Am nächsten Morgen erwachte Ben und Semir beinahe zeitgleich. Ihre Handys , die auf den Nachtkästchen lagen, hatten die Weckzeit schließlich einprogrammiert! Andrea war, unbemerkt von Semir, schon lange aufgestanden und hatte das Frühstück vorbereitet. Als Semir gähnend in die Dusche wankte und sich anschließend seiner Familie widmete, wurde er von Minute zu Minute munterer. Nach einem schönen Frühstück verabschiedete er sich von Andrea, die jetzt die Kinder wegbringen und anschließend ins Kinderheim arbeiten gehen würde, mit einem zärtlichen Kuss. „Am Wochenende nehmen wir uns Zeit für uns beide!“ flüsterte er ihr ins Ohr und sie erwiderte lächelnd die Zärtlichkeit. „Tut mir leid wegen gestern, aber ich war einfach nur müde!“ rechtfertigte sie sich, aber ihr Mann nickte nur verständnisvoll. Er würde wahnsinnig werden, wenn er jeden Tag die Kinder betreuen und auch noch halbtags arbeiten gehen müsste. So wie es war, war es für alle Seiten in Ordnung und auch die Kinder würden größer werden und ihnen irgendwann wieder die Zeit zum Atmen lassen! „Am Wochenende holen wir alles nach!“ prophezeite er ihr und Andrea stimmte ihm lächelnd zu, während sie schon nach ihrem Autoschlüssel griff und die Kinder zur Eile antrieb.
Ben dagegen war wach geworden, weil sein Arm eingeschlafen war. Nach einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass in genau zehn Minuten sein Wecker losgehen würde. Er würde den selbstverständlich vorher ausschalten, damit Sarah nicht wach wurde, die ab heute Abend Nachtdienst hatte. Natürlich war dieser Schichtdienst blöd, aber andererseits hatte er noch nie einen genervten Kommentar von ihr gehört, wenn er länger geschafft hatte, oder am Wochenende arbeiten musste. Auch kurzfristige Einsätze waren kein Problem, denn auch wenn sie sich immer sehr auf ihre freien Tage freute, trotzdem war auch ihr Dienstplan nie sicher, denn Krankheiten oder anderweitige Ausfälle der Kollegen mussten vom übrigen Personal kompensiert werden und auch bei Sarah ging manchmal die Arbeit vor-wie bei ihm halt auch! Er hielt deswegen die Gefühllosigkeit in seinem Arm aus, bis die Weckzeit näherrückte und er langsam und vorsichtig seiner Traumfrau das provisorische Kopfkissen entzog.
Leise duschte er sich, zog sich an und verließ die Wohnung. Er würde sich in der nächsten Bäckerei einen Kaffee to go gönnen und dazu ein paar süße Stückchen-wichtig war, dass Sarah ausschlief und abends zum Nachtdienst frisch war!
Semir und Ben trafen fast zeitgleich an der PASt ein und musterten sich gegenseitig unverblümt. „Hey-dass du mal pünktlich bist!“ bemerkte Semir und Ben konnte eigentlich zu diesem Kommentar nur grinsen. Klar fand er eigentlich morgens fast nie komplikationslos aus dem Bett, aber seit er mit Sarah zusammen war, fand er, dass er sich gebessert hatte. „Und du-bist du mal wieder der präsenilen Bettflucht verfallen!“ konterte er routiniert und nun betraten beide mit einem albernen Grinsen im Gesicht die PASt.
Semir fuhr seinen PC hoch und machte erst Mal Ben auf die Dinge im www aufmerksam, die er gestern gegoogelt hatte, woraufhin der fast ein wenig befriedigt nickte. Klar-das hatte er sich schon fast gedacht, aber trotzdem waren beide überrascht, als die Chefin sie beinahe freundlich in ihr Büro bat.
Dort war zu beider Erstaunen nicht nur Frau Krüger, sondern auch die Staatsanwältin Frau Schrankmann anwesend. Gerade als Semir irgendeine spitze Bemerkung loslassen wollte, sagte die Schrankmann: „Meine Herren-ich weiß, dass wir nicht immer komplikationslos zusammenarbeiten können, aber gestern Abend hat der Oberbürgermeister der Stadt Köln bei mir angerufen und mich gebeten, ich solle sie beide vom Betonkunstfall abziehen-als ob ich das überhaupt könnte-und mich lieber um die Verbrechen im Umkreis kümmern, als um die hehre Kunst, von der ich eh nichts verstünde! Da hat er aber die Falsche erwischt!“ sagte sie erzürnt. „ Kunst ist Kunst und Verbrechen sind Verbrechen und wenn wir uns jetzt als Polizei und Staatsanwaltschaft von irgendwelchen Politikern beeinflussen ließen, dann wäre es sehr schnell vorbei mit unserem Rechtsstaat! Ich hoffe also, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen und der Gerechtigkeit dienen, ob uns das persönlich zum Vorteil gereicht, oder nicht!“ erklärte sie weiter und Semir und Ben konnten eigentlich nichts weiter, als einerseits fassungslos den Kopf zu schütteln und andererseits ihre volle Mitarbeit zu versichern.
„Und wie stehen die Ermittlungen, haben sie gestern noch irgendwas herausgefunden?“ wollte die Chefin nun wissen und sie und Frau Schrankmann hörten gebannt zu, was Semir und Ben von ihrem gestrigen Tag zu erzählen hatten. „Dann werden wir doch gleich mal in der KTU vorbeischauen, ob Herr Freund schon was herausgefunden hat!“ beschloss die Chefin und alle vier machten sich auf den Weg dorthin. Als sie eintrafen ließen sie suchend ihre Blicke durch den Raum schweifen, ohne momentan etwas zu entdecken, bis Ben hinter dem Schreibtisch ein paar Beine hervorragen sah. Lang auf dem Fußboden ausgestreckt, unter sich provisorisch eine Wolldecke, schlief Hartmut den Schlaf der Gerechten!