Beiträge von susan

    Inzwischen waren drei Tage ins Land gegangen.Frau Krüger war für die zügige Festnahme des Attentäters vom Polizeipräsidenten gelobt worden,während sie selber sich immer noch massive Vorwürfe wegen ihrer Fehleinschätzung der Situation und dem Tod des Wachmanns machte.
    Besuche der Kollegen auf der Intensivstation waren immer noch nicht gestattet,aber Andrea fuhr täglich nach ihren Besuchen in der PASt vorbei und gab ein Statement über den Gesundheitszustand ihres Mannes ab.

    Der Betrieb in der Ballettschule lief wieder und Ayda ging wie selbstverständlich zum Training und bereitete sich auf ihre Hauptrolle vor.Frau Neumann hatte Karls Stunden übernommen und probte auch seine Choreographie mit den Kindern.

    Konrad war am nächsten Tag mit einem einflussreichen,befreundeten Arzt in der Uniklinik erschienen,da er dringend eine Verlegung seines Sohnes in eine Privatklinik forderte.Der hatte sich die Patientenakten angesehen und nur einen kurzen Blick auf Ben geworfen.Danach nahm er sich seinen Rotarierfreund zur Brust.“Konrad,du hast ja keine Ahnung,wieviel Glück Ben damit hat,dass er hier in der Uniklinik liegt.Nur wenige Krankenhäuser in der BRD haben die Möglichkeit einer ECMO und ohne die wäre er schon lange tot.Es wäre sein Todesurteil,wenn man ihn jetzt davon trennen würde.Sei froh,dass du ihn noch hast und ausserdem hat er in Sachen Gesundheitsfürsorge und da gehört für mich eindeutig auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht dazu,seinen Freund Herrn Gerkan eingesetzt und letztendlich bestimmt der jetzt,was gemacht wird.Es tut mir leid,aber ausser,dass er im Augenblick gar nicht transportfähig wäre,geschieht hier das Bestmögliche,um sein Leben zu retten.Wenn er das Ganze überleben sollte,was ich immer noch stark bezweifle,kannst du ihm ja danach eine Luxuskur finanzieren,aber jetzt soll er da bleiben,wo er ist,sonst bist du noch an seinem Tod schuld!“
    Konrad sah eingeschüchtert seinen Freund mit offenem Mund an.Selten fand ihm gegenüber jemand so klare Worte,aber das schockte ihn jetzt doch.Er ging noch kurz zu seinem Sohn,wechselte auch ein paar belanglose Worte mit Semir,dem es anscheinend zügig besserging und fuhr dann wieder in seine Firma,um das nächste grosse Bauprojekt zu planen.Auch Julia fand,begleitet von ihrem Mann,kurz den Weg zu Ben.Sie strich ihm über die fieberheisse Stirn und flüsterte ihm zu:“Gute Besserung-und wenn du das überleben solltest,heisst dein Neffe mit zweitem Vornamen Ben und du musst Pate werden.“ Dann wurde ihr allerdings schon wieder ganz komisch und so brachte Peter sie schleunigst nach Hause,wo sie sich sofort wieder hinlegen musste.

    Semirs Heilungsverlauf war absolut zufriedenstellend und so durfte er nach zwei Tagen,bewacht von einem kleinen,tragbaren Monitor,schon wieder mit Hilfe der Schwester,mit dem Gehwagen aufstehen.Sein erster Weg führte zu seinem Freund.Er fasste ihn mit beiden Händen an,irgendwie musste er ihn berühren und sich so vergewissern,dass er wirklich noch lebte.Nachdem die Narkosemittel wegen der Gewöhnung relativ schnell an Wirkung verloren,öffnete Ben auch sofort die Augen,als er seinen Freund spürte.Ein kleines Lächeln zog über sein Gesicht.Er war zwar immer noch furchtbar müde,aber nun wusste er sicher,dass Semir immer da war.Er hatte zwar gelegentlich gemeint seine Stimme zu hören,aber irgendwie war das so irreal gewesen.Aber jetzt war er sich sicher,Semir war da und passte auf ihn auf.Wie durch einen Nebel hörte er dessen Stimme:“Ben,du musst kämpfen,damit du wieder ganz gesund wirst!“ und er nickte,bevor er wegdämmerte.

    Langsam begann nun das neue Antibiotikum bei Ben zu wirken.Die Entzündungswerte im Labor fingen an zu fallen und als man im Liegen im Bett eine erneute Röntgenkontrollaufnahme der Lunge machte,war eine deutliche Besserung der Pneumonie darauf zu erkennen.“Wenn die positive Tendenz so weitergeht,werden wir morgen versuchen,die ECMO auszuschalten,um zu sehen,ob der Gasaustausch über die Lunge wieder zufriedenstellend funktioniert!“ klärte der Arzt Semir auf.“Und wie geht’s dann weiter,falls das klappt?“ wollte nun Semir wissen.“Dann beginnen wir mit dem Weaning,also dem Entwöhnen von der Beatmungsmaschine.Stellen sie sich das aber nicht so einfach vor,wie das bei ihnen zum Beispiel gegangen ist.Sie waren nach ihrer medianen Sternotomie ja nur kurz nachbeatmet,während ihr Freund nun schon sehr lange maschinell beatmet ist und die Atemmuskulatur leider schon in kurzer Zeit zurückgeht.Das wird eine anstrengende Zeit für ihren Kollegen werden und es wird ihm sehr guttun,wenn sie ihn dabei begleiten! Ausserdem glaube ich fast,dass wir nicht darumherumkommen werden,das riesige Hämatom bei ihm doch auszuräumen,bevor sich das noch infiziert,aber diese Operation sollte besser stattfinden,wenn der Einsatz der ECMO nicht mehr nötig ist,also schieben wir das noch zwei Tage.“

    Nun fragte Semir doch nach:“Sie haben bei mir irgendein medianes Dingsbums erwähnt,was meinten sie damit?“ „Um nach der Stichattacke das Ausmass der Herzverletzung einzuschätzen und reparieren zu können,mussten wir den schnellstmöglichen und übersichtlichsten Zugang zu ihrem Brustkorb nehmen.Wir haben deshalb nach dem Abpräparieren der Haut und Muskelschicht bei der Operation ihr Brustbein der Länge nach gespalten.Sie haben ja die Naht beim Verbinden schon gesehen.Mit einer oszillierenden Säge wird da der Knochen durchtrennt und dann der Thorax mit einem Spreizer sozusagen aufgeklappt,damit man ans Herz rankommt.Das ist übrigens der Standardzugang für die meisten offenen Herzoperationen.Nachdem wir den Herzbeutel übernäht hatten,wurde die Wunde schichtweise wieder verschlossen und das Brustbein mit sogenannten Drahtcerclagen wieder zusammengefügt.Das wächst üblicherweise wie ein Knochenbruch nach etwa 2-3 Monaten wieder zusammen.Normalerweise bleiben diese Drähte lebenslang drin,aber gesetzt den Fall,sie würden stören,was bei sehr schlanken Patienten manchmal vorkommt,kann man sie nach dieser Zeit bei einer weiteren Operation entfernen,aber wie gesagt,nur wenn sie stören.Sehr viele Menschen laufen mit solchen Drähten im Körper herum,ohne dass sie Probleme damit haben.Sie dürfen übrigens die nächsten drei Monate auf gar keinen Fall heben,oder schwer tragen,sonst wird ihr Brustkorb instabil!“ fügte er noch an. „Und arbeiten?“ fragte Semir eingeschüchtert,denn dass das so ein grosser Eingriff gewesen war,war ihm gar nicht bewusst gewesen,er hatte nämlich vergleichsweise wenig Schmerzen,oder die Schmerztherapie war einfach so gut.Der Arzt schüttelte lächelnd den Kopf.“Ein viertel Jahr müssen sie rechnen!“ erklärte er und liess nun einen deprimierten Polizisten zurück.

    Jetzt geht für Semir also die unbequeme Fahrt nach Strasbourgh los.Fréderik ist anscheinend so voller Hass,dass er nur darauf wartet,dass sich Semir ihm widersetzt,damit er ihn verprügeln,oder sogar töten kann.
    Der hält sich aber zurück und schliesst innerlich schon mit seinem Leben ab.
    Frank,der schwere Junge aus Deutschland hat sich auf einem kleinen französischen Landsitz zur Ruhe gesetzt und verprasst hier das Geld seiner ermordeten Frau.
    Er freut sich sehr auf das kleine Willkommensgeschenk,das ihm sein Freund Fred versprochen hat.Irgendwie macht mich die Erwähnung des Waldes und der Pferde nachdenklich,ist hier vielleicht ein kleine Menschenjagd geplant? ;(
    Hoffentlich kommt Ben schnellstmöglich von Versailles ins Elsass und rettet seinen Freund!

    Zuvor kam aber der Stationsarzt,der vorher Semir extubiert hatte zu ihm.“Herr Gerkan,wie geht’s ihnen-kriegen sie genug Luft?“ wollte er wissen.Semir zog die Sauerstoffmaske von seinem Gesicht und sagte:“Kein Problem,aber was war jetzt eigentlich kaputt bei mir und noch wichtiger-wie geht es Ben?“ „Gut,wenn sie schon aufnahmebereit sind,dann erkläre ich ihnen das jetzt.“beantwortete der Arzt die Fragen.“Bei ihnen wurde durch den Stich in den Brustkorb die Lunge und der Herzbeutel verletzt.Sie hatten reflektorisch kurz Kammerflimmern,was wir aber mit Defibrillation wieder beheben konnten.Im OP mussten wir ihren Brustkorb öffnen und das Loch im Herzbeutel übernähen.Die Lunge wird von selber wieder heilen,durch den glatten Stich war es nicht nötig,etwas zu resezieren.Sie haben dann noch eine neue Thoraxdrainage bekommen,nachdem sie die Alte ja sozusagen unfreiwillig verloren hatten und wir haben den Thorax wieder verschlossen.Im Moment sieht eigentlich alles gut aus.Sie müssen sich jetzt noch körperlich schonen und ein paar Tage am Monitor bleiben,damit wir eventuelle Herzrythmusstörungen sofort erkennen und behandeln könnten,aber sonst haben sie gute Chancen das Ganze folgenlos zu überstehen.Seien sie froh,dass der Überfall hier stattgefunden hat,wäre das draussen passiert,würden sie vermutlich nicht mehr leben!“
    Nun musste Semir schon schlucken.Dass es so knapp gewesen war,hätte er nicht gedacht,wobei er,als die Schere in seiner Brust verschwunden war,schon Angst bekommen hatte,aber er war dann so schnell bewusstlos geworden,dass ihm keine Zeit mehr geblieben war,sich Gedanken zu machen.

    „Und was ist jetzt mit Ben? Ich habe bei dem Überfall nur noch gesehen,wie Wiesmüller die Schläuche aus seiner Leiste gerissen hat und dann Unmengen von Blut auf den Boden gelaufen sind.“erzählte Semir.
    „Bei ihm kam es durch den massiven Blutverlust zu einem hämorrhagischen Schock.Ausserdem war er eine ganze Zeit sauerstoffmangelversorgt,weil er ja keine Verbindung zur ECMO mehr hatte.Ein Gefässchirurg hat es geschafft,die Blutung zu stillen und zügig einen neuen Bypass zu legen-sie sehen ja,oben am Hals.Er wurde dann sofort weiterversorgt und die zerfetzten Gefässe in der Leiste wurden genäht.Allerdings können wir noch keine genaue Prognose abgeben,ob durch den wenigen Sauerstoff Schäden entstanden sind.Er reagiert zwar,soweit man das jetzt schon beurteilen kann und hat auch keine augenscheinlichen Lähmungen,aber genau werden wir das erst sehen,wenn wir ihn von der ECMO weghaben.Jetzt hängt es ganz davon ab,wie schnell das neue Antibiotikum greift und die Lunge sich erholt.Sein Immunsystem wurde durch die Austauschtransfusionen,die er gebraucht hat und immer wieder braucht,sehr in Mitleidenschaft gezogen,also wird es noch eine Weile dauern,bis wir was Genaues sagen können!“ erklärte der Arzt.
    „Und was ist mit diesem riesigen Bluterguss?“ wollte nun Semir noch wissen“Ah,den haben sie schon gesehen!“ sagte der Arzt.“Ja das ist eine weitere Komplikation.Das Blut ist natürlich nicht nur nach aussen,sondern auch ins Gewebe gelaufen,bei dieser Gewalttat.Ausserdem müssen wir das Blut ja heparinisieren,damit es in der ECMO nicht gerinnt.Dadurch läuft natürlich noch ständig durch kleine Mikrotraumen etwas nach,ohne dass wir das eigentlich verhindern können.Es ist möglich,dass wir den Bluterguss auch noch entlasten müssen,aber momentan versuchen wir es noch mit Kühlung.

    Die Schwester hatte nebenbei bei Ben wieder ein arterielles Blutgas entnommen und im stationseigenen Kleinlabor untersucht.“Der Sauerstoffaustausch ist zufriedenstellend,allerdings ist der Hb-Wert wieder stark abgefallen,bitte lassen sie doch noch zwei Konserven aus der Blutbank bringen!“ beauftragte der Arzt die Schwester,nach einem Blick auf den Ausdruck.Die nickte und verliess das Zimmer,um den Auftrag zu erfüllen.Jetzt fiel Semir noch was ein.“Weiss meine Frau eigentlich Bescheid?“ wollte er nun wissen. Der Arzt nickte und antwortete.“Die war gestern sogar da und hat sie nach der Operation besucht.Sie und die Kinder wurden dann von einer Freundin nach Hause gebracht.“ “Haben Ben und mich die Kinder hoffentlich nicht so gesehen?“ fragte Semir erschrocken.“Nein,die wurden draussen von ihren Kollegen beschäftigt,das wäre viel zu traumatisch,ein solcher Anblick,wir haben da strenge Regeln,unter 14 Jahren dürfen Kinder nur in Ausnahmefällen herein.“ erklärte der Doktor.Semir liess aufatmend seinen Kopf ins Kissen zurücksinken.“Könnte ich meine Frau vielleicht kurz anrufen und ihr sagen,das es mir gutgeht?“ fragte Semir nun und der Arzt reichte ihm lächelnd sein Telefon.
    Inzwischen war der Bote mit den Blutkonserven eingetroffen und der Arzt machte sich daran,den sogennnten Bedsidetest bei Ben zu machen.Er entnahm aus dessen Arterie noch ein wenig Blut und verrührte es auf vorgefertigten Objektträgen mit ein paar Tropfen Blut aus den Konserven.Wenn da irgendetwas verklumpen würde,würde man von der Transfusion absehen.Die eigentliche Kreuzprobe war schon im Labor vorgenommen worden,dieser vorgeschriebene Test diente eher dazu,Verwechslungen der Konserven nochmals auszuschliessen.Nachdem nichts passierte,verband der Arzt die Konserven mit einem speziellen Transfusionssystem mit Filter und liess es langsam über eine peripheren Zugang an Bens Arm in seinen Patienten tropfen.

    Semir hatte inzwischen Andreas Nummer gewählt.Die hatte fast Schweissausbrüche,als sie die Krankenhauszentralnummer erkannte,nur die Nebenstelle war ihr unbekannt.Mein Gott,hoffentlich bekam sie jetzt nicht den Anruf,vor dem sich jeder Mensch auf der Welt fürchtete,dass Semir gestorben war,oder es sonst irgendwelche Komplikationen gegeben hatte.Mit einem Kloss im Hals meldete sie sich:“Gerkan!“ „Auch!“ sagte Semir fröhlich am anderen Ende.“Schatz,wie geht’s dir?“ schrie Andrea fast unter Tränen ins Telefon.“Keine Aufregung,mir geht’s gut,du weisst doch,Unkraut vergeht nicht!“ sagte Semir am anderen Ende.“Kommst du mich heute besuchen?“ fragte er und sie sagte fast entrüstet.“Natürlich! Meine Mutter ist gekommen und passt auf die Kinder auf,aber Besuchszeit ist heute erst nachmittags um 16.00,solange musst du dich gedulden.““Ich freu mich drauf und noch was-ich liebe dich!“ hängte Semir noch an,bevor er auflegte.Andrea starrte erleichtert das Telefon noch eine Weile an,bevor sie ins Kinderzimmer ging,um den Kleinen und ihrer Mutter von Semirs Anruf zu erzählen.

    Jetzt hat Ben Semir dazu gebracht,ihn bei seiner Wohnung rauszulassen.Hoffentlich erwartet ihn da nicht schon in Kürze der abgedrehte Markus,um seinen Rachefeldzug weiterzuführen! Irgendsowas hat der ja gewiss vor,denn sonst hätte er Manuela ja gar nicht mitzunehmen brauchen! ;(

    Es dauerte nicht lange und dann hatte sich Semir soweit erholt,dass er an sich heruntersehen konnte.Weil nun auch er in seinem Unterarm so eine Arterie stecken hatte,war er nur mit einem Ärmel im Hemd.Vorsichtig fasste er mit der Hand,an der kein Infrarotsensor steckte auf den Verband an seine Brust.Das fühlte sich nämlich voll merkwürdig an.Entlang des Brustbeins brannte es und als er da entlangtastete,konnte er lauter Drähte spüren.Was hatten sie da wohl mit ihm gemacht? Das Letzte,an was er sich erinnern konnte war,dass beim Kampf mit Karl die Schere plötzlich mit einem scharfen Schmerz links vorne zwischen seinen Rippen verschwunden war.Über diesem Einstich war allerdings nur ein kleines Pflaster.Eine neue Thoraxdrainage hatte er auch bekommen! Den Schmerz ,als er sich bei seinem Hechtsprung auf Karl die Alte herausgezogen hatte,würde er auch in seinem Leben nicht vergessen.Gott sei Dank hatte man den Vorhang zwischen den Betten beiseite geschoben gelassen und so wandte Semir nun wieder seinen Kopf zu Ben.

    Der lag eigentlich genauso da,wie er ihn in Erinnerung hatte,nur kamen die Schläuche,die blutgefüllt zu dem kleinen Kästchen führten,jetzt aus seinem Hals,nicht mehr aus der Leiste.Semir räusperte sich:“Hey Kumpel,wie geht’s dir?“,fragte er Ben heiser.Diesmal wurde nicht nur der Herzschlag seines Freundes schneller,sondern der versuchte auch mühsam ein Auge zu öffnen.Er war zwar immer noch sediert und konnte sich kaum bewegen,aber er hatte Semirs Stimme in seiner Nähe gehört und wollte jetzt wissen,wo der war.Unendlich langsam und mühevoll drehte Ben den Kopf ein wenig in Semirs Richtung.Verschwommen konnte er ihn im Bett neben sich sitzen sehen,aber dann war es schon wieder vorbei mit der Wahrnehmung.Er war so erschöpft,dass er sofort wieder einschlief.Beim besten Willen konnte er den Kampf gegen diese Hammernarkotika nicht gewinnen.
    Allerdings war durch diese kleine Bewegung sein Blutdruck ein wenig angestiegen und schon kam die Schwester,die für den jungen Polizisten zuständig war,angelaufen und sah nach dem Grund dafür.“Er war wach und hat mich angesehen!“ erklärte Semir aufgeregt.“Das sollte eigentlich nicht sein,denn durch eine unwillkürliche Bewegung könnte leicht einer der Schläuche verrutschen,die ihn mit der ECMO verbinden.Ich werde ihn ein wenig stärker sedieren!“ erklärte die Pflegekraft und erhöhte die Dosierung des Narkosemittels.“Wenn ich jetzt schon mal da bin,werde ich ihn gleich waschen.Mein Kollege kommt dann später zu ihnen und macht sie frisch,Herr Gerkan,der versorgt nur gerade noch einen anderen Patienten!“ erklärte sie ihm,während sie nun alles für ihre Waschung herrichtete.Obwohl Ben ja nach dem Attentat von dem ganzen Blut befreit worden war,wurde routinemässig jeder Patient auf der Intensivstation täglich einer sogenannten Ganzkörperpflege unterworfen.Dazu gehörte nicht nur die Reinigung,sondern auch das Erneuern der Verbände,die Kontrolle aller Wunden und Einstichstellen,die Beurteilung des Hautzustands und der Sekrete,die sich absaugen liessen und nicht zuletzt die Dokumentation des Ganzen.Auch wurde aus hygienischen Gründen täglich das komplette Bett frisch bezogen,manchmal auch mehrmals.Semir liess einfach den Kopf auf der Seite liegen und sah zu,was die Schwester da bei Ben so machte.

    Sein Bart war wieder soweit nachgewachsen,dass er eigentlich aussah,wie immer.Also rasieren musste man ihn nun ja nicht mehr,da er keinen Tubus mehr im Mund hatte,der verklebt werden musste.Dafür ragte aus seinem Hals nun die sogenannte Trachealkanüle,die mit einem Haltebändchen um den Nacken mit einer Vorrichtung befestigt war.Die Schwester zog eine Plastikschürze über ihren Diensthosenanzug und legte Handschuhe an.Zuerst putzte sie Bens Zähne,während sie einen Plastikabsauger in seinen Mund hing und damit das Zahncremewasser wieder absaugte.In einer Waschschüssel brachte sie dann lauwarmes Waschwasser mit einem Döschen Kondensmilch und 5 Tropfen Bergamotteöl,was fiebersenkend wirkte und ein Aroma nach Zitrusfrüchten durch den Raum ziehen liess.Sie begann nun systematisch ihren Patienten von oben nach unten zu waschen und nur leicht abzutrocknen.Ben hatte immer noch hohes Fieber und durch die Verdunstung der ätherischen Öle auf der Haut,erzielte man einen temperatursenkenden Effekt.

    Als die komplette Vorderseite fertig war,saugte die Schwester den Schleim aus den Bronchien,woraufhin Ben trotz Sedierung wieder leicht die Augen öffnete.Das war so unangenehm,dass es durch den Nebel der Opiate und Schlafmittel drang,genauso wie auch starke Geräusche und heftige andere Reize.Die Pflegerin redete ihm beruhigend zu und so schloss Ben seine Augen nach einer Weile wieder.Nun wechselte die Schwester die Eimalhandschuhe,nicht ohne sich zuvor die Hände desinfiziert zu haben und holte aus dem im Raum stehenden Pflegewagen Desinfektionsmittel und Verbandmaterialien.Zuerst erneuerte sie den Verband um die Schläuche der ECMO.Der vorherige war ziemlich blutig,was aber durch den Zusatz des Heparins,damit das in der Maschine nicht gerann,erklärlich war.Die Wundumgebung wurde schnell und geschickt mit sterilen Kompressen und Desinfektionsmittel saubergemacht und darüber ein neuer Klebeverband angelegt.Das gleiche geschah mit dem Leistenverband.Rund um die Operationswunde war allerdings ein riesiger Bluterguss entstanden.Semir erschrak fast,als er das sah.Ben war wirklich von der Taille bis zur Oberschenkelmitte tiefblau,die Weichteile eingeschlossen.Nachdem der Verband erneuert war,bemerkte die Schwester:“Wir legen nachher wieder intermittierend Eisbeutel darauf,damit die Schwellung abnimmt!“ Da hatte Karl wirklich ganze Arbeit geleistet!

    Nun wurden noch der ZVK und die Arterienpunktionsstelle verbunden und die Markierungen der Schläuche notiert,damit man jegliche Verlagerungen sofort bemerken würde.
    Auch das Tracheostoma wurde noch mit einer sogenannten Metallineplatte frisch verbunden und dann bezog die Schwester erst einmal die ganzen Kissen und Lagerungshilfsmittel,bevor sie frisches Waschwasser vorbereitete und dann ihren Kollegen zu Hilfe holte.Auch der zog eine Plastikschürze und Handschuhe an und gemeinsam drehten sie Ben vorsichtig zur Seite.Sein Rücken und Po wurde noch gewaschen und eingecremt,das Leintuch und die Safetexunterlage erneuert und dann lagerten die beiden Semirs Freund noch zur Seite.Nur ein dünnes Laken wurde über ihn bis zur Hüfte gebreitet und einige Eisbeutel kamen auf den Bluterguss.Während die Schwester ihre ganzen benötigten Dinge wieder wegräumte und die Flächen mit Desinfektionstüchlein abwischte,bereitete der Pfleger nun seinerseits alles vor,um bei Semir ebenfalls die morgendliche Waschung in Angriff zu nehmen.

    Jetzt soll Semir auch noch für persönliche Rachemassnahmen an jemand ausgeliefert werden,der eine alte Rechnung mit ihm offen hat-na klasse,da kann er sich ja auf was einstellen.
    Allerdings setze ich jetzt doch ein wenig Hoffnung auf Felipe,der hat anscheinend wirklich Informanten,die darüber schon Bescheid wissen,obwohl Ben ja durchaus mit seiner Abneigung gegen den Rauschgifthändler Recht hat.
    Nachdem sie ja nicht offizielle Hilfe anfordern können,wird die einzige Möglichkeit ein Befreiungsversuch im Elsaß sein.
    Mann und die Chefin trägt schon wieder ihre rosarote Brille-langsam nervt das!

    Also ich weiss ja nicht,aber dieser Jan ist mir unheimlich.Ich glaube,dass der,ob freiwillig oder unfreiwillig Melanies Deckung hat platzen lassen.
    Ich hoffe jetzt nur,dass Melanie Ben gegenüber mit offenen Karten spielt,denn gerade er als Polizist kennt sich doch mit Zeugenschutzprogrammen etc aus!-Warum befürchte ich jetzt,dass sie genau das nicht tun wird und einfach vorhat zu verschwinden-nachdem ihr dieser Jan das eingeblasen hat? Mann das kann sie aber eigentlich nicht machen,denn immerhin ist Ben der Vater ihres ungeborenen Kindes,der hat ein Recht darauf,informiert zu werden!

    Danke für den Hinweis mit dem SEK-Mann,keine Ahnung,an was ich da gerade gedacht habe!-ist auf jeden Fall bereits verbessert! Eigentlich weiss ich schon,dass das die Abkürzung für Sondereinsatzkommando ist,aber na ja! 8) ,habe ich wohl nicht aufgepasst!
    Nur soviel zum Thema-wie ihr wisst,oder inzwischen vermutlich herausgefunden habt,arbeite ich auf einer Intensivstation.Gestern-kaum hatte ich das Kapitel mit dem Nackttänzer verfasst und abgeschickt-haben wir eine Zugang bekommen,der sich nur mit einem Unterhemd bekleidet (wirklich,sonst nichts!) auf der Strasse vor seinem Haus als neuer Nackttänzer einen Namen machen wollte! Er war barfuss,bei -6°C etwas zu lüftig unterwegs und hat dadurch den Unmut einiger Passanten erregt.Na ja,vermutlich nicht nur durch seine wesentlich unprofessionelleren Tanzeinlagen,sondern eher durch seinen Mangel an Kleidung.
    Beim Drogenscreening haben wir einen Mix aus:Alkohol,Valium und Haschisch festgestellt,nur soviel zur Info-Falls jüngere Leser dabeisein sollten: Bitte lasst die Finger von diesem Zeug,sonst werdet ihr von mir höchstens in einer Story verarbeitet :whistling:

    Also ich finde das klasse,denn so steigt die sowieso schon vorhandene Vorfreude auf die Folge ins Unermessliche.Habe schon Cobraentzugserscheinungen und die können leider durch den Genuss von alten Folgen nur unzureichend gelindert werden!
    Ich freue mich jedesmal darüber,wenn ihr Jungs uns da immer mit Informationen versorgt!-Danke dafür!

    Puh,jetzt bin ich ja fast erleichtert,dass Markus Manuela wenigstens nicht sofort umgebracht hat,sondern sie erst mal betäubt,bevor er sie in seine Absteige bringt.So haben Semir und Ben wenigstens noch eine Chance,ihr Leben zu retten.
    Wobei,ich finde,eine Abreibung hat sie verdient! Schon solche herabwürdigenden Ausdrücke wie"Pickelvisage" gehören nicht in den Mund einer normalen Frau! Die ist schliesslich auch bloss von der Natur begünstigt,dass sie so toll aussieht,aber wenn Markus da eben eher benachteiligt wurde,ist das trotzdem nicht seine Schuld! Aber hier kann man sehen,dass da viele Probleme hausgemacht sind und hier ein Mobbingopfer gnadenlos zurückschlägt.
    Desiree,ich finde es prima,dass du in deiner Geschichte ein dermassen aktuelles Thema bearbeitest! Und dein Schreibstil-erste Sahne!

    Mann,dieser Frédérik ist ja völlig skrupellos.Er bringt erst einen Stapel Wachleute und dann noch seine eigenen Helfer um! Er hat einem Auftraggeber(hmm,wem wohl?) das Bild zu liefern und anstatt Ben darauf anzusetzen,klaut er es selber.
    Damit braucht er allerdings weder Semir noch Ben,noch die Chefin!
    David ist gerade gnädig und füttert Semir und wechselt die Anbindeart,aber deswegen kommt der trotzdem nicht ohne Hilfe aus dem Gefängnis.Jetzt wirds aber brandgefährlich für Semir,denn wenn Frédérik zurückkommt,befürchte ich das Schlimmste! ;(

    Ohne von den dramatischen Ereignissen der Nacht etwas mitbekommen zu haben,schlummerten Ben und Semir dem nächsten Morgen entgegen.Lediglich der Personenschützer hatte in den frühen Morgenstunden einen Anruf bekommen und daraufhin seinen Platz vor der Zimmertüre geräumt.Als ihn eine der Nachtschwestern erstaunt fragte,was der Grund dafür sei,sagte er,dass der Attentäter festgenommen wurde.Auch die Schwester atmete erleichtert auf,alle Klinikmitarbeiter hatten sich vor einem erneuten Überfall gefürchtet,jetzt machte sich allgemeine Erleichterung breit.

    Nachdem Semirs Werte nach wie vor stabil waren,beschloss man wie geplant einen Extubationsversuch zu wagen.Sein Hände band man mit gepolsterten Fixies am Bett fest,denn normalerweise ging der erste Griff beim Aufwachen von beatmeten Patienten zum Fremdkörper im Hals und so mancher hatte sich so schon den geblockten Tubus entfernt.Dann schaltete man das Narkosemittel Propofol komplett aus,nur das Sufenta,das Opiat liess man in niedriger Dosierung gegen die Schmerzen weiterlaufen.Die Beatmungsmaschine stellte man auf einen Spontanatmungsmodus um,damit er wieder ohne Unterstützung Luft holen konnte.Zusätzlich bekam Semir noch eine Kurzinfusion mit einem peripheren Schmerzmittel,das den Verstand nicht benebelte und dann dauerte es nicht lange,bis er sich zu regen begann.Er schlug die Augen auf und blickte verständnislos um sich.Ein Pfleger,der die Morgenschicht übernommen hatte,beugte sich über seinen Patienten.“Guten Morgen Herr Gerkan,können sie mich verstehen?“ fragte er.Der kleine Türke fixierte ihn und nickte dann langsam.Erst war er aufgewacht,wie nach einem langen Sonntagsschlaf,aber plötzlich fiel ihm siedendheiss das Attentat wieder ein.Was war mit Ben? Hektisch begann er um sich zu blicken und versuchte,etwas zu sagen,was natürlich mit dem Tubus im Hals nicht ging.Er wurde regelrecht panisch und der hinzugerufene Arzt war schon im Begriff den Versuch abzubrechen und die Sedierung wieder einzuschalten,denn inzwischen pfiff die Beatmungsmaschine,der Blutdruck war in die Höhe geschnellt und Semirs Puls hatte sich ebenfalls beschleunigt.

    Plötzlich hatte eine Schwester,die am Vortag dabeigewesen war,die zündende Idee.Das Letzte,was ihr Patient gesehen hatte,bevor er selber niedergestochen worden war,war sein Freund gewesen,der im Begriff gewesen war,zu verbluten.Er war sicher so aufgeregt,weil er wissen wollte,ob der noch lebte.Sie zog den himmelblauen Vorhang zum Nachbarbett zurück und trat dann zur Seite,um den Blick auf den friedlich schlafenden Ben freizugeben.“Herr Gerkan,ihrem Kollegen geht es den Umständen entsprechend gut.Wir konnten ihn schnell stabilisieren und er ist nicht mehr in akuter Lebensgefahr.Der Attentäter ist festgenommen und jetzt müssen sie sich erst mal um sich selber kümmern und wieder gesund werden!“ sagte sie freundlich und Semir sah angestrengt zu Ben hinüber.Tatsächlich,der lag noch neben ihm und obwohl er nicht wusste,wieviel Zeit seit Karls Angriff vergangen war, immerhin lebte er.Ben war vielleicht ein wenig blasser als vorher,aber anscheinend stimmte das,was die Schwester sagte.Semirs Pulsschlag beruhigte sich,der Blutdruck sank ein wenig und nun konnte er sich auch auf sich selber und seine Empfindungen konzentrieren.Aua,sein Brustkorb und die ganze Rippenseite schmerzte,allerdings nicht so schlimm,dass es nicht auszuhalten gewesen wäre.Er war zwar schon noch ein wenig verpeilt und benebelt,aber so in groben Zügen,wusste er wieder ungefähr was los war.
    Er war ja schon mal intubiert gewesen und hatte auch an diese Zeit noch bestimmte Erinnerungen und so beschloss er,sich jetzt auf das zu konzentrieren,was die Ärzte und Schwestern zu ihm sagten.Das Ding in seinem Hals begann ihn nun unheimlich zu stören und er schluckte trocken.Als er versuchte,seine Hände zu bewegen,bemerkte er,dass die festgemacht waren.Na klasse,er war gefesselt,wie ein Schwerverbrecher! Er versuchte etwas zu sagen,aber da sprach ihn der Arzt schon von sich aus an.“Herr Gerkan,ich werde jetzt erst ihren Rachenraum absaugen,damit nachher kein Speichel hinten runter läuft.Machen sie bitte den Mund weit auf,wie beim Zahnarzt!“ forderte er ihn auf.Semir tat,wie befohlen und ein Sauger verschwand schlürfend darin und entfernte den Speichel,der sich dort angesammelt hatte.Er musste zwar einmal kurz würgen,aber dann war es schon wieder vorbei.

    Nun wurde der Notfallwagen nähergefahren,damit man sofort reintubieren konnte,wenn es nicht klappte mit der Extubation und dann löste der Pfleger schon die Pflaster in seinem Gesicht,mit denen der Tubus verklebt war.Der Arzt steckte den Sauger auf dem geschlossenen endotrachealen Absaugsystem auf und nickte,woraufhin der Pfleger den Blockungsballon des Tubus mit einer leeren Spritze entleerte.Unter Saugen wurde der Schlauch aus seinem Hals gezogen und danach sofort das Bett hochgefahren und eine Sauerstoffmaske auf sein Gesicht gedrückt.Semir hustete noch ein paarmal und sog den Sauerstoff in seine Lungen,aber es ging ganz gut.Seine Hände wurden losgemacht und nun lehnte er sich bequem zurück und gewöhnte sich wieder an das Gefühl,normal zu atmen.Die Umstehenden beobachteten ihn noch kurz und dann wurde der Notfallwagen wieder weggefahren und Semir nochmals bequem hingesetzt.“Ruhen sie sich erst mal ein wenig aus,Herr Gerkan,ich erkläre ihnen später,was passiert ist!“ kündigte der Pfleger an und liess ihn dann alleine.Zuvor hatte er ihm noch eine Glocke in die Hand gegeben,damit er sofort läuten konnte,wenn ihm etwas komisch vorkam.Die Alarmgrenzen des Monitors wurden sehr scharf eingestellt,damit man jede Veränderung der Vitalparameter sofort mitbekam und nun erholte sich Semir erst mal von der Strapaze.

    Sabrina! Pech gehabt-der Bart ist ab,aber er wächst doch schnell wieder,Sabrina,weisst du doch!
    Jetzt versucht Felipe die beiden aus der Stadt zu bringen und dann alleine Semir zu befreien,oder was sonst? Hmmm,irgendwie kocht der ja nebenbei immer sein eigenes Süppchen und ist deswegen nicht so leicht zu durchschauen!
    Semir wird allerdings inzwischen nicht so gut behandelt und kriegt schon die erste Tracht Prügel des Tages,der Arme!

    So,so und die beiden Dusselpolizisten sind neidisch auf die Ausbildung und den Verdienst der deutschen Polizisten.Ist das wirklich so,Elli? Keine Ahnung,habe ich mir eigentlich noch nie Gedanken darüber gemacht! Aber immerhin sind die auf der richtigen Spur und auch bereit,ihren geliebten Polizeichef zu rächen-weiss gerade nur nicht,ob das gut,oder schlecht für die Helden ist! ;(

    So,geschätzte Feeder!
    Ich hoffe,dass euer aller Augenlicht noch erhalten ist und Darcies Kopfkino lässt sich sowieso nicht mehr abschalten.
    Aber nachdem Karl ja jetzt hinter Schloss und Riegel ist,darf ich euch ab morgen wieder in meine Welt entführen.Ihr erfahrt jetzt dann genauestens,wie es mit Semir und Ben im Krankenhaus weiterergeht und ob sie das Ganze überleben werden!
    Vielen Dank für die vielen,vielen,Feeds,ich bin ganz überwältigt! ^^

    Karl hatte sich komplett entkleidet und tanzte voller Insbrunst die ersten Takte der Nussknacker-Suite.Bonrath konnte nicht umhin,den trotz 45 Jahren immer noch knackigen und durchtrainierten Körper zu bewundern.Frau Neumann hatte erschrocken die Hände vor den Mund geschlagen und die Chefin überlegte nur eines fieberhaft: Wie konnte sie Jenni unversehrt da herunterbekommen.

    Die war zwar nun nicht mehr von einem Scheinwerfer angestrahlt,aber die Zuschauer konnten trotzdem erkennen,wie sie mit schreckgeweiteten Augen an ihren Fesseln zerrte und verzweifelt versuchte,sich zu befreien.Wiesmüller wirbelte über die Bühne.Wie es die Choreographie,die er vor vielen Jahren einstudiert hatte,verlangte,bewegte er sich manchmal eckig,wie eben ein Nussknacker,um dann im nächsten Moment graziöse Drehungen und elegante Sprünge zu vollführen.Der Chefin kam vor Ekel die Galle hoch.Was bezweckte Karl mit dieser Vorführung? Wollte er zeigen,was für ein toller Tänzer er immer noch war,oder war das nur das Intro für einen perfekt inszenierten Mord.Jedesmal wenn er an diesem herabhängenden Seil vorbeiwirbelte,blieb Kim fast das Herz stehen,weil sie immer befürchtete,dass der nächste Griff,den der Verrückte machte,Jennis Schicksal besiegeln würde.Sie wurde fast wahnsinnig,weil ihr jeder Plan fehlte und sie feststellen musste,dass sie eine grossen Fehler gemacht hatte,indem sie ohne Grossaufgebot das Theater überhaupt betreten hatte.Der arme Wachmann hatte ihre Unfähigkeit mit dem Leben bezahlt und sie konnte das auf ihre Kappe nehmen.

    Allerdings war jetzt für diese Gedanken eigentlich keine Zeit,denn es ging nun darum,die jetzt noch Lebenden zu beschützen,für den Wachmann kam sowieso jede Hilfe zu spät! Sie flüsterte leise zu Bonrath:“Haben sie irgendeine Idee?“,aber der schüttelte auch nur ratlos den Kopf.Wenn jetzt Semir und Ben dagewesen wären,diese kreativen Köpfe,denen würde jetzt sicher irgendetwas einfallen!

    Gerade als sie schon kurz davor war,die Waffe zu ziehen und einfach versuchen wollte,schneller zu sein,als der Nackttänzer zum Seil greifen konnte,da nahmen die drei eine Bewegung seitlich an der Bühne wahr.Ein schwarzgekleideter SEK-Mann mit geschwärztem Gesicht legte den Finger auf die Lippen und versuchte ihnen zu signalisieren,dass sie Karl ablenken sollten,während er und seine Kollegen anscheinend derweil versuchten,Jenni zu sichern.

    Inzwischen waren die letzten Takte der Musik verklungen und Karl stand nun demütig,aber leider ganz in der Nähe des Auslösestricks und verbeugte sich tief.Frau Neumann erhob sich als Erste und begann enthusiastisch zu klatschen und „Bravo!“ zu rufen.Die beiden anderen standen zögernd ebenfalls auf und stimmten in die Bravorufe mit ein.Nach einer ganzen Weile hob Karl wieder die Augen und fixierte mit stechendem Blick seine Muse.Frau Neumann ging nun,ohne weiter zu überlegen,auf die Bühne, verneigte sich vor Wiesmüller und schüttelte ihm die Hand.Verdammt! Die Chefin war ganz fertig,jetzt übernahm schon wieder jemand ihren Part und rettete stattdessen die Situation.Allerdings schwebte nun auch die Ballettdirektorin in direkter Nähe des Verrückten in höchster Gefahr.Gerade als sie sich anschliessen wollte und auch nach vorne gehen,da rief Karl plötzlich mit schneidender Stimme.“Halt,alle bleiben auf ihren Plätzen! Ich habe mit Frau Neumann hier noch etwas zu besprechen!“ und Kim und Bonrath liessen sich wieder enttäuscht auf ihre Sessel zurückfallen.Sie hatten beide gehofft,in einem Handgemenge Karl überwältigen zu können,aber der war durchaus bei aller Verrücktheit auf der Hut.

    „Karl,das war eine hervorragende Darbietung! Das war damals eine einzige Gemeinheit,dass sie diese Rolle nicht tanzen durften,keiner hätte das besser,als sie gekonnt,wie sie uns gerade eben bewiesen haben!“ versuchte ihn die Dame zu besänftigen.“Der sah nun seine Chefin mit stechendem Blick an:“Wenn ich doch so ein guter Tänzer in ihren Augen bin,warum haben sie mir dann nicht einfach die Ballettschule überschrieben und sich zur Ruhe gesetzt,anstatt einen Käufer zu suchen? Sie wussten genau,dass das mein Leben war,denn meine Karriere habe ich für sie und ihren Mann geopfert!“ stellte nun Karl die in seinen Augen allesentscheidende Frage.
    „Ach Karl!“ erwiderte Frau Neumann traurig.“Ich wollte doch nur,dass wir beide genügend Geld haben,um die nächsten Jahre gemeinsam zu geniessen.Wenn sie die Schule bekommen hätten,hätten sie doch für mich gar keine Zeit mehr gehabt.Ich hatte doch vor,mit ihnen auf Reisen zu gehen und auf der ganzen Welt von Russland bis Übersee die schönsten Ballettaufführungen zu besuchen.Wir hätten eine Kreuzfahrt nach der anderen gemacht,um das Geld,das sie durchaus miterwirtschaftet haben,mit Genuss auszugeben.Nach meinem Tod wäre für sie immer noch genug für ein sorgenfreies Leben übriggeblieben.Wenn sie mit mir zum Notar gehen wollen,dann zeige ich ihnen,dass sie schon jetzt als mein Alleinerbe eingesetzt sind.Wie konnten sie denn denken,dass ich auch nur eine Sekunde an ihren künstlerischen Leistungen gezweifelt habe?“ fragte sie mit weicher Stimme.Karl wurde unsicher.Er wusste nicht,was er glauben sollte.Fast kamen ihm vor Rührung die Tränen.

    Im Hintergrund der Bühne erschien nun wieder,sowohl von Karl,als auch von Frau Neumann unbemerkt,der SEK-Mann und hob den Daumen nach oben.Anscheinend war Jenni gesichert.
    Nun erhob sich Frau Krüger:“Wiesmüller,geben sie auf,vielleicht bekommen sie ja mildernde Umstände und dann können sie in ein paar Jährchen ihre Reisen doch noch machen!“ versuchte sie ihn zur Kapitulation zu bewegen.Aber nun schlug bei Karl der Wahnsinn wieder durch.Mit funkelnden Augen sprang er mit einer katzenhaften Bewegung zum Strick und löste ihn aus.Wenn Jenni jetzt nicht gesichert war,würde das Trapez mit hoher Geschwindigkeit in die Tiefe sausen und sowohl Karl als auch Frau Neumann mit sich in den Tod reissen.

    -Nichts geschah!

    Als Karl,der ja auch mit seinem eigenen Tod kalkuliert hatte,erstaunt nach oben blickte,sah er,wie Jenni gerade mit einem weiteren Seil gesichert,langsam zu Boden gelassen wurde.Mehrere SLK-Männer stürzten sich derweil auf ihn, drehten ihm die Arme auf den Rücken und fesselten ihn mit Handschellen.Eine Decke wurde über ihn gebreitet und dann wurde er mit gesenktem Kopf zum Streifenwagen gebracht.“Ich glaube nicht,dass er verurteilt wird,sondern eher,dass er sein Leben in der Forensik beschliessen wird!“ bemerkte Frau Krüger zur zitternden Ballettdirektorin,die sie nun tröstend in den Arm nahm.“Vielen Dank für ihre Bemühungen,sie haben vemutlich meiner jungen Mitarbeiterin selbstlos das Leben gerettet!“ sagte Kim und wie auf ein Zeichen trat die inzwischen befreite Jenni nun heran und bedankte sich mit Tränen in den Augen ebenfalls.Frau Neumann schluckte trocken.“Es war die Wahrheit,was ich Karl gesagt habe! Bringen sie mich jetzt bitte nach Hause!“ befahl sie dann kurz und während Jenni noch von einem Arzt untersucht wurde,begleiteten Kim und Dieter die kleine Lady schweigend zum Wagen.

    Ja Desiree! -da hast du zumindest mich sauber in die Irre geführt!
    Sabrina hatte da schon eher nen Riecher!
    Manuela ist das Opfer-zumindest das nächste.Allerdings hätte sie ihr loses Mundwerk auf dem Klassentreffen lieber mal gehalten.Solche Meldungen lässt man nicht ab,weder als Teenager,noch als Erwachsener.Ich befürchte aber,jetzt ist es zu spät! ;(

    Oh,jetzt soll Semir auf die Gegenseite wechseln! Anscheinend wird ja gerade deutsch mit ihm gesprochen,sonst hätte er ja nichts verstanden,von dem was der Bösewicht ihn gefragt hat.Aber Semir bleibt sich treu und sympathisiert nicht mit dem Feind.
    Ben findet jetzt Felipe auf einmal nicht mehr so sympathisch,obwohl ihn der doch nach Versailles bringen will.Ihm stinkt es,dass er Semir zu was überredet hat,wofür der nun büssen muss.Die Chefin ist aber anscheinend schon noch ein wenig verblendet und glaubt,dass sie nur mit Hilfe ihres Rauschgiftbosses aus dieser Sache wieder raus kommt!

    Etwa eine Stunde später,es war inzwischen 1.30 h in der Nacht geworden,trafen die vier am Theater ein.Frau Krüger hatte kurz daran gedacht,alle Mann hier zusammenzutrommeln,aber dann hatte sie überlegt,dass sie das ja immer noch machen konnte und wenn Karl nun gar nicht dort war,sondern ganz wo anders,dann würde sie sich nur vor der Presse und allen Vorgesetzten blamieren.Der Mann von der Sicherheitsfirma sperrte ihnen freundlich lächelnd die Tür auf.“Wer denken sie denn,soll sich in diesem Gemäuer unbefugt aufhalten?“ wollte er wissen.“Ich fahre da seit Jahr und Tag jede Nacht zweimal Streife,aber da ist noch nie was weggekommen,oder sonst irgendwas gewesen.Das schlimmste Verbrechen waren ein paar jugendliche Graffitisprayer und die habe ich ja in flagranti ertappt.“

    Frau Krüger sah ihn ernst an.“Falls sie heute im Lokalfernsehen den Attentäter noch nicht gesehen haben-hier ist ein Bild von ihm.Er hat mehrere Menschen auf dem Gewissen und ist hochgefährlich!“ und damit zeigte sie dem Sicherheitsmann ein Bild Wiesmüllers.Der wurde nun leichenblass.“Den kenne ich schon seit Jahren.Der arbeitet doch irgendwie beim Theater und ist oft da.Er ist sehr freundlich und hat immer ein nettes Wort für mich,ich kann gar nicht glauben,dass der irgendetwas Übles getan haben könnte!“
    „Doch das ist so,ob sie mir das glauben oder nicht!“ erwiderte die Chefin und dann traten die fünf gemeinsam ein.“Ich warte hier am Ausgang,falls er da ist und zu fliehen versucht,werde ich ihn aufhalten!“ sagte entschlossen der Wachmann und die Chefin stimmte mit einem Nicken zu.“Wo Frau Neumann denken sie,dass sich ihr Angestellter hier wohl verstecken würde?“ fragte die Krüger die Ballettdirektorin.Die überlegte eine Weile.“Am bequemsten wären natürlich die Garderoben,weil da oft Sofas drinstehen.Allerdings sind die meistens verschlossen,weil da die Schauspieler,Sänger und Tänzer auch ihre privaten Dinge darin aufbewahren.Untertags würde das auffallen,wenn er sich da rumtreibt,aber ich denke,wenn er eine Schlüssel aus seiner aktiven Zeit zurückbehalten hat,dann kann er zumindest in die Gemeinschaftsumkleide der Tänzer hinein.Die haben natürlich nicht so einen Luxus,sowas wie private Garderoben sind den Stars vorbehalten.“Gut,dann gehen wir jetzt mal zuerst in diese Gemeinschaftsumkleide und schauen,ob die offen ist!“ beschloss die Chefin.Jenni und Bonrath sahen sich furchtsam an.Es war gespenstisch,wie sie durch die halbdunklen Gänge,in denen nur ein Notlicht brannte,schlichen.Vorsichtig drückte die Chefin die Klinke des Raums hinunter,auf den Frau Neumann wies.Die Tür war offen.Alle zogen vorsichtshalber die Waffen und lugten vorsichtig um die Ecke.Frau Krüger betätigte den Schalter und ein Raum mit dem Charme einer Schulturnhallenumkleide erstrahlte in hellem Kunstlicht.Überall waren Garderobenhaken und kahle Holzbänke,eine Wand war mit Spiegeln und davor Stühlen versehen,wo sich die Akteure schminkten.Er war fast leer,nur an einem Haken hing ordentlich eine dunkle Jacke.“Das ist Karls Jacke!“ sagte Frau Neumann tonlos.Nun war klar,dass sich der Gesuchte hier irgendwo befinden musste.Frau Krüger zog ihr Handy,um alle Einheiten sofort herzubeordern,stellte dann aber fest,dass sie hier unten keinen Empfang hatte.Fluchend wandte sie sich um,und beschloss,nur kurz Richtung Ausgang zu gehen und zu telefonieren,da hörte sie eine erstickten Schrei,der in einem Gurgeln endete.Wie gehetzt rannten sie in die Richtung des Geräuschs.Vorneweg die Chefin,dicht gefolgt von Frau Neumann,dann Bonrath und zum Schluss kam Jenni.

    Als sie kurz vor dem Ausgang um die Ecke bogen,lag da der Wachmann mit weitgeöffneten Augen starr zur Decke blickend,in seinem Blut.Frau Krüger wurde es beinahe schlecht und neben ihr übergab sich Frau Neumann vor Ekel.Seine Kehle war durchtrennt,aber beinahe so,als hätte jemand versucht,den Kopf vom Körper zu trennen.Mit Sicherheit gab es für diesen armen Mann keine Rettung mehr!

    „An alle Einheiten.Grosseinsatz am alten Theater in der Innenstadt,flüchtiger Mörder hält sich vermutlich im Gebäude auf.Vorsicht,er ist bewaffnet und schreckt vor nichts zurück!“ gab Frau Krüger hektisch durch.Gerade wollte sich Bonrath versichern,dass es Jenni nicht auch übel geworden war und drehte sich um.Jenni war weg! Dieter rief:“Jenni,wo bist du?“ ,aber es kam keine Antwort.Mit schreckgeweiteten Augen fragte die Krüger:“Wo ist Frau Dorn?“ Dieter stammelte:“Gerade war sie noch hinter mir.Ich habe mich extra gross gemacht,um ihr den schrecklichen Anblick zu ersparen und als ich mich jetzt umgedreht habe,war sie weg,einfach weg!“ Sie sahen sich an.Es war klar,wer ihre junge Kollegin in seiner Gewalt hatte.Gerade als sie völlig panisch überlegten,was sie jetzt wohl am besten tun sollten,um dieses Ungeheuer von einem weiteren Mord abzuhalten,da hörten sie über den Lautsprecher eine bekannte Stimme.“Suchen sie was,oder vielmehr jemanden?“

    Frau Krüger rief:“Lassen sie sofort unsere Kollegin frei! Geben sie auf,sie haben sowieso keine Chance.Wenn sie sich jetzt ergeben,werde ich mich für mildernde Umstände einsetzen!“ Als Antwort erschallte ein höhnisches Lachen aus dem Lautsprecher.Frau Krüger bat via Funk die Kollegen um äusserste Vorsicht,da der Täter eine Polizistin in seiner Gewalt habe.“Momentan kein Zugriff,ich wiederhole:Kein Zugriff!“ sagte sie hektisch,während sie schon hinter den anderen her in den Zuschauerraum eilte,wohin Beleuchtung und offene Türen wiesen.Immer noch ertönte höhnisches Gelächter aus den Boxen und als sie im grossen Saal angekommen waren,bat Karl sie höflich Platz zu nehmen.“Ich warne sie,wenn sie versuchen,mich zu töten,werde ich ihre Kollegin mitnehmen!“rief er und ein Bühnenstrahler richtete sich in die Höhe auf eine Art Trapez,das in schwindelerregender Höhe leicht vor sich hinpendelte.Darauf festgebunden sass mit schreckgeweiteten Augen und einem Knebel im Mund Jenni.Wenn sie aus dieser Höhe ungebremst in die Tiefe stürzen würde,wäre sie vermutlich tot! Karl zeigte das dünne Seilende,das direkt vor ihm von der Decke hing und mit einem kurzen Ruck Jennis Fall auslösen würde.“Das hier ist die Verbindung,zwischen Leben und Tod.Wenn sie mir jetzt ihre werte Gunst schenken,werde ich ihnen eine Vorführung bieten,wie sie die Welt noch nicht gesehen hat!“ sagte er schmeichelnd und als sich jetzt die Blicke der Beteiligten auf ihn richteten,sahen sie mit Grauen,dass Karl völlig blutbespritzt war.“Oh,das war aber eine Sauerei,das werde ich ihnen nicht weiter zumuten!“ sagte und zog sich kurz in die Kulisse zurück,das Seilende immer noch in der Hand haltend.Fieberhaft überlegten die Krüger und Bonrath,was sie denn nur unternehmen konnten,um diesen Irren auszuschalten und Jenni unbeschädigt da herunterzubekommen,aber ihnen fiel im Augenblick nichts ein.

    Dann ging zuerst das Licht wieder an und bestrahlte die Bühne und gleichzeitig begannen aus den Lautsprechern plötzlich die ersten Takte der Nussknackersuite zu ertönen.
    Während draussen die ersten Streifenwagen eintrafen und das SEK informiert wurde,bekamen die drei Personen im Zuschauerraum eine im wahrsten Sinne einmalige Vorstellung geboten!

    Wie jetzt? Ben setzt sich ins Auto und fährt zurück zum Einsatzwagen? Jetzt habe ich voller Anspannung die ganze Zeit darauf gewartet,dass es Zoom macht und der Spass beginnt und jetzt ist das Klassentreffen vorbei,ohne dass was passiert ist?
    Gut dass Ben wenigstens nicht Manuela abgeschleppt hat,die da sicher nichts dagegen gehabt hätte,aber sooo fit,ist er wahrscheinlich doch noch nicht!
    Wo steckt Markus-hmm,bin ja gespannt,was du dir weiter ausgedacht hast!