Schatten der Vergangenheit

  • Alex`s Sicht


    …ich bin so Stolz auf Dich, wie du Sander in die Knie gezwungen hast und egal was noch auf uns beide zukommt, weiß ich eines genau…dass ich Dir vertrauen kann und wir es gemeinsam schaffen.“.
    Zärtlich küsse ich Ihre Stirn.
    Ich kann nicht sagen, wie lange ich bereits an Ihrem Bett sitze und mit Ihr spreche, als sich die Türe öffnet und Schwester Susanne das Zimmer betritt.
    „Herr Brandt, Sie können sich gerne eine kurze Pause gönnen, da in wenigen Minuten die Ärzte zu weiteren Untersuchungen eintreffen. Gehen Sie doch derzeit frische Luft schnappen oder holen sich einen Kaffee“.
    Es ist wie immer, wenn sie das Zimmer betritt, sie schenkt mir jedes mal ein aufmunterndes Lächeln, dass mir trotz meiner ganzen Angst auch immer wieder etwas Hoffnung gibt.
    Gestern Abend bat mich Schwester Susanne gegen 20 Uhr, auch mir Ruhe zu gönnen und hat mich freundlich aber bestimmt quasi aus dem Zimmer geworfen um Caro die nötige Ruhe zu geben, damit sich Ihr Körper erholen kann.
    Die ganze Nacht lag ich wach auf Semir`s Sofa, immer die Angst in mir, dass ein Anruf erfolgt und mir mitgeteilt wird, dass sich Ihr Zustand verschlechtert hat, jedoch ist alles ruhig geblieben.
    Die Tatsache, dass die Chefin einen Polizeibeamten abbestellt hat, um vor Ihrem Zimmer Stellung zu beziehen, hat mich etwas beruhigt. Aber da wir immer noch keine Spur haben, wer hinter den Anschlägen steckt, muss sie Rund um die Uhr bewacht werden.
    Heute Morgen war dann Tammy die erste, die zu Ihr gefahren ist, da Sie mir gestern den Vortritt gelassen hat und ich dann gegen 12 Uhr mittags kam, um Tammy abzulösen. Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass es schon 18 Uhr ist als ich mich auf den Weg in die Cafeteria im Erdgeschoss mache um mir einen Kaffee zu holen.


    Zurück auf der Intensivstation kommt mir Dr. Kollmann entgegen, mein Herz augenblicklich anfängt zu rasen und sich wieder dieses beklemmende Gefühl in mir breit macht, als er mir die Hand reicht und das Wort ergreift.
    „Herr Brandt, guten Tag. Die Untersuchung von Frau Berger lässt uns positiv stimmen. Wenn die Werte sich über Nacht stabil halten, werden wir morgen früh die Medikamente absetzen und die Sedierung ausschleichen lassen.“.
    Natürlich ist es eine Erleichterung zu hören, dass sie eventuell schon morgen wieder wach wird, aber ich habe auch Angst, denn keiner der Ärzte kann sagen, ob das Schädel-Hirn-Trauma bleibende Schäden verursacht hat.
    „Wird Sie dann morgen auch aufwachen?“ und sehe Dr. Kollmann in die Augen ohne zu wissen, was ich daraus lesen will.
    „Wir gehen davon aus. Es ist ein Prozess der sich je nach Patient in die Länge ziehen kann, aber lassen sie uns positiv denken. Wir werden sie so gut es uns möglich ist in der Aufwachphase unterstützen, aber es entscheidet rein Ihr Körper, wann er bereit dazu ist. Ich würde vorschlagen, sie gehen jetzt am besten nach Hause und kommen morgen Vormittag wieder.“ und sieht wohl an meinem Blick, dass ich nicht gehen will und fortfährt. „Frau Berger braucht die Ruhe zur Regeneration, ich gebe Ihnen gerne noch fünfzehn Minuten, aber keine Minute länger!“ und deutet mir an, dass ich verschwinden soll, was ich nach einem „Danke“ auch mache, mir im Vorzimmer wieder die Hände desinfiziere, rein gehe und auf die Bettkante setze.
    Wie immer nehme ich Ihre Hand, die noch immer am Bett fixiert ist, in meine, und streiche mit meinem Daumen über Ihre Fingerknöchel auf und ab.
    Wenn ich Ihr Gesicht sehe, zerreißt es mir das Herz, sie ist total blass und auch Ihre Atmung wird nach wie vor unterstützt. Nichts ist derzeit von Ihr übrig als Ihr Körper und selbst dieser scheint rein äußerlich in meinen Augen immer weniger zu werden. Am schlimmsten ist die Hilflosigkeit, der ich ausgesetzt bin, einzig und allein der Gedanke, dass sie eine Kämpferin ist hält mich irgendwie am Laufen, ohne selber die Beherrschung zu verlieren. Die Stunden in denen ich an Ihrer Seite bin zeigen mir immer mehr, wie sehr ich sie liebe und an meiner Seite brauche. Aber die Stunden, die ich an Ihrem Bett sitze, geben mir nicht die erhoffe Ruhe, alleine die Atmosphäre in dem Zimmer ist erdrücken. Lediglich leichte Atemgeräusche sind zu hören. Ansonsten ist es totenstill.
    Sämtliche Monitore sind auf lautlos gestellt. Schwester Susanne erklärte, dass dies üblich sei, um die Geräuschkulisse niedrig zu halten. Wenn in jedem Zimmer sämtliche Monitore auf laut gestellt wären, so hätte sie wohl schon einen Gehörschaden. Da alle Monitore außerhalb der Zimmer überwacht werden, scheint mir diese Lösung auch am gesündesten für das Personal hier.
    „Ich muss jetzt leider wieder gehen Schatz. Dr. Kollmann will, dass du Ruhe hast und Kraft tanken kannst. Er hat zwar gesagt, dass ich erst morgen Vormittag wieder kommen soll, aber ich komme schon morgen Früh wieder. Bis dahin versprichst du mir, keinen Blödsinn zu machen, verstanden? Ich liebe Dich.“. Zärtlich hauche ich Ihr einen Kuss auf die Stirn und verlasse schweren Herzens mit einem letzten Blick auf sie das Zimmer.


    Am Parkplatz steige ich in mein Auto und beschließe, zur Dienstelle zu fahren. Frau Krüger hat mich zwar zwangsbeurlaubt, aber ich möchte auf den neusten Stand gebracht werden. Wenn ich dieses Arschloch unter die Fingern bekomme, der Ihr das angetan hat, kann ich für nichts mehr garantieren. Irgendwann macht er einen Fehler und dann wird er dafür büßen.


    Vor der PAST stelle ich mein Auto neben Semir`s BMW ab und gehe ins Großraumbüro, wo sofort alle Blicke auf mich gerichtet sind.
    „Wie geht es Ihr?“ fragt Susanne besorgt.
    „Unverändert, aber Ihre Werte sind bisher stabil. Wenn Sie die Nacht gut übersteht, werden Sie Sie eventuell morgen Früh aufwachen lassen!“ und sehe etwas Erleichterung in Susannes Gesicht.
    „Das sind gute Neuigkeiten!“ kommt es von Susanne, als die Stimme von Semir erklingt, der aus der geöffneten Bürotür kommt.
    „Das würde ich auch sagen Partner! Sie ist eine Kämpferin! Sie packt das. So schnell kannst du nicht mal bis drei zählen und dann tanzt sie dir wieder auf der Nase rum“ und klopft mir aufmunternd auf die Schultern, als die Chefin ebenfalls aus der geöffneten Bürotür tritt und mir aufmunternd zulächelt.
    Ja das ist sie, eine Kämpferin, auch wenn ich nach wie vor Angst habe vor dem Moment, wenn sie erwacht und ich wohl erst Erleichterung verspüren kann, wenn ich mit eigenen Augen sehe, dass sie keine bleibende Schäden hat. Aber selbst wenn, ich werde an Ihrer Seite bleiben, egal was kommt, wird es nichts an meinen Gefühlen für sie verändern.
    „Was habt Ihr bisher rausgefunden?“ frage ich in die Runde und erkenne sofort, dass es wohl keine guten Neuigkeiten gibt. Die Chefin weicht meinen Blick direkt aus und sucht nach den richtigen Worten, die stockend kommen.
    „Also, die Anwohnerbefragung hat leider… nichts ergeben.“
    „Ja und die Videoüberwachung vor dem Gericht?“ frage ich wieder in die Runde und sehe Semir an, der sich mit den Händen übers Gesicht fährt und ebenfalls Worte sucht.
    „Alex…die Bänder… sind spurlos verschwunden!“ erklärt Semir mit vorsichtiger leiser Stimme.
    „Was heißt die sind verschwunden? Wie bitte können die einfach… VERSCHWINDEN?“.
    Ich fasse es nicht. Meine ganze Hoffnung, dass wir dieses Schwein schnellstmöglich kriegen, lag auf diesen Überwachungsbändern. Was ist das hier für eine Scheiße?
    „Wir wissen es nicht genau, fakt ist, dass die Bänder bereits vor der Explosion entfernt wurden und zwar alle Bänder die Bilder im und außerhalb des Gerichtsgebäudes aufgezeichnet haben. Die Spurensicherung fand keinerlei Hinweise, die uns weiterhelfen könnten, es waren auch keine Einbruchspuren an dem Raum, wo sich die Bänder befanden!“ erklärt Semir verzweifelt weiter und ringe hier stark nach Fassung.
    „Sag dass das nicht wahr ist Semir!“ fordere ich Ihn auf und fahre mir mit den Händen durch die Haare.
    Wie kann einer unbemerkt Sprengstoff am helllichten Tag an zwei Autos anbringen, dann in ein Gerichtsgebäude spazieren und sämtliche Videobänder entfernen ohne das es auch nur einen einzigen Menschen gibt, der es bemerkt?
    „Kann es sein, dass derjenige Hilfe aus unseren eigenen Reihen hatte? Ich meine… jemanden, der Ihm vielleicht geholfen hat, die Bänder verschwinden zu lassen?“ richte ich meine Worte an die Chefin, die augenblicklich zerknirscht zu Boden sieht.
    „Auszuschließen ist es nicht. Wir arbeiten bereits daran und prüfen die Personen, die zu dem Zeitpunkt am Gericht anwesend waren!“.
    Na wenigstens etwas, vielleicht bringt uns das weiter als mir der Gedanke von vorhin auf den Weg zur Dienststelle wieder einfällt.
    „Was ist eigentlich mit Sander? Habt Ihr den schon überprüft?“.
    „Ja, haben wir. Er hat allerdings ein lückenloses Alibi. Die Fernsehsender haben die Ankunft von Sander alle gefilmt, er kann somit den Sprengstoff nicht angebracht haben. Na ja und nach der Gerichtsverhandlung hatte er wohl ein längeres Gespräch mit der Staatsanwaltschaft, dass diese auch bestätigt hat. Somit bleibt kein Spielraum, wo er die Bänder hätte entfernen können!“ teilt mir die Chefin mit resignierter Stimme mit und ich vor Fassungslosigkeit nur den Kopf schütteln kann. „Chefin, wir müssen was unternehmen! Dieses Arschloch hätte es beinahe geschafft sie zu töten!“ und merke meine aufsteigende Wut.
    „Ich weiß Brandt, aber im Moment können wir nur hoffen, dass die Personenüberprüfung etwas ergibt oder sich vielleicht doch noch mögliche Zeugen melden, die uns weiterhelfen können!“ versucht mich die Krüger zu beruhigen und weiterspricht. „Machen Sie Schluss für heute Gerkhan und nehmen Brandt mit nach Hause. Susanne und ich werden die Personenüberprüfung vorantreiben“ und sieht dann zu mir „Versuchen Sie ein wenig zu schlafen, Sie sehen müde aus. Und bitte halten sie uns am laufenden über den Zustand von Frau Berger“.
    „Mach ich“, wobei ich mir sicher bin, auch diese Nacht keine Sekunde Schlaf zu bekommen vor Sorge um Caro.


    Als wir bei Semir zu Hause sind und zur Türe reingehen, kommt mir ein herrlicher Duft entgegen und stelle augenblicklich fest, dass ich den ganzen Tag noch nichts gegessen habe.
    „Hallo Ihr zwei. Und, wie geht es Ihr?“ und Andrea den Blick auf mich richtet.
    „Soweit sind Ihre Werte stabil, wenn alles gut läuft, werden Sie Sie morgen aufwachen lassen!“ und auch in Andreas Gesicht etwas Erleichterung sehe.
    „Setzt Euch doch schon mal an den Tisch, es gibt Lasagne!“ entgegnet Andrea und deutet auf den gedeckten Esstisch.


    Während dem Essen führen Ayla und Lilly das Tischgespräch und erzählen von der Schule, aber trotz allem liegen all meine Gedanken nur bei Caro. Nach dem Essen telefoniere ich noch mit Tammy und Andy und informiere sie über Caro`s Zustand.
    Kurz vor Mitternacht und drei Bier intus verabschiedet sich Semir ins Bett und auch ich es mir soweit es geht auf dem Sofa gemütlich mache um irgendwann in den frühen Morgenstunden in einen unruhigen Schlaf zu fallen.


    Es ist kurz vor halb neun, als ich die Türe zur Intensivstation öffne. Nach wie vor sitzt abwechselnd ein Polizeibeamter vor der Türe zu Caro`s Zimmer.
    „Guten Morgen Herr Brandt!“ und sehe Oberschwester Rosi neben mir, eine kleine stämmige Frau ende fünfzig, die den Gebrauch von Lockenwickler eindeutig beherrscht. Jedoch ist mit Ihr wohl nicht gut Kirschen essen. Gestern habe ich auf den Weg in die Cafeteria mitbekommen, wie Sie eine junge Schwester zusammengeschissen hat, da Sie zwei Minuten zu spät aus der Pause kam. Wenn ich jetzt meinen Charme nicht spielen lassen, hab ich verschissen. Ich bin eindeutig zu früh dran.
    „Guten Morgen Oberschwester Rosi. Sie sehen heute wieder einmal bezaubernd aus. Darf ich denn schon zu Frau Berger?“ und werfe Ihr einen hoffentlich umwerfenden Blick zu.
    „Herr Brandt Sie alter Charmeur“ entgegnet sie mit schüchternen Blick und streift sich Ihr weißes Oberteil glatt „Na dann will ich mal nicht so sein, ich muss eh zu Frau Berger, na kommen Sie schon!“ und deutet mir mit einem Blick an, dass ich Ihr folgen darf.
    „Wie geht es Ihr denn?“ frage ich, während ich mir die Hände desinfiziere.
    „Soweit sind die Werte stabil, genaueres wird Ihnen Herr Dr. Kollmann nach der Visite mitteilen!“ und Sie die Türe zu Ihrem Zimmer öffnet.
    Ich setze mich auf Ihre Bettkante und lege meine Hände um Ihr Gesicht.
    „Guten Morgen meine kleine, hübsche, freche Hexe“ und gebe Ihr einen Kuss auf die Stirn „Ich habe Dich vermisst“. Vorsichtig nehme ich Ihre fixierte Hand in meine, während Oberschwester Rosi die Monitore überprüft.
    „Wird man sie heute aufwachen lassen?“ stelle ich die alles entscheidende Frage an Oberschwester Rosi, die mir charmant zulächelt.
    „Die Medikamente wurden vorhin bereits abgesetzt. Jetzt hoffen wir, dass Sie schnell zu sich kommt“.
    „Heißt das, Sie kann jeden Moment wach werden?“ und sehe fragend zu Ihr.
    „Ich denke es wird noch ein wenig dauern. Bleiben Sie bei Ihr. Schwester Susanne wird auch gleich kommen und die Aufwachphase beobachten!“ erklärt sie und mit einen letzten Blick auf Caro das Zimmer verlässt.


    Jegliches Zeitgefühl habe ich verloren und sitze stillschweigend auf dem Stuhl neben ihrem Bett und halte Ihre Hand.
    Schwester Susanne sitzt mir gegenüber und überwacht die Monitore. Dieses mal ist es keine bedrückende Stille, vielmehr bin ich einfach wahnsinnig erleichtert, dass Schwester Susanne mit im Raum ist. Alleine Ihr immer wiederkehrendes aufmunterndes Lächeln schenkt mir Hoffnung.
    „Was ist Frau Berger eigentlich passiert?“ fragt Schwester Susanne, als sie eine neue Infusionsflasche anschließt.
    „An Ihrem Auto war ein Sprengsatz. Beim öffnen ist er explodiert und Sie wurde durch die Luft geschleudert! Wie lange wird es noch dauern, bis Sie wach wird?“.
    „Das kann man nicht auf die Minute sagen Herr Brandt. Wir müssen Geduld haben!“ .
    Geduld ist ein Wort das ich nicht mehr hören kann und sehe wieder zu Caro, als im selben Moment Ihre Augenlider anfangen zu flattern. Oh mein Gott!
    „Caro?“ und beuge mich über sie, als sie in diesem Augenblick Ihre Augen öffnet, Ihr Blick ins Leere geht und die Augen wieder schließt, als plötzlich sämtliche Apparate und Monitore mit lauten Signaltönen Alarm schlagen…

  • Alex`s Sicht


    Panisch werfe ich einen Blick zu Schwester Susanne, die mir einen entschuldigenden Blick zuwirft.
    „Keine Sorge, ich habe nur die Sauerstoffzufuhr unterbrochen, damit ich Ihr die Atemmaske abnehmen kann. Etwas Sauerstoff durch den Schlauch in die Nase reicht in der jetzigen Phase aus, nachdem wir heute Morgen den Tubus entfernt haben. Die Handfixierung werde ich ebenfalls gleich entfernen.“. Die schrillen Signaltöne der Apparate verstummen und mein Herz schlägt in einem absolut nicht gesunden Rhythmus.
    Herr im Himmel, ich stehe noch immer kurz vor dem Herzinfarkt und atme tief ein und aus.
    „Warum hatte Sie nur so kurz die Augen auf?“ versuche ich das eben geschehene als Mann zu verarbeiten und sehe zu Schwester Susanne, die routiniert die Atemmaske abnimmt.
    „Das ist völlig normal. Sedierte Patienten wachen nicht binnen Sekunden auf und sind hell wach. Es ist ein Prozess der sich etwas hinziehen kann. Machen Sie sich keine Sorgen, es ist alles völlig normal und ein gutes Zeichen, dass Sie die Augen schon kurz geöffnet hatte.“.
    Na super, in den Fernsehfilmen sieht das aber immer anders aus, da öffnen diese Menschen die Augen und fangen sofort an zu sprechen. Da merkt man mal wieder, wie Fernsehen einen verblödet, wobei, wenn ich Oberschwester Rosi betrachte, hat sie eindeutig was von der Oberschwester einer Serie, die meine Pflegemutter damals als ich zehn Jahre war immer gesehen hat, `Die Schwarzwaldklinik`, ich glaube Sie hieß Oberschwester Hildegard.


    „Herr Brandt, ich hab Kaffee für Sie“. Die Stimme von Schwester Susanne lässt mich hochschrecken und habe wohl kurz eingeschlafen. Draußen ist es bereits dunkel und nehme Schwester Susanne mit einem „Dankeschön“ die Tasse ab.
    Gegen 21 Uhr war Caro nochmals für einen Moment wach und hatte die Augen geöffnet, aber auch hier ging Ihr Blick ins Leere, als eine mir nicht bekannte Schwester das Zimmer betritt.
    „Hallo Herr Brandt, ich bin Schwester Claudia und die Ablöse für Schwester Susanne.“ stellt sich die rundliche junge Frau, etwa Caro`s Alter, mit schwarzen langen Haaren vor und begrüße sie mit einem „Hallo“, um dann einen großen Schluck Kaffee zu nehmen.
    Gott sei Dank hatte Dr. Kollmann bei der Visite heute Abend ein Einsehen dafür, dass ich nicht vorhabe zu gehen, ich will an Ihrer Seite sein, wenn sie wach wird.
    Tammy war gegen 18 Uhr kurz da und hat sie besucht, musste jedoch gleich wieder los in einen Einsatz. Semir habe ich Abends auch informiert, dass ich die Nacht an Caro`s Seite bleibe. Immer wieder bin ich aufgestanden und habe Ihr einen Kuss auf die Stirn gegeben, mit der Illusion, dass sie die Augen öffnet und mit mir spricht. Leider war es nicht der Fall. Allerdings hat sich herausgestellt, dass sie darauf reagiert, da sich jedes mal, wenn ich Ihr einen Kuss gebe oder mit Ihr spreche, oder etwas ins Ohr flüstere, Ihr Herzschlag erhöht ist und Schwester Susanne immer wieder ein Schmunzeln im Gesicht hatte.


    Meine eigene Müdigkeit kann ich nicht mehr leugnen, immer wieder fallen mir die Augen zu und falle in einen Sekundenschlaf, aus dem ich dann wieder hochschrecke und ein verschmitztes Lachen von Schwester Claudia wahrnehme.
    Caro`s Hand liegt wie seit Stunden in meiner Hand, als sich Ihre Finger plötzlich bewegen und augenblicklich hell wach bin.
    „Hat Sie Ihre Fingern bewegt?“ fragt mich Schwester Claudia erfreut und tritt hinter mich.
    Mit einem nicken bestätige ich Ihre Frage, als Caro in diesem Moment die Augen öffnet und ich mich über sie beuge.
    „Hey“. Vorsichtig streiche ich mit meinem Handrücken über Ihre Wange und es das erste mal ist, dass Ihr Blick nicht ins Leere geht. Sie nimmt mich wahr und eine einzelne Träne über Ihre Wange läuft, als sie die Augen wieder schließt.
    „Hey, alles wird wieder gut! Ich liebe Dich“ und bin mir das erste mal sicher, dass sie meine Worte auch versteht, bevor ich Ihr einen Kuss auf die Lippen gebe und sie die Augen wieder öffnet und mich ansieht.
    „Frau Berger, haben Sie schmerzen?“ versucht es nun Schwester Claudia und beugt sich über Caro.
    Ohne den Blick von mir abzuwenden schüttelt Sie schwach mit dem Kopf.
    „Sehr gut! Ruhen Sie sich aus Frau Berger. Die Ruhe gibt Ihrem Körper wieder die nötige Kraft!“ und streicht Ihr sanft über die Schulter bevor sie sich den Monitoren zuwendet.
    Dieser Anblick zerreißt mich, Ihre Augen haben jeglichen Glanz verloren und sie sich vollkommen in meinen Augen verliert. Sie ist völlig am Ende und kraftlos.
    „Schlaf ein wenig, ich bin da, ok! Ich lasse Dich nicht alleine!“ nehme Ihre Hand in meine, die sie sofort leicht drückt und ich Ihr nochmal einen Kuss auf die Lippen gebe, bevor sie den Kampf gegen die Müdigkeit verloren hat und Ihre Augen schließt.
    Ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl, während eine unbändige Last von mir abfällt.
    Sie hat auf mich reagiert und sie hat die Frage von Schwester Claudia verstanden, aber warum hat sie nicht gesprochen?
    „Wenn Sie Fragen haben Herr Brandt dann Fragen Sie!“ kommt es lächelnd von Schwester Claudia und stelle fest, die sind hier echt alle auf Zack. Gedanken lesen ist wohl eine Grundvoraussetzung für diesen Job.
    „Warum hat Sie nicht mit mir gesprochen?“ spreche ich meine Frage laut aus und habe Angst vor der Antwort.
    „Es wird noch dauern, Frau Berger ist immer noch in der Aufwachphase. Die Phasen in denen Sie wach ist, werden jetzt sicher die nächsten Stunden immer länger. Für den Moment können wir mit Ihrem Zustand absolut mehr als zufrieden sein. Sie hat auf Sie reagiert und auch meine Frage verstanden und beantwortet mit einem Kopfschütteln. Geben Sie Ihr noch ein wenig Zeit!“ und lächelt mir aufmunternd zu.
    Was sollte ich auch anderes tun als Ihr Zeit geben? Mit bleibt gar nichts anderes übrig, auch wenn ich mir so sehr gewünscht hätte, dass sie mit mir spricht. Ich vermisse sie, Ihre Stimme, Ihr lachen, Ihre sarkastischen Worte, Ihre lieben Worte, ja, und ich vermisse auch Ihre wütende Stimme!


    „Guten Morgen Frau Berger, wie geht es Ihnen?“ reißt mich die Stimme von Schwester Claudia aus dem Schlaf.
    Himmel nochmal, ich habe tatsächlich eingeschlafen, dieses mal wohl richtig, mit Ihrer Hand in meiner und den Kopf auf Ihrem Bett abgelegt. Als ich meine Augen öffne ist es draußen bereits hell und sehe hoch genau in Caro`s Augen.
    „Na, gut geschlafen?“ frage ich etwas verschlafen in Ihre Richtung als sie tatsächlich leicht nickt.
    Die Frage ist eigentlich total dämlich, aber was soll ich auch groß sagen.
    „Frau Berger haben Sie schmerzen?“ und Schwester Claudia neben mich tritt und ein leises kratziges „Nein“ von Caro höre, das mir ein Lachen ins Gesicht zaubert.
    Sie spricht, auch wenn es sich nicht nach Ihr anhört.
    Kurze Zeit später sehe ich, dass Ihre Augen wieder schwer werden.
    „Schlaf ruhig. Ich bin hier!“ und gebe Ihr einen Kuss auf die Stirn, als Ihre Augen auch schon zufallen. Warum nur kann Sie nicht immer sofort das machen was ich Ihr sage?


    Eine leichte Bewegung lässt mich hochschrecken und stelle beschämt fest, dass ich schon wieder eingeschlafen habe, als Ihr Finger wieder über meinen Handrücken streicht.
    Als ich meine Auge öffne sehe ich in das gequälte Schmunzeln meiner Hexe.
    „Hey, wie geht’s Dir?“ frage ich.
    „Geht so“ höre ich Ihre leise Stimme und man merkt, wie sehr sie das sprechen anstrengt.
    „So Frau Berger, wir schicken Ihre bessere Hälfte mal ein wenig an die frische Luft, damit sie die Ärzte durchchecken können!“ und bemerke erst jetzt, dass Schwester Claudia gar nicht im Zimmer war sondern gerade zur Tür reinkommt und weiterspricht „Ich verabschiede mich auch gleich mal, da ich die nächsten drei Tage frei habe und mit etwas Glück, so hoffe ich, sehe ich Sie dann nicht mehr auf der Intensivstation“ und lächelt Ihr freundlich zu.
    „Danke für alles“ gebe ich erleichtert über die ganze Situation von mir, als eine Horde an Ärzten und Schwestern das Zimmer betritt.


    Zurück auf der Intensivstation sehe ich, dass die Ärzte und Schwestern gerade Ihr Zimmer verlassen und Dr. Kollmann zu mir tritt.
    „Guten Morgen Herr Brandt“.
    „Guten Morgen“ erwidere ich und reiche Ihm die Hand.
    „Wir sind sehr zufrieden über den Gesundheitszustand von Frau Berger. Bis zum jetzigen Zeitpunkt können wir davon ausgehen, dass Sie sich mit viel Zeit wieder vollständig erholen wird. Allerdings scheint Frau Berger nicht gerade die Geduld in Person zu sein“ und schmunzelt mich an.
    Oh Oh Oh, ich ahne böses und werfe Ihm einen vorsichtigen Blick zu, als er weiterspricht „Na ja, Sie wollte sich gerade selber entlassen“ und kann sich nun ein Lachen nicht mehr verkneifen „Aber keine Angst, Ihr derzeitiger körperliche Zustand lässt es nicht mal zu, dass Sie sich von alleine aufrecht auf`s Bett setzt. Ebenfalls ist es nach so einem Fall wie bei Frau Berger völlig normal, dass Sie sich an die Stunden vor der Explosion erst mal nicht erinnern wird.“.
    „Heißt das Sie kann sich an die Gerichtsverhandlung nicht mehr erinnern?“ frage ich verwirrt.
    „Derzeit nein. Aber in ein paar Tagen kommen diese Erinnerungen sicher zurück. Allerdings habe ich vielleicht einen interessanten Hinweis für Sie, der Ihren Kollegen bei den Ermittlungen vielleicht weiter helfen könnte. Das letzte an was sich Frau Berger erinnert ist ein Streit mit einem gewissen Winnetou Koslowski!“.
    Ach du lieber Himmel! Ich würde sagen, sie ist ganz meine kleine, hübsche, freche Hexe. Aber diesen Namen kann ich Dr. Kollmann unter keinen Umständen näher erklären und mache gute Miene zum Bösen Spiel.
    „Ich…ähm…werde diese Information weitergeben!“.


    Als ich mir meine Hände im Vorraum desinfiziert habe und Ihr Zimmer betrete, sehe ich eine junge Schwester, die gerade mehrere Apparate und Kabel von Caro`s Körper entfernt und ich zum ersten mal Ihren Oberkörper sehe, so dass ich tief Luft hole.
    Natürliche Hautfarbe ist wenig vorhanden, Ihr Oberkörper ist mit Blutergüssen übersäht und schimmert in allen Farbvariationen zwischen blau und lila.
    „Ach Herr Brandt, wir haben schon auf Sie gewartet, wir finden die Tasche von Frau Berger nicht um Sie von unserem Krankhausoutfit zu befreien.“ und wirft mir einen fragenden Blick zu.
    Oh, ich wusste doch die ganze Zeit das ich was vergessen habe und meine Hexe doch tatsächlich gerade müde die Augen verdreht. Ja das kann sie…dem Tode nah aber trotzdem Ärger machen.
    „Ich sag Tammy Bescheid, ok?“ und gehe wieder aus dem Zimmer um Tammy zu informieren.


    Zurück im Zimmer bekomme ich noch die letzten Wortfetzen mit zwischen Caro und der Schwester, wo es offensichtlich darum geht dass Caro den Katheter entfernt haben möchte.
    Die Schwester kann sich meines Erachtens nach glücklich schätzen. Caro in Hochform wünsche ich keinem. Nur Ihrem Gesundheitszustand ist es wohl zu verdanken, dass sie die Diskussion abbricht und ich Ihr noch einen mahnenden Blick zuwerfe, als sie schon wieder die Augen verdreht und ein pampiges leises „Is ja gut!“ höre.
    „Warst du die ganze Zeit hier?“ fragt sie mich müde, als ich mich auf den Stuhl vor Ihrem Bett setze.
    Ihre Stimme ist nach wie vor angeschlagen und jedes Wort fällt Ihr schwer.
    „Fast, aber Dr. Kollmann hat mich ein paar mal rausgeworfen, damit du Ruhe hast.“ und Sie darauf hin kurz nickt.
    „Alex ich will hier raus!“ kommt es flehend.
    „Keine Chance ! Du bleibst so lange bis Sie dich entlassen und nicht du dich selber, da gibt es auch keinen Verhandlungsspielraum!“ und gebe Ihr einen Kuss auf Ihre Lippen.
    Ihr Blick trifft meinen, als sie leise „ich liebe Dich“ von sich gibt und begreife, was einzig und alleine diese drei Worte doch für eine Bedeutung haben.
    „Ich Dich auch“ und gebe Ihr nochmal einen Kuss, als Ihr die Augen vor Müdigkeit auch schon zufallen.


    Kurze Zeit später schleiche ich mich aus dem Zimmer um mir was zu trinken zu holen. Als ich den Türgriff in der Hand halte und runterdrücke höre ich eine mir mehr als bekannte Stimme.
    „Stopp! Wo Sie wollen hin?“ höre ich die herrische Stimme von Oberschwester Rosi und ich eine Vorahnung habe, wer vor der Türe steht.
    „Ich wollte zu Frau…“. Semir, hab es doch gewusst und Ihn Oberschwester Rosi sofort unterbricht. „Ah…Ah…Ah…Ihre Frau hier nix liegen auf meine Station, du verstanden? Hier nix liegen türkische Frau. Ich wissen das, wenn türkische Frau hier liegen, du verstanden? Ich hier bin Chef….guckst du….Oberschwester...“ und nur noch eine abgehackte Schnappatmung von Semir wahrnehme…

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