herrn Jäger?”, fragte Nina, ohne auf die Anweisung des Arztes einzugehen. “Die Operation ist gut verlaufen. Ihr Freund ist außer Lebensgefahr wurde mir eben mitgeteilt”. “Ich muss zu ihm!”. Nina hatte dies nicht als Frage formuliert. “Sie sollten sich wirklich noch ausruhen. Ich fürchte, ich muss Sie auch ein paar Nächte hierbehalten”. “Aber ich muss Ben sehen. Bitte! Es ist alles meine Schuld…”. “Ich werde sie begleiten, dann kann nichts passieren”, schaltete sich Semir ein. Er machte sich mindestens genauso viele Sorgen um Ben und wollte ihn ebenfalls so schnell wie möglich sehen und sich selbst vergewissern. “Na gut”, gab sich der Arzt geschlagen. “Aber nur unter der Bedingung, dass Sie sich danach auf Station melden und auf jeden Fall die nächsten zwei Nächte noch hierbleiben”. Nina willigte widerwillig ein. Doch merkte sie auch, dass sie nach diesem Unfall alles andere als fit war und ihr Körper nach Erholung und Ruhe schrie. Doch die folgenden Worte des Arztes ließen sie erneut unruhig werden. “Bitte melden Sie sich auf der Intensivstation an. Der behandelnde Chefarzt muss Sie beide unbedingt vorher sprechen und informieren, bevor Sie zu Herrn Jäger dürfen“. “Wieso? Ist etwas nicht in Ordnung”, fragte Semir sofort sorgenvoll. “Darüber darf ich Ihnen leider noch keine Auskunft geben. Bitte wenden Sie sich an den Chefarzt. Ich zeige Ihnen noch den Weg”.


    Verschiedene Gedanken beunruhigen auch Semir, als er sich gemeinsam mit Nina auf den Weg zur Intensivstation machte. Aber da der Arzt gesagt hatte, das soweit alles in Ordnung sei, hoffte Semir, dass es sich nur um ein Routinegespräch handelte. Sie meldeten sich wie besprochen an der ITS an und wurden ins dortige Ärztezimmer geführt. Kurze Zeit später kam auch schon der Chefarzt herein. “Guten Tag, mein Name ist Dr. Baur. Sie sind die Angehörigen von Herrn Jäger? Bitte setzen Sie sich doch”, begrüßte er die beiden freundlich und wies ihnen eine Platz zu. “Ich konnte die direkten Verwandten von Ben Jäger leider noch nicht erreichen, da sich sein Vater und seine Schwester zur Zeit im Ausland befinden. Aber wir sind seine nächststehenden Freunde”, erklärte Semir, auch für Nina sprechend. Denn Semir wusste, wie viel Ben Nina bedeutete und wollte sie deshalb auf keinen Fall ausschließen. Schon allein deswegen nicht, das sie Ben mit zur Flucht verholfen hat und sie mit der Grund war, dass er jetzt überhaupt noch am Leben war. Der Arzt zeigte sich verständnisvoll und fuhr mit seinen Ausführungen fort.


    “Herr Jäger hatte leider einige schwerwiegende Verletzungen. Soweit ich jetzt im Bilde bin wurden ihm diese durch Fremdeinwirkung, aber auch zurückzuführen auf den Autounfall zugefügt. Sie waren ebenfalls beteiligt?”, fragte Dr. Bauer und wies auf Nina. Sie nickte stumm. Kurz schossen ihr die schrecklichen Bilder wieder durch den Kopf, die sie aber sofort verdrängte. Sie wandte ihren Blick ab um sich zu beherrschen. Sie wollte sich jetzt auf Ben konzentrieren. Der Arzt verstand ihre Geste und fuhr fort. “Wie dem auch sei konnten wir die Verletzungen gut operativ versorgen. Herr Jäger ist während der OP zwar mehrmals instabil geworden, wir haben dies aber in den Griff bekommen. Sie müssen sich deshalb keine Sorgen machen. Seine Genesungschancen sind mehr als gut, da er jung und kräftig ist”. Dr. Baur blickte kurz in die Runde und fuhr dann weiter fort. “Allerdings…”. ``Allerdings´ ist nicht gut´, dachte sich Semir. `Allerdings´ bedeutet immer, dass es noch einen Hacken gab. Semir hoffte in Gedanken, dass es keine Hiobsbotschaft war. Konnte Ben das verkraften? Konnte er das verkraften? Semirs Nerven waren zum zerreisen gespannt auf das, was der Arzt ihnen wohl jetzt verkünden würde.

  • “Allerdings wurde durch die schwere Gehirnerschütterung sein temporäres Gedächtnis in Mitleidenschaft gezogen“. Er machte eine Pause, um seine Aussage kurz wirken zu lassen. “Was bedeutet das?”, fragte Semir zittrig und schluckte schwer. “Herr Jäger ist nach der Operation kurz aus der Narkose erwacht. Er konnte sich leider weder an den Autounfall, noch an die Ereignisse zuvor erinnern. Bei einer so schweren Gehirnerschütterung ist das durchaus möglich. Die Zeit wird zeigen, ob seine Erinnerungen zurückkehren. Aber primär ist erst einmal wichtig, dass er sich von seinen Verletzungen erholt. Deshalb die Bitte an Sie, dass Sie ihn nicht überfordern. Er braucht in nächster Zeit viel Ruhe. Zwingen Sie ihn nicht, sich an irgendetwas zu erinnern. Wenn, wird es von ganz allein zurückkommen. Geben Sie ihm Stütze und Halt, falls er verunsichert sein sollte. Reden Sie ihm gut zu, dass wird er brauchen. Er ist von der Operation und der Anästhesie noch sehr geschwächt. Sie können ihn aber gerne besuchen. Vielleicht nicht beide auf einmal. Und wie gesagt, bitte überfordern Sie ihn nicht. Haben Sie dazu noch irgendwelche Fragen?”. Beide verneinten. Dr. Baur bot an bei irgendwelchen Problemen oder Schwierigkeiten gern zu helfen. Danach führte er sie zu Bens Zimmer, verabschiedete sich und lies die Beiden allein. Nun standen sie vor der Glasscheibe und blickten hindurch.


    Im Zimmer lag Ben in einem Bett. Er sah mitgenommen aus. Die Wunden waren alle versorgt und entweder eingebunden oder durch Pflaster geschützt. Diverse Geräte zur Überwachung standen an seiner Seite. Über eine Nasenkanüle wurde er mit zusätzlichem frischen Sauerstoff versorgt. Bei Bens Anblick stiegen Nina unweigerlich wieder die Tränen in die Augen. Sie wand sich ab und war froh, dass Semir an ihrer Seite war, der ebenfalls traurig durch die Scheibe starrte. Er nahm sie in den Arm und versuchte sie zu beruhigen, während Nina sich an ihm festhielt und ihre Gefühle sie überwältigten. Genau diese Situation hatte sie immer gefürchtet. Genau aus diesem Grund hatte sie sich von ihm getrennt. Aus Angst, dass genau so etwas passiert und sie um ihn bangen musste. Es würde sie jedes mal aufs neue zerstören und genau das trat in diesem Moment wieder ein, als sie ihn jetzt so sah.


    Auch Semir tat es weh Ben so zu sehen. Immer wenn er in Schwierigkeiten war machte er sich große Sorgen und er hasste solche Situationen der Ungewissheit. “Möchtest du zu ihm?”, fragte Semir, nachdem er sah, dass Nina sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. “Ich denke, dass ist keine gute Idee”, antwortete Nina traurig. “Wenn er sich an die Entführung und den Unfall nicht erinnern kann, könnte er sich vielleicht wundern, warum ich hier bin. Ich möchte ihn nicht beunruhigen. Du weißt, was der Arzt gesagt hat. Du solltest erst einmal allein zu ihm gehen und sehen, an was er sich denn erinnert. Ich werde mich auf der Station melden. Er sollte mich erstmal nicht sehen”. “Du hast Recht, Nina. Es würde in verwirren. Bist du sicher, dass ich dich allein lassen kann?”. “Ja, geh nur. Aber bitte komm noch mal vorbei bevor du gehst, ja?”, fragte Nina. “Natürlich”, antwortete Semir, gab ihr einen kleinen Kuss auf den Scheitel und fuhr ihr freundschaftlich über die Wange. Nina blickte nochmals durch die Scheibe auf Ben und verließ dann schweren Herzens die Intensivstation.

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