Verrat


  • Nach langer Zeit habe ich es endlich geschafft, eine weitere Geschichte fertig zu stellen. Ich werde die neuen Kapitel immer zum Wochenende online stellen und hoffe auf eure Kommentare. Es geht erst mal langsam los, aber vor allem Ben hat noch viel vor sich. Viel Spaß!






    „Ha!“, schrie Semir auf, als er nach dem Frühstück mit einem triumphierenden Lächeln das letzte lange Streichholz aus Susannes Hand zog. „So ein Mist!“, entfuhr es Ben im selben Augenblick. Semir grinste nur noch, als Andrea sagte: „Tja, mein Lieber, das dass heißt dann ja wohl, dass du heute morgen für den Abwasch verantwortlich bist.“ „Och nee….“, maulte Ben, der bekanntermaßen zuhause nie einen Finger dafür rühren würde. ‚Putzfraujunkie’ war noch eine der netteren Bezeichnungen, die Semir bis dato dafür gefunden hatte. Aber das war halt der einzige Luxus, den sich Ben vom Geld seines Vaters gönnte. Ordnung war nun einmal nicht seine Stärke. Mit mürrischem Gesichtsausdruck machte er sich in Zeitlupentempo auf den Weg zur Küchenzeile. Warum hatten sie auch einen Bungalow ohne Geschirrspüler nehmen müssen. Wo gab es so was heutzutage eigentlich noch? So langsam verfluchte Ben die Idee, das Wochenende gemeinsam zu viert in der Natur zu verbringen. Aber das hatten Andrea und Susanne ausgeklügelt. Und wenn die beiden sich etwas in den Kopf gesetzt hatten, waren Semir und er so gut wie chancenlos, wenn sie es nicht auf einen Streit ankommen lassen wollten. Hatte Ben früher darüber gelächelt, wenn Semir spurte, wenn Andrea etwa sagte, so bekam er langsam eine Ahnung von dessen Situation, ging es ihm doch heute ähnlich. Vor ein paar Jahren hätte er so etwas nicht für möglich gehalten, doch mit der Zeit hatte er sich verändert. Er hatte das Gefühl, nach langer Suche endlich dort angekommen zu sein, wo er im Leben hingehörte. Es war damals die richtige Entscheidung gewesen, nicht in die Firma seines Vaters einzusteigen. Inzwischen hatte sein alter Herr das auch begriffen. Sie verstanden sich wieder besser und nicht jedes ihrer Gespräche endete mehr im Streit. Ben fühlte sich endlich richtig wohl. Und wenn das bedeutete, das ganze dreckige Geschirr vom gestrigen Abend wieder sauber zu kriegen, dann musste das eben sein.


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  • Susanne hatte die Veränderung in Bens Gesichtsausdruck bemerkt und schmiegte sich an ihn. „Na komm, du Held der Küche, ich helfe dir“, bot sie ihm an, „dann können die beiden etwas frische Luft schnappen“ und deutete auf Semir und Andrea. Dabei zwinkerte sie Andrea verschwörerisch zu, was Semir anscheinend nicht bemerkte, denn er hatte sich bereits Richtung Tür gewandt. Er wollte zusehen, dass er schnell hier raus kam, bevor Ben ihn noch dazu überredete, den Küchendienst zu übernehmen. „Oh ja, das wäre prima!“ strahlte Andrea, griff ihre Jacke und verschwand mit Semir im Schlepptau, der nur noch kurz „Tschüss und lass keine Teller fallen!“ rief, in Richtung Waldweg. Sie freute sich auf einen der selten gewordenen ruhigen Spaziergänge zu zweit. Es war wirklich wunderschön in diesem Teil der Eifel. Die Bungalows des Ferienparks lagen weit auseinander und Autos durften hier auch nicht entlang fahren. Man hatte fast das Gefühl, ganz allein zu sein. Es war wirklich eine schöne Abwechslung, mal aus der Stadt raus zukommen, auch wenn es einiges an Überredungskunst gekostet hatte. In gemütlichem Tempo schlenderten die beiden Hand in Hand auf dem schmalen Weg entlang.
    Im Haus ächzte Ben „Endlich allein!“, als er sich mit einem theatralischen Seufzer wieder auf das Sofa fallen ließ, nachdem er schon auf halben Weg zum Spülbecken gewesen war. Susanne setzte sich zu ihm, zog die Beine an und kuschelte sich an seine Brust. Eine Weile saßen die beiden nur so da und genossen die Stille. Ben hatte seinen Arm um ihre Schultern gelegt und wünschte sich, dass es immer so bleiben sollte.
    „Weißt du was?“, sagte Susanne und richtete sich schweren Herzens auf. „Ich springe schnell unter die Dusche, dann helfe ich dir mit dem Rest in der Küche und danach machen wir zwei auch noch was Schönes.“ Ben seufzte, hatte sich doch gerade seine Hoffnung zerschlagen, Susanne würde ihm die ungeliebte Arbeit abnehmen. Aber die Aussicht auf etwas ‚Schönes’ heiterte ihn dann doch wieder etwas auf.
    Als sie dann in ein Handtuch gewickelt wieder aus dem Bad kam, war er sogar schon fast fertig geworden. „Wow, du wirst ja noch zur Küchenfee!“, staunte sie bewundernd. „Hätte ich ja nicht gedacht!“ „Ja, ja, spotte du nur“, entgegnete Ben. „ich habe noch viele andere verborgene Talente.“ „Ach, und die wären?“, fragte Susanne, während sie zu ihm ging. „Das musst du schon selbst herausfinden…“, murmelte Ben, als sie schließlich dicht vor ihm stand. Er wollte gerade nach ihrem Handtuch greifen, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde.

  • Im Türrahmen standen Andrea und Semir, sein Gesicht war schmerzverzerrt. Er presste seine rechte Hand auf die linke Schulter. Unter seinen Fingern quoll Blut hervor. „Um Himmels Willen, was ist passiert?“, rief Susanne, während Ben bereits auf die beiden zueilte, um Andrea zu helfen, Semir auf die Couch zu bugsieren. Dieser war blass und ziemlich wackelig auf den Beinen. „Was ist passiert?“ fragte jetzt auch Ben, nachdem Semir es sich einigermaßen bequem gemacht hatte. „Das wüsste ich auch gerne“, stöhnte Semir mit zusammengebissenen Zähnen, während Andrea ihm vorsichtig half, den Ärmel seines Shirts ganz hoch zu schieben. Sie war bleich und sichtlich um Fassung bemüht, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Hände zitterten. „Ich weiß es auch nicht“, sagte sie mit leiser Stimme. „Wir sind den Waldweg Richtung See entlang gegangen und dann gab es auf einmal einen lauten Knall. Und in dem Moment…“ Sie schluckte. „Das ganze Blut…“ „Lass mich mal sehen“, versuchte Ben mit möglichst ruhiger Stimme zu sagen. Susanne, die sich inzwischen etwas angezogen hatte, zog Andrea mit sanfter Gewalt von Semir weg, so dass Ben einen besseren Blick auf die Wunde hatte. Aber schon seit Andrea von einem Knall gesprochen hatte, wusste er, was er da vor sich hatte. „Susanne, bringst du mir bitte ein paar Tücher? Erst mal muss das Blut weg, damit wir die Wunde besser erkennen können.“ Während Susanne ins Badezimmer ging, trafen sich die Blicke der beiden Polizisten. Ben erkannte an Semirs Blick, dass auch ihm klar war, worum es sich bei der Verletzung handeln musste. Allerdings konnte sich keiner der beiden erklären, wie Semir hier draußen an eine Schussverletzung gekommen sein sollte. Um Susanne und vor allem Andrea nicht mit voreiligen Schlussfolgerungen zu beunruhigen, verschwiegen die beiden im stummen Einverständnis ihre Erkenntnis. Sie wollten lieber erst Gewissheit haben. Diese ließ allerdings nicht lange auf sich warten, denn nachdem Ben die Wunde sorgfältig und vorsichtig gereinigt hatte, ließ es sich nicht mehr verbergen, dass es sich tatsächlich um einen Streifschuss handelte. Glücklicherweise war die Wunde nicht sehr tief, es hatte durch das verschmierte Blut schlimmer ausgesehen, als es eigentlich war. Semirs normale Gesichtsfarbe kehrte auch schon langsam wieder zurück.

  • „Ist es das, wofür ich es halte?“, fragte Andrea entsetzt, als ihr klar wurde, was sie da sah. „Reg’ dich nicht auf Schatz, ist nicht so schlimm“, versuchte Semir das Ganze runter zu spielen. „Nicht so schlimm!?“, brauste Andrea auf. Nachdem auch sie sich vom ersten Schreck erholt hatte, wurde sie langsam wütend. Nicht einmal an einem ruhigen Urlaubswochenende blieb sie von irgendwelchen unvorhergesehenen Ereignissen verschont. Dass ihrem Mann während der Dienstzeit etwas zustoßen konnte, war ihr klar. Mit diesem Gedanken hatte sie gelernt zu leben. Aber hier? Das war einfach zu viel. Und dass Semir nun versuchte, sie für dumm zu verkaufen, machte sie jetzt einfach nur noch wütend. „Irgendjemand schießt hier mitten im Wald auf dich und du findest das nicht so schlimm!?“ fauchte sie ihn an. Susanne fasste Andrea am Arm. Sie konnte ihre Reaktion verstehen, doch im Moment erschien es ihr besser, es nicht zu einem Streit zwischen den beiden kommen zu lassen. „Komm, hilf mir mal, das richtige Verbandzeug zu suchen.“ Unter Semirs dankbaren Blick zog Susanne Andrea von den beiden Männern weg. „Er meint doch nur, dass du dir keine Sorgen um ihn machen sollst. Das wird schon wieder“, hörte Semir Susanne noch leise zu seiner Frau sagen, bevor die beiden aus seinem Blickfeld verschwanden. Dann wandte er sich an Ben. „Und; hast du eine Erklärung dafür?“, fragte er seinen Partner. „Ich meine, ich sehe ja nun wirklich nicht wie ein Reh aus, oder sind die Jäger hier so kurzsichtig?“ „Eher wie ein Wildschwein“, murmelte Ben, allerdings so leise, dass Semir ihn nicht verstehen konnte. „Nee, jetzt mal im Ernst Ben, kannst du dir vorstellen, wie das passiert sein könnte?“ Ben schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung“, sagte er. „Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass hier ein Jäger unterwegs ist, aber was anderes fällt mir auch nicht ein. Oder hast du in letzter Zeit jemanden verhaftetet, der nicht gut auf dich zu sprechen war?“ Semir schüttelte den Kopf. Außerdem, wenn sich jemand an ihm rächen wollte, würde er sich sicher eine effektivere Methode einfallen lassen, als mitten im Wald einen ungenauen Schuss abzugeben.
    In diesem Moment kamen Andrea und Susanne mit dem Verbandsmaterial zurück. Andrea schien sich etwas beruhigt zuhaben, wahrscheinlich hatte Susanne ihr gut zugeredet. Doch an ihrem Gesichtsausdruck konnte man erkennen, dass für sie keineswegs wieder alles in Ordnung war. Sie setzte sich neben Semir und begann, ihren Mann zu verarzten. Man sah, dass es ihm wehtat, doch er biss die Zähne zusammen und gab keinen Laut von sich.

  • „Was machen wir jetzt?“, fragte Susanne, nachdem Andrea fertig war. „Na was wohl; wir machen uns auf den Weg nach Hause. Das muss sich ein Arzt ansehen und außerdem wollten wir sowieso morgen früh fahren“, antwortete Andrea mit fester, auch schon wieder energischerer Stimme; so, wie man es eigentlich von ihr gewohnt war. „Ist gut“, antwortete Ben, bevor Semir etwas sagen konnte, denn es war ihm anzusehen, dass er schon wieder soweit hergestellt war, um widersprechen zu können. Und genau wie Susanne hatte Ben wirklich keine Lust auf einen Streit zwischen Andrea und Semir. Eigentlich hatten sie für den Abend noch ein gemütliches Essen geplant, aber das konnten sie immer noch nachholen. „Dann mach’ ich mich mal auf den Weg zum Wagen“, sagte Ben. Der Parkplatz lag etwas außerhalb des Waldes und Ben hatte einen längeren Fußmarsch vor sich. Es war nur zum Be- und Entladen erlaubt, direkt zu den Bungalows zu fahren. Noch ein Punkt, der Ben auf die Nerven ging. Er schnappte sich die Schlüssel und war zur Tür hinaus, bevor Semir eine Diskussion anfangen konnte. Wie weit war es noch mal zu laufen? Er war ja fit, aber auf solche Fußmärsche konnte er wirklich verzichten. Er war nun einmal ein Stadtmensch. Mit einem verdrießlichen Gesichtsausdruck machte er sich auf den Weg. Er war so in Gedanken versunken, dass er die beiden Gestalten, die auf einmal links am Rande des Weges vor ihm auftauchten, fast nicht bemerkt hätte. So wie sie sich bewegten, schienen es allerdings keine gewöhnlichen Spaziergänger zu sein. Es machte eher den Eindruck, dass sie darauf bedacht waren, nicht gesehen zu werden. Sein Instinkt sagte ihm, dass mit diesen Kerlen irgendetwas nicht stimmte. Dann erkannte er, dass einer etwas an seiner Schulter trug, das die Form eines Gewehres hatte. Bei Ben schrillten alle Alarmglocken. Langsam versuchte er, sich den beiden zu nähern. Er musste sehr vorsichtig sein, er hatte nur Glück gehabt, dass sie ihn noch nicht bemerkt hatten. Es war schwierig, unbemerkt in ihre Nähe zu kommen, da Ben sich am Rande eines steilen Abhangs bewegte. Der Boden war durch die leichten Regenfälle der letzten Tage sehr rutschig geworden. Endlich war nahe genug herangeschlichen, um einige Gesprächsfetzen aufschnappen zu können.
    „… sollen genau hier warten…. Treffpunkt… abholen“, sagte der größere der beiden. „… getroffen…. Arm…Blut… hat gereicht…Auftrag…“, vernahm Ben dann die Stimme des anderen. Ben stockte der Atem. Hatten sie auf Semir geschossen? Warum um alles in der Welt hatten sie das gemacht? Und wer war der Auftraggeber?

  • „Was machen wir jetzt?“, fragte Susanne, nachdem Andrea fertig war. „Na was wohl; wir machen uns auf den Weg nach Hause. Das muss sich ein Arzt ansehen und außerdem wollten wir sowieso morgen früh fahren“, antwortete Andrea mit fester, auch schon wieder energischerer Stimme; so, wie man es eigentlich von ihr gewohnt war. „Ist gut“, antwortete Ben, bevor Semir etwas sagen konnte, denn es war ihm anzusehen, dass er schon wieder soweit hergestellt war, um widersprechen zu können. Und genau wie Susanne hatte Ben wirklich keine Lust auf einen Streit zwischen Andrea und Semir. Eigentlich hatten sie für den Abend noch ein gemütliches Essen geplant, aber das konnten sie immer noch nachholen. „Dann mach’ ich mich mal auf den Weg zum Wagen“, sagte Ben. Der Parkplatz lag etwas außerhalb des Waldes und Ben hatte einen längeren Fußmarsch vor sich. Es war nur zum Be- und Entladen erlaubt, direkt zu den Bungalows zu fahren. Noch ein Punkt, der Ben auf die Nerven ging. Er schnappte sich die Schlüssel und war zur Tür hinaus, bevor Semir eine Diskussion anfangen konnte. Wie weit war es noch mal zu laufen? Er war ja fit, aber auf solche Fußmärsche konnte er wirklich verzichten. Er war nun einmal ein Stadtmensch. Mit einem verdrießlichen Gesichtsausdruck machte er sich auf den Weg. Er war so in Gedanken versunken, dass er die beiden Gestalten, die auf einmal links am Rande des Weges vor ihm auftauchten, fast nicht bemerkt hätte. So wie sie sich bewegten, schienen es allerdings keine gewöhnlichen Spaziergänger zu sein. Es machte eher den Eindruck, dass sie darauf bedacht waren, nicht gesehen zu werden. Sein Instinkt sagte ihm, dass mit diesen Kerlen irgendetwas nicht stimmte. Dann erkannte er, dass einer etwas an seiner Schulter trug, das die Form eines Gewehres hatte. Bei Ben schrillten alle Alarmglocken. Langsam versuchte er, sich den beiden zu nähern. Er musste sehr vorsichtig sein, er hatte nur Glück gehabt, dass sie ihn noch nicht bemerkt hatten. Es war schwierig, unbemerkt in ihre Nähe zu kommen, da Ben sich am Rande eines steilen Abhangs bewegte. Der Boden war durch die leichten Regenfälle der letzten Tage sehr rutschig geworden. Endlich war nahe genug herangeschlichen, um einige Gesprächsfetzen aufschnappen zu können.
    „… sollen genau hier warten…. Treffpunkt… abholen“, sagte der größere der beiden. „… getroffen…. Arm…Blut… hat gereicht…Auftrag…“, vernahm Ben dann die Stimme des anderen. Ben stockte der Atem. Hatten sie auf Semir geschossen? Warum um alles in der Welt hatten sie das gemacht? Und wer war der Auftraggeber?

  • Er musste unbedingt näher heran. ‚Verdammt, wieso hatte er seine Waffe nicht dabei’ fluchte er innerlich. Ben war so darauf konzentriert, die beiden nicht aus den Augen zu lassen und dichter an sie heran zu kommen, dass er nicht bemerkte, dass der Boden unter ihm merklich ins Rutschen kam. Als es ihm endlich auffiel, war es schon zu spät. Sein linkes Bein knickte weg. Er versuchte, sich abzufangen, doch der aufgeweichte Boden ließ ihn kein Gleichgewicht finden. Er geriet immer mehr ins Schlingern und versuchte verzweifelt, den Ast eines Baumes zu erwischen, doch es gelang ihm nicht. Dass er bei dieser Aktion einen ziemlichen Lärm verursachte, war ihm in dem Augenblick egal, denn wenn er diesen Berg hinunterstürzte, würde das nicht ohne erhebliche Verletzungen vonstatten gehen. Und was am Ende des Abhangs auf ihn wartete, wollte er lieber gar nicht wissen. Doch genau das würde er jetzt erfahren, denn Ben schaffte es nicht mehr, auf den Beinen zu bleiben. Das lockere Stück Erde, das bis jetzt noch seinem rechten Bein Halt geboten hatte, rutschte nun endgültig abwärts. Die dürren Zweige der Büsche vor ihm hatten ihm mit ihren Blättern zwar die notwendige Deckung verschafft, aber sie waren zu dünn, als dass er sich daran festklammern konnte. Sie glitten durch seine Finger, nicht ohne blutige Striemen auf seinen Handinnenflächen zu hinterlassen. Vom plötzlichen Schmerz überrascht ließ Ben los und verlor somit das letzte bisschen Halt. Er versuchte, sich im Fallen auf die Seite zu drehen, um nicht mit der vollen Wucht seines Sturzes auf dem Rücken zu landen. Dieser Versuch war nur teilweise erfolgreich, denn dabei prallte er mit der Schulter gegen einen großen Gesteinsbrocken, der aus der Erde herausragte. Ein starker Schmerz durchfuhr seinen Körper und machte ihn für einen Moment so benommen, dass er seinen Fall nicht mehr kontrollieren konnte. Die große Wurzel eines vom letzten Sturm gefällten Baumes stoppte ihn schließlich. Er prallte erneut mit der Schulter gegen das Holz, so dass er vor Schmerz laut aufstöhnte, aber wenigstens schlug er dafür nicht so hart mit dem Kopf auf. Dennoch reichte es, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Er versuchte krampfhaft, bei Bewusstsein zu bleiben, zumal er zu erkennen glaubte, dass sich zwei Personen schnell auf ihn zu bewegten. Auch sie hatten ihre Probleme, nicht zu stürzen, doch gleich würden sie bei ihm sein.

  • Feeds?



    Doch Ben verlor den Kampf gegen die Bewusstlosigkeit. Er bekam nicht mehr mit, dass mit einem Gewehr auf ihn gezielt wurde. Auch die Worte „Nein, dass ist Jäger, den brauchen sie noch!“ hörte er nicht. Das nächste, was in sein Bewusstsein drang, war eine Frauenstimme, die seinen Namen rief. Zuerst klang es so, als wäre sie weit weg. Doch langsam schien sie immer näher zu kommen. Ben wünschte sich, sie würde wieder weg gehen, denn je mehr er zu Bewusstsein kam, desto mehr spürte er seinen Körper und das gefiel ihm im Moment überhaupt nicht. Seine Schulter fühlte sich an, als würde eine Armee von Sadisten mit dem Hammer darauf einschlagen und ein weiterer Trupp war in seinem Kopf unterwegs, wenngleich es dort nicht ganz so schlimm zu sein schien. Dennoch versuchte er, langsam die Augen zu öffnen. Das erste was er sah, war der besorgte Blick von Susanne. Sie kniete vor ihm und strich vorsichtig über seinen Arm. Etwas weiter oben am Hang standen Semir und Andrea. Sie schien auf ihn einzureden, dass er nicht weiter im Wald herumkraxeln sollte. Trotz allem musste Ben bei diesem Anblick leicht grinsen, was auch Susanne nicht entging. Sie hatte inzwischen aufgehört, seinen Namen zu rufen und sah ihn mit einem Blick an, dessen Ausdruck irgendwo zwischen besorgt und genervt lag. „Dich kann man ja keine Minute allein lassen“, sagte sie leicht vorwurfsvoll, aber gleichzeitig auch in fürsorglichem Ton. „Halb so wild“, log Ben krächzend, „hilf mir mal hoch.“ Susanne griff nach seinen Armen und half ihm, sich in eine sitzende Position zu bringen. Bens Schulter schmerzte fast unerträglich, doch er wollte sich so wenig wie möglich anmerken lassen, wie schlecht es ihm ging. Er war hier nicht die Hauptperson, es war nur wichtig, schnellstmöglich von hier weg zu kommen, um Semir zu einem Arzt zu bringen. „Komm’, ich helfe dir“, bot Susanne an, die inzwischen mehr besorgt als genervt war, da ihr nicht entgangen war, wie sehr Ben versuchte, sich zusammen zu reißen. Sie kannte ihn schon viel zu gut, als dass er ihr ernsthaft etwas vormachen konnte. „Wie ist das überhaupt passiert?“, fragte sie ihn, um für ein wenig Ablenkung zu sorgen, während Ben sich mit ihrer Hilfe hoch rappelte und sich beide langsam wieder an den Aufstieg machten. Ben überlegte einen Moment. Eine gute Frage. Wie war er eigentlich hierher gekommen? Er war irgendwie den Abhang hinuntergestürzt und mit dem Kopf gegen den Baum geknallt. Und die Schulter musste er sich auch hier irgendwo angeschlagen haben. An mehr konnte er sich im Augenblick nicht erinnern. Und so konnte er nur sagen: „Ich weiß auch nicht. Ich bin wohl zu dicht am Rand gelaufen und weggerutscht. Der Boden ist ja ziemlich aufgeweicht.“ Während seiner Worte hatte er das Gefühl, dass bei dieser Schilderung etwas nicht stimmte, doch er kam einfach nicht darauf, was es sein könnte. Susanne sah ihn noch einen Moment gedankenverloren an. Dann konzentrierte sie sich wieder darauf, heil den Berg hinauf zu kommen.

  • Es war nicht einfach für Ben, doch Suanne stütze ihn, so gut es ihr möglich war. Er versuchte, ihr so wenig wie möglich zur Last zu fallen, doch natürlich bemerkte sie, dass nicht alles in Ordnung war, sagte aber nichts. Ben versuchte, seinen Arm so wenig wie möglich zu bewegen, was ziemlich schwierig war, wenn man versuchen wollte, das Gleichgewicht zu halten. Nun gut, eine Prellung war sehr schmerzhaft, aber nichts Ernstes. Zumindest hoffte Ben, dass mit seiner Schulter nichts Schlimmeres passiert war. Und gegen die Kopfschmerzen gab es Aspirin. Als sie endlich wieder den Weg erreicht hatten und es nur noch geradeaus weiterging, fiel ihm das Ganze schon erheblich leichter. Semir sah ihn mitleidig an. „Wir sind schon zwei Helden. Wenn wir schon bei der Arbeit nichts kaputt machen können, zerlegen wir uns halt selber.“ Ben grinste, sah dann Andreas eisigen Blick und zog es vor zu schweigen.
    Nachdem das Quartett endlich den Wagen erreicht, das Gepäck abgeholt hatte und auf dem Weg nach Hause war, schien Semir seinen ersten Schreck völlig überwunden zu haben. Es ging ihm sogar schon wieder so gut, dass er anfing, darüber zu spekulieren, ob ihn der Jäger mit einem Reh oder doch mit einem Wildschwein verwechselt hätte. Bei letzterer Vermutung blickte er mit vorwurfsvollem Blick zu Ben, der sich allerdings eine Erwiderung verkniff, da er Andreas Gesichtsausdruck noch gut in Erinnerung hatte. Semir hingegen wich den Blicken seiner Frau geschickt aus. Das war eben seine Art damit umzugehen. Andrea wusste dies, nur deswegen tolerierte sie Semirs lautstarke Überlegungen. Ihm war wohl bewusst, dass er großes Glück gehabt hatte, nur mit einem Streifschuss davongekommen zu sein. Dieser war zwar sehr unangenehm, aber mit der richtigen Versorgung nicht weiter schlimm. Ben hingegen verspürte einen starken Schmerz in der Schulter und begann zu überlegen, ob die Verletzung nicht doch über eine Prellung hinausging. Als er sich einmal die Schulter ausgerenkt hatte, war es ihm ähnlich schlecht gegangen. Aber er biss die Zähne zusammen und versuchte weiterhin, sich nichts anmerken zu lassen. Er würde morgen früh vor Dienstbeginn zum Arzt gehen, im Moment sehnte er sich nur nach einer heißen Dusche und seinem Bett. Es war jetzt schon genug Belastung für alle, dass Semir verletzt war. Außerdem wollte er nicht schwach erscheinen. Die anderen hatten sich in letzter Zeit genug um ihn gekümmert. Es war ihm schon unangenehm genug, dass er nicht einmal in der Lage gewesen war, den Weg zum Wagen unfallfrei zurück zu legen. Er hatte zwar immer noch keine Ahnung, warum er den Berg hinunter gestürzt war, aber er war sich inzwischen sicher, dass irgendetwas gewesen sein musste, aber er kam einfach nicht darauf. Wenigstens waren die Kopfschmerzen nicht ganz so schlimm, aber eine dicke Beule würde es bestimmt geben. Er riskierte einen vorsichtigen Seitenblick auf Susanne, aber sie schien sich einfach auf die Straße zu konzentrieren. Wahrscheinlich wollte sie einfach, dass wenigstens jetzt nichts mehr dazwischen kam.

  • Sie hatte länger Urlaub als die anderen, da sie am nächsten Tag zu ihrem alljährlichen Trip mit ihren alten Schulfreundinnen starten würde. Eine Woche lang waren sie dann immer unterwegs. Diesmal sollte es nach Berlin gehen.
    Ben wollte auf gar keinen Fall, dass sie sich Sorgen um ihn machte, oder schlimmer noch, langsam genervt davon wurde, dass er schon wieder lädiert war. Sie war schließlich Sekretärin und keine Krankenschwester. Sie hatte sich wirklich genug um ihn gekümmert und so nahm Ben sich fest vor, sie nicht merken zu lassen, wie schlecht es ihm wirklich ging. Susanne hatte vor, ihn und die beiden anderen Passagiere nur zu Hause abzusetzen. Danach wollte sie direkt in ihre Wohnung fahren, um ihre Reisevorkehrungen für den Morgen zu treffen. Ben hoffte daher, sie würde nicht allzu viel bemerken.
    „Soll ich euch direkt ins Krankenhaus fahren?“, fragte Susanne an Andrea und Semir gewandt. „Ne, lass mal, ist nicht nötig, ist ja nur ein Kratzer“, entgegnete Semir. „Du kannst uns nach Hause bringen, wir müssen ja auch unsere Sachen ausladen“, antwortete Andrea „Wir fahren dann selber in die Klinik“, fügte sie dann hinzu. Semir hatte schon erleichtert ausgeatmet und wollte jetzt widersprechen, doch Andrea ließ ihm keine Chance. „Auch wenn du Krankenhäuser nicht ausstehen kannst, muss sich das ein Arzt ansehen. Wer weiß, was da für Bakterien rein geraten sind.“ Semir stöhnte gespielt auf, aber er wusste, dass Andrea Recht hatte und sagte weiter nichts.
    „Also dann, gute Besserung“, wünschte Susanne, als sie die beiden abgesetzt hatte. „Danke und viel Spaß in Berlin“, antwortete Andrea, bevor sie mit Semir im Haus verschwand. „Und was ist mit dir?“, fragte Susanne Ben, nachdem sie wieder losgefahren war. „Och, mir geht es soweit ganz gut“, entgegnete Ben betont gleichmütig. „Na ja, ich hab’ ein bisschen Kopfschmerzen“, schränkte er ein, „aber ich werfe mir gleich eine Tablette ein und dann wird das schon wieder. Das gibt bestimmt eine dicke Beule.“ Mit diesen Worten zog er die Stirn in Falten und sah sie mit großen Augen an. Die Schulter erwähnte er lieber nicht. Susanne sah ihn einen bangen Moment lang prüfend an und lachte dann auf. „Ja, ja, erst nicht wissen, wie man einen Fuß vor den anderen setzen muss und jetzt um Mitleid betteln“ Ben ließ ein empörtes Schnauben hören. Er war insgeheim allerdings heilfroh, dass Susanne nicht aufgefallen war, dass seinen Arm nur mühsam bewegen konnte. Sie war auf das Fahren konzentriert gewesen, so dass sie dafür anscheinend keinen Blick gehabt hatte. Jetzt kam es nur noch darauf an, sie restlos zu überzeugen, dass sie ihn ruhigen Gewissens allein lassen konnte.

  • „Nein, jetzt mal ehrlich, bist du wirklich o.k.?“ fragte Susanne ihn mit ernstem Gesichtsausdruck. „Mit fehlt nichts, was man nicht mit einer Portion Schlaf und einem Aspirin kurieren könnte“, log Ben, wobei er allerdings ein ziemlich schlechtes Gewissen hatte. Eigentlich hatte Susanne es nicht verdient belogen zu werden, aber es war ja nur eine Notlüge zu ihrem Besten. Schließlich sollte sie die Tour mit ihren Freundinnen genießen. Doch das schlechte Gefühl blieb. Aber wenn alles glatt lief, würde sie in einer Woche gar nicht merken, dass da etwas gewesen war. „Ich möchte, dass du dir in Berlin eine tolle Zeit machst“, sagte er noch. „Setz mich einfach zuhause ab, so wie wir es vereinbart hatten und sieh zu, dass du dann ins Bett kommst. Du musst morgen früh raus und es ist schon spät.“„Ist gut, wenn du meinst, dass du fit bist“, antwortete Susanne. Ben nickte nur noch einmal bekräftigend, was ihm erneut Kopfschmerzen einbrachte, sagte aber nichts mehr.
    Als sie seine Wohnung erreicht hatten, verabschiedete sich Ben gerade so schnell von Susanne, wie es möglich war, ohne dass es ihr seltsam vorkommen musste. Auch dabei schob er wieder ihre frühe Abreise vor und die Tatsache, dass sie noch neu packen musste. Erleichtert öffnete er schließlich die Haustür und machte sich auf den Weg in seine Wohnung. Dort angekommen ließ er die Tasche auf den Boden und sich aufs Sofa fallen. Doch kaum dass er sich etwas entspannt hatte und leicht weggedöst war, klingelte es schon wieder an der Tür. „Och ne, wer ist das denn jetzt noch?“ maule er und quälte sich vom Sofa hoch. Susanne konnte es nicht sein, sie würde mit ihrem Schlüssel reinkommen. Vielleicht diese nervigen Nachbarn aus dem zweiten Stock. „So komme ich wenigstens noch zu meiner Tablette“, murmelte er auf dem Weg zur Tür vor sich hin. Ohne durch den Spion zu schauen, öffnete er die Tür. Mit dem, was dann passierte hatte er allerdings überhaupt nicht gerechnet.

  • Als die Tür einen Spalt breit offen war, wurde sie von außen mit Schwung in die Wohnung geworfen. In seiner derzeitigen Verfassung hatte Ben überhaupt keine Chance, diesen Angriff abzuwehren. Gewaltsam wurde er von einem großen, breitschultrigen Kerl durch den Flur zurück ins Wohnzimmer gedrängt. Hinter seinem Angreifer folgten zwei weitere Gestalten. Alle trugen schwarze Kleidung und Handschuhe. Letzteres registrierte Ben nur am Rande, er spürte es eher, als dass er es sah, denn der Typ hatte mit seiner rechten Hand Bens Hals fest umklammert während er ihn zurück drängte. Was Ben auch Sorgen machte, war die Tatsache, dass seine Angreifer maskiert waren, nur die Augen konnte man durch schmale Schlitze erkennen. Ben war von seinem Sturz viel zu angeschlagen und vom Eindringen der Maskierten viel zu sehr überrascht, als dass er ernsthafte Gegenwehr hätte leisten können. Er hatte keine Ahnung, was diese Leute von ihm wollten. Im Wohnzimmer angekommen wurde er auf die Couch gezwungen. Sein Peiniger stand seitlich neben ihm und drückte ihn tief in das Polster. Langsam hatte Ben Probleme, richtig Luft zu bekommen. Vor seinen Augen begannen schwarze Sternchen zu flimmern. Seiner Schulter gefiel die ruppige Behandlung überhaupt nicht und die Schmerzen, die vorher auszuhalten gewesen waren, machten sich zu neuen Höhenflügen auf. Aus den Augenwinkeln sah Ben, dass einer der Kerle begann, sich in seiner Wohnung umzusehen und schließlich aus dem Wohnzimmer verschwand. Der dritte setzte sich Ben gegenüber in den Sessel und schlug die Beine übereinander. Er schien das Sagen zu haben, denn als er leicht nickte, verringerte sich der Druck um Bens Hals etwas und das Flimmern verschwand.
    „Ich wünsche Ihnen einen schönen guten Abend Herr Jäger“, begann er mit gespielt freundlicher Stimme. „Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Urlaub“, fügte er dann noch im Plauderton hinzu. „Was wollen Sie von mir?“ flüsterte Ben mit gepresster Stimme. „Nun, ich möchte Sie nur um einen kleinen Gefallen bitten, danach werden wir Sie auch nicht weiter belästigen“, kam der Mann nach kurzer Pause zur Sache. Der bedrohliche Unterton, der seine Stimme begleitete passte nicht wirklich zu diesen Worten. Ben zog es vor, erst einmal zu schweigen.

  • „Ihr Kommissariat hat den Auftrag erhalten, übermorgen einen Werttransport zu begleiten und ich möchte das Transportgut haben.“ Ben schwieg weiter. In seinem Kopf und seiner Schulter pochte es unentwegt, so dass er kaum in der Lage war, klar zu denken. „Sie werden dafür sorgen, dass ich es bekomme“, fuhr der Maskierte fort. „Und was habe ich damit zu tun?“ fragte Ben nun doch. „Ganz einfach. Sie werden mir morgen die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen bezüglich des Transportes zukommen lassen. Uhrzeiten, beteiligte Beamten… Sie wissen schon, was ich meine. Sie haben durch Ihre Tätigkeit beim LKA noch die nötige Sicherheitseinstufung, um auf die entsprechenden Daten zuzugreifen. Vertraulich natürlich. Ich gehe davon aus, dass sie Niemanden über unser kleines Gespräch informieren“ Damit war für Ben auch klar, warum ausgerechnet er wieder in so eine Lage geraten musste. Langsam fragte er sich, warum er nicht gleich zur Kripo gegangen war. Das LKA schien ihm nur Pech zu bringen. „Und wie kommen Sie darauf, dass ich das tue?“ fragte Ben. „Nun“, der Mann schien unter der Maske zu grinsen. „Sie wollen doch sicher nicht, dass Frau Gerkan ihren Mann bei einem tragischen Jagdunfall verliert. So etwas kann immer mal passieren, wenn man in der Eifel durch die Wälder streift. Die beiden machen ja öfter Ausflüge dorthin.“ Ben stockte der Atem und es lief ihm heiß und kalt den Rücken hinunter. Diese Typen hatten also auf Semir geschossen. Er hatte sich auch nicht wirklich vorstellen können, dass es ein Unfall gewesen war. Aber dass so etwas dahinter steckte, hätte er nicht im Entferntesten vermutet. Er hatte das Gefühl, einen heftigen Tritt in den Magen bekommen zu haben. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Doch er bekam keine Gelegenheit, weiter darüber nachzudenken. „Sie wissen, was Sie zu tun haben. Wir werden Sie morgen im Laufe des Tages kontaktieren. Denken Sie daran: Kein Wort zu ihrem Partner oder sonst jemanden, die Konsequenzen sind Ihnen bekannt. “ „Und wie kann ich wissen, dass Sie nicht immer wieder kommen?“ fragte Ben dann doch noch. „Das können Sie nicht wissen. Sie werden uns vertrauen müssen.“ Bevor Ben dazu noch etwas erwidern konnte, nickte der Mann seinem Untergebenen, der Ben festhielt, erneut zu und das nächste, was Ben wahrnahm, war eine Faust, die in sehr schneller Geschwindigkeit in seinem Gesichtsfeld auftauchte. Ein heftiger Schlag schickte ihn in die Bewusstlosigkeit. Die drei Kerle verschwanden so schnell und unauffällig wieder, wie sie gekommen waren.

  • Als Ben am nächsten Morgen auf der Couch erwachte, fühlte er sich wie gerädert. Sein Schädel brummte und die Schulter fühlte sich auch nicht wirklich besser an. Er sah an sich herunter und stellte noch etwas desorientiert fest, dass er die Nacht in seinen staubigen und dreckigen Klamotten vom Vortag verbracht hatte. Warum hatte er sich eigentlich nicht umgezogen? War er zu müde gewesen? Doch dann fiel ihm wieder ein, was gestern Abend passiert war. Drei Männer waren in seiner Wohnung gewesen und hatten ihn bedroht! Ruckartig setzt er sich auf. Er kümmerte sich nicht, dass Kopf und Schulter vehement dagegen protestierten. Ben stand langsam auf und begann, sich in seiner Wohnung umzusehen. Er ging durch Wohn- und Schlafzimmer, schaute in Bad, Küche und Gästezimmer nach. Doch nirgendwo fand sich eine Spur des nächtlichen Besuchs. Ben begann langsam, seinen eigenen Erinnerungen zu misstrauen. War er von seinem Sturz im Wald so angeschlagen, dass er schon Wahnvorstellungen hatte? Aber es war so real gewesen, konnte es denn wirklich sein, dass er das alles nur geträumt hatte?
    Doch als sein Blick auf den Schrank im Flur fiel, sah er es. Ein unbeteiligter Betrachter hätte es für eine simple Reisebroschüre halten können, doch Ben war klar, dass dies hier als Warnung für ihn zurückgelassen worden war. In einem Hochglanzprospekt wurde für Ausflüge in die Eiffel geworben. ‚Genießen Sie die Stille in der unberührten Natur’ lautete ein Slogan. Wie zum Hohn konnte man hingegen auf einer anderen Aufnahme nur allzu deutlich einen Hochsitz erkennen. Und selbst wenn Ben jetzt noch Zweifel gehabt hätte, wären sie durch die rote Farbe, mit der dieser Hochsitz umkreist worden war, ausgeräumt worden. Wie hypnotisiert blieb Ben stehen und starrte auf die Bilder. Seine Gedanken fuhren Achterbahn. Es war keine Einbildung gewesen. Diese Typen waren wirklich da gewesen und erpressten ihn. Man hatte auf Semir geschossen, um ihm unmissverständlich klarzumachen, wie ernst die ganze Sache gemeint war. Und diese Tat zeigte schon ihre Wirkung auf Ben. Wären die drei nur in bei ihm zuhause gewesen, hätte er jetzt als allererstes Semir angerufen, doch konnte er das unter diesen Umständen riskieren? Wurde er beobachtet, vielleicht sogar sein Telefon abgehört? Hatten sie entsprechende Vorkehrungen getroffen, während er bewusstlos gewesen war? Nachdem, was geschehen war, traute er diesen Leuten alles zu. Ben atmete tief durch und überschlug seine Möglichkeiten. Es schien sich um absolute Profis zu handeln, es konnte nicht einfach gewesen sein, den Anschlag auf Semir zu planen und durchzuführen, ohne entdeckt zu werden.

  • Ben sah auf die Uhr. Er musste dringend ins Büro, um dort direkt mit Semir zu reden. Er sah noch einmal an sich herunter. Nein, so konnte er dort nicht auflaufen, in diesem Zustand und Aussehen würde man ihn wohl kaum ernst nehmen. Wahrscheinlich würde die Chefin ihn sofort wieder nach Hause schicken, wenn er ihr so unter die Augen kam. Er würde sowieso zu spät kommen, da machten die 5 Minuten auch keinen Unterschied mehr. Also entschied er sich für eine kurze Dusche.
    Als er dann endlich in frischen Klamotten im Büro ankam, war Semir noch nicht zu sehen. Auf dem Weg hatte Ben bereits überlegt, wie er die ganze Sache angehen sollte. Er hatte sich verschiedene Erklärungen zu Recht gelegt und wieder verworfen. Wie sollte man auch jemandem auf schonende Weise beibringen, dass man als Druckmittel auf ihn geschossen hatte und dass die Gefahr noch nicht vorbei war? ‚Das Beste ist wohl, ihm das Ganze auf direktem Wege zu erklären’, hatte Ben schließlich gedacht, als er auf den Parkplatz gefahren war. Doch noch bevor er sich auf die Suche nach Semir machen konnte, wurde er von der Chefin ins Büro gerufen. Dort traf er auf seinen Partner und einen ihm unbekannten Mann, so dass er keine Gelegenheit hatte, mit ihm zu reden.
    „Herr Jäger, schön, das Sie jetzt auch da sind “, begrüßte ihn die Chefin etwas zu freundlich. Ben war leicht irritiert, da er eher mit einem Rüffel gerechnet hatte. „Herr Gerkan hat mir berichtet, was vorgefallen ist. Geht es Ihnen soweit gut, dass Sie arbeiten können?“ fragte sie dann noch. Ben nickte nur, während er sich fragte, ob Semir auch seine Schusswunde erwähnt hatte. Ein Blick auf seinen Partner verriet ihm allerdings schnell, dass dem nicht so war. „Nun ja“, fuhr Frau Krüger fort, „wie ich bereits eben Herrn Gerkan erläutert habe, ist Herr Wagner der Journalist, der Sie heute begleiten wird.“ Der Mann im schwarzen Anzug nickte Ben freundlich zu, was dieser erwiderte. Er erinnerte sich jetzt auch wieder an die Notiz, in der die Chefin auf dieses Arrangement hingewiesen hatte. Sie hatten diese vor ein paar Wochen bekommen, gelesen und dann gleich wieder vergessen, da sie mit anderen Dingen beschäftigt gewesen waren. Frau Krüger hatte mal wieder irgendetwas von positiver Öffentlichkeitsarbeit und Imagewechsel erzählt. Von Präsentation und Dokumentation ihrer Arbeit war auch die Rede gewesen. Daher rührte wohl auch ihre aktuelle Freundlichkeit. Bei Frau Engelhardt hätte es so etwas wohl kaum gegeben, sie hätte ihre Leute eher in Ruhe arbeiten lassen.

  • „Ich freue mich, Sie kennen zu lernen“, kam es von Herrn Wagner. „Ich bin sehr gespannt darauf, Sie bei Ihrer Arbeit zu begleiten und einen Einblick in den Berufsalltag eines Kommissars zu erhalten.“ „Hauptkommissar“, verbesserten Ben und Semir gleichzeitig und sogar Ben musste kurz grinsen. „Und worüber schreiben Sie sonst, wenn Sie nicht gerade mit uns auf Verbrecherjagd gehen?“ fragte Semir nur der Höflichkeit halber. „Oh, eigentlich ist das hier gar nicht mein Metier; ich bin nur kurzfristig für einen erkrankten Kollegen eingesprungen. Normalerweise bin eher für die Reisereportagen zuständig. Gerade erst am Wochenende war ich in der Eifel. Eine sehr schöne Gegend dort. Ich habe dort einen Jäger begleitet. Vielleicht fahre ich bald wieder dorthin und schreibe eine Fortsetzung. Das hängt allerdings davon ab, wie sich diese Sache hier gestaltet.“
    Semir nickte nur, so ausführlich hatte er es gar nicht wissen wollen. Er wandte sich bereits zum Gehen. Wagners Blick hingegen ruhte auf Ben, der verzweifelt versuchte, die Fassung zu bewahren und sein Entsetzten zu verbergen. Er konnte kaum glauben, was er da gerade gehört hatte. Das konnte doch kein Zufall sein! Ben war sich sicher, dass Wagner mit den drei Typen, die ihn überfallen hatte zusammenarbeite. War er seine Kontaktperson? Oder sollte er darauf aufpassen, dass Ben niemandem etwas sagte? Wagner sprach weiter: „Meine Interessen sind weit gefächert. Das ist das Schöne an meinem Beruf. Ich kann überall meine Nase hinein stecken. Aber jetzt werde ich mich nur an ihre Fersen heften und ihnen über die Schulter schauen.“ Das letzte Wort betonte er besonders deutlich, doch nur Ben wusste, was damit gemeint war. Damit hatte er soeben die Bestätigung für seine Vermutung erhalten. „Aber keine Sorge, ich werde Ihnen nicht im Weg sein“, setzte er noch hinzu. Bei Semir konnte man nur noch ein Nicken erkennen. Er wusste, dass es das Einfachste war, jetzt mitzuspielen. Frau Krüger schien die Sache wirklich am Herzen zu liegen, warum also nicht. Er würde es zwar nie offen zugeben, aber er fand, dass ihre neue forsche Art allen im Büro ganz gut tat, zumindest, nachdem sie sich daran gewöhnt hatten. Auf einen Reporter so dicht an seiner Seite hatte er zwar eigentlich keine Lust, aber wenn sie meinte, dass es gut für’s Image war, warum dann eigentlich nicht. Er würde den Tag schon durchstehen. Außerdem schien dieser Wagner kein übler Kerl zu sein.

  • Ganz anders sah es allerdings in Ben aus. Er bemühte sich krampfhaft, sich nicht anmerken zu lassen, wie es ihm ging. Sollte ihn jemand auf sein merkwürdiges Verhalten ansprechen, könnte er es auf seine Verletzungen schieben. Er musterte den Reporter von der Seite. Eigentlich sah er nicht wie ein skrupelloser Verbrecher aus, aber was hieß das schon. Er selbst sollte am Besten wissen, dass man einen Menschen kaum nach seinem Äußeren beurteilen konnte. Sonst hätte man ihm auch kaum den Kripobeamten abgenommen. Immer verwuschelte, etwas zu lange braune Haare und auch die Jeans und seine geliebten Bikerboots schienen eigentlich nicht zu seinem Berufsbild zu passen. Aber die Kollegen, die mit ihm arbeiteten, hatten schnell gemerkt, dass sie es mit einem seriösen Ermittler zu tun hatten. Obwohl, dass mit dem seriös könnte sich nach heute schnell erledigt haben, wenn er sich entschied zu tun, was diese Leute verlangten. Doch eigentlich hatte er seine Wahl schon getroffen. Er würde die verlangten Informationen besorgen, denn er sah keine Möglichkeit, jetzt noch mit Semir oder einem anderen Kollegen darüber zu reden. Diese Verbrecher hatten gut vorgesorgt und alles genau geplant. Sie hatten anscheinend genau gewusst, was sie zu tun hatten, damit Ben tat, was sie verlangten. Er konnte einfach nicht riskieren, dass seinem besten Freund und Partner etwas zustieß. Und falls ihn das seine Karriere oder seinen Job kostete, wenn schon! Seine berufliche Zukunft war nichts im Vergleich zu dem, was passieren könnte. Semir war der beste Freund, den er je gehabt hatte. Ihm schien kein Preis zu hoch dafür zu sein, um ihn zu schützen. Auch wenn er dafür seine Ideale, alles woran er glaubte und wofür er kämpfte, verraten müsste. Das war etwas, das er mit sich selbst ausmachen musste.

  • „So, Herr Kollege, wollen wir dann mal?“, sprach ihn Semir an, dem nicht entgangen war, dass Ben über irgendetwas nachgrübelte. „Ja, ja, ich komm’ gleich“, antwortete Ben schnell, „Warum zeigst du Herrn Wagner nicht schon mal unseren Fuhrpark, ich muss nur noch kurz was am PC gucken.“ Wenn er sich schon dafür entschieden hatte, wollte er es auch so schnell wie möglich hinter sich bringen. Semir nickte und verschwand mit Wagner nach draußen, während sich Ben an seinen Schreibtisch setzte. Seine Hände zitterten leicht, als er seine Zugangsdaten eingab, um an die gewünschten Informationen zu kommen. Er blickte sich im Büro um, ob ihn jemand beobachtete, aber natürlich waren die Kollegen mit ihrer üblichen Arbeit beschäftigt. Für sie war alles völlig normal und warum sollten sie sich für die Tatsache interessieren, dass Ben an seinem Computer saß? Er schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Was für ein beschissenes Gefühl, all diese Menschen in einem Augenblick zu hintergehen und zu einem Verräter zu werden. Ja, ein Verräter, genau das war er, da konnten die Umstände noch so furchtbar sein, an dieser Tatsache ließ sich nichts ändern. Er wurde zu jemandem, dem seine Kollegen eigentlich nicht mehr vertrauen durften.
    Inzwischen waren die verlangten Daten auf dem Bildschirm erschienen. Ben druckte diese aus und zwang sich, nicht weiter darüber nachzudenken, was er hier gerade machte. Wenn er das tat, würde er es vielleicht doch nicht über sich bringen, aber es musste sein. Er griff das Papier, schaltete den Rechner aus und folgte Semir zum Parkplatz.
    Bis auf die Begleitung des Reporters, der sich wirklich zurückhielt und die beiden zumindest nicht offensichtlich bei der Arbeit störte, wurde es ein eher langweiliger Tag mit vielen Routineaufgaben. Zumindest stellt sich das Ganze so für Semir da. Ben hingegen stand permanent unter Anspannung und beobachtete Wagner so oft wie es möglich war, ohne dass es auffiel. Für’s erste konnte er aber keine Anzeichen dafür erkennen, dass Wagner die Informationen von ihm einfordern würde. Als dann aber am frühen Nachmittag sein Handy klingelte und eine unbekannte Nummer angezeigt wurde, ahnte Ben, dass es nun tatsächlich so weit sein könnte. Unter einem Vorwand entschuldigte er sich und nahm das Gespräch an. Tatsächlich erkannte er die Stimme des Mannes, der auch schon in der Wohnung der Wortführer gewesen war. „Nun Herr Jäger, ich gehe davon aus, dass Sie die gewünschten Informationen beschaffen konnten.“ Ben schwieg. Was sollte er auch dazu schon sagen. Sein Erpresser hatte sich gut informiert, er schien zu wissen, dass Ben für seine Freunde so ziemlich alles tun würde, was man von ihm verlangte.

  • „Wenn Sie mir dann jetzt einfach die Daten durchgeben würden… Ach ja, und es wäre besser, wenn Sie nicht auf die Idee kämen, raus finden zu wollen, woher dieser Anruf kommt. Es würde Ihnen sowieso nicht gelingen. Und die Konsequenzen muss ich Ihnen ja nicht noch einmal erläutern.“ Ben wusste nicht, was er dazu noch sagen sollte und holte den Ausdruck aus seiner Hosentasche. Er las ihn so leise wie möglich vor, immer darauf bedacht, dass ihn niemand hören konnte. Nachdem er geendet hatte, konnte er am anderen Ende der Leitung ein leises, selbstgefälliges Lachen hören. „Sehen Sie, dass war doch gar nicht so schwer.“ Doch dann veränderte sich die Stimme, sie wurde kalt und unbarmherzig und ließ den wahren Charakter des Mannes erahnen. „Ich warne Sie noch einmal in aller Deutlichkeit: Wenn ich erfahre, dass Sie mit irgendjemand über diese Aktion gesprochen haben und sei es nur Ihre Putzfrau, dann wird das schlimme Folgen für Sie und Ihre Freunde haben.“ „Ich habe verstanden“, sagte Ben leise, doch das Gespräch war schon beendet worden. Er starrte auf den Zettel in seiner Hand und so langsam wurde ihm wirklich bewusst, was er soeben tatsächlich getan hatte. Er hätte nie gedacht, dass er so etwas einmal tun würde. Er hatte alles verraten, was ihm wichtig war.
    Doch es war nun zu spät, um es noch zu ändern. „Es ist für Semir“, sagte Ben zu sich selber, um seinem schlechten Gewissen, das ihn jetzt mit aller Macht quälte, zu entkommen. ‚Den Überfall hätten die auch ohne meine Hilfe durchgezogen. Jetzt wird wenigstens alles reibungslos ablaufen und niemandem wird etwas passieren.’ Mit diesen Gedanken versuchte Ben, sich einzureden, dass durch sein Handeln Schlimmeres verhindert werden würde. Sowohl für seinen Freund, als auch für die Begleiter des Transportes. Weiter konnte er nicht darüber nachdenken, da er es kaum ertragen konnte, was er getan hatte. Es kam ihm wie ein Alptraum vor, doch er wusste, dass es bitterer Ernst war. Er atmete ein paar Mal tief durch und zwang sich, an etwas anderes zu denken, er musste die Fassade aufrechterhalten, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, denn sonst wäre alles umsonst gewesen.
    Als er schließlich zu Semir und Wagner zurückkehrte, hatte er sich wieder soweit gefangen, dass zumindest nicht auffiel, dass er mit seinen Gedanken eigentlich ganz woanders war. Wagner wusste natürlich genau, was los war und Ben fiel auf, dass er jetzt genau von ihm beobachtet wurde. Er bemühte sich, so gut es ging, normal zu wirken, was ihm anscheinend auch ganz gut gelang.

  • Am Ende des Tages verabschiedete sich der Reporter. „Vielen Dank für ihre Geduld und Ihre Erklärungen. Nach den Berichten meiner Kollegen hatte ich ehrlich gesagt Schlimmeres befürchtet“, grinste er. „Ach, so schlimm sind wir wirklich nicht“, lachte Semir zurück, der insgeheim allerdings sehr froh war, endlich wieder seine Ruhe zu haben. „Dann machen Sie’s mal gut, ich schicke Ihnen den Artikel vorab. Mal sehen, vielleicht komme ich auch noch mal kurz vorbei. Ich denke, ich bin einigen Tagen damit fertig.“ Mit diesen Worten machte Wagner sich auf den Weg. Doch dann wendete er sich noch einmal kurz zu Ben und klopfte ihm augenscheinlich freundschaftlich auf die Schulter. „Man sieht sich“, sagte er nur, um dann endgültig in Richtung seines Wagens zu verschwinden. „Autsch“, sagte Semir nur, als er sah, wie Ben das Gesicht verzog und ziemlich blass wurde. Natürlich schob Semir dies auf seine kaputte Schulter, was Ben nur ganz Recht war. Ihm hingegen hatte Wagner noch einmal sehr deutlich gemacht, dass der eigentliche Zweck seines Besuches keineswegs die Dokumentation ihrer Arbeit gewesen war. Als wenn Ben es nicht längst verstanden hätte! Er würde es nicht wagen, sich Semir jetzt anzuvertrauen. Er hatte viel zu große Angst um dessen Leben. Denn er wusste genau, was passieren würde, wenn er mit ihm redete. Semir würde sich fürchterlich aufregen, wahrscheinlich wäre er sogar wütend, dass Ben ihn nicht eher ins Vertrauen gezogen hatte. Dann würde er versuchen, entweder mit der Chefin oder auf eigene Faust versuchen zu ermitteln. Doch das war es, was Ben um jeden Preis verhindern wollte. Er war sich sicher, dass Semir kaum nachvollziehen könnte, wozu diese Typen fähig waren und welche Macht sie hatten. Ben hatte dies zu Genüge erfahren. Sie hatten sich in ihm den richtigen ausgesucht, irgendwoher schienen sie gewusst zu haben, dass sie ihn überzeugen konnten, für sie zu arbeiten.


    Einige Wochen vorher in der JVA Ossendorf:
    Der Besucher nahm auf einem der schlichten Stühle im Besucherraum Platz. Sein Gegenüber war schon vor ihm hergebracht worden, so war es hier üblich. Der Häftling sah ihn an und sagte ohne Gruß direkt: „Ich habe über Ihr Anliegen nachgedacht. Ich denke, ich kann Ihnen da jemand empfehlen.“ Der Besucher lehnte sich interessiert vor, gerade so weit, dass die anwesenden Beamten nicht eingreifen würden. Er musste aufpassen, denn auf diesen speziellen Insassen wurde ein besonderes Augenmerk geworfen. „Und an wen hatten sie gedacht?“ fragte er neugierig. „Es gibt da jemanden, der mal beim LKA war. Er hat die nötige Sicherheitseinstufung und jetzt auch freien Zugang zum Computer der Kripo. Sein Name ist Jäger. Ben Jäger“, war die Antwort. „Und wie können wir ihn überzeugen?“ kam die Gegenfrage. „Oh, das dürfte Ihnen nicht schwer fallen! Sie müssen ihm nur unmissverständlich klar machen, dass eine Weigerung dazu führen würde, dass es seinem Partner Gerkan an den Kragen geht. Für den würde er alles tun, glauben Sie mir.“

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