In the Army now

  • „Wenn ich den Knopf hier los lasse, dann findet man hier nur noch einen zehn Meter tiefen Krater... und von uns bleibt nichts mehr übrig, außer Staub.“, fauchte Kupfer und sah, wie sich Semir langsam entkrampfte. „Was wollen sie?“, zischte Semir und näherte sich langsam seiner Frau, den Blick immer auf die ausgestreckte Hand mit dem gedrückten Knopf gerichtet. „Sie haben mir ein großes Projekt vermasselt und einen Unschuldigen verhaftet.“, stieß Jens Kupfer aus und kramte aus seinem Rucksack einen Gürtel. „Hier... legen sie sich das um. Ihre Frau trägt schon einen.“, meinte der Mann mit ruhiger Stimme. Semir wurde durch den Tonfall klar, dass dieser Mann alles geplant hatte und sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. Der Deutschtürke sah zu seiner Frau, die vollkommen verängstigt in einer Ecke des Sofas saß und sich nicht zu rühren wagte. „Darf ich mich zu meiner Frau setzen?“, bat Semir den Eindringling, der sich immer wieder im Wohnzimmer umsah und scheinbar reges Interesse für die Familienfotos zeigte. Jens drehte sich um und sah Semir nur an. „Sie dürfen. Und danach können sie mir einen Gefallen tun.“, meinte er und ging zum Telefon, hob den Hörer ab und reichte ihn Semir hin. Dieser verstand, was der Mann wollte.


    „Emily, your Diner is fantastic.“, schwärmte Ben in der Muttersprache seiner neuen Bekanntschaft, als beide in ihrer Wohnung saßen und ein gemeinsames Abendessen einnahmen. Emily Christie, eine junge, englische Schauspielerin hatte Ben vor einigen Tagen in einem Café kennen gelernt und seitdem trafen sie sich jeden Abend dort wieder. „Danke Ben, es freut mich, wenn es dir schmeckt. Nicht jedem mundet die englische Küche.“, meinte sie und biss in den selbstgebackenen englischen Fruchtkuchen rein. Ben hielt sich seinen prall gefüllten Bauch und lehnte sich nach hinten, während er eine der Weintrauben ergriff und sie sich in den Mund warf. Doch sie fiel daneben und nur ein kurzes Schlabbern war vom Boden zu vernehmen. „Angus, you greedy dog.”, stieß Emily wütend aus, als ihr schwarzer Riesenschnauzer sich einfach die Weintraube schnappte und gierig und geräuschvoll verschlang. Ben musste lachen. Doch schon im nächsten Moment sah er wieder in diese blaugrüne Augen, die ihn schon beim ersten Mal verzaubert hatten. „Komm, lass uns den Nachtisch einfach noch weiter auskosten.“, meinte sie und kam ganz dicht an Bens Gesicht heran, rieb ihre Nasenspitze an seiner, bevor sie ihn mit einem heißen und intensiven Blick an sich fesselte.

  • „Wow.“, stieß er nur aus, als sich beide gelöst hatten. Sie grinste nur und wiederholte den zarten Kuss. Ben genoss diese Zärtlichkeit lange und kostete jeden Augenblick aus. Die ganze Szene hätte noch länger angehalten, wenn nicht Bens Handy sich störend und mit voller Stimme zu Wort gemeldet hätte. „Och nein, lass es klingeln.“, bat Emily, während sie das Gesicht des Mannes festhielt. Einen Moment war Ben versucht, dieser Bitte nachzukommen, doch dann konnte er das schriller werdende Läuten nicht mehr ignorieren. „Ich wimmle ihn schnell ab. Versprochen.“, meinte er nur und löste sich ungewollt von ihr, stolperte im Gehen fast über Angus und landete sicher mit dem Handy im Flur. Wer auch immer das ist, ich bring ihn um, schwor sich Ben und sah flüchtig auf das leuchtend Display, als er den grünen Knopf drückte.
    „Semir, wehe, es ist nichts wichtiges, verdammt.“, fauchte Ben ins Telefon und sah um die Ecke. „Ben... bitte hör mir jetzt genau zu...“, hörte der Jungkommissar seinen Partner mit solch einer Ernsthaftigkeit sagen, dass en sofort mehr als aufmerksam und hellhörig wurde. „Was ist los? Du hörst dich so ... anders an... ist was passiert?“, wollte Ben wissen. „Ben... in meinem Haus ist jemand, der eine Sprengstoffweste trägt... er hat Andrea und mir einen Gürtel voll von Sprengstoff umgeschnallt... Er will...“, doch dann wurde Semir das Telefon weggerissen und eine tiefe, gefährliche Männerstimme meldete sich zu Wort. „Du erinnerst dich hoffentlich an mich, Bulle.“, höhnte der Mann. „Was... was wollen sie?“, zischte Ben und sah sich wieder nach Emily um. Doch sie war noch nicht zu sehen. „Ich will folgendes von ihnen. Sie besorgen mir das Geld aus dem Überfall und Niels Haferkamp. Dann sollten sie ihre Freunde gesund wieder bekommen. Sollten sie mich allerdings reizen, wird hier demnächst nur noch ein tiefer Krater sein.“, zischte die Stimme und im nächsten Moment hörte der Jungkommissar nur noch das stille, todbringende Tuten in der Leitung. „Verdammt.“, stieß Ben aus und klappte sein Handy zusammen.


    ...

  • Emily kam um die Ecke, als Ben wieder vom Telefonieren zurück kam. „Du... ich muss schnell weg.“, stieß er aus und küsste sie auf die Stirn. „Was? Jetzt? Aber Ben... wir haben doch noch eine wunderbare Nacht vor uns.“, meinte sie und sah ihn mit verliebten, genussvollen Augen an. Vorsichtig wischte sie ihre zur Hälfte aufgeknöpfte Bluse von der Schulter. Ben wurde heiß und sein ganzer Körper fühlte sich wie ein kurz vor dem Ausbrechen stehender Vulkan an. „Oh man...“, stieß er aus und wollte schon seine Jacke fallen lassen. Doch dann besann er sich und musste unweigerlich an Semir denken. Nein, sei stark, mahnte er sich selbst und ging auf Emily zu. „Tut mir Leid, Süße, aber mein Partner braucht mich.“, erklärte er schnell und küsste seine Traumfrau erst auf die Wange, wanderte dann aber immer weiter zum Mund und verfing sich dann mit seinen Lippen in den ihren. Ein langer, intensiver und leidenschaftlicher Abschiedskuss. „Wow.“, stieß Emily aus und musste sich an der Wand festhalten, als sie sich von Ben gelöst hatte. „Ich komme bald wieder und dann holen wir das Dessert nach.“, versprach er und gab ihr einen letzten Kuss. Dann verschwand Ben durch die Tür und stürmte die Treppen hinunter. Schnell saß er in seinem Wagen und brauste die Straßen hinunter. „Oh Semir...“, murrte er.


    Jens riss Semir das Telefon wieder aus der Hand. „Sehr gut gemacht, Herr Gerkhan. Und jetzt können sie mit ihrer Frau etwas essen. Ich werde natürlich dabei sitzen und mitessen. Sie verstehen, dass ich sie nicht aus den Augen lassen kann.“, meinte der Mann mit ruhiger Stimme. „Selbst wenn ich was gegen sie unternehmen würde, ich kann es nicht riskieren, dass sie den Knopf loslassen.“, knurrte Semir und drückte seine schwangere Frau noch enger an sich. „Gehen sie, Frau Gerkhan, gehen sie in die Küche und machen sie uns was zu essen.“, forderte Kupfer und hielt zitternd den Knopf in seiner linken Hand. Die rechte Hand versuchte, die andere Hand so gut es ging, ruhig zu halten. Er biss derart die Zähne zusammen, dass ihn selbst das Schmerzen bereitete. Semir sah das Ganze mit Genugtuung an, doch er hatte auch Mitleid. „Was ist mit ihnen?“, wollte Semir wissen und richtete sich ein bisschen auf. „Das hat sie nichts anzugehen.“, fauchte er und nahm eine Pillendose aus seiner Hosentasche, nahm eine der Pillen heraus und schluckte sie runter. Die Wirkung trat nach wenigen Augenblicken ein. Jens hob den Kopf und blickte in die angsterfüllten Augen von Semir. Noch nie musste er seinen Opfern in die Augen sehen. Als Soldat war man darauf aus, den Feind auf größtmögliche Entfernung zu töten, bevor man selbst von ihm getötet werden würde. „Sie haben Angst.“, stellte der Leutnant unsinnigerweise fest. Der Deutschtürke lachte verächtlich auf.

  • „Natürlich habe ich Angst. Meine Frau steht nebenan mit einem Sprengstoffgürtel um unser ungeborenes Kind. Was meinen sie, wie sie sich da fühlen würden. Sie können von Glück sagen, dass meine Tochter oben so einen festen Schlaf hat.“, stieß Semir aus. Jens sah ihn erstaunt an. „Schande, das tut mir Leid. Hören sie, ich will nicht noch eine Familie töten. Gleich, wenn der erste Polizeiwagen eintrifft, werde ich ihr den Sprengstoffgürtel abnehmen und sie gehen lassen. Für das, was ich vorhabe, brauche ich auch nur eine Geisel.“, meinte Jens. Semir nickte nur unmerklich. Irgendwie war was in der Stimme des Mannes, die ihn nicht an seinen Worten zweifeln ließ, sondern ihn eher Glauben schenkte. „Sie sprachen von noch einer Familie? Sprechen sie von ihrer eigenen Familie?“, wollte Semir wissen. Er musste es schaffen, zu diesem Mann Vertrauen aufzubauen. Nur so konnte er ihn von dem abbringen, was er vorhatte. Jens sah den Mann an und legte seine Hände vor sich auf den Tisch, ohne dabei aber den Knopf loszulassen. „Nein, es war nicht meine Familie, aber ich fühle mich für das, was ich ihnen angetan habe, verantwortlich. Und mehr brauchen sie darüber nicht zu wissen. Sollten sie mich allerdings nochmals danach fragen, wird das sehr ungemütlich für sie.“, knurrte Semirs Gegenüber.


    Ben fuhr geradewegs zu einer Wohnung, deren Inhaberin mehr als wütend war, als der Jungkommissar sie aus dem Bett klingelte. „Herr Jäger... ich will hoffen, dass es etwas sehr wichtiges gibt, dass sie mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißen.“, fauchte Kim Krüger und stand im Rahmen ihrer Haustür. „Frau Krüger, es ist sehr, sehr wichtig. Semir, er sitzt mal wieder in der Patsche.“, erklärte Ben. „Ist das denn was neues?“, wollte sie mit Sarkasmus in der Stimme wissen und gab die Wohnungstür frei. Ben ging hinter der wütenden, müden Chefin her. „Also, was ist es dieses Mal?“, wollte Kim wissen und ließ sich ins Sofa fallen. „Ich erhielt vorhin einen Anruf von Semir, der mir sagte, dass er einen Sprengstoffgürtel trägt und Andrea ebenfalls. Der Mann, den wir heute morgen verfolgt hatten, scheint damit zu tun zu haben.“, erklärte er und sah, dass Kim ihn erstaunt ansah. „Das darf doch wohl nicht wahr sein. Nun gut, wissen sie, wo sie gefangen gehalten werden?“, wollte sie wissen. „Allerdings. Sie scheinen bei den Gerkhans im Haus zu sein. Anscheinend ist der Geiselnehmer sich seiner Sache mehr als sicher.“, erklärte Ben und rieb sich nervös die Hände. „Okay, ich werde mir was überziehen und dann fahren sie mich zum Haus von Gerkhan. Wir werden uns die Lage vor Ort ansehen.“, beschloss sie und verschwand in ihrem Schlafzimmer. „Ich... ähm... werde so lange im Auto warten, bis sie ... bis sie fertig sind.“, meinte Ben verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. Von Kim kam keine Antwort und so beließ er es dabei und stieg in seinen Wagen.


    ...

  • Schnell war Kim unten und stieg zu Ben in den Wagen. „Sie hätten auch in meiner Wohnung warten können.“, meinte sie kühl, doch huschte ihr ein Lächeln über die Lippen. „Okay, fahren wir los. Ich informiere inzwischen das SEK.“, erklärte sie und griff zu ihrem Handy. „Wissen wir, wie der Mann heißt?“, wollt sie dann wissen. Ben musste verneinen. „Leider hat er sich mir nicht vorgestellt. Aber es ist sicher, dass er mit dem Mann, den wir heute früh festgenommen haben, unter einer Decke steckt. Ansonsten würde er nicht fordern, dass wir ihn frei lassen.“, erklärte Ben und konzentrierte sich auf den nächtlichen Verkehr. „Wir werden ihn nach seinen Forderungen fragen und so herausfinden, wer sich dahinter verbirgt.“, murmelte Kim vor sich her, ehe sie dann das SEK am Rohr hatte. Mit wenigen Worten erklärte sie die Sachlage und dass sie auf dem Weg zu Semirs Haus waren. Alex Hoffman, der Chef des SEKs, versprach, sie dort zu treffen. „So, Herr Jäger und nun geben sie mal ein bisschen mehr Gas.“, forderte Kim, als sie das Gespräch beendet hatte. Das ließ sich Ben von seiner sowieso immer motzenden Chefin nicht zwei Mal sagen und drückte das Pedal so tief nach unten, wie es ihm möglich war. Das Blaulicht erhellte ihnen nicht nur die Nacht sondern schaffte ihnen auch eine freie Fahrbahn zu Semirs Haus, wo sie nach einer viertel Stunde eintrafen. Da das SEK noch nicht vor Ort war, stiegen die beiden Polizisten langsam und vorsichtig aus ihrem Wagen. „Ich werde mir mal einen unauffälligen Überblick verschaffen.“, meinte Ben, doch Kim hielt ihn auf. „Nein Herr Jäger, sie bleiben hier. Was ist, wenn sie der Typ sieht. Wir wissen doch gar nicht, ob er uns beobachtet oder...“, Kims Worte wurden jäh von Bens Handyklingeln unterbrochen. „Das ist Semirs Nummer.“, stieß er aus, als er auf den Display sah. Vorsichtig nahm er ab und stellte den Lautsprecher ein, damit Kim hören konnte, wer dort am Telefon was zu sagen hatte.


    „Ich sehe, du bist schon da, Bulle. Ich hoffe, du hast auch das Geld und meinen Freund dabei.“, hörte er seinen Gegner am anderen Ende der Leitung sagen. Ben sah zu Kim und die schüttelte nur mit dem Kopf. „Hören sie, so einfach wie sie sich das denken, ist es nicht. Wir müssen erst mit der Staatsanwältin reden und dann das Geld aus der Asservatenkammer und ihren Freund aus der U-Haft holen.“, erklärte Ben. Schweigen. „Bitte... geben sie mir mehr Zeit oder lassen sie wenigstens die Kleine und die Frau frei. Sie ist hochschwanger. Sie kann diese Aufregung nicht lange durchstehen.“, stieß Ben mit gedämpftem Zorn aus. Wieder kam keine Antwort zurück. Der Jungkommissar umklammerte mit festem Griff das Telefon und war schon versucht, aufzulegen. „Ben, sehen sie... Da, an der Haustür.“, rief Kim auf einmal.

  • Sofort suchten Bens Blicke die Haustür der Gerkhans. Da stand Andrea mit Aida auf dem Arm und machte langsame Schritte auf den Wagen und auf Ben zu. „So, ich habe Frau Gerkhan und die Kleine frei gelassen. Sie sollten sich dennoch beeilen. Meine Geduld reicht nur noch bis zum Morgengrauen. Bis sechs Uhr sollten sie alles beisammen haben. Dann sage ich ihnen, was sie als nächstes zu tun haben.“, meinte der Mann am anderen Ende der Leitung. Dann war sie wieder da, die grauenerregende Stille. Ben steckte das Handy weg und ging langsam auf Andrea zu. Sie war sichtlich mit den Nerven fertig und hatte Aida auf dem Arm. „Andrea... komm, du bist in Sicherheit.“, meinte er und zog sie hinter seinen Mercedes in Deckung. Andrea atmete schwer und hielt sich den prallen Bauch. Kim nahm Aida und kniete sich vor Andrea hin. „Wie fühlen sie sich?“, wollte sie wissen. „Der... der Mann hat mir einen Sprengstoffgürtel umgelegt. Wie soll ich mich da gefühlt haben? Mir war scheißelend vor Angst.“, stieß Andrea aus und ließ einfach den Tränen freien Lauf. Ben sah Kim kurz an. Warum musste diese Frau auch immer gleich mit dem Holzhammer zuschlagen? „Kommen sie, ich bring sie beide zum Krankenwagen.“, bot sich die Chefin dann mit einem anderen, freundlicheren Gesicht an. Andrea nickte und ließ sich von ihr helfen. Kim trug Aida hinterher. Die Sanitäter und der Notarzt des eben eingetroffenen Krankenwagens sahen sofort, wo sie gebraucht wurden und nahmen beide gleich in Empfang. Kim ging daraufhin zurück zu Ben und Alex Hoffmann, der mit seinem Trupp nur eine Minute nach dem RTW eintraf.


    ...

  • „Alex, wie sieht’s aus?“, wollte Ben wissen. „Könnt ihr ihn unschädlich machen?“ Alex sah mit seinem Fernglas zum Haus hinüber und wollte was sagen, doch dann kam wieder ein Anruf dazwischen. „Jäger.“, meldete sich Ben. „Hören sie mal, sollte einer ihrer schwarzvermummten Polizisten da draußen einen nervösen Zeigefinger haben, dann sollten sie schnellstmöglich wieder abziehen. Wenn ich nämlich den Knopf loslasse, den ich in meiner Hand halte, dann fliegen wir alle in die Luft. Also, halten sie schön die Füße still und beeilen sie sich mit dem Erfüllen meiner Forderungen.“, meinte der Mann am anderen Ende und hatte schnell wieder aufgelegt. „Verdammt.“, stieß Ben aus und schlug vor Wut auf seine Motorhaube. Dann wandte er seinen Blick zu Kim. „Okay, ich kümmere mich um das Geld und die Freilassung bei der Staatsanwaltschaft. Sie sollten noch einmal mit diesem Niels Haferkamp reden. Aber Ben... nur reden.“, mahnte sie den impulsiven und gerade vor Wut kochenden Jungkommissar. Ben nickte nur und sprang in seinen Wagen, fuhr mit quietschenden Reifen zur JVA, um sich mit diesem Haferkamp zu unterhalten. Was sollte die Mahnung von der Chefin, er solle nur mit ihm reden? Immerhin war Semir in Gefahr und dieser Verrückte hatte ihm und seine Frau einen Sprengsatz umgeschnallt. Wie krank musste ein Mensch sein, um so etwas zu tun? Ben war sich sicher, dass dieser Kerl nach Ablauf der Zeit nicht zögern würde und sich und Semir in die Luft sprengte. Bis dahin blieben noch fünf einhalb Stunden, doch das war, im Vergleich zu den gestellten Aufgaben, sehr wenig Zeit, die den Ermittlern blieb, um die Situation glimpflich zu beenden.


    Niels saß schon im Besucherraum. Der Anruf von Ben hatte die Angestellten der JVA vorbereitet und so saß der Exsoldat nervös auf einem der Holzstühle und sah immer wieder zu den mit Gitterstäben gesicherten Fenster hinaus. Diese Nacht war Vollmond und das Licht des hell erleuchteten Planeten fiel durch die Gitterstäbe auf sein Gesicht. Immer wieder sah er sich zu dem grün gekleideten JVA-Beamten hinüber und blickte dann wieder zur Tür hinüber. Innerlich rang er mit seinem Gewissen. Was sollte er sagen? Warum wollte der Kommissar noch einmal mit ihm sprechen? Er hatte doch alles gesagt, oder vielmehr nicht gesagt. Niels konnte doch nicht seinen Mentor verraten. Wie sollte er das nur durchstehen, wenn Jens nicht mehr bei ihm war? Schließlich mussten sie noch die Familie nach Deutschland holen. Es war ihre Schuld... ihre Schuld, dass der Familie der Erzeuger genommen wurde. Das wollten sie durch den Bankraub ändern. Das war ihre ganze Motivation. Eigentlich waren sie eine Art moderner Robin Hood, nur mit dem Unterschied, dass sie hier nicht den ganzen armen Leuten halfen sondern einer Familie. Aber das war ihm egal. Er würde sich auch für das, was er getan hat, einsperren lassen. Das war seine tiefste Überzeugung und die würde er auch diesem jungen, arroganten Kommissar mitteilen.

  • Die Tür schwang auf und Niels sah auf. Der Kommissar, von dem er eben noch gesprochen hatte, trat in den Raum hinein und sein Blick verriet dem jungen Soldaten, dass mit ihm nicht zu spaßen war. „So, jetzt reden wir mal Tacheles.“, fauchte Ben und setzte sich direkt vor dem Mann. Dieser wich mit seinem Stuhl einige Zentimeter zurück. „Was... was wollen sie denn von mir?“, zischte Niels und blickte verstohlen umher. „Sie werden mir jetzt sagen, was sie über den Überfall wissen oder ich schwöre, dass ich sie eigenhändig an die Gefängnismauer stelle und so lange um sie herumschießen, bis sie mir endlich die Wahrheit sagen.“, drohte Ben leise und packte Niels derart am Kragen, dass der Stuhl unter dem Soldaten wegrutschte und Niels, wäre er nicht von Ben gehalten worden, auf den Boden gefallen wäre. In den Augen des jungen Mannes konnte Ben genau lesen, dass seine Drohung gefruchtet hatte.


    ...

  • Niels atmete schwer durch. „Wenn ich gestehe, kriege ich dann Straffreiheit?“, wollte er aufmuckend wissen. Doch sofort packte Ben ihn wieder am Kragen. „Wenn sie hier feilschen wollen, dann kennen sie mich aber schlecht. Jetzt packen sie schon aus.“, fauchte Ben und warf den Mann zurück in den Stuhl. „Okay... okay. Es stimmt, wir haben die Bank überfallen. Aber das Geld wollten wir nicht für uns haben.“, erzählte Niels und wartete auf die Reaktion des Kommissars. „Ach? Sie wollten es wohl für die Armen stehlen. Mal ein moderner Robin Hood sein?“, kam es verächtlich von Ben. „Ja, so in der Art. Wir wollten das Geld einer Familie zukommen lassen, der wir etwas furchtbares angetan haben.“, erklärte Niels. Langsam beruhigte sich Ben und wurde dann hellhörig. „Wie meinen sie das? Jetzt erstmal der Reihe nach... sie beide sind in die Bank mit Bundeswehruniformen. Da stellt sich mir doch nur die Frage, sind sie nun... nein, sie sind Soldaten, oder?“, fragte Ben, obwohl er sich die Antwort schon denken konnte. „Ja, das sind wir. Deshalb brauchten wir auch das Geld, verstehen sie?“ „Ne, überhaupt nicht. Und wenn sie nicht mit der Sprache rausrücken, wandern sie für lange, lange Zeit in den Knast. Schwerer Raub, versuchter Mord an zwei Polizeibeamten, versuchter Diebstahl, gefährliche Körperverletzung und Beihilfe zur Geiselnahme mit Todesfolge.“, zählte Ben auf, wobei er das letzte äußerst genau betonte. Da hörte Niels auf. „Was... wieso Geiselnahme?“ „Ihr Kamerad hat meinen Kollegen und seine Frau in deren Haus gefangen, beide tragen einen Sprengstoffgürtel. Wenn sie nicht wollen, dass ich der Liste auch noch einen Doppelmord hinzufüge, dann helfen sie mir jetzt. Wie heißt ihr Kamerad und was für eine Persönlichkeit hat er?“, wollte Ben dann wissen. Niels überlegte kurz. Wenn er diesem Typen half, würde das Jens nicht gefallen, aber andererseits schien Jens im Moment durchzudrehen. Einen Polizisten und dessen Frau als Geiseln nehmen? Was für ein verrückter Plan war das? „Was bezweckt er nur damit?“, kam es plötzlich von Niels. Ben war versucht, nicht zu antworten, tat es aber doch. „Ihr Kamerad will sie und das Geld freipressen. Hören sie, die Frau meines Kollegen ist hochschwanger. Also, helfen sie mir jetzt oder nicht?“, fauchte Ben ihn an. Dass Andrea schon freigelassen wurde, verschwieg er aus taktischen Gründen. Der Kerl musste nicht alles wissen und eigentlich war das ja auch kaum relevant. Jedenfalls im Moment nicht.

  • „Was tut er nur?“, stieß Niels aus und ließ seinen Kopf nach vorne fallen. „Okay, ich werde ihnen helfen. Was wollen sie wissen?“, fragte er und ballte die Fäuste vor Wut. Ben ließ sich davon nicht beeindrucken und setzte seine Strategie fort. „Sie werden mir jetzt helfen. Wer ist er und wie ist er einzuschätzen?“, wollte Ben wissen. Niels seufzte schwer und hob den Kopf, sah Ben in seine tiefen, braunen Augen. „Er ist Jens Kupfer, Leutnant meiner Kompanie, ausgebildet in allen Arten Spreng- und Minensätzen. Alles, was ein Pionier halt wissen muss.“, erklärte Niels und wurde von Bens Handyklingeln unterbrochen. „Ja... Jäger?“, meldete sich der Jungkommissar. „Sie haben nicht mehr viel Zeit. Ich nehme an, sie reden gerade mit Niels oder? Ich werde es dem Jungen nicht übel nehmen, wenn er gegen mich aussagt. Das verschafft ihm eine Hafterleichterung, die er braucht. Er ist noch zu jung für den Knast.“, hörte Ben Jens Kupfers Stimme am anderen Ende der Leitung. „Hören sie Kupfer...“ „Oh, er hat ihnen bereits meinen Namen gesagt. Tja, dann wissen sie ja schon mal, wer ich bin. Schaffen sie jetzt das Geld herbei und bringen sie Niels mit. Dann kriegen sie ihren Kollegen wieder.“, meinte Kupfer und legte auf. Angespannt sah Ben wieder zu Niels und formte seine Augen zu kleinen, gefährlichen Schlitzen. „Das war ihr Freund. Er will sie und das Geld.“, kam es von Ben und Niels sah ihn nur an. „Was werden sie nun tun?“, wollte er wissen. Sie haben doch sicherlich keine Handhabe, um mich so einfach mitzunehmen, oder?“, wollte Niels wissen und schien sich seiner Sache in dieser Annahme sicher zu sein, doch sollte er gleich merken, dass er da Ben vollkommen unterschätzt hatte. „Gerichtsbeschluss hin oder her, mein Kollege ist in Gefahr. Sie werden mich begleiten.“, legte Ben fest und zog seine Handschellen hervor. „Was... was haben sie vor?“, wollte Niels wissen. „Ich werde sie mitnehmen. Das habe ich vor.“, knurrte der Jungkommissar und schon im nächsten Moment schloss sich die eine Schelle um das Handgelenk von Niels, während die andere um das von Ben einrastete. „So, gehen wir.“


    ...

  • „Frau Krüger, ich kann da nichts für sie tun.“, beteuerte Karsten Löwe, der vertretende Staatsanwalt für Isolde-Maria Schrankmann. Kim stand in seiner Wohnungstür, dem mit Bademantel und vollkommen übermüdeten Augen ausgestatteten Herren gegenüber. „Herr Löwe, wenn sie mir nicht helfen und diesen Schriebs unterschreiben, dann sind in naher Zukunft zwei Menschen tot oder sogar noch mehr.“, erklärte Kim. Da keiner wusste, welche Kraft der Sprengstoff hatte, war diese Aussage sicherlich nicht übertrieben. Doch Löwe hielt weiter an seiner Position fest. „Tut mir Leid, aber ich kann ihnen nicht helfen. Auch wenn ich das Schicksal von Herrn Gerkhan sehr bedauere, aber der Staat darf sich nun einmal nicht erpressen lassen.“, erklärte er und wollte gerade die Tür schließen. „Herr Löwe, sie sind keinen Deut besser, als Frau Schrankmann... Ich dachte, sie hätten Rückrat und würden für den kleinen Mann einstehen. Scheinbar war das ein Irrtum.“, versuchte Kim eine letzte Attacke auf das Image des jungen, attraktiv aussehenden Staatsanwaltes. Kaum waren die Worte ausgesprochen, ging die Tür wieder einen Spalt auf und der Kopf des Mannes kam wieder zum Vorschein. Scheinbar hatte diese wilde und verzweifelte Attacke von Kim Krüger auf das Image des Juristen seine Wirkung um keinen Zentimeter verfehlt. „Kommen sie rein.“, meinte Löwe nur und gab den Weg in seine Wohnung frei. Kims Gesicht verzog keine Miene, während sie von den graublauen Augen des Mannes beobachtet wurde. Doch sobald er sich wegdrehte, zog sie triumphierend den Arm durch und grinste siegreich. Nun war die Chance, das Geld und den Gefangenen gegen Semir auszutauschen, einen deutlichen Schritt gewachsen.


    „Wie soll ich denn bitte so in ihren Wagen reinkommen?“, zischte Niels, als Ben und er vor dem Mercedes standen. „Ganz einfach.“, knurrte er und zog die Schlüssel aus der Hosentasche. Niels grinste nur. Doch Ben ahnte, was das Grinsen zu bedeuten hatte. Sofort zog er seine Waffe und drückte sie in die Seite von Niels. „Sollten sie auch nur eine falsche Bewegung machen, drücke ich ab.“, zischte er und drückte dem jungen Soldaten die Pistole in die Seite. Erschrocken sah er in die angespannt wirkenden und entschlossenen Augen des Polizisten. „Das... wagen sie nicht.“, stammelte Niels nur. Ben verzog sein Gesicht zu einem Grinsen. „Darauf würde ich nicht wetten... und jetzt steigen sie ein. Ich schieße auch durch meine Windschutzscheibe, wenn sie mich dazu zwingen.“, knurrte er. Niels nickte nur und stieg in den Wagen, wurde dann von Ben mit der Handschelle am Handgriff der Tür festgeschnallt. Nach wenigen Minuten ging die Fahrt los. Als sie gerade die JVA verlassen hatten, klingelte das Handy von Ben. „Frau Krüger, was gibt es?“, wollte der Jungkommissar wissen und sah immer wieder von der Straße zu Niels rüber. „Ben, ich habe die Genehmigung... sie können jetzt den Mann aus der Haft holen.“, hörte er Kims Stimme sagen. Er musste schlucken und dennoch kurz auflachen. „Ähhh... Chefin... um ehrlich zu sein...“, fing Ben an.

  • „Jetzt sagen sie nicht, sie haben schon auf eigene Faust gehandelt und sind schon auf dem Weg zu Semir?“, wollte sie zähneknirschend wissen. „Doch, irgendwie schon... Ist doch kein Problem, oder?“, erwiderte der Autobahnpolizist schnippisch. Er konnte regelrecht sehen, wie Kim mit den Augen rollte. „Herr Jäger... können sie auch mal warten, bis sie eine Erlaubnis haben oder müssen sie immer gleich auf alles losgehen?“, wollte Kim wissen. „Doch... manchmal frage ich vorher.“, lachte Ben und legte dann auf. Niels sah ihn nur an. „Was ist?“, fragte Ben nur und verdonnerte den Mann zum Schweigen. Die Fahrt kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Irgendwann brach er aber doch das Schweigen. „Sie haben vorhin von einer Familie geredet, der sie helfen wollen.“, fing Ben an und sah zu Niels rüber. Dieser nickte nur und versuchte sich, etwas bequemer hinzusetzen. „Was ist passiert?“, wollte der Jungkommissar wissen. „Sie... sie wollen doch jetzt nicht wirklich mit mir Konversation treiben oder ist das so eine Psycho-Macke von ihnen?“, kam es verächtlich von Niels. „Nein, ich will wissen, warum sie und dieser Jens Kupfer den Überfall begangen haben.“, erklärte Ben.


    ...

  • Niels sah zu dem Fahrer rüber. Er war sich noch immer nicht schlüssig darüber, ob er Jens und sein Geheimnis preisgeben sollte. Obwohl, so geheim war es nicht. Es stand in ihren Führungsakten und der Bulle brauchte sie sich nur zu besorgen. Danach würde er sowieso bescheid wissen. Noch einmal blickte er zu Ben. Dieser sah ebenfalls zu Nico und nahm dann die nächste Ausfahrt. „Wollen sie es mir nicht sagen oder können sie nicht?“, fragte er mit ruhigem Ton, obwohl er sichtlich angespannt war. Immerhin ging es um Semirs Leben. Niels zögerte noch, doch dann legte er los. „Okay, es war vor ein paar Monaten. Jens und ich waren mit unserer Einheit im Kosovo und sollten dort eine Schule aufbauen. Das Dorf, wo wir im Quartier lagen, lag dicht an der Gefahrenzone.“, Niels holte Luft und verschaffte dem Ganzen eine dramatische Pause. „Eines Nachts wurden wir angegriffen. Drei unserer Kameraden hat es sofort erwischt. Jens und ich haben den Rest der Einheit sammeln können. Bei dem Feuergefecht und in all diesem umübersichtlichen, nächtlichen Gelände verloren wir bald die Übersicht.“, fuhr er fort und sah dann bedrückt aus dem Fenster. „Was passierte dann?“, fragte Ben nach und ließ sich dennoch seine Neugierigkeit nicht anmerken. Immerhin war es auch interessant, seinen Gegner verstehen zu können. Auch, wenn man nicht duldete, was er tat. „Die letzten Angreifer hatten sich in einem Haus verschanzt. Wir stürmten es und streckten die Rebellen nieder. Dabei war jedoch auch ein unschuldiger Zivilist. Jens und ich waren außer uns. Ich... ich hatte vorher noch nie einen Mann getötet.“, stieß Niels aus und Ben merkte, wie schwer es ihm fiel, darüber zu reden. „Wir... wir mussten dann vor unserem Offizier aussagen. Der Mann wurde als ziviles Opfer einfach in die Statistik abgeschoben. Da haben... haben Jens und ich beschlossen...“ „Der Familie zu helfen, indem sie ihnen Geld schicken.“, beendete Ben den Satz von Niels. Dieser nickte nur. Ehe Ben fragen konnte, warum sie dann die Bank überfallen haben, waren sie schon am Haus von Semir angelangt.


    Wie auf glühenden Kohlen saß Semir auf seinem Stuhl und sah auf den Gürtel mit dem Sprengstoff um seiner Hüfte. „Was bezwecken sie damit eigentlich? Es muss ihnen doch klar sein, dass sie hier nicht mehr lebend herauskommen.“, meinte Semir nur und wollte aufstehen, doch Jens drückte ihn zurück auf seinen Stuhl. „Setzen sie sich. Wir wollen doch nicht ihre Kollegen auf dumme Gedanken bringen.“, meinte er nur und stand selbst auf. Mit einem prüfenden Blick stellte er sich an die Fenster und zog dann die Vorhänge zu. „Sollten ihre Kollegen meine Forderungen erfüllen, können sie gehen.“, meinte Jens nur und fühlte seine Hand fast nicht mehr, die den Knopf gedrückt hielt. Doch wenn er jetzt losließ, dann würde das ein Freifahrtsschein in den Himmel werden.

  • „Was wird dann aus ihnen? Wenn sie sich schon in die Luft sprengen müssen, würde ich sie bitten, dass nicht hier zu tun. Ich meine, das ist mein Haus.“, erklärte Semir. „Und? Was geht mich das an? Ich habe nichts mehr zu verlieren und wenn ich dabei ihr Haus zerstöre, so tut es mir zwar Leid, aber rechnen sie’s unter berufliches Risiko.“, lachte der Mann und machte Semir nur noch wütender. Doch was konnte er unternehmen? Wenn dieser Schalter nicht mehr gedrückt werden würde, würde von ihm nicht mehr als ein Häufchen Asche übrig bleiben. Was konnte er nur tun? Zumal hatte er auch noch einen Arm im Gips. Da konnte er nicht viel unternehmen. Warum musste er auch unbedingt auf die Leiter steigen, dachte er bissig über sich. Das war mehr als dumm von dir, Semir Gerkhan, knurrte er sich in Gedanken selbst an. Doch das half ihm auch nicht viel. Semir musste einfach darauf hoffen, dass Ben alles mögliche unternehmen würde, um ihn hier rauszuholen. Das war seine einzige Chance.


    „Kupfer!“, hörte er daraufhin die Stimme von Ben, verstärkt durch ein Megafon. „Wir haben Niels Haferkamp hier. Er steht bei mir. Jetzt lassen sie meinen Kollegen frei.“ Kupfer nahm Semirs Handy und wählte die Nummer von Ben an. „Gut gemacht. Sie scheinen ihren Partner wirklich gern zu haben. Okay, haben sie auch das Geld?“, wollte er wissen und wartete auf eine Antwort des Kommissars. Es blieb still am anderen Ende. „Ja... ja, das Geld ist ebenfalls hier.“, hörte er dann. Jens überlegte genau. Diese Verzögerung konnte nichts gutes sein. „Sie sollten mich nicht zum Narren halten. Das ist nicht gut für ihren Kollegen. Ich kann ihn ja gerne mal mit den Küchenmessern in seinen Gipsarm stechen. Mal sehen, ob der Arm schon wieder soweit geheilt ist, dass er es merken würde.“, zischte Jens und ging hörbar in die Küche, holte ein Messer aus der Schublade und nahm es in die Hand, worin sich auch der Schalter befand. Mit großen Augen sah Semir auf das blitzende Messer und den Schalter in der Hand. Doch auch Jens Kupfer merkte, wie unbequem das Ganze war. „Verdammt.“, stieß er aus und suchte in einer weiteren Schublade nach einem Streifen Tesafilm. Diesen klebte er über den Knopf und steckte die so gesicherte Konstruktion in seine Westentasche. Jetzt... jetzt, hab ich vielleicht eine Chance gegen ihn, dachte Semir und suchte nach einem geeigneten Angriffspunkt bei seinem Gegner.


    ...

  • Ben hörte die Frage von Kupfer und sah sich um. Verdammt, das Geld... er hatte vollkommen das Geld vergessen. Aber wie sollte er jetzt Semir auslösen ohne das Geld? „Verfluchte Scheiße.“, knurrte Ben und war schon gewillt, sein Handy vor Wut auf den Boden zu feuern. Wieso musste er solch eine wichtige Sache nur vergessen? In diesem Augenblick kam Kim mit ihrem Wagen angefahren. „So Jäger, und wieso haben sie bitte nicht das Geld abgeholt?“, wollte sie sofort wissen. „Frau Krüger... ich ... ich...“, stammelte Ben nur und wollte sich erklären, als Kim eine Tasche hochhob. „Ich habe es geholt. Gibt es schon was neues?“, wollte sie wissen. „Moment...“, meinte er nur und ging wieder an sein Handy. „Kupfer... das Geld ist da... hören sie... ich habe das Geld.“, stieß er laut ins Handy aus. Doch es kam keine Antwort.


    „Ich hab sie gehört. Das war ihr Glück. Scheinbar mag ihr Kollege es nicht, wenn ich ihm mit einem seiner Kochmesser in den Gips steche.“, hörte Ben Kupfer lachen. „Wenn sie Semir auch nur ein Haar auf seinen Kopf krümmen, dann schwöre ich...“ „Was? Bringen sie mich um? Herr Kommissar, wenn ich den Knopf in meiner Hand loslasse, dann ist hier nicht mehr viel von uns allen übrig. Sie da draußen werden dann auch mit draufgehen. Das schwöre ich.“, hörte Ben die Stimme des Gangster durch das Telefon und dann ertönte das tödliche Tuten der toten Leitung. „Verdammt. Was sollen wir nun machen?“, wollte Ben wissen und sah Kim an. Diese blickte zu Alex Hoffmann. „Wenn er da drinnen wirklich Sprengstoff um sich und Semir geschnallt hat und durch einen Auslöser festhält, dann können wir kaum erfolgreich eingreifen.“, erklärte Alex Hoffmann. „Aber irgendwas müssen wir doch machen. Wir können Semir doch nicht einfach so hilflos lassen.“, stieß Ben wütend aus und schlug auf die Motorhaube. Immer wieder blickte er zum Haus und hatte dann eine Idee. „Hören sie, ich muss Semir helfen. Chefin, reden sie mit dem Kupfer. Fragen sie, was er will. Ich werde Semir da jetzt rausholen.“, stieß Ben aus, schnappte sich eine kugelsichere Weste, überprüfte seine Waffe und wollte gerade verschwinden, als Kim ihn zurückhielt. „Ben, was haben sie vor? Sie wissen, wenn dieser Kupfer anruft, dass er nur sie als Ansprechpartner akzeptiert.“ „Leiten sie mir die Gespräche auf meinen Knopf im Ohr um.“, entgegnete Ben nur und verschwand dann geduckt Richtung Haus. Was mochte der junge Kommissar vorhaben?

  • Semir sah sich um. Noch immer war der Knopf mit dem Tesafilm in Jens Kupfers Westentasche. Das Messer hatte er nicht weggelegt und mit Semirs Behinderung würde es nicht einfach werden, den Mann zu überwältigen. Dennoch musste er die Kollegen draußen irgendwie darauf hinweisen, dass es im Moment eine Chance gab, ihn hier lebend rauszuholen. „Darf ich mir ein bisschen die Beine vertreten?“, wollte Semir von seinem „Wärter“ wissen. Dieser sah ihn mit einem scharfen Blick an. Doch er schien auch zu überlegen. „Aber sie bleiben von den Fenstern weg und so, dass ich sie sehen kann.“, fauchte Kupfer und ging in die Küche. Semir stand vorsichtig von seinem Stuhl auf, sah in die angrenzende Küche und ging dann Richtung Keller. Immer wieder sah sich Semir um, ob ihn sein Peiniger nicht folgte. Doch plötzlich hörte er ein Geräusch im Keller und zwar so laut, dass auch Kupfer es gehört haben müsste. Sofort kam dieser angerannt und packte Semir am Kragen. „Was war das?“, fauchte er und hatte die Messerspitze gefährlich dicht auf Semirs Schulter gerichtet. „Ich... ich weiß es nicht.“, gestand Semir und damit hatte er nicht gelogen. „Bulle... verarsch mich nicht. Ich kann auch abdrücken.“, meinte er und wollte wieder den Knopf hervorziehen und den Tesafilm entfernen. Jetzt... dachte sich Semir und stürzte sich auf die Hand mit dem Schalter. Dabei rannte er aber unweigerlich in das auf ihn gerichtete Messer. „Ahhh.“, schrie er vor Schmerzen und fiel nach hinten über, hielt sich aber an Jens fest. Beide rasselten die Kellertreppe runter und blieben benommen am Boden liegen.


    ...

  • Ben, der sich durch ein von ihm eingetretenes Kellerfenster Zutritt verschaffen wollte, sah, wie ein menschliches Knäuel die Treppe hinunterfiel. „Semir.“, rief er nur erschrocken, als er den Rinnsal Blut sah, das sich einen Weg von der Treppe bahnte. „Shit.“, stieß Ben aus und trat mit aller Macht gegen das Fenster. Schellend und scheppernd fielen die Glassplitter zu Boden und rannte zu Semir. „Semir... was ist mir dir? Komm, sag doch was...“, flehte Ben und achtete nicht auf den ein Stück weiter liegenden Kupfer. Dieser wachte ohne einen Ton auf und sah den Mann vor sich. Er wollte sich auf ihn stürzen, stieß dabei aber an eine Flasche. Erschrocken fuhr Ben herum und sah, wie sich der Mann auf ihn stürzte. Beide rangelten am Boden hin und her. Ben versuchte seinen Gegner mit gezielten Schlägen außer Gefecht zu setzen, doch da machte sich die Nachkampfschulung des Soldaten bemerkbar und der Jungkommissar bekam einige heftige Schläge ins Gesicht, in die Rippen und in den Magen. Ben ließ sich jedoch nicht ins Boxhorn jagen und erwiderte die Schläge, die er kassiert hatte. „Na warte, du wirst mich nicht umhauen.“, knurrte Ben nur und langte mit einem kräftigen Schlag zu. Jens federte ihn aber ab, indem er seine Muskeln anspannte. Aber dem erneuten Hieb durch Ben konnte das Gesicht von Jens nicht auffangen. Wie ein nasser Sack mit Reis ging der Mann zu Boden. Jedoch kullerte der Zünder aus seiner Tasche und zwar so, dass sich dabei der mehr schlecht als recht befestigte Tesafilm löste. „Oh shit.“, stieß er aus und warf sich sofort auf den Boden, fing den Zünder auf und drückte ihn fest hinunter. „Chefin, ich hab ihn...aber Semir ist verletzt und der Zünder ist immer noch aktiv. Wir sind im Keller.“, stieß er über Funk aus.


    Kim hörte das, was Ben ihr über Funk sagte. „Verstanden Ben, wir kommen sofort.“, meinte sie und wandte sich an Alex Hoffmann. „Kommen sie, wir gehen rein. Ben hat den Mann scheinbar überwältigt, aber wir müssen noch den Zünder entschärfen. Außerdem scheint Semir verletzt zu sein.“, zählte sie auf. „Okay, aber was, wenn dieser Kerl die Eingänge vermint hat. Ich meine, wenn es ein ausgebildeter Pionier ist, dann kann das möglich sein.“, gab er zu bedenken. „Wir müssen es riskieren. Gehen sie vorsichtig rein und sichern sie das Haus.“, meinte sie und ging zu Andrea, die all die Aufregung in einem abseits gelegenen Krankenwagen verbracht hatte.

  • „Frau Krüger, was ist mit meinen Mann? Hat Ben es geschafft?“, wollte sie erschrocken wissen und strich sich immer wieder über den Bauch. „Herr Jäger scheint es tatsächlich geschafft zu haben, aber wir müssen noch den Sprengstoff entschärfen und dann scheint ihr Mann auch verletzt zu sein. Wir wissen aber nicht, wie schwer.“, erklärte die Chefin nur und sah die arme Frau an. „Oh Gott... nicht schon wieder.“, meinte sie nur. „Frau Gerkhan, bitte beruhigen sie sich. Das Schlimmste ist ja vorbei und wenn ihr Mann die Sache ausgestanden hat, schicke ich ihn auf einen dreiwöchigen Urlaub.“, versprach Kim. „Danke, den werden wir auch brauchen.“, meinte Andrea nur und ließ sich auf die Trage zurücksinken. Hoffentlich ging es Semir gut. Der versprochene Urlaub würde beiden sicherlich gut tun und das hatten sie schon lange vorgehabt. Einfach mal raus, weg von hier, weg von Köln und raus aus Nordrheinwestfalen. Ihre Freundin hatte ihr doch letztens einen Prospekt von der Ostseeinsel Usedom mitgebracht. Ja, dahin würden sie fahren und einfach mal ausspannen. Das war eine sehr gute Idee.


    „Oh man...“, stieß Ben aus und fing an zu zittern. Jetzt nur nichts falsches machen, dachte er und drückte den Knopf tief ins Gehäuse. „Ben?“, hörte er plötzlich Semir stöhnen. „Ja Partner, ich bin hier... hör zu, du bist die Kelletreppe runtergefallen. Versuch, dich nicht zu bewegen.“, meinte Ben beruhigend und sah, dass sein Partner immer noch das Messer in der Schulter hatte. „Bleib ruhig liegen Semir, ich bin ja bei dir.“, meinte er und hoffte darauf, dass bald Hilfe kommen würde. „Ben, seid ihr da unten?“, hörte er plötzlich die Stimme von Alex Hoffmann. „Ja, wir sind hier. Schnell, Semir ist schwer verletzt.“, rief er wieder nach oben zurück. Sofort waren drei SEK-Beamte auf der Treppe, gefolgt von den Sprengmeistern und zwei Notärzten. Die Mediziner kümmerten sich sofort um Semir, während zwei der SEK-Beamten Jens Kupfer brutal auf den Bauch drehten, ihm die Arme auf den Rücken warfen und sie in Handschellen legten. „Vorsicht... ich nehme ihnen jetzt den Zünder ab.“, meinte einer der Entschärfungsexperten und zog Ben den kugelschreibergroßen Zündstift mit dem Knopf vorsichtig aus der Hand und schob mit dem Finger nach, als Ben seinen Finger langsam vom Abzug nahm. „Können sie schon sagen, was er hat?“, wollte Ben wissen, als er neben dem Arzt stand, der Semir behandelte.


    ...

  • „Sie meinen, neben dem Messer in der Schulter? Nun ja, wir vermuten, eine Gehirnerschütterung mit Sicherheit und vermutlich noch innere Brüche oder wenigstens Verletzungen.“, erklärte der Arzt und Ben nickte. „Sind sie wenigstens okay?“, wollte er dann wissen. „Ja, nur die üblichen Blessuren und Kratzer.“, kam es von Ben nur abweisend. Der Arzt nickte, ließ Semir auf eine Trage packen und aus dem Keller schaffen. Der Jungkommissar erhob sich und verzog dabei kurz das Gesicht, als ihm eine seiner Blessuren sich bemerkbar machte. „Ben, ist wirklich alles in Ordnung mit ihnen?“, kam es besorgt von Kim. „Ja, geht schon. Bringen sie mich bitte in die Klinik zu Semir. Und dann diesen Haferkamp... er kann ins Gefängnis zurück.“, gab Ben bekannt. „Das habe ich schon veranlasst. Beide werden in unterschiedlichen Gefängnissen einsitzen. Dafür sorge ich.“, kam es knapp und kühl von Kim. Ben nickte nur und stieg die Treppe hoch. Man, was für ein Fall, dachte er und atmete tief durch. Wieder einmal war einer von ihnen in höchste Gefahr geraten. Innerlich fragte er sich nun schon des Öfteren, wie lange er diesen Job wohl noch machen würde, wenn sich immer so ein Risiko an Gefahr hinter den Einsätzen verbarg? Wenn er daran dachte, wie lange Semir schon dabei war und wie viele Schicksalsschläge er schon erlebt hatte, wurde ihm doch manches Mal ganz anders ums Herz.


    Im Krankenhaus saß Andrea am Bett ihres Mannes und wartete darauf, dass der frisch Operierte wieder zu sich kam. Zitternd hielt sie seine Hand und sah auf die vielen Wunden, die er vom Sturz im Gesicht und an der Schulter hatte. „Ihr Mann hat eine gebrochene Rippe und die linke Schulter hat sich etwas verzogen.“, erklärte ihr der Arzt, als sie Semir aus dem OP geschoben hatten. „Die Wunde in der Schulter ist nicht tief. Nur der Arm ist durch den Sturz doch wieder in Mitleidenschaft gezogen worden.“ Auf die Frage, wie lange ihr Mann dieses Mal bis zur vollständigen Genesung im Krankenhaus liegen musste, meinte der Arzt nur, dass vier bis acht Wochen schon nötig seien. Andrea hatte sich daraufhin ans Bett ihres Mannes gesetzt und wartete.

  • Langsam flimmerten die Lider auf und vorsichtig suchten sich die braunen Augen des Hauptkommissars einen Weg ans Licht. „Andrea...“, hörte sie schwach seine Stimme rufen. „Ja...ja Semir, ich bin hier.“, erwiderte sie und sah ihn mit ihren Augen liebevoll an. Er lächelte schwach. „Andrea... es tut mir sooo Leid.“, meinte er nur und hustete kurz. Dass bei dem Sturz ein Knochensplitter auf die Lunge drückte, wusste sie durch den Arzt. Die Komplikation konnte aber ebenfalls schnell behoben werden. „Semir, ich weiß. Weißt du was, lass uns wegfahren. Nur wir zwei...ganz alleine. Wenn du wieder gesund bist.“, meinte sie nur und lehnte ihren Kopf an die Stirn ihres Mannes. „Ja...ja das machen wir.“, ging er darauf ein. Wie schwer oder leicht er verletzt war, wusste er nicht. Ihm war es auch mittlerweile egal. Ein paar Narben mehr oder weniger. Was war das schon? Er hatte überlebt und der böse Bube saß im Knast. Das waren die Dinge, die für ihn in seinem Berufsleben zählten. „Und wo wollen wir hinfahren?“, wollte er dann wissen. Leicht neigte er seinen Kopf zur Seite, um Andrea besser in die Augen zu schauen. „Was hältst du davon?“, fragte sie und hielt ihrem Mann einen Flyer hin. Semir las kurz darin und musste dann feststellen, dass er von der wunderbaren Umgebung mehr als begeistert war. „Lass uns sofort losfahren.“, scherzte er und küsste seine Frau mit leidenschaftlicher und aufrichtiger Liebe den Mund.





    Ende.



    Aber Ben und Semir ermitteln weiter ... „Urlaub, Sonne, Mord“


    So, liebe Leute...das wars fürs Erste...eine neue Story von mir gibts erst nach dem 18. September wieder. Ich mach erstmal Urlaub...es war schön mit euch...ich danke für die lieben Feeds ;) ;) ;) Wir sehen uns wieder nach dem 18. September mit der oben stehenden Story ... freut euch schon drauf.
    LG Chris

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