Nachdem Ben untertags schon überwiegend an der Beatmungsmaschine selbst geatmet hatte und nur immer Druckunterstützung bekam,war er am Abend fix und fertig.Er fühlte sich,als hätte er einen Marathon hinter sich und war physisch und psychisch völlig erschöpft.Semir hatte sich abends am Waschbecken im Zimmer die Zähne geputzt und war mit dem Gehwagen schon wieder ein paar Schritte herumgelaufen-sehnsüchtig betrachtet von seinem Freund.Dem machte es die allergrösste Mühe nur die Hand zu heben,oder mitzuhelfen,wenn er umgedreht und gelagert wurde.
Er war zwar noch nicht völlig klar im Kopf und musste auch vermehrt schwitzen und immer wieder zittern,was eine Folge des Opiatentzuges war,aber er konnte wieder verstehen,was man zu ihm sagte und weniger komplexe Zusammenhänge erfassen.
Ein letztes Mal vor der Nacht wurde er frischgemacht,sein Rücken mit Franzbranntwein abgerieben und dann stellte die Schwester den Modus der Beatmungsmaschine wieder um,so dass er zwar dazuatmen konnte,aber nicht musste.Bens Herzfrequenz und der Blutdruck,die beide ziemlich angestiegen ware,beruhigten sich und bis er sich versah,war er in einen seligen Erschöpfungsschlaf gefallen.Semir,der noch in einer mitgebrachten Autozeitschrift las,sah mit einem Lächeln hinüber zu seinem Freund und als er eine Stunde später auch müde wurde,löschte er seine Leselampe und schloss die Augen,um ebenfalls friedlich einzuschlafen.
In der Nacht wurde er plötzlich wach,weil Ben im Bett neben ihm plötzlich begann unruhig herumzugraben.Als Semir seine Leselampe anschaltete,sah Ben ihn an,als wäre er das Grauen in Person.Sein Herz jagte wieder,der Blutdruck war hochgegangen und bevor Semir reagieren konnte,stand auch schon die Nachtschwester,die von draussen die Veränderungen am Monitor gesehen hatte,vor ihnen. „Was ist los,Herr Jäger?“ fragte sie und sah ihren Patienten prüfend an.Der war am ganzen Körper völlig verschwitzt und wusste anscheinend überhaupt nicht,wo er war und was los war.Als die Schwester ihm mit der Taschenlampe in die Augen leuchtete,bekam er plötzlich einen Krampfanfall.Semir sah völlig entsetzt,wie Ben die Augen verdrehte und sich sein Rückgrat plötzlich extrem durchbog.Seine Muskeln zogen sich zusammen und seine zu Fäusten geballten Hände sprengten beinahe die Handfesseln.Die Sauerstoffsättigung rauschte in den Keller und die Nachtschwester sprang schnell,um eine Ampulle Diazepam zu holen.Semir beobachtete voller Panik das Geschehen.Bens Gesicht war völlig verzerrt,seine Muskeln zuckten und man sah,wie schlimm das wohl auch für ihn war.
Schnell wurde die Ampulle Valium in seinen ZVK gespritzt und wenig später löste sich der Krampf.Ein völlig erschöpfter Ben lag nun teilnahmslos im Bett und der hinzugerufene Stationsarzt lies sich die Symptome des Grand Mal-Anfalls schildern.Er öffnete mit einem Spatel Bens Mund und sah,dass das Blut darin stand.Man saugte es gründlich ab und sah auch gleich den Grund dafür-ein Zungenbiss,ein deutlicher Hinweis auf einen grossen Krampfanfall.Der Arzt checkte noch die Reflexe und die anderen Vitalparameter und ordnete für den nächsten Morgen ein Schädel-CT an.
Als Semir mit Bangen nachfragte,was da jetzt losgewesen war,antwortete der Arzt: „Ihr Freund hatte gerade einen generalisierten Krampfanfall,dessen genaue Ursache wir noch nicht kennen.Wir müssen auch abwarten,ob sich das wiederholt,dann müssten wir eventuell eine antiepileptische Therapie einleiten.Die Gründe für diesen Anfall können sein-erstens eine Epilepsieneigung,die jetzt durch den Stress zum Ausbruch gebracht wurde,eine Hirnschädigung durch die lange Beatmung mit nicht immer guten Versorgungswerten,ein Hirntumor,oder am Wahrscheinlichsten ein Entzugskrampf durch den Opiatentzug.Morgen früh werden wir einen Neurologen zuziehen und dann sehen wir weiter.Das Diazepam hat gut gewirkt,ihr Freund wird jetzt noch eine Weile schlafen.Und übrigens,machen sie sich keine Sorgen-die Betroffenen bekommen von diesen Krämpfen selbst gar nichts mit,höchstens vorher eine Aura und typisch ist ein tiefer Nachschlaf,nicht nur wegen dem Medikament.Lassen sie ihn ausschlafen und morgen sehen wir ,was Sache ist.“
Während Ben friedlich vor sich hinschlummerte,traute sich Semir aus Angst vor der nächsten Attacke gar nicht mehr einschlafen.Stunden später wurde es hell und ein völlig geräderter Semir sah voller Sorgen dem nächsten Tag entgegen.