Taub (Teil 1)

  • Nachdem er ein paarmal verschnauft hatte erhob er sich mit Schwung und ging in das Bad. Erst mal duschen, dachte sich der Autobahnpolizist. Er zog sein T - Shirt aus und stand mit nackten Oberkörper nur in Jeans gekleidet vor dem Waschbecken. Im Spiegel, der an der Wand hing, begutachtete er seinen Oberkörper. Die Einstichstelle der Thoraxdrainage war noch zu erkennen, genauso wie die Einstichstelle des zentralen Venenkatheters am Hals. Sein Rücken war noch blau von dem Aufschlag des Falles und den Rippenbrüchen. Langsam sah sich Ben Wunde für Wunde an. Nachdem er seinen Oberkörper begutachtet hatte, zog er sich weiter aus und ging unter die Dusche.
    Nachdem er damit fertig war zog er sich eine Jogginhose und ein neues Shirt an. So gekleidet setzte er sich auf den Balkon und genoss das schöne Wetter.
    Irgendwann kamen Julia und Konrad Jäger. Beide freuten sich, dass Ben wieder zu Hause war und boten ihm mehrmals Hilfe an.
    Irgendwann verabschiedeten sich die Beiden und Ben war wieder alleine. Nachdem er noch etwas Fern gesehen hatte ging er ins Bett.


    Er viel in einen unruhigen Schlaf. Er sah sich, wie er von Semir reanimiert wurde und der Arzt zu dem Deutschtürken sagte, dass er aufhören solle weil Ben tot sei. Der Hauptkommissar fuhr in seinem Bett hoch. Schweißperlen liefen ihm über die Stirn. Er atmete schwer und schnell. Verwirrt sah er sich um. Erst nach wenigen Momenten erkannte er sein Schlafzimmer. Ein Blick auf den Wecker verriet ihm, dass es erst 3:12 war. Aber schlafen konnte er nicht mehr. So stand er auf, ging in das Bad und wusch sein Gesicht mit kaltem Wasser ab. Anschließend ging er die die Küche um etwas zu trinken. Mit einer Wasserflasche setzte er sich auf die Couch. Ben schaltete den Fernseher an und sprang von einem Kanal zum andern. Natürlich lief um diese Uhrzeit nichts Gescheites im TV. Aber an Schlaf war nicht mehr zu denken.

  • Irgendwann war es 8:00 Morgens und Ben rief bei seinem Hausarzt an. Immerhin musste er sich wegen den Medikamenten bei ihm melden. Das sah er zumindest ein. Sonst würde das mit der Entzündung nichts mehr werden und er könnte das Training für längere Zeit vergessen.
    Ein Termin wurde mit der Sprechstundenhilfe vereinbart und Ben ging in das Bad um sich zu waschen. Mit Jeans und Pulli gekleidet ging er nach dem Frühstück mit dem Schlüssen in die Garage. Er wollte mal nach seinem Motorrad sehen.
    Die vielen Treppen den Weg dorthin bereiteten ihm wie immer viel Mühe. Würde das jemals besser werden? Dachte sich der Hauptkommissar. In der Garage angekommen stand die Harley wie ein verlassenes Kind da. Langsam ging Ben zu ihr hin und strich liebevoll mit der linken Hand über den Ledersitzt. Er lief um die Maschine herum und begutachtete sie. Alles sah so aus, wie er sie zuletzt verlassen hatte. Ben erkannte noch einige kleine Schlammspritzer auf dem Metall, als er bei seinem letzten Trip einen Waldweg entlanggefahren war. Er schnaufte tief durch und wagte einen Versuch um auf die Maschine zu kommen. Doch das gestaltete sie als recht schwierig. Er sah seinem Bein zu, wie es langsam in die Höhe ging, damit er es über die Maschine schwingen konnte. Aber Ben verlor das Gleichgewicht und setzte den rechten Fuß schnell wieder neben den linken, damit er nicht umfiel. Verzweifelt strich sich Ben durchs Haar. Konnte er jetzt nicht mal mehr auf sein Motorrad aufsteigen? Er wagte einen erneuten Versuch. Diesmal setzte er sich seitlich auf den Sitz und hob sein rechtes Bein angewinkelt vor seinem Körper auf die andere Seite rüber. Dann saß er. Das passt ja, ich muss auf mein Motorrad wie ein Behinderter aufsteigen, dachte sich der junge Mann sarkastisch. Auch das Sitzen auf der Maschine war nicht mehr das, was es früher mal war. Ben fühlte sich total wackelig, überhaupt nicht sicher in seiner Position. So würde selbst er sich nicht trauen, auch nur einen Meter mit dem Gefährt zu fahren. Er gab es auf. So wie er aufgestiegen war, stieg er mehr als traurig wieder ab und musste feststelle, dass das eine der Tätigkeiten war, die er in seinem Leben wohl abschreiben konnte. Ben wollte zurück in die Wohnung, er konnte sein Motorrad nicht ansehen und wissen, dass er nie mehr damit einen Trip machen könnte. Doch nach ein paar Schritten brach er zusammen. Tränen rannen ihm über die Wange, er setzte sich auf den Steinboden der Garage und lehnte sich an die Wand. Er ließ seiner Verzweiflung freien Lauf.
    Sein Körper bebte heftig, als er so dasaß und weinte. Er war alleine und trauerte um sein Leben, sofern man es überhaupt noch Leben nennen konnte. Auf was würde er wohl noch alles verzichten müssen?

  • Nach 20 Minuten hatte Ben sich etwas beruhigt. Schleppend stand er auf und ging in seine Wohnung zurück. Nachdem er einen Schluck Wasser getrunken hatte, bestellte er sich ein Taxi zu seinem Hausarzt. Immerhin hatte er gleich einen Termin bei ihm.




    „Kommen sie rein Herr Jäger.“ Wurde Ben freundlich von Dr. Lemertz in eines der Untersuchungsräume gebracht. Er wies mit der Hand auf einen der freien Stühle und nahm selbst hinter dem Schreibtisch Platz. „Also ich hab mir die Papiere der Klinik durchgelesen… schlimme Sache… es tut mir sehr leid für Sie.“ Sprach er ehrlich aus. Er kannte den Polizisten schon länger. Immerhin hatte Ben die ein oder andere Blessur wo Ben für die Nachbehandlung zu ihm ging. Bisher hatte man Ben immer wieder hinbiegen können… aber dieses Mal… „Das sie die Klinik frühzeitig verlassen haben war sicherlich nicht die klügste Idee… Aber ich denke, dass ich ihnen das nicht sagen muss.“ ‚Sprach der Mediziner weiter. Ben nickte darauf nur. „In Ordnung… Ich hab hier alle Medikamente aufgeschrieben, die Sie brauchen. Das Antibiotikum müssen sie auf alle Fälle bis zum Ende durchnehmen. Sonst wird das nichts mit ihrer Entzündung…“ Der Arzt wusste mittlerweile, wie er mit Ben zu sprechen hatte, damit er verstand, dass es ihm wirklich ernst war. „Geht klar.“ Sprach Ben nur aus. Seine Stimmung war nach wie vor auf dem Tiefstand. Auch der Arzt bemerkte es. Aber er sagte nichts dazu. Immerhin hatte Ben einen harten Weg vor sich.
    „Ich werde sie natürlich bis auf weiteres Krankschreiben. Wenn die Entzündung auskuriert ist und sie wieder mit dem Training beginnen können, werden wir sehen, wie es weitergeht.“ Erklärte der Arzt sein weiteres Vorgehen. Wieder nur ein stummes Nicken von Ben. „Haben Sie mal mit ihrer Chefin wegen der Arbeit geredet?“ kam es zögerlich nach einer Weile des Schweigens vom Arzt. „Nein… ich… ich weiß da noch gar nicht wie es weitergehen soll…“ sprach Ben mit belegter Stimme. Jetzt nickte der Arzt nur wissend. Immerhin kannte er den Polizisten, der seinen Außendienst liebte. Aber das würde ihm für die Zukunft nicht mehr möglich sein. Sobald Ben nicht mehr Krankgeschrieben wurde, musste eine Lösung her.
    „Gut. Ich schlage vor, dass sie in zwei Tagen wieder kommen zum Blutabnehmen. Dann sehen wir, wie sich die Entzündungswerte entwickeln.“ Ben stimmte zu, bedanke sich bei dem Arzt und verließ die Praxis, nachdem er bei der Sprechstundenhilfe einen neuen Termin für den genannten Tag erhalten hatte.

  • Ben fuhr mit dem Taxi, nachdem er bei der Apotheke die Medikamente geholt hatte, nach Hause. Einen klaren Gedanke hatte er seit der Situation in der Garage nicht mehr fassen können. Seine Welt lag in Trümmern vor ihm. Er sah aus dem Fenster und erblickte den Dom. Erinnerungen kamen in ihm auf. Das Weihnachtstreffen der PAST von letztem Jahr, wo man gemütlich über die Weihnachtsmerkte geschlendert war und mal wieder mit den Kollegen über Gott und die Welt, aber nicht über die Arbeit geplaudert hatte… Ben erinnerte sich noch genau daran.
    Dann wurde er auf dem Weg zu sich nach Hause ein Stück der Rheinpromenade entlanggefahren… Er sah seine Jogginstrecke… Jeden Morgen vor dem Dienst war er hier entlang gelaufen. Er hatte es geliebt… und jetzt? Ben musste sich die Tränen zurückhalten.
    An seiner Wohnung angekommen bedankte er sich bei dem Fahrer, zahlte ihn aus und verließ das Auto. Nachdem er sich wieder die Treppen hochgekämpft hatte betrat er seine Wohnung. Die Tasche von seinem Kliniksaufenthalt stand noch genauso da, wie Semir sie abgestellt hatte. Für Hausarbeit hatte er jetzt wirklich keinen Nerv. Es war bereits 12:30 Uhr, er sollte mal etwas Essen, dachte sich noch der Autobahnpolizist. Aber er hatte so garkeinen Appetit. Irgendwie fühlte er sich Müde aber schlafen konnte er nicht, das spürte er. Ben nahm sich ein Glas Wasser und trank einen Schluck daraus. Dann hielt er inne… Er dachte wieder über sein zukünftiges Leben nach, sofern man es noch Leben nenne konnte. Wie würde es jetzt wohl mit ihm weitergehen? Vor Wut schiss er das ausgetrunkene Wasserglas, welches er noch in der Hand hielt auf den Boden. In tausend Splitter zerschellte das Gefäß auf dem Fliesenboden. Ben ließ sich an der Küchenzeile entlang auf den Boden sinken. Er vergrub sein Gesicht in den Händen und strich sich durch das Haar. So saß er auf dem Boden.

  • Er wusste nicht, was er jetzt machen sollte. Er merkte nur, wie die Verzweiflung mehr und mehr in ihm aufkam. Nicht nur die Situation mit dem Motorrad machten ihn fertig, sondern auch die eben aufgekommenen Erinnerungen aus seinem bisherigen Leben.
    Der junge Hauptkommissar saß lange so da. Wie lange konnte er nicht sagen. Die Zeit schien für ihn wie im Flug zu vergehen. Irgendwann klingelte es an der Tür und Ben wurde wieder in die Realität gerissen. Er sah auf und fuhr sich nochmals mit den Händen durch das Gesicht. Er rieb sich die Augen. Dann erhob er sich, langsam und umständlich, um die Tür zu öffnen.
    Vor ihm stand Kim Krüger. Erst lächelte sie, doch als sie Ben genauer betrachtete erlosch ihr Lächeln im Gesicht und Sorgenfalten machten sich breit. „Ben…! Alles in Ordnung mit ihnen? Sie sehen furchtbar aus.“ Kam es ehrlich von Ihr. Die Augenringe waren kaum zu übersehen, generell hatte er ein sehr bleiches Gesicht. Das bezaubernde Lächeln des hübschen Mannes hatte die Chefin schon lange nicht mehr gesehen. Ben sah wirklich schlimm aus. Er machte die Tür weiter auf, sodass seine Chefin die Wohnung beteten konnte. „Ja alles ok. Ich hab nur etwas schlecht geschlafen.“ Antwortete der junge Mann. Kim betrat die Wohnung. Sie setzte sich an den Küchentisch und wartete, bis Ben ihr es gleich tat. Beim Umsehen in der Wohnung sah sie die Scherben auf dem Boden liegen. Doch sie sagte nichts dazu. Sie kannte das Temperament des 30 Jährigen. Ben merkte von der Beobachtung der Chefin nichts. „Was zu trinken?“ bot er höflich an. Kim verneinte dankend. „Ich wollte mich mal nach ihnen erkundigen. Semir sagte mir, dass sie wieder zu Hause sind.“ Erklärte die Dienststellenleiterin ihren Besuch. Ben nickte. „Wie kommen sie zurecht?“ fragte Krüger weiter. Ben hielt kurz inne, was auch der Chefin nicht verborgen blieb. „Es ging schon mal besser… aber ich komm klar, danke.“ Log Ben. Es entstand ein Schweigen.


    Irgendwann räusperte sich Kim und fuhr fort: „Also Ben es ist so: Sicher sind sie noch lange nicht dazu bereit und man wird ihnen mit Sicherheit die nötige Zeit geben, die Sie brauchen...“ sie räusperte sich wieder. „Also was ich sagen will ist… nun ja… sie scheinen für den Außendienst wohl erst mal nichtmehr in Frage zu kommen, daher biete ich ihnen an, dass sie, sofern sie wieder fit sind und das möchten, einen Platz im Innendienst anzutreten. Von der Besatzung des Teams wurde sich nichts verändern. Sie arbeiten weiterhin mit Semir zusammen und unterstützen ihn gemeinsam mit Susanne an den rechergen. So dacht ich mir das…“ Kim wurde bei ihren Ausführungen immer leiser. Sie wusste, dass die Situation für Ben mehr als nur eine Katastrophe war. Immerhin liebte dieser junge Mann seinen Außendienst ohne Ende. Kim war sich dessen sehr bewusst. Aber irgendwann sollten auch solche Themen besprochen werden. Ben sagte erst mal nichts dazu. Unruhig rutschte Kim auf dem Stuhl hin und her. Hatte Ben sie verstanden? „Ben…?“ fragte sie irgendwann vorsichtig. Ben sah sie darauf an. „ja ich hab sie verstanden, Frau Krüger. Danke für das Angebot. Ich… ich werd mal darüber nachdenken.“ Kam es schleppend von ihm. Er erhob sich von seinem Stuhl. „Wo sie gerade da sind, ich kann ihnen die ganzen Krankmeldungen mitgeben.“ Sprach Ben weiter. Ihm ging so ein Bürokratie – Kram zwar sonst wo vorbei, aber er wusste, dass seine Chefin in solchen Sachen immer übergenau war. So fischte er alle gelben Zettel zusammen und überreichte Kim die Papiere. „Ben… das hat doch Zeit.“ Versuchte sie zu erklären. „Ne ist schon in Ordnung, dann hab ich die Sorge wenigstens schon mal vom Hals.“ Konterte Ben. Kim erhob sich und ging auf ihren Unterstellten zu. „Hören Sie Ben, ich weiß, dass das für Sie eine unerträgliche Situation sein muss… Wir verstehen das alle… Und Sie bekommen so viel Zeit, wie sie brauchen…“ fuhr sie fort. „Danke Chefin.“ Brachte der junge Hauptkommissar nur mit belegter Stimme raus. Er stand den Tränen wieder nahe. Aber er verkniff sie sich. Vor seiner Chefin wollte er nicht in Tränen ausbrechen.

  • Kim verabschiedete sich wenig später und ging. Sie betonte nochmal, dass Ben sich Zeit lassen könne und wünschte ihm gute Besserung. Ben schloss die Tür hinter ihr. Kaum war dies geschehen, da brach er in Tränen aus. Mit dem Rücken an der Eingangstür lehnend weinte er erbarmungslos. Er ein Schreibtischhengst? Das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen… Doch was sollte er jetzt tun?

    Irgendwann beruhigte er sich wieder und schaltete den Fernseh an. Die Ruhe konnte er im Moment nicht ertragen. Doch wie immer bot das Programm nichts Sehenswertes. Ben war es egal. Hauptsache die Ruhe war weg.
    Das Gespräch mit der Chefin verfolgte ihn. Er musste eine Entscheidung treffen. Generell konnte es so wie es im Moment war nicht weitergehen. Er ging an seinen PC und tippte einen Brief für Kim Krüger. Nachdem er ihn ausgedruckt und in ein Kuvert verpackt hatte, rief er sich erneut ein Taxi um in die PAST zu fahren.


    Gegen 17:00 Uhr kam er wieder in seiner Wohnung an. Er hatte das Kuvert nur schnell in den Briefkasten der PAST geschmissen. Ben hatte keinen Nerv jemanden von seinem Team zu sehen. All die Fragen und das Mitleid… das konnte er im Moment nicht ertragen. Er hatte einen Entschluss gefasst, wie es in seinem Leben weitergehen würde. Auch wenn er viele Menschen mit seiner Entscheidung verletzten würde… sein Entschluss stand fest.


    Ben hatte immer noch keinen Hunger, aber er musste so langsam mal etwas essen. So machte er sich ein paar Rühreier und aß diese mit wenig Appetit. Anschließend führte er noch ein Telefonat mit einem alten Freund aus der Zeit auf dem Internat und erledigte anschließend noch etwas am PC.


    Nachdem sein weiteres Leben für ihn organisiert war, nahm er seinen Schlüssen und verließ wieder seine Wohnung. Er musste raus, an die frische Luft. Die Wohnung engte ihn ein. Er hatte das Gefühl, als ob er dort keine Luft bekommen würde. So machte er sich auf den Weg zum Rheinufer. Er ging seine alte Jogginstrecke entlang. Nur langsam kam er vom Fleck und eigentlich sollte er sich schonen… Doch Ben brauchte das jetzt. Irgendwann kam er am Rhein an. Auf eine verlassene Bank setzte er sich nieder und sah den Schiffen zu, die auf dem Wasser ihre Wege gingen. So verging viel Zeit. Ben saß einfach nur da…

  • Gegenwart: Wieder auf der Bank am Rhein


    Mittlerweile war die Sonne fast komplett untergegangen. Es wurde zunehmend kühler. Ben nahm wieder neben Semir auf der Bank platz, schnaufte tief durch und vergrub sein Gesicht in den Händen. Nachdem er noch einmal tief Durchgeatmet hatte fuhr er sich mit den Händen durchs Haar und schaute, wie Semir, auf den Rhein. Dann brach der 30. Jährige das lange Schweigen.
    „Ich kann nicht mehr Semir! Ich bin fertig! Ich weis weder im privaten – noch im beruflichen Leben wie es weitergehen soll.“ Bei den Worten fuhr Semir zu Ben rum und sah ihn mit großen Augen an. „Soll das etwas heißen das…“ „Ich habe heute der Chefin meine Kündigung vorbeigebracht.“ Endete Ben den Satz und bestätigte Semirs böse Vorahnung. „Aber… aber Ben, was soll ich denn ohne dich als Partner?“ kam es traurig von dem Deutschtürken.
    Tränen standen ihm in den Augen, so wie bei Ben. Er konnte sich beim besten Willen keinen besseren Partner vorstellen als den jungen, aufgeblühten, hitzköpfigen aber immer ihm den Rückendeckenden Ben. Beide sahen sich an. Semir konnte in Bens Augen lesen, dass es ihm zwar genauso schmerzte die Autobahnpolizei zu verlassen, aber er sah auch den Entschluss von Ben darin. Dennoch gab er die Hoffnung nicht auf. „Warum nimmst du dir nicht erstmal eine Auszeit? Dafür hat doch jeder Verständnis. Vielleicht kommt das Gefühl in deinen Beinen ja wieder, mit der Zeit, ich….“ „Semir.“ Unterbrach ihn Ben wieder. „Die Ärzte haben zu mir gesagt, dass die Change, dass ich meine Beine je wieder spüre, gleich Null sind. Das weist du so gut wie ich. Ich… ich hab wirklich gekämpft… ich hab alles versucht… und jetzt bin ich innerlich wie tot. Ich kann nicht mehr als Polizist arbeiten. Das haben die Ärzte auch zu mir gesagt. Damals wollte ich es nicht wahrhaben. Aber jetzt sehe ich, dass sie Recht haben. Stell dir vor ich werde bei einer Verfolgung angeschossen. Ich würde es ja nicht mal merken! Oder wenn ich nur mal mit dem Fuß umknicke. Woher will ich dann wissen, ob der gebrochen ist, wenn ich keine Schmerzen empfinde? Ich kann einfach nicht mehr Semir, verstehst du das nicht?“ eine Träne rannte Ben die Wange herunter.


    „Doch, natürlich versteh ich das.“ Kam es leise von Semir. Er hatte seinen Partner bei seinem Krankenhausaufenthalt immer unterstütz und auch als Ben auf Reha ging, war er immer für ihn da, hatte ihn oft besucht. Aber es war auch für den Deutschtürken schmerzlich, mit anzusehen, wie sein Partner und bester Freund Tag für Tag aufs Neue Kämpfte und doch nie mit einem kleinsten Erfolg belohnt wurde. Semir hatte sich damals schon Gedanken gemacht, wie lange Ben das noch durchstehen würde. Er ahnte damals schon, dass es kein gutes Ende nehmen wird. Aber er dachte, dass Ben sich eine Auszeit nimmt und nicht gleich alles hinwirft. Doch so war es jetzt. Er war wieder alleine.


    Wieder entstand ein Schweigen zwischen den beiden Freunden. Semir musste erstmal sacken lassen, was Ben ihm gerade mitgeteilt hatte und Ben… der wusste gar nicht mehr was er denken sollte.


    „Was willst du denn jetzt machen?“ fragte der ältere dann doch. „Ich habe einen guten Freund in Grönland, den werde ich erstmal besuchen. Ich denke, der Abstand wird mir gut tun.“ Endete Ben.
    „Du gehst weg?“ kam es wieder entsetzt von Semir. „Ja… ich kann mein Umfeld nicht mehr sehen. Es macht mich alles fertig. Meine Wohnung, der Proberaum, selbst die Innenstadt. Wenn ich das alles sehe, dann denk ich an mein altes Leben und dann könnt ich…“ Ben ballte die Hände zu Fäusten und endete so seinen Satz.
    „Wann kommst du wieder?“ kam es lautlos von Semir dem jetzt auch eine Träne dem Auge entflohen war. Nicht nur, dass er seinen besten Freund im Berufsleben verloren hatte, nein, er hatte ihn auch im Privatleben verloren. Das traf den Deutschtürken wirklich schwer. „Keine Ahnung.“ Antwortete der jüngere. „Ich hab mir nur einen Hinflug gebucht. Der geht heute Nacht um 4:00 Uhr.“ „So bald schon? Aber… aber dann sehen wir uns ja jetzt… zum letzten Mal.“ Kam die Feststellung von Semir. „Wann hättest du mir Tschüss gesagt? Ich mein, ich hab dich doch hier gefunden?“ fragte der ältere weiter.
    Ben schnaufte wieder kräftig durch. „Weist du Semir, ich bin nicht gut im Tschüss sagen…“ kam es jetzt kleinlaut von Ben. „Aber ich hätte es dich schon irgendwie wissen lassen..“ kam die Entschuldigung. Semir war nicht sauer darüber. Immerhin wusste er selbst nicht, wie man am besten seinem Freund und Partner sagte, dass man aus seinem Leben verschwindet. „Und deine Wohnung?“ fragte Semir weiter. „Ich habe Julia gebeten, sich darum zu kümmern.“ Beide schwiegen wieder.

  • Mittlerweile waren die Laternen an der Promenade angegangen und spendeten den beiden Freunden auf der Bank das nötige Licht. Der Wind hatte an stärke gewonnen und Ben zog sich fröstelnd den Kragen seiner Jacke nach oben. Nach einer Weile, die Semir wie endlos erschien, nahm Ben das Wort wieder an sich. „Ich habe viel von dir gelernt, dafür möchte ich mich gerne bedanken.“ Er sah Semir mit einem ehrlichen Ausdruck in den Augen an. „Ich konnte immer auf dich zählen und dafür danke ich dir.“ Antwortete der Deutschtürke. Beide Männer erhoben sich von der Bank und nahmen sich in den Arm. „Du wirst mir sehr fehlen. kam es leise von Semir. “Du wirst uns allen sehr fehlen!“ setzte er nach. „Ja, ihr werdet mir auch sehr fehlen!“ gestand Ben. Die Freunde lösten sich nach einer Weile voneinander. „Ok… ich muss jetzt los.“ Sprach Ben. „Meld dich mal… und du weist, dass du bei uns immer Willkommen bist“ sagte Semir. „Ja… danke…“ kam es von dem 30 jährigen. „Soll ich dich nach Hause fahren?“ bot der Deutschtürke noch an. Immerhin war es durch die Taubheit in den Beinen Ben auch nicht möglich derzeit Auto zu fahren. „Nein ist schon ok. Ich komm schon klar.“ Wieder umarmten sich Beide. Semir wollte Ben einfach nicht gehen lassen. „Ich muss jetzt echt los“. Sprach dieser dann, löste sich aus der Umarmung des Älteren und kehrte ihm mit einem „mach´s gut und pass auf dich auf“ dem Rücken zu. Semir stand da und schaute ihm nach, bis er ihn nicht mehr sehen konnte. „pass auch auf dich auf.“ Sprach er mehr zu sich als zu sonst wem.


    Jetzt brachen die Gefühle in Semir aus. Halt suchend nahm er wieder auf der Bank platz und vergrub das Gesicht in den Händen. Durch das weinen zuckte sein ganzer Körper unregelmäßig. Es war ihm egal. Er hatte soeben seinen besten Partner und gleichzeitig einen sehr guten Freund verloren. Er wusste nicht ob und wenn, wann er ihn wieder sehen würde. So saß Semir noch eine Viertelstunde auf der Bank und ließ seinen Tränen freien Lauf. Dann erhob er sich und ging langsam an seinen BMW zurück. Als er in seinem Dienstfahrzeug platz nahm sah er auf den leeren Beifahrersitz. Wieder kullerte eine Träne seine Wangen herunter. Was sie nicht schon alles in dem Auto erlebt hatten. Wie viele Unfälle sie schon hatten, oder wenn Ben seine Gitarre zückte und für Unterhaltung sorgte… Das alles würde es für Semir in Zukunft nicht mehr geben. Noch mal schnaufte der Deutschtürke tief durch, wischte sich die letzten Tränen aus den Augen und startete den Motor. Er legte den ersten Gang ein und machte sich auf den Weg nach Hause.
    Wenigstens hatte er seine Familie noch. Aber das war auch das einzige, sonst hatte sich binnen der letzten Stunde wo er mit Ben auf der Bank saß sein Leben um 180° verändert. Es würde lange dauern, bis er über den Verlust hinwegkommen wird, dessen war sich der Deutschtürke bewusst.
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  • Ich finde die Geschichte echt klasse. Schade das die Geschichte nie verfilmt wird ;( ;( ;( . Ich bin leider erst seit einer Stunde neu hier im Forum und ich weis nicht wie man hier wie was postet aber ich liebe die Geschichte . :love: :love: :love: :love: :love: :love: :love: :love: :love: :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup:

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