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    1. Staffel 01 (Frühjahr 1996)
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Zwischenwelten

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    • Campino
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  • 25. Oktober 2015 um 22:41
  • Campino
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    • 29. Februar 2016 um 22:53
    • #61

    23:30 Uhr


    Das helle Licht blendete Jenny... sie wusste nicht, wo sie sich gerade befand. Alles um sie herum war dunkel, ihr Herz pochte so laut, dass sie es selbst hören und fühlen konnte, ohne die Hand auf die Brust zu legen. Die Dunkelheit um sie herum wurde nur von dem grellen, beißenden Lichterschein durchschnitten, der so unangenehm war, dass sie die Augen mit der Hand schützen musste. Es war kein natürliches Sonnenlicht, eher eine wahnsinnig helle Lampe oder ein Scheinwerfer, der jedoch nicht greifbar war und unbewegt blieb. Der Gang fiel ihr schwer, als sie versuchte zu ergründen, wo sie sich befand und es fühlte sich an, als wären zentnerschwere Betonsäcke an ihre Oberschenkel gebunden. Ausserdem dachte sie, sie trüge etwas vor sich, sie umfasste ihren Bauch, doch es fühlte sich normal an.
    Der Polizistin wurde schwindelig, sie ballte die Hände zusammen als sie mit der Außenfläche der Hände an die metalähnliche, glatte Wand stieß, und sich daran abstützte. Es wirkte wie ein großer metallischer Raum, in dem sie war, der sich in sich selbst bewegte und zu drehen begann, so dass sie wieder langsam von der Wand wegtaumelte, um im nächsten Moment wieder dagegen zu fallen. Dieser Vorgang schien immer schneller zu passieren, bis ihre schweren Beine schließlich kapitulierten, und sie auf die Knie fiel.


    Sie spürte, dass sie etwas in der Hand hielt und sah, als sie die Hand öffnete, das Pillendöschen. Ihr Atem beschleunigte... hatte sie die etwa genommen? War deshalb alles um sie herum so surreal und komisch? Oh Gott... sie konnte doch keine Drogen nehmen... sie war doch schwanger! Stöhnend drückte sie sich von der Wand weg und krabbelte ein Stück auf allen vieren, bis sie eine brennende Hitze in sich vernahm. Wie ein Blitz fuhr ihr diese Hitze vom Bauch in den Unterleib, und im Reflex fasste sich Jenny mit der Hand zwischen die Beine, als sie dort ein Feuchtigkeitsgefühl vernahm. In ihrem Bauch breitete sich dazu ein untrügerliches, in den letzten Tagen so oft bekanntes Übelkeitsgefühl aus, das von ihr Besitz ergriff, und sich steigerte, als sie auf ihre zitternde Hand blickte, die sie von ihrem Schritt wieder wegnahm... sie war blutdurchtränkt.
    Jenny konnte nicht glauben was sie sah und bekam Panik. Ihr Magen krampfte sich zusammen, sie fiel wieder auf alle viere und kroch ein paar Schritte über den metallenen Boden, das Pillendöschen fest umklammert. Um sich herum nahm sie Schritte wahr, aber keine Stimme, kein Atmen, keinerlei Anzeichen menschlichen Lebens, dass sich eine andere Person bei ihr befand. Nur Schritte, die um sie herum zu gehen schienen, solange sie wie in Zeitlupe zitternd vorwärts kroch und sich dabei der Raum immer wieder drehte und der Boden schwankte. Das helle Licht war immer noch stechend scharf und trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie wusste sich nicht aus dieser Welt zu befreien.


    Plötzlich zog sich Jennys Magen zusammen, und sie begann zu erbrechen. Sie spuckte und würgte weißen Schaum aus, nichts was in irgendeiner Weise mit ihrem Abendessen zu tun hatte. Auch konnte die junge Polizistin das Erbrochene nicht riechen oder schmecken, lediglich spüren, als es auf ihre Hand tropfte, und sie letztlich völlig kollabierte und dabei in ihrem Erbrochenen zu liegen kam, sich dabei auf der linken Körperseite windete und krümmte, als hätte sie Schmerzen. In ihrem Kopf dröhnte es, die Schritte waren immer noch klar zu vernehmen und irgendwo konnte sie die Schreie eines Babys hören. Es schien, als sei jedes der Geräusch direkt in ihrem Kopf präsent, und wurde mit jedem Moment eindrücklicher und stärker.
    Jenny spürte, dass sie das Pillendöschen immer noch in der Hand hielt, und jetzt endlich konnte sie erkennen, dass sich eine Person bei ihr befand. Sie blickte nach oben und konnte die Schemen sehen, die sich im gleißenden Licht abbildeten. Lange konnte sie jedoch nicht nach oben sehen, da das Licht, das sich links und rechts von der Person brach, in ihren Augen brannte. Sie erkannte die schwarzen Schuhe, die abgewetzte Jeans und konnte gerade noch die klimpernden Schnallen einer Lederjacke sehen. Obwohl sie das Gesicht nicht sah, nur die Schemen der abstehenden Haare im gleißenden Licht, als käme gerade ein Zug durch einen Tunnel gerast, ließ sie erkennen, wer neben ihr stand, und eine Mischung aus Hoffnung und Angst stieg in ihr auf.


    "Kevin..." Jenny wollte schreien, sie wollte ihn anflehen, doch es kam kein Ton aus ihrem Mund. Sie hörte sich nicht selbst, und doch schien ihr Freund, der Vater ihres Kindes, ihr Flehen zu erhören. Er ergriff die Hand, die auf dem Boden lag, mitten in Jennys Erbrochenen, das Pillendöschen festumklammernd und für einen Moment dachte sie, er würde ihre Hand nehmen, um sie herauf zu ziehen, sie in die Arme zu nehmen und von diesem furchtbaren Ort wegtragen... sagen, dass alles gut wird und er wieder bei ihr war. Doch grausam fühlte sich die Enttäuschung an, als Kevin zwar für eine Sekunde ihre Hand fest umklammerte, um dann das Pillendöschen zu nehmen und ihre Hand zurück zu Boden fallen zu lassen. Die junge Frau konnte es nicht fassen, als die vorher noch gebeugten Beine sich wieder erhoben und fortgingen... Kraft, nochmal nach oben zu schauen, hatte sie nicht. Das Gesicht blieb sowieso im Dunkeln.
    Jenny dachte, sie müsse sterben. Das Blut in ihrem Schritt konnte sie immer noch spüren, und plötzlich war ihr Bauch, in dem ihr Baby wuchs, auf eine beachtliche Größe gewachsen, so dass sie Panik bekam. Bittere Tränen drückten sich durch ihre Augen aus ihrem zitternden Körper heraus, als sie wieder die vertrauten Beine vor ihr sah. Kevin war zurück... er würde ihr doch helfen. Er beugte sich nach unten zu seiner Freundin, nahm ihre Hände zusammen und Jenny spürte auf einmal etwas hartes, metallähnliches... vertrautes. Das geriffelte Metall an der Handinnenfläche, ein Stück abgerundetes Metall am Zeigefinger. Angestrengt schaute sie durch die Dunkelheit und sah, wie Kevin ihr eine Waffe, die etwas länger schien als gewöhnlich, in die Hände legte, selbst seine Hände um Jennys Hände fasste und die Waffe auf ihren Bauch richtete. Sie merkte sofort, dass der Polizist die Mündung nicht zufällig auf ihren Bauch richtete, er schien sie zielgerichtet auf ihr Baby zu richten. Dann öffnete er seinen Griff wieder und streichelte mit einer Hand, während er aufstand, über ihre Körperseite nach oben, bis er Jennys Haare nochmal berührte, um dann wieder weg zu gehen. Ohne noch einen klaren Gedanken zu fassen, ohne überhaupt den eigenen Willen aufzubringen und eine Entscheidung selbst zu treffen, konnte Jenny nur noch fühlen, wie ihr Zeigefinger gegen den Abzughebel drückte, bis er mit einem Ruck nachgab.


    Mit diesem Ruck fuhr Jenny aus ihrem Kissen. Ihr Atem rasselte, ihr Herz pumpte genauso laut gegen ihre Brust, wie eben im Traum. Sie sah in die Dunkelheit in ihrem Schlafzimmer, tastete irritiert nach dem Lichtschalter, fand ihn und war beruhigt, dass das Licht anging. Schon als Kind wusste sie, dass sie immer noch träumte, wenn in ihrem Zimmer das Licht nicht funktionierte. Doch die Lampe an der Decke wurde vom Strom durchflutet und verscheuchte Jennys schreckliche Traumwelt. Sofort sah sie neben sich, doch wo gewöhnlich Kevin lag und schlief war nur ein leeres, aufgewühltes Bett zu sehen. Er selbst war Tausende Kilometer von Jenny entfernt, die sich jetzt langsam beruhigte und mit der Hand durch die schweißdurchnässten Haare fuhr. Sie musste aufstehen, so wie Kevin es immer tat, wenn er Alpträume hatte... ins Bad, Wasser ins Gesicht, Klamotten wechseln.
    Die Gedanken an ihren Freund hatten sie den ganzen Tag begleitet. Obwohl sie wusste, dass es ihm gut ging, machte es sie fertig, dass er sich nicht bei ihr gemeldet hatte. Sie konnte sich vorstellen, dass er ihre Androhung ernst gemeint hatte, sie wollte ihn anrufen und hatte sich doch nicht dazu durchgerungen. Doch der schreckliche Alptraum zeigte ihr, dass es so nicht weiterging. Er musste einfach Bescheid wissen, er musste einfach wissen, dass er zurück kommen musste. Jenny nahm das Handy vom Nachtisch und wählte Kevins Nummer. Es klingelte... einmal, zweimal, dreimal... sonst ging er doch direkt an sein Handy. Erst als die Mailbox ranging, legte sie auf und probierte es nochmal. Kein Erfolg.


    Jenny blickte auf die Uhr. Sie würde nicht mehr einschlafen können, wenn sie jetzt nichts tat. Ein Seufzen durchdrang die Stille im Zimmer, und sie stand mit dem Handy in der Hand aus dem Bett auf und tapste mit nackten Füßen durch die Wohnung und zum Küchentisch, wo ihr Geldbeutel lag. In diesem Geldbeutel befand sich das Ultraschallbild, das sie von ihrer Frauenärztin bekommen hatte. Sie legte es ins gedämmte Licht, machte ein Foto davon und wollte es Kevin schicken. Er musste es einfach erfahren... jetzt und gleich. Jenny konnte der Botschaft des Traumes einfach nicht glauben, dass Kevin im übertragenen Sinne gegen das gemeinsame Kind war. Sie musste es jetzt wissen. Und wenn er nicht an sein Handy ging, dann müsste es halt so gehen...
    Als Jenny die Nachricht abgeschickt hatte, wartete sie bestimmt eine dreiviertel Stunde darauf, dass in dem Chatprogramm die Nachricht kam, dass Kevin ihre Nachricht gelesen hatte. Doch nichts geschah bis die junge Frau langsam wieder dem Schlaf verfiel...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen

    <3

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    • 2. März 2016 um 00:00
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    Feldweg - 17:30 Uhr


    Der Griff der Waffe in Kevins Händen schien zu glühen, doch er wirkte ruhig, eiskalt, beinahe völlig emotionslos. Kein Zittern, kein Zucken ging von seiner Hand aus, als Juan aus dem Auto stieg und die Hände ein wenig in die Luft hielt. Nicht mal dass penetrante Vibrieren seines Handys in seiner Hosentasche konnte ihn scheinbar aus seiner Ruhe bringen. Nur Juans Gesichtsausdruck verwirrte ihn, denn der Kolumbianer sah ihn weder verärgert noch besonders ängstlich an. Sein Gesicht war von einer verdammten Selbstsicherheit erfüllt, die sogar beinahe in ein leicht schelmisches Grinsen überging, als er den Kopf ein wenig schief legte und erst wenige Meter von Kevin entfernt stehen bleiben ließ.
    "Ganz ehrlich... ich hätte dich nicht für so dumm gehalten, Kevin.", sagte er mit ruhiger Stimme in Richtung der offenen Waffenmündung, die auf ihn gerichtet war. Seine Stimme war sicher und überlegen, kein Zittern, keine Unsicherheit. Verdammt, hier stimmte etwas nicht, dachte Kevin. "Dass du dich so einfach vor Santos' Karren spannen lässt, damit er mich aus dem Weg räumt." Nun lachte Juan sogar auf, und es war, als hätte er die ganze Zeit in Kevins Hemdtasche gesteckt und wusste alles, was am Nachmittag vorgefallen war... zumindest schien er sich alles zusammenreimen zu können. "Was hat er dir versprochen, wenn du mich tötest? Dass du mit seiner Freundin seelenruhig davon spazieren kannst?", fragte er verachtend.


    Kevin blieb, trotz seiner Verwunderung über Juans Reaktion, völlig emotionslos und sagte monoton: "Ich sehe nicht viele Alternativen." "Oh doch, ich sehe da eine... weißt du welche?", fragte der Kolumbianer beinahe verheißungsvoll und lächelte wieder. Der Polizist zuckte kurz mit dem Kopf nach oben, eine erwartende Geste, was Juan denn nun zu sagen hatte. "Die Alternative ist, dass du ins Gras beißt, wenn du nicht in 2 Minuten deine Knarre runternimmst." Trotz der Drohung änderte sich seine Stimmlage nicht, und scheinbar schien er sich dessen verdammt sicher. "Ich brauche nur zwei Finger in die Luft zu strecken, und du bist Wurmfutter. Und ich kann Sekunden sehr gut einschätzen, Amigo." Ein kurzes Zucken ging durch Kevins Nasenflügel, seine Finger bewegten sich kurz am Waffengriff, doch sein Arm wankte keinen Millimeter.
    "Dein Leben gegen Annies Freiheit. Das ist der Deal?", erklärte er dem Mann, auf den er gerade den Revolver richtete. "Der Deal?", wiederholte Juan und lachte, wobei er die Hand noch ausgestreckt hielt. "Hör auf zu träumen. Du bist hier nicht in Köln. Santos scheißt dir einen Deal. Der weiß selbst, dass ein dahergelaufender Grünschnabel wie du es bist es nicht schaffen wird, wieder lebend in das Viertel zurück zu kehren, selbst wenn es dir gelingen sollte, mich ab zu knallen.", rief er Kevin zu, und der musste sich eingestehen, dass er tatsächlich gerade ein bisschen naiv auf Juan wirken musste... die Betonung lag auf "wirken"...


    Ein Rascheln ging von den Büschen rechts von den beiden Männern aus, was durchaus auch der Wind sein konnte. Hinter Juan konnte Kevin kein Auto oder irgendwelche Männer erkennen, und die Blöße, sich umzudrehen, wollte er sich auch nicht geben. "Und selbst wenn du es zurück schaffen solltest, dann wirst du der Nächste sein. Ein Drogendealer aus Deutschland wird hier keiner vermissen, mein Freund. Und was Santos einmal besitzt, das gibt er nie wieder her." Von der rechten Hand, an der er noch alle Finger von der Handfläche gestreckt hielt, nahm er den Daumen zur Handfläche und hielt nur noch vier Finger nach oben, um Kevin unter Druck zu setzen. Der senkte die Waffe nicht. "Also, was soll die Show? Nimm die Waffe runter, ich fahre dich morgen zum Flughafen, und du vergisst dieses kleine Abenteuer am besten ganz schnell.", riet der kolumbianische Kartellchef dem jungen Mann.
    Doch der schüttelte den Kopf. "Du wirst mir helfen.", sagte er seelenruhig und schaffte es zumindest für einen kurzem Moment, Verwirrung in Juans geordnete Gesten zu bringen. "Helfen?", wiederholte er, zog den kleinen Finger zur Handfläche und Kevin nickte, ohne die Waffe zu senken. "Du hilfst mir, Annie aus diesem verdammten Loch zu holen, und bringst uns beide zum Flughafen, bis wir nach Deutschland abgehoben sind.", forderte die Stimme des Polizisten und Juan musste wieder lachen. "Ansonsten...", sagte Kevin und spannte den Hahn des Revolvers... "...ansonsten bin ich bereit, das Risiko um Santos Deal einzugehen. Und ich werde eher schiessen, bevor du deinen letzten Finger eingezogen hast, denn ohne Annie werde ich dieses Land nicht verlassen, verlass dich drauf." Die Hand wanderte nun provokativ sogar noch ein Stück höher, zielte nicht mehr auf Juans Brust sondern in dessen Gesicht.


    Nun war Juan es, der innerlich mehr überrascht war, als sein Gesichtsausdruck zugeben wollte. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihn nun auszuschalten, seine Männer hatten sie verfolgt und beschattet, sie hatten aus ihrem Versteck Kevin genau im Visier. Zog er den Finger ein, würden den jungen Mann soviele Kugeln treffen, dass dieser nicht mehr im Stande war, auch nur einmal seinen Revolver abzudrücken. Und doch hielt ihn etwas zurück... es war die Hartnäckigkeit, diese unbändige Sturheit und vor allem auch der Mut... nein, es war die leichtsinnige Tollkühnheit des jungen Mannes, die Juan bemerkenswert fand, ihn beinahe faszinierte. Dieser junge Kerl war gerade dabei sein Leben für die Freiheit und die Gesundheit einer Frau zu opfern, die er lapidar "eine Freundin" nannte. Selbst wenn dies nicht stimmen sollte, und es doch eine Liebesbeziehung zwischen Kevin und Annie gab, so fand er das Verhalten des Mannes bewundernswert. Juan verstand sich als eine Art Ehrenmann, der es vorzog, Feinde selbst auszuschalten als feige durch einen Hinterhalt. Seine Männer waren allerdings seine Absicherung, seine Lebensversicherung. Und er fand, dass es unrecht wäre, einen Mann, der das für einen Menschen aufs Spiel setzte, einfach hinterrücks abzuknallen, auch wenn er sich natürlich seiner eigenen Gefahr bewusst war. Andererseits verließ er sich auf seinen Instinkt, und es passte irgendwie nicht zu diesem Typ, den er kennengelernt hatte, wenn er Juan jetzt kaltblütig erschiessen würde... Nein, das passte einfach nicht.


    "Wie stellst du dir das vor, Kevin? Hmm? Soll ich einen verdammten Drogenkrieg gegen das größte Kartell Kolumbiens beginnen, nur wegen der Freiheit einer Frau?", fragte er und beließ die drei Finger in der Höhe. Kevin schüttelte den Kopf: "Du sollst mir mit deinem Wissen helfen. Dein Wissen über Santos, dein Wissen über die Mädchen im Haus. Mit irgendwas, verdammt nochmal! Ich weiß jetzt wo sie ist, und ich muss sie nur noch herausbekommen." Da war sie wieder, die Schwelle zwischen Tollkühnheit und Naivität. Juan wusste nicht, was Kevin in Deutschland trieb, aber er schätzte ihn nicht als Typ ein, der ein Haus stürmte und gerade mal ein Dutzend Männer erschiessen musste, um eine Frau daraus zu befreien. Dass Kevin bei der Polizei war, wusste er nicht. Aber er war bereit, mit ihm zu reden. Aber der Kartellchef wusste, dass er seine Grenzen hatte.
    "Na schön. Lass uns darüber reden, aber erst wenn du die Waffe weg gelegt hast. Ich habe dir jetzt vertraut, dass du nicht abdrückst." Wieder nickte sein Gegenüber, ohne die Waffe zu bewegen. "Dann vertraue ich dir, dass du erst deine Heckenschützen, oder wenn auch immer du auf mich angesetzt hast, zurückpfeifst." Es passte gar nicht, dass Juan seine Lebensversicherung aufgab, aber etwas in ihm, sein Instinkt sagte ihm, dass er Kevin vertrauen könnte... Der Himmel weiß, was ihn gerade ritt, als er die Finger zu einem Kreis formte, Kevin in der Nähe zwei Autotüren hörte und das Geräusch, wie sich ein Geländewagen durch offenes Feld arbeitete. Eben war er so abgelenkt, dass er dieses Geräusch überhaupt nicht gehört hatte.


    "Jetzt du." Endlich, jetzt endlich senkte sich die Waffe in Kevins Händen, der Hahn glitt zurück in Ausgangsstellung, und beide Männer trauten sich wieder, normal zu atmen. Juan senkte seine Arme ebenfalls und kam ein Stück näher an Kevin heran. "Was sollte die Show?" "Würdest du mir helfen, wenn ich dich einfach im Wagen gefragt hätte? Ausserdem dachte ich, der Wagen hinter uns wären Santos Männer, und sie würden die Story abkaufen, dass ich dich hier in eine Falle locken.", antwortete der Polizist auf Juans Frage. "Du bist völlig wahnsinnig. Hast du wirklich geglaubt, meine Männer hätten mir nicht sofort gesagt, dass du mit Santos gesprochen hast? Dass du mit ihm in das Haus gegangen bist? Und dass du verdammtes Glück hattest, nicht schon dort abgeknallt zu werden..." Mit einem fragenden Ausdruck in den Augen sah Kevin seinen Reiseführer an. "Auf dem Dach, schräg gegenüber des Hauses, war ein Scharfschütze postiert, du Experte. Hättest du Santos angegriffen, oder hätte der, als du alleine rausgekommen bist, über Funk das Signal zum Abschuss gegeben..." Er beendete den Satz mit einer Schnittgeste an der Kehle vorbei und jetzt wurde Kevin endgültig klar, dass er Santos wohl weit... sehr weit unterschätzt hatte. "Klingelt es langsam? Ich hab dir nicht umsonst gesagt, dass du dich von ihm fernhalten sollst. Dann hättest du morgen die Suche aufgegeben und wärst in einem Stück nach Deutschland zurück geflogen." Hinter ihnen begann langsam, die Sonne zu sinken und die Flure und Plantagen in blutrotes Licht zu tauchen. "Los komm... wir fahren zu deinem Appartement und dort reden wir.", meinte Juan und spürte ein seltsames Vertrauen zwischen ihm und Kevin, was er sich selbst nicht erklären konnte... und es erschien ihm unheimlich. Es wurde sogar verstärkt als er, kurz vor dem Auto, Kevin fragte: "Sag ehrlich: Wenn ich nicht zugestimmt hätte... hättest du dann geschossen?" Der Polizist blieb für einen Moment stehen und drehte sich zu Juan. Dann zog er die Waffe wieder hervor, öffnete mit geübten Griff die Trommel, hielt sie Juan vor die Nase und drehte sie. In keiner einzigen Kammer steckte eine Patrone, die Juan hätte verletzen oder töten können. Er hatte sie herausgenommen, als er auf dem Platz auf Juan gewartet hatte, und er hatte niemals vor den Kolumbianer zu töten. "Ich erschiesse keine Leute, die ihr Wort halten.", sagte er mit monotoner Stimme und ließ den Revolver wieder zuschnappen. Juan war aufgrund soviel Leichtsinn diesmal sprachlos... und das kam nicht oft vor.

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

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    Einmal editiert, zuletzt von Campino (2. März 2016 um 15:06)

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    • 3. März 2016 um 12:46
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    Motel - 18:00 Uhr


    Kevin hätte sich im Leben nicht zugegeben, dass ihm für einen Moment doch das Herz in die Hose gerutscht war. Auf dem Weg vom Feldweg zum Motel, als er die ganze Situation von Gerade nochmal überdachte, wurde ihm klar in welcher Gefahr er gerade eben geschwebt hatte. Und dass er sich in diesen Momenten mehr als einmal wünschte, doch Kugeln in die Trommel gelegt zu haben. Er hatte sich entschlossen, als er auf Juan auf dem Platz gewartet hatte, die Kugeln zu entfernen um dem Kolumbianer damit zu beweisen, dass er niemals dran gedacht hatte, ihn zu erschiessen. Scheinbar war es eine gute Idee, denn Juan vertraute ihm jetzt mehr als zuvor. Er hatte sich nicht von Santos kaufen lassen, denn dem Kartellchef traute Kevin selbst nicht, obwohl die Offenbarung von Juan im Bezug auf den drohenden Scharfschützen nochmal erschreckend für den jungen Polizisten war.
    Beide Männer stiegen im Motel die Treppe zu Kevins Zimmer herauf, an einem kleinen Kiosk vor dem Motel hatte Juan zwei Flaschen muffig schmeckendes kolumbianisches Bier gekauft, mit dem die beiden anstießen. "Ich hoffe, du verstehst, dass ich mit Santos keinen Krieg anfangen kann. Genauso wenig, wie er diesen Krieg mit mir möchte.", sagte der Mann im Tanktop. "Warum heuert er nicht einfach einen Profikiller an?", fragte der schweigsame Polizist und sein Gegenüber, der sich auf einen Stuhl im karg möbilierten Zimmer gesetzt hatte, antwortete: "Weil man so einfach nicht an mich heran kommt. Ich bin sehr selten in dem Viertel, und gebe mich nur mit dir ab, weil Zack dich kennt. Offenbar denkt er, dass du zu meinem Kartell gehörst, und er dich hätte mit Annie kaufen können."


    Kevin seufzte etwas, der Weg zu Annie schien immer noch ewig und voller Hindernisse. Natürlich verstand er auch Juan. Der Mann hatte sich hier ein, zwar moralisch zweifelhaftes Kartell aufgebaut, dass er wegen einer wildfremden Frau und eines leichtsinnigen Polizisten sicher nicht aufs Spiel setzen wird. Für einen Moment blieb es still, denn beide dachten nach. Kevin dachte darüber nach, nach ein paar von Juans Männer zu bitten, um in das Haus mit Gewalt einzudringen, doch er verwarf den Vorschlag, noch bevor er ihn verbal ausdrückte. Kevin wollte auf weiteres Blutvergießen, so gut es ging, verzichten. Irgendwann hielt es ihn nicht mehr auf dem Bett, er ging durch das Zimmer, sah aus dem Fenster nach draussen, wo es langsam immer dunkler wurde, und das Vibrieren seines Handys vorhin hatte er längst vergessen.
    Juan wippte mit dem Stuhl hin und her und beobachtete das wilde Tier im Käfig. Er hätte darauf wetten können, dass Kevin sich am liebsten bewaffnet und in das Haus spaziert wäre. Er wusste aber auch, dass der Junge wohl keine 5 Minuten dabei überleben würde. Plötzlich grinste der Kolumbianer. Er grinste über beide Ohren was zu seinem eigentlich oftmals sympathisch und freundlich blickenden Gesicht passte. "Ich glaube, ich hab da eine Idee.", sagte er vielversprechend und Kevin blieb am Fenster, wobei er sich mit dem Rücken gegen den Rahmen lehnte.


    "Ich kenne einen Nachtclub und Puffbesitzer aus Medellín. Einen Mexikaner. Ich weiß, dass er sich hin und wieder, entweder für große Privatparties oder für seinen Club junge Mädchen "besorgt." Hin und wieder auch von Santos.", erklärte der Kolumbianer seine Idee. "Die Drogen kauft er aber größtenteils bei mir. Er schuldet mir noch einen Gefallen." Kevin hörte gebannt zu, und es schien als würde sich der Weg zu Annie plötzlich verkürzen und einige Hindernisse würden sich in Luft auflösen. "Und du meinst, der Mexikaner könnte, unter dem Vorwand ein paar Frauen zu benötigen, zufälligerweise sich unter anderem für Annie entscheiden?" Juan nickte. "Esteban kann Santos nicht ausstehen, aber er hat sich über die Zeit die besten Preise erhandelt. Der Mann ist ein begnadeter Feilscher. Ich bin mir sicher, dass er uns hilft... bei einem entsprechenden Angebot."
    Plötzlich war Kevins Zuversicht wieder ein Stück weit verflogen und er zog die Stirn in Falten. "Ein Angebot? Du weißt doch selbst, dass ich mir die 50.000 für dich schon leihen musste. Mit was soll ich ihn bezahlen?" Aber Juan winkte ab, und nun zahlte es sich doch aus, dass sich Kevin Juans Vertrauen quasi erzwungen hatte. "Die Schulden hast du dann bei mir. Esteban wird ein paar Drogenlieferungen von mir umsonst bekommen." Für einen Moment blickten sich die beiden Männer direkt in die Augen. "Das würdest du für mich tun?", fragte der Polizist und sein Reiseführer, der immer mehr zu einem Partner wurde, nickte. Kevins "Danke" hätte sich gespielt nicht ehrlicher anhören können...


    "Ich werde Esteban heute noch anrufen, und mich bei dir melden. Zwischen Medellin und Bogota fliegt alle halbe Stunde eine Maschine, er kann also kurzfristig da sein. Wie ich ihn kenne, wird es ihm ein Spaß sein, Santos eins auszuwischen.", meinte Juan und feixte wie ein Schuljunge. "Und mir auch." Kevin nickte und schöpfte wieder Hoffnung, auch wenn Juan die Erwartungen dämpfte. "Wenn Esteban nicht zustimmt, versprich mir bitte dass du es lässt. Es gibt dann keinen anderen Weg, Annie da raus zu holen." Beinahe hörte sich Juan schon an wie Semir, als er diesen mahnenden Ton anschlug. "Es ist beschissen, aber manchmal muss man wissen, wann man aufgeben muss, Kevin. Du hattes schon mehr Glück als Verstand, seit du hier bist."
    Mit langsamen Schritten ging Kevin vom Fenster weg, setzte sich auf das Bett und fuhr sich mit den Händen durch die abstehenden Haare. Er spürte das Vertrauen, und er wollte es zurück zahlen. "Juan... ich hab mit 18 meine Schwester verloren, weil ich ihr nicht helfen konnte. Ich konnte einem Kind in einem brennenden Haus nicht helfen. Das ganze verfolgt mich mein Leben lang." Er sprach ruhig aber bestimmt, und Juan hörte aufmerksam zu. "Ich habe in Deutschland vermutlich meine Beziehung zerstört und habe meine besten Freunde enttäuscht, um dieser Frau zu helfen. Ja, sie ist mir auch wichtig... aber ich bin mir auch sicher, dass sie das Opfer, das ich erbracht habe, nicht wert ist." Juan hatte den jungen Mann bisher nie so gesprächig erlebt. "Es hätte mir weh getan, sie an die Drogen zu verlieren... aber nur für sie hätte ich das Opfer nicht erbracht. Es ist einzig der Dämon in meinem Kopf, der mich zwingt das hier zu tun. Der mich zwingt, Annie hier nicht zurück zu lassen." Der Kolumbianer sah Kevin mit ernstem Blick direkt in die Augen, als dieser kopfschüttelnd sagte: "Ich kann nicht aufgeben. Eher jage ich mir eine Kugel in den Kopf. Ich habe nichts mehr, wofür ich nach Deutschland zurückkehren müsste..."


    Mit gemischten Gefühlen verabschiedete Juan sich von Kevin und war sichtlich beeindruckt von dessen Worten. Dieser bewegte sich, nachdem der Kolumbianer das Zimmer verlassen hatte, ein wenig verloren durch den Raum, trank den Rest seines Bieres und lehnte sich gegen die Zimmerwand. Er erinnerte sich in dem Moment an das Vibrieren seines Handys und zog das technische Gerät aus der Jeans. Zwei Anrufe in Abwesenheit von Jenny ließen ihn die Augenbrauen nach oben ziehen. Er öffnete ihre Nachricht, der Ladebalken legte sich für einige Sekunden über das verschwommene gesendete Bild, bis es mit einem Mal scharf wurde. Darunter waren nur wenige Worte zu lesen: "Bitte komm gesund nach Hause. WIR brauchen dich."
    Die Bierflasche in der freien Hand fiel splitternd zu Boden, als der Polizist realisierte, was dieses schwarz-weiße, verpixelte Bild wirklich bedeutete. Die Form war auf einmal klar, das aktuelle Datum am oberen Rand des Ausdrucks ebenfalls. Seine Hand begann zu zittern und er fühlte, wie es ihn nicht mehr auf den Beinen hielt, und er langsam an der Wand in eine sitzende Position rutschte. Kevin wurde klar, dass das "WIR" in Jennys Nachricht nicht etwa Semir oder Ben mit einfasste... sondern einzig Jenny selbst, ihn und diesen kleinen Menschen, den der Polizist jetzt betrachtete. Diese Nachricht und dieses Bild änderte alles... Alles was Kevin vor 10 Minuten noch zu Juan gesagt hatte, alles was er hier tat, schien auf einmal sinnlos. Noch nie war der Polizist von etwas so überfahren, so positiv ergriffen.


    Seine linke Hand mit dem Handy und dem Bild sank zu Boden neben ihm, mit der anderen Hand fasste sich Kevin ins Gesicht, an die Augen und er konnte einen Weinkrampf nicht mehr unterdrücken. Es war eine Mischung aus Verzweiflung über seine hier vertrackte Situation, aus Wut und Selbsthass dass er Jenny alleine gelassen hatte... und einige Freudentränen mischten sich ebenfalls in seine Augen, als er das Bild immer wieder ansah. Aufgrund dessen, dass es in Deutschland mitten in der Nacht war, rief er Jenny nicht an, sondern sendete ihr nur ein "Ich komme zurück...". Den Zeitpunkt hielt er offen, denn er war mit sich selbst nicht einig...

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

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    • 8. März 2016 um 00:23
    • #64

    Dienstelle - 8:00 Uhr


    Als Semir seinen BMW auf den Dienstparkplatz stellte war seine Laune in Hochform. Er war jeden Morgen dankbar, arbeiten zu dürfen. Die, zugegebenermaßen kurze Auszeit hatte ihm den Wert seiner Arbeit viel bewusster gemacht. Seitdem freute er sich auf jeden Arbeitstag, wo er früher seine Arbeit oftmals zum Teufel wünschte, wenn die Überstunden überhand nahmen, wenn mal wieder ein Kind bei einem Autounfall schwer verletzt wurde oder gute Freunde in Gefahr gerieten. Ja, manchmal dachte er sogar daran, das Handtuch zu werfen, sich in den Innendienst versetzen zu lassen und die Autobahn hinter sich zu lassen. Besonders, als sein bester Freund Tom ums Leben kam, fragte sich Semir nach dem Sinn seiner Arbeit. Schließlich hatte er damals schon Ayda, und er wollte nicht, dass seine Tochter Waisen aufwachste. Doch das Team der Autobahnpolizei, nicht zuletzt auch seine Frau Andrea hatte Semir immer wieder Mut gemacht und ihn zum Weitermachen motiviert, zuviel Gutes tat er als Polizist in dieser Situation. Nach seinem Ausfall vor einigen Tagen war er sich dem wieder bewusst und freute sich auf jeden Arbeitstag.


    Heute vor allem, weil er sich von dem Verhör von Carina Bachmann versprach, in dem Fall um dessen toten Bruder endlich einen Schritt vorwärts zu kommen. Er war überzeugt, dass die junge Frau Informationen hatte, die sie bisher nicht preisgegeben hatte. Der Polizist hoffte, dass der Faktor Ben in diesem Falle die Frau endlich zum Reden brachte, und dass sie der Einbruch des Kriminellen Vesoski ein wenig beeindruckt hatte.
    Die typische Geräuschkulisse der Dienststelle empfing ihn und seine Frau Andrea, als sie die Dienststelle betraten. Er nickte Bonrath und Herzberger zu und hörte dann gleich von seinem dicken Kollegen, dass Jenny sich heute krank gemeldet hat... mal wieder. "Schon wieder? War sie die Tage nicht schon krank? Warum kuriert sie sich nicht komplett aus, bevor sie wiederkommt?", fragte er und zog die Augenbrauen hoch. "Ich weiß es auch nicht... gestern wirkte sie eigentlich recht fit.", meinte Bonrath, der gestern mit ihr auf Streife war. "Ach Männer...", meinte Andrea kopfschüttelnd zu den drei Polizisten und zeigte sich mit den Fingern kurz und dezent auf den Schritt. "Das ist mal wieder typisch. Habt ihr noch nie etwas von der Frauenkrankheit gehört?", fragte sie und spielte dezent auf die Periode an. Fast zeitgleich drehten sich Bonrath, Herzberger und Semir mit betretenen Gesichtern voneinander weg und wechselten das Thema. Es gab einfach Themen, über die Männer nicht untereinander sprachen... oder generell sprachen. Dies war so eins, und damit hatte Andrea, die die Wahrheit über Jenny wusste, zumindest
    erreicht, dass nicht weiter über die junge Kollegin spekuliert wurde.


    Ben würde heute etwas später kommen, das wusste Semir. Denn er wollte heute morgen Carina Bachmann abholen und ihre Mutter dabei gleich in eine Vormittagsbetreuung bringen. Er hatte gestern abend noch einen kurzfristigen Platz in einer guten aber sehr teuren Einrichtung klar gemacht und wollte Carinas Mutter dort heute morgen hinbringen, damit Carina genug Zeit für das Verhör in der Dienststelle hatte. Semir braute also schon mal Kaffee in seinem Büro, als das Telefon klingelte und dort der Name "Engelhardt" groß leuchtete. "Ja, Chefin?" "Können sie bitte mal in mein Büro kommen?", war die katzenfreundliche und somit gefährliche Stimme von Anna Engelhardt zu hören ... wie immer, wenn bei einem Einsatz größerer Schaden entstanden war. In dem Fall war es nicht ratsam, die Chefin lange warten zu lassen.
    "Eine abbruchreife Fußgängerbrücke, mitten in der Kölner Innenstadt.", sagte die Chefin mit drohendem Unterton in der Stimme, als ihr bester und längster Mitarbeiter vor ihr am Schreibtisch saß. "Ich hoffe, dass sich das gelohnt hat." "Ja, zumindest gibt es eine Verbindung zu Drager, dem Typ, der gestern mit Carina Bachmann Kontakt hatte. Aber..." Semir druckste ein wenig herum "...mehr halt noch nicht."


    Anna Engelhardt setzte nicht ihr zufriedenstes Gesicht auf. "Und wann wissen wir darüber mehr?" "Carina Bachmann ist auf dem Weg hierher. Wir hoffen, dass sie uns dann endlich Informationen gibt." "Ja, das wäre sehr wünschenswert. Fühlen sie ihr auf den Zahn und wenn die Frau Informationen vorbehält... dann müssen wir vielleicht davon ausgehen, dass sie in dem Fall eine gewichtige Rolle spielt... auf der anderen Seite." Semir wog den Kopf ein wenig hin und her, das Pflaster an seinem Hals drückte... nicht mehr lange. Morgen hatte er einen Termin bei einem Hautspezialisten, der ihm die hässliche Narbe mit modernster Technik entfernen würde. "Sie meinen, dass sie den Tod ihres eigenen Bruders für etwas in Kauf genommen hat?" "In Kauf genommen... in Auftrag gegeben hat... wer weiß. Eine Frau, die den Mörder ihres Bruders deckt, zu dem sie angeblich ein sehr inniges Verhältnis hatte, tut sowas nicht einfach so. Deswegen ist es wichtig endlich die Hintergründe ihres Handelns zu erfahren." Die Chefin konnte sich sonst immer auf das kriminalistische Gespür ihrer Beamten verlassen, doch als Vorgesetzte fand sie es wichtig, auch ihre eigene Meinung in den Fall mit einzubringen. "Ich verlasse mich auf ihr Gespür... und auf das ihres Partners." Semir nickte, obwohl er bei diesem Satz ein wenig Bauchgrummeln hatte, denn er war sich immer noch nicht sicher, wie Bens Gefühle zu Carina nun wirklich waren... und der wusste das ja selbst noch nicht.


    Semir wollte sich schon zum Gehen wenden, als die Stimme der Chefin ihn zurückhielt. "Ach Semir... haben sie eigentlich was von Herrn Peters gehört, wie es ihm geht seit dem Unfall?" Der erfahrene Polizist drehte sich zur Chefin um, und die fand dass sein Gesicht plötzlich jegliche Morgenzuversicht verloren hatte. "Ich weiß es nicht.", war seine kurze Antwort und Anna Engelhardt zog die Augenbrauen nach oben. Sie war immer noch im Glauben, dass Kevin mit einem Schleudertrauma das Bett, oder zumindest die gemeinsame Wohnung mit Jenny hütete, mit einem Krankenschein und Halskrause. "Haben sie nicht mal mit ihm telefoniert, oder ihn besucht?" In Semir arbeitete es... er hatte zu seiner Chefin immer ein gutes Verhältnis, ein sehr gutes Verhältnis. Er war ein ehrlicher Mensch und log gegenüber der Chefin oft nur aus der Not heraus, wenn es zum Vorteil seines Partners war. In diesem Fall war Kevin noch sein Partner... aber war er auch noch sein Freund. Er war immer noch sauer auf den jungen Polizisten, er war immer noch eine Spur verbittert und er hätte ihn am liebsten auf den Mond geschossen. Immer noch konnte sich Semir nicht mehr vorstellen, jemals nochmal mit Kevin zusammen zu arbeiten. Und jetzt zwang der ihn auch noch indirekt, die Chefin anzulügen... oder sollte er ihr die Wahrheit sagen? Die Wahrheit, dass Kevin in Kolumbien war, auf der Suche nach der Frau, die durch ihr Schweigen fast für Semirs Tod verantwortlich war?


    Er hatte das Gefühl, dass er schon viel zu lange im Türrahmen stand und nachdachte, welche Antwort er der Chefin geben sollte. "Nein... am besten fragen sie Ben. Ich weiß nicht, wie es ihm geht." Bevor er nochmal für Kevin lügen musste, drehte er sich um und schloß die Bürotür der Chefin hinter sich, die ihm etwas verblüfft hinterher sah. Sie war der Meinung, dass die drei Polizisten untereinander ein enges freundschaftliches Verhältnis hatten, und sie war überzeugt, wenn Ben krank oder verletzt wäre, wäre Semir über dessen Zustand stündlich informiert. Offenbar hatte sie das Verhältnis, zumindest das zwischen Kevin und Semir, überschätzt...

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    • 9. März 2016 um 01:16
    • #65

    Innenstadt - 08:15 Uhr


    Ben hatte Magenschmerzen, als er auf dem Weg zu Carina war. Vor Nervostiät, vor Aufregung, vor der Ungewissheit, die dieser Tag mit sich brachte. Würde alles gut gehen, wenn er Carinas Mutter in die Einrichtung brachte? Würde Carina heute auf der Dienststelle endlich reden und erzählen, welche Verbindung sie zu Drager hatte, der mutmaßlich der Mörder ihres Bruders war? Und wenn sie redete, hing sie vielleicht tiefer mit drin? So tief, dass es für Ben unmöglich war als Polizist weiter mit Carina befreundet zu bleiben? Würde er sie vielleicht selbst und eigenhändig heute vormittag einsperren müssen? Diese Gedanken schwirrten dem Polizisten nicht nur nachts im Kopf herum, so dass er Kevins "Alles okay"-Nachricht beinahe emotionslos mit "Alles klar" beantwortete, als er aufwachte.
    Carina wartete bereits mit ihrer Mutter, die einen Gehstock in der Hand hielt und fest eingepackt war, auf ihn. Als sie spazieren gingen, fuhr die junge Frau ihre Mutter im Rollstuhl, aber kürzere Distanzen konnte Hermine Bachmann mit etwas Hilfe auch zu Fuß absolvieren. Ben und Carina begrüßten sich nur kurz, beinahe flüchtig und der Polizist war sich nicht zu schade, helfen zu wollen als Carina ihrer Mutter beim Einsteigen in den, doch etwas engen Mercedes helfen wollte. Aber die junge Frau lehnte Hilfe mit einem kurzen "Ich mach das schon" ab, und Ben biss sich auf die Lippen. Gestern noch hatte Carina ihm vorgeworfen, dass er nur unter dem Vorwand des Aushorchens bei ihr zu Hause war, und ihr geholfen hatte.


    Auf dem Weg in die Einrichtung sprachen die beiden auch kein Wort miteinander. Trotzdem war es nicht still, denn Carinas Mutter sprach zu ihrer Tochter: "Wir können nicht zu lange wegbleiben. Du weißt doch, dass dein Vater schimpft, wenn er zur Mittagspause nach Hause kommt und das Essen steht nicht auf dem Tisch.", sagte sie mit Sorge in der Stimme und seufzte, ebenso wie Carina. Sie wusste natürlich, dass ihr Vater schon jahrelang verstorben war, aber Hermine Bachmann verwechselte wegen ihrer Demenz oftmals das Jahr, die Zeit. Manchmal lebte ihre Mutter noch, dann fragte sie nach ihrem Ehemann. Zuletzt hatte sie Carina mit der Frage geschockt, ob sie denn wüsste, wann ihre Tochter gestorben sei und Carina unter Tränen versuchte zu erklären, dass sie ihre Tochter war, was Hermine rüde bestritt.
    Ben fuhr auf den Parkplatz des großen Altbaus, das von einem Unternehmer zu einer Demenzeinrichtung umgebaut worden ist. Hier beschäftigten ausgebildete Pflegekräfte und Ärzte sich mit Demenzkranken über den Tag. Sie bastelten, spielten Spiele, backten Kuchen und Kekse oder unterhielten sich einfach auf der Ebene der Kranken. Diese konnten hier auch Kontakte zu anderen Demenzkranken knüpfen, und die Angehörigen hatten Zeit sich um alltägliche Dinge, oder die eigene Arbeit zu kümmern. Ebenfalls waren hier 30 Zimmer sowie 5 Notfallzimmer vorhanden. Sollte die Person der Familie, die die Kranke betreute zb unplanmäßig verreisen oder selbst schwer erkranken, so konnte man auf diese Einrichtung zurückgreifen. Allerdings hatte diese gute Pflege auch ihren stolzen Preis.


    Das wusste auch Carina, denn sie kannte diese Einrichtung. "Du bist völlig verrückt! Selbst wenn Mama hier nur heute vormittag bleibt, dafür muss ich einen Kredit aufnehmen.", fuhr die junge Frau den Fahrer des Mercedes an, der sich gerade abschnallte. "Nun übertreib mal nicht.", antwortete der mit beschwichtigendem Ton. "Das mit dem Geld ist geregelt, das habe ich dir doch gestern erklärt. Das übernimmt der Staat, weil du für eine Vernehmung zur Verfügung stehen musst." In Wahrheit übernahm der Staat überhaupt nichts, denn dem Staat war es egal, ob Carina Bachmann eine kranke Mutter zu Hause pflegte und zu einem Verhörtermin musste. In Wahrheit hatte Ben den Preis der Einrichtung bezahlt, was ihm zumindest finanziell nichts ausmachte. Er war abgesichert doch großen Reichtum seines Vaters, dem ein Börsenunternehmen gehörte.
    "Na sicher... der Staat. Der bezahlt vielleicht das heruntergekommene Pflegeheim am Deutzer Bahnhof, aber nicht das.", war Carina nicht zu beruhigen, doch sie stieg ebenfalls aus und half ihrer Mutter auf dem Weg zum Eingang. Mit der Dame am Empfang wurde nur wenige Minuten gesprochen, Carina musste einige Gewohnheiten der Mutter notieren, damit es keine bösen Überraschungen gab. Hermine sah nicht besonders glücklich aus, als sie langsam begriff, dass ihre Tochter sie hier erstmal alleine ließ, und auch Carina fiel dieser Abschied sehr schwer. Sie umarmte ihre Mutter fest und versprach in einer Stunde wieder da zu sein. Es war fast wie vor vielen vielen Jahren, als Hermine ihre Tochter zum ersten Mal im Kindergarten alleine ließ und das kleine blonde Kind mit Tränen in den Augen da stand und sah, wie ihre Mutter wegging, bis die Erzieherin sie an die Hand nahm und sagte: "Sei nicht traurig. Du wirst hier eine Menge Spaß haben." Fast die selben Worte benutzte jetzt ein junger Betreuer, der die freie Hand der Mutter ergriff und sie durch den langen Flur in den Gemeinschaftssaal führte.


    Auf dem Weg von dem Gebäude bis zum Mercedes sah Carina nur auf den Boden vor sich. Sie hatte die Lippen zusammen gepresst und schluckte mehrmals. Die Tränen ließen sich nur zurückhalten, bis sie im Auto saß und die Tür geschlossen hatte, doch da ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf. Ben legte tröstend seine Hand auf ihre Schulter. "Hey... die kümmern sich hier gut um sie und in zwei Stunden holen wir sie wieder ab." Das Schluchzen verschluckte Carinas Worte beinahe: "Du verstehst das nicht. Ich weiß, dass man sich gut um sie kümmert. Aber trotzdem wird sie alleine sein. Sie wird nicht wissen wo sie ist, wer um sie herum ist und wird sich fragen, warum ich nicht da bin." Ben presste die Lippen aufeinander und konnte Carina in einem Punkt zustimmen... er wusste tatsächlich nicht, wie das ist. Er hatte keinen Pflegefall in seiner Familie, seine Großeltern starben, ohne dass er es mitbekam, weil sie nicht in der Nähe lebten. Immer nur hörte er von seinem Vater, dass ein Opa, eine Oma, die er fast nicht kannte, gestorben sei. Krankheit, Altersschwäche... von Demenzkrankheiten, Pflegefällen und dem langsamen Dahinvegetieren im Alter hatte er keine Ahnung. Irgendwie war er auch froh darum, denn er stellte es sich schrecklich vor... nicht nur, wenn er selbst alt war, sondern vor allem als Angehöriger. Seit er Carina und ihre Mutter kennengelernt hatte, hatte er es sich hin und wieder vorgestellt... sein Vater, mit dem er eigentlich nicht besonders klar kam, in 20 Jahren als demenzkranken alten Mann... ein Mann, der in seinem Leben alles geschafft hatte, was er schaffen wollte, den nichts umhauen konnte. Ein Macher, ein Arbeiter, der nur als Vater in seiner Familie ein wenig versagt hatte. Aber selbst das hatte er in den letzten Jahren, seit der Hochzeit von Bens Schwester, aufgeholt. Sich ihn als alten Mann vorzustellen, der sich selbst nicht mehr helfen konnte, der nicht mehr wusste, wie man einen Fernseher bediente oder nicht mehr wusste, dass er zuerst die Hose und dann die Schuhe anziehen musste, war für Ben eine absolute Horrorvorstellung...


    "Ausserdem...", riss Carina ihn wieder aus seinen Gedanken. "... hat es sich gerade so angefühlt, als würde ich sie irgendwo aussetzen... abschieben. Genau wegen diesem Gefühl habe ich es bis jetzt nie übers Herz gebracht, sie in ein Heim zu bringen, und alles auf mich genommen, um sie zu Hause zu pflegen." "Aber wie willst du das in Zukunft machen. Du musst doch auch von etwas leben... du kannst doch nicht das ganze Leben deiner Mutter verschreiben. Zumindest vielleicht... so eine Vor- und Nachmittagsbetreuung. Hin und wieder. Dann kann sie ja zu Hause wohnen.", versuchte Ben, sie irgendwie zu unterstützen, doch Carina schüttelte den Kopf. "Meine Mutter war mein ganzes Leben lang für mich da. Glaubst du, es wäre fair, sie dann abzuschieben, jetzt wo sie mich braucht?" Die junge Frau wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "Ich könnte nicht mehr in den Spiegel gucken..."
    Da war wieder dieses Gefühl, das Ben auch hatte, als er Carina kennenlernte. Diese Bewunderung einer starken Frau. Er hoffte, er betete zum Himmer als er den Mercedes zurück auf die Straße lenkte, dass er von dieser starken Frau heute nicht noch bitterböse enttäuscht wurde...

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    • 10. März 2016 um 02:21
    • #66

    Dienstelle - 09:00 Uhr


    Den Weg vom Parkplatz zur Dienststelle ging Ben schon hunderte, vielleicht tausende Mal. Mal ging er allein, mal Seite an Seite mit seinem Partner Semir, mal hatten sie Verdächtige im Schlepptau, Verhaftete Verbrecher oder Opfer, die mitkamen um eine Anzeige aufzugeben. Doch heute hatte er das Gefühl, als würde er die junge blonde Frau, die neben ihm ging, zur Hinrichtung bringen. Als würde er selbst das Urteil fällen, aussprechen und gleichzeitig vollstrecken und er der Polizist fühlte sich dabei hundeelend. Am liebsten wäre er zu Semir gegangen und sich für den Rest des Tages krank gemeldet, doch er wusste dass sein Magen ihm nur einen Streich spielte und diese innere Unruhe, dieses innere Unwohlsein nur von der jetzigen schwierigen Situation her rührte.
    Die beiden traten in das Großraumbüro und Ben nickte seinem Partner, der gerade durch die Glasscheibe zwischen seinem und dem Gesamtbüro durchsah, zu. Semir winkte kurz, nahm etwas zu schreiben, und kam aus dem Büro heraus. Mit einem kurzen Händedruck begrüßte er Carina Bachmann, und wollte ihr schon den Weg zum Verhörzimmer zeigen, doch Ben kam ihm erst einmal mit etwas Freundlichkeit zuvor. "Möchtest du einen Kaffee?", fragte er, doch die junge Frau schüttelte nur den Kopf und ging den Weg, den Semir ihr gezeigt hatte. Scheinbar wollte sie den Spuk schnell hinter sich bringen.


    Die beiden Polizisten folgten ihr dicht. "Diese Tür bitte.", sagte Semir höflich und Carina trat ein. Ben hielt Semir, bevor der ebenfalls in das Verhörzimmer eintreten konnte, am Hemdsärmel fest. "Hey... lass mich bitte alleine mit ihr reden.", bat er leise. Sein erfahrener Partner seufzte. "Ben, die Diskussion hatten wir doch gestern abend schon..." "Ich weiß... aber... ach Mensch Semir. Ich hab einfach Angst vor dem, was sie erzählt, die Ungewissheit frisst mich aber genauso auf. Du kannst es dir doch ansehen, und eingreifen wenn dir was nicht gefällt.", sagte der Polizist und zeigte mit einer kurzen Geste auf die Tür neben dem Verhörzimmer. Dort konnten Beamte das Verhör mitverfolgen durch die verspiegelte Glaswand, die vom Verhörzimmer wie ein Spiegel aussah, von dem Nebenraum aber eine normale Glasscheibe war.
    Die beiden Männer sahen sich für einen Moment schweigend in die Augen, und Ben wiederholte nochmal mit Nachdruck. "Bitte, Semir. Dieses eine Mal..." Semir strich sich mit der Hand unsicher über seine kurz geschorenen Haare. "Na schön.", entschied er letztendlich und Ben atmete für einen Moment auf und wollte seinem besten Freund schon um den Hals fallen. "Aber ich komme rein, sobald ich merke, dass du nicht mehr objektiv bist, haben wir uns verstanden?" "Aye aye Sir... und danke.", sagte Ben in einer Mischung aus Flapsigkeit und Ernst. Er ging in das Verhörzimmer, während Semir, den Kopf leicht schüttelnd, die Tür nebenan öffnete.


    Carina hatte sich bereits an den Tisch gesetzt, wo das Mikrofon stand um den Ton in das Zimmer nebenan zu übertragen. Es war tatsächlich atmosphärisch so kalt, wie in den Kinofilmen, wenn einer der Bösewichte zum Verhör musste. Ben setzte sich Carina gegenüber, hatte die Akte von Vesoski und Drager vor sich auf dem Tisch. Für einen Moment blickten sie dich die beiden Erwachsenen nur an... tief in die Augen, als würden sie auf etwas warten. Letztlich war es Carina, die auf eine Frage des Polizisten wartete. "Lass uns dort weitermachen, wo wir gestern abend aufgehört haben. Was hast du mit diesem Drager zu tun?" Carinas Fingerkuppen reibten aufeinander und sie steckte mit ihrer Nervosität sofort Ben an. "Ich hab doch gesagt, dass das privat war. Es hatte nichts mit Björn zu tun.", beharrte sie weiter.
    Mit dem Finger öffnete der junge Mann die Akten vor sich. Dann drehte er sie zu Carina hin und schob sie ein Stück von sich weg. Carina sah nacheinander in das Gesicht von Vesoski und Drager, immer wieder hin und her. "Der Mann, der bei dir eingebrochen ist, ist dieser Vesoski. Der gleiche Vesoski hat gestern, als ich Drager verfolgt habe, sich mit ihm unterhalten und meinen Dienstwagen aufgebrochen." Carinas Augen waren immer noch auf die beiden Fotos gerichtet, ihre Zähne kauten auf der Unterlippe, und die Hände hatten den Tisch mittlerweile verlassen... die hatte sie zwischen die Oberschenkel geklemmt, weil sie ziemlich verkrampft da saß. Eine Körperhaltung, als müsse sie sich anstrengen, die Wahrheit für sich zu behalten. "Ich will dir helfen, Carina..." Bens Stimme war voll Vertrauen, aber er schaffte es nicht eine Antwort aus der jungen Frau heraus zu kitzeln. Sie schüttelte nur stumm den Kopf und sah für einen Moment zur Seite.


    Ben spürte bereits, dass Semir es bald nicht mehr hinter der Scheibe aushielt, also änderte er seine Strategie... er fuhr quasi den Weg, den jetzt Semir selbst wohl in seiner Rolle genommen hätte. "Wer hat deinen Bruder umgebracht?" Die Frage kam völlig unvermittelt für Carina, ihr Blick ging einmal kurz nach oben zu Ben, dann wieder runter auf die Tischplatte. "Warst du es?", fragte er dann, und diesmal war die Reaktion anders. Die Antwort kam blitzschnell, die grünen Augen starrten direkt in Bens Richtung. "Nein!!", sagte sie entschlossen, doch der Polizist ließ sich scheinbar von diesem Gedanken nicht abbringen. Es tat ihm in der Seele weh, Carina nun ein wenig quälen zu müssen, aber sie ließ ihm keine andere Wahl.
    "Ist er dahinter gekommen, dass du mit Drager und Vesoski in kriminelle Machenschaften verstrickt bist? Musste er deshalb sterben?" Carinas Herzschlag wurde schneller und schneller, wild sprang sie von dem Stuhl auf, so dass dieser klimpernd zu Boden fiel. "Du bist ja verrückt! Du mieses Schwein, wie kannst du mir sowas vorwerfen?? Ich habe meinen Bruder geliebt!!", schrie sie laut und Semir stand wie gebannt hinter der Fensterscheibe und beobachtete die Szene. Es war nur ein Instinkt, ein inneres Gefühl, das ihn abhielt, das Zimmer zu wechseln und in das Verhör einzugreifen. Er spürte, dass Ben einen Plan hatte, und die Situation im Griff, auch wenn Semir seinem besten Freund ansah, dass es ihm in der Rolle nicht besonders gut ging.


    "Wenn du deinen Bruder geliebt hast... dann würdest du mir sagen, wer der Mörder ist.", sagte Ben mit beinahe seelenruhiger Stimme, nachdem er seine Gesprächspartnerin auf die Palme gebracht hatte. Eine "Verhörtaktik", die er sich ein wenig von Kevins Verhalten in Diskussionen abgeguckt hatte. "Ich weiß nicht, wer Björn umgebracht hat!!", schrie Carina und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie schlug die Hände vors Gesicht, ihre Finger krallten sich in die ihre blonden Haare und sie taumelte mit dem Rücken zur Wand... und so fühlte sie sich jetzt auch. Umzingelt von Bens Ruhe und seiner Provokation zu ihrem Gefühlsausbruch. Wie konnte er nur auf einmal so grausam sein, und ihr vorwerfen, sie hätte ihren eigenen Bruder umgebracht...
    Ben spürte, dass er erreicht hatte, was er erreichen wollte. Carinas Widerstand schien zuerst einmal gebrochen, und so musste Ben auch nicht mehr das Polizisten-Arschloch spielen, stand auf und fasste die schluchzende junge Frau sanft bei den Schultern. Dann führte er sie zum Stuhl zurück, wo sie sich langsam wieder niederließ, und der Polizist konnte ihre bebenden Schultern spüren. "Wenn du nicht redest, kann ich dir nicht helfen. Ich will Björns Mörder fassen, aber dazu brauche ich deine Hilfe... bitte.", sagte er ruhig und ging neben dem Stuhl von Carina in die Hocke, legte eine Hand auf ihren Oberschenkel und strich ihr mit der anderen Hand zärtlich eine Strähne von der tränenverklebten Wange.


    Carina schüttelte kurz den Kopf. "Weißt du wie schwierig es ist, eine demenzkranke Frau zu pflegen. Nicht von meiner Psyche oder meinen Physis. Nicht, weil ich mit ansehen muss, wie meine eigene Mutter sich langsam zu einem unselbstständigen verwirrten Kind zurück entwickelt, oder weil ich jeden Tag zu Hause bin, keine sozialen Kontakte mehr habe und mich fühle, als wäre ich alleine auf der Welt... bis auf Björn...", sagte die junge Frau leise, nachdem der Tränenausbruch erstmal vorbei war. Ben hörte ihr stumm zu. "Nein... vom Finanziellen her. Wenn deine Mutter niemals eine Pflegeversicherung abgeschlossen hat, und der Staat dich auslacht und keinen müden Cent locker macht, wenn du selbst die Pflege nicht schaffst. Ich konnte nicht arbeiten gehen, Ben und bekam auch kein Arbeitslosengeld. Björn verdiente als Buchhalter und später bei der Versicherung nicht viel. Hambrecht, dieser Kotzbrocken, bezahlt Hungerslöhne bei seiner Versicherung, aber Björn hatte Angst, nichts anderes mehr zu finden. Wir hatten wirklich ernsthafte Geldsorgen, weswegen es auch nie in Frage kam, Mama in ein Heim zu geben. Selbst wenn wir es gewollt hätten, wir konnten es nicht." In Bens Kopf schien es, als setze sich ein Puzzle langsam Stück für Stück zusammen. Manche Stücke schob Carina selbst in die Position, wo sie hingehören, andere steckte Ben selbst zusammen. Das Ergebnis machte ihm Angst. "Habt ihr deshalb für Drager und sein Kartel gearbeitet?", fragte er langsam und seine Muskeln spannten sich an. Die junge Frau schüttelte, mit Blick zum Boden, langsam den Kopf.

    "Nein... also... ich nicht.", sagte sie leise. "Björn hat für ihn gearbeitet. Hat irgendwelche Informationen der Versicherung verkauft, wegen den Bränden und so. Und später hat er die Buchhaltung für sie gemacht. Er hat mir immer alles erzählt, wir hatten keine Geheimnisse voreinander.", sagte Carina, und wieder drückten sich einige Tränen aus ihren Augen. "Aber er wollte nicht mehr. Es war ihm zu Gefährlich wegen der Polizei, er hatte Angst, uns alleine zu lassen. Wir hätten aber noch Geld gebraucht, also...", ihre Stimme stockte für einen Moment und Ben ermunterte quasi nur durch seinen Blick, dass sie weitererzählte. "Also haben wir Drager erpresst. Björn hatte Beweise, Unterlagen mit denen der ganze Laden dort aufgeflogen wäre, weil sie Björn vertraut haben. Wir hatten gedacht, dass das ein paar Versicherungsvertreter sind, und keine Mörder..."
    Ben atmete tief durch... zumindest hatte Carina sich keine schwere Straftat zu schulden kommen lassen, ausser der Erpressung. "Und du hälst die Erpressung jetzt noch aufrecht?", wollte Ben das letzte Puzzleteil einsetzen. "Obwohl die Kerle deinen Bruder getötet haben?" Die blonde Frau nickte. "Ich brauche das Geld einfach. Und Drager weiß, dass es des Zufalls zuviel wäre, wenn auch noch die Schwester des Mordopfers tot aufgefunden wird. Deswegen fühlte ich mich sicher. Aber er versucht mir Angst zu machen, sagt dass ich ihm die Dokumente überbringen soll, und es würde mir nichts passieren..." Die Dokumente, die Vesoski vermutlich gestern abend gesucht hatte... das Puzzle war komplett. "Ben... bitte... ich kann Mama nicht alleine lassen. Ich musste doch etwas tun... wir mussten etwas tun. Wir haben es nur gemacht, damit wir sie ordentlich pflegen können, und damit wir eine Einrichtung bezahlen können, wenn uns mal etwas passiert. Du... du darfst mich nicht einsperren..."

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    Einmal editiert, zuletzt von Campino (10. März 2016 um 02:30)

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    • #67

    Dienststelle - 9:40 Uhr


    Ben musste erstmal durchatmen... und das konnte er nicht im Verhörzimmer. Dort war die Luft voller Spannung, sie kam ihm stickig und verbraucht vor, obwohl das Verhörzimmer an die Klimaanlage der Dienststelle angeschlossen war. Es war ein rein subjektives Empfinden, dass der Polizist mal raus auf den Flur musste, er tätschelte Carina kurz an der Schulter, die immer noch zusammengesunken auf ihrem Stuhl saß und leise schluchzte, bevor er den Raum verließ. Draussen lehnte er sich an die Wand, fuhr sich mit beiden Händen durch die, heute etwas wild stehenden langen Haare, und sah gedankenverloren zur Decke, als stünden dort alle Lösungen aufgeschrieben. Es war nicht so schlimm, wie es Bens schlimmste Befürchtungen waren, aber trotzdem bereitete ihm dieses Geständnis Kopfzerbrechen.
    Semir, der im Nebenraum das Verhör beobachtete, verließ diesen ebenfalls als er sah dass Ben kurzzeitig das Verhör unterbrach. Jetzt kam er nach drausse, stellte sich schräg gegenüber von Ben und stemmte die Hände in die Hüfte. Er war stolz auf seinen besten Freund, hatte der doch jegliche persönliche Aversionen professionell unterdrückt und gegen Carina sogar kurzzeitig das "Böse-Bullen-Programm" durchgezogen, was letzendlich dann auch zum Erfolg geführt hatte. Semir wusste, wie schwer das Ben gefallen sein muss.


    "Und, was denkst du?", fragte der jüngere der beiden Männer und Semir legte den Kopf ein wenig schief. "Ich weiß nicht.", meinte der erst, bevor er dann doch zu einer etwas ausführlicheren Antwort kam: "Also gut ist schon mal, dass sie scheinbar wirklich ohne jegliche kriminelle Energie da drinhängt, und die Erpressung mehr oder weniger verzweifelt von ihrem Bruder fortgesetzt hat. Wenn sie sich da geschickt verhält, dürfte sie rechtlich nichts zu erwarten haben." Ben nickte und das war auch das, was ihn so erleichterte. Einerseits. "Was natürlich weniger gut ist: Wir wissen immer noch nicht sicher, wer Björn Bachmann erschossen hat und selbst wenn wir Drager verhaften könnten, löst das Carinas Problem noch lange nicht.", wobei er bei dem Wort Problem Daumen und Zeigefinger aneinanderrieb.
    "Das wäre ja momentan noch das geringste Problem...", meinte Ben ein wenig entrückt... natürlich würde er Carina unterstützen, schließlich war er dazu in der Lage. Das erste, von Semirs beschriebenen Negativpunkten war dagegen schwerer zu lösen. "Drager ist ein Profi. Der wird für den Zeitpunkt ein wasserdichtes Alibi haben. Dass er es war, daran zweifel ich nicht. Die Bewegung, die er gemacht hat, als er vor meinem Auto stand, war eindeutig.", sagte Ben voller Überzeugung. "Das ist ja gut und schön, aber wie weisen wir es ihm nach?"


    Für einen Moment war es auf dem Flur mucksmäuschenstill. Beide Polizisten dachten nach, suchten nach der Lösung, dem Geistesblitz, der sie einen Schritt vorwärts kommen lassen würde. "Warum Drager ständig bei ihr ist, hast du nicht gefragt...", dachte Semir nun laut und sah Ben an, der den Kopf schüttelte. "Nein... aber vielleicht versucht er, Carina einzuschüchtern und die Papiere kostenlos zu fordern. Schließlich weiß sie jetzt, was mit ihrem Bruder passiert ist." "Aber warum bringen sie Carina nicht auch um? Oder setzen sie anders unter Druck?" Semirs Frage war berechtigt. Sollte es wirklich nur deshalb sein, um weniger Aufsehen zu erregen. Das hatten sie aber doch schon mit dem Mord an Björn Bachmann getan. "Vielleicht...", überlegte Semir nun wieder laut. "Vielleicht war der Mord ein Unfall."
    Ben zog die Stirn in Falten und sah Semir verständnislos an. "Ein Unfall? Mit einem Scharfschützengewehr?" "Warum nicht? Wenn Drager Björn vielleicht nur verletzten wollte. Oder erschrecken, vielleicht sogar nach der Geldübergabe. Nach dem Motto: Du hast dein Geld, versuch das nicht noch einmal. Jetzt war es kalt, der hat gezittert oder ist verrutscht, oder was weiß ich... und statt Bachmann zu erschrecken, erschiesst er ihn. Als er sieht, dass er tot ist, schnappt er sich das Geld wieder, wobei er ein paar Scheine verliert." Ben war von Semirs Theorie nicht ganz überzeugt, aber sie klang zumindest ein wenig plausibel. "Vielleicht schrecken die Typen doch vor Mord zurück. Sonst hätten sie dich und Kevin auf der Autobahn doch auch wegpusten können."


    "Komm mit rein.", sagte Ben dann plötzlich und trat wieder in das Verhörzimmer. Carina hatte sich ein wenig beruhigt und sah nun mit geröteten Augen auf, als Semir und Ben ins Zimmer kamen. "Was will Drager von dir, wenn er zu dir kommt?", fragte Ben dann wieder mit ruhiger Stimme, setzte sich Carina gegenüber während Semir stehen blieb. Der Blick der jungen Frau auf den erfahrenen Beamten war etwas unsicher. "Er... er droht mir. Er sagt, ich würde alles schlimmer machen, und mir würde nichts passieren, wenn ich ihm die Unterlange einfach gebe. Er versucht, mich einzuschüchtern." "Und sie haben keine Angst davor, dass nicht doch etwas passieren könnte?", fragte nun Semir. "Doch, natürlich habe ich Angst. Aber... es ist meine einzige Chance." Ihr Blick ging wieder zu Ben. "Die einzige Chance, Ben. Zumindest eine Teilzeitpflege zu bezahlen, damit ich mal wieder raus kann."
    "Wo sind die Dokumente jetzt?" "In einem Bankschließfach." Carina saß wieder aufrecht, ihre Hände auf dem Tisch. Irgendwie erschien sie doch ein wenig erleichtert, dass sie alles erzählt hatte, auch wenn ihr klar war, dass das Geld, das sie so dringend benötigte, jetzt futsch war. "Ich wollte einfach nicht, dass Björn umsonst gestorben ist. Deswegen habe ich die Erpressung weiter durchgezogen. Ich bin nicht kaltherzig, ich hab meinen Bruder geliebt, bitte glaubt mir das." Ben ergriff eine der beiden Hände auf dem Tisch und nickte. "Wir glauben dir das, Carina."


    Auch Semir war innerlich davon überzeugt, dass Carina die Wahrheit sagte. In fast 20 Jahren bei diesem Verein lernte man so etwas wie Menschenkenntnis, und das war auch nötig. Man musste in Sekunden abwägen, ob jemand log, oder die Wahrheit sagte und manche Menschen waren schwieriger zu durchschauen als andere. "Hat Drager mal ihren Bruder seit dessen Tod erwähnt?" "Er hat nur einmal gesagt, dass es mir so gehen würde wie Björn. Das war, als du uns vor dem Haus beobachtet hast.", sagte die junge Frau in Bens Richtung. Sie brauchten wohl ein Geständnis, über die Beweisführung war Drager der Mord nicht nach zu weisen. "Na gut, Carina... ich glaube, das wars erstmal. Wir fahren jetzt zusammen deine Mutter abholen, und vorher gehen wir die Unterlagen holen, okay?", sagte Ben und Carina nickte dankbar. Sie fühlte sich müde, aber auf der anderen Seite auch ein bisschen erleichtert. Der Alptraum würde zwar kein Happy-End für sie haben, aber er neigte sich dem Ende zu.
    Ben holte seine Winterjacke vom Stuhl und bedankte sich nochmal bei Semir für dessen Vertrauen, dass er das Verhör alleine führen durfte. "Kein Problem. Hast du sehr gut gemacht.", hatte der erfahrene Ermittler auch noch ein Lob übrig. "Wenn du wieder da bist, reden wir mit der Chefin. Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung. Ausserdem soll sich eine Zivilstreife des Personenschutzes in der Nähe von Carinas Haus postieren, nur zur Sicherheit." Ben stimmte seinem Partner zu und verabschiedete sich.

    Wenn Engel hassen

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    • 12. März 2016 um 06:18
    • #68

    Dienststelle - 11:00 Uhr


    Ben hatte sich ein wenig Zeit gelassen. Er und Carina hatten Hermine Bachmann aus der Betreuungseinrichtung abgeholt und nach Hause gebracht. Dort hatten sie noch kurz geredet. Carina schien sehr erleichtert, und ihr Zorn auf Ben von gestern abend schien verflogen. Sie hatte eingesehen, dass er nur seinen Job machte, und dass hinter seinen Besuchen keine doppelte Absicht steckte. Kleinlaut entschuldigte sie sich und hatte gleichzeitig große Angst davor, ins Gefängnis zu kommen. Aber der Polizist versuchte sie zu beruhigen, sie solle sich jetzt keine Gedanken machen, ihr Haus würde bewacht werden und er würde versuchen, Drager so schnell wie möglich hinter Gitter zu bringen. "Wir schaffen das schon. Vertrau mir, du musst nicht ins Gefängnis.", sagte Ben, als er sich verabschiedet hatte. "Ich weiß, dass es falsch ist, was ich getan habe. Aber...", sagte Carina leise und schaute mit traurigem Blick auf ihre Mutter, die müde im Sessel saß.
    Carina händigte dem Polizisten noch einen kleinen Schlüssel für das Bankschließfach aus, sowie eine Bevollmächtigung, dass Ben das Schließfach öffnen und den Inhalt mitnehmen durfte. Dies gelang ihm bei der Bank dann auch ohne Zwischenfälle, auch wenn er mit der kleinen Klemmakte in der Hand auf dem Weg vom Bankgebäude bis zu seinem Dienstwagen mehr als einmal um sich schaute.


    Jetzt lag die Akte auf dem Schreibtisch der Chefin und wurde von ihr kritisch beäugt. Vieles davon war auf niederländisch geschrieben und deswegen für alle drei unverständlich, einiges aber auch auf Deutsch, den Rest reimten sie sich zusammen. "Informationen und Notizen von Drogengeschäften... Abrechnungen von Prostituierten und Unterlagen von den Bränden des Sportgeschäfts. Alle Achtung, meine Herren.", sagte die Chefin nickend. "Damit werden die Kollegen in Holland bestimmt etwas mit anzufangen wissen." Lächelnd klappte sie die Akte zu und sah zu ihren beiden besten Mitarbeitern auf, die vor ihrem Schreibtisch auf den Stühlen saßen und noch nicht ganz zufriedene Gesichter machten. "Was ist los? Hat es ihnen die Sprache verschlagen?"
    "Naja, Chefin... wir wissen nicht wie weit der Drager da mit drin hängt. Er ist unser Hauptverdächtiger für den Mord an Bachmann, und es wäre fatal, wenn er wegen dieser Sache vielleicht mit einem blauen Auge davon kommt.", sagte Semir mit leicht wankenden Kopfbewegungen. "Für den Mord fehlen uns aber die stichhaltigen Beweise. Wir haben nur lose Indizien und sie wissen ja, wie das bei diesen Kartellen ist... wenn Drager nicht doof ist, hat er ein Alibi.", ergänzte dessen Partner. "Hmm... vielleicht finden sich in den Aufzeichnungen Hinweise auf weitere Morde." Die Chefin hob, während sie die Vermutung anstellte den Deckel der Akte noch einmal nach oben. "Bis die holländischen Kollegen das durchgearbeitet haben, ist der Typ vielleicht über alle Berge."


    Anna Engelhardt stützte ihre Ellbogen auf den Schreibtisch. "Was schlagen sie stattdessen vor, meine Herren?" Ben senkte den Kopf etwas und fuhr sich mit der Hand über die Stirn, ein untrügliches Zeichen der Ideenlosigkeit. "Wenn Carina Bachmann zum Schein doch bei Drager dem Druck nachgibt... und ein Treffen verabredet, um ihm die Dokumente zu übergeben?", dachte Semir laut und sah erst die Chefin, dann Ben herausfordernd an. "Bist du wahnsinnig? Was ist, wenn der Typ sie umlegt?", sagte Ben erregt und zeigte seinem Partner einen Vogel. "Das geht auf keinen Fall, Semir.", beharrte auch seine Vorgesetzte. "Nana... wenn Drager Carina oder ihrer Mutter hätte Leid antun wollen oder dürfen, dann hätte er das längst getan. Ich glaube nicht, dass sie gefährdet ist." "Jetzt komm mir bitte nicht wieder mit deiner Theorie, dass der Mord nur ein Versehen war." Ben sah seinen Partner ein wenig schnippisch von der Seite an.
    Semir seufzte: "Wenn Carina bei der Übergabe Drager zu einem Geständnis bringt, wenn sie ihn auf ihren Bruder anspricht... dann hätten wir ihn." Ben schüttelte den Kopf. "Natürlich müssen wir sie überwachen. Stimmenrekorder, GPS in der Kleidung, das ganze Programm." Die Chefin fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Lippen. "Soviele Finger habe ich gar nicht an beiden Händen um aufzuzählen, wieviele Dienstvorschriften wir dafür brechen müssten." "Chefin, es ist aber nun wahrlich nicht die erste Übergabe, die wir arrangieren... und schon gar nicht die Erste innerhalb der Dienstvorschriften." Ben nickte: "Da hat er recht, Chefin.", meinte er schmallippig und Frau Engelhardt verengte ihre Augen zu Schlitze. "Das soll Frau Bachmann entscheiden, ob sie das tun will oder nicht. Spätestens morgen gehen die Unterlagen nach Holland."


    Ben und Semir verließen das Büro der Chefin, als der größere Beamte seinen kleineren Freund am Kragen kurz festhielt. "Bist du dir wirklich sicher bei dieser Idee? Ich habe echt Angst um Carina. Die Typen wissen doch, dass sie Kontakt zur Polizei, zu mir hat." Semir seufzte kurz, sah für einen Moment auf den Boden, bevor er seinen Blick nach oben zu Ben richtete. "Frag mich nicht wieso... Instinkt, Gefühl... aber ich glaube, die werden Carina nichts tun. Ich kann dir nicht sagen, warum. Aber dann hätten sie es schon längst getan. Es muss einen Grund geben, warum sie Björn Bachmann, falls es kein Versehen war, eiskalt umbringen und es bei Carina mit warmen und drohenden Worten versuchen. Irgendetwas muss da dahinter stecken." "Versteh mich nicht falsch, aber nur dein Instinkt ist mir ne Spur zu vage, mein Freund." "Ben... wir werden sie schützen, mit allem was wir haben." Er legte dabei seine Hand auf Bens Schulter und sah seinem Freund in die Augen. Kurz verharrte er dann aber, bevor er sagte: "Aber wenn sie nicht möchte, werden wir sie nicht zwingen. Und wenn du es nicht mit dir selbst verantworten kannst... dann werden wir sie gar nicht erst fragen, okay?" Er legte damit zwar die letztendliche Entscheidung in Bens Hand, aber er tat es aus gutem Grund. Carina war nicht irgendeine Zeugin... Ben fand sie sympathisch, vielleicht empfand er sogar mehr für sie. Da fand Semir es nur recht und gerecht, wenn Ben in dieser Sache das letzte Worte hatte.


    Gerade, als Semir sich von seinem Partner abgewendet hatte und einige Schritte ging, kam Ben der Gedanke, den er Semir eigentlich schon heute morgen mitteilen wollte. "Kevin hat übrigens geschrieben. Es ist alles okay." Semir blieb kurz stehen, mit dem Rücken zu Ben und schien kurz zu überlegen, ob er es einfach ignorieren sollte, oder antworten sollte. Es dauerte kurz, bis er den Kopf zu Ben herumdrehte: "Schön für ihn. Hoffentlich holt er sich keinen Sonnenbrand.", sagte er scharf und seine Stimmung kippte in Sekundebruchteilen. Sein Partner verdrehte die Augen: "Ach Semir, hör doch auf. Du willst mir doch nicht erzählen, dass es dich nicht interessiert, was er dort macht und wie es ihm geht."
    Nun drehte sich Semir dann doch um, und blickte Ben mit ernstem Blick an. Es war erstaunlich, wie schnell sein Gemütszustand wechselte, fand Ben, denn das war früher nicht so. "Nein, es interessiert mich nicht, Ben. Ich habe es dir auch gestern schon gesagt. Kevin kann mir gestohlen bleiben." Ben ging einige Schritte auf Semir zu und schob ihn in ihr eigenes Büro. Im Großraumbüro war, ausser Andrea, keine Menschenseele, aber die Chefin musste durch die geschlossene Tür die Unterredung ja nicht unbedingt mitbekommen. In Semir brodelte es, und er spürte dass sein Bauch, seine Emotionalität gerade anders redete, als sein Kopf dachte. "Das kannst du nicht ernst meinen, Semir.", sagte Ben ein wenig fassungslos und sah, wie sein Partner sich an den Türpfosten lehnte. "Doch, ich meine es ernst. Was er getan hat, kann ich nicht vergessen. Es ist mir egal, Ben. Es ist mir völlig egal, was er macht oder wo er ist."


    Wütend wollte Semir seinen Partner stehenlassen und durch das Großraumbüro Richtung Flur gehen, als Jenny gerade zur Tür hereinkam, und ein wenig verloren da stand. Ihre Wangen waren leicht gerötet, sie hatte leichte Schatten unter den Augen und sah nicht wirklich gesund aus. Sie hatte die lauten Worte Semirs noch mitbekommen und blickte den kleinen Polizisten traurig an. "Jenny... was machst du denn hier?", fragte Andrea erstaunt. "Ich dachte, du seist krank." Die junge Frau nickte und kam zu Andrea an den Schreibtisch. Die Geheimniskrämerei lähmte sie, sie hatte heute morgen nur die kurze Nachricht von Kevin gelesen, was sie einerseits freute, andererseits die Einsamkeit noch verdeutlichte. Sie wusste, dass er für sie da war, und war trotzdem nicht da. Es schmerzte sie so sehr, dass ihr zu Hause schnell die Decke auf den Kopf fiel. "Ich konnte nicht mehr alleine zu Hause sein. Ich fühle mich so einsam.", sagte sie leise und ließ sich erstmal von Andrea in den Arm nehmen.
    Nachdem Semir und Ben gestern schon vermutet hatten, dass Jenny sich komisch benahm und das noch auf Kevins Verschwinden schoben, waren sie jetzt nicht mehr so sicher. "Jenny, was ist los... in den letzten Tagen? Also nicht nur die Sache mit Kevin.", fragte Ben einfühlsam. Er hatte einen besonderen Draht zu Jenny und berührte sie sanft am Oberarm. "Kommt Männer, habt ihr nicht irgendeinen Einsatz zu fahren?", wollte Andrea die beiden abwimmeln, weil sie ja wusste, dass Jenny ihre Schwangerschaft geheim hielt. "Nein... lass sie... ich mag es nicht mehr verheimlichen.", unterband Jenny den Abwimmlungsversuch. "Ich... ich bin schwanger. Von Kevin."


    Für einen Moment hätte man im Büro eine Stecknadel fallen hören können. Semir und Ben sahen Jenny an, dann zu ihrem, immer noch flachen Bauch, und wieder zu Jennys Gesicht. "Schwanger?", wiederholte Ben und Semir fuhr sich über den Kopf. Normalerweise war so eine Nachricht ein Anlaß zum Glückwunsch, aber aus Jennys kompletter Körperhaltung, ihrem Aussehen und den Umständen um Kevin, sah man ihr an, dass sie momentan alles andere als glücklich war. "Ich habe es vorgestern erst erfahren." "Weiß... weiß Kevin Bescheid?", fragte der größere der beiden Polizisten. Die junge Frau nickte: "Ja. Ich... ich wollte es ihm am Telefon sagen, aber ich erreiche ihn nicht. Und nachdem ich heute nacht... einen schrecklichen Traum hatte... da hab ich ihm geschrieben. Ich hab es einfach nicht mehr ausgehalten." Sie zeigte die Nachricht und Kevins Antwort den beiden Polizisten. Semirs Zorn verflog nicht, aber er legte sich zumindest.
    Dann offenbarte Jenny die Angst, die sie hatte, weshalb ihr Kevins Nachricht auch Kummer bereitete: "Ich habe solche Angst, dass ihm was passiert. Ich fühle mich jetzt schon so alleine... wenn...", sagte sie stotternd, und Semir, der eben noch so wütend über den jungen Polizisten in Kolumbien war, fiel ihr ins Wort: "Hey Jenny... du kennst ihn doch. Ihm wird nichts passieren. Ausserdem...", und dabei blickte der erfahrene Beamte Jenny fest an. "Du bist nicht alleine, Jenny. Niemals!" Dabei lächelte er warmherzig und schaffte es, auch Jenny ein kleines Lächeln ins Gesicht zu zaubern...

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    • 16. März 2016 um 02:02
    • #69

    Motel - 8:00 Uhr


    Juan spürte in sich eine eigenartige Mischung aus Vorfreude und böser Vorahnung, er war entspannt und angespannt zugleich. Er kannte das von sich selbst überhaupt nicht. Eigentlich war er ein Typ, der locker an jede Herausforderung heranging, Leute die ihn kannten beschrieben ihn als Sunnyboy, dem nichts die Laune vermiesen konnte. Nur im Geschäftsleben auf der kriminellen Seite konnte er knallhart sein. Jetzt wagte er es, und stellte sich mit diesem Unternehmen gegen den Chef des größten Kartells, Santos. Auch wenn er selbst bei dem folgenden Geschäft nicht aktiv etwas tat, so war er doch beteiligt. Er war es, der Esteban gestern abend noch angerufen hatte und dem mexikanischen Nachtclub-Besitzer aus Medellin die Idee, sich mal wieder in paar Mädchen für seinen Schuppen bei Santos zu besorgen, schmackhaft zu machen. Und nebenbei ein Mädchen mehr dort auszusuchen, als er brauchte... nämlich Annie.
    Der Kolumbianer verschwieg Esteban den eigentlichen Beweggrung für diese Aktion und gab vor, dass er selbst Interesse an der kleinen Europäerin hatte. Der Nachtclub-Besitzer war für Juan kein Freund, höchstens ein Geschäftspartner, bei dem er keinen Wert auf Ehrlichkeit und Offenheit legte. Wichtig war nur, dass Santos keinen Verdacht schöpfte, und da sah Juan gute Chancen, da Esteban sich schon öfters Mädchen bei dem Kartellchef "besorgt" hatte. Er hatte Kevin gestern abend noch eine Nachricht geschickt, dass Esteban einverstanden war und am Morgen bereits eintreffen würde. Sie machten einen Treffpunkt ab, der ausserhalb des Viertels lag, um Annie quasi auszutauschen.


    Als Juan jetzt, zum verabredeten Treffpunkt vor dem Motel stand und wartete, wurde er doch etwas nervös, denn Kevin ließ sich Zeit. Irgendwann, ungefähr 10 Minuten zu spät, kam er dann doch aus der Eingangstür des Motels, und der Kolumbianer musste zweimal hinsehen. Der junge Mann, der da jetzt mit langsamen Schritten aus der Tür kam hatte nichts mehr von seiner gestrigen Entschlossenheit und dem unbedingten Drang, Annie aus Santos Händen zu befreien. Sein Blick schien unsicher, seine Haare, gestern noch in alle Richtungen stehend, lagen beinahe andächtig flach beisammen. Nur wenn der Wind auffrischte hatte seine Frisur etwas von der Gestrigen. Den Blick immer wieder auf den Boden gerichtet kam er zu dem Geländewagen und stieg auf der Beifahrerseite ein.
    "Schlecht geschlafen?", war Juans Begrüßung und der Polizist neben ihm nickte stumm, als er die Tür zu zog. "Was ist los?" Kevin seufzte und sah aus dem Fenster. Es hatte sich gestern alles geändert, auf einen Schlag. Jenny war schwanger... von ihm. Er würde Vater werden und war tausende Kilometer weit weg von seiner Freundin, begab sich mehrfach in Lebensgefahr um eine Frau zu retten, die seinen Partner hätte sterben lassen für ihre Ideologie. Kevin hatte in Deutschland Ben und Jenny vor den Kopf gestoßen, Semir war er in den Rücken gefallen und die Chefin hatte er dreist belogen. Er hatte gestern wirklich nicht damit gerechnet, dass ihn auch nur einer von denen Wert darauf legte, dass er nach Deutschland zurück kehrte.


    Doch jetzt war alles anders. Plötzlich ergab hier alles keinen Sinn mehr. Der Dämon, der ihn verfolgte und zwang, Annie zu helfen als Ausgleich, als hilfloser Versuch etwas gut zu machen, wobei er vor 11 Jahren versagt hatte, war plötzlich unverständlich geworden. Er wusste nicht mehr, wohin er Kevin treiben sollte... zu Annies Rettung, oder nach Hause um sein Kind zu schützen. Letztendlich ließ er den jungen Mann hilflos zurück, der sich auch genauso fühlte... desorientiert und plötzlich in allem unsicher. "Ich... ich weiß nicht, ob es richtig ist, was wir machen.", sagte er irgendwann, als Juan den Geländwagen bereits auf die Straße gelenkt hatte, und jetzt mit einer Vollbremsung am Straßenrand zum Anhalten kam.
    "Wie bitte?", fragte der Kolumbianer verständnislos, und sah zu seinem Beifahrer herüber, der seinen Blick aus der verstaubten Frontscheibe richtete, sich auf die Lippen biss und ein wenig die Augen zukniff. "Ich sagte, ich weiß nicht, ob es richtig ist was wir machen." "Ich hab dich schon verstanden, Mann. Ich will nur wissen, was du damit meinst!", fuhr der Kolumbianer ihn an. Kevin schluckte... "Es hat sich... alles ein wenig verändert." Nun war es auch Juan, der sich desorientiert fühlte. Was war denn nun los? Der junge Mann, der gestern noch davon redete, sich symbolisch eine Kugel zu verpassen, wenn er es nicht schaffte seinen Dämon durch Annies Rettung zufrieden zu stellen, war auf einmal unsicher? Das kalte Feuer in den hellblauen Augen war vollständig verschwunden, die sichere Haltung in seiner Statur schon auf dem Weg zum Wagen verloren gegangen.


    "Was ist los? Esteban ist auf dem Weg hierher. Der hat mit Santos alles abgeklärt! Und du bist dir auf einmal nicht mehr sicher? Warum nicht??" Juan verstand die Welt nicht mehr und Kevin litt Höllenqualen. Wie gerne hätte er jetzt seine Helferlein dabei, die auf jedes Problem ein Hochgefühl als Antwort haben. Er würde Juan keinesfalls davon erzählen, was ihn in dieser Nacht so durcheinander gebracht hatte. So sehr er sich jetzt auch auf den Kolumbianer verließ... völlig vertrauen tat er ihm nicht. Er hatte bisher nichts von sich preisgegeben, weder seinen Beruf, noch wo er genau herkam. Er sprach nur davon, dass er vieles in Deutschland aufgegeben hatte, was Freundin und Freunde anging.
    Kevin hatte Angst, dass etwas schiefgehen konnte, und Juan und er sich vielleicht doch nicht freundlich trennten. Das Wissen, dass Kevin eine kleine Familie zu Hause hatte, ein Kind bekommen würde, wollte er Juan nicht geben, zu groß war die Angst vor einer Rache des Kolumbianers... oder einer Rache von Santos, falls dieser Juan unter welchen Mitteln auch immer zum Reden bringen würde. Nein, davon durfte niemand hier erfahren... niemand! "Du hast recht... das war Blödsinn.", wischte Kevin die Zweifel zumindest äusserlich bei Seite. "Es ist nichts. Lass uns die Sache durchziehen."


    Juan sah immer noch misstrauisch zu Kevin herüber, der es immer noch nicht schaffte, seinem Fahrer in die Augen zu schauen... untypisch für den jungen Polizisten. "Na schön...", sagte er langsam und brachte den Wagen wieder auf die Straße und ins Rollen. "Esteban wird gegen 9:30 Uhr bei Santos eintreffen und den Deal abwickeln. Er holt fünf Frauen für seinen Club, und Annie als sechstes. Danach treffen wir uns in einem kleinen Stück Dschungel in der Nähe des Rio Cauca, eine halbe Stunde von Bogota weg. Dort wird Esteban Annie quasi "übergeben", und ich bringe euch auf dem schnellsten Wege zum Flughafen. Das letzte Stück fahrt ihr alleine, damit mich niemand sieht. Alles klar?", erklärte Jaun den Plan, und Kevin nickte ein wenig abwesend.
    Trotzdem hörte der Polizist natürlich zu. "Was ist, wenn die am Flughafen auf uns warten?", fragte er, und sein Fahrer schüttelte den Kopf. "Bogota lebt auch noch vom Tourismus. Die Politik wäre sehr ungehalten, wenn die Urlauber durch eine Schießerei am Flughafen gestört werden. Dort kann euch am allerwenigsten passieren. Wenn sie uns im Dschungel abfangen, haben wir verloren." "Und was ist dann mit dir?" Kevin sah nun etwas verwundert drein, denn gestern hatte Juan es noch, verständlicherweise abgelehnt, seine komplete Existenz in Kolumbien zu riskieren. Der spitzte nun ein wenig die Lippen. "Falls es wirklich kommt, dass Santos misstrauisch wird... und das wird er... und uns erwischt... dann werde ich sagen, dass ich euch beide zusammen aufgegalbelt habe. Annie wird er wieder mitnehmen, und dich kann ich vielleicht frei pressen." "Ist das dein Ernst? Er wird sie dann einfach töten!", sagte der Polizist empört. "Ja, das wird er.", bestätigte der Kartellboss unverhohlen. "Ich habe dir von vorneherein gesagt, dass ich für dich nicht alles aufs Spiel setze. Das ist mein Angebot. Wenn schiefläuft, haue ich dich raus, und er nimmt sie mit... oder...", Juan verstummte kurz und erinnerte sich an Kevins Gespräch von gestern abend. "Oder was?", versuchte der ihm auf die Sprünge zu helfen. "Oder umgekehrt... ich presse Annie frei... und er wird dich mitnehmen. Es liegt dann ganz an dir."Der Polizist sah herüber zu seinem kolumbianischen Fremdenführer und presste die Lippen zusammen, während sein Dämon im Kopf höhnisch lachte und sich die Hände rieb...

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    • 17. März 2016 um 03:18
    • #70

    Dienststelle - 14:00 Uhr


    Ben saß an seinem Schreibtisch, die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt und die Daumen aneinander reibend. Er starrte dieses komische Ding aus Hartplastik mit den 12 Tasten und der Verbindungsschnur an, als wäre es ein Ding aus einer anderen Welt. "Was ist denn jetzt? Machen wir es, oder nicht?", fragte sein Gegenüber zusehends genervt von Bens Unentschlossenheit, und wieder kam als Antwort nur ein interpretierbares Kopfwanken und ein summähnlicher Ton aus Bens Kehle. Er war hin und her gerissen zwischen Angst um Carinas Sicherheit, und dem Druck, den Mörder ihres Bruders zu finden. Er hatte es versprochen, doch die Situation hatte sich um 180 Grad gedreht. Die Chefin wollte es Carina Bachmann überlassen, ob sie den Lockvogel in einer fingierten Übergabe spielen wollte, Semir überließ es wiederrum Ben, überhaupt die Frage zu stellen.
    "Ich würde es mir nicht verzeihen, wenn ihr etwas passiert, Semir.", sagte er in Gedanken und strich sich mit den beiden Daumen seiner ineinander verschränkten Fingern über die Lippen. Semir presste die Lippen zusammen, und verstand seinen Partner natürlich. Klar machte er sich Sorgen, aber es war die vielversprechendste Möglichkeit, den Mord aufzuklären, seit sie an diesem Fall arbeiteten. Ausserdem hatten sie jetzt den Druck, dass die Unterlagen morgen nach Holland verschickt wurden, und Drager dann wegen den illegalen Geschäften des Kartells hinter Gitter ging. Im dann nachträglich den Mord nach zu weisen, würde fast unmöglich werden.


    "Ich werde dich zu nichts verleiten. Aber du weißt selbst, dass wir wohl bis morgen keine anderen Chance haben, Drager den Mord nachzuweisen." Ben nickte, wieder rasten die Gedanken durch seinen Kopf, wieder wog er ein Für und Wider ab, bis er schließlich den Hörer in die Hand nahm, und Carinas Handynummer wählte. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis die junge Frau sich am Telefon mit ihrem Familiennamen meldete. "Hallo Carina, hier ist Ben." "Ben... was gibts denn noch?", fragte sie mit müder Stimme. Entweder hatte sie gerade etwas geschlafen, oder aber sie war gerade wieder in einer anstrengenden Situation zu Hause mit ihrer Mutter. Im Hintergrund konnte der Polizist die klagende Stimme der alten Frau hören, die nach ihrer Mutter suchte und rief.
    "Ist alles okay bei dir?" "Jaja, nichts aussergewöhnliches. Warum rufst du an?" Ben druckste ein wenig herum. "Also... mit den Unterlagen können wir zwar vermutlich einen großen Teil des Kartells hinter Gitter bringen... allerdings wird es dann schwierig, den Mord deines Bruders nachzuweisen. Ich denke mal... dass dir das wichtig ist, oder?" Die Frage war eigentlich vollkommen überflüssig, aber Ben war ein wenig verlegen, weil er noch während des Gespräches überlegte, wie er die Frage verpacken konnte. "Ja natürlich ist mir das wichtig.", bestätigte Carina. "Wir müssen spätestens morgen die Unterlagen nach Holland schicken, und dann wird die Falle schnell zuschnappen. Wenn Drager erstmal als Teil des Kartells verhaftet ist, werden wir ihm den Mord nicht mehr nachweisen können.", erklärte er und seine Gesprächspartnerin hörte aufmerksam zu.


    "Wir... wir bräuchten... deine Hilfe." "Meine Hilfe?", wiederholte sie und schien nicht zu verstehen. "Richtig... wir haben uns gedacht, dass du... vielleicht bei einer fingierten Übergabe, ihn zu einem Geständnis bringen kannst." "Bei der Übergabe der Papiere, die Drager verlangt?" "Genau. Du rufst ihn an und sagst, dass du einknickst... dass du Angst hast, oder so. Bei dem Treffen werden wir dich, mit allem was wir haben, schützen. Du gibst ihm die Sachen und forderst, dass du wenigstens wissen willst, wer deinen Bruder getötet hat." Ben konnte spüren, wie Carina am Telefon zu denken schien. "Wir können das nicht von dir verlangen. Ich verlange es auf keinen Fall... aber wir wollten dir sagen, dass das die einzige Chance ist, Drager als Mörder zu überführen. Ansonsten wird Drager für seine Handlanger-Dienste ein paar Jahre einfahren, und der Mord bleibt ungesühnt."
    Ben klammerte sich mit schwitzenden Händen an den Telefonhörer und wartete gebannt auf eine Antwort. Er konnte Carinas Atem hören, er konnte immer wieder die Stimme ihrer Mutter vernehmen, die scheinbar orientierungslos im Haus herumging, auf der Suche nach ihrer eigenen Mutter. "Okay... ich mach es.", kam es dann irgendwann. "Ich werde Drager anrufen, und einen Treffpunkt mit ihm machen... sobald wie möglich." Ben atmete auf, doch Erleichterung wollte sich in seiner beklemmenden Brust noch nicht breitmachen. "Gut. Dann sagst du mir sofort Bescheid, wann der Zeitpunkt ist, damit wir alles vorbereiten können... Danke.", sagte Ben und nickte Semir zu, der sofort den Hörer ergriff und die nötige technische Ausrüstung von Hartmut anforderte.


    Sportgeschäft in Maastrich - 14:30 Uhr


    Nachdem Drager das Gespräch mit Carina Bachmann beendet hatte, blickte er gedankenverloren durch das kleine vergitterte Fenster, das zum Innenhof führte. Er war gerade bei seinem Kartellfreund Jos van Dyke, mit dem er sich zwei Tage zuvor noch auf der Raststätte getroffen hatte, um einige Dinge zu besprechen, als ihn ihr Anruf erreichte. "Was ist los? Das ist doch, was du wolltest.", sagte Jos auf holländisch, in selbiger Sprache antwortete ihm Drager. "Was ich wollte? Hör auf... wenn es nach mir ginge, hätte ich das Mädchen längst umgelegt." Sein Blick war verkniffen und seine Hand wanderte zu seinem Glas, das noch einen kleinen Rest dunkelbraunen Whisky enthielt. "Ach was... so ist doch alles in Ordnung. Wir haben die Beweise, mit der die Ratte uns erpresst hat. Also sind wir erstmal aus dem Schneider.", sagte van Dyke und zog an seiner Zigarette.
    Drager lachte kurz, nachdem er den letzten Schluck des bitteren Alkohols in sich gekippt hatte. "Sei dir nicht so sicher. Die Bullen haben gestern abend Vesoski geschnappt. Einer der beiden war ständig bei Carina. Ich weiß nicht, mein Freund. Die Sache stinkt zum Himmel, der Sinneswandel kommt mir zu schnell." "Du meinst, sie arbeitet mit den Bullen zusammen? Was soll das bringen? Die Beweise, uns hochgehen zu lassen, haben sie. Warum sollten sie das tun?" Van Dyke zog an der Zigarette und blies den Dunst durch den Raum, während sein Kollege das leere Glas in der Hand drehte. "Ich weiß es nicht... ich bin einfach misstrauisch."


    Für einen kurzen Moment herrschte Stille, bis van Dyke wieder das Wort ergriff. "Letztendlich musst du auf den Deal eingehen. Ansonsten fährst du ein, und das für lange Zeit. Und nicht nur du, sondern ich auch, und 10 oder 15 unserer Leute ebenso. Nur der Chef und zwei seiner engsten Vertrauten sind abgesichert, unabhängig davon, was in den Akten steht." "Richtig, und deshalb hat der Chef auch gut lachen, vor allem wenn er uns vorgibt, der Frau und ihrer Mutter kein Haar zu krümmen. Sonst hätte ich längst andere Seiten aufgezogen." Für einen Moment lachte der Verbrecher mit der Kippe auf. "Es konnte ja auch niemand ahnen, dass Carina die Erpressung weiterführt. Der Boss hatte ja gedacht, dass sie viel zu eingeschüchtert ist, wenn er Bachmann durch dich beseitigen lässt. Aber es ist schon eine Ironie, dass sich die eigene Familie gegen einen stellt."
    Drager sah zu seinem Freund rüber und presste die Lippen aufeinander. "Vielleicht hätte es geholfen, wenn der Alte gegenüber seiner Tochter mal mit der Wahrheit rausgerückt hätte. Dass Björn nur ihr Halbbruder war, und sie ein Kuckuckskind aus einer Affäre zwischen ihm und ihrer Mutter. Vielleicht wäre dann alles einfach gewesen." Grummelnd setzte er hinzu, als er vom Tisch aufstand. "Es wäre vor allem einfacher gewesen, wenn wir die Frau auch gleich erledigt hätten. Dann wären die Akten niemals gefunden worden." Noch einmal setzte er das Glas an den Mund, um auch wirklich den letzten Tropfen auszutrinken, bevor er es ungehalten auf den Tisch knallen ließ. "Wir müssen los." "Alles klar, mein Freund. Aber ich sag dir, verlier nicht die Nerven bei der Übergabe. Wenn dem Mädchen etwas passiert, wird es keinen Ort geben, an dem du dich vor dem Boss verstecken kannst..."

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


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    • 18. März 2016 um 04:51
    • #71

    Bogota - 9:30 Uhr


    Esteban Gomez war nicht nur ein gnadenloser Geschäftsmann und Feilscher, er war auch überpünktlich. Um genau halb zehn stand er, wie mit Santos verabredet, vor der Tür des ominösen Hauses, in dem der Kartellchef seine Mädchen hausen ließ. Er war klein, hatte einen dünnen Oberlippenbart und mehrere Goldzähne im Mund. Bei ihm waren zwei Männer, die ihn um gut anderthalb Köpfe überragten und ihn begleiteten. Santos empfing Esteban mit einem festen Händedruck, und bat ihn als seinen Gast ins Haus. "Wie laufen die Geschäfte, mein Freund?", fragte der Kolumbianer seinen Geschäftspartner, und der hielt die rechte Hand nach vorne und schüttelte sie hin und her. "Geht so. Mal besser, mal schlechter. Aber unsere Partys ziehen immer. Dafür brauche ich noch ein paar Mädchen."
    Santos hatte, wenn er ehrlich war, sowieso ein Überangebot. Viele der Mädchen, die bei ihm waren, würden für den nächsten Schuss alles tun, also versprach er ihnen das Blaue vom Himmel und mehr Geld, und niemand würde sich dagegen wehren, mit Esteban mit zu gehen. Es hatte sich ausserdem auch herumgesprochen, dass die Arbeitsbedingungen in Clubs besser waren, als in diesem Ghetto. Nur an harte Drogen kam man hier im Elendsviertel leichter, als in einem zwar heruntergekommenen aber immer noch weitaus besseren Vergnügungsviertel der Großstadt.


    Santos ging mit seinem Kunden und dessen Gorillas in den "Ausstellungsraum", den Gemeinschaftsraum in den er alle seine Mädels zusammentrommeln hat lassen. "Wieviele wirst du brauchen?" "Ich schätze... so um die 5.", meinte der Mexikaner mit wankendem Kopf und sah dann zweifelnd zu Santos: "Vorausgesetzt, der Preis stimmt." "Ich bin sicher, dass wir uns einig werden.", sagte Santos mit sicherem Lächeln und einem leichten Nicken. Der Nachtclubbesitzer ließ seine Augen über die leise tuschelnde Menge an Frauen wandern, zeigte immer mal mit dem Finger auf eine der Mädchen, die dann von Santos in harschem Ton zur Seite befehligt wurde. Es hatte den makabaren Eindruck einer Selektion und Esteban wählte jene aus, die zur Hinrichtung schreiten mussten... oder die, die davon ausgenommen worden.
    Einige wussten nicht, was das ganze sollte, denn weder Esteban noch Santos erklärten den Mädchen vorher etwas. Eine dunkelhaarige, schlanke Frau jedoch kannte Esteban bereits, war er doch schon öfters hier, und sie freute sich, als sie von dem Mexikaner als Fünftes ausgewählt wurde. Dieser schaute wieder durch den Saal, bis sein Blick an dem rothaarigen, noch recht jung aussehenden Mädchen hingen blieb. "Wusste gar nicht, dass du auch Exoten hast. Sie sieht nicht südländisch aus.", sagte er interessiert. "Das ist richtig. Sie ist aus Europa, soweit ich weiß."


    Esteban sah seinen Geschäftspartner überrascht an. "Europa? Wer bitte kommt freiwillig von Europa in dieses Loch?" Der Kartellchef schaute ein wenig sarkastisch und blieb trotz des freundlichen Lächelns natürlich dominant. "Nebensächlich. Sie ist unverkäuflich." Esteban lächelte. Er war in seinem Element. "Mein lieber Carlos... liebster Freund.", begann er, und legte dem stämmigen Mann eine Hand auf die Schulter, wobei er sich dafür ziemlich strecken musste. "Dieses Mädchen wäre mit ihrem Aussehen einmalig in meinem Laden. Und sei ehrlich, wer hierher kommt um in erster Linie schnellen Sex zu suchen, dann weil er arm ist oder so verzweifelt dass es ihm egal ist, wen er vögelt. Er wird dir nie den Preis bezahlen, der dieses Mädchen wert ist." Er lächelte, wobei Santos Gesicht jegliche Freundlichkeit verlor.
    "Versteh mich nicht falsch. Dein Hauptgeschäft ist nicht die Prostitution, und ich würde dir einen Preis für das Mädchen bieten, den du mit ihr niemals einnehmen könntest." Der Glatzkopf strich sich mit Daumen und Zeigefinger kurz über die Nasenflügel. "Wieviel?" "Sag mir einen Preis." Er wusste genau, dass Esteban wohlhabend war... und dass er recht hatte. Hier bezahlte niemand viel für Sex, die meisten Mädchen waren krank, und oft waren es die Jungs aus den Kartellen oder Bewohner des Ghettos, die keine Familie zu umsorgen hatten und ihr wenig verdientes Geld an den Mädchen ausgaben. Das Geschäft würde sich lohnen, und doch biss ihn ein wenig die Skepsis und das Misstrauen.


    "150.000 Dollar." "150.000 Dollar für alle sechs? Alles klar, schlag ein. Du bist ein fairer Geschäftsmann.", sagte Esteban freudenstrahlend und hielt Santos die Hand hin. "Nein, mi Amigo. 150.000 für die kleine Rothaarige. Und nochmal 150.000 für die anderen 5." Nun war es Estebans Gesicht, das das Lächeln verlor. Zuletzt verlangte Santos 25 000 pro Mädchen. Diesen Preis schlug er jetzt auf und verlangte für das Mädchen mit den roten Haaren unverschämt das Fünffache. Der Mexikaner wusste aber auch, dass er den Preis von Juan zurück bekam, er wusste dass er mit dem Kauf von Annie einer Intrige gegen Juan zuvorkam, nachdem Santos von Kevin verlangte, Juan zu töten. Trotzdem konnte er seinen Sinn fürs Feilschen nicht unterdrücken.
    "Pass auf Santos. Ich habe hier 5 Koffer...", sagte er mit ruhiger Stimme, und seine beiden Begleiter stellten nacheinander 5 Lederkoffer in den Raum. "250 000 Dollar. Eine Viertelmillion. Runde Summe." Santos sah mit versteinerter Miene auf die Koffer. "Entweder du nimmst die 5 Koffer für die 6 Mädchen, und wir schlagen ein... oder du nimmst nur 3 Koffer für die 5 Mädchen, und ich überlege mir das mit der Rothaarigen nochmal." Die beiden Männer sahen sich an, wie Raubkatzen, die sich beobachten, und der, der zuerst zuckte, hatte verloren. Estebans Gorillas waren ruhig, wie Eiszapfen und auch zwei Männer von Santos hatten die Ruhr weg. Santos nickte ihnen zu, deutete auf die 5 Koffer, die die beiden Männer sogleich einsammelten. Esteban grinste überlegen und sein Gegenüber ergriff letztlich doch die ausgestreckte Hand... Soviel Geld für ein Mädchen... er würde sich schwarzärgern, wenn Esteban von dem Geschäft absprang. "Es ist eine Freude, mit dir Geschäfte zu machen.", meinte der Mexikaner zum Abschied.


    Mit lautem Getuschel, von dem Annie nicht viel verstand, wurden die sechs Mädchen von den beiden Männern und Esteban zu einem Kleinbus gebracht, der neben dem Viertel stand. Ein Mädchen erklärte ihr auf Englisch, dass sie in einen Club kämen, wo alles besser war. Die Hand der Rothaarigen zitterte ein wenig, ihr letzter Trip war schon lange her, und sie spürte langsam den Entzug. Sie erschrak über sich selbst, wie schnell sie hier der Sucht verfallen war. "Ich brauche etwas.", sagte sie leise auf Englisch. "Warte, bis wir in der Stadt sind.", bekam sie zur Antwort, als sie in den Kleinbus stiegen, die Türen geschlossen wurden, und der Bus auf der schlechten Straße langsam losfuhr.
    Eine halbe Stunde später hielt der Kleinbus an. Annie sah aus dem Seitenfenster und konnte eine Menge Palmen, Bäume und Sträucher erkennen, jedoch nicht den Grund des Anhaltens. Auch das Getuschel der anderen Frauen wurde lauter, bis irgendwann die Seitentür aufging. Einer der beiden Gorillas zeigte auf Annie und gestikulierte, dass sie aussteigen solle. Annies Herz begann schneller zu schlagen... was passierte hier? Hier war keine Stadt und kein Club, hier stand nur der Gorilla und hinter ihm ein fremder Mann im Muskelshirt, den sie nie zuvor gesehen hatte. Langsam und zögerlich schnallte sie sich ab und beugte sich vor, bevor sie von dem Mann an der Hand ergriffen wurde, und rausgezogen wurde. Sie schrie schrill auf: "Lass mich los! Ich möchte nicht!! Was... was soll das?" Plötzlich bekam sie Panik, eine Entführung, ein Überfall?


    "Hey hey! Bleib ganz ruhig, okay?", sagte Juan plötzlich, der Mann im Muskelshirt, und Annie erstarrte. Der Mann sprach deutsch, hob beschwichtigend die Hände, und der Gorilla ließ von Annie ab, als sie schon halb aus dem Bus hing. Dann wurden ihre Augen größer, ihr Mund stand halboffen, und sogar das Zittern aufgrund des Entzugs verschwand. Neben dem unbekannten Mann tauchte auf einmal ein sehr wohl bekannter Mann auf, dessen Haare zwar nicht so sehr vom Kopf abstanden wie sonst, aber dessen hellblaue Augen Annie wohl unter Tausenden wieder erkannt hätte. "Kevin...", flüsterte das junge Mädchen beinahe tonlos, und ihr Widerstand erstarb völlig. Kevin kam ganz dicht zu Annie heran und streckte seine Hand nach ihr aus. "Komm Annie... ich bring dich nach Hause."
    Annie schüttelte plötzlich wild den Kopf, als ob sie auf einmal Angst vor ihrem ehemaligen Freund hatte, denn sie tief im Inneren immer noch liebte. "Nein... ich... ich kann nicht.", sagte sie auf einmal und wollte einen Schritt in zurück Richtung Bus machen. Nach Hause konnte sie nicht mehr... sie war abhängig. Sie wollte so nicht zu ihren Freunden zurück, sie wollte dort bleiben, wo sie leicht an Drogen käme. Und sie schämte sich vor Kevin. "Regel das! Du hast 2 Minuten.", knurrte Juan ungeduldig und wandte sich zu seinem Geländewagen, in den er einstieg und auch Esteban brüllte etwas unverständliches aus dem Bus heraus, was Kevin und Annie nicht verstanden. Der Polizist packte die Punkerin an den Oberarmen. "Ich will dir helfen, verdammt!! Ole und alle anderen machen sich Sorgen!" "Ole...", flüsterte das junge Mädchen und konnte fast nicht glauben, dass sich doch tatsächlich jemand um sie gesorgt hatte.


    Ein, zwei Schritte ließ sie sich von Kevin mitziehen, als der plötzlich Motorgeräusche von dem Forstweg vernahm, der durch den Dschungel führte. Der Gorilla von Esteban sah die Waffe, die aus dem Fenster des Wagens ragte zuerst und griff bereits nach seiner eigenen, wurde aber sofort von den ersten Kugeln tödlich getroffen. Die Mädchen im Inneren des Busses schrien, als dieser von dem zweiten Mann angelassen wurde und sich mit offener Seitentür in Bewegung setzte. Auch Juan ließ sofort seinen Geländewagen an und sah aus dem Fenster. "Sorry Kevin...", meinte er mit verkniffenen Gesicht und fuhr ebenfalls los, bevor er von Santos Männern nicht gesehen wurde. "Los komm!", schrie Kevin, packte Annie bei der Hand und zog sie mit sich. Als er sah, dass Juan flüchtete, wollte der Polizist in den dichten Dschungel abbiegen, um sich dort zu verstecken, und seine Ex-Freundin versuchte, mit dem Polizisten Schritt zu halten. Bevor sie die erste Baumgruppe erreichten, wurde er jedoch von einer Kugel getroffen, die ihn zu Boden gehen ließ und Annie mitriss.

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

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    • 21. März 2016 um 00:58
    • #72

    Dschungel - 10:00 Uhr


    Annie sah mit getrübten Blick nicht viel von ihrer Umgebung, als das Chaos begann. Sie hörte Schüsse, sie schrie kurz auf, dann wurde sie am Arm nach vorne gezogen. Die junge Frau konnte noch Kevins Stimme hören, mit ihr mitzukommen, und sie hätte sich nicht mal anders entscheiden können, denn der Griff des jungen Polizisten war energisch und konsequent. Elend fühlte sie sich sowieso, da sie Spuren des Entzugs bemerkte und so wusste sie nicht, wieviele Meter sie schon gelaufen waren, als erneut Schüssen fielen und Kevin plötzlich aufstöhnte, bevor sie beide übereinander ins weiche Gras fielen. "Kevin, was ist los?", rief sie erschrocken und versuchte sich zu orientieren. Sie lagen für Sekundenbruchteile nebeneinander auf der Körperseite, die Frau sah nach ihrem Partner, der sich die rechte Hand auf den linken Oberarm drückte. "Fuck...", hörte sie nur sein Stöhnen.
    Einige Meter entfernt erstarb das Motorengeräusch und mehrere Männer riefen sich spanisch klingende Wortfetzen zu. Der Schmerz der Kugel brannte Kevins Arm hoch und runter, durch seine Schulter in den Nacken bis in den Kopf. Dort lokalisierten sich auch die Stimmen, so dass er schnell handeln musste, die blutverschmierte Hand von der Schusswunde nahm und in den hinteren Hosenbund den Revolver ergriff. Die Waffe mit beiden Händen haltend, stemmte er sich hoch in die Richtung, von der sie gekommen waren und hatte den Überraschungsmoment auf seiner Seite. Von seinen zwei schnell abgefeuerten Schüssen schaltete eine Kugel einen der Verfolger aus.


    "Komm, weiter!", sagte Kevin gehetzt und Annie verstand nicht, wie sie sich in ihrem Zustand so schnell wieder aufrappelte, doch das Adrenalin verdrängte ihren Entzug genauso, wie es Kevins Schmerzen verdrängte. "Ahí!! Ahí!", schrie einer der Männer, als sich die beiden durchs Unterholz flüchteten. Sie liefen Haken um sofort hinter dichten tropischen Sträuchern und Palmen zu verschwinden, einige Gewehrsalven waren noch zu hören, doch sie verstummten schnell. "Macht sie fertig! Los!! Derjenige, der sie erschiesst, bekommt eine Belohnung!", rief Santos persönlich aus dem Wagen in spanischer Sprache mit seiner dominanten Stimme, und die restlichen drei Männer versuchten durch hohes Gras und unwegsamen Dschungel die Verfolgung aufzunehmen.
    Annie japste und stöhnte, Kevin rann der Schweiß durch die Haare. Ihre Kleider waren von dem Sturz verdreckt, aber sie waren ein wenig erleichtert, als die Schüsse verstummten. Zumindest hatten sie sich unsichtbar gemacht, doch das nächste Problem folgte sofort... wie kamen sie hier raus. Kevin hatte keine Karte und für einen Blick ins Handy fehlte die Zeit. Immer wieder blieb er nur für einen Moment stehen, um sich zu orientieren. Das Einzige was half, war das Geräusch des Flusses Rio Cauca, denn wenn es leiser wurde, bewegte sich Kevin davon weg, wurde es lauter kam er ihm näher. Er versuchte das Geräusch auf einer Lautstärke zu folgen um dem Fluss zu folgen, aber trotzdem im dichten Dschungel zu bleiben.


    Juan saß in seinem Jeep und bretterte den staubigen Feldweg entlang des Dschungels. Sein Gesichtsausdruck war verbissen, er schlug auf das abgenutzte Lenkrad und stieß spanische Flüche aus. Verdammt nochmal, er hatte die beiden im Stich gelassen. Er war ein Verbrecher, doch er war auch ein Mensch geblieben. Leute, die er verlor, setzten ihm zu. Kevin kannte er kaum, er hatte einen Teil des leicht verdienten Geldes von ihm bereits und vermutlich hätte sich jeder Drogendealer in seiner Position nun die Hände gerieben und die Sache abgehakt... noch dazu, dass er von Santos Leuten nicht gesehen wurde. Was kümmerte ihn so ein durchgeknallter Deutscher, der seiner Freundin bis tief in den kolumbianischen Dschungel folgte, und sein Leben riskierte. Sollte er dafür seine ganze Stellung in Bogota aufs Spiel setzen?
    Der Wagen rumpelte und Steine flogen gegen das Blech. Irgendwann trat Juan mit voller Wucht aufs Bremspedal und die Reifen blockierten im staubigen Sand, bis der Jeep ächzend zum Stehen kam. Als um ihn herum noch Staub stand, sah der Kolumbianer aus der Frontscheibe, die Hände um das Lenkrad geklammert. Kevin hatte ihm imponiert, ein wenig sogar mit seiner leicht angedeuteten Geschichte berührt. Er riskierte für seine Freundin sein Leben, und Juan war niemand, der eigene Leute über die Klinge springen ließ, wenn es eng wurde. In der Beziehung war er anders als Santos, und darauf war er immer stolz, auch wenn er mit Feinden kurzen Prozess machte. Und Kevin hatte ihm vertraut, als er sich mit seinem leeren Revolver gegen ihn stellte... ihm vertraut, dass Juan mit ihm keinen kurzen Prozess machte. Der Mann schlug nochmals aufs Lenkrad, legte den Rückwärtsgang ein, und wendete den Jeep.


    Gehetzt sah sich der Polizist immer wieder um, seine rechte Hand um die kleinere seiner ehemaligen Freundin geschlungen, die er mit sich zog. Doch in Annies Kopf drehte sich alles. Der Entzug, die Aufregung, die Angst... alles prasselte auf sie ein, aus einer Schramme am Kopf blutete sie vom Sturz. Irgendwann spürte Kevin, wie er von Annie gestoppt wurde, wie der Widerstand am Arm plötzlich erstarkte... sie war wieder hingefallen. "Was ist los? Wir müssen weiter!", sagte er hechelnd. "Ich... ich kann nicht mehr... ich...", stammelte sie und spürte, wie alles um sie herum immer dunkler und dumpfer wurde. Der Polizist beugte sich über Annie, die schwer atmend sich auf den Rücken legte und die Augen verdrehte. "Annie... Annie!!" Leicht täschelte er ihr gegen die Wange, doch sie murmelte nur Unverständliches. Kevin kannte den Zustand, und gleichzeitig bestätigte sich die Befürchtung, mit der er hergekommen war. Annie nahm Drogen und war gerade massiv auf Turkey. Er war in diesem Zustand selbst, oft auf hitzigen Konzerten, umgekippt.
    "Scheisse.", keuchte er, als er die Stimmen hinter sich wieder hörte. Er schlang sich Annies schlaffe Arme um den Hals und hob ihren leichten Körper hoch, so dass sie, wie ein Baby, sanft in seinen Armen lag. Sie waren so lange im Abstand zum Fluss gelaufen, dass die Typen diese Strategie eigentlich hätten bemerken müssen. Also ging der Polizist, so schnell er mit seiner Traglast konnte, im rechten Winkel nach rechts vom Fluss weg.


    Die Sonne drang immer mehr durch das dünner werdende Dickicht, doch das Rascheln verriet Kevins Richtungsänderung. Die Stimmen wurden wieder lauter und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie dem Polizisten in den Rücken schossen, um ihn auszuschalten. Er überquerte einen Autopfad, einen Feldweg und verschwand im beginnenden Dickicht gegenüber, als wieder die ersten Schüsse fielen. Hinter einem moosbewachsenen Felsen legte er die bewusstlose Annie sanft ins Gras und flüsterte ihr zu: "Ich bring dich hier raus, Annie...". Dann lugte er über den Felsen, nahm wieder seinen Revolver in die Hand und wartete atemlos.
    Ein Mann kam aus dem Waldstück auf den Weg, ein Zweiter ebenso. Beide hatten Maschinengewehre in der Hand und sahen in beide Richtungen des Weges, eine Richtung die geradeaus ging, die andere mündete in eine Kurve. Sie sprachen auf Spanisch und deuteten in das weitere Stück Dschungel auf der anderen Seite des Weges. Gerade als sie den Schritt von der Straße wegmachten, schnellte Kevin aus seiner Deckung und beschäftigte sich nicht mit einem "Waffen weg!", was die beiden Männer sowieso nicht verstanden hätten. Er war hier kein Polizist und hier galt nur das Gesetz des Überlebens. Drei Schüsse benötigte er für die beiden Männer, die zu sehr überrascht wurden, als dass sie selbst die Waffe hätten heben können. Kevin atmete durch, packte die toten Männer nacheinander am Kragen und zog sie von der Straße ins Gebüsch. Dann lief er zurück zu Annie und hob sie sanft wieder auf, wobei sie wieder murmelte, was immer ein gutes Zeichen war... dann lebte sie noch. Doch vom Entzug war noch niemand gestorben, ausser ihr Kreislauf kam ganz zum Erliegen, doch das war nicht der Fall.


    Kevin trat mit seinem Handgepäck auf die Straße, der er nun folgen wollte, sah einmal links und rechts. Wenn er die Richtung richtig im Kopf hatte, musste er in Richtung der Kurve, doch er kam nur einen Schritt weit. Santos' dritter Mann trat aus dem Wald und zielte mit dem Gewehr auf den Polizisten. "Scheisse...", murmelte er und sah in das dreckige Grinsen des Mannes, der das Gewehr bereits angelegt hatte und wohl schon nachdachte, was er mit Santos_ Belohnung anstellen wollte. "Hijo de Puta!", sagte er und legte den Finger um den Abzug, während Kevin ihm in die Augen sah und seine bewusstlose Ex-Freundin dichter an sich drückte. Er spürte in dem Moment ihre intensive Nähe, und erinnerte sich an frühere Momente. Es war ein kleiner Trost für ihn, dass sie wenigstens nichts sah, nichts spüren würde und keine Angst hatte.
    Das Motorengeräusch überraschte beide... den Mann mit dem Gewehr sogar so sehr, dass er es vorzog, sich kurz nach hinten zu drehen in Richtung der Kurve von der das Geräusch kam und er mit Santos rechnete. Als jedoch der Jeep um die Ecke schoss, der eben noch bei der Übergabe stand, riss er das Gewehr hoch... zu spät. Der Jeep bremste, schleuderte geschickt und erwischte den Kerl mit dem hinteren schleudernden Teil des Wagens mit voller Wucht, so dass er meterweit gegen einen Baum geschleudert wurde, und regungslos liegen blieb. Der Polizist stand atemlos mit Annie im Arm vor dem Wagen, der quer vor ihm zum halten kam, bis Juan die Beifahrertür öffnete. "Was ist? Willst du hier Kartoffeln anbauen? Rein mit euch!" Kevin wusste, dass er sein Glück für heute ausgereizt hatte...

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    • 22. März 2016 um 10:21
    • #73

    Köln - 16:00 Uhr


    Nach dem Telefonat musste alles schnell gehen. Carina rief Ben sofort an um ihm die Details des Treffen zwischen Carina und Drager mitzuteilen. "Um 16 Uhr an einem alten Flugplatz ausserhalb von Köln.", sagte sie mit nervöser und leiser Stimme. Ben gab die Info an Semir weiter, der alles Weitere veranlasste, während er selbst zu Carina fuhr, um sie abzuholen und ihre Mutter wiederrum in die Betreuungseinrichtung zu fahren. Die alte Frau war merkwürdig still an diesem Nachmittag, wie der Polizist fand und auch ihrer Tochter war dieser Umstand aufgefallen. "Ich habe das Gefühl, sie ist mir böse, dass wir sie in der Einrichtung aussetzen." Ben strich der jungen Frau während der Fahrt kurz und flüchtig über die Hand. "Mach dir nicht diese Gedanken. Ich bin mir sicher, es tut deiner Mutter gut, mal andere Menschen zu sehen."
    Danach eilten die beiden über die Autobahn zurück in die Dienststelle, wo Semir währenddessen fleißig war. Er hatte das technische Equipment bei Hartmut abgeholt und eine Kollegin der Dienststelle half Carina beim Anbringen der beidem Mikrofone. Früher mussten noch umständlich Kabel am Körper angeklebt und unter der Kleidung unsichtbar gemacht werden, heute funktionierte alles mit Funk und Bluetooth, und die Mikros waren so klein, dass sie fast nicht mehr entdeckt wurden. Hartmut hatte sich mit Leibesblut dafür eingesetzt, dass er seine Kollegen immer mit der modernsten Technik ausstatten konnte.


    "Sie ist fertig.", meinte Claudia, die Beamtin von der Dienststelle und verließ das Büro der beiden Kommissare. Ben betrat das Büro nochmal und sah, wie Carina gedankenverloren auf seinem Stuhl saß. "Hey... alles klar?", fragte der Polizist und schloß die Tür hinter sich. Die blonde Frau sah auf und versuchte ein Lächeln, doch es wollte nicht recht gelingen. "Ich habe etwas Angst... nein... ich hab große Angst.", sagte sie ehrlich und stand vom Stuhl auf. Ben nahm sie in die Arme, um ihr Schutz zu bieten, einen Halt an den sie sich klammern konnte, den sie seit Björns Tod verloren hatte. "Ich hatte die ganze Zeit Angst davor, dass so etwas passieren könnte... aber jetzt ist sie noch realer..." "Das kann ich verstehen, Carina. Aber wir werden auf dich aufpassen. Du bist zu keinem Zeitpunkt allein."
    Er spürte, wie Carina an seiner Schulter mit dem Kopf nickte. "Ich weiß... trotzdem." "Du musst das nicht machen...", gab Ben ihr zu bedenken und hatte bereits ein schlechtes Gewissen und Unbehagen, Carina dieser potentiellen Gefahr auszusetzen. Auch wenn das SEK die Übergabe bewachte, auch wenn Ben und Semir ganz dicht dran waren... es war immer ein Risiko, immer eine Gefahr. "Doch... ich muss. Und ich will. Ich will es für Björn tun.", sagte die Frau jetzt wieder ein wenig sicherer. "Sein Mörder soll hinter Gitter..."


    Für einen Moment schwiegen die beiden und Carina klammerte sich an Ben ein wenig fest. Es war ihm keinesfalls unangenehm, für Carina ein Fels in der Brandung zu sein, und sanft ruhte seine Hand auf ihrem schlanken Rücken. Der junge Polizist schloß für einen Moment die Augen und genoß den Augenblick, drängte die Sorgen nach hinten. "Ich bin dir so dankbar, dass du für mich da warst in den letzten Tagen.", sagte die Frau irgendwann leise, beinahe flüsternd und fügte sofort an: "Und es tut mir so unendlich leid, dass ich dich angelogen habe, oder was für Vorwürfe ich dir gemacht habe." "Hey... das hab ich längst vergessen, okay? Alles wird gut, wir schaffen das zusammen.", sagte der Polizist vertrauenserweckend.
    Carina löste sich aus der Umarmung und die beiden sahen sich direkt in die Augen. Die junge Frau in vertrauenserweckende von Ben, die ihr Sicherheit und Halt gaben, obwohl Ben sich in seinem Inneren gerade selbst unsicher fühlte und seinerseits in die leicht scheuen, verschreckten und zitternden Augen seines Gegenübers blickte. Ihre Lippen waren nur wenige Centimeter voneinander entfernt, und plötzlich merkten beide, wie sie sich annäherten, als ob sie magnetisch langsam angezogen wurden, bis sie sich schließlich für einige Sekunden berührten, während die beiden die Augen schloßen. Der Kuss dauerte nur wenige Sekunden, doch für Ben und Carina blieb die Zeit stehen, so sehr wurden sie gerade von den eigenen Emotionen übermannt, auch noch als sich ihre Lippen letztlich lösten und sie sich wieder anblickten... bis es an der Tür klopfte, und beide beinahe erschrocken zwei Schritte auseinander gingen. Semir steckte den Kopf herein: "Wo bleibt ihr? Wir müssen los!"


    20 Minuten später, als der kleine Zeiger von Bens Uhr kurz vor der Vier, und der große sich immer bedrohlicher der 12 näherte, waren sie am Flughafen, der abseits von Köln lag und von Wald umgeben war. Er wurde seit den 90ern nicht mehr benutzt, die Flughafenhalle stand noch und wurde der Natur und dem Vandalismus überlassen. Auch die Zäune um die großen Rollfelder herum waren teilweise zerstört, was Semir sich zu Nutze machte. Er stand mit seinem BMW gut versteckt an einem Waldweg und konnte in wenigen Sekunden am Gebäude sein. Ben und Hartmut saßen in einem Transporter, auf einem Waldparkplatz, ebenfalls dicht am Terminalgebäude hinter einem weggerissenen Stück Zaun. Hartmut hatte hier eine mobile Zentrale, um sofort die aufgenommene Stimmen über Carinas Mikrofon zu hören.
    Das SEK wartete im Hintergrund. Man wollte den Flughafen noch nicht umstellen, da man nicht wusste, wo die Übergabe letztlich stattfinden sollte. Die Sonne stand tief, es war herrlich wolkenlos aber eisig kalt, als Carina ihren Wagen, den sie nahm, nachdem Ben sie nach Hause brachte, auf dem alten Parkplatz vor der Abflughalle abstellte. "Wo soll ich jetzt hinkommen?", fragte sie Drager, mit dem sie telefonierte und klemmte sich die Akte, um die es ging, unter den Arm, von der Ben und Semir vorher reichlich Kopien angefertigt hatten. "Haupteingang rein, dann nach rechts bis zur Abflughalle... hinter der Glastür.", waren die knappen Anweisungen des Verbrechers, die Carina zur Sicherheit nochmal wiederholte.


    Ihre Beine zitterten ein wenig, als sie die knarrende Tür aufdrückte und in der Ankunftshalle des alten Flughafens stand. Schutt, alte Wartestühle und demolierte Schalter waren noch zu sehen, Graffitis an den Wänden und eine unheimliche Stille. Es war verdammt kalt hier drin, und Carina wusste nicht ob ihr Zittern Kälte oder Ängstlichkeit war. Sie bog nach rechts ab und durchschritt das alte Gebäude, halb verfallene Schilder wiesen ihr den Weg. Ben gab über Funk die ungefähre Position durch, wo die Übergabe statt finden sollte, und das SEK sollte sich in Bewegung setzen. "SEK an Einsatzleitung, wir sehen hier einen verdächtigen Transporter vorfahren, bitte um Anweisungen.", knackte es im Funk. "SEK-Einsatzleitung an Einsatzleitung, bitte um Info." Zweitere Einsatzleitung war Semir, der im BMW durch den Feldstecher blickte, und zwei Gestalten vor der Glastür im Freien sah, die zum Rollfeld führte. "Drager und eine weitere Person sehe ich hier. Das scheint Verstärkung der Bande zu sein. Zugriff, aber ohne Schusswaffengebrauch."
    Mit mehreren Männern wurde der Transporter vom SEK umstellt, die Türen aufgerissen und routinemäßig mehrere Männer aus dem Kleinbus gezogen. Im Inneren fand das SEK mehrere Waffen... offenbar wollten sich die Verbrecher absichern und hatten sich auf eine Konfrontation mit der Polizei eingestellt. "Zugriff erfolgt, Personen festgenommen, mehrere Waffen gefunden." Ben trippelte neben Hartmut hin und her und überlegte mehr als einmal, Carina zurück zu pfeifen.


    Die durchschritt nun die Glastür und traf dort auf Drager und van Dyke. "Carina... schön dich zu sehen.", sagte Drager und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. In seiner Hand hielt er einen dunklen Lederkoffer. "Darf ich dir meinen Kollegen vorstellen?" "Nein. Gib mir einfach das Geld, ich gebe dir die Unterlagen, und wir werden uns nie wiedersehen.", sagte Carina mit bemüht fester Stimme. Drager lächelte und kam einen Schritt näher an Carina heran. "Ich liebe Frauen, die sofort zur Sache kommen... auch wenn sie vor Angst stinken.", sagte er leise und Ben ballte im Kleinbus die Fäuste. Carina hielt Drager die Akten hin, als dieser den Koffer zu Carina mit dem Fuß schob. Beide prüften den Inhalt... sowohl das Geld schien echt, als auch die Akten waren die richtigen.
    "Ich will nur noch eins wissen...", sagte Carina leise, als sie den Koffer wieder geschlossen hatte, und Ben wartete gebannt. "Wer hat meinen Bruder erschossen? Warst du es?" Drager schloß die Akte und sah Carina kühl an. "Was bringt es dir, wenn du es weißt?" Das Zittern im Körper der jungen Frau wurde stärker. "Ich will es wissen... sag es mir!" "Ja. Er hätte die Warnung nicht ignorieren sollen." Ben konnte nun deutlich das schnellere Atmen der jungen Frau durch das Mikro hören. "Warum hast du mich nicht auch umgebracht, als ich nicht locker gelassen habe?" Drager lächelte. "Das kann ich dir gerne sagen. Das soll ich sogar... wir werden einen kleinen Ausflug machen." Als Ben durch das Mikrofon das bekannte Klicken, was von einem Entsichern einer Waffe herstammte, schnappte er sich das Funkgerät. "Semir!!", rief er und der reagierte sofort, ohne zu wissen, ob das SEK schon bereit war. "Zugriff! Sofort Zugriff!!", und startete dabei den Motor.

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    • 23. März 2016 um 08:53
    • #74

    Flughafen - 16:15 Uhr


    Carinas Herz begann schneller zu schlagen, ihre eh schon wackeligen Knie fühlten sich an wie Pudding und ihre aufgesetzte Souveränität ging sofort verloren, als Drager eine Waffe zog. "Was... was soll das? Ihr habt die Akten! Lasst mich gehen.", sagte sie und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme leicht zitterte. Der Verbrecher kam näher an sie heran und hatte nun die mentale Oberhand. "Tut mir leid, Herzchen. Aber du hast noch einen Besuch vor dir. Komm schön mit uns, und dir wird nichts passieren.", sagte er mit ruhiger Stimme und zeigte mit der Pistole auf das Flughafengebäude hinter ihm. Die beiden Gangster waren mit zwei Autos gekommen, eins stand auf dem Parkplatz vor dem Gebäude, eins am Rollfeld hinter dem Gebäude.
    Die beiden Männer von Cobra 11 gaben sofort den Befehl zum Zugriff, als Ben das Klicken der Waffe vernahm. Semir hatte die Szene sowieso beobachtet, und das Funkgerät schon in der Hand. Nachdem er die Freigabe zum Zugriff gab, startete er seinen BMW und ließ im Sand des Waldes die Räder durchdrehen, fuhr durch den offenen Zaun seitlich an das Rollfeld zur Szenarie. Ben war längst aus dem Techniktransporter gesprungen und in einen schnellen Lauf Richtung Gebäude verfallen, um Carina zu Hilfe zu kommen.


    Van Dyke hörte als erstes das Röhren des Fahrzeuges. "Scheisse...", murmelte er mit holländischem Akzent und auch Drager fuhr herum. "Los weg hier! Wie abgesprochen!", rief er und packte Carina, in dem er ihr den freien Arm um den Oberkörper schlang und ihr die Waffe gegen den Rücken drückte. Beide Verbrecher trennten sich, während Drager Carina in das Gebäude zog, drehte van Dyke sich von dem BMW weg und lief in die andere Richtung zu seinem Wagen, in den er sprang. Schnell war der Motor gestartet und der Holländer trat aufs Gas, wobei er in Richtung des rennenden Bens fuhr der von der anderen Seite gelaufen kam. Doch der Polizist hatte in diesem Moment nur Augen für Drager, der mit der blonden Frau im Flughafengebäude verschwand. Mit einem Hechtsprung wich er dem silbernen Audi von van Dyke aus, der aufs Rollfeld fuhr.
    Semir hielt mit quietschenden Reifen neben Ben, als dieser sich gerade wieder aufrappelte. "Alles klar?" "Los, schnapp dir den Kerl!", rief der Polizist sofort und rannte wieder los, während Semir sich grinsend mit zwei Finger zur Stirn fuhr und sofort wieder aufs Gas trat. Ben wischte sich mit dem Handrücken über eine Schürfwunde am Kinn und lief sofort wieder los, riss die Tür des Flughafengebäudes auf und sah sich um. "Drager, stehenbleiben!!", rief er laut als er den Verbrecher mit Carina im Schlepptau das Gebäude durchqueren sah. An der Eingangstür blieb Drager stehen, als er sah dass das SEK die Verstärkung bereits dingfest gemacht hatte, und drehte sich weg von der Tür.


    Er saß in der Falle. Er musste also wieder hinten raus und dann durch den Wald, doch zuerst musste er diesen lästigen Polizisten ausschalten. Drager fuhr herum, riss die Waffe von Carina weg und feuerte zwei Schüsse in Richtung Ben. Der hörte noch einen entsetzten Aufschrei von Carina und ließ sich zu Boden fallen, um nicht getroffen zu werden, wobei er auf dem glatten Steinboden einige Meter rutschte, bevor er wieder auf die Füße kam. Drager kam mit Carina wieder in Bewegung und schleppte sie zu einem Treppenaufgang zu einer Empore. "Lass mich los, du Schwein!", schrie Carina und versuchte immer wieder dem Griff Dragers zu entkommen, der hatte seinen Arm aber wie einen Schraubstock um den zierlichen Oberkörper gelegt. Auf der letzten Treppenstufe gelang es Carina, dem Kerl ein Bein zu stellen, und beide fielen hin. Die junge Frau nutzte die Chance und entglitt dem Griff, getrieben von Adrenalin ignorierte sie die Gefahr, dass Drager ihr in den Rücken schiessen würde und lief die Treppe herab, Ben entgegen der gerade die Treppe hochstürzte.
    Mit Panik in den Augen sah der Polizist, wie Drager am oberen Ende der Treppe nun die Waffe auf Carina richtete, als sie gerade auf der Höhe mit Ben war. "RUNTER!", schrie er als Carina bei ihm war, lag seinen linken Arm um die junge Frau und drückte sie schnell und nicht gerade sanft nach unten, um seinen Körper vor Carinas zu bringen, um selbst freie Schussbahn zu haben. Drager allerdings war schneller, drei Schüsse halten durch das große Gebäude, ein vierter kam von Ben. Dessen Kugel allerdings verfehlte ihr Ziel weit, weil er just in diesem Moment von einer der drei Kugeln am Arm getroffen wurde und aufstöhnte.


    "Fuck!", rief Drager, weil er Carina nun verloren hatte, drehte sich um und flüchtete im ersten Stockwerk weiter. "Ben! Beeeen! Was...?", keuchte Carina laut als sie kauernd auf der Treppe nach oben sah und sein schmerzverzerrtes Gesicht sah. Der Polizist biss die Zähne zusammen bis der Kiefer schmerzte, hielt sich für einen Moment den blutenden Oberarm bevor er sich wieder aufrichtete. "Lauf nach unten! Vorne auf dem Parkplatz sind SEK-Beamte, okay?", sagte er und sah Carina fest an, deren Panik im Gesicht noch nicht ganz verschwunden war. "Bitte komm mit! Lass den Kerl doch.", sagt sie ängstlich. "Ich will dich nicht auch verlieren!" "Ich pass auf mich auf, versprochen!" Die junge Frau spürte soviel Vertrauen in seiner Stimme, dass sie ihm schnell noch einen Kuss auf den Mund drückte und dann mit schnellen stolpernden Schritten wieder nach unten lief.
    Ben stieg die Treppen schnell nach oben, die Hand fest um die Waffe geklammert und lief den Flur entlang. Er lief mit pochenden Schmerzen im Kopf, die der Arm ausstrahlte und übersah die Abzweigung, hinter deren Wand Drager lauerte. Jedoch bemerkte dies der Polizist erst, als er mit Wucht eine Eisenstange gegen die Schienbeine bekam und erneut der Länge nach auf den Steinboden fiel. Mit klackerndem Geräusch fiel die Waffe zu Boden und rutschte einige Meter weit. Offenbar hatte Drager sein Pulver verschossen und hatte sich von dem Schrott, der überall rumlag, etwas Neues besorgt. Ben reagierte schnell, drehte sich vom Bauch auf den Rücken, sah im rötlichen Abendlicht, das durch die Fenster schien, wie Drager über ihm mit der Stange ausholte, um ihm den Schädel anzuschlagen, oder das Gesicht zu zertrümmern. Sein Schlag traf nur den Steinboden weil sein Gegner sich blitzschnell zur Seite drehte und versuchte, in Richtung der Waffe zu krabbeln.


    "Komm her, du kleiner Pisser!", knurrte Drager und legte Ben von hinten die Stange vor den Hals um ihn so auf dem Weg zur Waffe zu stoppen. Ben spürte, wie ihm die Luft wegblieb, er wurde von Drager wieder nach oben gezogen und begann zu würgen. Mit beiden Händen an der Eisenstange versuchte er, den Griff zu lockern doch im verletzten Arm fehlte ihm die Kraft. "Ich hätte dich schon an der Lagerhalle killen sollen!", sagte er Ben ins Ohr, der mit gurgelnder Stimme ein "Hast du aber nicht", konterte um dem Verbrecher dann den Ellbogen in die Magengrube zu jagen. Sofort lockerte sich der Griff und der Druck der Eisenstange, und Ben wand sich darunter heraus, musste aber sofort wieder den wilden Schlägen ausweichen. Jeder Polizist musste sich selbst verteidigen können, und obwohl Ben keine Kampfsportart wie Kevin betrieb, wusste er doch so einige Kniffe. Den ersten beiden Hieben des Verbrechers wich er aus, bevor er seinen Fuß gegen Drager einsetzen konnte, der daraufhin zurückwich. Doch dessen Schläge wurden immer schneller, und nun war es Ben, der in den Rückwärtsgang verfiel und dabei über den Schutt stolperte, der überall herumlag, so dass Drager ihn nochmal greifen konnte und ihn diesmal mit der Stange am Hals gegen eine Wand drückte. Wieder war Ben in der Zwickmühle, wieder bleib ihm die Luft weg, wieder hatte er beide Hände an der Stange, als Drager sagte: "Ich hatte ja gehofft, dass die kleine Blonde mich auch mal ranlässt."


    Der Satz weckte in Ben die letzten Kraftreserven. Mit zusammengebissenen Zähnen und wütendem Blick stieß er sich mit einem Fuß von der Mauer ab, und kam so in den Vorwärtsgang. Mit unglaublicher Kraftanstrengung drückte er die Stange von sich weg, schaffte es, dass Drager begann, rückwärts zu taumeln und bekam immer mehr Dynamik und Geschwindigkeit in seine Aktion. Es waren nur wenige Meter Platz zwischen Mauer und dem Geländer der Empore, die Ben jedoch nicht sah, als er mit wütendem Knurren den Verbrecher vor sich her trieb, der die Balance verlor und beide immer schneller wurden. Beide hatten ihre Umgebung nicht im Blick und wurden sobald überrascht, als sie vom Geländer gestoppt wurden, welches jedoch so niedrig war, dass sie beide das Gleichgewicht verloren und nach hinten über kippten.
    Drager packte Ben noch am Kragen, jedoch eher aus Panik und der Suche nach einem Halt, während Ben es schaffte, die obere Stange des Geländers zu greifen, als beide über eben selbiges fielen. Der Polizist konnte noch einen kurzen Aufschrei und das Aufschlagen von Dragers Kopf auf dem Steinboden hören. Regungslos blieb er am Boden liegen, während Ben sich am Geländer festhielt. Die Empore war gut 5 oder 6 Meter hoch, und würde Ben unglücklich fallen, könne er sich schwer verletzen, doch Hochziehen konnte er sich auch nicht, weil ihm nun endgültig die Kraft im verletzten Arm versagte. "Scheisse...", japste er schwer atmend, und sah nach unten. Es sah verdammt hoch aus...


    Dann hörte er Stimmen, laute Schritte. Er konnte sich nicht umsehen, doch Erleichterung machte sich breit. "Dort oben! Schnell!!" Geklimper von Ausrüstungsteilen, Geklapper von schweren Stiefeln, die die Treppe hochliefen und endlich kamen die schwarz vermummten SEK-Beamten am Geländer in sein Sichtfeld, die mit jeweils zwei Mann und vier starken Armen seine Handgelenke umfassten, die langsam nachzugeben drohten. "Lass los, wir haben dich! Hochziehen!", befahl einer der Männer und beinahe mühelos zogen sie den stöhnenden Polizisten über das rettende Geländer. "Puh... danke... das war höchste Eisenbahn.", stöhnte Ben und sah kurz nach unten zu dem bewusstlosen Drager. "Wir brauchen mindestens zwei RTW.", gab einer der SEK-Beamten über Funk durch, als er den blutenden Oberarm des Polizisten sah. "Das Mädchen ist draussen. Komm, wir kümmern uns hier.", meinte er dann noch zu Ben, und klopfte ihm anerkennd auf die Schulter.

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    • 24. März 2016 um 10:30
    • #75

    Dschungel - 10:15 Uhr


    Für eine Weile war nur das Gerumpel des Jeeps auf dem steinigen Feldweg zu hören, links und rechts türmte sich ein beeindruckendes Grün des Dschungels auf. Touristen hätten auf diesem Weg wohl mehrere SD-Karten ihrer Kamera vollbekommen und die Landschaft fotografiert, doch dazu hatten Juan und Kevin keinerlei Zeit oder Bedürfniss. Der kolumbianische Drogenboss hielt sein Lenkrad fest und überlegte, welche Folgen es für ihn hätte, wenn Santos ihn als Mithelfer der Flucht identifizierte. Er wusste zwar, dass Santos kein Interesse an einem Kartellkrieg hatte, aber den Tod mehrerer Männer mitzuverantworten würde er wohl nicht auf sich sitzen lassen. "Warum bist du eigentlich wieder zurück gekommen?", hörte er irgendwann Kevins Stimme. Juan lächelte ein wenig schnippisch: "Weil ich immer noch nicht den zweiten Teil meines Geldes habe." Auch Kevin erwiederte es mit einem Lächeln, denn er wusste, dass Juan es nicht ernst meinte. Für die läppischen 25 000 Dollar würde er nicht seine Kartellposition aufs Spiel setzen. Er war aus reiner Nächstenliebe, aus einer Überzeugung zurückgekommen, Kevin nicht im Dschungel zurück zu lassen. Der Polizist besah sich seinen blutigen Arm. "Schlimm?" "Nur ein Streifschuss.", meinte er. Es schmerzte zwar, aber die Blutung hatte bereits aufgehört, und es sah schlimmer aus, als es war. "Schon mal angeschossen worden?", fragte Juan, und die Frage klang in den Ohren des Polizisten so, als wollte der Kolumbianer ein wenig angeben, dass er vermutlich im Drogenkrieg öfters eine Kugel eingefangen hatte. Er sah ihn ein wenig schnippisch an und sagte übertrieben gleichgültig "Nein.", so dass Juan die Reaktion sofort verstand. Immer noch glaubte er, auch Kevin wäre im Drogengeschäft in Deutschland.


    "Wo fahren wir jetzt hin?", fragte Kevin irgendwann, als hin und wieder der Fluss in sein Sichtfeld kam, und man dann wieder abbog. "Ich kenne hier in der Gegend das Oberhaupt eines kleinen Dschungeldorfes... dort könnt ihr für ein paar Stunden untertauchen, bevor ich euch zum Flughafen bringe." Der Polizist sah seinen Retter skeptisch an: "Das ist mir zu gefährlich... was ist wenn Santos mit seinen Männern dort ein Massaker anrichtet, wenn er uns sucht?" "Er kennt das Dorf nicht. Mach dir keine Sorgen. Hey, ich würde dich nicht dort hinbringen, wenn irgendeine Gefahr für das Dort bestehen würde, das sind Freunde." Das beruhigte Kevin dann doch, denn Juan hatte bewiesen, dass ihm Freunde etwas wert waren, sonst wöre er vorhin nicht zurückgekehrt.
    Bevor sie losfuhren, hatte er Annie auf die Rückbank abgelegt und er beugte sich jetzt zwischen den Sitzen nach hinten, als sie leise wimmerte und stöhnte. Sanft strich er ihr mit den Fingern über die Wange. "Entzug?", fragte Juan, der die Symptome kannte. "Sieht ganz so aus." Der Polizist ergriff ihren Arm und drehte ihn sanft, um die Innenseite ihres Ellbogens zu sehen. Er musste schlucken und schloß seufzen für einen Moment die Augen, bevor er den Arm wieder sanft auf ihren Bauch legte, der schnell atmete. Die klitzekleinen roten Punkte am Arm, auf ihren Venen, waren sicher keine Mückenstiche, das wusste er. "Im Dort wird man ihr helfen.", hörte er von dem Kolumbianer neben ihm.


    Kevin hatte das Gefühl, dass er eine Reise in die Vergangenheit angetreten war. Was er immer mal im Internet gelesen hatte, von indigenen Völker im Dschungel, die noch lebten wie ihre Vorfahren vor hunderten und tausenden Jahren, jetzt stand er mitten drin, als sich zwischen den dichten Regenwaldbäumen eine Lichtung auftaut und Hütten ins Blickfeld kamen. Kinder rannten halbnackt lachend vorbei, Frauen saßen vor den Hütten, schnitzen Holz, kochten am offenen Feuer, Männer trugen Holz oder arbeiteten auf kleinen Ackern zwischen den Hütten. Es war einfach friedlich und ruhig, als das störende Motorengeräusch erstarb. Juan sprang aus dem Fahrzeug und ein groß gewachsener Mann, mit vielen Falten im Gesicht und langem grauen Haar, schüttelte ihm die Hand. Die Wortfetzen, die sie austauschten, konnte Kevin nicht im Ansatz verstehen, denn es war kein gewöhnliches Spanisch.
    Irgendwann wandte sich Juan an Kevin: "Okay... wir können für zwei Stunden hierbleiben. Bring Annie in diese Hütte, eine heilkundige Frau wird sich um sie kümmern." Natürlich kamen immer mehr Kinder aus den Hütten und aus dem umliegenden Dschungel, denn sie betrachteten die beiden Neuankömmlinge neugierig. Diese eigenartigen Kleider kannten sie ja von Juan, der öfters hier war, aber besonders fasziniert waren sie von Annies feuerroten Haaren und Kevins heller Hautfarbe. Der Polizist hörte das Gekicher und Getuschel, konnte aber auch hier kein einziges Wort verstehen. In der Hütte war es etwas kühler als draussen, und er legte Annie auf ein weiches Lager, während hinter ihm eine ältere Frau in die Hütte trat, und eine Geste in Kevins Richtung machte, dass er die Hütte verlassen sollte. Juan im Türrahmen bemerkte den kurzen kritischen Blick. "Du kannst ihr vertrauen, sie weiß, was sie tut."


    Juan verabschiedete sich in Kevins Richtung und versprach, in zwei Stunden wieder da zu sein. Er müsse noch etwas erledigen, und der Polizist vertraute ihm. Den Revolver hatte er nochmal geladen im Hosenbund unterm Hemd stecken, und Juan hatte dem Dorfältesten alles erklärt. Als der Kolumbianer fort war, setzte Kevin sich in den Schatten einer Hütte auf den sandigen warmen Boden, und beobachtete wie ein Chamäleons das Treiben in dem kleinen Dorf. Es herrschte eine so herrliche Gemütlichkeit und Frieden hier, dass er sich plötzlich völlig entspannt fühlte, und viel Gelegenheit fand, nachzudenken. Nur hin und wieder kamen Kinder und sprachen ihn an, doch er konnte nur lächeln und mit den Achseln zucken, weil er sie nicht verstand.
    Irgendwann zog er sein Handy aus der Tasche und suchte nach einer Satellitenverbindung, da er normales Handynetz hier nicht fand. Er hatte plötzlich ein drigendes Bedürfnis, jetzt war die Gelegenheit und er wusste nicht, wann er nochmal in Ruhe telefonieren könnte. Er hörte ein, leicht verrauschtes Freizeichen am Ohr, das Wählen der Nummer und dann irgendwann die, ihm so wohlvertraute Stimme. "Ja?" Der Polizist musste nur "Hallo" sagen, und die Gesprächspartnerin wusste, wer am Telefon war. Ihr Herz setzte für einen Moment aus und tausende Emotionen wurden ausgeschüttet.


    "Kevin... schön, dass du dich meldest." Jennys Stimme klang stockend, beinahe erschrocken, als würde sie nur mit einer Meldung rechnen, wenn Kevin etwas zugestoßen wäre. "Wie gehts dir?", fragte er und verbesserte seine Frage sofort: "Wie gehts euch... euch beiden?" Jennys Emotionen verstärkten sich, denn sie wusste genau, worauf ihr Freund anspielte... nicht auf Semir, Ben oder die Chefin. Plötzlich schien die ganze Angst, die ganze Befürchtung vor Kevins negativer Reaktion auf das Baby in ihrem Bauch, abzufallen, die bereits nach seiner SMS-Antwort begann, zu bröckeln. "Ja, uns gehts gut. Morgens wehrt sich mein Körper noch etwas.", sagte sie und hörte Kevin ein wenig schmunzeln, was ihr Herz hüpfen ließ. "Und bei dir? Hast du... hast du Annie gefunden?" "Ja... sie ist bei mir." "Gehts ihr auch gut?" Kevin wog den Kopf ein wenig hin und her: "Geht so..." meinte er beinahe schon diplomatisch.
    Für einen Moment trat Schweigen zwischen die beiden, wie zwei verliebte Teenager die nebeneinander saßen, sich nicht ansahen weil sie nicht wussten, worüber sie reden sollten. Irgendwann nahm Jenny all ihren Mut zusammen und sagte, was ihr seit Tagen auf der Seele lastete und sie zum Teil gestern bei Semir und Ben los geworden war. "Ich hatte solche Angst davor, wie du darauf reagierst...", sagte sie leise und musst ein wenig mit den Tränen kämpfen. "Was meinst du damit?" "Na... wegen allem... wegen dem Streit mit Semir und Ben und dass ich dich so vor die Wahl gestellt habe..." Ihre Stimme stockte kurz. "Ich habe gedacht, dass du jetzt einfach weg bist... weil hier alles kaputt gegangen war und es tut mir so unendlich leid, was ich gesagt habe..."


    Kevin empfand es als unheimlich, dass er darüber tatsächlich für Momente nachgedacht hatte. Wäre es mit Jenny tatsächlich aus gewesen, mit Ben und Semir die Freundschaft zerbrochen und hier in Kolumbien nicht so vieles schief gelaufen wäre... der Polizist hätte nicht gewusst, was er getan hätte. Aber Jenny liebte ihn immer noch, die Beziehung scheinbar zu retten und zumindest Ben war Kevin nicht grundsätzlich negativ eingestellt. "Mir tut es leid, Jenny. Du hattest so verdammt Recht mit dem, was du mir vorgeworfen hast. Wie willst du mir vertrauen, wenn ich das selbst nicht kann." "Ich wusste ja, dass es mit uns nicht so einfach wird... aber... aber ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte." Die junge Frau konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. "Ich will dich nicht verlieren... aber ich habe eine schreckliche Angst davor, seit du weg bist."
    Auch Kevin spürte, wie sein Herz klopfte und seine Brust sich zusammenzog. "Hey... nicht weinen...", sagte er leise, denn man konnte übers Telefon deutlich hören, wie Jenny etwas zurückhielt, was nicht zurück zu halten ist. "Du wirst mich nicht verlieren. Morgen ist alles wieder gut, dann komme ich zurück." Die Tränen, die jetzt Jenny über die Wangen liefen, waren eine Mischung aus der Angst, die sich in ihr festgesetzt hatte, und Freudentränen. "Und dann werden wir eine kleine Familie sein?" Der Polizist nickte: "Ja, das werden wir." Eine Familie, die er niemals hatte. "Bitte, pass auf dich auf... ich würde sterben, wenn dir etwas passiert..." "Mir wird nichts passieren, Jenny. Ich lasse dich nicht alleine, das verspreche ich dir... ich komme zurück." Die junge Polizistin konnte das Zittern in ihrer Hand nicht verhindern und ihre Stimme hörte sich zart und verletzlich an als sie leise sagte: "Ich liebe dich, Kevin." und der Polizist ebenso leise zur Antwort gab: "Ich liebe dich auch..."

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    • 28. März 2016 um 01:49
    • #76

    Flughafen - 16:15 Uhr


    Als Semir laut in sein Funkgerät "Zugriff" rief, hatte er bereits den elektronischen Startknopf seines Dienstwagens gedrückt, und der PS-starke Motor brummte auf. Das Funkgerät flog auf den Beifahrersitz, krachend polterte der erste Gang ins Getriebe, wobei der Polizist mit dem Schaltknüppel nachhalf... vor über einem dreiviertel Jahr hatte er sich durchgesetzt und endlich wieder einen Dienstwagen mit manuellem Getriebe bekommen. Er fuhr mit immer mehr Beschleunigung auf die Szene zwischen Drager, van Dyke und Carina zu, als endlich Bewegung in die drei kam. Van Dyke rannte zu einem silbernen Audi, stieg ein und fuhr mit quietschenden Reifen beinahe Ben über den Haufen, der sich gerade noch mit einem Hechtsprung retten konnte.
    Der Polizist hielt kurz die Luft an und hielt neben seinem Partner, während Drager Carina zurück ins Flughafengebäude zerrte. "Alles klar?", rief Semir aus dem offenen Fenster, als Ben sich schon wieder aufgerappelt hatte: "Los, schnapp dir den Kerl.", rief er und zeigte auf den Audi, der auf dem Rollfeld beschleunigte. Semir grinste, salutierte scherzhaft mit den Fingern an der Stirn und trat wieder aufs Gas, während sein bester Freund ins Flughafengebäude rannte, um dort die Verfolgung von Drager und Carina aufzunehmen.


    Der alte verlassene Flughafen war ein Verkehrsflughafen, dementsprechend groß waren die Rollfelder. Semir trat das Gaspedal seines BMWs bis aufs Bodenblech und unterbrach den Vorgang nur, wenn er die Gänge nacheinander ins Getriebe gleiten ließ. Beinahe wie ein Virtouse auf einem Instrument schaffte er es, seinen Wagen durch die richtigen Schaltpunkte schneller zu beschleunigen, als van Dyke im ebenso gut motorisierten Audi. Langsam kam Semir näher als der Tacho bereits 200 km/h anzeigte, und die Bäume hinterm Zaun des Flughafengeländes immer schneller an der Seitenscheibe vorbeizogen. Irgendwann leuchteten grell die roten Bremslichter von van Dyke auf, als er auf der breiten Landebahn eine der zahlreichen Asphalt-Abzweigungen nahm, die verschiedene Lande- und Startbahnen miteinander verbanden.
    Auch Semir bremste, und mit wild quietschenden Reifen nahmen die beiden Fahrzeuge die Kurve, und schleuderten auf die, um 140° abgezweigte Startbahn, wo van Dyke sofort wieder beschleunigte. Es war angenehm, mal eine Verfolgungsjagd zu fahren, dachte Semir, bei der es soviel Platz gab, man keinen anderen Autos ausweichen musste, und es nur um die Beschleunigung der Autos ging. Als er sah, was der Verbrecher vor hatte, schnappte er sich sofort das Funkgerät. "Die beiden Ausgänge im Zaun versperren!" Sofort bewegten sich die beiden SEK-Autos und Hartmut im Technikbus, um die Ausgänge zu blockieren... van Dyke saß auf den riesigen Rollfeldern in der Falle.


    Semir hatte das Lenkrad fest in zwei Hände gepackt, nachdem er in den höchstmöglichen Gang geschaltet hatte. Er war nun dicht am Heck des Audis dran, scherte hinter ihm aus und kroch Centimeter für Centimeter nach vorne. Als er bereits mit seiner Motorhaube auf Höhe der Beifahrertür war, bog van Dyke plötzlich nach links ab und geriet dabei ins Schleudern, weil er die Handbremse zog. Semir tat es ihm gleich, in dem er nach rechts lenkte. Beide Wagen schlitterten auf dem trockenen Asphalt, quietschend, qualmend zogen sie schwarze Bremsstreifen hinter sich her und drehten herrlich eineinhalb Pirouetten, um sofort wieder aufs Gas zu gehen und die Landebahn erneut abzufahren. Als wäre es als Kunststück geplant, tauchte Semir wieder in der selben Position neben van Dyke auf.
    "Um mich loszuwerden musst du dir schon etwas Besseres einfallen lassen.", sagte Semir angriffslustig. Vergessen war das Pflaster an seinem Hals, vergessen war die Therapiestunde, vergessen die schrecklichen Erfahrungen mit den Neonazis und vergessen war der Streit mit Kevin. Er tat seinen Job, er saß in seinem BMW und er tat das, was er am besten konnte... Autofahren, und Verbrecher fangen. Ein Glücksgefühl, das er in so einer stressigen Situation noch nie empfunden hatte, rieselte ihm den Rücken herunter.


    Als Semir sich nun Tür an Tür mit van Dyke befand, kamen sich die beiden Wagen bei hoher Geschwindigkeit verdammt nahe. Die Funken flogen bereits, als sich die Türen berührten und van Dyke merkte, dass er in der Falle saß. Mit einer ruckartigen Lenkradbewegung knallte es plötzlich, und Semirs Auto vibrierte, so dass er das Lenkrad noch fester halten musste. "Drecksack...", murmelte der kleine Polizist und konterte ebenfalls mit einem Stoß. Dadurch verloren die beiden Autos an Geschwindigkeit, doch bei dem Audi handelte es sich um einen großen SUV, der mehr Gewicht hatte, als Semirs BMW. Van Dykes Stöße hatten mehr Wirkung als Semirs Stöße. Die Autos wurden wieder schneller, und statt sich gegenseitig zu rammen, begann van Dyke nun, Semir abzudrängen.
    Mit metallischem Quietschen und Kreischen der Karosserie bewegten sich die Autos aufeinander zu, Semir lenkte nach links Richtung van Dyke, der wiederrum leicht nach rechts zu Semir lenkte. Der Polizist merkte, dass er seinem Gewicht Tribut zollen musste und das erfrorene, matte Grün neben den Flugzeugpisten kam immer näher. Noch schlimmer waren die Grenzsteine, die die Piste markierten und alle paar Meter aus dem Boden ragten, sowie eine kleine Cessna, die auf einem der Querverbindungen parkte. Hobbyflieger durften manchmal den Platz als Start- und Landebahn benutzen.


    Semir biss die Zähne zusammen, als könnte er sein Auto dadurch mehr motivieren und Gewicht verleihen, um sich gegen van Dykes Audi durchzusetzen, doch mit jedem Stoß und Drücken näherte sich Semir dem Grün. Die Wagen hatten schon wieder auf fast 170 beschleunigt und die Grenzsteine kamen Semir immer dichter, die Außenflanke der Räder drohte bereits abzukippen, da der Asphalt etwas höher lag, als der Boden. Sie waren vielleicht nur noch wenige Meter von der Cessna entfernt, als van Dyke zum entscheidenden Rammstoß etwas ausholte, der Semir gegen die Grenzsteine befördert hätte. "Komm doch...", knurrte der erfahrene Autofahrer, und trat im exakt richtigen Moment mit aller Kraft auf die Bremse. Der Verbrecher reagierte zu spät und zog in Semirs Richtung, traf aber statt Tür an Tür nun mit dem hinteren Kotflügel an Semirs linken vorderen Kotflügel.
    Durch den Schlag wurde der Audi herumgerissen und drehte sich um Semirs Stoßstange herum, bis seine Reifen sich in das Gras eingruben. Der Grenzstein stoppte die kurze Rutschpartie ruckartig, als der Wagen ungefähr auf B-Säulen-Höhe von jenem getroffen wurde. Durch die hohe Geschwindigkeit stoppte der Grenzstein den schweren Audi nicht ab, sondern hebelte ihn aus. Semir wich noch nach links aus, hörte nur das Krachen und Dröhnen als der schwere Audi hoch geschleudert wurde und mit dem Dach voran, immer noch unglaublichem Speed, von hinten seitlich in die Tragfläche und Personenraum der leeren, abgestellten Cessna hineinflog. Der BMW des Polizisten war noch am Schlittern, als dessen Fahrer das unangenehme, aber wohl bekannte laute Donnern einer gewaltigen Explosion hörte, denn sowohl Fahrzeugtank, als auch Flugzeugtank wurden augenblicklich aufgerissen und entzündeten sich. Reflexartig duckte Semir sich hinterm Lenkrad, als der BMW stillstand und er einen direkten Blick auf das Inferno hatte.


    Gerade als er, sich von dem kurzen Schock erholt, zum Funkgerät greifen wollte, um Feuerwehr und Rettungskräfte anzufordern (obwohl SEK und Hartmut das ganze Schauspieler verfolgt hatten), sah er, wie sich eine Gestalt auf dem Asphalt langsam aufrappelte, und gerade im Begriff war, hektisch und humpelnd, beinahe auf allen Vieren, sich davon zu bewegen. "Das gibts ja gar nicht.", murmelte Semir und warf das Funkgerät sofort wieder auf den Beifahrersitz. Van Dyke war, zwischen Semirs Aufprall auf dessen Heckkotflügel und dem Aufschlag gegen den Grenzstein offenbar rausgesprungen, und hart auf dem Asphalt aufgeschlagen. Trotzdem war er noch in der Lage, zu flüchten... jedoch zu langsam, um eine Chance zu haben. Semir war mit einem kurzen Sprint bei dem, mehr fallend und stolpernden Holländer und packte ihn am Kragen, um ihn flach auf den eiskalten Asphalt zu drücken.
    Der Verbrecher blutete im Gesicht, seine Stoffhose war aufgerissen und er war schmutzig. Semir legte ihm ohne Gnade Handschellen an, und der Kerl jammerte. "Wer fit genug ist zum Flüchten, braucht auch keinen Krankenwagen.", flötete Semir ihm von hinten entgegen, und zog den Kerl auf seine Beine, der laut hechelte. Dann sah der Polizist auf das brennende Gemisch aus Audi und Cessna und schüttelte den Kopf, wobei er zu van Dyke sagte: "Die Nummer mit dem Rausspringen musst du mir nochmal zeigen, mein Freund..."

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

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    • 29. März 2016 um 22:31
    • #77

    Flughafen - 16:30 Uhr


    Die ganze Szenerie hatte sich ein wenig beruhigt. Verstärkung traf ein, Krankenwagen fuhren vor dem Flughafengebäude vor und der Sonnenuntergang dieses Wintertages wurde mit zuckenden Blaulichtern veredelt. Carina trat auf dem Parkplatz wartend von einem Fuß auf den anderen, voller Sorge um Ben, der sie eben noch rausgeschickt hatte, nachdem er angeschossen wurde. Als sich plötzlich Sanitäter anschickten, mit einer Bahre in das Gebäude zu laufen, wäre die junge Frau ihnen am liebsten gefolgt, denn sie ahnte Schlimmes und umso größer war die Erleichterung, als Ben ein wenig humpelnd, mit zersaustem Haar, einigen Schrammen im Gesicht und verbluteten Oberarm aus dem Gebäude kam. Sofort fiel die ganze Anspannung, und die junge Frau fiel ihrem Retter um den Hals.
    Nur wenige Augenblicke kamen die Sanitäter im Laufschritt mit Drager auf der Bahre aus dem Gebäude, zugedeckt und festgeschnallt. "Sieht nach einer schweren Schädelverletzung aus, wir müssen ihn sofort ins Krankenhaus fahren.", sagte der Notarzt, und der erste RTW fuhr vom Gebäude ab. Hinter dem Gebäude stieg dunkler schwarzer Rauch in den Himmel, der Ben kurz das Blut in den Adern gefrieren ließ, doch Hartmut, der den Techniktransporter ebenfalls auf den Parkplatz gefahren hatte, konnte seinen Freund beruhigen. Semir hatte den flüchtenden van Dyke gefasst.


    Es dauerte auch nur einige Minuten, bis der, ziemlich zerkratzt und ramponierte BMW von Semir am Gebäude vorbei auf den Vorplatz fuhr und ausstieg. Mit typisch skeptisch dreinschauenden Blick musterte er seinen ramponierten Partner. "Bist du aus der Übung?", fragte er ihn neckisch und Ben konnte, trotz seines pochenden Armes und seiner schmerzenden Kehle schon wieder Grinsen und deutete nur mit einem kurzen Kopfnicken zu Semirs Wagen, der eindeutige Schleifspuren auf einer Seite hatte, und der Seitenspiegel abgeknickt war. "Und du?" "Hey, der fährt noch... gut, der Audi fährt nicht mehr." Ben lachte auf, als Semir dann fast schon kleinlaut hinzufügte: "Und die Cessna fliegt nicht mehr." "Seid ihr immer so nett zueinander?", meinte Carina lächelnd und nahm gar nicht wahr, wie sie Bens Hand fest umgriff. Der allerdings bemerkte es, und spürte einen Glücksschauer seinen Rücken herunterlaufen.
    "Kommen sie, Herr Jäger... ich verarzte ihren Arm.", sagte dann irgendwann ein Sanitäter. Spätestens jetzt bemerkte die blonde Frau ihren Griff und lies, beinahe erschrocken los. Ihre Blicke trafen sich nur kurz, und der Polizist wandte sich zum RTW, wo er sich auf die Einladekante saß, und der Sanitäter erst den Pulloverärmel hochkrempelte, um sich die Wunde anzusehen. "Es ist nur ein Streifschuss, es steht wohl keine Kugel drin. Aber lassen sie das heute noch röntgen, dass nichts am Knochen oder an den Nervensträngen beschädigt ist.", sagte er, desinfizierte die Wunde und verband sie.


    "Tut es sehr weh?", fragte Carina, die ein wenig näher an Ben rangekommen war, und der Polizist schüttelte mutig den Kopf. "Wir merken das schon gar nicht mehr, so oft wie das schon vorgekommen ist. Nicht wahr, Ben?", sagte Semir, der sich zu Ben gesetzt hatte. "Was ist mit Drager." "Der ist auf den Kopf gefallen... von weit oben. Keine Ahnung, ob er durchkommt." "Er hat mir den Mord gestanden.", sagte dann die junge Frau, und die beiden Männer nickten. "Ja, wir haben es mitbekommen. Damit ist der Fall gelöst. Drager hat deinen Bruder wohl nach der Geldübergabe erschossen, und das Geld wieder an sich genommen. Dabei sind ihm ein paar Scheine herausgefallen." Ben verzog ein wenig das Gesicht, als der Sanitäter die Haut berührte.
    "Aber warum danach?", fragte Carina und spürte wieder, wie die Trauer heraufstieg. Semir schüttelte den Kopf: "Das wissen wir nicht. Und wenn Drager nicht durchkommt, werden wir es nie erfahren. Aber hauptsache, du weißt dass der Mörder deines Bruders bestraft wird, sollte er überleben. Heimtükischer Mord... das gibt lebenslänglich." Es war nur ein schwacher Trost, aber immerhin war es ein Trost für die junge Frau, die jetzt trotzdem in eine ungewisse Zukunft blickte... allein mit ihrer Mutter, alle Verantwortung auf sich lastend, dazu die ungewisse finanzielle Situation.


    "Achja, hier...", sagte sie dann und stellte den Koffer vor Semir und Ben. Sie hatte ihn die ganze Zeit über festgehalten, ohne es zu merken. Die beiden Polizisten betrachteten das kleine unscheinbare Dinge, der Ältere der beiden nahm ihn und öffnete das Behältnis. Er besah sich die bunten Scheine, nahm einzelne heraus und hielt sie gegen das Abendrot. "Sind echt... die wollten tatsächlich bezahlen." "Aber warum wollten sie mich zwingen, mitzukommen?" Darauf wussten die Polizisten keine Antwort, und Semir fing einen Blick von Ben auf, der das Geld betrachtete und dann mit, fast schon unschuldigem Blick zu Semir und zu Carina sah. Der erfahrene Polizist spürte sofort, was Ben dachte und schüttelte den Kopf.
    "Vergiss es, Ben." "Aber Semir..." "VERGISS ES, habe ich gesagt." Carina verstand den kurzen Disput nicht wirklich, aber der erfahrene Kommissar hatte richtig vermutet. Das Geld gehörte Verbrecher... niemand würde es vermissen und die junge Frau konnte es gut gebrauchen. Das waren Bens Gedanken, die Semir wie mit einem Scanner ablesen konnte. Grundsätzlich hätte Semir das Geld auch lieber Carina gegeben, als es für die nächsten Jahre in der Asservatenkammer als Beweismittel verschimmeln zu lassen, aber sie wussten auch, dass sie in Teufelsküche kommen würden. Als Carinas Handy klingelte, entfernte sie sich einige Schritte von Ben und Semir.


    "Vergiss nicht, dass wir momentan dabei sind, die Chefin zu belügen, was unserem allseits beliebten Kollegen angeht! Wenn wir jetzt noch Beweismittel verschwinden lassen, ist die Kacke wirklich am Dampfen. Wir versuchen sie irgendwie anders zu unterstützen, okay?", raunte Semir seinem besten Freund zu, ohne dass Carina es hören konnte, und Ben nickte. Er vertraute seinem Partner und sah ein, dass es wohl wirklich besser war, von so etwas die Finger zu lassen.
    Doch plötzlich war das Geld, die Chefin und Kevin ganz weit weg, als Carina sich mit dem Handy am Ohr zu den beiden Polizisten drehte. Ben merkte sofort, wie blass Carina auf einmal war, wie ihre Lippe zitterte und sie plötzlich nicht mehr ganz sicher auf den Beinen war. Er bekam nur mit, wie sie mit tränenerstickender Stimme ins Mobiltelefon sagte: "Nein... das darf nicht sein!!"

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    • 31. März 2016 um 09:45
    • #78

    Dschungel - 11:00 Uhr


    Nachdem Kevin das Telefongespräch mit Jenny beendet hatte, ließ er sich im Schatten neben der Hütte nieder, in der Annie gerade von einer Frau ein wenig betreut wurde. Den Rücken an das Holz der Hütte gelehnt, die Beine im 90 Grad-Winkel aufgestellt und dabei die Ellbogen darauf gestützt... so saß der junge Polizist am Boden und wurde von einigen Kindern immer wieder neugierig beäugt. Eine junge Frau brachte ihm ein wenig Wasser und sprach einige Worte, die er nicht verstand und er versuchte so dankbar wie möglich zu lächeln und zu nicken. In seinem Kopf schwirrten unendlich viele Gedanken und Gefühle umher, so dass er sich völlig seiner Umwelt und seiner Umgebung entzog. Der junge Polizist legte den Kopf nach hinten an die Hütte und strich sich mit der Hand durch das verschwitzte Haar.
    Jenny hatte Angst... er konnte es verstehen. Aber ihre Stimme hatte ihm Mut gegeben, und er wusste dass Jenny verstand, warum er hier war... warum er Annie helfen musste. Die junge Frau kannte seinen Dämon, kannte seine Geschichte und Kevin war für sie wie ein offenes Buch, selbst wenn er versuchte den Deckel zuzudrücken und mit einem Schloss abzuschließen. Dass sie immer noch zu ihm stand, auch wenn sie ihn im Affekt vor der Abreise vor die Wahl stellte, gab ihm mental unheimlich viel Kraft.


    Kevin bemerkte es zunächst gar nicht, als sich die Frau, die eben bei Annie in der Hütte war, plötzlich neben ihm stand. Sie wusste, dass der junge Mann sie nicht verstand, deutete mit dem Kopf auf die Hütte, legte den Kopf etwas schief und ihre Hände gefaltet an die linke Wange. Annie schien zu schlafen, sollte das bedeuten. Der junge Polizist machte einen fragenden Gesichtsausdruck und deutete mit dem Kopf auf den Eingang, ob er zu ihr könnte und die Frau nickte, bevor sie langsam davon ging. Langsam ging Kevin in das dunkle Innere der Hütte, es war etwas kühler aber lange nicht mit klimatisierten Räumen zu vergleichen. Annie lag ein wenig zusammengerollt auf einem Feldbett, ihr Gesicht war schweißnass und blass. Vor ihr stand ein Behälter, gefertigt aus einem Holzrahmen und gespanntem Stoff, falls sie sich übergeben musste. Offenbar hatte die Frau ihr etwas gegeben, was die Entzugssymptome linderte und sie beruhigte.
    Statt vor der Hütte setzte sich Kevin nun auf den sandigen Boden neben das Feldbett und strich der jungen Frau durch das rote feuchte Haar. Ihre Haut fühlte sich heiß an, als hätte sie Fieber, die Beine hatte sie an den Leib gezogen. "Kevin... bist du da?", flüsterte sie schwach. "Ja, es ist alles in Ordnung.", sagte der Polizist, und er hatte das Gefühl, dass sich Annies Körper entspannte, als sie seine Stimme hörte.


    Ihr Atem ging auch etwas langsamer und sie schlug nun die Augen müde auf. Als sie das verschwitzte Gesicht ihres ehemaligen Freundes sah, der neben ihr saß, stiegen ihr die Tränen in die Augen. Sie fühlte sich elend, sowohl körperlich als auch psychisch. Scham und Schuldgefühle gegenüber Kevin ließen Sie schluchzen. "Es tut mir alles so leid, Kevin. Ich habe alles falsch gemacht, was ich falsch machen konnte..." Kevin hätte ihr Recht geben können, aber er beließ es bei einem tröstenden Streicheln über den Kopf, um ihr wenigstens ein bisschen Sicherheit und Geborgenheit zu geben. Etwas, das Annie wohl nicht nur hier in Kolumbien vermisst hat, sondern vor allem auch in den letzten Jahren. Dass sie mit Ole und dem Rest der Clique engere Freunde hatte als sie dachte, schien sie nicht zu merken. Dass Kevin, den sie quasi "wiedergefunden" hatte, sie dann abwies und noch dazu mit ihr brach, als sie störrisch war und Semir nicht helfen wollte, warf sie vollkommen aus der Bahn.
    Es kam ihr immer so vor, als sei sie ein Opfer. Ein Opfer des Systems, der Umstände, des Lebens. Doch ganz am Tiefpunkt, in einem Slum von Kolumbien, als sie in einer dreckigen Gasse mit der Spritze im Arm saß und wusste, dass sie in wenigen Stunden für die nächste Spritze die Beine für irgendeinen Mann breit machen musste, ekelte sie sich vor sich selbst. Sie war zu etwas geworden, was sie nie werden wollte und spürte, dass es nur einen Schuldigen für ihre Situation gab. Sie selbst. Doch es kam ihr so vor, als käme die Einsicht zu spät. Die Sucht hatte sie ergriffen, und sie schien alle Freunde verprellt zu haben, die sie hatte... Kevin wegen ihrer verweigerten Hilfe und Ole sowie den Rest der Clique, durch ihre Flucht.


    Und jetzt war der Mann, in den sie immer noch verliebt war, bis nach Kolumbien gereist, um sie hier rauszuholen, um sie zu suchen... sie brachte ihn in Gefahr, er legte sich mit einem Verbrecherkartell an, wegen ihr. Er wurde angeschossen, wegen ihr. Die Schuldgefühle nahmen überhand und ihre Wut richtete sich vor allem gegen sich selbst. "Was ist denn überhaupt passiert?", fragte Kevin irgendwann. "Ich musste raus... ich... ich konnte an nichts anderes mehr denken, als an dich. Ich war so oft kurz davor, zu dir zu kommen und habe es nicht geschafft, weil ich... ich nicht auch noch deine Beziehung gefährden wollte. Deswegen musste ich weg... und habe mich an unseren Südamerika-Traum erinnert." Als die beiden noch zusammen waren, träumten sie oft davon, von Mexiko durch Brasilien, Kolumbien bis zur Südspitze nach Argentinien zu reisen, am liebsten nur auf einem Motorrad.
    "In Bogota war alles noch gut... ich habe mir dort eine Bleibe gesucht und bin abends einfach raus... und dort hat es angefangen, dass ich in den Diskotheken etwas genommen habe." "Du wolltest krampfhaft vergessen, hmm?" Kevin konnte ihre Gedanken, die sie in diesen Momenten gehabt hat, so gut nachvollziehen. Nach dem Tod von Janine kam auch er über den Verlust nicht hinweg und begann sich, in Drogen und Alkohol zu flüchten mit dem Unterschied, dass er durch seine Jugendzeit vorbelastet war, und es somit ein Rückfall war, während Annie vorher niemals Drogen angerührt hatte. "Am Anfang waren es nur Pillen... bis...", zitterte Annies Stimme und konnte das schreckliche Wort nicht aussprechen. Der Polizist nahm es ihr ab und sagte: "Ich hab deine Arme gesehen." Soweit war es bei ihm nie gegangen. "Es ging rasend schnell.", schluchzte sie. "Für den nächsten Schuss hat mich dann ein Typ mit hierher genommen, wo du mich gefunden hast... und ich musste hier..." "Ist schon gut...", beruhigte Kevin sie, als ihre Stimme wieder weg zu brechen drohte, als der wohl noch unangenehmere Teil der Geschichte kommen sollte.


    "Ich schäme mich so. Ich bringe dich in Gefahr wegen meiner... meiner Dummheit. Wegen allem, was ich falsch gemacht habe...", sagte die junge Frau und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Ich hab mich selbst für diese Reise entschieden, Annie. Aber bitte, lass sie nicht umsonst sein." Sie schüttelte den Kopf, und wusste selbst dass sie hier zu Grunde gehen würde. "Wenn wir zurückkommen, machst du eine Therapie oder irgendwas, um von den Drogen wieder weg zu kommen, okay? Ich helf dir auch dabei, du hast Freunde, die dir helfen." Annie blickte Kevin mit ihren grünen Augen an, in die er sich damals zuerst verliebte hatte. "Du... du hast eben etwas von Ole gesagt." Der Polizist nickte. "Ole hat mir erzählt, dass du weg bist. Und dass sie sich Sorgen machen, weil du dich nicht mehr gemeldet hast. Er hat mich gebeten dich zu suchen, aber die Entscheidung ob ich es tue, habe ich allein getroffen." Er rückte etwas dichter an Annie heran. "Ole hätte alles für dich getan. Der wäre sogar mit einem Schiff hierher übergesetzt, um dich zu suchen."
    Der Blick der jungen Frau senkte sich. Sie war berührt davon, was die Freunde zu Hause für sie getan hätten, wie sehr sie sich gesorgt hatten und dass sie Kevin wohl doch noch etwas bedeutete, sonst wäre er nicht gekommen. "Ich hab euch nicht verdient...", sagte sie leise, ohne Kevin anzuschauen. "Jeder macht Fehler, Annie." Kevin wusste es nur zu gut... er verschwieg, wieviel Porzellan er in Deutschland zerbrochen hatte, als er hierher gereist war, um bei der jungen Frau nicht noch mehr Schuldgefühle zu verursachen.


    Dann schwiegen sie und warteten... warteten auf Juan, damit sie die Fahrt zum Flughafen fortsetzen konnten. Minutenlang schwiegen sie sich an, bis Kevin seine ehemalige Freundin wieder ansah, und es sogar schaffte, zu lächeln. Es war allein der Gedanke, der ihn seine Mundwinkel anheben ließ. "Ich werde Vater." Annie blickte sofort zu ihm herüber. "Mit... mit Jenny?" Er nickte. Obwohl Annie noch etwas für Kevin empfand, so sah sie doch mittlerweile, gerade nach der Rettung viel klarer. Sie war beruhigt, dass sie ihm scheinbar nicht vollkommen egal war, was er noch bei der Beerdigung zum Ausdruck gebracht hatte, und ihr Lächeln war ehrlich als sie nun seine Hand ergriff. "Das ist doch toll." Die ehrliche Freude der jungen Frau verstärkte das Glücksgefühl in Kevin nochmals. Sofort, nachdem er den Satz gesagt hatte war er sich unsicher, ob es gut war, Annie das zu erzählen und die Reaktion beruhigte ihn.
    "Du wolltest doch nie Kinder..." "Naja, geplant war es auch nicht. Aber..." Er zuckte mit den Schultern. "Dinge ändern sich. Vielleicht hilft mir ein Kind mit Jenny, endlich mein Leben komplett in den Griff zu kriegen. Immer, wenn ich das Gefühl hatte, dass ich es geschafft habe, ist etwas anderes passiert." Für einen Moment blickte er zu Boden. "Ausserdem will ich ein besserer Vater sein, als..." "Hey... denk nicht darüber nach.", unterbrach Annie ihn sofort, denn sie kannte Kevins Vater, und sie kannte das Verhältnis zwischen den beiden. Der Polizist nickte und bemerkte, als er zu Annie aufsah, dass ihre Gesichtsfarbe langsam wiederkehrte. Die beiden lächelten sich an. "Ich werde dir hierfür auf ewig dankbar sein, Kevin..."

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    • 1. April 2016 um 11:28
    • #79

    Krankenhaus - 17:00 Uhr


    Ben nutzte das Blaulicht des BMWs, denn er sich kurzerhand von Semir ausgeliehen hatte, um mit Sonderrechten im Feierabendverkehr schneller voran zu kommen. Neben ihm saß Carina, die sich mit der rechten Hand am Innentürgriff festklammerte... jedoch nicht aus Angst vor Bens Fahrt, sondern aus Sorge. Die Betreuungsstation, wo Carinas Mutter untergebracht war, hatte angerufen. Ihre Mutter hatte einen Zusammenbruch, sie sei umgekippt. Die Stimme der Pflegerin hatte sich ernst angehört, auch wenn die erfahrene Frau versucht hatte, Carina zu beruhigen. Man hätte sofort einen Notarzt alarmiert, der Hermine Bachmann eiligst ins städtische Krankenhaus gebracht hatte. So vorsichtig wie möglich versuchte sie der geschockten jungen Frau zu sagen, dass der Notarzt einen Verdacht auf einen Herzinfarkt geäussert hatte.
    Carina kaute an den Fingernägel, ihre Augen waren feucht. Sie wollte stark sein, sie wollte nicht weinen... sie war es doch jetzt, die verantwortlich war, was vorher immer ein wenig ihr großer Bruder war, der der rettende Fels in der Brandung war. Sie musste aber jetzt für ihre Mutter da sein. Doch das schlechte Gewissen nagte an ihr, weil sie ihre Mutter alleine gelassen hatte. Der Gedanke, alleine zu sterben, hatte Hermine immer Angst gemacht, das hatte sie ihrer Tochter öfters erzählt.


    Der junge Polizist fuhr schneller als erlaubt, er nutzte seine Sonderrechte, aber er fuhr trotzdem kontrolliert und risikolos. Ein Verkehrsunfall würde weder ihm noch Carina helfen, ausserdem nutzte er das Blaulicht privat, was ihm weiteren Ärger einbringen würde, falls es zu einem Unfall kam. Er spielte seine ganze Routine am Lenkrad aus, überholte mit Lichthupe nur links und fuhr bei Rot langsam an eine Kreuzung der Innenstadt heran, bis ihn jeder durchließ, statt auf gut Glück durch zu brausen, wie er es bei mancher Verfolgungsjagd tat. Immer wieder warf Ben einen schnellen Seitenblick auf seine Beifahrerin, die nicht wusste welchen Punkt sie fixieren sollte. "Jetzt mal nicht den Teufel an die Wand... vielleicht ist es nicht so schlimm."
    Carina schniefte ein wenig, sie wusste, Ben meinte es gut und wollte sie trösten. Aber die Worte konnten die Sorgen nicht vertreiben. "Meine Tante hatte mit 40, 47 und 56 einen Herzinfarkt... und lebt heute noch ganz normal.", sagte er lächelnd. "Ich... ich hab solche Angst vielleicht zu spät zu kommen, Ben.", offenbarte die junge Frau ihre Sorge. Nicht für ihre Mutter da zu sein, in diesem Moment, wo sie Sie brauchte. Es hatte sich auch nichts angekündigt, die ärztlichen Untersuchungen, die in regelmäßigen Abständen stattfanden, waren alle in Ordnung gewesen.


    Es kam Carina wie eine Ewigkeit vor, obwohl sie nur 20 Minuten unterwegs waren. Ben fuhr direkt vor den Eingang, wo er Carina rausliess. "Ich komme sofort.", sagte er noch und suchte den Parkplatz bereits nach einem freien Platz ab. Er wollte den Eingang, trotz Sonderrechten, nicht blockieren, falls dort vielleicht jemand kam, der nicht besonders gut gehen konnte. Carina nickte und lief durch die Eingangstür an den Empfang, wo sie auch sofort an die Reihe kam. "Meine Mutter wurde eben von einer Betreuungseinrichtung mit Verdacht auf Herzinfarkt eingeliefert. Hermine Bachmann heißt sie.", sagte sie aufgeregt und ein wenig zitterig. Die ältere Frau schaute im Computer, und wies Carina die Richtung zur Intensivstation.
    Der Weg wollte nicht enden, Carina kam es vor, als würde der Gang schwanken als sie ihn entlang ging. Ihr Herz raste, ihre Beine fühlten sich wie Pudding an, und auf einmal fühlte sie sich, als sie die Intensivstation erreichte, völlig verloren, bis sie endlich eine Schwester fand. "Warten sie kurz hier... ich schicke den behandelnden Arzt." In dem Moment kam auch Ben um die Ecke des Gangs und kam näher an Carina heran. "Und?" "Sie schickt mir den Arzt." Die Luft war zum Schneiden, und die Sorgen der jungen Frau nahm immer mehr zu, erste Horrorszenarien bauten sich in ihrem Kopf auf.


    Ein Mann in Weiß schwebte von einem Zimmer auf den Gang, und er erschien Carina sofort vertrauenserweckend.. als könne er drei Worte sagen, und alles war wieder gut. Doch sein Blick war ernst, er rückte seine Brille zurecht und hatte einige Ausdrucke in der Hand. "Frau Bachmann?", fragte er und die junge Frau nickte eifrig. "Ihre Mutter hat einen schweren Herzinfarkt erlitten, woraufhin es auch zu Herz-Kreislauf-Problemen gekommen ist. Wir...", er blickte kurz zu Ben, der dicht hinter Carina stand und dessen Gesicht langsam auch eher einen erschrockenen Ausdruck annahm, und blickte kurz verwundert auf den beschädigten und verbluteten Ärmel. "Wir mussten sie bereits... bereits reanimieren. Momentan ist ihr Zustand kritisch, aber stabil." Das Zittern von Carinas Hand, mit der sie sich nun zum Mund fuhr, wurde stärker und ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen.
    Ben bemerkte es und legte seine Hände von hinten um Carinas Schulter, um ihr ein wenig Halt zu geben, und auch der Arzt meinte, ob es nicht besser ist, wenn sie sich einen Moment hinsetzen würde. Aber die junge Frau schüttelte energisch ihren Kopf. "Kann ich zu ihr?" Die Miene des Arztes wirkte jetzt sogar eher bedrückt. "Selbstverständlich... kommen sie." Der Polizist wollte ihr folgen, doch der Arzt hielt ihn auf. "Sind sie auch ein Verwandter?" "Nein... ich bin... ähm... ein Freund." "Tut mir leid, in diesem Falle...", sagte der Arzt und nickte mit dem Kopf ein wenig zur Seite, als wolle er sagen: "Sie wissen eh, was ich ihnen jetzt sagen muss." Carina sah sich zu Ben um und nickte: "Ist schon okay, Ben... danke.", sagte sie und wollte den Gang alleine gehen. "Ich warte hier auf dich.", versprach der Polizist mit der Wuschelfrisur.


    Carina konnte sich später nicht mehr an Details erinnern... ob ihre Mutter Schläuche im Mund, etwas in der Nase und besondere Sonden am Körper hatte. Sie wusste nur, dass sie ganz ruhig und friedlich im Bett lag, ein elektronischer gleichmäßiger Piepton zu hören war, der allerdings von der Schnelligkeit her irgendwie anders war, als Carina ihn kannte. Aber auch das verschwimmte in der Erinnerung, verschwimmte in dem geballten Eindruck dessen, was sie sah. In einen Kittel gekleidet, setzte sie sich ans Bett auf einen Stuhl und ergriff die Hand ihrer Mutter zärtlich, wobei sie ihr mit dem Daumen über die Handfläche strich. Der Arzt blieb noch für einen Moment und sagte, so schonend wie möglich: "Ich möchte sie nicht verletzen, aber auch keine falsche Hoffnung machen, Frau Bachmann. Das bringt ihnen nichts. Das Herz ihrer Mutter ist durch den Infarkt schwer geschädigt und es schlägt nur noch mit verminderter Leistung. Wir müssen die Nacht abwarten, wie sich die Werte entwickeln. Bleiben sie heute Nacht bei ihr, für sie gelten keine Besuchszeiten." Die blonde Frau nickte gedankenverloren, ohne den Blick von ihrer Mutter abzuwenden. Trotzdem machte sich ein bisschen Erleichterung breit, dass sie zumindest bei ihr war, und ihre Mutter nicht allein war.
    Ben stand draussen ruckartig vom Stuhl auf, als der Arzt nach draussen kam. "Hören sie, Doktor... ich weiß, ich bin keine Verwandtschaft, aber ich bin ein sehr guter Freund. Sagen sie mir nur, wie ernst es ist." Der Arzt sah den jungen Mann an und presste kurz die Lippen zusammen. "Ich habe ihr gesagt, dass das Herz durch den Infarkt sehr geschädigt ist und dass wir die morgigen Werte abwarten müssen. Und, dass sie heute Nacht bei ihr bleiben soll." Ben zog ein wenig die Stirn in Falten, es war ungewöhnlich, dass der Arzt vorschlug, dass Angehörige blieben. Sonst hieß es immer: "Ruhen sie sich aus, sie können eh nichts tun." Aber der Polizist erkannte den Hintergrund der Aussage. "Weil sie damit rechnen, dass es vielleicht morgen keine Werte mehr gibt?" Der Mann im weißen Kittel schaute kurz zu Boden und nickte.

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    • 4. April 2016 um 00:32
    • #80

    Dschungel - 12:00 Uhr


    Annie hatte noch ein wenig geschlafen und sich erholt. Sie hatte von der Frau des Dorfes eine Art Ersatz-Droge bekommen... ein pflanzliches Gemisch, das auf das Gehirn wirkte und den Bedarf der Droge eindämmte, was somit die Symptome des Entzugs linderte. Jetzt stand die junge rothaarige Frau wieder im Licht der Sonne, noch etwas wackelig auf den Beinen und blass um die Nase. Kevin bedankte sich bei der Frau, auch wenn er diesen Dank nur mit Händen kommunizieren konnte. Pünktlich tauchte auch Juan wieder im Dorf auf. "Wo warst du denn?", fragte Kevin aus Neugierde, weniger dass er sich Sorgen gemacht hätte. "Ich war nochmal zurück. Wollte mal sehen, wie die Stimmung im Dorf ist und meine Leute warnen, falls Santos doch etwas tut, womit ich nicht rechne." "Und wie war die Stimmung?" Der Kolumbianer sah Kevin für einen Moment stumm ohne Lächeln an. "Aufgeheizt. Aber das hat dich nicht mehr zu interessieren. Ich fahr euch jetzt zum Flughafen, und dann ist der Film aus. Los gehts."
    Annie und Kevin verabschiedeten sich aus dem Dorf und kletterten in Juans Geländewagen. Der Jeep rumpelte auf den Feldweg zurück, man bog nochmal ab und fuhr nahe an einer Art Schlucht vorbei, die nach unten in den Rio Cauca führte. "Wie tief ist es da?", fragte Annie irgendwann, die aus dem Seitenfenster schaute und das Wasser noch rauschen hören konnte. "Von den paar Brücken, die über den Cauca führen vielleicht 15-20 Meter. Wenn man den Sturz mit Gottes Hilfe überleben sollte, wird dich spätestens die Strömung, die jetzt nach der Regenzeit herrscht, umbringen."


    Auf Kevin wirkte Juan angespannter als zuvor. Seine Gelassenheit, die er bisher die ganze Zeit hatte, war wie weggeblasen. Scheinbar war die Stimmung in seinem Slum vor Bogota wirklich nicht so gut, nachdem er den beiden gegen Santos geholfen hatte. Vielleicht wurde dem kolumbianischen Kartellchef jetzt richtig bewusst, was er für einen unbekannten Deutschen und dessen Freundin aufs Spiel gesetzt hatte. Doch Kevin versuchte den Gedanken abzuschütteln, versuchte egoistisch zu sein. Für ihn zählte jetzt ausschließlich, den Flughafen zu erreichen und mit Annie zusammen das Land zu verlassen, um Heim zu Jenny zu kommen. Das Telefongespräch hatte alle Zweifel über eine Rückkehr, alles Denken über einen erneuten Schnitt in seinem Leben beiseite gewischt.
    Juan folgte dem staubigen Feldweg, der wieder in den Dschungel führte. Sie kamen zu einer Gabelung, der rechte Weg führte weiter den Berg entlang, rechts am Rio Cauca vorbei, während die linke Abzweigung ein wenig Bergab zu einer Brücke führte. Der Kolumbianer bremste, als er den Geländewagen an der Gabelung bemerkte. "Scheisse...", sagte er auf Spanisch. "Was ist los?" "Das sind Santos Leute..." "Fuck, ich dachte die könnten uns hier nicht finden?", sagte Kevin laut und griff nach seinem Revolver. "Ganz ruhig... lass mich das regeln und ihr zieht die Birne runter.", sagte Juan und machte eine beschwichtigende Handbewegung.


    Juan wusste, dass sein Name und seine Persönlichkeit in Bogota Gewicht hatte. Santos Männer würden ihn sicherlich nicht über den Haufen schiessen, die jetzt mit zwei automatischen Gewehren aus dem Wagen kamen und dem langhaarigen Kolumbianer entgegen kamen. "Was macht ihr hier?", fragte er die beiden Männer auf Spanisch. "Wir haben Anweisung von Santos, hier kein Auto durch zu lassen, wo sich ein deutscher Mann mit einer deutschen rothaarigen Frau aufhält. Also werden wir dein Auto jetzt durchsuchen." "Und wenn sie drin sind?" "Dann sollen wir den Mann exekutieren." Juan blickte zwischen den beiden Kerlen hin und her. "Ihr werdet mein Auto nicht durchsuchen, sondern ganz normal weiterfahren lassen. Oder wisst ihr nicht, wer ich..." Der Kolumbianer stockte, und ihm fielen die Halstücher der beiden Männer auf. Nein, die kannten ihn nicht. Und wenn sie ihn kannten, war es ihnen egal. Es waren nicht Santos Männer, sondern Rebellen, mit denen Santos Kontakt hatten. "Oder was?", herrschte der Kerl und stieß Juan mit der Gewehrmündung vor die Brust.
    Kevin linste über das Amaturenbrett und bemerkte die gefährliche Situation. Eine Hand am Türgriff, die andere um den Revolvergriff geklammert, wartete er keine Sekunde zu wenig. Glücklicherweise standen die beiden Männer nicht hinter Juan verdeckt, der nur noch das Klacken der öffnenden Autotür hörte und bemerkte, dass die Blicke der beiden Männer an ihm vorbeigingen. Dann fielen auch schon zwei Schüsse, und die beiden Angreifer gingen getroffen zu Boden. Einer war sofort tot, weil er von Kevin in die Brust getroffen wurde, der andere krümmte sich mit einem Bauchschuss. Annie sah ein wenig erschrocken auf ihren ehemaligen Freund, nachdem er die Waffe zweimal abgedrückt hatte. So kannte sie ihn nicht, und es kam ihr befremdlich vor, auch wenn die Situation es verlangt hatte, dass er eingriff.


    "Sag mal, bist du irre??", rief Juan, nachdem er sich umgedreht hatte und Kevin ihm entgegenlief. "Gern geschehen. Frag den Typen lieber, ob Santos auch schon auf dem Weg hierher ist." Der Kolumbianer strich sich die Haare aus dem Gesicht und war tief im Inneren Kevin tatsächlich dankbar, denn die Situation hatte zu eskalieren gedroht. Juan beugte sich zu dem krümmenden Kerl nach unten und packte ihm am Kragen. Der Typ presste beide Hände zitternd auf die blutende Wunde, und seine Zähne waren bereits vom Blut bedeckt. "Wo ist Santos? Ist er auf dem Weg hierher?" Der Kerl grinste in seinen Schmerzen diabolisch. "Er ist längst auf dem Weg. Ihr werdet ihm nicht mehr entkommen.", stotterte er und versuchte krampfhaft, das Blut unter zu schlucken.
    Kevin sah sich gehetzt um, und hatte das Gefühl, er könne Motorengeräusche hören. "Wir müssen hier weg, Juan." Der Kolumbianer richtete sich wieder auf, als der Kerl am Boden die Augen verdrehte und dabei das Bewusstsein verlor. Er pustete durch und sah auf den zweiten Wagen. "Santos hat einen Geländewagen, mit dem er uns garantiert bis zum Flughafen eingeholt hat.", sagte er nachdenklich. "Dann müssen wir uns trennen. Dir wird er nichts tun, und auf Annie scheint er auch nicht scharf zu sein. Du bringst sie zum Flughafen."


    Ohne Juans Antwort abzuwarten, lief Kevin zurück zum Wagen, wo Annie ängstlich wartete. "Warte! Das kannst du nicht machen!", rief Juan und hielt den jungen Polizisten am Hemd fest. "Santos wird dich umbringen. Du weißt nicht, wozu der Mann fähig ist." "Mit dem kleinen Jeep der beiden Typen wird er mich nicht kriegen." Der Kolumbianer schüttelte den Kopf. "Das ist Wahnsinn." Kevin packte Juan an den Schultern. Plötzlich war sein altes Ego wieder da, der Kevin, den nichts umstürzen konnte, der Fels in der Brandung der in diesem Moment nur daran dachte, seine Versprechen einzulösen. Sein Versprechen gegenüber Ole konnte er nur einlösen, wenn Juan Annie sicher zum Flughafen brachte und sein Versprechen gegenüber Jenny würde er nicht einlösen können, wenn sie jetzt gemeinsam weiterfahren würden.
    "Hör zu! Ich habe dich engagiert, um mir zu helfen! Und du hilfst mir jetzt, in dem du Annie zum Flughafen bringst. Zu dritt schaffen wir es nicht, weil Santos nur eine Spur verfolgen muss. Und ich alleine finde den Weg nicht. Sobald ich Santos abgehängt habe, rufe ich dich an, und du lotst mich zum Flughafen." Die beiden Männer standen sich gegenüber, beide ungefähr gleich groß und blickten sich in die Augen. "Ich habe zwei Versprechen einzulösen. Und glaub mir, DIESMAL werde ich das auch tun." Kevins hellblaue Augen funkelten, und davon ließ Juan sich dann umstimmen.


    Der junge Polizist beugte sich durch die offene Tür zu Annie. "Juan wird dich zum Flughafen bringen. Ich komme nach. Falls ich den nächsten Flug nicht schaffe, wirst du fliegen, dann komme ich mit der nächsten Maschine." Annies Augen weiteten sich und sie schüttelte wild den Kopf. "Nein... nein, das..." "Es geht nicht anders. Annie, du musst mir jetzt vertrauen." Die Lippen der jungen Frau zitterten und in ihr stieg ein unheimliches, bedrohliches Gefühl auf dass diese Entscheidung nicht die Richtige war. "Bitte... ich bin für all das hier verantwortlich. Es darf nicht sein, dass du dafür in Gefahr gerätst.", sagte sie panisch. "Was ist denn jetzt? Ich seh im Rückspiegel schon Staub hinter den Bäumen aufsteigen. Santos ist nicht mehr weit weg."
    Kevin fasste Annie an den Händen. "Denk dran, was ich dir gesagt habe vorhin... Lass es nicht umsonst gewesen sein. Wenn Santos uns alle erwischt, dann war es umsonst." Bevor Annie nochmal widersprechen konnte, zog der junge Polizist seine ehemalige Freundin heran und küsste sie. Es war wie eine Zeitreise, 13 Jahre zurück als Kevin 17 war und er Annie auf dem Dach der alten Halle küsste. Obwohl der Kuss keine zwei Sekunden dauerte, kam er beiden vor wie eine Ewigkeit, bis der Polizist sich lossagte und die Tür des Wagens zwischen sich und Annie schloß. Juan warf er noch den Schlüssel des Schließfaches zu, in der die zweite Hälfte des Geldes lag. Der Kolumbianer konnte es nicht fassen, dass Kevin daran in diesem Moment dachte und sah dem jungen Mann nach, wie er zu dem deutlich kleineren und schnelleren Jeep lief, bevor er selbst weiter fuhr und die rechte Abzweigung nahm.

    Wenn Engel hassen

    Stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt

    Wenn Engel hassen

    Fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt

    Wenn Engel hassen

    Landen sie als schwarzer Schatten der uns quält

    Und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind

    Wie sie.


    Subway to Sally - Wenn Engel hassen

    <3

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