Sein oder Nichtsein


  • Wintereinbruch in Nordrheinwestfalen. Schon seit einigen Tagen wechselten sich beißender Wind, stechende Kälte und gefrierende Glätte mit Schnee und Schneeregen ab. „Man, was für ein Schiet-Wetter.“, stieß Jan-Gregor Heimann aus, Professor für Geschichte des Mittelalters an der Universität Köln, als er aus der Mensa ins Freie blickte, um zum Vorlesungssaal zu kommen. Den dampfenden Kaffee hatte er sich wärmend an den Bauch gedrückt, als er durch den plötzlich eingesetzten Schneesturm über den schon verschneiten und teilweise gefrorenen Rasen wanderte. Seine Schritte waren vorsichtig. Seine Brille war alsbald zugeschneit und kaum noch konnte er was sehen. Die Studenten, die im Schnee von Institut zu Institut, von der Bibliothek zur Mensa und zurück, von den Hörsälen zu den Seminarräumen im Nachbargebäude eilten, nahmen ihn und er sie gar nicht wahr. „Herr Professor...“, erklang plötzlich eine Stimme aus dem Schneesturm und der kauzige Professor sah, soweit er konnte, auf. „Herr Professor... ich habe hier die Bücher, die sie bestellt haben.“ Da erkannte er die Stimme. Es war sein Assistent und studentischer Mitarbeiter, André Menger. „Sehr gut, Herr Menger. Dann kann ja nichts mehr schief gehen.“, lachte er und ging weiter, jetzt begleitet von seinem Assistenten, durch den Schnee in das Haus, wo sein Büro und der Vorlesungssaal war, in dem er gleich Unterricht hatte.


    „Und du bist sicher, dass die dich dafür wollen?“, fragte Ben ungläubig und sah Semir an, als dieser sich grinsend in seinem Jackett und seinem Hemd im Spiegel der PASt betrachtete. „Ja sicher... oder glaubst du, die Universität ist zu Scherzen aufgelegt.“, erwiderte Semir und zog sich das Jackett zurecht, während Ben sich die gebrannten Mandeln, die er heute früh gekauft hatte, genüsslich auf seine Zunge legte und mit schmatzenden Geräuschen in seinem Magen verschwinden ließ. „In deinem Fall bestimmt. Ich meine, was hast du, dass die dich an der Uni wollen? Und dann noch eine Vorlesung halten.“, knurrte Ben nur. Semir nahm es mit gelassener Miene. „Och... du wirst die drei Wochen ohne mich schon gut überstehen. Ist doch für dich wie ein Urlaub. Mal ohne den Papa auf Streife gehen. Das hat doch was.“, versuchte er Ben die Sache schmackhaft zu machen. „Toll, dafür werde ich von unserer werten Chefin mit Hotte auf Streife geschickt.“, kam es nur von Ben. „Das schaffst du schon, Junge. Ich habe da vollstes Vertrauen zu dir.“, lachte Semir nur und beide sahen zur Tür, als Kim in das Büro der Kommissare kam.

  • „Meine Herren... Semir, ich sehe, sie bereiten sich auf ihr Seminar vor.“, meinte sie und grinste verstohlen. Abrupt drehte sich der Deutschtürke um und grinste nur. „Wird bestimmt lustig.“, meinte er nur, doch Kim mahnte ihn zur Vorsicht. „Semir, sie sollen an der juristischen Fakultät eine Einführung in die Polizeiarbeit halten. Ich wünsche nicht, dass sie die jungen Leute mit irgendwelchen Crashgeschichten zu unterhalten versuchen. Haben wir uns verstanden?“, kam es schon vorwurfsvoll von Kim. Semir nickte nur. „Chefin, das trauen sie mir zu?“, wollte er gespielt beleidigt wissen. „Allerdings... also, dass mir keine Klagen kommen. Machen sie ihre Sache gut. Sie sind quasi das Aushängeschild der Autobahnpolizei.“, schärfte sie ihm ein. Ben lachte auf und zog die Blicke der Beiden auf sich. „Das wird was.“, kommentierte er nur.


    „Und damit, meine Damen und Herren, entlasse ich sie für heute und wünsche ihnen allen, trotzt des Schmuddelwetters, eine gute Heimfahrt.“, endete Jan-Gregor Heimann mit seinen Ausführungen. Das Plenum klopfte auf die Tische und die Studenten packten ihre Sachen ein. Auch der gerade ins fünfte Semester gekommene Steven Liniek. Er hatte sich diesen Studienplatz am Anfang seines Studiums hart erkämpft. Auch vor zwei Jahren war es nicht einmal mehr sicher, dass selbst die besten Abiturabschließenden, die mit einem Durchschnitt von 1,3, einen Studienplatz an einer deutschen Universität bekamen. In den ersten Wochen seines ersten Semesters hatte er sich eine kleine Wohnung in Köln gesucht und sich, trotzt der Entfernung zu seinem Elternhaus, kam er doch aus dem beschaulichen Sachsen-Anhalt, dort und an der Uni häuslich eingerichtet. Freunde hatte er sehr schnell gefunden – kauzige, verrückte und nicht so verrückte Menschen. Einer von ihnen war Sascha Hirsch, einer der neueren Semesterstufen und einer der eher verrückten Studenten. Sie sahen sich vor dem Vorlesungssaal und begrüßten sich mit Handschlag. „Hey Sascha... wie geht’s? Hab dich ja schon lange nicht mehr gesehen.“, begrüßte Steven seinen Freund. Saschas Augen waren jedoch getrübt und seine Hand zitterte, während er sich damit die Armbeuge hielt. Steven sah ihn erschrocken an. Er packte ihn am Arm und zog ihn aus der herausströmenden Menge von Studenten weg in eine ruhigere Ecke.


    „Sag mir, dass das nicht wahr ist.“, zischte Steven, als er die glasigen Augen sah und den frischen Einstich, als er die Hand seines Freundes wegzog. „Tut mir Leid, Steven, ich hab es mit der Therapie versucht. Aber ich komm einfach nicht davon runter.“, beteuerte er und sah seinen Freund nur an, dann lehnte er sich an Stevens Schulter. „Wirst du mir helfen?“, wollte er wissen und weinte. Er weinte bitterliche Tränen. Der junge Mann wusste nicht, was er tun sollte, doch dann tätschelte er aufmunternd die Schultern von Sascha. „Keine Bange, mein Freund, ich lass dich nicht hängen.“, erklärte er. Sascha sah auf. „Danke... ich danke dir.“, schluchzte er nur und wusste nicht, was er mit dieser Bitte anrichtete.


    ...

  • „Und? Bringst du mich zur Uni?“, wollte Semir von Ben wissen, nachdem dieser sich mit Mandeln vollgestopft hatte und immer wieder neidisch zu seinem Partner geschaut hatte. „Hmmm... warum auch nicht. Da kann ich mich mal nach einigen hübschen Studentinnen umsehen.“, grinste Ben nur und nahm Semirs Autoschlüssel in die Hand. „Wow, bevor du in meinen Wagen steigst, wasch dir die Hände.“, fauchte Semir und nahm Ben die Schlüssel ab. „Was?“, kam es nur vom jungen Hauptkommissar. „Deine Hände sind von den Mandeln ganz verklebt. So setzt du dich nicht in meinen Wagen und fasst mein Lenkrad an.“, präzisierte Semir seine Aussage. „Och man... Spießer.“, knurrte Ben nur und tapste in die Toilette der Station. Schimpf du nur, dachte Semir grinsend, ich kriege ja doch immer meinen Willen. Als Ben dann wiederkam, sah er ihn nur grinsend an. „Hier Papa, frisch gewaschen. Duften sogar nach Vanille. Zufrieden?“, wollte er wissen und der Deutschtürke nickte nur heftig. „Und wie. Hier, jetzt darfst du fahren.“, lachte er und reichte Ben die Schlüssel zum BMW. Beide verließen die PASt und fuhren Richtung Kölner Uni.


    Nachdem Ben Semir an der Uni abgeladen hatte, passierte er gerade einen Autobahnrastplatz, als er eine Salve von Schüssen hörten. „Verdammt, was war das?“, stieß Ben aus und bremste abrupt ab. Der BMW rutschte im Schnee weiter vorwärts, kam letztendlich doch zum Stehen. Mit gezückter Waffe sprang der junge Hauptkommissar raus und sah sich um. „Wo kamen die Schüsse her?“, wollte er in Gedanken wissen. Noch immer sah er sich um und ging langsam vorwärts. Seine Nerven waren bis zum zerreißen angespannt. Weiter und weiter schlich er um die geparkten Autos herum und sah dann die blutüberströmte Leiche eines jungen Mannes mit vier dunkelroten Einschusslöchern in seiner Brust. „Verdammt.“, stieß Ben aus und beugte sich zu dem Toten runter, fühlte seinen Puls. Doch plötzlich spürte er selbst einen stechenden, elektrisierenden Schmerz im Nacken und wie ein nasser Sack fiel er neben die Leiche. Er sah nicht mehr, wie ein junger Mann ihm seine Wagenschlüssel abnahm und weit weg in den Schnee feuerte. „Immer diese Neugierigen.“, zischte er und verschwand dann durch die Menge von abgestellten Autos und über den schneebedeckten Parkplatz.

  • Ben kam langsam wieder zu sich und fasste sich an seinen Hinterkopf. „Ohhh... man, das wird die dritte Beule diese Woche.“, knurrte er und wischte sich den auf ihn gefallenen Schnee ab, der sich auf ihn während seiner unfreiwilligen Ohnmacht gesammelt hatte. Die Leiche lag immer noch neben und langsam wurden die Lippen des Toten bläulich und eine Kälteschicht bildete sich über seinem Körper. Ben nahm sein Handy hervor und rief die PASt an. „Ja Susanne, ich bin's. Ich habe hier eine Schießerei am Rastplatz Köln West. Ein Toter... der Täter ist flüchtig... und schick mir bitte ein Aspirin mit.“, gab er durch. Susanne lachte kurz auf und gab alles weiter. Ben legte auf und tastete seine Taschen nach dem Autoschlüssel ab. „Verdammt, wo ist er?“, fluchte er nur und rappelte sich auf seine Füße auf. Er sah sich um. Wie lange hatte er nur hier gelegen? Der Schnee war wieder höher geworden und wenn ihm der Täter die Schlüssel abgenommen und in die Landschaft geworfen hatte, dann war er aufgeschmissen. Hoffentlich hatten Hotte und Dieter den Metalldetektor mit, dachte er nur, als schon der Porsche der beiden ungleichen Polizisten auf den Rastplatz fuhr und neben dem BMW zum Stehen kam. „Hallo Ben, ist mit dir alles in Ordnung?“, wollte der dickliche Polizist Hotte wissen. „Ja, geht schon. Habt ihr meine Aspirin dabei?“, kam es nur von Ben. Dieter, der lange Polizeibeamte, nickte und reichte ihm einen mit einem Nuckeldeckel abgedeckten Kaffeebecher mit einer aufgelösten Schmerztablette. „Danke.“, kam es nur verschmerzt von Ben. Kurze Zeit später traf auch schon der Pathologe, Dr. Wegener, und die Kollegen der Spurensicherung ein.


    ...

  • „Und Hartmut, hast du schon was gefunden?“, knurrte Ben und hielt sich das Kühl-Akku in den Nacken. Der Techniker rollte nur mit den Augen. „Ben, ich habe gerade erst angefangen. Außerdem, durch den Schnee ist das so gut wie unmöglich. Hier sind haufenweise Fußspuren und die meisten kann ich nicht einmal ausgießen lassen.“, erwiderte er und widmete sich weiter ihrer Arbeit. Ben knurrte und zog sich seinen Schal um den Pad fest und widmete sich dann der kriminalistischen Arbeit. Er nahm den Beutel mit dem Portemonnaie und dem Ausweis des Toten an sich und dann sah er einen kleinen Schnipsel in der Hand des Mannes. „Nieder, Konstantin... 32 Jahre alt.“, murmelte Ben vor sich her und beugte sich dann runter, nahm die Hand und bog die Finger mit aller Kraft auseinander. „Boah, ist der gierig.“, stieß er nur aus und zog mit der Pinzette einen kleinen Plastikbeutel hervor. „Hm, nach Schnee sieht das zwar aus, aber ein Schnee der besonderen Art.“, meinte er und öffnete den kleinen Beutel, der nur zwei Finger breit war. Vorsichtig tauchte er den kleinen Finger in das weiße Pulver und benetzte seine Zunge damit. „Bäh... Heroin.“, stieß er aus und sah sich um. „Habt ihr den Wagen von Nieder schon gefunden?“, wollte er von einem anderen KTU-Beamten wissen. Dieser schüttelte nur den Kopf und Ben warf ihm daraufhin die Wagenschlüssel hin, die er in der Hosentasche von Nieder gefunden hatte. Dieser nickte und fragte per Funk in der Zentrale nach der Wagenmarke von Nieder nach. Ben widmete sich wieder seinen Untersuchungen. Semir hat bestimmt mehr Spaß, als ich, dachte er und erhob sich aus der Hocke. Wie recht er doch haben sollte.


    Semir wurde freundlich vom Fakultätsleiter der juristischen Fakultät, Professor Doktor Holger Wiesel, begrüßt. „Herr Gerkhan, ich freu mich, dass sie die Stunden übernehmen.“, begrüßte er den Deutschtürken an der beschaulichen Universität. „Danke... ehrlich gesagt, bin ich etwas nervös. Sonst habe ich nur einmal vor Polizeischülerinnen gesprochen.“, entgegnete Semir und sah den hochgewachsenen, dicklichen Mann mit dem diszipliniert liegenden preußischen Zwirbelbart. „Keine Sorge, unsere Studenten sind alle die reinsten Lämmer. Sie werden es sehen.“, lachte er und geleitete Semir in das Hauptgebäude der juristischen Fakultät. Er führte ihn die Treppe hoch und in sein Büro. „Wollen sie einen Kaffee?“, wollte Prof. Dr. Wiesel wissen. Semir nickte nur. „Oh ja... schwarz und stark, bitte.“, erwiderte er und setzte seinen Koffer ab. „Ah, so trinke ich ihn auch. Hier bitte.“, entgegnete Prof. Dr. Wiesel. Dankend nahm Semir den Becher entgegen und führte die Tasse zum Mund. Ein kurzer Schluck verschwand in seinem Mund und sofort hustete er. „Wow, der ist aber stark.“, keuchte er nur und sah den Professor an. Dieser lachte nur und trank seine Tasse in einem Zug aus. „Na dann kommen sie mal mit. Ich führe sie in unsere Vorlesung ein.“, meinte er und nahm Semir fürsorglich an der Schulter mit.

  • Der Hörsaal war gut gefüllt und die Studenten saßen plaudernd in den Reihen, unterhielten sich miteinander, lasen oder schauten ins Leere. Auch Steven saß in der Vorlesung. Eigentlich interessierte ihn nur das Thema und er hätte sonst drei Freiblöcke. Er schlürfte in Ruhe seinen Tee und las seine Zeitung, die er sich auf dem Rückweg gekauft hatte. Hoffentlich nutzte das alles nun Sascha und er konnte ihm helfen. Aber Steven war sich sicher, dass Sascha ihn jetzt noch sehr oft brauchen würde. Gleich nach dieser Vorlesung wollte er ihn suchen und beim Entzug helfen. Wie gut, dass seine Mutter Ärztin und Drogenentzugsberaterin war. Er merkte nicht, wie die Tür aufging und der Dozent mit einem Gast in den Raum trat. Sie mussten über die im Gang sitzenden Studenten steigen, um zum Pult zu kommen.


    „Meine Damen und Herren, ich begrüße sie zur Vorlesung Kriminologie für Nichtjuristen, die fünfte Veranstaltung und wie im Plan vorgesehen, wird die nächsten Stunden uns ein Gast beehren und... ja, ich würde jetzt einfach an Kriminalhauptkommissar Semir Gerkhan, unserem Gastredner übergeben.“, meinte der Professor und setzte sich in die erste Reihe, wo sich noch ein leerer Platz am Rande befand. Semir nahm seinen Koffer und packte seine Vorbereitungen raus, während er nervös in die Runde sah. Um die 150 Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Vor so vielen Menschen hatte er noch nie gesprochen. Und es waren unterschiedliche Altergruppen darunter vertreten. Einige Senioren, einige mit ansatzweise grauen Haaren und auch einige Halbglatzen konnte er erkennen, doch sie verschwanden alle in den Meer der vielen Köpfe der jungen Leute, die sich wahllos in die Reihen gesetzt haben. Nur noch das Mikro angeheftet und die Show konnte beginnen. „Meine Damen und Herren... ich muss zugeben, dass ich noch nie vor einem so ausverkauftem Haus gesprochen habe. Die Vorlesung scheint bei ihnen allen sehr beliebt zu sein.“, begrüßte er das Plenum und sofort entstand ein herzliches, willkommenes Lachen der Studenten. Semir lächelte, als er dieses wohltuende Geräusch hörte. Mit der Zeit, die er erzählte wurde er lockerer und machte den ein oder anderen Witz, was wieder mit einem herzlichen Lachen durch das Plenum kommentiert wurde. Am Ende der neunzig Minuten schloss Semir mit diesen Worten: „Und noch eins, meine Damen und Herren, glauben sie nicht, dass wir bei der Polizei nur auf Action aus sind. Nein, das Wichtigste am Polizeidienst ist der Bericht für die ungeduldige Vorgesetze. Ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit.“, endete er und alle Studenten klopften auf ihre Pulte, zeigten so ihre Dankbarkeit für den Vortrag. Semir nickte dankend, nahm seine Papiere und stopfte sie in den Koffer, doch die Studenten, besonders die weiblichen unter ihnen, hatten doch einige Fragen.


    ...

  • Steven sah ihn von seinem Platz aus grinsend an. So, das war also ein waschechter Hauptkommissar, dachte er bei sich und grinste. Das könnte sich als Vorteil erweisen, gingen seine Gedanken weiter, bevor er seinen Block schnappte und in die Tasche steckte. Mit einem Klick rastete die Miene seines Kugelschreibers zurück ins Gehäuse und er steckte sie in die Innenseite seines Jacketts. Mit seinen Sachen ging er vor zum Pult und wartete, bis sich die Schlange vor Semir gelichtet hatte. „Herr Gerkhan, darf ich sie auf einen Kaffee einladen? Ich würde mich gerne mit ihnen unterhalten.“, meinte Steven und Semir sah den jungen Mann mit den kurz geschorenen, gegelten Haaren, dem Drei-Tage-Bart und der intellektuell wirkenden Brille an. Als dieser es bemerkte, meinte er nur, dass er gerne über Semirs Arbeit und Tätigkeit als Kommissar sprechen würde. „Warum nicht... gehen wir doch in die Cafeteria.“, erwiderte der Deutschtürke und beide gingen aus dem inzwischen wieder mit anderen Studenten gefüllten Vorlesungssaal hinaus. Als sich Steven den Handschuh über seine rechte Hand streifen wollte, fiel Semir ein eigenartiger Ring auf, der ein markantes Wappen trug, doch ehe der Hauptkommissar es richtig deuten konnte, war schon der Handschuh über den Ring gestreift worden und beide gingen in den eisigen und schneetreibenden Winter hinaus, auf dem Weg zur Cafeteria.


    Ben war inzwischen wieder im warmen Büro zurück und überprüfte, mit Hilfe von Sekretärin Susanne König, den toten Drogendealer, Konstantin Nieder. „Also, hier haben wir ihn ja schon. Konstantin Nieder... 32, wohnhaft in Duisburg. Hier, ich habe dir die Adresse aufgeschrieben.“, meinte sie und reichte Ben den kleinen Zettel. „Danke, aber ich will erstmal seine Vorstrafen wissen.“, erwiderte Ben und steckte den Zettel in die Tasche seiner Winterjacke. „Okay... dann hier... mit 18 Beginn einer Tischlerlehre und acht Monate später die erste Auffälligkeit wegen Drogenbesitzes und Handeln mit Betäubungsmitteln. Vier Jahre Jugendgefängnis lautete das Urteil.“, erklärte Susanne und Ben hörte gespannt zu. „Gar nicht schlecht... und dann?“, wollte er wissen. „Ich habe nicht gesagt, dass ich fertig bin. Als er wieder aus dem Gefängnis entlassen wurde, hat er sich gleich um einen neuen Job bemüht... rate mal, bei wem?“, fragte Susanne und grinste. „Na, nu sag schon oder soll ich es in deinen wunderbaren Augen ablesen?“, meinte Ben nur und sah sie mit verschmitzem Grinsen an. Susanne klimperte mit den Augen und reichte ihm eine Akte. Ben nahm sie in die Hand und brauchte nicht einmal die erste Seite aufzuschlagen. Das halbe Bild, dass aus dem Ordner ragte, kannte er nur zu gut. „Sag jetzt nicht, er arbeitet für Rolf Schneider.“, meinte er und sah die Sekretärin an. „Doch... zwar nur als Kurierfahrer, aber wir wissen ja, in was für Geschäfte Schneider noch so seine Finger haben könnte.“, entgegnete sie. Ben nickte nur. „Tja, das wird klein leichter Spaß. Da werde ich mich mal auf dem Weg machen und dem guten Herr Schneider einen Besuch der besonderen Art abstatten.“, grinste Ben nur und ging zur Chefin ins Büro.

  • „Chefin, ich bräuchte von ihnen zwei Dinge.“, meinte er nur, als er das Büro betrat und das verdutzte Gesicht von Kriminalrätin Krüger sah. „Ach... das eine wäre ein Kurs für gute Manieren, denn sie haben das Anklopfen vergessen und das zweite wäre ein neuer Haarschnitt.“, kam es stichelnd von ihr. Ben verzog das Gesicht zu einem gequälten Grinsen. „Nicht ganz... einmal einen Durchsuchungsbefehl und eine Suchmannschaft.“, meinte er und lehnte sich entsprechend auf den Tisch der Chefin vor. Kim dagegen zog sich in ihren Stuhl zurück und sah den Jungkommissar mit einem versteinertem Gesicht an. „So... brauchen sie. Wofür?“, wollte sie wissen. „Konstantin Nieder, der tote Drogendealer, arbeitete für Rolf Schneider.“, erklärte er. „Etwa der Rolf Schneider, den das LKA schon so lange versucht, zu erwischen?“, kam von Kim die Frage. „Genau... also, kriege ich jetzt die beiden Wünsche von ihnen erfüllt?“ Kims Mundwinkel verzogen sich zu einem großen, breiten Grinsen. „Wenn sie ihn kriegen, aber ich bezweifle es. Die Kollegen vom LKA beißen sich ja schon dauernd die Zähne an ihm aus.“, erwiderte sie und griff zum Telefon. „Ich werde sehen, was ich tun kann. Die Staatsanwaltschaft wird jedoch kaum auf bloßem Verdacht einer Durchsuchung zustimmen.“, meinte sie. Ben nickte und verließ das Büro. „So, jetzt erstmal einen Kaffee.“, dachte er laut und verschwand in die Küche, goss sich seine Tasse voll des schwarzen Bohnengetränks und ließ sich, gespielt von der schweren Arbeit erschöpft, in seinen Bürostuhl nieder.


    Nach einer guten halben Stunde kam Kim ins Büro von Ben. „Und?“, begann er sofort und blickte die Chefin mit einem erwartungsvollem Ausdruck in den Augen an. „Tja, wie ich schon sagte, die Staatsanwältin will erst Beweise sehen, bevor sie mit dem Durchsuchungsbefehl rausrückt.“, erklärte Kim und Ben nickte nur. „Dann muss ich mir wohl selbst helfen.“, meinte er und stand von seinem Stuhl auf. Kim sah ihn erschrocken an. „Was? Herr Jäger, was haben sie vor?“ „Ich will dem guten Herrn Schneider etwas auf den Zahn fühlen. Immerhin ist er bis jetzt der einzige Anhaltspunkt, den wir haben. Ich stelle ihm nur einige Fragen. Mehr nicht.“, meinte der Jungkommissar und warf sich Schal und Jacke um, ging dann auf den Parkplatz hinaus. Kim folgte ihm. „Ben, bitte tun sie nichts unüberlegtes und vor allem, verraten sie die Kollegen vom LKA und deren Ermittlungen nicht.“, gebot Kim Ben zur Vorsicht. „Ja klar Chefin, ich bin ja schließlich kein Polizeischüler mehr.“, meinte er grinsend und stieg in sein Auto. „Manchmal benehmen sie sich aber wie einer und haben genauso viele Flausen im Kopf.“, erwiderte sie mit einem vielsagendem Grinsen. „Schon klar Chefin.“, lachte er und startete den Wagen.


    ...

  • Rolf Schneider, Inhaber einer großen Spedition, eines Taxiunternehmens und eines Busfuhrparks, saß in seinem Büro, als er auf einen nicht unbekannten Besucher aufmerksam wurde. „Sieh da, der Herr Jäger von der Autobahnpolizei.“, meinte er zu sich. Sein Blick hing an dem Jungkommissar und beobachtete ihn dabei, wie er das Gelände und schließlich das Bürogebäude betrat. „Moment, sie können da nicht einfach rein.“, stieß die Sekretärin aus, als sich Ben ohne vorherige Anmeldung und Fragen einfach Zugang zum Büro des Großunternehmers verschaffte. „Ich habe ihn versucht, aufzuhalten, Herr Schneider. Aber der junge Mann ist einfach...“, versuchte sich Frieda Jung zu entschuldigen, als der Polizist schon inmitten des Büros vom Chef stand. „Schon gut, Frau Jung, der Herr hat sicher einen guten Grund, warum er hier so hereinplatzt. Bitte, bringen sie uns doch eine Tasse Kaffee.“, entgegnete Rolf Schneider mit freundlichem Ausdruck auf dem Gesicht. Die Frau nickte nur und ließ dann beide alleine.


    „Herr Schneider... kommen wir gleich zur Sache. Mein Name ist...“, wollte Ben anfangen, doch der Mann mit dem gepflegtem Vollbart unterbrach ihn. „...ist Ben Jäger von der Kripo Autobahn, dies aber erst seit knapp zwei Jahren. Vorher waren sie Kommissar beim LKA in Düsseldorf.“, beendete Rolf Schneider Bens Satz und dieser sah seinen Gegenüber mit großen Augen an. „Tja, Herr Jäger... ich liebe es, immer passend informiert zu sein.“, erklärte er nur schnell. Ben nickte und winkte ab. „Wie dem auch sei, ich bin hier, weil wir einen ihrer Mitarbeiter heute morgen tot auf einem Rastplatz gefunden haben. Konstantin Nieder... sagt ihnen der Name irgendwas?“, kam von Ben die erste Frage und mit jedem Atemzug, den sein Unterhaltungspartner tat, beobachtete er ihn immer genauer und misstrauischer. Schneider überlegte und hob dabei den Kopf nach hinten. „Warten sie... der Name sagt mir irgendwas, aber... nein, tut mir Leid. Sollte ich den Herren kennen?“, kam es von Schneider und dann bot er Ben einen Platz an. Dieser verneinte grimmig, er möge lieber stehen. „Wie sie wollen.“, lächelte Schneider nur falsch. „Also, warum sollte ich den Herren kennen?“, kam erneut die Frage vom Großunternehmer. „Vielleicht, weil es einer ihrer besonderen Angestellten war, der für sie Schnee an Fixer verkauft hat.“, kam es beschuldigend von Ben, wobei er sich mit aller Kraft auf die Tischplatte stützte. „Ahhh... diese alte Anschuldigung.“, lachte Schneider auf. „Sie finden das auch noch lustig?“, fauchte Ben nur und streckte sich wieder. „Allerdings... sie sind nicht der erste Polizist, der mich dessen beschuldigt. Das LKA versucht auch dauernd mir solche Verstrickungen nachzuweisen – ohne Erfolg, wie man sieht.“, lachte Schneider siegessicher. Ben staunte. Der Mann wusste von der Observierung der Kollegen? Gab es irgendwo eine undichte Stelle?

  • „Schön,“, meinte Ben dann und nahm von der Sekretärin den Kaffee entgegen, den sie gerade auf einem Tablett brachte und ihn auf den Tisch abstellte. „aber sie haben mir immer noch nicht meine Frage beantwortet.“, knurrte der Jungkommissar und stellte seine Tasse auf dem Tisch ab, ohne dran zu nippen. Er traute weder Schneider noch der Sekretärin, mag sie auch noch so vertrauenserweckend sein. „Ich kenne den Mann nicht. Tut mir Leid, ich kann ihnen nicht helfen.“, erwiderte Schneider und ließ ein teuflisches Grinsen über sein Gesicht huschen. Ben verzog sein Gesicht. „Jetzt passen sie mal auf... ich werde jeden Stein, jeden Zipfel und jedes Stück in Nieders Wohnung umdrehen, bis ich eine Verbindung zu ihnen finde. Und glauben sie mir, ich finde eine.“, stieß Ben aus und verließ das Büro. „Das sollten sie unterlassen, Herr Jäger.“, fauchte er leise hinterher. Ben stieg in seinen Wagen und fuhr davon. Währenddessen hatte Rolf Schneider zum Telefon gegriffen und eine Nummer gewählt. „Ich bin's. Sag den Jungs folgendes... sie sollen mit der nächsten Lieferung warten. Die Ordnungshüter kommen uns mal wieder in die Quere. Nein, lass das meine Sorge sein. Um diesen kümmere ich mich schon selber.“, lachte er und legte auf.


    Steven kam mit zwei großen Tassen Kaffee und einigen kleinen Zuckerbeuteln zurück. „Ich wusste nicht, wie sie ihn trinken. Deswegen habe ich gleich mehrere Beutel mitgebracht.“, lächelte er und stellte den Becher vor Semirs Nase ab. „Danke, ich trinke ihn schwarz.“, erwiderte Semir und nahm die weiße Tasse mit dem schwarzen Gebräu an sich. Steven nickte und nahm seine Tasse, drei der fünf Zuckerpakete auf einmal und riss sie an derselben Stelle ab, schüttete die kleinen, weißen Kristalle in die bräunlich-schwarze Brühe. Semir sah dies mit Erstaunen. Steven sah ihn lächelnd an. „Ich mach es immer so süß, um den Kaffeegeschmack zu dämpfen.“, lachte er und rührte mit dem kleinen Holzstäbchen um. Semir lächelte und nahm die Tasse vorsichtig an seinen Mund. Er nahm einen kräftigen Schluck und fing dann an, zu husten. „Boah... wird hier eigentlich immer solch starker Kaffee getrunken? Ist das normal?“, keuchte er und verdrehte die Augen. Steven lachte und trank seinen Kaffee mit aller Ruhe und ohne den Mund zu verziehen. „Er macht wach und hält wach.“, erwiderte er und rührte in seiner Tasse, bis sich ein kleiner Strudel gebildet hatte. „Was war eigentlich das Schlimmste, was sie als Hauptkommissar je erlebt haben?“, fing Steven dann an. Semir sah auf und dann an die Decke. Da musste er nicht lange überlegen, doch es war zu schmerzvoll, um es zu erzählen. War es das?


    ...

  • „Nun, ich habe meinen Kollegen und besten Freund im Einsatz verloren.“, erklärte Semir mit schwerer Stimme. „Das ist das Schlimmste, was einem Polizisten mitunter widerfahren kann.“, erklärte er und nippte an dem viel zu starken Kaffee. Steven hörte den Worten des Deutschtürken genau zu, hang förmlich an seinen Lippen und Semir gab bereitwillig über seine Arbeit Auskunft. Warum auch nicht, sagte er sich. Er repräsentierte ja im Moment an der Universität die gesamte Polizei Nordrheinwestfalens. „Hatten sie jemals mit Drogenabhängigen zu tun?“, wollte Steven dann auf einmal wissen. Semir sah ihn erstaunt an. Der Junge schien wirklich sehr interessiert zu sein oder war es nur ein Vorwand. Semirs Gespür sagte ihm, er solle ein wenig vorsichtig sein. Doch sein gutes Herz und seine Menschenfreundlichkeit siegte in diesem Moment. „Das hatte ich wirklich. Die meisten sind aus unglücklichen Umständen an die Drogen gekommen. Manche haben den Absprung geschafft. Andere...“, er machte eine Pause und holte Luft „bleiben ihr ganzes Leben in den Fängen der Nadel.“ Steven nickte. Er dachte dabei an Sascha. Er musste ihn von der Nadel loskriegen. Doch wie sollte er das ohne Hilfe schaffen? „Kalter Entzug ist das Schlimmste, was man durchmachen muss. Die Ärzte therapieren die Drogensüchtigen mit Methadon, damit der Süchtige langsam von seiner Sucht befreit wird.“, erklärte Semir dann weiter. Jetzt wurde Steven hellhörig. Das war es. Methadon. Er brauchte Methadon. Schnell warf er einen Blick auf die Uhr. „Oh verdammt, ich muss zu meiner Vorlesung. Danke, dass sie mir das alles erzählt haben, Herr Gerkhan.“, bedankte sich der junge Student und reichte dem Deutschtürken die Hand. „Semir... einfach nur Semir.“, erwiderte der Hauptkommissar mit freundlichem Lächeln. „Semir... alles klar.“, erwiderte Steven, schmiss sich seine Tasche um und verschwand winkend aus der Cafeteria. Semir lächelte und trank dann seinen Kaffee aus, machte sich dann auf dem Rückweg ins Büro.

  • Ben sah auf, als die Bürotür aufging und Semir noch am späten Nachmittag ins Büro kam. „Hey, der Herr Professor beehrt uns mal.“, lachte Ben auf, als er Semir mit seinem Koffer sah. Dieser grinste nur und warf seine Jacke über seinen Bürostuhl. „Und? Wie war dein erster Tag?“, wollte Ben wissen und sah seinen Partner an. „Joa, war ganz nett, nur der Kaffee ist mir etwas zu stark. Der weckt ja Tote auf.“, erwiderte er und nahm sich die Dose mit den gebrannten Mandeln. Er sah hinein und entdeckte nur noch einige Krumen der Hülle. „Sag mal, die war heute früh doch noch randvoll.“, knurrte Semir und sah Ben strafend an. Dieser blickte nur unschuldig auf die Tischplatte und ordnete seinen Bericht, den er gerade geschrieben hatte. „Das waren beste Mandeln.“, kam es zischend von Semir und mit lautem Getöse schloss er die Dose. „Is gut... ich hole neue.“, gab Ben bekannt. „Aber dann lass sie auch unangetastet, bis sie hier in der Büchse sind.“ Semir stellte die Schachtel zurück auf ihren Platz und widmete sich dann wieder den üblichen Aufgaben. „So, was hast du in der Zwischenzeit gemacht?“, wollte er wissen und sah dann erst das Kühlpad hinter Bens Hals. „Was hast du denn schon wieder gemacht?“, fragte Semir erschrocken. „Ich hab Bekanntschaft mit einem Waffenknauf gemacht. Irgendjemand hat einen Drogendealer niedergeschossen. Ich warte im Moment noch auf die Ergebnisse von Hartmut und dem Gerichtsmediziner.“, entgegnete Ben und rieb sich seinen Nacken, nahm das Kühlpad vom Hals und blickte aufs Telefon, als dieses mit schrillem Ton klingelte.


    „Wenn man vom Teufel spricht.“, lachte Ben nur und nahm den Hörer in die Hand. „Ja Hartmut.“, begrüßte er den Techniker. „Bitte sag mir, du hast was gefunden.“, bat er dann und rieb sich die Augen. „Tja, leider muss ich dich enttäuschen. Ich hab nicht viel Spuren im Schnee gefunden. Wie gesagt, das ist tödlich für die Spurensicherung. Aber vielleicht doch etwas.“, meinte Hartmut umständlich. „Wieso musst du es immer so geschwollen ausdrücken?“, kam es fragend von Ben. „Weil es sonst für dich zu einfach wäre, mein lieber Ben.“, lachte Hartmut nur. „Kommt rüber, dann kann ich euch genaueres sagen.“, meinte er und legte auf. „Alles klar, wir sind gleich da.“, kam es nur von Ben und dieser legte wieder auf. Semir sah ihn erstaunt an. „Hartmut hat wahrscheinlich was gefunden.“, erklärte er. „Kommst du mit oder fährst du nach Hause?“, kam dann die nächste Frage vom Jungkommissar. „Och weißt du, ich komm mit. Der Fall hat was reizvolles an sich.“, lächelte Semir. „Und außerdem muss ich ja aufpassen, dass du alles richtig machst.“, lachte er, wich der Hand von Ben aus und rannte zum Wagen vor. „Ich krieg dich, Semir Gerkhan.“, rief Ben nur.


    ...

  • Hartmut, eingehüllt in einen dicken Schal und Strickjacke, sah auf, als Ben und Semir in die KTU kamen. „Hallo Jungs... Semir, solltest du nicht eigentlich an der Uni unterrichten?“, begrüßte der KTU-Beamte die beiden Hauptkommissare. „War ich doch... die haben eben früher Feierabend, als wir.“, lachte Semir und betrachtete dann die Werkbank des Technikers. „Okay Hartmut, da hier nicht geheizt ist und du nichts essbares hier rumzuliegen hast, mach es schnell und kurz.“, knurrte Ben und rieb sich die Arme warm. „Na gut... dann kommt mal mit.“, meinte er und bat die Kommissare in einen Nebenraum. „Und? Nun mach es nicht so spannend. Was ist es?“, wollte Semir wissen und sah zum rothaarigen Techniker auf. „Ein Stück Papier mit einem Wasserzeichen.“, erwiderte Hartmut. Ben und Semir sahen sich fragend an. „Und? Wozu gehört es?“, fragte Ben und sah den Techniker an. „Tja, dazu ist es zu klein, um das festzustellen. Aber ich werde eine grafische Rekonstruktion anfertigen. Das kann aber dauern.“, meinte er und sah von einem Kommissar zum anderen. „Und wie lange?“, erkundigte sich Semir mit einem ungeduldigen Blick, den er stets aufgesetzt hatte, wenn er mit Hartmut sprach. „Etwa drei Tage... vielleicht früher.“, meinte der Techniker. „Ach komm, Hartmut, das kriegst du doch früher hin, oder?“, meinte Ben mit einem Grinsen auf den Lippen und klopfte den Techniker auf die Schulter. Hartmut lächelte. „Okay, ich werde es versuchen. Aber versprechen kann ich es nicht.“, lächelte er. Semir nickte, ging dann mit Ben zur Tür hinaus, wandte sich dann aber noch einmal an Hartmut. „Wo hast du das überhaupt gefunden?“, wollte er wissen. „In der Hand des Toten. Er hat mit seinem Mörder scheinbar gekämpft.“, erwiderte der Techniker. Beide Ermittler nickten und verließen dann die KTU. Semir fuhr direkt nach Hause, während Ben in seine Wohnung zurückkehrte und bei einem prasselnden Kaminfeuer den fallenden, vor seinem Fenster herumtänzelnden Schneeflocken zusah. Dazu hatte er sich eine große Schüssel frischer, gebrannter Mandeln geholt und knabberte die vor sich hin. Hm, danach war er einfach verrückt und es war das Beste an der ganzen Weihnachtszeit. Nach seinem Lieblingsfilm hob er noch die halbe Büchse für das Büro auf und stiefelte dann schlaftrunken ins Bett.

  • Semir wurde am nächsten Morgen von seiner kleinen Aida geweckt. „Hallo, mein Schatz.“, lächelte er, als das Mädchen auf seinem Bauch saß und dauernd seine Nase mit einem Quietschball verwechselte. „Papa musst aufstehen.“, kam es aus dem kleinen Mund und das blondgelockte Mädchen lächelte ihren Papa an, während sie weiterhin still auf seinem Bauch saß. Semir verzog seine Mundwinkel zu einem breiten Lächeln. Seine Arme fuhren unter der Bettdecke hervor und hoben das Mädchen vorsichtig in die Luft. „Komm, wir gehen frühstücken und dann bring ich dich in den Kindergarten.“, meinte Semir und drückte seiner kleinen, dreijährigen Tochter einen dicken Kuss auf die Wange. Das Kind quiekte vergnügt auf und schon saß die kleine Familie, Andrea war bereits am gedeckten Frühstückstisch, am reich gedeckten Tisch und fing an, das morgendliche Frühstück einzunehmen. „Wie geht es euch beiden?“, wollte Semir von seiner Frau wissen, als er ihr einen Becher Kaffee eingoss und dann, als er die Kanne abgesetzt hatte, Andrea über den schon runden Bauch strich. „Gut... dein Sohn wird von Tag zu Tag kräftiger.“, erklärte sie mit friedvollem Lächeln und küsste ihren Mann liebevoll und zärtlich. „Schatz, bringst du Aida in den Kindergarten? Ich muss gleich zum Gynäkologen.“, erklärte sie und sah mit einem flehenden Blick ihren Mann an. Dieser lächelte nur. „Klar, hatte ich sowieso vor.“, lächelte er und räumte nach dem Essen den Tisch ab. Andrea gab ihrer Tochter einen Kuss und fuhr dann los. Auch Semir machte sich mit seinem kleinen Engel auf den Weg zur KiTa.


    Ben war gerade auf dem Weg zur Arbeit, als er einen Funkspruch von Susanne auffing. „Ben, es gab schon wieder eine Schießerei, dieses Mal auf dem Rastplatz Köln West.“, erklärte sie. Der Jungkommissar sah auf. „Das ist gleich vor mir.“, murmelte er und griff zum Funk. „Alles klar, Susanne, ich übernehme.“, meinte Ben und schaltete das Blaulicht ein. Mit rasanter Fahrweise war er auf dem Rastplatz, sah aber nur noch ein Fahrzeug davonfahren. „Shit.“, stieß er aus. Schnell notierte er das Kennzeichen und sah sich dann mit gezogener Waffe nach dem vermeintlichen Opfer um. Da... da war eine Spur, direkt vor ihm. Der Schnee zeigte deutliche Spuren frischen Blutes. Langsam und mit der Waffe im Anschlag ging Ben weiter und fand, hinter den Mülltonnen liegend, die Leiche eines noch jüngeren Mannes, als Konstantin Nieder. Ben beugte sich runter und fühlte den Puls ab. „Verdammt, da ist nichts zu machen.“, kam es verstört von ihm. Dann nahm er sein Handy hervor. „Ja Susanne, ich bin's. Schick bitte die Spurensicherung und den Gerichtsmediziner zu meiner Position. Ach, und dann überprüfe doch bitte folgendes Kennzeichen...“, er gab das Kennzeichen durch und legte nach Susannes Bestätigung auf. „Jochen Mahlzahn... Man, du warst wohl zur falschen Zeit am falschen Ort.“, murmelte Ben, als er der Leiche die Augen schloss. Wieder waren vier Einschüsse erkennbar. Genau, wie bei dem ersten Toten, dachte der Jungkommissar und streifte sich die weißen Handschuhe über. War hier vielleicht ein Muster erkennbar?


    ...

  • „Hallo Ben... wieder eine Leiche im Schnee?“, riss Hartmut Ben aus seinen nachdenklichen, melancholischen Gedanken. „Ja, und noch jünger, als der erste Tote. Macht schnell mit euren Untersuchungen, bitte. Ich bin auf dem Revier zu erreichen.“, meinte er und sah dann den Jungs und Mädels der KTU und der Pathologie bei der Arbeit zu. Angewidert über den toten Jungen drehte er sich weg und stapfte durch den Schnee zu seinem Wagen. Gerade hatte er sich hinter das Steuer gesetzt, als ein erneuter Funkspruch für ihn hereinkam.


    „Ben... ich hab das Kennzeichen überprüft, was du mir durchgegeben hattest.“, kam es von Susanne. Der Jungkommissar horchte auf und ergriff die Sprecheinrichtung des Funkgerätes. „Auf wen ist der Wagen zugelassen?“, wollte er sofort wissen und dachte schon, dass dies ein leichter Fall sein würde. Doch weit gefehlt. „Der Wagen gehört zum Fuhrpark der Universität Köln. Also, ein Mehrnutzfahrzeug.“, erklärte sie. Ben ließ resigniert den Kopf nach hinten fallen. „Danke... das hat mir sehr geholfen. Ich komme jetzt ins Büro zurück.“, erwiderte er, hängte das Funkgerät zurück an seinen Platz und startete den Wagen. Dieser Fall wurde doch immer verzwickter. Erst jetzt kam ihm ein scharfsinniger Gedanke. Was, wenn dieser Junge auch für Schneider arbeiten würde? Das würde doch sofort die Situation für einen Durchsuchungsbefehl schlagartig ändern. Mit rasantem Zahn trieb er seinen Mercedes vorwärts und wedelte den auf der Fahrbahn festgefahrenen Schnee nur so auf. Mehrmals hörte er das schimpfende Hupen einiger Autofahrer, doch das war ihm egal. Er musste von Susanne den Toten überprüfen lassen. Susanne sah auf, als Ben wie ein Irrer in die PASt stürmte und auf ihren Schreibtisch zuraste. Schnell brachte sie ihre offen stehende Keksdose unter dem Schreibtisch in Sicherheit. In den letzten Tagen hatte Ben ihr immer wieder welche ihrer selbstgebackenen Kekse gemopst. „Susanne, überprüf doch mal bitte diesen Namen hier... Jochen Mahlzahn.“, forderte Ben von ihr und schaute sie mit bittendem Lächeln an. Sie sah kurz auf und tippte dann auf ihrer Tastatur herum. Ben lugte unter den Tisch und leckte sich mit der Zunge über die Oberlippe, als er die offene Keksdose auf dem Schoß der Sekretärin sah. „Vergiss es, Ben. Das sind meine.“, knurrte sie und warf ihm einen eindringlichen Blick zu. Grinsend verzog sich der Jungkommissar in sein Büro und machte sich an die Arbeit, während er auf neue Ergebnisse wartete.

  • „So, sie sind also der Neue.“, begrüßte Jan-Gregor Heimann den in der Cafeteria sitzenden Semir, der gerade versucht war, in einen Schoko-Muffin zu beißen. „Jan Gregor Heimann... ich lehre Geschichte des Mittelalters.”, stellte sich der kauzige Professor mit der schwarz umrandeten Brille und dem streng aussehenden, grauen Bärtchen. Sein cremefarbenes Jackett schien ihm eine Nummer zu groß zu sein und seine Fingerkuppen umgab noch der schummrige Rest von Kreidestaub, der sich auch auf den Hosenbeinen niederschlug. „Darf ich ihnen meinen Assistenten Herrn Menger und meinen Kollegen Dr. Christian Acker vorstellen?“, stellte Jan-Gregor seine beiden Begleiter vor. Semir nickte jedem zu. „Dürfen wir uns zu ihnen setzen?“, wollte der Professor dann wissen. Mit einem Nicken zustimmenden setzten sich alle drei zu Semir. „Sie sind also der Gastredner für Herrn Wiesel?“, fragte Christian Acker und Semir horchte auf. Dieser Dialekt... das war doch nichts Westfälisches, dachte er bei sich. Doch der Mann schien seine Gedanken zu erraten. „Sie denken sicher, wo kommt der Kerl her, wa?“, lächelte Acker und nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Teetasse. „Ich bin aus Brandenburg hierher gekommen.“, erklärte er und Semir hob verständlich den Kopf. „Herr Acker hat an der Universität Potsdam studiert, leider das falsche...“, meinte Jan-Gregor und verdrehte hinter seiner Brille die unter den dichten Brauen liegenden Augen. „Das falsche?“, harkte Semir nach und sah den Mann, der ihm gegenüber saß, interessiert an. Wieder fiel ihm der Ring an der rechten Hand auf, der direkt neben dem Ringfinger platziert war. Wieder das gleiche Wappen, was er schon einmal vor kurzem erst gesehen hatte. „Herr Heimann hätte es gerne gesehen, dass ich mich ins finstere Mittelalter begebe, aber ich habe mich dann für die Helligkeit der Frühen Neuzeit und der Militärgeschichte verschrieben.“, erklärte Dr. Acker. „Ich sage immer, das Mittelalter ist nie vorbei... Es endet...“ „Es endet gestern, ich weiß.“, schloss Christian Acker den Satz seines Kollegen. Alle drei fingen an zu lachen, nur Semir schaute leicht dümmlich aus seiner Wäsche.

  • „Sie scheinen ja alle sich hier gut zu verstehen, trotzdem sie in unterschiedlichen Bereichen zu arbeiten schienen.“, meinte der Deutschtürke und sah in die Runde. Herr Heimann, wie auch sein Assistent und Doktor Acker blickten grinsend zu dem Gast. „Es ist eine kollegiale Atmosphäre und ich würde sogar so weit gehen, dass ich sage, wir in der Geschichte sind wie eine große Familie.“, antwortete Dr. Acker. Jan-Gregor Heimann nickte zustimmend. „Das kommt dem sehr nahe. Sehen sie, Herr Gerkhan, wir versuchen, mit unseren bescheidenen Mitteln, die wir haben, die jungen Leute und Studenten mit dem Wissen, was wir haben, auszurüsten. Das klappt nicht immer, aber wir sind ehrlich bemüht, es zu versuchen.“, erklärte der Professor für mittelalterliche Geschichte. Semir hörte gespannt zu. Vielleicht würde er dieses Wissen eines Tages brauchen, wenn seine eigenen Kinder studieren wollten. „Es ist eine schwere, aber auch eine lohnende Aufgabe, den jungen Leuten das zu vermitteln, was wir uns in all den Jahren der Ausbildung und der Berufserfahrung angeeignet haben und was die Kolleginnen und Kollegen international und national forschen, aufschreiben und veröffentlichen.“, fügte Christian Acker hinzu. Semir nickte verständnisvoll.


    Ben sah auf, als Susanne ins Büro kam und ihm einige Ausdrucke vor die Nase warf. „Hier, die ganzen Informationen, die sich finden ließen.“, meinte sie und Ben bedankte sich bei ihr, machte sich dann sogleich an die Arbeit. Jochen Mahlzahn... geboren in Bremen, eingeschrieben als Student an der Universität Köln. Ben sah auf. Das Fahrzeug, was er wegfahren sah, gehörte doch zur Universität. Kam der Täter etwa aus dem Studentenmilieu? Oder war das nur eine Ablenkung? Gehörte der Wagen vielleicht dem Opfer selbst? Kam er damit zum Rastplatz und wurde er nach der Tat gestohlen? Unwahrscheinlich, dachte Ben, warum sollte man einen wegen einem Wagen von der Universität umbringen? Es sei denn... Sofort ging er zu Susanne vor und beugte sich über ihre Schulter. „Überprüf doch mal bitte, ob der Universität heute oder in den letzten Tagen ein Wagen gestohlen wurde und wenn ja, frag doch bitte gleich, wer der letzte Nutzer war.“, bat Ben die Sekretärin. Sofort machte sich diese an die Arbeit und tippte eifrig auf dem Telefon herum.


    ...

  • Ben wiederum sah sich weiter das Profil des Mannes durch. In seinem Nebenjob war Mahlzahn bei Rolf Schneider als Kurierfahrer angestellt. „Ha, jetzt hab ich ihn.“, stieß Ben aus, als das Telefon klingelte. „Jäger?“, meldete er sich. „Hier ist Hartmut. Ben, wir haben da was interessantes hier draußen gefunden. Es ist besser, wenn du noch einmal her kommst.“, meinte der KTU-Chef. „Okay, ich bin schon auf dem Weg.“, erwiderte Ben und schnappte sich seine Jacke und seinen Schal. „Hey Ben... der Uni fehlt kein Wagen.”, rief ihm Susanne nach, als er an ihr vorbei stürmte. Schlagartig blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. „Dann hat sich die Spur auch erledigt.“, meinte er und ließ die Schultern hängen. Doch im gleichen Moment hob er wieder den Kopf. Vielleicht auch nicht, dachte er und hatte schon eine Idee. Doch erst fuhr er erneut zum Tatort raus.


    Hartmut drehte sich um, als er Bens Wagen hörte. „So Hartmut, was hast du denn gefunden, dass du mich wieder in diese Schweinekälte hinaus rufst?“, knurrte der Jungkommissar und sah den Techniker an. Dieser hielt grinsend einen Autoschlüssel in die Luft. „Okay, und habt ihr auch den passenden Wagen dazu?“, kam die nächste, undankbar erscheinende Frage vom Polizisten. Auch hierauf streckte der Techniker nur wortlos seine Hand auf und wies auf einen kleinen, unscheinbaren, alten Opel Kadett, dessen Hülle schon vom Schnee befreit wurde. „Dieser Wagen hat es in sich, du wirst sehen. Öffne doch mal den Kofferraum.“, bat Hartmut und reichte Ben den Schlüssel. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“, wollte der Jungkommissar wissen. „Du lotst mich hier raus in diese sibirische Kälte und spielst mit mir - Rate was im Koffer ist?“, zischte er und blies sich seinen warmen Atem in die Hände. Hartmut rollte nur mit den Augen und schob ihm wieder die Autoschlüssel hin. „Ich bitte dich, tu es. Darin befindet sich das Motiv für den Mord.“, grinste er. Ben horchte auf. „Sag das doch gleich.“, knurrte er wieder, riss dem langen, rothaarigen Mann die Schlüssel aus der Hand und ging um den Wagen rum. Mit einem kurzen Griff und mit Hilfe des Schlüssels war der Kofferraum auf und die Kofferklappe erhob sich. Ben pfiff kurz auf. „Aber hallo, wenn das kein Motiv ist.“, meinte er und sah in den kleinen Raum hinein. „Das ist aber eine Menge Schnee.“ „Allerdings.“, bestätigte Hartmut. „Okay, ab damit in die KTU. Ich will wissen, wie hochwertig das Zeug ist. Habt ihr noch etwas gefunden?“, wollte der Jungkommissar dann wissen. „Ja, das Handy des Toten. Es ist unter den Wagen gerutscht, als man ihn erschossen hat.“, entgegnete Hartmut. „Okay, check die Anruferlisten und schick sie mir ins Büro. Ich fahr zur Uni und versuch mal herauszufinden, wer heute welchen Wagen und warum benutzt hat.“, gab Ben laut denkend von sich.


    ...

  • Steven kam keuchend in sein Seminar. Sofort stockte ihm sein Atem. „Ahhh, der Herr Liniek.“, kam ihm die donnernde Stimme seines Dozenten, Dr. Christian Acker, entgegen. Die Augen der Kommilitonen starrten Steven an. „Sie wissen schon, wann wir anfangen, oder?“, fragte dieser und grinste hämisch. „Entschuldigen sie, ich weiß, dass wir pünktlich anfangen, aber ich... ich... ich...“, stammelte der Student und sah betreten zu Boden. „Was... Was... Was? Haben sie ihre Sprache eingebüßt oder warum stottern sie so, wie der Uni-Präsident bei der letzten Weihnachtsrede? Suchen sie sich einen Platz und zwar flott.“, knurrte der Dozent und schnell ließ sich Steven auf einen Stuhl nahe der Tür nieder, packte seine Sachen auf den Tisch und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „Also,...“, fing Christian Acker an und hielt dann inne. „Wo war ich denn jetzt nur stehen geblieben?“, fragte er in die Runde und kratzte sich energisch am Kopf, zog die Augenbrauen ärgerlich zusammen. „Herr Liniek, sie haben mich aus dem Konzept gebracht.“, meinte er brummend und ging dann zum Pult zurück, sah seine Unterlagen durch. „Ah, genau. Das wollte ich noch sagen, ehe wir uns dem Vortrag widmen.“, murmelte er und sah in seine Aufzeichnungen. „Genau... wenn sie das Essay schreiben, achten sie bitte darauf, dass sie die Literatur zitieren bzw. nachweisen. Nichts kann ihnen so den Hals brechen, als ein vergessener Nachweis über ein Buch, das sie benutzt haben.“, erklärte er und gab dann den Platz am Pult für den Vortrag frei.


    Doch Steven konnte sich nicht auf die wissenschaftlichen Versuche seiner Kommilitonen konzentrieren. Immer wieder musste er an Sascha denken. Woher sollte er nur Methadon bekommen? Es würde seinem Freund sicher helfen, von der Nadel weg zu kommen, aber wie sollte er an dieses Medikament kommen? Ihm wollte partout nichts einfallen. Doch dann... Hatte die Krankenstation nicht Metadon in ihren Medikamentenschränken? Sicherlich nicht. Soweit er sich auskannte, wurde das nur von großen Kliniken und in Suchtregenerationszentren verwendet. Er musste dennoch dieses Medikament in seine Finger bekommen und Sascha helfen. Immerhin war er sein bester Freund, mehr noch, er war sein Bruder.


    ...

  • Rolf Schneider saß derweil in seinem Büro und überlegte, wie er die Polizei von sich fern halten konnte. Der nächste Coup stand unmittelbar bevor und Schneider wollte auf keinen Fall, dass diese Möchtegern-Sherlock-Holmes ihm diese wichtige Ware abnahmen. Was ihn aber noch mehr Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass einer seiner „Mitarbeiter“ ermordet wurde. Er versuchte über Handy seinen anderen Verteiler der Ware zu erreichen, aber auch dort meldete sich keiner. Verdammt, irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht, das spürte er in jeder Faser seines Körpers. Rolf Schneider hatte von jeher ein Gespür dafür, wenn ein Geschäft nicht zu seinen Gunsten verlief und hier stimmte etwas ganz und gar nicht. „Frau Jung, ich bin die nächsten drei Stunden weg. Nur über mein Handy zu erreichen und dann auch nur im äußersten Notfall.“, gab Schneider beim Rausgehen bekannt und verschwand, ohne auf eine Bestätigung seiner Sekretärin zu warten. Diese sah ihm nur hinterher und hörte noch, wie der Wagen wegfuhr.


    Einige Minuten später kam er, unbeobachtet, auf dem Gelände einer heruntergekommenen, alten Werkshalle an, stieg aus und sah sich um. War ihm niemand gefolgt? Eine Weile blieb er vor dem Gebäude stehen, nahm eine Zigarette aus seiner Schachtel, klopfte mit der Spitze auf den Deckel und steckte sie sich dann in den Mund. Während er an dem Nikotinstummel zog, beobachtete er eindringlich seine Umgebung. War ihm auch wirklich niemand gefolgt? Nein, das konnte er nach einer halben Stunde des Wartens und drei Zigaretten ausschließen. Langsam betrat er das Innere der Werkhalle. Alles war schmutzig, voller verrosteter Nieten und Schrauben, die auf dem Boden herumlagen und an alte Blütenzeiten des Werkes erinnerten. Davon war hier schon jahrelang nichts mehr zu spüren. Kaum ein Mensch hatte in den letzten Jahren und Jahrzehnten seinen Fuß in diese Halle gesetzt. Noch nicht einmal ein Obdachloser verirrte sich hierher. Mit einem umhersuchenden Blick sah sich der sehr misstrauische Geschäftsmann um. Dann, als er sicher war, dass wirklich keiner ihm gefolgt war, stieg er die Treppe in den Keller hinunter und ging den langen, schachtartigen Gang entlang. Was hatte er hier nur zu suchen?

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