Taub (Teil 1)

  • „Kommen Sie Semir, ich fahr sie ins Krankenhaus.“ Kam es von Kim Krüger, als der Rettungswagen um die nächste Ecke gebogen war. Semir stand wie angewurzelt da und starrte einfach nur dem Wagen hinterher, indem sein treuster Freund abtransportiert wurde. „…Semir?“ kam es etwas zögernd von Kim als der Deutschtürke nicht reagierte. „… ja… tut mir leid Chefin… ich…“ er brach ab. Der Autobahnpolizist konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Jetzt wo er Ben nicht mehr so daliegen sah, wusste er nicht mal, ob es überhaupt Wahr war, was er gerade durchmachen musste. Er strich sich mit der Hand durch Gesicht und massierte seine Schläfen. „Wie kommen Sie hier her Chefin? Wie haben sie uns gefunden?“ kam jetzt doch die Frage, die sich Semir gestellt hatte, als sich Kim bei Bens Reanimation neben ihn gestellt hatte. „Das erzähl ich ihnen unterwegs.“ Antwortete die Dienststellenleiterin und war schon auf dem Weg zu ihrem Mercedes A Klasse. Noch immer nicht ganz in der Realität folgte Semir ihr.


    „Bonrat hat mich informiert, als sie sich auf den Weg zur Lagerhalle gemacht haben. Ich bin natürlich gleich hinterher, mit Verstärkung! Der zähe Hund in der Lagerhalle bei der Schießerei hat lange durchgehalten und auch einige andere Kollegen leicht verwundet. Aber mit der Verstärkung haben wir Bonrat Böhm dann Festnehmen können. Er sitzt beim LKA und wird gerade verhört. Immerhin wird er von denen auch schon lange gesucht. Die Kollegen haben sich den Burschen gerne zur Brust genommen.“ Sprach Kim mit einem leichten Grinsen im Gesicht. Jedoch war es gleich wieder verflogen. Mag sein, dass die Gerechtigkeit heute in der Sache Bonrat Böhm, der Autoschieber, gesiegt hatte. Aber dafür haben sie einen verdammt hohen Preis zahlen müssen… vielleicht einen zu hohen.

  • [color=#ffffff]Zügig lenkte Kim das Auto durch die Kölner Innenstadt in Richtung des Krankenhauses. Es entstand ein Schweigen zwischen den beiden Polizisten. „Ja aber wie haben Sie mich und Ben gefunden?“ kam dann die Frage des Deutschtürken. „Als wir Böhm festgenommen haben, sagte mir ein Kollege in Uniform, dass Sie auf einmal nach einem Schrei auf und davon gerannt sind. Da war mir schon einiges klar! Aber ich wollte es nicht wahrhaben. Bis ich Herrn Jäger dann auf dem Boden liegen sah…“ kam es jetzt auch traurig von Kim. Wieder entstand ein Schweigen.
    Kim war mittlerweile am Krankenhaus angekommen. Sie suchte sich einen freien Parkplatz und drehte letztendlich den Schlüssel um, nachdem sie eingeparkt hatte. „Semir er wird es schaffen! Ben ist jung und stark! Er packt das!“ versuchte die Chefin ihm Mut zuzusprechen. „Danke Chefin, das ist nett gemeint. Aber ich habe die Augen des Mediziners gesehen…und normalerweise lassen die einem ja immer etwas Hoffnung bei ihren Aussagen…“ Semir schnaufte wieder tief durch. Kim drehte sich halb auf dem Sitz zu ihrem Beifahrer um. „Jetzt sollten wir erstmal nach ihm sehen, bevor wir die Flinte vorschnell ins Korn werfen!“ kam es optimistisch von ihr. Semir konnte sich nicht entsinnen, jemals seine Chefin so positiv gestimmt erlebt zu haben. Vielleicht war es alles auch nur Show. Es war im Moment aber auch egal. Er wollte nach Ben sehen. „ja wir sollten nach ihm sehen.“ Kam daher die knappe Antwort. Beide verließen das Auto und machten sich auf den Weg in die Notfallstraße.

    Doch wie immer bekamen die Beamten in der Notfallstraße nur wenig Informationen. Nachdem sie sich als Polizisten und Kollegen von Herrn Jäger ausgewiesen haben, wurden sie dennoch in eine Sitzgruppe verwiesen. Eine Schwester erklärte ihnen, dass der junge Hauptkommissar gerade in der „Trauma-Spirale“ sein, eine spezielle CT-Untersuchung von Kopf bis Fuß um alle Verletzungen zu entdecken. Kim nahm nach dieser Information auf einen der Lehnstühle platz. Semir Tiergerte den Flur auf und ab. Er konnte im Moment einfach nicht still sitzen und nichts tun. Kaum ging eine der elektrischen Türen in der Notfallstraße auf und ein Arzt oder eine Schwester kamen zum Vorschein, da drehte Semir sich sofort in die Richtung, in der Hoffnung man würde zu ihnen kommen und ihnen neue Informationen über Ben mitteilen. Doch nichts geschah, die Angestellten gingen immer nur an Semir vorbei, manch einer mit einem freundlichen Lächeln, manch einer ignorierte den Hauptkommissar und die Chefin komplett. So ging die Zeit ins Land. Kim hatte derweilen für die Beiden Wasser an einem Spender geholt. Jetzt saß auch Semir mit seinem leeren Pappbecher auf einen der Stühle. Er hatte die Hoffnung aufgegeben die nächste Zeit Neuigkeiten zu hören.

  • Nach geschlagenen zwei Stunden des nervenaufreibenden Wartens kam endlich ein Arzt auf sie zu. „Sie sind die Kollegen von Herrn Jäger?“ fragte der noch recht jung wirkende Arzt. Ich bin Dr. Strickler, ich habe Herrn Jäger betreut. Sofort sprang Semir auf und schüttelte die ihm von dem Arzt angebotene Hand. Auch Kim erhob sich und erwiderte den Gruß. „Wie geht es unserem Kollegen?“ stellte die Chefin die Frage, als sie merkte, dass Semir Angst hatte diese zu stellen.


    „Setzten wir uns doch einen Moment.“ Kam es von dem Studierten. Das ist kein gutes Zeichen, das ist nie ein Gutes Zeichen wenn ein Arzt zu einem sagte:“ Setzten wir uns besser.“ Schoss es Semir durch den Kopf. Jedoch ging er der Bitte nach.
    Der Mediziner holte tief Luft um seine Informationen preis zu geben. „Herr Jäger wird gerade Operiert. Ich war bis eben auch im Saal mit anwesend, ich kann ihnen also alles aus nächster Hand erzählen.“ Er schluckte und sprach dann weiter. „Ich will ehrlich mit ihnen sein… es steht sehr schlecht um ihren Kollegen. Sicher ist er jung und auch kräftig aber seine Verletzungen sind sehr schwerwiegend. Mal von den leichten Verletzungen wie der Lunge und der Schnittwunde im Gesicht abgesehen, hat er durch den Fall in die Tiefe einen Schädelbruch erlitten. Er hat eine Epiduralblutung im Gehirn, diese wird gerade versucht im OP zu stoppen.“ Der Arzt sah in fragende Gesichter und umschrieb seine Worte.“ Was ich damit sagen will ist, dass er eine arterielle Blutung hat, was oft mit einer sehr ungünstigen Prognose einhergeht. Die Blutung war schon sehr ausgeprägt, trotzt dass er so schnell hier in der Klinik war. Auf den CT-Bildern konnte man Einblutungen in ein sehr empfindliches Gebiet des Gehirns sehen, der so genannten Gyrus postcentralis. Das ist das Gebiet, was für das Körperempfinden wie beispielsweise Druck, Schmerz, Wärme, Kälte usw. zuständig ist. Genaueres können wir erst sagen, wenn es Herr Jäger überleben und wieder zu Bewusstsein kommen sollte. Es tut mir sehr leid.“


    Der Arzt schnaufte tief durch. Kim und Semir schwiegen nach den Ausführungen des Mediziners. Für Beide war das zu viel an Informationen. Lungenverletzung, Blutungen im Gehirn, Bewusstseinsstörungen… Semir sickerten still die Tränen über die Wange, als er darüber nachdachte. Kim saß einfach nur wie versteinert neben ihm. Der Arzt räusperte sich um wieder die Aufmerksamkeit der Beamten auf sich zu lenken. „Ich muss jetzt auf meine Station, wie gesagt, Herr Jäger wird noch Operiert und ich bin mir sicher, dass es noch eine weile Dauern wird. Besuchen können sie ihn heute sowieso nicht mehr, also schlage ich vor, dass sie nach Hause gehen und einer Schwester ihre Nummer dalassen, sollte sich etwas Neues ergeben.“ Schlug der Weißkittel vor. Kim nickte und bedankte sich bei dem jungen Operateur, Semir bekam das zuletzt gesagte schon gar nicht mehr mit. Er war zu sehr damit beschäftigt seine Gedanken zu sortieren, doch das schien ihm im Moment nicht zu gelingen.

  • Von Kims Stimme wurde er letztendlich doch in die Realität zurückgeholt. „Kommen Sie Semir, ich fahr Sie nach Hause.“ Kam es leise und traurig von ihr. Sie hatte eine Hand auf die Schulter ihres Unterstellten gelegt und sah mitfühlend in Semirs verweinte Augen. Dieser wischte sich mit einer Bewegung die letzten Tränen aus dem Gesicht und erhob sich von seinem Stuhl. Schweigend gingen sie langsam zum Auto zurück nachdem sie einer Schwester ihre Handynummern gegeben hatten. „Rufen sie bitte auch an, wenn Herr Jäger aus dem OP gekommen ist.“ Bat die Chefin die Pflegerin noch, bevor sie gingen.


    Schweigend fuhr Kim Semir nach Hause. Nicht mal der Radio war an, man hörte nur das gleichmäßige Brummen des Mercedes Motors. Der Hauptkommissar fand erst seine Sprache wieder, als die Brünette den Wagen vor seinem Haus parkte und das Auto ausschaltete. „Ich habe Ben am Anfang nicht gemocht und jetzt…. jetzt stirbt ein Teil in mir wenn ich nur daran denke, was er gerade durchmacht und die ganze Sache wahrscheinlich nicht mal überlebt…“ kam es leise von ihm. Er starrte gerade aus durch die Windschutzscheibe ins Dunkle. Mittlerweile war es Abend geworden. Kim erinnerte sich an die Zeit zurück, als Ben damals, frisch vom LKA kommend, seinen ersten Tag bei der Autobahnpolizei hatte. Semir war damals sofort in ihr Büro gestürmt und hatte versucht der Chefin klar zu machen, dass die beiden kein gutes Team abgeben würden. Doch Kim war damals schon anderer Meinung, deshalb ließ sie nicht mit sich verhandeln und verdonnerte Semir dazu, mit Ben Streife zu fahren. Bereits nach dem ersten gemeinsamen Fall waren die Beiden ein Herz und eine Seele geworden. Von Semirs leiser Stimme wurde sie aus ihren Gedanken geholt. „Ich habe ihm so oft mein Leben anvertraut, so viel mit ihm gelacht, und er hat mich so oft in den Wahnsinn getrieben, wenn es im Auto mal wieder aussah als ob eine Bombe eingeschlagen hatte. Mit seiner flapsigen Art brachte er mich immer wieder von der Palme runter und am Ende haben wir beide über unser Benehmen gelacht… Jetzt kann ich wahrscheinlich nie mehr mit ihm Lachen.“ Kam es schluchzend von dem Deutschtürken.


  • Elina hat mich auf meinen Fehler hingewiesen, dass die Chefin erst nach Ben zur Autobahnpolizei kam... Hab ich beim schreiben irgendwie verdrängt! Sorry für den Logikfehler! Als ausgleich gibt es hier den ersten "Gute Nacht Teil" ;) Viel Spaß und vielen Dank für die tollen und zahlreichen Feeds!!
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    So saßen die beiden Beamten noch eine Weile in dem Mercedes vor Semirs Haus und unterhielten sich über Ben. Schließlich verabschiedete sich der Deutschtürke bei seiner Chefin und bedanke sich für die Unterstützung von ihr. „Immerhin müssen Sie für Ben bald eine große Unterstützung sein.“ Kam es als Antwort von Kim. „Ja, ja da haben sie Recht ich hoffe das kann ich noch für ihn tun.“ Sprach Semir. Er verabschiedete sich von ihr und ging ins Haus. Mittlerweile war es schon 20 Uhr abends. Andrea wartete bereits auf ihn, sie hatte von Dieter heute schon per Telefon das Gröbste erfahren. Semir erzählte es ihr alles noch mal im Detail. Natürlich war auch die liebevolle Hausfrau eine Stütze für Semir in dieser schweren Zeit.
    An schlaf war bei dem Deutschtürken nicht zu denken. Immer wieder schaute er auf sein Handy, ob er nicht doch den Anruf von der Klinik verpasst hatte. Gegen 22:30 Uhr klingelte es endlich. Es meldete sich eine Schwester der neurochirurgischen Intensivstation, die ihm jedoch nur mitteilen konnte, dass Ben aus dem OP kam und jetzt bei ihnen auf Station läge. Eine Prognose konnte sie nicht machen, sie sagte zu Semir, dass er morgen Vormittag gerne vorbeischauen und mit dem Arzt reden könnte. Natürlich könnte er dann auch zu Ben gehen. Jedoch brauche er noch sehr viel Ruhe. Nachdem er aufgelegt hatte klingelte kurze Zeit später erneut sein Handy. Er hob ab und es meldete sich Julia, Bens jüngere Schwester. „Mensch! An euch hab ich gar nicht gedacht.“ Sprach der Deutschtürke etwas reumütig, als ihn Bens Familie durch den Kopf schoss. „Ist schon ok Semir.“ Sprach Julia. „Kim Krüger hat bei uns angerufen und uns alles erzählt. Semir kannte Julia nicht nur von Ihrer Hochzeit, wo sie damals entführt wurde, auch so hatten die Beiden einen recht guten Draht zueinander. Wenn Ben mit seiner Band zum Beispiel einen Auftritt hatte und Julia auch da war, standen sie immer zusammen und redeten viel miteinander. Sie verabredeten sich, dass sie sich morgen an der Klinik treffen würden und gemeinsam zu Ben zu gehen. Schließlich wurde das Telefonat beendet.

  • Um 5:30 am nächsten Morgen wachte Semir schweißgebadet auf der Couch in seinem Wohnzimmer auf. Halb sitzend, halb liegend fand er sich dort vor. Natürlich hatte er die ganze Nacht kaum ein Auge zugemacht, hatte im Fernseher umhergesucht, nach einem Film der ihn irgendwie ablenken würde. Doch es kam nichts Gescheites zu so später Stunde in dem Flimmerkasten. Er hatte sich ein Buch genommen, legte es jedoch nach ein paar Seiten wieder aus der Hand. Nach lesen war ihm auch nicht zu mute. Er lief die halbe Nacht im Wohnzimmer auf und ab, schaute aus dem Fenster und dachte viel nach. Gegen 4 Uhr hatte ihn dann doch die Müdigkeit eingeholt, er musste wohl auf der Couch eingeschlafen sein. Doch jetzt war die Nacht vorbei für den Hauptkommissar. Sein erster Blick viel auf das Handy. Hatte sich das Krankenhaus gemeldet? Gab es etwas Neues von Ben? Doch auf dem Display stand kein verpasster Anruf. Er fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht und massierte seine Schläfen. Dann stand er auf und machte sich auf den Weg ins Bad um erstmal unter die Dusche zu steigen. Anschließend ließ der sich in Jeans und weißem T-Shirt bekleidet einen Kaffee in der Küche aus dem Automaten heraus. Er holte die Zeitung und blätterte eher uninteressiert in ihr umher. Kurz überlegte er, ob er in der PAST anrufen und nachfragen sollte, ob es von dem Verhört von Böhm etwas Neues gab, aber er entschied sich dagegen. Er wollte erstmal nach Ben sehen, seine ganze Kraft darauf setzten und nicht auf Böhm, der ihm im Moment eigentlich sonst wo vorbeiging. Ben hatte eindeutig Vorrang!


    Um 8:00 Uhr hatte er sich mit Julia verabredet, so langsam konnte er sich auf den Weg machen. Semir stieg in seinen BMW und fuhr in Richtung Klinik. Er spürte eine innerliche Unruhe in sich aufsteigen als er kurz vor dem Ziel war. Er hatte Angst, Ben wieder zu sehen. Wie würde er aussehen? Würde er ihn heute vielleicht zu letzten Mal sehen? Wenn er sterben würde, was ja jede Minute der Fall sein konnte… Bei dem Gedanken konnte Semir nicht schnell genug am Eingang sein, der Treffpunkt von Julia und ihm. Jetzt wollte er Ben so schnell wie möglich sehen.
    Nach der Begrüßung und einer herzlichen Umarmung der Beiden, nahm Semir Julia in den Arm und gemeinsam gingen sich auf die Intensivstation. Semir betätigte die Klingel, damit sie die Station betreten konnten. Es dauerte eine Weile bis eine Krankenschwester mittleren Alters ihnen die Tür öffnete. Beide Besucher stellten sich vor und wissend nickte die Pflegerin. „Kommen sie herein, aber desinfizierten sie sich bitte die Hände vorher.“ Kam die Bitte von ihr. Dann wurden Semir und Julia durch die Intensivstation geführt.

  • Man sah einzelne kleine Zimmer in denen immer nur ein Bett zu sehen war. Beim vorbeigehen hörte man viele Piepstöne in den Unterschiedlichen Lautstärken und Frequenzen. Julia sah sich hilfesuchend nach dem Deutschtürken um. Als Semir dies sah, nahm er ihre Hand und die Beiden folgten weiterhin der Schwester. Diese kam nach kurzer Zeit vor einen der kleinen Räume zum stehen. Hier war die Tür noch verschlossen, man sah eine Gestalt darin Arbeiten. „Hier ist das Zimmer von Herrn Jäger.“ Sagte die Pflegerin. „Ein Kollege ist noch bei dem Patienten, bitte warten Sie, bis er herauskommt und Sie hineinbringt.“ Sprach sie weiter. Beide Besucher nickten stumm. Mit einem Lächeln verschwand die Pflegekraft und beschäftigte sich wieder mit ihren Patienten. Der Hauptkommissar und die zierliche Frau standen da und warteten.
    Nach ca. 15 min wurde die Tür des kleinen Raumes geöffnet und zum Vorschein trat ein großer blonder Mann ende 20. Er verschloss die Tür wieder hinter sich und begrüßte die Besucher von Ben. „Sie müssen die Angehörigen von Herrn Jäger sein. Ich bin Paul, ich betreue Herrn Jäger heute.“ Sprach er. „Ich bin sein Dienstkollege und das hier ist seine Schwester.“ Klärte Semir den Pfleger auf. Dieser nickte stumm. „Gut dann werde ich Sie hineinbringen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass der Patient absolute Ruhe braucht.“ Berichtete der Blonde. Die Besucher nickten stumm. Es wurde die Tür geöffnet und Julia uns Semir betraten nach dem Pfleger das Zimmer.


    Auch in diesem kleinen Raum war nur ein Bett in der Mitte hingestellt. Links davon sah man verschiedene Perfusoren an Halterungen mit Medikamente laufen. Rechts neben dem Bett war der Monitor, welcher die Vitalzeichen von Ben kontrollierte, angebracht sowie die Beatmungsmaschine. In dem Bett lag eine Person, Semir hätte Ben nie erkannt wenn er nicht gewusst hätte, dass er es ist. Der Kopf war mit einem Verband umwickelt, aus dem Kopf sah man den Schlauch einer Drainage heraustreten. Der Tubus des Beatmungsschlauches lag in Bens linken Mudwinkel. Der Oberkörper war leicht Aufrecht gestellt, seine Hände waren über die Bettdecke gelegt worden. An der rechten Seite seines Halses kam ein zentraler Venenkatheter zum Vorschein, über den wiederum die Perfusoren angeschlossen waren. Zusätzlich bekam Ben Blut über diesen Zugang. Er sah einfach schrecklich aus. Wie tot lag er im Bett. Die einzigste Bewegung die er von sich gab war das Heben und Senken seines Brustkorbes. Jedoch wurde dies von der Maschine gesteuert. Immer wieder hörte Semir die gleichmäßigen Luftströme des Beatmungsgerätes. Am Brustkorb waren drei Kabel befestigt. Diese führten zu dem Monitor.

  • Gekleidet war Ben in eines dieser typischen Klinik-Hemden. An seinem linken Handgelenkt war ein Verband. Ein blutgefüllter Schlauch trat heraus. Semir starte auf das Blut im Schlauch, was Paul bemerkte. „Da brauchen Sie sich keine Gedanken machen.“ Kam es routiniert von ihm. „Das ist nur die Arterie, wir messen den Blutdruck und Puls ihres Kollegen darüber.“ Erklärte er weiter. Semir nickte wieder nur stumm.
    „Was sind das alles für Medikamente?“ kam es mit weinerlichen Stimme von Julia, die neben Ben platz genommen hatte und auf die Ganzen Spritzen schaute. „Zum Teil handelt es sich um Kreislaufstabilisierende Medikamente. Ein Schmerzmittel ist auch dabei und natürlich die Sedierungsmittel.“ Erklärte der Pfleger weiter. Semir hatte in der Zeit auf der anderen Seite von Bens Bett platz genommen. „Das heißt, er würde zu sich kommen, wenn er die Mittel nicht bekäme?“ schloss Semir aus der Aussage. Der Blonde wippte mit dem Kopf hin und her. „Das ist so einfach leider nicht zu erklären. Herr Jäger hat eine schwere Kopfverletzung. Im Moment können wir nicht sagen, wie hochgradig diese ist.“ „Und wann weis man es?“ kam die Gegenfrage von Julia. „Es stehen noch verschiedene Tests aus. Wir wollen noch mal seinen Kopf röntgen und außerdem noch seine Hirnströme messen.“ Berichtete der Pfleger weiter. „Was ist das hier? stellte der Polizist die nächste Frage und deutete auf eine Konstruktion, die sich direkt neben seinen Füßen befand. „Das ist eine Bülau-Drainage. Durch die Lungenverletzung kam es zum Zusammenfall der Lunge von Herrn Jäger, diese Drainage sorgt wieder für den Nötigen Unterdruck und entfaltet die Lunge.“ Erklärte der Pfleger freundlich weiter. Eine Weile blieb er noch bei den beiden Besuchern im Zimmer, falls noch weitere Fragen kommen würden. Doch Julia und Semir beobachteten Ben und seinem Zustand. So räusperte sich der junge Pfleger um noch mal kurz die Aufmerksamkeit der beiden zu erlangen. „Ich geh dann mal zu meinem anderen Patienten. Wenn Sie noch Fragen haben können Sie jederzeit bei mir vorbeikommen. Der Arzt ist noch in einer Besprechung und ist in ca. 30 Min wieder da. Ich schlage vor, dass Sie dann gleich zu ihm gehen. Für Herrn Jäger ist das dann sowieso genug Besuch für den ersten Tag.“ Schloss er und wandte sich zum gehen. „Gut vielen Dank.“ Verabschiedete sich Semir noch von ihm. Er schloss die Tür hinter sich und Julia und Semir waren mit Ben alleine.

  • Als der Arzt die Intensivstation betrat ging er gleich zu den Besuchern von Ben und bat sie, mit in das Arztzimmer zu kommen. Dort wurden Semir und Julia nochmals alles Verletzungen sowie die evtl. Folgen geschildert. Der Arzt zeigte seine Diagnosen anhand von MRT- und Röntgenbildern. nach weiteren 30 Minuten verließen der Polizist und Julia die Intensivstation. Zu Ben sollten sie erst morgen wieder kommen, er brauchte viel Ruhe, hieß es.
    „Wie er dalag, wie tot.“ Sprach Julia leise als sie auf dem Weg zum Ausgang waren. Semir nickte nur. Er konnte im Moment noch immer keinen klaren Gedanken fassen. „Mein Vater will heute Abend noch mal vorbeikommen, vielleicht gibt es dann schon etwas Neues.“ sprach die Brünette weiter. „ja… vielleicht.“ Antwortet Semir traurig. „Wollen wir noch einen Kaffee trinken gehen? Ich bin sowieso vom Dienst befreit…“ schlug der Deutschtürke weiter vor. Julia willigte ein und so fuhren sie in die Innenstadt in ein Kaffee und unterhielten sich noch lange über Ben.


    Gegen Nachmittag und Abend passierte nicht mehr viel. Zwar war Konrad Jäger bei seinem Sohn am Krankenbett aber es gab keine neuen Erkenntnisse. So zog der Abend ins Land, Semir war zu Hause und versuchte sich mit Haushalt abzulenken. Er spülte gerade das Geschirr von Abendbrot als Andrea in die Küche kam. „Warum stellst du die Sachen nicht in die Spülmaschine und wir setzten uns noch auf die Couch und reden etwas?“ schlug die liebevolle Ehefrau vor, der Semir verhalten nicht entgangen war. „Mach doch schon mal einen Tee, ich komm gleich nach.“ Sprach der Deutschtürke. Er brauchte jetzt Arbeit, die ihn geistig nicht beanspruchte damit er nachdenken konnte… Mittags hatte die Chefin bei ihm angerufen und ihm über die Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten. Aber es gab nicht viel Neues. Der Zeuge schwieg natürlich, von dem Chef der Bande fehlte nach wie vor jede Spur. man wusste nicht mehr, wie vorher auch. „Also war alles umsonst gewesen? Ben liegt umsonst im Sterben?“ fragte Semir bitter am Telefon, als die Chefin anrief. „Semir… nichts ist umsonst. Immerhin haben wir einen Zeugen, der wird schon irgendwann reden. Es ist nur eine Frage der Zeit.“ Sprach Kim Krüger. „Eine Frage der Zeit ist es auch, bis Ben tot ist…“ antwortete der Autobahnpolizist. Darauf schwieg Kim. „Tut mir leid…“ sprach Semir nach einer Zeit des Schweigens. „Ich wollte nicht…. ach ich weis auch nicht.“ Endete er. „Ist schon in Ordnung! Das ist eine schwere Zeit für Sie und Ben. Er braucht sie jetzt! Ich schlage vor, dass Sie sich erstmal um ihn kümmern. In ihrer momentanen Verfassung sind sie eh nicht in der Lage objektiv zu ermitteln.“ Stellte Kim klar. So vereinbarten die Beiden, dass sich jeder melden würde sobald es etwas Neues gäbe und Semir erstmal weiterhin vom Dienst befreit war.

  • Auch am Morgen nach zwei Tagen ging Semir wie immer früh zu Ben ins Krankenhaus. Mittlerweile hatte es sich auf der Station umher gesprochen, dass Semir Bens Partner war. So grüßte ihn jeder, denn das Schicksal des jungen Hauptkommissars traf alle in der Klinik. Auch an diesem Morgen ging der Deutschtürke mit voller Ehrfurcht in Bens Zimmer. Nach wie vor lag sein Partner blass, regungslos und bewusstlos mit der Maschine beatmet in seinem Bett. Aber Semir merkte, dass er keine Drainage mehr am Kopf hatte. Er ging um das Bett herum, nahm auf der anderen Seite platz und beobachtete die Geräte wo Ben überwachten. Dann nahm er die Hand seines Freundes. Ein Pfleger betrat den Raum. „Gibt’s was Neues?“ fragte Semir gleich. „Die Blutungen in seinem Kopf sind zum Stillstand gekommen, daher haben wir die Drainage gezogen. Außerdem hat ihr Kollege heute Nacht ein paar eigenständige Atemzüge gemacht, von daher Beatmen wir ihn nun in einem anderen Modus.“ Erklärte der Pfleger freundlich. Zwar war es nicht Paul, den Ben heute betreute, aber auch dieser Pfleger schien Semir auch nett zu sein. Das beruhigte den Autobahnpolizist etwas. Immerhin war Ben den Leuten hier hilflos ausgeliefert. So wusste der Deutschtürke seinen Freund und Partner wenigstens in guten Händen. „Ja aber das ist doch phantastisch!“ sprach Semir euphorisch. „Dann wird er überleben und gesund werden?“ fragte er aufgeregt weiter. In dem Moment ging ein Alarm an Bens Monitor los. Erschrocken starrte Semir auf den Bildschirm und sah einen Wert blinken. Er blickte zu dem Pfleger, der an Monitor zum verstummen brachte. „Alles gut!“ beruhigte er den Deutschtürken. „Ich glaube ihr Partner hat sie gerade wahrgenommen. Sehen Sie: Er reagiert mit seiner Herzfrequenz.“ Sprach er weiter und deutete auf die blinkende Zahl.“ Bei den Worten strich Semir seinem jungen Kollegen über den verbandagierten Kopf und drückte seine Hand noch ein wenig fester. „Ich bin da Ben, hörst du? Ich lass dich nicht alleine!“ sprach er den bewusstlosen Polizisten an.

  • „Wir können sagen, dass sich der Zustand von Herrn Jäger stabilisiert hat. Aber er ist nach wie vor leider noch nicht außer Lebensgefahr. Er erhält immer noch Medikamente, die ihm das Überleben sichern, außerdem ist er noch beatmet.“ Kam es sachlich von der Pflegeperson. „Aber es geht in die richtige Richtung.“ Sprach Semir weiter. „Das kann man durchaus so sehen.“ Nickte der Krankenpfleger. Gut. Das war wenigstens etwas. Semir erhoffte sich zwar den Satz „Ihr Kollege ist über dem Berg.“ Aber wenigstens schien Ben sich so langsam für das Leben zu entscheiden. „Wie lange dauert es denn, bis er wieder zu sich kommt?“ fragte der Autobahnpolizist weiter. „Das hängt davon ab, in wie weit ihr Kollege eigenständige Atemzüge macht. Sehen sie hier:“ er winkte Semir zu sich auf die andere Seite des Bettes und deutet auf den kleinen Bildschirm der Beatmungsmaschine. Unterschiedliche Zacken waren darauf zu erkennen. Immer wenn Bens Körper sich leicht hob, sprich wenn er einatmete, kam ein neuer Zacken auf den Monitor. Die Zacken waren in unterschiedlichen Farben. Manche waren grau ausgefüllt, manche schwarz. „Wenn ihr Kollege selbstständig Atmet, so wie jetzt zum Beispiel, dann sind die Zacken grau, wenn er hingegen von der Maschine beatmet wird, weil er selbst nicht atmet, dann sind sie schwarz.“ Beide Männer beobachteten für eine Zeit den kleinen Monitor. „Wie Sie sehen können, atmet ihr Kollege noch sehr unregelmäßig eigenständig. Die Maschine erkennt das und unterstützt ihn dann.“ Sprach die Pflegeperson weiter. „Und das ist …normal?“ Kam es leise von dem Deutschtürken. „Ja das ist am Anfang der Entwöhnungsphase normal. Im Moment muss man das als einen Test sehen. Wir versuchen ihren Kollegen von der Beatmungsmaschine los zu bekommen. Das heißt nicht, dass es auch so gut weiterhin funktioniert wie bisher. Manchmal brauch es fünf oder sogar sechs Anläufe, bis man einen Patienten von der Beatmung befreit hat. Von daher kann ich ihnen leider auch nicht sagen, wann ihr Kollege wieder Aufwacht. Wir können mit der Sedierung erst runterfahren, wenn er zu 100% selbstständig atmet und wir ihn extubiert haben“ Schloss er.

  • Semir verstand zwar nur die Hälfte der Ausführung aber alles in allem schien es positiv zu klingen. „ Sie sollten jetzt viel mit Herrn Jäger reden. Immerhin scheint er darauf zu reagieren und oftmals stärkt es die Patienten.“ Sagte das Pfleger noch, bevor er den Raum wieder verließ. Das ließ Semir sich nicht zweimal sagen. Sofort nahm er wieder seinen Platz an Bens Bett ein, suchte erneut seine Hand unter der Bettdecke und sprach los: „ Ich bin für dich da. Das machst du bisher wirklich gut. Den Rest bekommen wir auch noch hin, in Ordnung? Und wenn du dann erstmal den Schlauch aus deiner Luftröhre los bist, dann können wir auch wieder im Dialog reden.“
    Natürlich dachte Semir auch über den Undercover-Einsatz nach. Er machte sich furchtbare Vorwürfe. Wenn er sich in die Gang eingeschleust hätte, wäre das alles vielleicht nicht passiert. Er hätte sich an dem Abend nicht mit Ben treffen dürfen, dann wäre seine Identität nicht aufgeflogen! All solche Gedanken gingen dem Deutschtürken jetzt schon seit Tagen durch den Kopf. An Bens Krankenbett sagte er natürlich nichts darüber. Er wollte seinen Freund nicht zusätzlich belasten, sollte er wirklich hören was er ihm erzählte.
    Auch Julia kam an diesem Vormittag zu Besuch. Sie redete auch viel mit ihrem Bruder über ihre Kindheit und dass sie sich vorgenommen hat viel mehr Zeit mit ihm zu verbringen wenn er wieder gesund werden würde. Nach einiger Zeit gingen die beiden in die Cafeteria des Klinikums. Sie brauchten eine Stärkung, so bestellte Semir zwei Tassen Kaffee. Gedankenverloren rührte Julia in ihrem Getränk. Semir beobachtete sie. Julia schien sich wirklich Vorwürfe zu machen, dass sie die letzte Zeit nicht viel mit ihrem Bruder unternommen hatte. So nahm er sich ein Herz, griff nach Julias linker Hand die auf dem Tisch ruhte und sprach sie an. „Er wird es schaffen Julia! Ich bin der festen Überzeugung. Er ist hart im Nehmen!“ aufmunternd strich er ihr über die Hand. Julia lief eine Träne über die Wange. „Ja du hast Recht. Aber ich mach mir solche Vorwürfe! Ich hätte mich nicht so in Papas Firma einbinden lassen sollen! Dann hätte ich mehr Zeit für Ben gehabt! Früher, als er noch beim LKA war, haben wir uns immer einmal die Woche getroffen. Zum Frühstücken oder ich ging abends mal bei ihm vorbei. Seit ich mehr in der Firma arbeite hat sich das irgendwie verlaufen. Mal ein Telefonat alle 14 Tage… gesehen hab ich ihn kaum noch! Dabei sind wir doch immer durch Dick und Dünn gegangen!“ eine weitere Träne fand ihren Weg über Julias Gesicht. Semir atmete tief durch und legte sich seine Sätze zusammen, die er gleich der kleinen Schwester von Ben sagen wollte. Er wusste über das besondere „Band“ zwischen seinem Kollegen und Julia.

  • „Hör mal! Auch Ben ist jetzt mehr im Stress seitdem er zu uns gewechselt ist. Ich weis wovon ich rede. Außerdem warst du immer für ihn da, das wusste er. Genauso wie er immer für dich da war wenn etwas gewesen ist. Sie mal: Als Ben entführt und lebendig begraben wurde, da warst du für ihn da als er sich zuhause wieder gefangen hat. Das war eine schwere Zeit für ihn, aber du hast ihm beigestanden, hast ihm zugehört, dich um ihn gekümmert. Das hat dir Ben hoch angerechnet. Als er wieder mit der Arbeit anfing, hat er oft darüber erzählt wie toll er das von dir fand und wie sehr man sich auf dich verlassen kann! Du warst ihm in der schweren Zeit wirklich eine gute Stütze. Mach dir bitte keine Vorwürfe, Ben weis was er als kleine Schwester an dir hat!“ zur Unterstützung seiner Worte nickte der Deutschtürke ihr aufmunternd zu.
    Julias Augen wurden bei dem gesprochenen immer größer. Das war ihr nicht bewusst gewesen, dass Sie Ben damals so gut zur Seite stand. Natürlich war sie damals für ihn da gewesen! Das ist ja selbstverständlich als Schwester. Geschwister helfen sich nun mal! Aber sie kam sich immer hilflos vor, dachte, Ben nicht genug unterstützt zu haben. Jetzt hörte sie von dem Partner ihres Bruders, dass Sie wohl doch alles richtig gemacht hat.
    Ein kleines Lächeln kam auf ihrem Gesicht zum Vorschein. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und sah Semir danken an.
    „Aber du solltest dir auch keine Vorwürfe machen!“ kam es jetzt von der Brünetten. Ihr war freilich nicht entgangen, dass der Deutschtürke immer wieder in Gedanken versunken war. Einmal hatte sie Semir auch dabei beobachtet, wie er auf dem Kliniksflur auf und ab ging und immer wieder zu sich sagte „Warum hab ich das gemacht! Warum hab ich das zugelassen!“ Jetzt war es an Semir sie mit großen Augen anzuschauen. Er hatte versucht, seine Vorwürfe sich gegenüber bei Julia zu verbergen. Immerhin hatte die kleine Schwester genug mit ihrer Trauer und Sorge zu tun, da wollte der Autobahnpolizist sie nicht auch noch belasten. „Das ist leichter gesagt als getan!“ kam es geknickt von ihm. „Wenn ich mich nicht mit ihm getroffen hätte… ach was! Ich hätte gar nicht zulassen dürfen, dass Ben diesen gefährlichen Einsatz macht. Dann würde er jetzt nicht da liegen und um sein Leben Kämpfen.“ Semir fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. „Nein, dann würde er nicht da liegen. Dann würdest du da liegen, Ben würde hier sitzen und deine Frau und deine kleinen Töchter würden um das Leben ihres Ehemanns und Vaters bangen. Was denkst du wie es Ben damit gehen würde? Du weist, dass er das nie ertragen hätte!“ kam es von Julia.

  • „Es ist einfach schief gelaufen, mein Bruder wusste in welche Gefahren er sich begibt. Und er hat es gern gemacht. Für die Gerechtigkeit, du weist doch wie er ist! Wir alle hätten ihn nie davon aufhalten können.“ Jetzt war es Julias Hand, die auf Semirs Arm ruhte. „Vielleicht hast du Recht. Aber das entschuldigt noch nichts. Ich werde diesen Chef der Autoschieber-Bande schnappen! Das schwör ich dir Julia!“ Semirs Gefühl von Trauer und Hilflosigkeit verwandelten sich in Wut gegen diese Gang. „Jetzt sollten wir erstmal für Ben da sein! Das ist jetzt das wichtigste, meinst du nicht auch?“ versetzte Julia ihm einen Dämpfer, als sie den Zorn in der Stimme des Deutschtürken hörte. „Ja du hast Recht. Lass und wieder zu ihm gehen. Ich habe jede Sekunde wo ich nicht bei ihm bin Angst, dass es etwas Neues gibt und das er vielleicht…“ Beide sahen sich an. Julia nickte und so erhoben sie sich und gingen zurück auf die Intensivstation.



    Am nächsten Morgen fuhr Semir erstmal auf die PAST. Dort angekommen wollten natürlich alle gleich wissen, wie es um Ben steht und was es neues gab. Also berichtete der Deutschtürke ausführlich, was die letzten Tage geschehen war und das sie gerade dabei waren, Ben von der Beatmung zu entwöhnen. Ein erleichterndes seufzen ging bei diesen Worten durch die Reihe. Doch auch Semir bremsten diese Vorfreude in dem er mitteilte, dass er nach wie vor noch nicht über dem Berg war. „Mensch der Arme Junge! Hoffentlich wird das wieder mit ihm.“ Sprach Hotte der rundliche Polizist. Dieter nickte zustimmend. „Ja das hoffen wir alle. Immerhin ist er ein Teil der Familie!“ sprach auch Susanne.

  • Semir wollte natürlich auch über die neusten Entwicklungen des Falls informiert werden. So ging er zu Kim ins Büro und ließ sich von der Dienststellenleiterin berichten. Aber viel gab es nicht zu erzählen. Der Festgenommene schwieg nach wie vor eisern, es wurde ein Verfahren wegen Autodiebstählen und anderen Delikten die mit ihm in Verbindung gebracht werden konnten in die Wege geleitet. Er saß in Untersuchungshaft. „Ich werde mir diesen Kerl mal persönlich zur Brust nehmen! Aber nicht heute, erst will ich für Ben und seine Familie da sein. Julia nimmt die ganze Sache sehr mit.“ Sprach Semir. Kim nickte. Sie kannte Julia von ihrer Hochzeit. Immerhin wurde sie damals entführt und Kim übernahm die Ermittlungsarbeit. „Machen sie das Semir! Ich denke sowieso nicht, dass Sie Erfolg haben werden! Ihm wurden schon die unglaublichsten und unverantwortlichsten Deals mit dem Staatsanwalt angeboten. Aber er geht auf nichts ein.“ Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und beobachtete Semirs Reaktion. Doch er schien diese Tatsache erstmal zu verkraften. „Mir egal! Erst ist Ben an der Reihe, dann der Fall. Der Typ rennt mir in der Untersuchungshaft nicht davon. Für Ben kann es jede Minute zu Ende gehen.“ War die Reaktion des Deutschtürken. Er verabschiedete sich von seiner Chefin und dem restlichen Team und machte sich auf den Weg in die Klinik.

  • Dort angekommen ging er die Gänge zu der Intensivstation entlang. Vor der Eingangstür traf er auf Bens Vater. „Herr Jäger. Gibt es etwas Neues von Ben?“ sprach er Konrad Jäger an. Dieser schüttelte den Kopf und nahm auf einen der Wartestühle neben der Tür platz. Semir setzte sich zu ihm. Der Ältere schnaufte tief durch, dann begann er zu sprechen. „Wissen Sie Herr Gerkan, ich habe schon oft mit Ben darüber gesprochen, dass er den Beruf aufgeben soll. Vielleicht hat er ihnen davon erzählt, dass es jedes Mal in einem Riesen Streit geendet ist…“ Natürlich hatte Ben davon erzählt. Eigentlich immer, wenn sein Vater mal wieder versucht hatte ihm Steine in den Weg zu legen und ihn, wie Julia, in seine Firma zu holen. Aber Semir sagte nichts darüber. Er konzentrierte sich weiter auf die Worte von ihm. „Ich wollte immer nur das Beste für meine Kinder. Sie haben in so jungen Jahren schon ihre Mutter verloren… Da wollte ich ihnen alle Türen für das Leben offen halten. Als Ben mir damals sagte, dass er zur Polizei gehen würde, dachte ich, es sei nur eine Phase. Immerhin war das schon sehr früh sein Wunsch. Aber er hat es beibehalten…“ er schwieg und fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht. Auch der Deutschtürke schwieg bei dem Gehörten. Er wusste auch nicht, was er dazu sagen sollte. Nach einer weile sprach Konrad weiter. „Eigentlich wollte ich ihn nur schützen. Es war mir egal was er beruflich später mal machte. Es ging mir nie um die Firma. Aber er sollte sicher sein. Ich hatte einfach Angst um ihn. Und jetzt… Ich habe doch schon meine Frau verloren. Ich will das nicht auch noch mit meinem Sohn durchmachen! Kein Vater dieser Welt sollte sein Kind zu Grabe tragen!“
    Semirs Herz verkrampfte sich bei diesen Worten. Hatte Jäger Senior das gerade wirklich gesagt? War das der wahre Grund, warum er für Ben den Weg zur Polizei so schwer gemacht hatte? Und Ben dachte immer es ging seinem Vater nur um die Firma… dabei… Semir schluckte hart. Dann sah er zu Konrad hinüber und dieser weinte. Das konnte der Deutschtürke erstrecht nicht glauben. Der kühle und eiserne Konrad Jäger, ein Mann in einer Führungsposition seiner eigenen Firma, weinte. Semir wusste im ersten Moment nicht wie er sich verhalten sollte.

  • Semir gab den Vater seines Freund und Partners einigen Minuten Zeit, sich zu beruhigen und sprach dann auf ihn ein: „Herr Jäger, ich bin mir sicher, dass Sie bald die Möglichkeit haben werden, Ben ihre Ansicht mitzuteilen. Ich glaub nicht, dass er sich dessen bewusst ist, dass es ihnen nur um seine Sicherheit geht. Das sollten Sie ihm dann mitteilen, damit ihr Verhältnis zueinander wieder besser wird…“ Konrad sah den Deutschtürken mit glasigen Augen an. „Sie haben Recht Herr Gerkan. Ich hoffe nur, dass ich noch diese Möglichkeit bekomme.“ „Bestimmt. Ben ist stark. Seitdem sie angefangen haben, ihn von der Beatmungsmaschine zu entwöhnen bin ich der festen Überzeugung, dass er es schaffen wird.“
    Jetzt huschte ein kleines Lächeln über Jäger Seniors Gesicht. „Mein Sohn kann sich mit ihnen als Partner glücklich schätzen.“ Semir sah seinen Dank für ihn in den Augen. „Aber ich kann mich auch mit Ben als Partner sehr glücklich schätzen.“ Antwortete der Autobahnpolizist.
    In dem Moment wurde die Tür zur Intensivstation geöffnet und ein Bett wurde von einer Schwester aus der Station gefahren. Ein Arzt folgte dem Patienten und der Pflegekraft. Semir erkannte sofort, dass es Ben war. Sofort sprangen die beiden Besucher auf und gingen auf die Gruppe zu. „Wo wollen Sie mit ihm hin?“ fragte Semir ängstlich. Ben war noch immer an seiner Beatmungsmaschine angeschlossen. Nach wie vor blass, leblos und ihm Patientenhemd gekleidet lag er in seinem Bett. Hinter dem Bett war ein zusätzlicher Wagen angebracht, auf dem der Überwachungsmonitor und die Beatmungsanlage standen. „Wir wollen mit ihm noch mal einige Untersuchungen seines Gehirns machen.“ Sprach der Arzt als er den Kollegen und Vater des Patienten erkannte. Es wird sicher eine Stunde dauern, danach können Sie gerne zu mir kommen und wir bereden die neusten Entwicklungen. Sprach der Arzt weiter. Konrad nickte, bedankte sich für die Ausführung des Arztes und nahm wieder auf seinem Sitz platz. Die Pflegekraft brachte das Bett wieder zum rollen und bald war Bens Bett um die nächste Ecke verschwunden. Auch Semir nahm seinen Platz neben Konrad wieder ein. So saßen Sie da und warteten auf die Rückkehr von Ben und natürlich auch auf gute Nachrichten.


    Nach einer dreiviertel Stunde kam der Arzt wieder den Gang entlang gelaufen. Er sah Semir und Konrad noch immer da sitzen und sprach die Beiden gleich mit einem Lächeln an. „So! Wir können. Bitte folgen sie mir in das Arztzimmer.“ Er zückte seinen Schlüssen und öffnete die Eingangstür der Intensivstation. Die Besucher folgten ihm. Im Arztzimmer angekommen zeigte der Studierte einladend auf zwei Stühle vor dem Schreibtisch. Es wurde Platz genommen und der Arzt setzte sich, nachdem er die Tür geschlossen hatte, hinter den Schreibtisch. Er faltete die Hände auf dem Tisch und wieder huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Funken der Hoffnung keimten bei Semir auf. Konrad war noch zu sehr damit beschäftigt, sich vorwürfe zu machen. Er merkte die Reaktion des Arztes nicht.

  • Also: Ich kann ihnen mitteilen, dass sie wirklich einen sehr zähen Kollegen bzw. Sohn haben. Sicherlich hat er vieles seiner körperlichen Fitness zu verdanken, dass es mit ihm so schnell bergauf geht.“ Als Semir das hörte musste auch er lächeln. „Heißt das…?“ fragte er Vorsichtig aber er traute sich doch nicht, die Frage komplett auszusprechen. „Wir können sagen, dass Herr Jäger so gut wie über dem Berg ist.“ Kam die lang ersehnte Antwort von dem Intensivarzt. „ Sicherlich besteht ein Restrisiko bei der Beatmungsentwöhnung aber so gute Fortschritte wie er bisher damit mach, da habe ich eigentlich keine Zweifel mehr.“ „Ja aber das ist ja phantastisch!“ Sprach Semir als er aufsprang und dem Mediziner Freundlich die Hand reichte. Auch Konrad war außer sich vor Freude über die positive Nachricht. „Das muss ich sofort seiner Schwester berichten! Das ist wirklich mehr als eine gute Nachricht!“ sprach er.
    „Ja ich freue mich auch immer, wenn ich Angehörigen solche Mitteilungen machen kann. Aber jetzt sollten wir uns über die weiteren Ergebnisse unterhalten, die gerade erkannt wurden.“ Fuhr der Mediziner fort. Semir nahm wieder auf dem Sitzt platz und schluckte hart. Gut, Ben würde überleben, dass stand jetzt so gut wie fest. Aber jetzt würde die Schattenseite berichtet werden. Hoffentlich bekommt man das mit der Zeit wieder in den Griff, dachte er sich noch.


    „Wir haben bei dem Patienten eben ein EEG gemacht, das heißt es werden die Hirnströme gemessen. Wir mussten leider einen Defekt bei der Sensibilität der unteren Extremitäten feststellen.“ Berichtete der Arzt. Das Lächeln aus seinem Gesicht war verschwunden. Die Sachlichkeit seines Wesens kam wieder zum Vorschein. „Und das heißt?“ fragte der Vater des Patienten nach. „Das heißt wahrscheinlich, dass ihr Sohn keine Gefühle mehr in den Beinen hat.“ Sprach der Studierte. „Er ist querschnittsgelähmt?“ fragte der Deutschtürke mit entsetzten.

  • „Nein das nicht.“ Beruhigte der der Mediziner. „Er wird laufen können. Jedoch wird er seine Beine nicht mehr spüren. Von der Motorik gibt es keine Defekte. Es ist die Empfindung die ihm fehlen wird. Das heißt für Herrn Jäger, dass er damit erstmal zu Recht kommen muss. Es wird eine lange Rehabilitationsphase auf ihn zukommen. Ich vermute, er wird das laufen erst wieder neu lernen müssen, da es ohne das Gefühl von Widerstand eine völlig andere Sache ist.“ Der Arzt lies die Information erstmal bei den Besuchern ankommen.


    Dann sprach er weiter. „Aktuell sind so gut wie alle Sedierungsmedikamente gestoppt worden, das heißt, dass er bald aufwachen wird. Immerhin atmet er jetzt so gut wie alleine, er braucht fast keine Unterstützung von der Maschine mehr. Dann müssen wir weitersehen… Um seine Lunge mach ich mir keine Gedanken. Wir haben zwar gerade noch mal ein Röntgenbild gemacht um zu überprüfen in wie weit Sie wieder entfaltet ist, aber aktuell braucht er noch die Drainage, wir müssen mit der Entfernung also noch ein paar Tage warten. Aber das sei nur am Rande erwähnt.“


    Nachdem Semir wieder die Sprache gefunden hatte sah er den Arzt an: „ Und das mit den Beinen das wird doch wieder in dieser Reha- Phase, oder? Ich meine wie soll er denn in Zukunft…?“ „Über die Zukunft sollten wir jetzt noch nicht sprechen, aber ich befürchte, dass sie der Defekt nicht wieder Herstellen lässt.“ Schloss der Arzt.
    Das war also die Schattenseite der Neuigkeiten. Ben würde eine lange Phase der Genesung vor sich haben, einen harten Kampf. Selbst dann ist es kaum Möglich, dass er das Gefühl in seine Beine wieder zurück gewinnen kann. Semir fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht. Diese Nachricht traf ihn hart. Sicher, Ben war so gut wie außer Lebensgefahr. Aber die Folgeschäden… wie würde Ben damit zu Recht kommen?

  • Guten Morgen Krissi,


    dank für dei Fortsetzung . Oh Mann, der arme Ben, macht ja gamz schön viel durch. Freue mich auf mehr...


    Grüße Tine

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