10. Blind vor Liebe

  • "Wer liebt, der muss auch wissen, dass er leiden kann; Wer nicht liebt, der leidet bereits."


    - russisches Sprichwort -



    „Ben?“, hauchte sie ihrem Liebsten ins Ohr. „Mmmmhhhhhh.“, kam es nur von ihm und er drehte sich mit verschlafenen Augen zu seiner Liebsten um. Seit einigen Wochen war Gina ständiger Gast bei Ben in seiner großen Wohnung. „Es wird Zeit fürs Frühstück...“, lachte sie und küsste ihn auf sein Tattoo, dass sie so an ihm liebte, und dann auf den Mund. Er schlang seine Arme um sie und drehte sie mit sich auf den Bauch. Gina stieß einen spitzen Schrei aus und Ben fing sie an, zu kitzeln, was sie nur erwiderte. Beide genossen das pure Zusammensein in vollen Zügen und es war auch noch Wochenende, das hieß, er hatte keinen Dienst. Endlich hatte er wieder einen freien Sonntag und den wollte er mit Gina voll und ganz genießen, bevor es morgen wieder in den stressigen Alltag voll von Metall, Blei, Benzin und Semirs Genörgel ging. „Komm, lass uns frühstücken und dann raus gehen. Es ist so ein herrliches Wetter draußen.“, meinte Gina und küsste ihren Freund mit italienischer Leidenschaft auf die Lippen. Ben bekam kaum noch Luft, so intensiv waren ihre Küsse. Er keuchte kurz, als sie sich wieder lösten. „Wow...“, stieß er aus und Gina lachte mit ihrem herzhaft lautem Lachen. „Komm...“, meinte sie und zog Ben aus dem Bett. Langsam verschwanden sie in der Küche und deckten gemeinsam den Tisch. Schnell war ein herzhaftes Frühstück gezaubert und die beiden genossen die ruhige Stille des angebrochenen Samstag Vormittags. Beide machten sich dann fertig und gingen in die sommerliche Wärme raus, genossen das schöne Wetter und tobten im Freibad herum.


    Währenddessen war eine Autokolonne auf der Autobahn Richtung Köln unterwegs, die eine besondere Fracht transportierte. „Signore Saviano, wir erreichen gleich Köln und dann sind sie in Sicherheit.“, meinte der italienische Polizist. „Bist du dir da so sicher, Fabrizio?“, fragte Roberto Saviano. Er war einer der Aufdeckjournalisten, der in Italien offen gegen die Mafia kämpfte und dafür von ihnen verfolgt und mit dem Tod bedroht wurde. Deshalb reiste er unter schwersten Sicherheitsvorkehrungen von Ort zu Ort und stellte seine Werke über die Mafia vor. Doch er konnte nie ein normales Leben führen, seine Familie sehen und sein Sohn aufwachsen sehen. „Ich hoffe es sehr... der Anschlag vom Freitag war mal wieder sehr knapp.“, meinte er und sah zum Fenster raus. Da war er, der die Stadt überragende Kölner Dom. Das sollte also für die nächsten Tage seine Zufluchtstätte sein. Die Sonne schien hinter den beiden Türmen hervor und ihm mitten ins Gesicht. Er zog den Sonnenschutz runter und kniff seine Augen zu. „Wo werde ich untergebracht?“, wollte er wissen. „Wir haben eine Wohnung mit direktem Blick auf den Dom bekommen. Da werden sie sich wohl fühlen. Die Wohnung hat einen direkten Zugang zur Tiefgarage, sodass sie ungesehen hinein und wieder hinaus können.“, erwiderte Fabrizio. „Und was ist mit der deutschen Polizei?“, wollte er wissen und sah den italienischen Polizist an. Doch er sollte keine Zeit finden, die Frage zu beantworten.
    Der Wagen wurde von einem großen Geländewagen in die Seite gerammt. „Ach will der denn?“, schrie Fabrizio auf und drückte Roberto in den Fußraum hinunter und entsicherte dabei seine Waffe. „Unten bleiben...“, schrie der Polizist und sackte schon im nächsten Moment getroffen im Sitz zusammen. Die Kerle durchlöcherten den Wagen nur so und versuchten ihn immer wieder von der Straße zu drängen. Roberto lag zitternd im Fußraum und hielt sich schützend die Hände über das Gesicht. Immer wieder hörte er das Zischen der Kugeln, die dich neben ihm ins Sitzpolster einschlugen oder die Scheiben zertrümmerten. Eine glitt haarscharf an seiner Hand vorbei, er spürte den heißen Lufthauch der Kugel auf seinem Handrücken. Und immer wieder wurde der Wagen von hinten oder von der Seite gerammt. Durch das Ruckeln fiel die Waffe von Fabrizio in den Fußraum und vor Robertos Augen. Instinktiv nahm er sie auf und feuerte einfach zurück. Immer durch die Heckscheibe auf den Kühlergrill des Geländewagens. „Verdammt, verschwindet endlich.“, stieß er aus und es schien, dass seine Gebete erhört wurden. Denn der Wagen ließ sich zurückfallen und verschwand im hinteren Verkehr. Roberto atmete auf und sah sich um. Fabrizio lag neben ihm, der Körper mit Kugeln durchlöchert. „Luca?“, rief er nach seinem Fahrer. „Alles in Ordnung, Roberto?“, erwiderte er. „Ja, aber fahr auf den nächsten Rastplatz und ruf die deutsche Polizei an... Sag ihnen, wir wurden angegriffen und sie sollen uns zu unserer Wohnung eskortieren.“, stieß er mit geschockter Stimme aus. „Sofort Roberto.“, meinte Luca und griff zum Autotelefon. Wie gut, dass er die Sprache einigermaßen beherrschte.


    ...

  • Semir saß in seinem Wagen, neben sich Bonrath. „Ach, ist doch herrlich. Endlich mal wieder auf der Autobahn unterwegs.“, meinte der lange Polizist und sah sich um. Semir lachte auf. „Es freut mich, dass du dich in deinem Urlaub so gut erholt hast.“, lachte er auf und sah zu Dieter hinüber. „Ach man, Hotte ist im Urlaub und ich muss ab morgen wieder alleine Dienst machen.“, murrte er. „Zentrale an Cobra11...“, schnarrte es aus dem Funk, ehe Semir antworten konnte. Dieter nahm das Funkgerät in die Hand und drückte auf den Knopf. „Cobra11 hört... was gibt es Susanne?“, fragte er. „Schüsse auf der Autobahn... nahe Abfahrt Köln Zentrum. Ein schwarzer Geländewagen hat eine Limousine gerammt und unter Beschuss genommen. Ein Begleiter ist tot. Die anderen sind mit dem Schrecken davon gekommen.“, meinte Susanne. „Okay, wir fahren hin.“, entgegnete Dieter und hängte das Mikro ein. „Na dann wollen wir doch mal.“, meinte Semir, schaltete das Blaulicht ein und düste mit dem BMW davon.
    Roberto Saviano stand neben seinem Wagen und betrachtete die zerschossenen Scheiben und sah auf den toten Fabrizio. Luca stand daneben und breitete eine Decke über seinen toten Kollegen aus. „Verdammt, wie haben die uns nur gefunden?“, fragte Luca und breitete die Decke über Fabrizio aus. „Ich weiß es nicht... aber es scheint, als ob wir selbst hier vor ihnen nicht sicher sein werden.“, entgegnete Roberto und sah dann, dass ein silberner BMW auf den Rastplatz fuhr und neben ihn anhielt. Sofort stiegen zwei Männer aus, ein kleiner Südländer und ein hochgewachsener Bleicher mit Halbglatze. Roberto stand nur einfach da und verstand kein einziges Wort, als der Kleine begann, auf sie einzureden. Wie ein Fragezeichen muss er auf den Mann wirken, der mit seinen Händen versuchte, ihm etwas zu sagen. „Luca, könntest du mir das mal bitte übersetzen.“, meinte Roberto in einem etwas langsameren Italienisch, damit dieser kleine Mensch vor ihm auch merkte, dass er kein Deutsch konnte. Semir sah den Mann vor sich verwundert an, als er diese Sprache hörte.


    „Wer sind sie?“, fragte Luca im perfekten Deutsch. Semir sah ihn an. „Gerkhan und Bonrath, Kripo Autobahn. Und sie?“, fragte Semir, als er sich zu dem Italiener umdrehte. „Luca Piacenza. Das ist Roberto Saviano.”, erklärte er und zeigte auf den Mann mit kurzgeschorenen Haaren, Drei-Tage-Bart und dunklen Augen. „Roberto Saviano? Dann sind sie der, den wir beschützen sollen... Semir Gerkhan.“, stellte sich Semir vor und reichte dem Italiener die Hand, während Luca ihm die Worte übersetzte. „Okay, dann beschützen sie mich mal.“, fauchte Roberto und setzte sich in den Wagen zurück. „Entschuldigen sie, aber Roberto nimmt diese Sache sehr mit. Fabrizio war jahrelang sein Leibwächter und hat schon mehrmals eine Kugel für ihn abgefangen.“, entschuldigte sich Luca. „Was ist denn nun passiert?“, wollte Semir wissen und sah sich die Limousine an. „Die ist total zerschossen worden.“, meinte Luca und sah sich nach Roberto um. Entschuldigen sie mich.“, meinte er und ging zu seinem Schützling. „Dieter, ruf bitte die Chefin an... Sag ihr, der Wagen von Roberto Saviano wurde angegriffen und sie soll sofort in die Schutzwohnung kommen und dann warte hier bitte auf die Kollegen von der Spurensicherung.“, meinte Semir und ging dann hinter dem Mann her. „Was ist genau passiert?“, wollte er wissen. „Ein schwarzer Geländewagen hat uns gerammt und sofort angefangen, das Feuer auf uns zu eröffnen. Einige Kugeln trafen Fabrizio wohl sofort, bevor er seine Waffe ziehen konnte. Roberto musste sich selbst verteidigen... er verabscheut Schusswaffen sonst.“, erzählte Luca und sah Semir dabei genau an. Dieser nickte. „Ich werde sie gleich in die Schutzwohnung bringen und dann den ganzen Tag bei ihnen bleiben.“, erklärte Semir und ging dann zu Bonrath, der vor der zugedeckten Leiche kniete und sich den toten Körper besah.
    „Fünf Einschusslöcher...“, murmelte Dieter und sah zu Semir auf. „Die Pathologie soll die Kugeln rausholen und von der KTU analysieren lassen. Ich fahre jetzt mit den Italienern in die Schutzwohnung und warte dort auf die Chefin.“, meinte Semir und ging dann mit Luca und Roberto zu seinem Wagen, während Dieter auf die Kollegen wartete.


    ...

  • Kim sah auf, als das Telefon klingelte und sich Dieter meldete. „Bonrath, ich denke, sie sind mit Semir auf Streife?“, fragte sie und sah von ihrer Akte auf, die sie gerade vor sich hatte. „Was? Und Semir bringt die beiden in die Schutzwohnung? Gut, ich bin schon unterwegs.“, damit beendete sie das Gespräch und sah etwas verwundert vor sich her. Was für ein herber Schlag. Ihre Abteilung hatte vom BKA und der italienischen Botschaft die dringende Bitte bekommen, drei Tage auf Roberto Saviano den Personenschutz zu übernehmen. Roberto Saviano sollte hier in einer Talkshow und in einigen Buchläden über sein neues Buch reden, doch die Mafia drohte ihm mit dem Tod, sollte er auch nur zu einer dieser Veranstaltungen gehen und über sein Buch reden. Doch schon, seitdem er sein erstes Buch über die Machenschaften der Camorra, dem Mafiaclan im Süden Italiens, geschrieben hatte, stand er auf dessen Abschussliste. Warum man gerade Kims Abteilung damit beauftragt hatte, war klar... die BKA-Beamten waren bei manchen Mafiafamilien durch interne Spitzel schon bekannt und bestechlich. Doch Kims Leute waren da eher unbeschriebene Blätter und so für diesen Job prädestiniert.
    Kim nahm sich ihre Jacke und ihre Tasche und verließ ihr Büro. „Susanne, ich bin die nächsten Stunden nicht zu erreichen.“, meinte sie und die Sekretärin nickte nur. „Okay, und auch nicht über das Handy?“, fragte sie nur. „Natürlich, aber nur im Notfall.“, erwiderte Kim und ging zu ihrem Wagen, stieg ein und fuhr los. Doch sofort wurde sie verfolgt, ohne, dass sie etwas davon mitbekam.


    Sergio sah sich um. „Da ist sie... okay, wir werden mit ihr reden.“, meinte er und sah dann zu Vincenzo, der am Steuer des großen Geländewagens sah. „Folge ihr, aber unauffällig.“, zischte er und Vincenzo sah ihn nur an. „Ja doch, so wie bei der Limousine. Was sollen wir eigentlich mit ihr machen?“, fragte Vincenzo. „Nur reden und sie darauf aufmerksam machen, dass sie sich besser nicht in unsere Angelegenheiten einmischen sollte.“, erwiderte Sergio und zog sich eine Maske über den Kopf, ebenso Vincenzo und dann zog der Geländewagen an Kim vorbei, setzte sich mitten vor ihr, sodass sie scharf bremsen musste. „Was soll das denn?“, stieß sie aus und riss das Steuer rum. Doch der Wagen drängte sie auf einen verlassenen Rastplatz rüber und bremste sie aus. „Shit.“, stieß sie aus, wollte zum Funkgerät greifen, als sie die maskierten Männer sah. Jedoch zu spät. Die Tür wurde aufgerissen und sofort wurde die Kriminalrätin von behandschuhten Händen gepackt und aus dem Wagen gezerrt. „Was soll das?“, fauchte sie und wollte an ihren Gürtel zur Waffe langen, doch ihre Hände wurden brutal auf den Rücken gedreht und eine Hand presste sich kraftvoll auf ihren Mund.


    ...

  • „Ganz ruhig Süße und keine Dummheiten.“, zischte Sergio und legte seinen Kopf auf Kims Schultern. Sie hielt still und sah mit ihren schreckgeweiteten Augen auf den zweiten Mann, der ihre Waffe genommen hatte und sie auf Kim richtete. „Wir wissen, dass du und deine Kollegen Roberto Saviano beschützt. Nur eine Warnung... es werden sehr heiße Tage auf euch zukommen. Am Besten, du sagst uns vorher, wo er ist, dann kannst du dir sehr viel Schmerzen ersparen.“, zischte Sergio und hielt Kim dann ein Messer an den Hals, fuhr damit leicht über ihre Haut. Sie spürte, wie sich das Messer durch ihre zarte Haut ritzte und ein kleiner Streifen Blut aus der Wunde quoll und langsam am Hals bis zum Kragen ihrer Bluse hinunterlief. „Ich werde jetzt meine Hand von deinem Mund nehmen und du wirst mir sagen, was ich weiß.“, zischte er und legte seinen Kopf dicht an ihr Haar. Er schien daran zu riechen. „Ein betörender Duft.“, hauchte er durch seine Maske und schmiegte seine Wange an Kims Ohr entlang. „Man, lass das. Wir haben einen Auftrag.“, stieß der mit der Waffe aus und brachte den Mann hinter Kim wieder zur Vernunft. „Schon gut... okay Schätzchen, wenn du mir jetzt meine Fragen beantwortest, dann...“, doch plötzlich stockte er und beide drehten sich in Richtung Auffahrt um. Ein Streifenwagen fuhr auf den Rastplatz und hielt an. Sofort suchten die beiden maskierten Männer das Weite, stießen Kim dabei zu Boden und rannten zu ihrem Wagen. Langsam und zitternd richtete Kim sich wieder auf und betastete ihren Hals nach der Wunde.
    „Ist alles in Ordnung, Frau Krüger?“, fragte Siggi und kam zu ihr gelaufen. Kim saß auf der Motorhaube ihres Wagens und nickte nur. Äußerlich war, außer der Kratzer am Hals, nichts zu sehen, doch innerlich war sie vollkommen fertig. Noch nie hatte sie den Tod so dicht vor Augen, wie in diesem Moment. Sie war sich sicher, dass der Typ, hätte er erst mit den Fragen angefangen, sie mit Sicherheit danach umgebracht hätte. Zitternd nahm sie das Handy zur Hand und wählte Semirs Nummer.


    Dieser saß derweil schon mit Roberto und Luca in der Schutzwohnung, hatte die Fenster und Türen dreifach kontrolliert und die Jalousien hinuntergelassen. „Sagen sie nicht, dass wir jetzt in dieser Dunkelheit sitzen müssen.“, zischte Luca, der Robertos wutentbrannten, italienischen Ausspruch übersetzte. „Ich will nur sicher gehen.“, meinte Semir und nahm sein Handy in die Hand, als es klingelte. „Ja... Chefin?“, meldete sich Semir. „Semir.... ich... wo sind sie?“, fragte Kim. „Ich bin mit Saviano und seiner Begleitung schon in der Schutzwohnung. Wo sind sie?“, fragte er, doch er konnte hören, dass Kim irgendwie angespannt und nervlich fertig war. „Alles in Ordnung mit ihnen, Chefin?“, fragte er dann. „Nein... Semir, ich wurde angegriffen. Scheinbar ist es kein Geheimnis, dass wir die Bewachung von Saviano übernommen haben.“, erzählte sie und machte eine längere Pause. „Passen sie auf, stellen sie Bonrath zur Bewachung ab und kommen sie ins Büro zurück.“, wies sie an und legte, ehe Semir ein Widerwort geben konnte, auf.


    ...

  • Semir sah sich um und Roberto kam gleich auf ihn zu. „Wohin wollen sie?“, fragte er und Luca übersetzte es ihm. „Ich muss zu meiner Chefin... ich werde bald wieder da sein. Mein Kollege kommt gleich und der wird auf sie aufpassen.“, erwiderte Semir. „Können wir ihm trauen?“, fragte Luca und sah den deutschen Polizist an. Dieser blickte erschrocken zu dem Bodyguard und kam dicht an ihn heran. „Glauben sie, dass alle Polizisten korrupt sind? Ich lege für meinen Kollegen meine Hand ins Feuer.“, erwiderte Semir und legte zum Zeichen seine Hand auf sein Herz. Roberto saß auf einer Ecke der Couch und sah mit skeptischem Blick auf den kleinen türkischdeutschen Polizisten hinüber. „Ich hoffe, sie irren sich nicht.“, meinte Roberto plötzlich in einem gebrochenen Deutsch. „Ich irre mich selten.“, meinte Semir mit leicht böser Stimme und ging dann, als Bonrath in der Wohnung war.


    Derweil saßen Ben und Gina in einem Strandcafé direkt am Rhein und genossen einen Erdbeereisbecher und die wunderbar scheinende und strahlende Sonne. „Weißt du, was noch besser wäre?“, fragte Gina und zog mit ihren Lippen den Sahneberg vom Löffel, lächelte dabei verliebt. „Na?“, fragte Ben und genoss die frischen Erdbeeren. „Mit dir auf Capri zu liegen.“, lachte sie und küsste Ben mit ihren sahneverschmierten Lippen mit italienischer Leidenschaft auf den Mund. Wieder bekam er kaum Luft. Diese Frau war wie ein verliebter Tintenfisch, der sich an ihm festgesaugt hatte. Als sie sich wieder löste, holte Ben tief Luft. „Wow.“, stieß er aus und nahm die Sahne mit seiner Zunge von den Lippen. Gina lachte laut auf und warf dabei ihre langen Haare nach hinten. „Du bist wunderschön.“, säuselte Ben und strich über ihren niedlichen Handrücken mit einem kleinen Leberfleck an der Außenseite. Gina sah ihn an und strich dann über seine Hand. „Wie wäre es, wenn ich heute Abend für uns koche?“, meinte sie und sah ihren Liebsten kurz an. „Eine super Idee. Ich habe allerdings nicht viel da und heute ist Sonntag. Wo willst du denn jetzt noch Zutaten auftreiben?“, fragte er und sah ihr tief in die Augen. Sie lächelte ihn an, küsste ihn kurz. „Ich kenne da einen befreundeten Restaurantbesitzer... er hat das beste italienische Restaurant und gibt mir sicherlich was von seinen Zutaten ab.“, lachte sie. „Oh... muss ich jetzt etwa eifersüchtig werden?“, fragte Ben und küsste sie. Sie lachte nur... wie ahnungslos er doch war und er schmolz wie Wachs in ihren Händen dahin.


    Gina fuhr zu Guido Brenacese, dem von ihr angepriesenen Restaurantbesitzer. Doch, was keiner wusste... Guido Brenacese war einer der vielen Mafiabosse, die in den frühen Neunzigern aus Italien nach Deutschland kamen, um hier eine ähnliche Organisation aufzubauen und das hier erbeutete Schutzgeld nach Italien zu schaffen oder Drogen von dort hier zu verkaufen. Alles hinter der guten Fassade eines der besten italienischen Restaurants der ganzen Stadt, wenn nicht sogar des ganzen Rheinlandes. „Ciao Gina, wie geht es meiner lieben Kleinen?“, fragte Guido, als seine kleine Cousine durch die Tür auf ihn zu kam, als er gerade dabei war, eine Tomate zu häuten. Beide küssten sich auf die Wange. „Guido, ich brauche mal wieder deine kulinarische Hilfe.“, lachte sie und reichte ihm einen Korb mit einer Liste. „Kein Problem, bekommst du gleich. Was ist mit diesem...“, fragte er und machte eine abfällige Handbewegung. „Ach, du meinst Ben... es läuft. Wenn er morgen wieder zum Dienst muss, werde ich ihm eine Kleinigkeit mitgeben... dann werde ich bald wissen, wo Saviano versteckt wird und kann ihn unschädlich machen.“, lachte sie und nahm eines der Filetiermesser in die Hand. „Was wirst du mit ihm machen, wenn alles erledigt ist? Es ist sicher, dass sie schnell auf deine Spur kommen werden.“, meinte Guido und sah sie an. Wieder kam nur ein Lächeln, dieses Mal ein teuflisches.


    ...

  • „Lass das meine Sorge sein.“, erwiderte sie und sah in eine der spiegelblanken Pfannen. „Ich werde mich schon mit Ben vergnügen und dann, wenn alles erledigt ist, wird er einfach einen kleinen Haushaltsunfall erleiden. Du weißt doch, die meisten tödlichen Unfälle passieren zu Hause und wenn ihm aus Versehen der Elektrorasierer in die Badewanne fällt, was kann ich dafür?“, lachte sie und nahm den gefüllten Korb wieder an sich. „Du bist wirklich teuflisch, Cousinchen.“, lachte Guido und küsste seine Verwandte auf beide Wangen. „Ciao Guido.“, meinte sie und strich ihm über das Ohrläppchen. Er lächelte und sah ihr mit einem schiefen Kopf nach.


    Ben ruckte mit dem Kopf rum, als die Tür ins Schloss fiel. „Ben... ich bin wieder da.“, rief Gina durch die Wohnung und trug den Korb in die Küche. „Wow, das sieht ja richtig gut aus.“, meinte Ben und hatte schon Wasser für die Nudeln aufgesetzt. Gina küsste ihren Freund auf den Mund und legte den Korb ab. Dann drückte sie ihn vom Herd weg. „So, jetzt mach mal Platz und deck mal schon den Tisch.“, befahl sie und Ben gehorchte, doch sah seiner kleinen Freundin neugierig über die Schulter. „Na... nicht so neugierig sein, Freundchen.“, lachte sie und sah ihren Freund mit ihren großen Augen an. „Das ist eine Berufskrankheit bei mir.“, lachte er und naschte eine der Cherry-Tomaten. „Hey, die brauch ich noch.“, schimpfte sie, lachte aber gleichzeitig auf, als Ben ihrem Schlag auswich. Er kicherte nur und ging ins Wohnzimmer, nahm zwei Weingläser aus der Vitrine und stellte sie auf den Tisch auf der Terrasse. Es war heute so schönes Wetter, dass er beschloss, draußen den Tisch zu decken, denn die Sonne war am untergehen und bot eine wunderschöne rote Farbe. Er stand eine Weile vor der Brüstung und sah einfach in den roten Ball hinein und dachte daran, was für ein Glück er im Moment hatte. Er konnte es einfach nicht fassen, dass er nach Saskias Tod noch einmal solch eine Frau finden würde, die ihn liebt und mit ihm die schönsten und traurigsten Stunden seines Lebens teilt. „Ben?“, hörte er plötzlich die süße Stimme seiner Freundin hinter sich. Er drehte sich um und lächelte sie an. „Du siehst so in Gedanken aus.“, meinte sie, stellte die Teller ab und ging auf ihn zu. „Ich bin einfach nur glücklich, dich zu haben. Dass du in mein Leben getreten bist, war eine Fügung des Schicksals.“, meinte er mit verliebter Stimme. „Wenn du wüsstest...“, dachte sie und lächelte verspielt. Innerlich malte sie sich schon aus, wie sie ihn, wenn es zum Äußersten kommen sollte, loswerden konnte. Ein Sturz über den Balkon... nein, Selbstmord würde wohl ausscheiden. Es müsste wie ein Unfall aussehen und das war ja ihr Spezialgebiet. Doch noch war es nicht so weit. Noch würde sie seine Zärtlichkeiten genießen und vollkommen auskosten. Ein bisschen Vergnügen sollte ja auch diese Sache bringen. „Komm, lass uns essen.“, meinte sie und stellte die Teller hin. Ben setzte sich und beide aßen und tranken Wein. Noch ahnte Ben nicht, dass sein Leben in den nächsten Tagen vollkommen aus den Fugen geraten würde.


    ...

  • Semir stürmte durch das Großraumbüro und riss die Tür von Kims Büro auf. „Chefin, was ist passiert?“, wollte er gleich wissen und sah, dass Kim mit zittriger Hand ein Wasserglas hielt und ab und zu davon nippte. „Semir... jemand weiß, dass wir Roberto Saviano beschützen sollen... Vorhin... auf der Autobahn. Zwei Typen haben mich überfallen und versucht, den Aufenthaltsort aus mir herauszupressen.“, erzählte sie und tat dabei ziemlich reserviert, doch das war sie nicht. Semir spürte, dass ihr die Sache sehr nahe ging und dann sah er das Pflaster am Hals. Er wollte nicht fragen, denn der Deutschtürke konnte sich vorstellen, was sich unter diesem Pflaster befand und was die Typen mit der Chefin vorhatten. „Alles okay mit ihnen, Chefin?“, fragte Semir und näherte sich Kim, legte ihr die Hand auf die Schultern. Er spürte, wie sie bebte und vollkommen mit den Nerven fertig war. „Semir... sie... sie haben mir ein Messer an die Kehle gehalten und mich mit einer Pistole bedroht. Ich will diese Mistkerle finden.“, zischte sie und wischte die Hand des Kommissars von ihrer Schulter.
    „Gut... haben sie irgendwelche Anhaltspunkte... irgendwas ungewöhnliches an den Männern feststellen können?“, wollte Semir wissen. „Sie hatte Anzüge an, schwarze Handschuhe und der Mann, der mir...“, sie machte eine kurze Pause. „mir das Messer an die Kehle gehalten hat, benutzte ein auffälliges Rasierwasser. Sie sprachen mit italienischem Akzent.“, führte Kim aus und ließ sich dann in ihren Stuhl zurückfallen. „Chefin, kann ich... soll ich... soll ich einen Arzt rufen?“, fragte Semir, doch Kim wiegelte ab. „Der war schon hier.“, meinte sie und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit. „Ich meinte nicht diese Art von Mediziner.“ „Jetzt werden sie nicht unverschämt.“, stieß sie plötzlich aus. „Mir geht es gut. Sorgen sie lieber dafür, dass Saviano gut beschützt wird. Wenn ihm etwas passiert können wir alle uns in die Fußgängerzone stellen und betteln.“, fauchte sie und verwies Semir der Tür. Dieser schüttelte nur mit dem Kopf und ging dann zu seinem Wagen. Er wollte in die Wohnung zurück und Dieter helfen. Wie gut, dass Andrea bei ihrer Mutter war und Aida mitgenommen hatte. So brauchte er seiner Frau nicht erklären, warum er des Nachts nicht nach Hause kam.


    Am nächsten Morgen kam Ben ins Büro und sah sich um. „Susanne... war Semir noch gar nicht da?“, fragte er und blickte sich erneut um. „Der ist noch immer in der Schutzwohnung.“, erwiderte Susanne und sah Ben an. „Wie? Ist unser Schützling schon da?“, kam es von Ben erstaunt. „Ja, schon seit gestern... es gab eine Schießerei auf der Autobahn und einen Toten... man hat die Chefin sogar angegriffen.“, flüsterte Susanne, als sich die Tür von Kims Büro öffnete. „Ben... kommen sie bitte sofort zu mir.“, bat sie mit Nachdruck in der Stimme. Ben erhob sich von Susannes Tisch und schritt in Kims Büro, ließ sich vor ihr auf einen Stuhl fallen und wartete nun.


    ...

  • „Ben... gestern gab es eine Schießerei auf der Autobahn. Sie wissen sicherlich, dass wir für drei Tage den Italiener Roberto Saviano beschützen sollen?“ Ben nickte. „Gut, sie werden mit Semir zusammen den Personenschutz übernehmen. Semir hat sich bereit erklärt, die Nachtschichten zu übernehmen. Ich habe Herzberger bereits aus dem Urlaub zurück beordert. Er und Bonrath wird sie und Semir im Wechsel unterstützen.“, erklärte Kim. „Chefin, was ist mit ihnen passiert?“, fragte er vorsichtig. Doch Kim sah ihn nicht einmal an. Zu schrecklich saß noch der Schock in ihren Gliedern. „Machen sie sich bitte auf den Weg. Hier ist die Adresse. Lesen und vernichten sie den Zettel.“, meinte sie. Bei diesen Worten musste Ben unweigerlich an die vielen James Bond-Filme denken, die er in seiner Jugend gesehen hatte. „Lesen und vernichten“ war dort doch eine umgängliche Anweisung für Geheimagenten. „Ben...“, riss sie ihn aus seinen Gedanken. „Ja, ich bin schon weg.“, meinte er und steckte den Zettel in seine Tasche. Dann machte er sich auf zu seinem Mercedes und fuhr zur angegebenen Adresse. Den Zettel behielt er noch in der Tasche. Er kannte sich und seine Schusseligkeit doch.


    Guido saß in seiner Villa und wartete auf seine beiden Männer. Sergio und Vincenzo betraten das große Wohnzimmer, indem Guido saß und an einer Zigarre zog. „Habt ihr schon den Aufenthaltsort unseres Landsmannes herausgefunden?“, fragte er seine beiden Gorilla und paffte vor sich hin. „Leider noch nicht, aber wir wissen doch, wer den Fall bearbeitet.... vielleicht sollten wir uns einfach an die Polizisten wenden... sie unter Druck setzen.“, meinte Sergio und zog an seiner Krawatte herum. „Nein... wir wollen nicht unnötig Aufmerksamkeit erregen. Allerdings... wenn Gina bis übermorgen nichts findet, dann nehmen wir uns diesen kleinen Bullen... Gerkhan... und seine Chefin vor.“, meinte Guido und ließ die Asche am Rand des Aschenbechers abstreifen. „Oh ja... die Kleine ist ganz süß.“, meinte Sergio und rollte mit den Augen. „Du nun wieder.“, lachte nur Vincenzo. „Okay, sobald sich nichts neues ergibt, habt ihr beide grünes Licht und knöpft euch diese Kim Krüger vor. Notfalls tut ihr weh, aber wir müssen erfahren, wo sie Saviano versteckt haben... Die Leute zuhause verlassen sich auf uns.“, meinte Guido und schickte seine beiden Schläger dann wieder fort.


    Ben fuhr bei der Wohnung vor und stieg die Stufen empor. Vor der Wohnung ohne den Namen blieb er stehen und klopfte drei Mal, machte eine Pause und dann noch ein Mal... das vereinbarte Zeichen für Semir. Er lehnte seinen Kopf gegen die Tür und hörte ein leises Tapsen. „Ben?“, kam es zögerlich von innen. „Nein, der große, böse Wolf... natürlich Ben.“, erwiderte der junge Hauptkommissar und klopfte kurz gegen die Tür, damit Semir seinen Kopf wegzog und die Tür aufschloss. „Na endlich.“, murrte Ben und kam in die Wohnung, wich jedoch ein Stück zurück, als Semir seine Waffe in der Hand hatte. „Wow, wieso so schwer bewaffnet?“, fragte er und hob zum Spaß die Hände. Semir legte seinen Kopf schief. „Los, nimm sie runter... Weißt du es denn noch nicht?“, fragte er und steckte seine Waffe ins Halfter zurück. „Dass die Krüger angegriffen wurde... ja, hab ich gehört. Deswegen bin ich hier. Sie will auch Hotte aus dem Urlaub zurückholen. Er soll dann mit Dieter und uns den Italiener bewachen.“, erklärte Ben und Semir nickte nur. „Wo ist der Kerl?“, wollte Ben wissen und folgte Semir ins Wohnzimmer.


    ...

  • Dort saßen Roberto und Luca und sahen zu dem Mann auf, der hinter ihrem Bodyguard das Zimmer betrat. „Mein Kollege... Ben Jäger.“, stellte Semir seinen Partner vor. Roberto nickte ihm nur zu, während er auf seinen Laptop herumtippte. Luca gab Ben die Hand und stellte sich und Roberto vor. „Sie wissen, wer wir sind?“, fragte er und Ben nickte nur. „Dann wissen sie auch, dass Roberto von den Mächtigen seiner und meiner Landsleute mit dem Tod gedroht wurde, wenn er irgendwo über sein aktuelles Buch und die Geschäfte der Mafia sprechen sollte.“, erzählte Luca und wieder nickte Ben nur. „Schön, dann sollten sie dafür sorgen, dass Roberto die nächsten Tage am Leben bleibt und ich hoffe, sie kriegen das besser hin, als ihre Kollegen in der Schweiz.“, zischte Luca nur erbost und zeigte auf die Narbe an seinem Oberarm, die scheinbar von einem Messer herrührte. „Keine Sorge, wir sind besser organisiert, als unsere Kollegen aus der Schweiz.“, meinte Ben nur. „Das hoffe ich sehr... für sie. Sollten sie auch nur zulassen, dass uns etwas passiert, sind sie schneller ihre Marken los, als dass sie Luft holen könnten.“, fauchte Luca und stand abwartend vor Ben. Dieser lachte verächtlich auf. „Sie trauen uns wohl nicht, oder? Tja, das müssen sie aber... im Moment wenigstens. Denn das BKA will mit diesem Fall nichts zu tun haben.“, erklärte Ben und es schien ihm eine Genugtuung zu sein, das den beiden Italienern auf die Nase zu binden, dass die beiden von den Autobahnpolizisten für die nächsten Tage abhängig waren. „Ich will nur sicher gehen, dass man sie nicht gekauft hat.“, entgegnete Luca mit gefährlicher Tonlage in seiner Stimme. Jetzt platzte Ben der Kragen. „Wir? Geschmiert? Jetzt pass mal auf, du...“, schrie er und wurde aber bevor er weitersprechen konnte von Semir in die Küche gezogen. „Ben beruhige dich.“, flüsterte er. „Beruhigen? Ich soll mich beruhigen? Semir, der Kerl hat mich als korrupt beschimpft, oder... Ich meine, was denkt sich dieser Spaghetti-Heini dabei? Wir sollen ihn beschützen? Das muss ich mir aber noch stark überlegen...“, zischte Ben. „Nein, das musst du nicht. Es ist unser Job, schon vergessen? Wir sind Polizisten und im Moment sind diese beiden Personen, so sehr uns auch ihre Ansichten gegen den Strich gehen, unsere Schützlinge. Es sind ja nur drei Tage. Dann haben wir es hinter uns.“, meinte Semir mit beruhigender Stimme und er konnte tatsächlich hören, wie Bens Wut langsam auf Null zurückfuhr und er sich wieder normalisierte. „Okay, aber wenn er mich noch einmal beschimpft, probiert meine Faust aus, ob seine Nase schön gepolstert ist.“, kündigte Ben an und ging wieder ins Wohnzimmer zurück. Semir lachte nur und folgte ihm.


    Hotte fluchte und schimpfte. „Dieter, das war mein erster Urlaub seit zwei Jahren... und die Krüger hat nichts besseres, als mich zurück zu pfeifen. Dabei wollte ich doch nach Kanada... Du weißt doch... angeln in den großen Flüssen und Seen an der amerikanischen Grenze. Ich hatte schon alles gepackt, war fertig zur Abfahrt und die Chefin hat mich zurückgepfiffen, wie so ein Hund, der nach dem geworfenen Stock geschickt wurde.“, schimpfte der dicklich beleibte Polizist, als Dieter ihn vom Flughafen zurückgeholt hatte, obwohl er schon im Terminal war. „Hotte, die Chefin hat ihre Gründe dafür. Du weißt doch, auf wen wir aufpassen sollen.“, meinte Dieter und versuchte, seinen Freund zu beruhigen, doch Hotte schien auf 180 zu sein und ließ sich einfach nicht beruhigen. „Das wäre unter Anna Engelhardt nicht passiert... das schwöre ich dir.“, prophezeite er, doch Dieter schüttelte nur mit dem Kopf. „Hotte, selbst bei Anna haben wir Ausnahmesituationen gehabt. Und das hier ist genauso eine Ausnahmesituation. Wir brauchen einfach jeden Mann.“, erklärte der langgewachsene Polizist. „Ja, nimm du sie nur in Schutz, aber das eine sag ich dir.... wenn diese Sache ausgestanden ist, lege ich ihr meinen sofortigen Urlaubsantrag auf den Tisch und gehe nicht wieder weg, bevor sie den unterschrieben hat. Und ich werde ihr keinen Fisch aus Kanada mitbringen.“, schimpfte Hotte und fuchtelte dabei prophetenhaft mit seiner Hand vor Dieter herum. „Was hat sie nur für ein Glück.“, meinte dieser leise. „Sehr witzig Herr Bonrath.“, kam es eingeschnappt von Hotte zurück und ab da herrschte Stille.


    ...

  • „Herr Herzberger... ich sagte ihnen doch schon, dass wir einen Ausnahmezustand haben. Bitte verstehen sie meine Entscheidung, sie aus dem Urlaub zurückzuholen.“, rechtfertigte sich Kim Krüger vor dem aufgebrachten Polizisten. „Frau Krüger... ich möchte von ihnen nur die Garantie haben, dass ich nach dieser Arbeit meinen wohlverdienten Urlaub antreten kann.“, forderte Hotte und legte ihr ein Blatt Papier vor. „Was ist das?“, wollte sie wissen und sah auf das Papier hinunter. „Das? Das ist eine Vereinbarung, die sie mir unterschreiben und die mich sofort nach Abschluss des Falles in meinen wohlverdienten Urlaub entlässt.“, erklärte Hotte und reichte ihr einen Stift hinüber. Mit geknirschtem Gesicht sah Kim zu den beleibten Polizisten auf. „Wenn sie dann endlich Ruhe geben...“, zischte sie, riss Hotte den Stift aus der Hand und setzte ihren Namen auf die gestrichelte Linie des Blattes. „So, und nun gehen sie zu Ben in die Wohnung und übernehmen mit ihm die Tagesschicht.“, forderte sie und Herzberger nickte nur. Von Dieter wurde er zur Wohnung gefahren und Semir stieg dann, nachdem Hotte bei Ben Posten bezogen hatte, in das Auto zu Dieter. „Jetzt brauch ich erst einmal eine Dusche und mein Bettchen.“, lachte er und kuschelte sich in den schön vorgewärmten Sitz ein, wie eine Katze auf einer Ofenbank. Dieter lächelte nur und nach wenigen Minuten war das schnarchende Geräusch einer kleinen, türkischen Kreissäge zu hören, die das Armaturenbrett anzusägen versuchte. Dieter grinste und stellte das Autoradio so laut, dass der Song das Schnarchen übertönte, aber Semir nicht aufweckte.


    Gina saß in der Wohnung, als ihr Handy klingelte. „Gina... hier ist Guido. Hast du schon was über Saviano herausgefunden?“, wollte er wissen. „Leider nein... aber es kann nicht mehr lange dauern.“, erwiderte sie und lauschte immer wieder nach Schritten im Hausflur. „Das ist zu lange... Ich werde Sergio und Vincenzo auf diese Polizistin ansetzen. Sie sollen ihr heute noch einen Besuch abstatten und in Erfahrung bringen, wo sich die Wohnung befindet und die kleine Politesse als Geisel mitnehmen... Man weiß ja nie.“, meinte er. „Okay, ich bin nur froh, wenn dieser Auftrag vorbei ist.“, kam es von Gina. Plötzlich stockte sie, als sie den Schlüssel im Schloss der Tür hörte. „Ich muss Schluss machen... ich ruf dich später wieder an.“, zischte sie und ließ ihr Handy schnell in ihrer Hosentasche verschwinden.
    „Gina... ich bin's.“, hörte sie die erschöpfte Stimme von Ben, der seine Jacke an die Flurgarderobe hang. Sofort stürmte der kleine italienische Wirbelwind auf den großen Deutschen zu, sprang ihn an und drückte ihn gegen die Tür und einen intensiven Kuss auf den Mund. „Hallo mein Schatz.“, säuselte sie und fing an, an Bens Ohrläppchen zu knabbern. „Ohhh.“, machte er nur und merkte, dass er diesen Zärtlichkeiten nicht lange widerstehen konnte. „Warte... ich will nur schnell duschen und dann machen wir es uns gemütlich.“, bat er sie und sah sie an. „Ob ich so lange auf dich warten kann, mi Amore?“, fragte sie und knabberte sanft an Bens Stoppeln herum. Dieser schien gleich zu explodieren. „Okay, ich beeil mich.“, meinte er nur und stürmte ins Bad. „Ich warte, Süßer.“, schrie sie ihm nach, doch als die Tür des Badezimmers zugeflogen war, ging sie zur Garderobe zurück und durchsuchte Bens Jacke, alle Taschen wurden sauber und ordentlich durchwühlt und danach wieder verschlossen. Doch in einer der Taschen wurde sie fündig. „Bene.“, dachte sie nur und hatte das in der Hand, worauf Guidos Männer gewartet hatten. Jetzt konnte sie ihren Auftrag erfüllen.


    ...

  • Auch bei Kim brach der Feierabend an und sie verließ das Büro, ging zu ihrem Wagen. Dieses Mal sah sie sich besser um, doch kein Wagen, der nicht auf den Parkplatz gehörte, fiel ihr ins Auge. So fuhr sie zu ihrer Wohnung, parkte den Wagen in der Tiefgarage und fuhr mit dem Fahrstuhl in ihr Stockwerk. Vor ihrer Tür blieb sie stehen und suchte in ihrer Tasche nach dem Schlüssel, der sie in die warme Wohnung und zu einem warmen Bad lassen würde. Doch so weit sollte es nicht kommen.
    Sie betätigte den Lichtschalter, doch es kam kein Licht. „Nanu... Stromausfall kann doch nicht sein, oder?“, fragte sie und betätigte immer und immer wieder den Lichtschalter. Plötzlich packte sie eine Hand und zog sie in die Wohnung. Sie schrie auf, landete auf der Couch und sofort wurde ihr eine behandschuhte Hand auf den Mund gepresst und wieder war das Messer an ihrer Kehle. „Ein falsches Wort Süße und ich bringe dich um.“, hörte sie von einem Mann, den sie im Dunkeln nicht erkennen konnte, doch plötzlich ging das Licht wieder an und sie sah sie... die gleichen grollenden Augen unter der Skimaske hervorlugen... Ja, das waren die gleichen Augen, wie die vom Rastplatz. „Ich werde jetzt die Hand wegnehmen... versuch nicht zu schreien oder ich lass dein Blut aus dir herauslaufen ... und das wollen wir doch nicht, oder?“, fragte der Mann mit drohender Stimme und Kim nickte nur. Die Hand wurde weggenommen und auch das Messer. Kim richtete sich langsam auf und sah, dass sich mehrere Männer in ihrer Wohnung standen... alle maskiert und bewaffnet. Zwei davon dachte sie vom Rastplatz zu kennen, doch die beiden anderen waren ihr fremd. „Was... was wollen sie von mir?“, fragte sie und sah abwechselnd immer wieder zu jedem einzelnen der Männer. „Wir wollen nur von ihnen wissen, wo wir Roberto Saviano finden, dann sind wir auch gleich wieder weg.“, lachte der Mann mit dem Messer. Kim sah ihn an, dass er es dabei nicht bewenden lassen würde. „Das werde ich ihnen nicht unter die Nase reiben.“, zischte Kim und klang dabei wenig selbstbewusst. Innerlich hatte sie die Ereignisse vom Rastplatz noch nicht verarbeitet und jetzt... jetzt waren diese Kerle in ihrer Wohnung. „Pass auf, was du sagst, Schätzchen oder ich schneide dir erst das linke, dann das rechte Ohr ab. Und das gibt eine schöne Schweinerei... vor allem wäre es schade... deine Ohren sind so wunderschön.“, lachte er widerlich. Kim kam es fast hoch, denn sie glaubte, das perverse Grinsen unter der Maske zu sehen.


    „Egal, was sie mir antun... ich werde nichts sagen.“, zischte sie und stand auf, doch das schien ein Fehler gewesen zu sein. Der Mann schlug zu und zwar so heftig, dass Kim zurück auf das Sofa fiel, dabei mit den Kopf gegen den kleinen Tisch am Fußende der Couch knallte. Eine kleine Platzwunde bildete sich und Blut lief ihr die Schläfe entlang. Langsam merkte sie, wie ihre Arme brutal auf den Rücken gezogen wurden und mit einem Kabel eng zusammen gebunden wurden. Dann wurde sie wieder hochgezogen und auf einen Stuhl gesetzt. „So... jetzt werden wir uns noch einmal unterhalten...“, zischte er Kim ins Ohr, als er merkte, dass sie wieder langsam zu sich kam. Sie wurde mit einem weiteren Kabel an den Stuhl fixiert und zwar so, dass sie ihren Oberkörper nicht mehr bewegen konnte. Das Atmen fiel ihr schwer und das Blut rann ihr in das linke Auge. Sie kniff es zusammen, um nicht noch mehr hinein zu bekommen. Der Mann, ein Italiener, wischte ihr es behutsam aus, doch diese Gutmütigkeit währte nur kurz. Mit dem Messer fuchtelte er vor Kims Augen herum, dann nahm er ihren Fuß, zog den Schuh aus und riss die Nylonstrumpfhose auf. Was hatte er nur vor? „Sagst du mir jetzt, was ich wissen will, oder muss ich dir erst deinen kleinen Zeh abschneiden?“, fragte er fauchend und hielt das Messer und ihren Fuß hoch. „Ich werde nichts sagen...“, entgegnete Kim selbstsicher und sah mit besorgtem Gesicht auf ihren Fuß. Der Mann spürte, dass sie Angst hatte und ließ ab. Aber nur kurz.


    ...

  • „Wollen wir doch mal sehen, wie redselig du bist, wenn wir deine Fußsohle ein bisschen mit einer Zigarre bearbeiten... Weißt du, heiße Asche kann sehr schmerzhaft sein.“, lachte er und zog seine Maske ein Stück hoch, um eine Zigarre anzuzünden. Kim ruckte nervös auf ihrem Stuhl hin und her, so gut es die Fesseln zuließen. „Na nervös?“, fragte er und hatte die Zigarre soweit in Gang gebracht, dass er loslegen konnte. Kim sah nervös auf die brennende Spitze und wollte zurückweichen, doch wie? Ihr Fuß wurde kraftvoll von diesem Gangster festgehalten und wenn nicht gleich ein Wunder geschah, dann... Es klingelte an der Tür. „Gott sei dank.“, dachte Kim und öffnete ihren Mund zum schreien, doch schnell wurde er brutal zugedrückt und ihr Ruf verschallte in einem gedämpften Stöhnen. „Kein Wort will ich von dir hören.“, zischte der Mann mit dem Messer. Dann nickte er einem seiner Männer zu und winkte die anderen zu sich. Gemeinsam nahmen sie den Stuhl mitsamt Kim und trugen ihn außerhalb des Sichtfeldes der Tür. Der Mann an der Tür zog die Maske vom Kopf und die Handschuhe von der Hand und öffnete die Tür.
    „Ja bitte?“, fragte er mit vorsichtiger, unsicherer Stimme. Ein junger Mann stand vor der Tür und lächelte unsicher, denn diesen Mann kannte er nicht. „Ähm... eigentlich wollte ich nur das Paket für Kim abgeben.... sie war heute morgen schon weg, als der Postbote bei mir geklingelt hat.“, meinte der junge Mann von etwa Anfang 20, einer der Nachbarn der Kriminalrätin. „Oh... geben sie her... ich geb es ihr schon... Meine... ähm... Freundin ist nur schnell unter der Dusche.“, log der Gangster und nahm das Paket an sich, schloss schnell die Tür wieder. Der Junge stand kopfschüttelnd davor und ging dann wieder in seine Wohnung. Schnell zog sich der junge Italiener die Maske wieder über den Kopf und die Handschuhe an. Dann wurde endlich wieder die Hand von Kims Mund genommen, die bis jetzt stilgehalten hatte, da das Messer wieder an der Kehle saß. Dann wurde endlich wieder die Hand von Kims Mund genommen, die bis jetzt stilgehalten hatte, da das Messer wieder an der Kehle saß. Langsam wurde von ihr abgelassen und sie konnte mit dem Kopf wieder nach vorne kommen, auch wenn sie Angst hatte.


    „So, und nun zurück zu uns.“, fauchte der Mann und widmete sich wieder Kim. Die sah ihn nur an und wieder war dort die glühende Zigarrenspitze. „Los... sag mir sofort, was du weißt, oder es wird sehr ungemütlich für dich.“, grinste er und näherte sich Kims Fußsohle. Kim biss sich auf die Unterlippe, denn um keinen Preis wollte sie das Versteck nennen, auch wenn es jetzt gleich ziemlich brenzlig werden würde. Sie spürte die näher kommende Wärme und zuckte auf, als die Zigarre ihre Füße berührte. Doch es kam kein Ton über ihre Lippen. Aber die Zigarre brannte sich förmlich in die Haut hinein. Dann wurde die Zigarre wieder weggezogen. „Du schreist nicht? Spielst hier auf tapfer, was?“, fauchte Sergio, der Mann mit dem Messer und der Zigarre. „Sie werden nichts von mir erfahren...“, stammelte sie und sah ihn mit ihren braunen Augen wutentbrannt an. „Lass doch... aus der werden wir nichts raus bekommen und der Don hat gesagt, wir sollen sie notfalls mitnehmen.“, kam es von einem anderen der Gangster. Sergio sah erbost zu Vincenzo und dann auf das klingelnde Telefon. „Verdammt, wer ist das denn wieder...“, fragte er und sah zu Kim, die ebenso erschrocken auf ihr Handy sah, wie es die Gangster taten. Eigentlich konnte es nur Semir sein, der sich alle Stunde bis Mitternacht melden wollte, um zu sagen, dass alles in Ordnung war. Das war ihre Chance, auf diese Situation aufmerksam zu machen.


    ...

  • „Los, wer ist das?“, fragte Sergio und wurde langsam wütend. „Das wird mein ... mein Freund sein... er ruft mich immer an... Wir telefonieren jeden Abend miteinander.“, log sie und hoffte, dass Semir mitspielen würde und die Gangster nicht den Lautsprecher anmachen würden. Sie musste einfach nur Glück haben. „Okay, schüttel ihn ab.. oder ich schneide dir deinen schönen Hals durch.“, zischte Sergio und drückte den grünen Knopf. „Hallo?“, meinte sie mit zittriger Stimme und klang nicht sehr überzeugend dabei. „Hallo Frau Krüger...“, kam es von Semir. „Ich wollte nur sagen, das...“, fing er an, doch Kim unterbrach ihn. „Semir Schatz, wie geht es dir? Ich habe gerade plötzlichen Besuch erhalten.“, meinte sie und klang dabei sehr verzweifelnd. Semir horchte auf... Irgendwie klang Kim nicht gerade normal in der Stimme und was sollte der Unsinn mit Semir Schatz? Doch er spielte mit... er musste rausfinden, was da los war. „Was für ein Besuch, Schatz?“, fragte er, da er nicht wusste, wer da mithörte. „Italienischen... bitte, sag bescheid, dass ich heute nicht zum Treffen mit unseren Freunden kommen kann.“, erwiderte Kim und dann wurde aufgelegt. „Sehr gut.“, hauchte Sergio und schaltete das Handy aus. „Und jetzt... werden wir gehen.“, lachte er und zog einen Lappen und eine bräunliche Flasche aus seinem Jackett. Er tränkte den Lappen und presste ihn Kim auf Mund und Nase. Diese wehrte sich, doch sie atmete ein und damit hatte sie schon verloren. Langsam flatterten ihre Augenlider und sie verschwand in die Bewusstlosigkeit.


    Semir hielt nervös sein Handy in der Hand. Nur mit einem Shirt und Boxershorts bekleidet stand er am Fenster und sah mit nachdenklich, in Falten geschlagener Stirn zum Fenster raus. Die Nacht war trüb und schwarz und er merkte nicht, wie sich Roberto zu ihm gesellte. „Können sie auch nicht schlafen?“, fragte er plötzlich im gebrochenem Deutsch und Semir drehte sich schlagartig um. Sein Blick war zunächst erschrocken, doch dann beruhigte er sich wieder, Puls und Adrenalin fuhren auf ihre normalen Werte zurück. „Ich... meine Chefin hat gerade angerufen und klang dabei ziemlich sonderbar am Telefon.“, gab Semir zurück und sah den jungen Italiener an. Dieser schien hinter seinem unbeweglichen Gesicht ein Lächeln hervorzuzaubern. „Sie machen sich Sorgen... wahrscheinlich zu viele, aber im Moment vielleicht angebracht.“, kam es von Roberto. „Wie meinen sie das?“, wollte Semir wissen. „Ich weiß, dass die Familien in Italien sehr enge Beziehungen mit den hier ansässigen Familien pflegen und alles tun würden, um mich aus dem Weg zu räumen.“, erzählte er. Erschrocken sah Semir ihn an. „Sie meinen... Verdammt.“, stieß er aus und jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Klar, die Chefin wusste die Adresse dieser Wohnung. Was lag da näher, als dass Kim von den Mafiosos besuch bekommen würde. „Ich muss zu ihr... Dieter.“, schrie Semir durch die Wohnung, schnappte sich seine Hose und seine Strickjacke und zog beides schnell über. Verschlafen schoss Dieter hinter der Sofalehne hoch. „Was ist denn Semir?“, fragte er erschrocken. „Ich fahr kurz zur Chefin... Schließ die Wohnung ab und lass niemanden rein. Hast du verstanden... Bei der Krüger stimmt irgendwas nicht.“, erklärte Semir mit lauter, emotionsgeladener Stimme und ließ die Tür ins Schloss fallen. Schnell rannte er die Stufen zu seinem BMW hinunter, sprang rein und fuhr zu Kims Wohnung.


    ...

  • Sergio löste die Fesseln von Kim und legte die schlafende Kriminalrätin behutsam in eine extra große Wäschetruhe. Er strich ihr sanft durch das Haar. „Sorry Kim, aber du stehst auf der falschen Seite, sonst würde dich sofort vernaschen... obwohl, was hält mich eigentlich davon ab?“, dachte er laut und strich ihr sanft über die Wangen, ehe er den Deckel zuwarf. „Man Sergio, lass die Kleine... wenn der Boss mit ihr fertig ist, wird sowieso nicht mehr allzu viel von ihr übrig sein.“, zischte Vincenzo. „Ist ja gut, du alter Spielverderber... Fass lieber am Korb mit an... die Süße ist nämlich schwer...“, lachte er und öffnete vorsichtig die Tür der Wohnung, mittlerweile hatten alle ihre Masken vom Kopf gezogen. „Okay, die Luft ist rein... Dann mal los, der Wagen steht unten vor der Tür.“, flüsterte er und alle machten sich, mit dem Wäschekorb in der Mitte, auf zum Wagen. „Los, Angelo, öffne mal den Kofferraum.“, forderte Sergio und Angelo, der jüngste, ging zum Wagen und betätigte die Zentralverriegelung für den Kofferraum. Doch sie sollten keine Gelegenheit bekommen, mit ihrer Geisel abzuhauen.


    Semir kam mit seinem BMW noch rechtzeitig um die Ecke geschossen und als wenn er spüren konnte, dass die Chefin sich gerade vor ihm befand, fuhr er auf die Gruppe zu. Die Gesichter kamen ihm alle recht merkwürdig vor. Er raste auf sie zu und brachte seinen Wagen mit einer 90Grad-Drehung vor der Bande zum Stehen. „Verdammt, dass ist einer dieser Autobahnbullen.“, stieß Sergio aus und zog seine Waffe und ballerte einfach wie wild drauf los. Semir duckte sich, als die ersten Kugeln in die Scheibe einschlugen und hechtete zur anderen Seite raus, eröffnete von dort das Feuer auf die Kerle. Ein kurzer Blick fiel auf den Korb, in dem sich bestimmt Kim befinden musste. Ansonsten würden sie wohl kaum so etwas mit sich herumtragen. Semir schoss einfach wahllos auf die Männer und hörte plötzlich ein Stöhnen und ein dumpfes Plumpsen. Er schien einen getroffen zu haben. Er lud sein Magazin nach und feuerte erneut... immer und immer wieder. Nach einer Weile war wieder ein Aufschrei zu hören... Die Mafiosos schienen nicht oft das Schießen zu üben, dachte er siegessicher und hörte dann, wie Autotüren zuschlugen.


    „Shit... lasst uns von hier abhauen...“, stieß Vincenzo aus und sah Sergio eindringlich an. „Wollen wir den Kleinen etwa hier lassen?“, stieß Sergio aus und sah auf Angelo runter, der sich krümmend vor Schmerzen auf den Boden wälzte. „Lass ihn oder willst du in den Knast wandern?“, erwiderte Vincenzo und zog Sergio mit sich. Alle drei sprangen in ihren Wagen, ließen Kim und Angelo einfach so zurück.


    ...

  • Semir sah, wie der Wagen mit quietschenden Reifen wegfuhr und feuerte noch einige Schüsse in dessen Richtung ab, doch er verschwand im nächtlichen Dunkel. Der Deutschtürke ging erst zu dem Verletzten und besah ihn sich. Schien nicht so schlimm zu sein, dennoch fesselte er ihn mit seinen Handschellen an einen Fahrradständer, der in die Grünfläche neben der Straße eingelassen war. Dann ging er zum Wäschekorb und hob vorsichtig den Deckel an. Noch immer schlief Kim darin, doch Semir sah sofort, dass sie verletzt war. Schnell griff er zu seinem Handy und rief einen Rettungswagen. „Chefin... können sie mich hören?“, fragte er und schlug vorsichtig die Wangen von Kim. Nach einer Weile zuckte sie auf, wand ihren Kopf hin und her und schlug langsam ihre rehbraunen Augen auf. „Semir? Was ... was machen sie denn hier?“, fragte sie und fühlte sich elend. Übelkeit stieg in ihr auf... Ihr Schädel brummte und sie merkte, dass ihre Fußsohlen schmerzten. „Wissen sie das nicht mehr?“, fragte Semir und half ihr aus dem Korb raus. „Doch... Ohhh, mein Kopf.“, kam es gequält von ihr und dann sah sie sich um.
    Ihr Blick fiel auf den jungen Mann, der am Boden lag und sich vor Schmerzen krümmte. Kim sah zu Semir. „Ist nicht so schlimm... ich hab mir die Wunde angesehen, nur eine Fleischwunde.“, meinte er knapp. Kim nickte und wollte auftreten, als sie merkte, dass ihre linke Fußinnenseite schmerzte. Sie strauchelte und Semir fing sie behände auf. „Danke.“, kam es knapp von ihr. Er ließ sie auf den Deckel vom Korb nieder. „Chefin... scheinbar waren dies die gleichen Typen, die Saviano auf der Autobahn und sie auf dem Rastplatz angegriffen haben.“, meinte Semir knapp, als er den Krankenwagen hörte und sich an den Jungen wandte, der gerade so um die 25 zu sein schien. „Na... hast du uns nichts zu sagen?“, fauchte Semir ihn an, doch der schien keine Stimme zu haben. „Gut... dann werden wir sie verhören... So einfach ist das.“, meinte er nur und ging dann wieder zu Kim, die von dem eintreffen Notarzt nun untersucht wurde. „Chefin, wollten diese Typen immer noch wissen, wo sich das Versteck von Saviano befindet?“, fragte er und Kim nickte nur. „Es wäre besser, wenn wir ein neues Versteck finden würden.“, meinte sie gequält, als der Arzt begann die Brandwunden mit einer Jodtinktur zu säubern. Semir nickte. „Ich denke, ich weiß schon, wo ich die beiden Italiener unterbringe... Keine Sorge Chefin... es wird ihnen nichts passieren und sie sollten dann vielleicht auch die drei Tage aus der Schusslinie.“, schlug er vor, doch Kim schüttelte mit dem Kopf. „Nein Semir, ich lasse mich nicht von solchen Gangstern in Boxhorn jagen. Da habe ich schon ganz andere Sachen, als das hier, durchgestanden.“, kam es energisch von Kim zurück. Semir verstand dies nur zu gut.


    Ben schlief tief und fest in seinem Bett. Er merkte nicht, wie sich Gina erhob und leise davonschlich. Unten bestieg sie ein Taxi und ließ sich schnell zu Guido fahren. „Ah Gina...“, begrüßte der Mafioso sie und küsste ihr die Hand. „Ich hoffe, du kommst mit erfolgreicheren Nachrichten, als diese beiden Vollidioten da.“, er wies mit seinem Kopf auf die in der Ecke sitzenden Männer, Sergio und Vincenzo. „Allerdings...“, sie lächelte und nahm einen Zettel aus ihrer Tasche. Schnell wechselte das Stück Papier den Besitzer. „Was ist das?“, fragte Guido und öffnete das gefaltete Stück Papier. „Die Adresse der Schutzwohnung... ich schlage vor, dass ihr sie nur beobachtet und mir dann sagt, wann dieser Saviano zu seinen Terminen fährt. Dann werde ich ihn erledigen.“, schlug Gina vor. „Warum können wir ihn nicht gleich erledigen, hä? Dann haben wir weniger Arbeit.“, schlug Sergio vor. Doch Guido schrie ihn nur an. „Halt die Klappe. Ein Kerl, der es nicht einmal fertig bringt, mit vier Mann eine ausgewachsene Frau zu entführen, sollte mir besser keine Ratschläge erteilen.“, fauchte er und nahm Ginas Vorschlag an. „Gut... dann postiert noch heute einen Wagen vor der Adresse und gebt mir immer per SMS bescheid. Ich muss... das Taxi wartet nicht ewig.“, meinte sie und fuhr dann zu Ben zurück, der, als sie reinkam, immer noch schlafend im Bett lag und monoton atmete. Sie lächelte kurz, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und legte sich dann ebenfalls wieder schlafen.


    ...

  • Semir fuhr gleich zurück zur Schutzwohnung. Es war bereits sehr spät... halb drei Uhr morgens. Doch das war ihm egal. Er musste so schnell wie möglich die Wohnung wechseln und er wusste schon, wo er die beiden unterbringen würde. Bei sich zu Hause. Die Gegend war sicher und fremde Fahrzeuge konnte man schnell von weitem erkennen. Da wusste jeder, wem welches Auto gehörte. Semir wusste, da würden sie vor den Zugriffen der Mafia halbwegs sicher sein. „Dieter, los wach auf.“, stieß Semir seinen Kollegen an, als dieser mit gezogener Waffe am Küchentisch eingenickt war. Er schrak hoch und legte auf Semir an. Der Deutschtürke wisch schlagartig zurück. „Semir... Mensch Junge, musst du mich so erschrecken?“, kam es vorwurfsvoll von Dieter. „Tut mir Leid, aber wir müssen umziehen.“, erklärte Semir knapp. „Umziehen, aber wohin?“, wollte der Polizist wissen. „Zu mir... die Chefin ist in ihrer Wohnung von einigen bösen Buben überfallen worden und aus Sicherheitsgründen werden wir unsere Gäste jetzt umquartieren. Geh sie wecken, ich rufe Ben an. Er soll sofort herkommen.“, befahl Semir und wählte die Nummer seines Partner mit schnellen Griffen.


    „Semir... du bist tot, wenn du nicht einen guten Grund hast, mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf zu reißen.“, fauchte Ben verschlafen am anderen Ende. „Ben... ich brauche deine Hilfe.“, meinte Semir. „Hat das nicht bis morgen Zeit?“, kam es gähnend aus dem Hörer. „Nein, es hat nicht bis morgen Zeit. Die Chefin wurde angegriffen und ich muss jetzt die beiden Italiener zu mir nach Hause bringen.“, erklärte Semir knapp. Eine Minute des Schweigens. „Ben... hey, nicht wieder einschlafen. HALLO.“, rief Semir durch den Hörer ans andere Ende. „Ja... ich bin ja schon wach.“, murrte Ben. „Geht es der Chefin gut?“, wollte er wissen. „Lass mal, dich braucht sie jedenfalls nicht als Krankenpfleger.“, stichelte Semir. „Sehr witzig Herr Gerkhan... sehr witzig. Ich mach mich gleich auf dem Weg und komm zur Wohnung.“, meinte Ben und legte dann auf. Semir hörte schon, als er das Handy wieder wegsteckte, das italienische Gezeter „Was soll das? Warum holen sie uns mitten in der Nacht aus dem Bett und wollen uns in eine andere Wohnung bringen?“, fauchte Roberto und Luca sah ihn erstaunt an. Er hatte noch nie gehört, dass der Autor so gut deutsch sprach. Doch Semir wollte es nicht erklären und sah es auch gar nicht ein, sich mit seinem Schützling lange zu streiten. „Machen sie sich fertig, bitte.“, meinte Semir nur und drehte sich dann um. Doch so leicht gab sich Roberto damit nicht zufrieden. „Ich will jetzt von ihnen wissen, warum wir die Wohnung wechseln müssen.“, fauchte er und packte Semir an der Schulter. Dieser wischte nur wütend die Hand weg und sah Roberto mit seinen großen, braunen Augen, die nun zu kleinen, wütenden Schlitzen geformt waren, an. „Jetzt hören sie mal zu... ich muss sie den ganzen Tag bewachen, den Leibwächter für sie spielen... Wildgewordene Mafiosos haben gerade versucht, aus meiner Chefin die Adresse hier rauszuprügeln. Seid sie da sind, haben wir nichts als Ärger und ich wette, es kommt noch schlimmer. Also halten sie ihren Mund und gehen sie ihre Sachen packen.“, schrie Semir den Italiener an und schien ihn gleich beißen zu wollen. Ohne ein weiteres Wort gingen Roberto und Luca ins Nebenzimmer. „Man Semir, den hast du es aber gegeben.“, meinte Dieter erstaunt und Semir drehte sich etwas erschrocken um. „Ich hoffe, ich war nicht zu laut.“, lächelte er. „Die Nachbarn werden es verschmerzen.“, grinste Dieter und ging an die Tür, als es klingelte. „Das wird Ben sein.“, meinte er und sah durch den Spion. Es war Ben.


    „Semir, ich bin es... mach auf.“, rief Ben verschlafen durch die Tür und lehnte mit verschlafenem Blick am Türrahmen. Im gleichen Moment ging die Tür auf und Semir, Dieter und die beiden Italiener kamen mit zwei Taschen in den Händen aus der Wohnung. „Ben... du fährst mit Luca eine andere Route zu meinem Haus. Wir treffen uns davor in genau dreißig Minuten.“, bestimmte Semir und sah Ben nur noch an. Dieser nickte und schnappte sich das Gepäckstück des Italieners. „Hoffentlich geht jetzt nichts schief.“, dachte Dieter laut und Semir nickte nur zustimmend.


    ...

  • Sergio und Vincenzo hatten schon vor der Wohnung Posten bezogen und sahen, wie zwei Wagen aus der Tiefgarage fuhren. „Und was jetzt?“, fragte Vincenzo erschrocken und sah ratlos zu Sergio. „Wir folgen dem BMW. Eine Stimme sagt mir, dass wir damit richtig liegen.“, meinte er und startete den Wagen, die Lichter ließ er aber gelöscht, um nicht aufzufallen. Semir fuhr links entlang, Ben nahm die andere Richtung. Keiner der beiden bemerkte den schwarzen Wagen, der in einer Seitengasse parkte und nachdem Semir an ihm vorbei war, sich an den BMW heftete, wie eine Fliege ans Butterbrot. „Hm, wo der wohl mit Saviano hin will?“, fragte Vincenzo, als sie in eine ziemlich ruhige Wohngegend, etwas außerhalb der Innenstadt einbogen. „Keine Ahnung, auf jeden Fall sollten wir erstmal weiterfahren, um nicht allzu sehr aufzufallen.“, schlug Sergio vor, als der BMW eine Auffahrt hinauffuhr und vor einem Haus parkte.
    „So Endstation... Aussteigen.“, meinte Semir auf die Rückbank und schaltete den Motor ab. Roberto stieg aus und begutachtete die dunkle Umgebung, kniff seine Augen zusammen. „Wo sind wir?“, wollte er wissen und sah Semir abwartend an. „Bei mir zu Hause. Ich dachte mir, dass sie hier sicher nicht vermutet werden.“, erklärte der Polizist und schloss die Haustür auf. Mit einem Griff war die Post aus dem Briefkasten genommnen und danach führte er seine unfreiwilligen Gäste in das Gästezimmer. Ben traf nur wenige Minuten später ein. „Puh...“, stieß er aus. „Die haben da am Ende der Straße eine Baustelle... Man, da brauchst du ein bisschen länger und wenn du nicht aufpasst, kannst du leicht in die Grube abrutschen.“, meinte Ben und zeigte Luca, wo das Gästezimmer war. Darin war ja Platz für zwei und da Luca seinen Schützling nie alleine lassen würde, war es nur mehr als sinnvoll, dass sie auch zusammen in einem Zimmer sein sollten. „Okay, ich fahr dann mal wieder.“, verabschiedete sich Ben. „Moment... ich dachte eigentlich, dass wir jetzt auf die beiden gemeinsam aufpassen würden.“, kam es leicht empört von Semir und dieser stellte sich seinem jungen Partner in den Weg. Ben lachte verächtlich auf. „Semir... bei mir zuhause wartet eine Schönheit im Bett und ich werde sie garantiert nicht frieren lassen. Du hast doch Dieter hier und den Italienern wird bis morgen ja wohl nichts passieren.“, meinte Ben. Semir musste zugeben, dass er Recht hatte, doch er ahnte ja noch nicht, dass die Gefahr näher war, als sie sich gewünscht hatten und sie beobachtete.


    „Okay und was nun?“, fragte Vincenzo seinen Kompagnon Sergio, der neben ihn im Wagen saß. „Erstmal zurück zum Don... Wir haben die Adresse und mehr sollten wir im Moment nicht unternehmen.“, erwiderte Sergio und startete den Wagen. Er fuhr die Straße entlang und ließ das Haus nicht aus den Augen. Er wusste, dass er es nochmals wiedersehen würde. Nur eine dreiviertel Stunde später waren sie bei Don Guido im Wohnzimmer und erstatteten Bericht. „Also haben sie bei einem Bullen Zuflucht gesucht...“, lachte er und spielte mit seinem dolchartigen Brieföffner auf der Schreibtischunterlage herum. „Wie wollen wir jetzt vorgehen? Ich meine, wir könnten einfach das Haus stürmen... da ein wenig rumballern und schon wäre unser Problem aus der Welt.“, meinte Sergio, kassierte für diesen Vorschlag aber eine saftige Ohrfeige vom Don. „Dann legen wir uns mit der ganzen deutschen Polizei an und das ist das letzte, was wir für unsere Geschäfte wollen, oder?“, fragte er und tätschelte die eben geschlagene Wange. Sergio sah seinen Don mit erschrockenen Augen an. „Wir warten auf Gina... Wir werden dann mit ihr die Einzelheiten besprechen.“, meinte er und ging aus dem Zimmer.


    ...

  • Um Punkt zehn Uhr klingelte es und Gina kam ins Haus. „Gina... ich freu mich, dich zu sehen.“, begrüßte Guido die junge Italienerin und gab ihr einen Kuss auf die Hand. „Ich hab schon gehört, dass deine Männer das neue Versteck des Verräters gefunden haben.“, meinte sie mit keckem Blick. Er nickte nur. „Allerdings. Und ich hoffe, du weißt schon, wie wir vorgehen wollen.“, wollte er wissen. Sie grinste nur und legte einen kurzen Plan auf den Tisch. „Was ist das?“, fragte er und sah sich das Stück Papier an. „Das ist der genaue Zeitplan des Besuchs unseres Mannes.“, erwiderte sie. „Aber... woher hast du das?“, wollte Guido wissen. Sie lachte auf. „Weißt du, einen Polizisten zum Freund zu haben, ist manchmal sehr praktisch.“, grinste sie hämisch. „Ich hab mich mit seinen Zugangsdaten in das Verzeichnis der Polizei eingeloggt und da die Termine gefunden. Du glaubst gar nicht, wie ordentlich die bei der deutschen Polizei sind? Da sollten sich unsere mal eine Scheibe von abschneiden.“, meinte sie und beugte sich dann über den Plan. „Gut... wie du siehst, ist die Buchvorstellung und das Fernsehinterview an einem Tag... heute um halb fünf.“, meinte sie und sah auf die Uhr. „Das lässt nicht viel Zeit für Vorbereitungen.“, gab sie nachdenklich von sich. „Du willst es heute schon tun?“, fragte Guido. „Es muss sein... Je schneller das erledigt ist, desto eher kann ich Ben vernaschen.“, lachte sie und Guido sah Gina erschrocken an. „Du willst bei ihm bleiben?“ fragte er und sie nickte. „Warum nicht? Er ist ein ganz süßes Kerlchen und seine Ausdauer ist einfach fabelhaft.“, lachte sie und spielte mit einer Locke, wickelte sie sich um ihren Finger. „Aber sie werden nach dem Attentat nach dir suchen, oder wie willst du vorgehen?“, fragte Guido und legte seinen Brieföffner beiseite. „Ich werde das Gewehr nehmen und ihn beim Rausgehen aus dem Sender erschießen. Danach werde ich mich um meinen lieben Freund kümmern und mit ihm noch einige wohlverdiente Stunden verbringen, ehe er das tragische Opfer einer verschmähten Liebe wird.“, lachte sie und sah dann immer noch auf den Plan. „Gut, ich sollte zurückfahren, ehe ich vermisst werde.“, gab sie bekannt. Guido sah sie nur an. „Was wirst du danach machen?“, fragte er. „Zurück nach Italien. Von dem Geld werde ich mir auf Capri ein Haus kaufen und dort glücklich werden. Dies wird mein letzter Auftrag sein und danach ist Schluss. Ich werde heiraten und dann vielleicht malen.“, meinte sie und nahm ihren Schminkspiegel aus ihrer Handtasche und zog sich die Lippen nach. Ich werde um fünf Uhr herkommen und dir die Hülle bringen, mit der ich ihn erschossen habe.“, versprach sie und ging dann zum Taxi zurück.


    Ben kam ins Büro zurück, um einen Zwischenstatus zu geben und um sich den Einsatzplan der Veranstaltungen noch einmal auszudrucken. Es waren ja nur drei Tage und drei Termine, die sie zu bewerkstelligen hatten. Das dürfte ja wohl zu schaffen sein. Ben setzte sich an seinen Computer und gab, nach einer kurzen Überlegungsphase, sein Passwort ein. „Hm, seltsam.“, dachte er laut, als er die letzten Zugriffsdaten sah. „Susanne...“, rief er raus. Die Sekretärin kam rein und sah ihn fragend an. „War irgendjemand an meinem Computer, während ich bei Semir war?“, wollte er wissen. Susanne schüttelte erst den Kopf, doch dann. „Ja, deine Freundin war kurz hier, und hat dich gesucht. Muss schon sagen, eine wirklich nette...“, lächelte Susanne. Ben grinste ebenfalls, doch irgendwie war ihm die Sachen nicht ganz geheuer. „War sie hier an meinem Computer?“, fragte er und druckte schnell den Plan aus. „Keine Ahnung, ich hab hinten keine Augen... Vielleicht, aber wenn du deinen Computer auch ständig angeschaltet lässt.“, erwiderte sie lachend, doch Ben schien die ganze Sache zu beschäftigen. „Gut, ich muss dann auch wieder.“, meinte er schnell, schaltete den Computer aus und ging wieder zu seinem Wagen. Doch die Fahrt über hatte er keine Ruhe. Gina war in seinem Büro und was, wenn er den Computer wirklich angelassen hatte? Blödsinn, dachte er, was soll seine Freundin mit einem Polizeicomputer schon groß machen, ohne das Passwort zu kennen? Sie konnte doch nur sein Moorhuhnrekord knacken, weiter nichts... Bei diesem Gedanken musste er schmunzeln. Mit ruhigem Gewissen fuhr er zu Semir zurück.


    ...

  • Semir, Roberto und Luca saßen im Haus des Deutschtürken und warteten auf Bens Rückkehr. „Sie haben ein schönes Haus.“, meinte Roberto und stand dann auf, um die Fotos zu betrachten, die auf dem Regal standen. „Ist das ihre Familie?“, fragte er und Semir nickte lächelnd. „Wie alt ist ihre Bambina?“, wollte der italienische Autor wissen. „Sie ist eigentlich schon drei Jahre alt.“, dachte Semir laut und musste tatsächlich überlegen, wie alt seine einzige Tochter war. „Wollen sie weitere Kinder haben?“, fragte Roberto und strich über das Bildchen von Aida. „Ja, aber da hat meine Frau auch noch etwas mitzureden.“, lachte Semir und stellte das Bild wieder hin. „Ich habe meine Familie schon lange nicht mehr gesehen.“, meinte Roberto und strich sich über die höher werdende Stirn. „Wie lange haben sie ihre Familie nicht mehr gesehen?“, wollte Semir wissen und begann sich langsam dem Italiener zu nähern. „Fast drei Jahre... seitdem ich dieses erste Buch geschrieben habe... seitdem mich die Camorra mit dem Tod bedroht. Ich wollte es schreiben und jetzt... jetzt habe ich die Rechnung dafür. Auf ewig wahrscheinlich von meiner Familie getrennt zu sein, das macht mich fertig, das bringt mich um, Signore Gerkhan. Wenn es nicht die Kugel eines Mafiosi tut, dann die Tatsache, dass ich meine beiden Söhne nie habe aufwachsen sehen.“, erzählte er mit tieftrauriger Stimme und ballte seine Faust. Semir konnte dies verstehen. Er war nur sehr ungern lange von seiner Familie weg, doch so manches Mal merkte er gar nicht, wie er die Arbeit seinen beiden Frauen doch vorzog. „Signore Saviano... gibt es denn für sie keine Möglichkeit, mit ihrer Familie in Kontakt zu bleiben?”, fragte Semir. Roberto drehte sich um. „Nun, ich habe immer meinen Laptop und meine Webcam dabei, aber was ist das für ein Leben? Meine Söhne soll ich nur noch durch die Webcam sehen dürfen? Nein, ich werde irgendwann dieses Leben aufgeben. Irgendwann werde ich meine Familie wiedersehen dürfen ohne Leibwächter und ohne Angst haben zu müssen, dass unter dem Stuhl eine Bombe befestigt ist.“, stieß Roberto aus und ließ sich auf den kleinen Hocker nieder.
    Ben kam herein und sah, dass die beiden Männer etwas bedrückt auf ihren Plätzen saßen. „Ist alles in Ordnung bei euch?“, wollte er wissen, doch Semir schenkte ihm nur einen vielsagenden Blick und der junge Hauptkommissar verstand sofort. „Gut, wir müssen dann so langsam aber los.“, gab Ben bekannt und händigte Semir den Plan aus. „Stimmt... die Leute im Sender erwarten uns.“, meinte er und sah Roberto an. „Kopf hoch, wenn das hier vorbei ist, bin ich sicher, dass sie ihre Familie schon bald wiedersehen werden.“, versicherte Semir, doch damit traf er einen wunden Punkt. „Ach ja Signore Gerkhan, meinen sie, sie schnipsen kurz mal mit den Fingern und die ganze italienische Mafia verschwindet von der Bildfläche?“, fauchte Roberto und riss sich aus Semirs Griff los und ging in das Gästezimmer, ließ die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen. Luca hatte das letzte Gespräch mit angehört und kam auf die beiden Kommissare zu. „Seien sie ihm nicht böse, aber er reagiert sehr empfindlich, wenn es um seine Familie geht.“, versicherte der italienische Polizist und versuchte dann Roberto aus dem Zimmer zu holen und für das Fernsehinterview fertig zu machen.


    Auch Gina wartete schon ungeduldig vor dem Fernsehstudio. In einem abgedunkelten Wagen mit getönten Scheiben saß sie und wartete wie eine Spinne in ihrem Netz auf ihr Opfer. Sie hatte von Sergio, der vor Semirs Haus Posten bezogen hatte, die Meldung bekommen, dass Roberto mit den beiden deutschen Polizisten und seinem Leibwächter abgefahren sind. Don Guido hatte in letzter Minute verlangt, dass Roberto noch vor seinem Interview aus dem Weg geräumt werden müsse. Keinem in Deutschland sollte mehr als eh etwas über die Mafia und ihre Machenschaften erfahren. Roberto hatte Insiderwissen in seinem Buch veröffentlicht. Berichte von Überläufern, von Überlebenden, die mutig genug waren, gegen die Camorra auszusagen und von ermittelnden Polizisten. All das wollte dieser Mann zu Geld machen, wollte seine italienischen Mitbürger verraten und alle der Camorra so in der Öffentlichkeit bloßstellen. Das durfte nicht passieren und deshalb war Gina hier. Von den Obersten der Camorra aus Italien nach Deutschland geschickt, um Roberto zu töten und alles, was er über die Mafia in Italien gesammelt hatte, an sich zu bringen oder zu vernichten.


    ...

  • Abwartend und mit der Hand auf dem Koffer neben ihr ruhend, saß Gina im Wagen und wartete. Da... da kam der silbergraue Mercedes ihres Freundes aufs Gelände gefahren. Sie öffnete den Koffer und holte die Pistole raus, die sie immer bei solchen Aufträgen benutzte. Das Auto war ohne Nummerschild und sie selbst hatte sich mit einer Perücke und graublauen Farbkontaktlinsen unkenntlich gemacht. Schnell wurde der Schalldämpfer auf die Waffe geschraubt, das Magazin überprüft, alle Kugel da, und dann ließ sie das Fenster runter, und dann lehnte sie sich etwas zur Seite und zielte genau. Ihr Opfer war in ihrem Schussfeld. Nun musste sie nur noch abdrücken. Sie krümmte den Finger und im nächsten Moment... der Schuss und Schreie. Schnell fuhr sie die Scheibe wieder hoch, legte ruhig die Waffe in den Koffer zurück und startete den Motor, verließ so das Gelände des Senders.


    Semir beugte sich über den tödlich verwundeten Körper von Luca und sah zu Roberto auf, der sich das Toupet, er hatte mit Luca die Rollen getauscht, vom Kopf zog und die Hand seines langjährigen Leibwächters ergriff. Dieser sah ihn mit einem starren Blick an. „Ich ... hatte... es... war ...“, dann wich jegliches Leben aus ihm. Ben sah sich um und bemerkte den Wagen, der vom Gelände fuhr. „Scheiße Semir... los komm, den kriegen wir noch.“, stieß er aus und rannte zum Wagen. Semir sah zu Roberto, doch dieser sah ihn nicht an. „Es war eine gute Idee, mein Freund.“, hauchte er zu Luca und gab ihm einen freundschaftlichen Kuss auf beide Wangen, wie es in Italien üblich war. „Holen sie sich das Schwein. Ich werde das Interview geben.“, fauchte der italienische Enthüllungsreporter dann Semir an und ging auf die Türen des Senders zu, wo er von drei Security-Leuten in Empfang genommen wurde.
    Semir rannte Ben hinterher, der schon in seinem Wagen saß, den Motor und die Lichtanlage gestartet hatte. „Los... komm komm.“, forderte Ben und ließ den Motor aufheulen, nachdem Semir so halbwegs im Wagen saß und die Tür vom Ruck des Anfahrens von selbst zuflog. „Cobra 11 für Zentrale ... schickt bitte sofort einen Einsatzwagen und einen Leichenwagen zum Gelände des Fernsehsenders KölnTV. Wir haben einen Toten. Ben und ich verfolgen einen beigen Alfa Romeo Richtung Nippes. Erbitten dringendst Verstärkung.“, gab Semir durch und Ben steuerte hinter dem Alfa her, wich den Fahrzeugen aus, die sich durch das riskante Fahrverhalten des Flüchtigen entweder quer stellten oder vollkommen in die Eisen gingen. „Verdammt Semir... es ist Hauptberufszeit... Wir müssen ihn stoppen, ehe er noch mehr Leute auf dem Gewissen hat.“, stieß Ben aus und Semir verstand. Er ließ das Fenster runter, zückte seine Waffe und versuchte auf die Reifen des Alfas zu zielen. „Verdammt...“, stieß er plötzlich aus, als Ben scharf um eine Kurve fuhr und der Deutschtürke dabei fast seine Waffe verlor. „Wie fährst du denn?“ „Schieß du lieber.“, schrie Ben zurück und trat das Gaspedal noch mehr durch. Doch der Fahrer des Alfas schien sich nicht einholen zu lassen. Immer wieder überquerte er rote Ampeln, wich einer Trambahn aus und schnitt einen LKW, wobei Ben abrupt bremsen musste, um nicht unter den Hänger zu rutschen. „Scheiße...“, stieß er aus und schlug auf die Hupe. Schnell fuhr er jedoch wieder an und hatte seinen Abstand zum Alfa wieder aufgeholt. Es schien fast so, als würde dieser gar nicht merken, dass Ben hinter ihm war.


    „Das war's Freundchen.“, fauchte Ben, setzte zum Überholen an und zog links am Alfa vorbei, stellte sich dann kurz vor ihm quer über die Fahrbahn. „Aussteigen und die Hände über den Kopf.“, schrie Semir, der als erstes aus dem Wagen gesprungen war. Auch Ben kam langsam mit der Waffe auf die Fahrerseite des Wagens zu und blickte mit überraschtem Gesicht in den Alfa hinein. „Semir; ich glaube, wir haben den Falschen.“, gab er bekannt. „Was meinst du?“, fragte der Deutschtürke und sah dann selbst in den Wagen. Am Steuer saß ein völlig verängstigter Rentner von mindestens 70 Jahren, der zittrig seine Hände über den Kopf hielt. „Verdammt, er ist uns entwischt.“, stieß Semir aus und schlug auf das Wagendach, ging dann zum Mercedes zurück. „Wo wir schon mal dabei sind...“, meinte Ben und steckte die Waffe weg. „Führerschein und Fahrzeugpapiere.“, forderte er mit einem freundlichen und zugleich entschuldigen Grinsen auf den Lippen. Zögerlich nur nahm der alte Mann die Hände wieder runter und reichte dem jungen Hauptkommissar das verlangte Dokument. Ben warf einen verhohlenen Blick hinein und reichte es ihm dann zurück. „Gute Fahrt und nichts für ungut.“, meinte Ben dann nur und ging wieder zu Semir, der mit erbostem Blick am Auto stand. „Ich versteh das nicht... wie konnte der Attentäter wissen, wo der Termin stattfindet? Ich meine, wie konnte das passieren?“, fragte Semir und schlug dabei immer wieder auf das Dach des Wagens. Ben sah bedrückt zu seinem Partner und nickte nur. „Vielleicht haben wir einen Maulwurf bei uns.“, meinte Ben. „Blödsinn.“, fauchte Semir und sah seinen Partner mit ernster Miene an. „Von den Terminen wissen doch nur wir beide und die Chefin. Und ich glaube kaum, dass Frau Krüger etwas gesagt hat.“, zischte Semir. Bei diesen Worten fiel Ben wieder die Sache mit dem Computer ein. Kann das wirklich sein, dass seine Freundin etwas damit zu tun hatte? Gina? Nein, Blödsinn. Ben musste sich irren. „Wer weiß, vielleicht haben die per Internet auf unser System zugegriffen.“, gab er zu Bedenken. Semir nickte, auch wenn ihm nicht wohl bei der ganzen Sache war. „Hartmut soll unsere Systeme mal checken. Fahren wir zum Sender zurück.“, meinte der Deutschtürke dann.


    ...

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