Urlaub, Sonne und Mord

  • „Und wer sind sie?“, wollte der Kommissar wissen, nahm aus seinem Jackett ein kleines, schwarzes Buch und einen dazu entsprechenden Kugelschreiber hervor. „Semir Gerkhan...ich bin hier im Urlaub.“, erklärte Semir ruhig und gelassen. „Sie haben also die Leiche gefunden?“ „Eigentlich nicht... Franzi hat den Toten gefunden...das ist die Tochter des Wirtes.“, entgegnete Semir. „Darf ich wissen, was sie von Beruf sind?“, wollte der Kommissar wissen und sah angestrengt auf seinen Notizblock, den er dicht vor seinen Bauch gepresst hatte. „Ich bin Hauptkommissar bei der Autobahnpolizei in Düsseldorf.“, erwiderte der Deutschtürke und sah, wie sein norddeutscher Kollege erstaunt aufsah. Doch, es schien ihn nicht wirklich zu beeindrucken. „Ein Kollege also... Fein, warten sie bitte hier... ich werde sie dann gleich befragen.“ „Darf ich ihren Namen wissen, bevor sie gehen?“, fragte Semir nach, als sich der Mann zur Tür umdrehen wollte. „Kriminalhauptkommissar Lothar Möller...“, meinte er nur mit einem leicht zuckenden, kaum wahrnehmbaren Grinsen. Semir nickte nur und wollte dann zu seiner Frau nach oben gehen, doch seine Neugier über den Fall war doch mehr als stark. In ihm kribbelte nun einmal das Blut eines Schnüfflers. Wie auch konnte er das abstellen? Das ging nicht. Nicht einmal im Urlaub. Nein, das konnte er einfach nicht verdrängen. Langsam stieg er die eben schon genommenen Stufen wieder runter und ging vorsichtig in den Raum mit der Leiche hinein.


    „Okay Karsten, sag mir bitte, dass ich dieses Mal einen leichten Mordfall habe.“, hörte der Deutschtürke schon die mit dem norddeutschen Platt angehauchte Stimme von Möller, als er einige Schritte gegangen war. „Leicht ist nur die Todesursache... die brauch ich dir ja wohl nicht zu erklären, oder?“, die Stimme des Pathologen war fein und dennoch voller Zynismus und Sarkasmus, wie Semir es auch von ihrem Pathologen kannte. Scheinbar schien das mit dem Beruf zu kommen. Wie sonst könnte ein normaler Mensch die alltägliche Schau von gestorbenem, menschlichen Fleisch ertragen? „Hm, auf den ersten Blick würde ich denken, der Koch hat mal was neues ausprobieren wollen.“, meinte Lothar Möller nur und richtete sich wieder auf, als er einige Schritte hinter sich wahrnahm. Der norddeutsche Kollege sah Semir mit verwundertem Blick an. „Haben sie sich verlaufen?“ Doch Semir reagierte nicht auf diese Spitze. Sein Blick haftete an dem toten Jungen. „Ich...ich kenne ihn.“, kam es plötzlich über seine Lippen. „Bitte... dann klären sie mich mal auf.“, forderte Möller und sah in die Runde.

  • „Also ich kenne nicht seinen Namen, aber der Kerl hat heute Nachmittag versucht, meine Kamera zu klauen.“, gestand Semir und sah dann, dass in der Wand ein Stein locker saß. „Scheinbar war ich nicht das einzige Opfer.“, meinte der Deutschtürke und deutete auf das Versteck. Möller folgte dem Fingerzeig, stieg mit einem großen Schritt über die Leiche und zog den Stein aus der Wand. Ihm folgten noch einige andere, vier an der Zahl, die einen Hohlraum freilegten. „Sieh an, sieh an.... da haben wir ja den kleinen Taschendieb, den wir schon so lange suchen.“, kam es nur von Möller. „Die Frage ist dann aber, wer bringt einen Dieb um.“, mischte sich Semir wieder ein. Mit norddeutscher Gelassenheit drehte sich Kommissar Möller um. „Würde es ihnen etwas ausmachen, draußen auf mich zu warten.“, meinte er lächelnd, aber mit Nachdruck. Semir nickte nur und verließ dann den Raum wieder.


    „Okay, ihr könnt ihn dann wegbringen.“, meinte der Pathologe zu den Leichenträgern. „Wie lange?“, fragte Lothar Möller und sah seinen langjährigen Freund und Arbeitskollegen an. „Gib mir ein bisschen Zeit...“, meinte Karsten und sah dann nochmals auf den Toten. „Eigentlich ist die Obduktion dieses Mal mehr als überflüssig, aber...“, er sah auf seine Uhr, „Jetzt haben wir es 18. 35 Uhr. Ich denke, morgen um sieben hast du den Befund auf deinen Tisch.“, verabschiedete sich der Mediziner vom Tatort. Möller nickte nur und sah dann noch einmal auf die große Blutlache, die sich neben und unter der Kreideumrandung der Leiche befand. „Armer Junge.“, murmelte er nur und ging dann aus dem Raum, überließ den Spurensicherungsbeamten den Platz für ihre Arbeit. Langsam ging er in den großen Saal mit all den Zeugen zurück. „Hören sie, ich weiß, es ist eine unangenehme Situation, die Polizei im Haus zu haben und besonders im Urlaub von ihr belästigt zu werden, aber wir benötigen ihre Hilfe. Deshalb werden meine Beamten ihnen jetzt einige Fragen stellen und ich würde sie bitten, sie mit vollstem Wissen und Gewissen zu beantworten.“, erklärte er. „Lothar, was soll das? Meine Hotelgäste wollen sich hier erholen und du hast nichts besseres zu tun, als mit deiner Bisonherde von Polizisten durch meine Abstellkammer zu trampeln und mir dort alles durcheinander zu bringen.“, fauchte die Hotelwirtin durch die Menge und bahnte sich so einen Weg nach vorne. „Marion, weißt du überhaupt, was gerade bei euch passiert ist?“, wollte Lothar wissen und sah die ihm offensichtlich bekannte Frau auf die norddeutsche Weise an. „Sicher...irgendjemand dieser Polenbande hat in meinem Hotel eine Leiche entsorgt und ihr musstet ihn ja finden.“, fauchte sie. „Marion...bitte, geh und hol mir deine Tochter. Einer der Feriengäste sagte mir, sie habe die Leiche gefunden.“, bat er eindringlich und widmete sich dann einem anderen Gast.


    ...

  • Semir, inzwischen bei Andrea sitzend, die Aida auf dem Schoß hatte, sah den auf ihn zukommenden Polizeibeamten an. „Herr Gerkhan, ich würde ihnen gerne einige Fragen stellen.“, fing der Mann an und kramte erneut in seiner Jacketttasche nach seinem Notizblock und dem dazu passenden Kugelschreiber. „Sicher, ich werde ihnen helfen.“, kam es sofort eifrig von Semir zurück, doch schon reagierte Andrea. „Semir... er hat was von Fragen beantworten gesagt. Also, vergiss nicht, du bist mit mir im Urlaub hier.“, mahnte sie eindringlich und sah ihren Mann mit diesem Blick an, den sie immer aufgesetzt hatte, wenn sie ihm klarmachen wollte, dass etwas, sollte er sich nicht daran halten, passieren würde. „Ja Schatz, ich weiß.“, meinte er nur leise und nachgebend. Er sah nicht, wie Möller grinste und sich seinen Teil dabei dachte. „Okay...sie sagen, sie sind dem Mann schon einmal begegnet. Schildern sie mir doch bitte den Vorfall.“, bat der Hauptkommissar aus Ahlbeck. „Papa hat den Kerl verhauen.“, kam es sofort stolz von Aida. Möller sah auf und musste kurz lachen. „Du bist ja eine Süße...also, was hat der Papa gemacht?“, wollte er wissen und beugte sich ein Stück vor. „Der Papa hat den Mann verhauen, der ihm die Kamera stehlen wollte.“, erwiderte Aida erneut. „So...so...“, kam es von Möller und sah Semir mit einem vielsagenden Blick an. „Na, so war das nicht... ich habe den Mann nicht verprügelt, aber ich habe ihn gejagt und die Kamera wieder bekommen.“, stellte Semir die Sachlage richtig. „Okay, und warum haben sie dann keine Anzeige erstattet? Als Polizist sollten sie es doch sicherlich am Besten wissen, oder?“ „Nun ja, aber sehen sie, es war ja nix weiter passiert und die Kamera hab ich ja auch wieder bekommen.“, erklärte der Deutschtürke und sah nur, wie Möller sich alles mitschrieb. „Aber vorher sind sie dem Toten nicht schon begegnet, oder?“, fragte der Kommissar. Semir verneinte die Frage. „Ich seh schon, das wird ein kniffliger Fall.“, kam es nur von Möller, der dann aufstand und sich der Befragung der Wirtstochter widmen wollte.

  • „Franzi, nun bleib doch ganz ruhig. Bitte, hör auf, zu weinen.“, bat Vater Rolf seine Tochter, die schluchzend und flennend vor ihm auf eine Stuhl saß und sämtliche Tränenflüssigkeit aus sich herauspresste, wie das Wasser aus einem nassen Schwamm. „Ich...er war doch...war doch...mein Freund...Papa...wer tut so etwas?“, schluchzte sie immer wieder und sah mit rot geweinten Augen ihren Papa an. „Ich weiß es nicht...wie konnte das nur passieren?“, wollte er wissen, als Lothar Möller sich neben sie gestellt hatte. „Rolf, ich muss deiner Tochter jetzt einige Fragen stellen. Ist das okay?“ „Lothar, muss das denn sein? Du siehst doch, in welchem Zustand sie ist. Sie kann nicht mal die einfachsten Dinge sagen, ohne, dass sie dabei in Tränen ausbricht.“, stieß Rolf aus. „Es muss aber sein. Also, lass mich bitte meine Arbeit machen... Franzi, kennst du den Jungen?“, wollte der Kommissar dann wissen und kniete sich vor ihr hin. „Das...das ist...war Ronald...mein Freund...Papa, du musst ihn doch kennen? Er...er hat hier doch gearbeitet.“, kam es nur von ihr. „Ja, jetzt wo du es sagst.“, meinte der Vater. „Rolf, erklär mir das.“, forderte Lothar seinen Bekannten auf.


    Der Mann atmete tief ein. „Ronald war eines dieser Straßenkids. Du weißt schon, solche, die entweder stehlen, saufen oder fixen. Ronald war einer von diesen Streunern.“, zischte Rolf und lachte dann kurz auf. „Er hing immer in den Straßen rum, überall...Rostock, Stralsund, Greifswald...stahl, kiffte und soff. Irgendwann schien er aber hier aufzutauchen und meine Tochter hatte sich einfach in ihn verliebt. Sie konnte ihn von der Straße holen. Nachdem er eine Entziehungskur hinter sich hatte, gab ich ihm eine Anstellung, zur Liebe meiner Tochter.“, meinte er schlussendlich. Lothar nickte. „Als was war er beschäftigt?“, kam die nächste Frage vom Polizisten. „Ich hab ihn eigentlich alles machen lassen.“ „Du hast ihn die Drecksarbeit machen lassen. Du hast ihm doch nie eine Chance gegeben, sich zu beweisen. Immer musste er die Arbeit machen, die kein anderer machen wollte.“, schrie Franzi auf einmal, sprang auf und rannte aus dem Hotel. „Franzi...“, rief ihr Vater ihr nach, doch sie war nicht mehr zu sehen, als Vater Rolf die Straße betrat. Resigniert klappte Lothar sein Notizbuch zu und stand auf. Immer wieder trafen sich seine Blicke und die von Semir zusammen. War das ein gutes Omen?


    ...

  • In Semirs Gehirn fing es an, zu arbeiten. Warum sollte jemand diesen Kleinkriminellen umbringen?, dachte er nur und fing schon an, sich innerlich wieder in die Ermittlungen zu mischen, die ihn doch rein gar nichts angingen. „Semir, bitte lass es.“, kam es plötzlich von Andrea. „Hm?“, wollte er erstaunt wissen. „Ich seh es dir förmlich an, dass dir die Finger kribbeln.“, präzisierte Andrea. „Bitte, ich will von dir jetzt ein Versprechen haben.“ „Alles, was du willst.“, lächelte er und küsste seine Frau liebevoll auf die Stirn. „Dann misch dich nicht in den Fall ein. Glaub mir, es bringt nur Unglück.“, mahnte sie. „Aber Andrea, was soll denn schon passieren?“, wollte er wissen. „Ich könnte dich verlassen.“, meinte sie ruhig. Semir musste schlucken. Da war sie wieder...die Karte, die ihn das Aus kosten konnte. Was sollte er machen? Einerseits tat ihm das Mädchen leid und er wollte doch nur helfen, den Mörder zu finden. Andererseits, war es das wert, dafür seine Ehe aufs Spiel zu setzen. Auf dem ersten Blick war doch dieser Kommissar Möller ganz kompetent. Er würde den Mörder auch alleine finden...oder etwa nicht? „Andrea, ich verspreche dir, mich nur um dich und Aida zu kümmern. Wir machen weiterhin hier einen ruhigen und erholsamen Urlaub.“, erklärte der Deutschtürke schlussendlich. Zufrieden gab Andrea ihren Mann einen innigen Kuss auf die Lippen. Die Familie zog sich dann auf ihr Zimmer zurück.


    „Morgen...Ablösung...“, weckte Ben Dieter, als er zu ihm ins Auto stieg und dem langgewachsenen Streifenpolizisten einen frischen Kaffee reichte. „Oh...danke...womit hab ich den denn verdient?“, wollte Dieter verschlafen wissen, rieb sich die Augen und nahm dann den to-go-Becher an sich. „Immerhin hast du dir die Nacht um die Ohren geschlagen...da kann ich dir doch wohl einen Kaffee bringen, oder?“, meinte Ben nur grinsend. „Also war dein Abend vielversprechend, ja?“, grinste Dieter nur und sah Ben an. Dieser räusperte sich, schwieg und schlürfte an seinem Kaffee. „Ist schon irgendwas passiert?“, fragte der Jungkommissar dann. Der Streifenpolizist und Kollege schüttelte nur den Kopf. „Seitdem der Wecker dort oben geklingelt hat, ist nichts mehr passiert.“, meinte Dieter. Ben nickte, sah dann auf die Uhr. Kurz nach halb acht. „Wann hat der Wecker geklingelt?“, fragte er. „Vor etwa anderthalb Stunden...“, kam es von Dieter zurück. Jetzt wurde Ben stutzig. „Vor neunzig Minuten und dann ist nichts mehr passiert?“, fragte Ben nach. Dieter schüttelte den Kopf. Der Jungkommissar dachte angestrengt nach, horchte immer wieder ins Mikro und sah auf den Bildschirm, doch auch dort tat sich nichts. „Shit.“, stieß er aus und stieg wie ein geölter Blitz aus dem Wagen und rannte zum Haus. „Ben, was ist denn los?“, rief Dieter hinter ihm her, doch Ben hörte nicht. Schnell fuhr er mit der Hand über die Klingelschilder und zwar so lange, bis der Summer ertönte. Wieder sprintete er los, in den dritten Stock hinauf und klingelte an der Tür von Stern. Doch nichts tat sich. Eine schreckliche Ahnung tat sich in Ben auf. Was würden die beiden Polizisten hinter der Wohnungstür finden?

  • „Shit, der hat uns verarscht.“, stieß Ben aus, als sie die Tür geöffnet hatten und die Wohnung verwaist vorfanden. Dieter sah betreten zu Boden. „Ben, ich...“ „Dieter, es ist nicht deine Schuld. Mir scheint, der ist schlauer, als wir dachten. Okay, wir ändern die Strategie. Ich fahre jetzt schleunigst zu diesem Krematorium, wo Stern arbeitet und werde ihn mit den Tatsachen konfrontieren.“, knurrte Ben nur und machte auf dem Absatz kehrt. „Nimm bitte die Kameras und das Mikro aus den Verstecken und bring sie zu Hartmut zurück, ehe sich dieser darüber beschwert.“, wies Ben seinen Kollegen an. Dieter nickte nur und machte sich gleich an den Verstecken, die Ben ihm noch beschrieb, zu schaffen, während er von unten hörte, wie der Wagen startete und die Straße runterpreschte.


    Florian Stern machte sich gerade an einer Leiche zu schaffen. Er leerte die Taschen des Toten, kontrollierte noch mal, ob alles nach Wunsch der Familie war. Wenn alles perfekt war, dann konnte er den Sarg jetzt schließen und in die Feuergrube fahren. „Ist alles fertig?“, wollte sein Chef, Moritz Gruber, wissen. „Herr Findling ist jetzt fertig für die letzte Reise.“, erklärte er. „Gut, warten wir aber noch bis die Familie anwesend ist.“, erwiderte Gruber, sah auf die Uhr und ging dann wieder nach oben. Florian Stern nickte und stand vor dem Pult, mit dem er die Senkbühne und den Brennofen bediente. Nun wartete er auf das Signal, gegeben durch ein rotes Licht vor ihm auf dem Pult. „Herr Florian Stern?“, fragte plötzlich eine ungeduldige Stimme hinter dem Mann. Erschrocken über den harschen Ton drehte sich Florian Stern um. „Das bin ich...was wollen sie denn?“, fragte der Mann und sah den Fremden an. „Kriminalhauptkommissar Ben Jäger....Kripo Autobahn...ich will von ihnen nur eins wissen...wo haben sie ihre Beute aus dem damaligen Raub auf die Diamantenmesse Wuppertal versteckt? Wenn sie es mir gleich und freiwillig sagen, bin ich schon wieder weg.“, grinste der Mann. Doch auch Florian grinste. „Ich hab mich schon gefragt, wann sie hier auftauchen. Aber ich sage ihnen das Gleiche, was ich schon ihren Kollegen vom LKA gesagt habe. Ich weiß nicht mehr, wo ich meine Beute versteckt hatte und wenn ich es wüsste, dann...“ „Lassen sie mich raten, würden sie es mir nicht sagen.“, beendete Ben den Satz. „Richtig.“, grinste Florian nur. Doch Ben packte den Mann nur am Kragen. „Sie sollten es mir schnell sagen, wo sie die Beute haben...“, zischte Ben. „Suchen sie doch selbst...sie haben ja schon versucht, mich zu beschatten. Hat nicht ganz geklappt, wie?“, grinste Florian und drückte den Kommissar von sich. „Und jetzt gehen sie. Ich habe zu arbeiten.“, forderte er. „Wir werden uns wiedersehen. Das verspreche ich ihnen.“, grollte Ben nur und verließ dann den Keller des Krematoriums. „Das glaube ich auch.“, grinste Florian nur.


    ...

  • „Papaaaaaa...Aufstehen...“, weckte Aida ihre Eltern, als sie vergnügt an der großen Decke zog, welche die Körper von Semir und Andrea bedeckte. „Hmm, nur noch zehn Minuten.“, bat der noch müde Familienvater. „Nein, die Sonne ist schon ganz hoch am Himmel.“, freute sich die kleine Tochter. Andrea riskierte ein waches Auge aus dem Fenster und sah sie ihre Strahlen durch die Zimmergardine werfen. Dann fiel ihr Blick auf den Wecker. „Oh Semir, es ist schon neun Uhr. Frühstück gibt es nur noch bis zehn. Komm, raus aus den Federn.“, meinte sie und schwang sich als erstes aus dem Bett, in ihrem Zustand jedoch vorsichtig und besonnen. „Andrea...“, kam es sofort erschrocken von Semir und sofort war er selbst aufgestanden und half seiner Frau dabei, sich anzukleiden. „Dann wollen wir dich auch mal fertig machen, kleine Maus.“, grinste er seine Tochter an, doch diese schüttelte nur mit dem Kopf. „Hab ich doch schon.“, gab sie bekannt und zeigte sich wirklich in schon fertig angezogener Kleidung, die jedoch etwas schief und farbenprächtig an ihrem Körper saß. Semir lachte lauf auf. „Ja schick siehst du aus, aber ich denke, wir ziehen uns noch einmal richtig an.“, meinte er und gab seiner Tochter einen dicken Kuss auf die Wange. Schnell verschwanden beide im Bad, kamen nach einer halben Stunde geduscht und neu angezogen wieder raus. Dann ging die Familie mit knurrendem Magen zu ihren Tisch in den Speisesaal des Hotels.


    Eine Grabesstille herrschte im Raum, als die Familie den Speisesaal betrat und sich an den Tisch setzte. „Selbst ein Eisschrank ist redseliger, als diese Gäste hier.“, kam es von Semir, als er sich die Serviette auf den Schoß legte, nachdem er für sich, Aida und Andrea etwas zu essen geholt hatte. „Selbst auf einer Beerdigung ist mehr Stimmung.“, kam es noch hinzufügend von Andrea und schmierte sich dann ein Brötchen. Semir nickte nur und legte sich eine Scheibe ungarische Salami aufs Brötchen. „Was machen wir heute?“, wollte Andrea wissen. „Tja, ich hab hier einige Prospekte...vielleicht siehst du sie dir mal an. Entscheide du...“, lächelte er sie an und nahm dann die Prospekte entgegen. „Sieh mal, das könnten wir doch heute machen....eine Dampferfahrt über die Ostsee rüber nach Polen, die Altstadt von Swinemünde besichtigen und dann am Strand zurück.“, meinte sie und sah ihren Mann mit verliebten Augen an. „Warum nicht...das wird bestimmt Spaß machen.“, grinste er und drehte sich um, als er Franzi in den Saal kommen sah, in der Hand eine neue Kanne Kaffee. Sie wollte sie gerade abstellen, griff jedoch daneben und das Porzellan mit dem heißen Bohnensaft zerschellte auf dem Parkett. Erschrocken fuhr sie zusammen und bückte sich sofort nach den Scherben. Semir stand auf und half ihr. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, wollte er wissen. Franzi sagte nichts, nickte nur und nahm die von ihm aufgehobenen Scherben an sich. „Ich bringe gleich eine neue Kanne...“, war alles, was sie sagte. „Hör mal, wenn du Hilfe brauchst, dann...“, meinte Semir nur und sah sie eindringlich an. „Da...danke...“, kam es zögerlich von ihr. Plötzlich hörten beide Geschrei aus der Küche dringen.

  • „Lothar, lass meine Küchengeräte zufrieden und nimm deine Büffelherde mit.“, hörten sie Marions Stimme aus der Küche dringen. Schon im nächsten Moment schwang die Tür auf und die große, kräftige Frau kam, einen Pfannenwender schwingend, aus der Küche und trieb den Kriminalkommissar vor sich her. „Marion...das Beil stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus eurer Küche. Wir haben einen winzigen Metallsplitter im Kopf des Toten sicherstellen können. Also, geh jetzt zur Seite und lass mich meine Arbeit machen, genau wie die Arbeit meiner Leute.“, stieß er aus und wollte die Köchin zur Seite schieben, als einer seiner Männer bereits wieder zurückkam und ein in einem Plastikbeutel eingetütetes Küchenbeil in der Hand hielt. „Chef, das haben wir hinten bei den Abfalleimern gefunden. Das ist Blut an der Klinge.“, stieß der Beamte aus. Lothar nickte, nahm den Beutel und hielt ihn Marion vors Gesicht. „Das ist ja wohl aus eurer Küche oder?“, zischte er und sah, wie die Frau ihn erbost ansah.


    „Weißt du eigentlich, wie viel Zusatzkräfte ich in der Hauptsaison beschäftige? Fünf, und ich kann dir sagen, dass die nie gewissenhaft arbeiten. Wahrscheinlich hat einer hinten geraucht, vorher damit ein Huhn oder so enthauptet und es dann, nach der Raucherpause dort hinten liegen gelassen.“, zischte sie ausweichend. Selbst Semir, jahrelang in Ausflüchte von Verdächtigen geschult, erkannte, dass dies keine plausible Erklärung war. „Schön, du willst mir also nicht sagen, wie es dort hin gekommen ist. Fein, wir werden jetzt von dir, deinem Mann und deiner Tochter...“ Sofort fuhr Marion dazwischen. „Lasst doch mein Mädchen zufrieden. Sie hat doch erst den Freund verloren...was müsst ihr sie denn noch unnötig damit quälen.“, zischte sie. „Und von deiner Tochter Fingerabdrücke nehmen. Tut mir Leid, aber das ist meine Arbeit.“, stieß Lothar aus. Semir, der sich wieder hingesetzt hatte, aber immer noch mit aller Aufmerksamkeit bei dem Gespräch war, schrie kurz auf, als er einen starken Schmerz in seiner Hand verspürte. Andrea drückte die Gabelzinken noch immer fest auf den Handrücken. „Semir, wir sind hier...“, meinte sie nur mahnend und er verstand sofort. „Ja, ich sagte doch...ich werde mich nicht in den Fall einmischen.“, meinte er mit einem gequälten Lächeln. „Das hoffe ich sehr. Aida soll nämlich auch was von ihrem Vater im Urlaub haben.“


    ...

  • Schon im nächsten Moment wurde von der Wirtsfamilie die Fingerabdrücke genommen. Jeder im Raum sah bedrückt dabei zu, wie Franzi von den Männern bei der Bewegung geführt wurde, erst ihre linke Hand mit schwarzer Tinte eingerieben wurde und dann ihre rechte. Mit einem vollkommen gefühlsleeren Gesicht ließ das Mädchen die Prozedur über sich ergehen und sah stur vor sich her. „Okay...danke Franzi.“, nur diese Worte von Lothar Möller schienen sie zu steuern. Denn nach diesen Worten stand sie auf und stieg wortlos die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. „Das Mädchen tut mir Leid.“, kam es mitfühlend von Andrea. Semir nickte nur und sah ihr kurz und unauffällig hinterher. Irgendwas musste er doch für die Kleine tun können, aber was? „Semir, komm, lass uns gehen.“, bat seine Frau und klopfte ihm dann auf den Handrücken. Er nickte, nahm Aida auf den Arm und ging mit seiner Frau aus dem Haus hinaus. „So, wo geht es jetzt zum Dampferanleger?“, wollte Semir wissen und sah sich suchend um. „An der Seebrücke...besser gesagt, direkt dahinter. Sie gehen hier die Straße runter und dann nach rechts bis zur großen Brunnenuhr.“, hörte die Familie plötzlich die norddeutsch gefärbte Stimme des Kommissars hinter sich. Möller stand an der Hauswand gelehnt und aß angestrengt einen Apfel. Als Semir ihn fragend ansah, meinte er nur, dass es ihm beim Nachdenken helfe. Nickend über dieser Aussage, entfernte sich die kleine Familie und steuerte auf den eben beschriebenen Weg den Dampfern zu.


    Ben wartete vor dem Krematorium auf Florian Stern und sah immer wieder zum Eingang zu. „Komm schon, ich warte auf dich. Los, bring mich zu deinem Schätzchen.“, forderte Ben von seinem nicht sichtbaren Gegner. Doch inzwischen klingelte sein Telefon. „Ben Jäger auf Horchposten, was gibt’s?“, meldete er sich und schob sich ein Stück Schokolade in den Mund. Hm, Schokolade mit Nüssen...lecker, dachte er. „Herr Jäger, eben habe ich ein Gespräch mit Frau Fröhlich geführt, das ist die Anwältin von Stern. Er hat sich bei ihr über sie beschwert und sie hat mich angerufen. Jetzt raten sie mal, was ich machen werde?“, hörte er die Stimme von Kim Krüger. „Ähm Chefin, ganz gleich, was ihnen die Rechtsverdreherin erzählt hat, ich hab ihm nichts getan.“, verteidigte sich Ben und sah dann wieder auf den Eingang. „Das ist mir gleich...sie kommen sofort her.“, fauchte Kim und legte dann auf. „Es gibt Tage, da hasse ich meinen Job.“, knurrte Ben, schmiss sein Handy in die Ablage und startete den Wagen.

  • Wenige Augenblicke später war er bereits in der PASt und stand vor Kims Schreibtisch und hörte sich eine ihrer Strafpredigten an. „Was haben sie sich dabei gedacht. Ich habe gesagt, sie sollen den Mann überwachen, damit er uns früher oder später zu seiner versteckten Beute führt. Und was machen sie? Sie stoßen ihn mit der Nase drauf. Was soll das werden? Jetzt ist er doch gewarnt. Wie wollen sie ihn da noch erfolgreich verfolgen?“, stieß Kim wütend aus und ließ sich wieder in ihren Stuhl fallen. „Was haben sie dazu zu sagen?“, fauchte sie letztendlich. Ben atmete kurz ein. „Frau Krüger, ich...ich werde diese Diamanten finden. Auch, wenn ich ihn einen taktischen Fehler gemacht habe.“, kam es von Ben. „Einen taktischen Fehler? Sie haben quasi ihre Karten auf den Tisch gelegt. Ich gebe ihnen genau fünf Tage Zeit, um die Beute zu finden. Fünf Tage...dann wandert der Fall zurück ans LKA und sie auf Dauerstrafzettelstreife in die Altstadt...und zwar bis zu ihrem 50. Lebensjahr.“, fauchte Kim und streckte ihren Arm Richtung Tür aus. „Na bestens...eine Herausforderung mit Einsatz...hab ich mir schon immer gewünscht.“, knurrte er mit sarkastischem Unterton und ging aus dem Büro hinaus. „Wieso hasse ich meinen Job so? Semir, du Glückspilz.“, stieß Ben nur aus und sah dann, wie ihn Dieter und Hotte fragend ansahen. „Ist was? Vorsicht, Raubtier ist hungrig.“, meinte er nur und deutete auf die Tür hinter sich. Dieter und Hotte fingen an zu grinsen. „Schon klar, Ben. Wir haben ja kein Fleisch in den Taschen.“ „Bist du dir da bei Hotte so sicher, Dieter?“, grinste Ben nur und verschwand dann in sein Büro. „Was soll das denn jetzt heißen?“, kam es beleidigt von Hotte und dieser sah seinen Freund nur an. „Keine Ahnung. Komm Dicker, wir fahren Streife.“ „Au ja, ist ja auch bald Mittagspause.“, grinste der beleibte Polizist und rieb sich die Hände. „War ja klar...“, lachte Dieter und schob seinen Freund zur Tür hinaus.


    ...

  • Ben nahm sich noch einmal alle Akten zu dem Fall vor. Jedes Detail konnte entscheidend sein. Also, Stern überfiel damals die Diamantenmesse, in dem er sich über Nacht hatte einschließen lassen. Die Wachleute hatten feste Zeiten und Patrouillengänge. In einem der Zyklen, der die Wachleute in die entlegenden Flügel trieb, schlug er zu. Mit einem Glasschneider öffnete er die Vitrinen, fischte die besten Diamanten durch die Löcher und wollte eigentlich ungesehen abhauen. Doch einer der Wachmänner kam zu früh zurück und erblickte ihn auf dem Absprung. Dann begann die wilde Jagd. Mit einem gestohlenen Fluchtwagen von der Straße setzte er seine Flucht über die Autobahn fort, nachdem er eine Straßensperre der Stadtpolizei durchbrochen hatte. Damit war er aber vom Regen in die Traufe gekommen. Denn schon hatte er die beiden Bluthunde namens Semir Gerkhan und Tom Kranich auf den Fersen. Auch hier versuchte er wieder durch riskante Fahr- und Bremsmanöver seine Verfolger abzuschütteln und in der Freiheit die Diamanten genießen. Für einen Moment schaffte er es auch, die Verfolger abzuschütteln. Ben blätterte weiter. Semirs Bericht war, wie immer, sehr präzise und...sparsam an Worten. Nur der Bericht dieses Toms war auch nicht besser...aber wenigstens waren die Angaben zum Ablauf der Verhaftung drin. Danach wurde dieser Stern an einem baufälligen Güterlager gestellt. Das Güterlager...war das vielleicht der Schlüssel zu allem? Sofort sprang Ben auf und ging zu Susanne vor.


    „Susanne, ich brauch von dir alle Infos zu diesem Güterlager hier...“, bat er und legte ihr den Bericht vor. Die Sekretärin sah kurz drauf. „Okay, ich kümmere mich gleich darum. Willst du hinfahren oder bist du im Büro?“, wollte sie wissen und sah zu Ben auf. Dieser riskierte einen Blick auf seine Armbanduhr. Es gerade halb zwei, hieß, er hatte noch eine halbe Stunde Mittagspause. „Nö, ich mache jetzt mal Mittag. Ruf mich an, wenn du was hast.“, gab er von sich, hängte sich seine Jacke um und verließ die Station Richtung Parkplatz, stieg in seinen Mercedes und brauste davon. Jetzt ein kühles Eis, dachte er nur und schleckte sich heißhungrig über die Zunge. Doch sein Handy riss ihn aus den Gedanken. „Ben Jäger...wer da?“, wollte er wissen und sah immer wieder auf die Autobahn, beobachtete aufmerksam seine Seiten- und den Rückspiegel. „Hey, hier ist Emily...hast du Zeit? Ich bin gerade in der Stadt am Bauturm, falls du das kennst...“, hörte er die Stimme seiner Geliebten. „Hey Emily...klar kenn ich das und zufällig habe ich gerade noch Mittagspause. Ich bin in zehn Minuten bei dir.“, grinste er, verabschiedete sich mit einem Küsschen und legte auf. Äußerlich war er vollkommen ruhig, aber innerlich hüpfte sein Herz und machte Purzelbäume. Wie sehr er doch jede Zeit mit seiner kleinen Engländerin genoss. Er freute sich schon sehr auf die letzten Minuten seiner Mittagspause, die er mit Emily verbringen durfte.

  • Florian Stern kehrte an seine Arbeitsstelle zurück. Dieser Bulle war doch mehr als dreist, aber auch dumm zugleich, dass er ihm sagte, er sei hinter ihm her. Florian musste es nur geschickt anstellen, damit dieser Bulle sich nicht zwischen ihm und der Beute stellte. Wenn er es tat, würde ihm schon was einfallen. Immerhin hatte er einen sehr, sehr gründlichen Apparat hier im Krematorium und freie Särge gab es immer. Lachend malte er sich in Gedanken aus, wie er diesen Kerl langsam in die Grube fuhr und den Ofen anheizte. Ganz langsam würden sich dann die Flammen um den Sarg legen und sich von außen nach innen durch das Holz und das Samt fressen, bis es nur noch einen kleinen Haufen Asche gab. In diesen Augenblicken liebte er seinen Beruf. Gleich heute nach Feierabend würde er hinauffahren und sich die Steine holen. Nein, das war zu auffällig. Sicherlich würde Florian von verdeckten Ermittlern beschattet werden. Die gaben doch niemals Ruhe. Nein, er musste erst nach Hause fahren und denen eine Show vorspielen. Dann, nachts, konnte er sich durch den Hinterhof davonschleichen, die Steine holen und vor Morgengrauen wieder zurück sein. Ja, das war es. Ein genialer Plan. So genial, wie er selbst. „Herr Stern...machen sie bitte Frau Weber für ihre letzte Reise fertig.“, hörte er plötzlich die knorrige Stimme seines Arbeitgebers. „Bin schon dabei.“, erwiderte er nur und ging dann, seinen Plan in Gedanken abspeichernd, daran, die nächste Leiche für die Verbrennung fertig zu machen.


    Emily saß im Café und wartete auf ihren Liebsten. Die Sonne schien und so hatte sie sich draußen einen Platz gesucht, hielt ihr mit kleinen Sommersprossen versehenes Gesicht in die Sonne. Plötzlich stellte sich ein Schatten vor die junge Frau. Blinzelnd sah sie auf und lächelte dann mit verliebten Zügen. „Ich hab mich schon gefragt, wie lange du brauchst.“, grinste sie und ließ sich von ihrem Freund küssen. „Ich bin geflogen...“, entgegnete Ben fröhlich und ließ sich dann auf den Stuhl neben seiner Freundin nieder, nahm ihre Hand und kam ganz dicht an sie. „Weißt du eigentlich, dass du in der Sonne strahlst, wie ein Juwel?“, wollte Ben wissen und gab ihr einen langen, intensiv anhaltenden Kuss. Ein Feuer der Emotionen und Gefühle durchspülte beide Körper und ließ sie einander immer näher kommen. Beide Herzen schienen sich zu einem zu verbinden. Es verstrichen gefühlte Ewigkeiten, bis sich beide wieder lösten. „Wann hast du heute Abend Dienstschluss?“, wollte sie wissen.

  • „Tja, das weiß ich noch nicht. Ich habe einen Fall zu lösen. Aber ich denke, es wird höchstwahrscheinlich morgen etwas.“, meinte er betrübt und zog die Unterlippe vor, sah Emily mit seinen großen, rehbraunen Augen an. Die Engländerin musste lachen. „Du siehst so süß aus, wenn du das machst.“, lachte sie und gab dem jungen Hauptkommissar einen weiteren Kuss auf die Lippen. „Okay, sagen wir, wir treffen uns am Freitag Abend zum Diner. Ich habe bis 18 Uhr Theaterprobe. Danach können wir schön essen gehen, vielleicht noch tanzen und dann...“ „Was dann?“, wollte er wissen und sah die junge Schauspielerin verliebt an. „Dann werde ich dich auf einen Kaffee bitten und am nächsten Morgen mit dir frühstücken.“ „Ich liebe dich, Emily...“, hauchte er nur und küsste seine Freundin erneut. Nachdem Süßholzraspeln bestellten beide ein Baguette für zwei und einen Eisbecher für zwei. Verliebt aßen sie die Speisen, fütterten sich gegenseitig mit Eis und mit den Kirschen, Erdbeeren und der Sahne. Doch auch jede noch so schöne Mittagspause hatte ein Ende und schweren Herzens musste Ben sich dann verabschieden, ließ es sich aber nicht nehmen, seine Traumfrau bis zum Theater zu fahren. „Ich hol dich am Freitag pünktlich um 18 Uhr ab, versprochen.“, meinte er und gab ihr einen weiteren, langen und intensiven Abschiedskuss. „Bis Freitag...“, hauchte sie nur, ehe sie dann aus dem Auto sprang und durch den Eingang verschwand. Seufzend und sich in Gedanken loben, was für ein Glück er doch hat, fuhr Ben wieder Richtung Autobahn und Richtung PASt.


    Die See war rau und die Wellen sprangen wie wild gegen die Bordwand des kleinen Passagierdampfers, der routiniert über die Ostsee fuhr und sich seinen Weg nach Polen bahnte. Semir stand an der Rehling und machte Fotos vom aufgewühlten Meerwasser und von seiner kleinen Familie, die in sicherer Entfernung saß. So sehr er sich auch bemühte, das Geschehen von gestern und heute morgen ging ihm nicht aus dem Kopf. Er hatte den Jungen nur einen kurzen Augenblick gesehen. Er wollte ihm die Kamera stehlen, aber weshalb brachte man ihn denn um? „Semir?“, rief ihn seine Frau wieder in die Realität zurück. „Ja Schatz?“, erwiderte er nur und setzte sich dann neben Andrea, nahm dabei Aida auf den Schoß und sah seine Frau fragend an. „Du warst schon wieder abwesend.“, meinte seine Ehefrau lächelnd, aber mahnend. „Ich weiß...aber die Ereignisse im Hotel beschäftigen mich nun mal.“, erklärte er. „Einmal Bulle, immer Bulle...“, grinste Andrea und küsste ihn auf die Wange. „Andrea...es ist schon furchtbar, aber was soll ich machen? Ich habe hier keine Ermittlungsgewalt.“ „Und das ist auch gut so, mein kleiner Hercule Poirot. Lass uns einfach einen wunderbaren Urlaub genießen und die Polizei ihre Arbeit machen.“, erklärte sie und küsste ihn erneut. „Hmmm, mach weiter...das ist gut.“, grinste er nur und genoss die Liebkosungen seiner Frau. „Hey, jetzt werde mir nicht übermütig.“, lachte sie, als Semir sie in den Arm nahm und nach vorne beugte, beide dabei fast das Gleichgewicht verloren.


    ...

  • „Papa, Mama, wir sind daaaaa....“, stieß Aida aus und zeigte auf das am Horizont auftauchende Ufer, die Einfahrt der Bucht von Swinemünde mit dem großen, rotweißen Leuchtturm, darauf stolz wehend die weiß-rote Fahne Polens mit dem weißen Adler. Semir und Andrea sahen ebenfalls nach vorne und beide spürten, wie sie in ein fremdes Land einfuhren. Tutend legte der Dampfer an und verkündete mit einem langgezogenen Pfiff, dass die Passagiere von Bord gehen konnten. Darunter auch die kleine Familie Gerkhan. „So, und was wollen wir jetzt besichtigen?“, fragte Semir und sah sich suchend um, hielt dabei Andrea, sowie Aida an seiner Hand. „Lass uns zum alten Fischmarkt gehen. Von dort können wir uns dann die schöne Altstadt ansehen.“, schlug Andrea vor. Semir war einverstanden und nahm seine beiden Frauen bei der Hand. Gemeinsam gingen sie in die wenige Meter vom Kay entfernt liegende Altstadt der polnischen Ostseestadt. Die Sonne schien herrlich hoch und die frische Seeluft kitzelte allen Dreien die Nase. „Einfach herrlich hier...“, meinte Andrea nur. Semir brummte kurz. Für ihn lag etwas anderes in der Luft...der Hauch des Todes.


    Florian Stern beendete seinen Dienst, gerade eben hatte er die letzte Schaufel Asche in die Urne gefüllt und für die morgige Beerdigung bereitgestellt. Nun schloss er das Krematorium sorgfältig ab, überprüfte noch mal den Zustand des Ofens und verschwand dann zur Bushaltestelle. Der Abend war lau und angenehm warm. Hoffentlich war der Bus nicht so schrecklich überfüllt, dachte er nur und sah dann das rote Gefährt auf sich zurollen. Schnell zog er seine Fahrkarte hervor, suchte sich einen Platz und fuhr zu seiner Wohnung zurück. Schon von weitem sah er den Wagen, der vor seiner Haustür stand. „Wusste ich es doch.“, grinste er und ging locker am Auto der verdeckten Ermittler vorbei, vermied den Blickkontakt zu den Insassen, grinste aber innerlich. Schnell war die Tür zum Haus aufgeschlossen und die Stufen erklommen, da stand er endlich in seinen eigenen vier Wänden. Jetzt musste er nur noch auf eine Gelegenheit warten, um diese Bullen dort unten auszutricksen. Florian knipste sein Licht im Wohnzimmer an, ließ es aber im Schlafzimmer aus. Der Lichtschein durch die Tür vom Wohnzimmer zu besagtem Schlafzimmer reichte aber aus und so hockte der Mann vor seinem Bett, fummelte etwas mit der Hand unter der Schlafgelegenheit herum. „Wo ist das denn?“, fluchte er nur und spürte dann etwas sperriges, papiernes. „Ah, da ist es ja...“, meinte er nur und zog es mit einem kräftigen Ruck hervor. Wieder ging er ins Wohnzimmer und riss den großen Umschlag auf. Da war es also, alles, was er brauchte. Jetzt hieß es warten, warten und warten.

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  • Ben saß wieder an seinem Schreibtisch und blickte auf die große Uhr an der Wand. Langsam ging es auf Feierabend zu und bisher hatte Susanne ihm noch nichts gebracht. Was würde dieser Stern wohl tun? Immerhin hatte Ben ihn mit dem Kopf darauf gestoßen, dass sie ihn beobachteten. Würde er nicht an seiner Stelle die Diamanten holen und dann bei einem Hehler zu Geld machen lassen? Aber wäre das nicht leichtsinnig? Die Polizei suchte nach den Steinen und auch nach Stern. Vielleicht würde er es nicht selbst machen. Was, wenn er einen Verbindungsmann hatte? Einen, der das Versteck leerte und die Steine verkaufte. „Ben?“, riss ihn Susanne aus den Gedanken. Er sah zu ihr hinüber. „Ich hab hier die aktuellen Verhältnisse über das Grundstück.“, meinte sie und reichte dem jungen Hauptkommissar einen dicken Ordner. „Danke Susanne...“, meinte er freundlich und lächelte sie an. Zurücklächelnd verließ die Sekretärin das Büro, kehrte aber nicht zu ihrem Schreibtisch zurück, sondern schien für heute Feierabend zu machen. Ben jedoch machte sich über die Akte her. Das Güterlager stand und steht seit fünf Jahren leer, doch es scheint Investitionspläne zu geben. Mitte nächster Woche scheint die Stadt damit anfangen zu wollen, das alte Lager wieder zu beleben und danach einen stadteigenen Betrieb für Metall- und Schrottverarbeitung darin einzurichten. Das war es. Damit würde Stern unter Zeitdruck geraten. Sicher hatten die Vermessungen und Vorbesichtigungen schon angefangen. Wenn die wirklich dort nächste Woche anfangen wollen, dann müsste es doch einen Bericht in einer Zeitung oder so geben. Sofort schmiss Ben den PC an und googelte nach dem Artikel mit den entsprechenden Schlagworten. Da, er wurde fündig. Die Kölner Stadtpost würde morgen einen Bericht darüber auf ihrer Titelseite bringen. Das war das Blatt, was jedem kostenlos in den Briefkasten gelegt wurde und das dennoch kaum einer las. „Das wird ein hartes Stück Arbeit.“, murrte Ben und dachte an die bevorstehenden Nachteinsätze. Denn es war klar, dass in einer der nächsten Nächte Stern sicherlich zuschlagen müsste. Aber in welcher?


    ...

  • Florian Stern ging zurück ins Wohnzimmer und schaltete seinen Computer ein. Er wollte sich noch vor den Schlafengehen die Artikel der morgigen Zeitungen durchlesen. Aus Erfahrung wusste er, dass die Artikel, die morgen gedruckt erschienen, kurz nach sieben Uhr abends schon online standen. Genüsslich trank Florian sein Bier, als er die Seiten durchblätterte. Doch dann stutzte er, verschluckte sich fast, als er das, was auf seinem Bildschirm war, las. „Oh shit, das können die nicht machen.“, fauchte er und sah noch einmal, nachdem er die restlichen Bierwolken von seinem Schirm beseitigt hatte, die er in der Aufregung raufgespuckt hatte. Sofort schaltete er den Computer wieder aus, warf sich seine Jacke über, hielt dann aber sofort inne. Moment...er konnte vorne nicht raus. Da standen die beiden Wachhunde von Bullen. Ungesehen kam er an denen nicht vorbei. Doch da war noch der Ausgang über den Hof. Über die zweite Straße würde er ungesehen entkommen. Ja...das war es. Schnell hatte er seine Ausrüstung, seine aus dem Briefumschlag hervorgenommene Unterlagen und eine Taschenlampe geschultert und schlich die Treppen runter. Der Hinterhof war zu jeder Tageszeit unbeleuchtet und so war es für Florian einfach, die andere Straße zu erreichen. Das ein oder andere Auto, das hier stand, war ein einfaches für einen Autodieb. Da er zwar keiner war, dauerte es nur eine Minute länger, aber es stellte kein Hindernis für ihn dar. Die Zündung des Opels startete nach wenigen Minuten und schon brauste Florian Stern davon.


    Die Nacht lag schwarz und wolkenbehangen über der Stadt, als Florian seinen Wagen durch die dunklen Straßenzüge steuerte und langsam sich dem alten, brachliegenden Industriegebiet der Stadt näherte. Verdammt, dieser Zeitungsartikel brachte ihn in die größten Schwierigkeiten. Er musste jetzt und vor allem, wenn er die Beute geborgen hatte, höllisch aufpassen. Das Ganze musste ohne Aufsehen und vor allem schnell zu Geld gemacht werden und das Geld dann ungesehen auf ein unsichtbares, Schweizer Konto eingezahlt werden. Dort würde es gut liegen, bis sich die erste Aufregung gelegt hatte und er irgendwann das Rentenalter erreichte. Eigentlich wollte er die Diamanten von einem befreundeten, ehemaligen Mithäftling bergen lassen, dem er 30 Prozent an der Beute versprochen hatte, sollte er sie ohne Aufsehen auch noch verkauft kriegen. Dieser Plan bot ein hohes Risiko für Florian in dem Maß, dass er leicht von dem Mithäftling hätte übern Tisch gezogen werden können, doch so was würde er nicht ungestraft auf sich sitzen lassen. Nun aber holte er alleine und ohne zu teilen die Beute aus dem Versteck.

  • Er löschte die Lichter und fuhr langsam den Kiesweg zum alten Güterlager hinab. Hier war es also...damals hatten ihn diese beiden Autobahnkommissare nicht weit von hier gestellt. Die Beute hatte er vorsorglich hier verstecken können und, zur Täuschung seiner Häscher, einen Gullydeckel hochgehoben, unter dem das städtische Abwasser floss. Sie hatten es damals gefressen, seine Täuschung war perfekt. Dennoch war ihm bewusst, dass die Polizei nicht lange so dumm sein konnte und die Geschichte mit dem Gullydeckel glauben würde. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie hinter den Trick kamen. Nun war er wieder hier, genau wie vor vier Jahren. Doch nun galt es für Florian, das alte Versteck zu finden und zu leeren. Vorsichtig glitt er durch das kaputte und eingeschlagene Fenster, knipste die Lampe an und suchte den Horizont des Gebäudes nach etwaigen anderen Personen ab. Nachdem er sich versichert hatte, dass hier keiner außer ihm war, suchte er mit dem Lichtkegel der Lampe nach dem nicht rostigen Pfeiler. „Verdammt, die sind alle rostig. Wie soll ich da den richtigen finden?“, zischte er nur und machte sich dann aber an die Arbeit. Wenigstens waren es nur drei Pfeiler. Bei einem musste doch eine lose Stahlplatte sein. „Bingo...“, stieß Florian aus und bog die Platte langsam zurück. Zum Vorschein kam wirklich ein schwarzer Stoffbeutel. „Na, da seid ihr ja, meine kleinen Schätzchen.“, lachte Florian und griff hinein. Funkelnd sprangen ihn der Schimmer dieser Steine in die Augen. Mit leuchtenden Blicken griff er hinein, förderte einige ans Licht und ließ sie langsam und einzeln wieder in den Beutel zurückfallen. Plötzlich musste er innehalten. War da etwas? Da war doch ein Geräusch. Er hatte es deutlich gehört. Schnell versteckte er sich, merkte aber nicht, wie einer der Steine aus seiner Hand fiel.


    „Stern, ich weiß, dass sie hier sind.“, hörte er plötzlich eine ihm bekannte Stimme. Was will der denn hier, knurrte der Mann hinter dem Pfeiler und suchte sich eine Waffe. Da...eine alte Rohrzange. Schnell ergriff er das Gerät und presste sich dicht an den Eisenträger. Er konnte die Schritte seines Angreifers deutlich hören. Und...das Rasierwasser riechen. „Stern...hören sie...“, kam es die Stimme von Jäger. Florian atmete tief ein, kam hinter dem Eisenträger hervor und schlug mit der Zange zu. Jäger wich erschrocken rum, konnte aber ausweichen. Der Schlag traf seine Schulter. Vor Schmerzen aufschreiend, sackte Ben kurz zusammen. Doch schon folgte der nächste Schlag von Florian und dieses Mal saß er richtig. Der junge Hauptkommissar entglitt in die schwere Dunkelheit der Bewusstlosigkeit. „So, das hast du jetzt davon.“, knurrte Florian erschöpft und ließ die Waffe fallen. Dann nahm er den Stein, der am Boden lag, steckte ihn in den Beutel zurück und ließ diesen in seinen Rucksack verschwinden. „So, jetzt muss ich mich nur noch um dich kümmern.“, grinste er und packte den Mann bei den Füßen, zog ihn durch das Güterlager und zu seinem Wagen. „Sei sehr froh, denn bald wirst du es sehr, sehr warm haben.“


    ...

  • Semir, Andrea und Aida kamen sichtlich erholt und zufrieden ins Hotel zurück, doch da sollte sich eine sehr überraschende Szene bieten, die den Urlaub zu einem abrupten Ende bringen sollte. „Warten sie... Lothar, du machst einen Fehler.“, schrie Marion, die Wirtin, und kam aufgeregt aus dem Haus gerannt, ihr hinterher ihr Mann Rolf und Oskar, der faule Bobtail. Vor der Gruppe liefen drei blau uniformierte Beamte, in der Mitte Franzi mit Handschellen gefesselt. „Marion...bitte, ich tue hier nur meine Pflicht. Mir fällt es genauso schwer, glaub mir.“, kam es vom Kommissar. Semir und auch Andrea rissen erschrocken die Augen weit auf. „Was...was ist denn los?“, wollte der Deutschtürke wissen. „Was machen sie denn mit dem armen Mädchen?“, fragte nun auch Andrea und hielt sich bei ihrem Mann am Arm fest. „Ich nehme Franziska Rose fest. Auf der Tatwaffe wurden ihre Fingerabdrücke gefunden und das Opfer hat sie vor seinem Tod auf dem Handy angerufen. Wahrscheinlich hat er die Beziehung beendet oder Franzi hat vom Rückfall ihres Freundes erfahren.“, erklärte der Kommissar und kaute wieder auf einem Kaugummi. „Glauben sie wirklich daran?“, fragte Semir skeptisch.


    „Die Beweise sprechen gegen sie. Was soll ich machen? Ich muss sie festnehmen. Das wissen sie doch selbst am Besten.“, kam es nur von ihm und dann ging Kommissar Möller. Mit zuckenden Schultern und in den Händen in den Taschen vergraben, stieg er in seinen Dienstwagen und fuhr davon. „Meine Tochter ist keine Mörderin...“, schrie Marion verzweifelt und vergrub dann ihr Gesicht in die Schulter ihres Mannes. „Das kommt schon alles wieder zurecht. Wir beide wissen doch, dass sie niemandem etwas antun kann.“, meinte Rolf Rose und hielt seine Frau an sich. Betroffen sahen Semir und Andrea der Szenerie zu, gingen dann aber schnell ins Hotel und in ihr Zimmer hinauf. „Das arme Mädchen.“, meinte Andrea nur und ließ sich vorsichtig aufs Bett fallen. Semir nickte und setzte sich daneben. „Irgendwas müssen wir doch für das arme Mädchen tun können.“, kam es nur von ihm und dann setzte er seinen typischen Dackelblick auf, drehte sich damit zu seiner Frau um und blickte ihr tief in die Augen. Sofort musste sie lachen. „Semir Gerkhan...aber nur, um den Mädchen zu helfen.“, meinte sie und küsste ihren Mann leidenschaftlich. „Versprochen.“

  • „Okay Franzi, wir haben deine Fingerabdrücke auf dem Beil festgestellt und die Telefonverbindung zeigt, dass Ronald dich angerufen hat. Was hat er dir erzählt?“, wollte Lothar Möller mit ruhiger, sanfter Stimme wissen und suchte immer wieder den Blickkontakt zum Mädchen. Doch Franzi wollte ihm nur ausweichen. Ihr war die Situation mehr als unangenehm. „Hör mal, ich kann dir nicht helfen, wenn du weiterhin so gesprächig bist.“, kam es dann eindringlich von ihm. Aber wieder schwieg Franzi und drehte ihren Kopf nur zur Seite. „Okay, du willst mir anscheinend nicht helfen und dir auch nicht. Hör zu, ich weiß, dass du keiner Fliege was zu Leide tun könntest. Das Küchenbeil hast du doch auch mal benutzt und warum sollte dich dein Freund nicht anrufen. Aber Franzi, du musst mir helfen, sonst sperrt dich der Staatsanwalt für lange Zeit weg. Hilf mir endlich und helfe auch dir.“, forderte er, musste dann aber aufsehen, als die Tür aufging und ein Mann im dunklen Anzug mit einem strengen Blick bewaffnet in den Verhörraum trat.


    „Herr Möller...ist das die junge Dame, die im Verdacht steht, ihren Freund mit dem Küchenbeil ermordet zu haben?“, fragte er mit strenger und hochtragender Stimme. „Herr Staatsanwalt Friedrichsen...Ja, das ist das Mädchen, aber...“ „Nichts aber, ich habe mir gerade die Beweise angesehen. Warum ist sie nicht in Untersuchungshaft?“, wollte er knurrend wissen. „Herr Friedrichsen, ich weiß, dass das Mädchen es nicht getan hat, aber...“ „Aber was? Suchen wir uns jetzt neuerdings den Täter nach Sympathiegrad aus? Man Möller, machen sie gefälligst ihre Arbeit oder ich muss sie vom Fall abziehen.“, fauchte er und stellte sich dann in die geöffnete Tür. „Gut, ich gebe mich geschlagen. Ich lasse sie wegbringen.“, kam es von Möller und ließ Franzi wegbringen. „Sehr gut. Ich hoffe, sie sind nun wieder klar im Kopf. Denken sie dran, es ist unsere erste Pflicht, das Gesetz zu vertreten.“, kam es kühl von Friedrichsen. Möller knirschte so sehr mit den Zähnen, dass sein Kaugummi vorne herausquoll. Als der Jurist weg war, kamen jene Worte aus dem Mund, die schon jeder Kriminalbeamte in seinem Leben ausgestoßen hatte. „Widerwärtiges, arrogantes Arschloch.“


    ...

  • Semir saß im Speisesaal und aß schweigsam vor sich hin. Andrea und Aida waren in der Stadt unterwegs und machten einen kleinen Ausflug zum Strandspielplatz. Während Semir seine Seezunge mit Kräuterrahm und Mandeln aß, beobachtete er das Inhaberehepaar aus den Augenwinkeln. Irgendwas stimmt mit den Beiden nicht. Da war sich der Hauptkommissar sicher und mehr noch, sie verbargen was. Das konnte er spüren. Die Frage war aber, was? „Herr Gerkhan? Darf ich mich zu ihnen setzen?“, hörte er plötzlich eine Stimme neben sich. Staunend sah Semir in das Gesicht des Hauptkommissars Lothar Möller. „Sicher...was kann ich für sie tun?“, wollte der Autobahnpolizist wissen und sah seinen norddeutschen Kollegen an. „Ich musste gerade Franzi in die U-Haft stecken. Aber ich weiß, dass sie keine Mörderin ist.“, kam es überzeugt von Möller. „Ganz unter uns...das denke ich auch nicht.“, entgegnete Semir nur und sah, wie Möller ihn erstaunt ansah. „Ich weiß zwar, dass sie im Urlaub sind, doch würde es ihnen etwas ausmachen, wenn sie mir bei dem Fall etwas zur Hand gehen?“, wollte der norddeutsche Kollege wissen. Semir grinste ihn nur an. „Keine Angst, ich habe mit meiner Frau darüber gesprochen. Wir sind uns beide darüber einig, dass wir dem Mädchen helfen sollten.“, kam es dann vom Deutschtürken. „Sehr gut, ich habe hier den Untersuchungsbericht unseres Gerichtsmediziners mitgebracht.“, fing Lothar gleich an, doch Semir gebot Einhalt. „Darf ich, bevor sie mit den fiesen, schmutzigen Details anfangen, noch meinen Fisch aufessen.“, bat er und ließ es sich weiterhin genüsslich munden. Nickend musste Möller dabei zusehen, wie sein Partner auf Zeit sich den Fisch genüsslich schmecken ließ. Ihm tropfte selbst der Zahn und nur zu gerne hätte er sich auch eine Portion bestellt, doch als er sich nach Marion oder Rolf Rose umdrehen wollte, sahen die beiden angestrengt weg, ignorierten ihn einfach. So ließ er es bleiben, versuchte, seinen Magen nicht allzu laut knurren zu lassen und wartete, bis Semir fertig war.


    „Okay, dann legen sie mal los.“, forderte Semir, als er die letzte Kartoffel über den Teller schob, um den letzten Klacks des selbstgemachten Kräuterrahms aufzunehmen. Lothar Möller erweckte aus seiner Lethargie und legte Semir den Bericht der Spurensicherung und des Pathologen vor. „Nach dem ersten Augenschein wurde der Junge komplett überrascht und dann mit dem Küchenbeil....“ Lothar machte eine Schlagbewegung mit der Hand, so, als hätte er das Mordinstrument in der Hand. Semir nickte nur. „Und was ist mit den Spuren?“, kam die nächste Frage von Semir. „Es ist komisch...es waren kaum welche Fingerspuren an der Tatwaffe, obwohl das ein Küchengerät ist. Man sollte doch davon ausgehen, dass solch ein Beil öfters benutzt wird, oder?“, kam es nachdenklich von Lothar Möller. „Allerdings, aber wessen Spuren waren denn nun auf dem Griff?“, fragte Semir nun nach. „Nur die von Franzi...das arme Mädchen.“ Semir konnte dem nur zustimmen. Im Moment sah alles so aus, als hätte die Tochter des Hauses ihren Freund umgebracht. Aber war sie es wirklich?

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