Beiträge von susan

    Am nächsten Morgen erwachte Ben und Semir beinahe zeitgleich. Ihre Handys , die auf den Nachtkästchen lagen, hatten die Weckzeit schließlich einprogrammiert! Andrea war, unbemerkt von Semir, schon lange aufgestanden und hatte das Frühstück vorbereitet. Als Semir gähnend in die Dusche wankte und sich anschließend seiner Familie widmete, wurde er von Minute zu Minute munterer. Nach einem schönen Frühstück verabschiedete er sich von Andrea, die jetzt die Kinder wegbringen und anschließend ins Kinderheim arbeiten gehen würde, mit einem zärtlichen Kuss. „Am Wochenende nehmen wir uns Zeit für uns beide!“ flüsterte er ihr ins Ohr und sie erwiderte lächelnd die Zärtlichkeit. „Tut mir leid wegen gestern, aber ich war einfach nur müde!“ rechtfertigte sie sich, aber ihr Mann nickte nur verständnisvoll. Er würde wahnsinnig werden, wenn er jeden Tag die Kinder betreuen und auch noch halbtags arbeiten gehen müsste. So wie es war, war es für alle Seiten in Ordnung und auch die Kinder würden größer werden und ihnen irgendwann wieder die Zeit zum Atmen lassen! „Am Wochenende holen wir alles nach!“ prophezeite er ihr und Andrea stimmte ihm lächelnd zu, während sie schon nach ihrem Autoschlüssel griff und die Kinder zur Eile antrieb.

    Ben dagegen war wach geworden, weil sein Arm eingeschlafen war. Nach einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass in genau zehn Minuten sein Wecker losgehen würde. Er würde den selbstverständlich vorher ausschalten, damit Sarah nicht wach wurde, die ab heute Abend Nachtdienst hatte. Natürlich war dieser Schichtdienst blöd, aber andererseits hatte er noch nie einen genervten Kommentar von ihr gehört, wenn er länger geschafft hatte, oder am Wochenende arbeiten musste. Auch kurzfristige Einsätze waren kein Problem, denn auch wenn sie sich immer sehr auf ihre freien Tage freute, trotzdem war auch ihr Dienstplan nie sicher, denn Krankheiten oder anderweitige Ausfälle der Kollegen mussten vom übrigen Personal kompensiert werden und auch bei Sarah ging manchmal die Arbeit vor-wie bei ihm halt auch! Er hielt deswegen die Gefühllosigkeit in seinem Arm aus, bis die Weckzeit näherrückte und er langsam und vorsichtig seiner Traumfrau das provisorische Kopfkissen entzog.
    Leise duschte er sich, zog sich an und verließ die Wohnung. Er würde sich in der nächsten Bäckerei einen Kaffee to go gönnen und dazu ein paar süße Stückchen-wichtig war, dass Sarah ausschlief und abends zum Nachtdienst frisch war!

    Semir und Ben trafen fast zeitgleich an der PASt ein und musterten sich gegenseitig unverblümt. „Hey-dass du mal pünktlich bist!“ bemerkte Semir und Ben konnte eigentlich zu diesem Kommentar nur grinsen. Klar fand er eigentlich morgens fast nie komplikationslos aus dem Bett, aber seit er mit Sarah zusammen war, fand er, dass er sich gebessert hatte. „Und du-bist du mal wieder der präsenilen Bettflucht verfallen!“ konterte er routiniert und nun betraten beide mit einem albernen Grinsen im Gesicht die PASt.
    Semir fuhr seinen PC hoch und machte erst Mal Ben auf die Dinge im www aufmerksam, die er gestern gegoogelt hatte, woraufhin der fast ein wenig befriedigt nickte. Klar-das hatte er sich schon fast gedacht, aber trotzdem waren beide überrascht, als die Chefin sie beinahe freundlich in ihr Büro bat.

    Dort war zu beider Erstaunen nicht nur Frau Krüger, sondern auch die Staatsanwältin Frau Schrankmann anwesend. Gerade als Semir irgendeine spitze Bemerkung loslassen wollte, sagte die Schrankmann: „Meine Herren-ich weiß, dass wir nicht immer komplikationslos zusammenarbeiten können, aber gestern Abend hat der Oberbürgermeister der Stadt Köln bei mir angerufen und mich gebeten, ich solle sie beide vom Betonkunstfall abziehen-als ob ich das überhaupt könnte-und mich lieber um die Verbrechen im Umkreis kümmern, als um die hehre Kunst, von der ich eh nichts verstünde! Da hat er aber die Falsche erwischt!“ sagte sie erzürnt. „ Kunst ist Kunst und Verbrechen sind Verbrechen und wenn wir uns jetzt als Polizei und Staatsanwaltschaft von irgendwelchen Politikern beeinflussen ließen, dann wäre es sehr schnell vorbei mit unserem Rechtsstaat! Ich hoffe also, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen und der Gerechtigkeit dienen, ob uns das persönlich zum Vorteil gereicht, oder nicht!“ erklärte sie weiter und Semir und Ben konnten eigentlich nichts weiter, als einerseits fassungslos den Kopf zu schütteln und andererseits ihre volle Mitarbeit zu versichern.

    „Und wie stehen die Ermittlungen, haben sie gestern noch irgendwas herausgefunden?“ wollte die Chefin nun wissen und sie und Frau Schrankmann hörten gebannt zu, was Semir und Ben von ihrem gestrigen Tag zu erzählen hatten. „Dann werden wir doch gleich mal in der KTU vorbeischauen, ob Herr Freund schon was herausgefunden hat!“ beschloss die Chefin und alle vier machten sich auf den Weg dorthin. Als sie eintrafen ließen sie suchend ihre Blicke durch den Raum schweifen, ohne momentan etwas zu entdecken, bis Ben hinter dem Schreibtisch ein paar Beine hervorragen sah. Lang auf dem Fußboden ausgestreckt, unter sich provisorisch eine Wolldecke, schlief Hartmut den Schlaf der Gerechten!

    Semir hätte in deiner Geschichte sicher auch was anderes vorgehabt, als gleich zu schlafen-aber das ist eben manchmal das Schicksal in einer Ehe! ^^ -Hey, aber Zähneputzen hätte er schon noch gekonnt, bevor er sich schlafen legt-Männer!
    Ach ja und der arme Ben kommt in eine leere,kalte Wohnung :( , muss sich mit einem Bier und dem Fernseher trösten und kriegt sozusagen als Dreingabe noch einen super Alptraum geliefert! Die freien Tage fangen ja schon mal gut an!

    Keine Ahnung ob ihr solche Kapitel auch lesen wollt-aber die Romantik soll auch in dieser Story nicht zu kurz kommen. Gefällt euch sowas, oder eher doch nicht?
    Und keine Angst-es ist und bleibt jugendfrei-jeder kann sich schließlich selber so seine Gedanken dazu ausmalen! ;)

    Als Ben die Tür zu seiner Wohnung aufsperrte, stieg ihm ein verführerischer Duft in die Nase. Sarah, die seit einiger Zeit einen Schlüssel zu seiner Wohnung hatte, aber trotzdem ihr Appartement im Schwesternwohnheim nicht aufgeben wollte, hatte anscheinend beschlossen, ihre Kochkünste auszuprobieren. In bequemer Freizeitkleidung drehte sie sich von der Kochinsel weg und begrüßte ihn mit einem zärtlichen Kuss. „Schön, dass du da bist! Ich habe beim Einkaufen nach dem Frühdienst ein wunderbares Stück Fleisch entdeckt und wollte gleich mal ein Rezept ausprobieren, das ich in einer Zeitschrift gesehen habe!“ erklärte sie ihm. „Es dauert noch etwa eine halbe Stunde, bis alles fertig ist!“ fügte sie noch an und nachdem sie betonte, keine Hilfe in der Küche zu brauchen, holte er aus dem Schrank einen guten Rotwein und entkorkte routiniert die Flasche. Dann goss er ein wenig davon in den Dekantierer, damit sich die Aromen besser entfalteten und zog sich dann auch erst mal etwas Bequemes an.

    „Hmmm, das riecht ja lecker!“ stellte Ben fest, als er wieder im kombinierten Wohn-Kochbereich zurück war und drückte seine Freundin fest an sich. Diese russische Tussi war zwar bildschön, aber an Sarahs natürliche Attraktivität kam sie bei weitem nicht heran. Er war sehr froh, dass er sie gefunden hatte.
    Es war jetzt etwas über drei Monate her, seit er nach einem Verkehrsunfall schwerverletzt im Krankenhaus um sein Leben gerungen hatte. Sie hatte ihn auf der Intensivstation betreut und eigentlich musste er dem Schicksal dankbar sein, dass es sie zusammengeführt hatte. Ohne den Unfall und die ganzen Komplikationen, die er danach noch erlitten hatte, wäre er ihr vermutlich nie begegnet und so konnte er den Narben auf seinem Bauch doch etwas Gutes abgewinnen.
    Nach kurzer Zeit löste sich Sarah aus seiner Umarmung, um den Salat noch fertigzumachen und die Sauce abzuschmecken. Ben deckte inzwischen den Tisch und Sarah stellte mit einem Lächeln noch zwei Kerzen darauf und legte Stoffservietten nebenhin. „Wenn schon denn schon!“ bemerkte sie und auch Ben musste lächeln. Bei Sarah wurde ein ganz normaler Abend manchmal zum Festtag, gerade wenn sie etwas Neues zum Kochen ausprobierte. Ben hatte sich sonst schwerpunktmäßig mit Tiefkühlpizza und Fast Food durchgeschlagen, während Sarah üblicherweise in der Kantine des Krankenhauses aß, statt für sich alleine aufzukochen. Weil aber Ben so ein begeisterter und dankbarer Probierer war und ihm eigentlich bisher alles geschmeckt hatte, was sie gekocht hatte, beflügelte es sie regelrecht und sie hatte immer öfter Lust, sich am Herd zu verwirklichen. Obwohl sie beide sehr schlank waren, aßen sie für ihr Leben gern und so setzten sie sich auch heute gemeinsam an den Tisch und stießen erst mal mit einem guten Schluck Rotwein aus großen Gläsern auf den Abend und ihr köstliches Essen an.

    Später räumten sie erst mal gemeinsam die Spülmaschine ein, bevor sie sich bei guter Musik aufs Sofa legten und über ihren Tag sprachen. Ben musste dringend von seiner Begegnung mit der russischen Tussi erzählen. Er konnte zwar keine Namen nennen, aber das machte er genau wie Sarah auch, wenn sie ihm von der Arbeit berichtete. Er erzählte Fakten, ließ aber die Details so weit weg, dass keine wirkliche Indiskretion entstand. Außerdem war er sich völlig sicher, dass Sarah, wie er ja auch, nie einen Geheimnisverrat begehen würde, der ihnen schließlich beide den Job kosten konnte. Immerhin waren sie beide in ihrem Beruf zu Verschwiegenheit verpflichtet und hatten da auch einen Eid darauf abgelegt.

    „Ich war heute schon bei Ermittlungen zu einem laufenden Fall in der total luxuriösen Villa eines reichen russischen Geschäftsmanns. Als ich durch den Garten geschlendert bin, lag da seine-hmm, ich weiß nicht was-Tochter, Frau, Mätresse-keine Ahnung-auf jeden Fall oben ohne im Liegestuhl und hat sich gesonnt. Als ich den Rückzug antreten wollte, hat sie mich regelrecht verfolgt und mich sogar auf die Wange geküsst, obwohl ich ihr deutlich zu verstehen gegeben habe, dass ich kein Interesse an ihr habe. Semir hat inzwischen die Befragung , wegen der wir eigentlich dort waren, fertiggemacht und plötzlich kam der Hausherr um die Ecke und wir wurden mit einer Waffe in den Rippen gebeten zu gehen. Ich denke, der Typ war nicht sonderlich amused, denn kurz darauf hat sich die Frau vermutlich eine Ohrfeige eingefangen, so wie es geklatscht hat. Ich wollte ihr zu Hilfe kommen, aber der Lauf in meiner Seite hat mich dann eines Besseren belehrt!“ erklärte er.

    Sarah sah ihn erschrocken an. „Pass bloß auf dich auf, nicht dass du noch in ein Eifersuchtsdrama verwickelt wirst!“ sagte sie besorgt, aber Ben legte ihr den Finger auf die Lippen. „Da gehören schließlich immer zwei dazu und ich will dich-nur dich- und das mit Haut und Haaren!“ sagte er und begann sich langsam ihren Körper herunterzuküssen. Sarah schloss die Augen und vergaß, dass sie sich eigentlich Sorgen machen wollte. Wenig später verlegten sie ihre Aktivitäten ins Schlafzimmer und nun vergaß Sarah für die nächste Stunde alles, was nicht unmittelbar ihren Traummann betraf.
    Als sie nachts aufwachte, stand sie leise auf, um sich Wasser zu holen. Als sie wieder zurück ins Bett schlüpfte, betrachtete sie liebevoll den Mann, der neben ihr lag. Völlig entspannt schlief er und als sie langsam begann ganz zart die Narben auf seinem Bauch nachzuzeichnen, lächelte er im Schlaf und nahm sie dann im Unterbewusstsein fest in seinen Arm, wo sie beruhigt wieder einschlief.

    Auch Semir war von seiner Rasselbande mit Indianergeheul begrüßt worden. Sie hatten im Garten gespielt und Semir tobte mit seinen Mädels noch eine Weile, bis Andrea sie kopfschüttelnd zum Abendessen holte. Danach war noch Baden angesagt und als um 19.30 alle beide selig im Bett lagen und schliefen, setzte auch Semir sich mit zwei guten Gläsern Wein zu seiner Frau, um mit ihr den Tag ausklingen zu lassen. Sie unterhielten sich eine Weile und Andrea wollte dann unbedingt einen Film im Fernsehen anschauen, auf den sie sich schon den ganzen Tag gefreut hatte. Nachdem das nun so gar nicht Semir´s Geschmack war-er hasste Liebesschnulzen-, ging er derweil ins Arbeitszimmer und verlor sich in den Weiten des Internet. Er googelte auch Sharpov und erfuhr dadurch so einige Neuigkeiten, die ihn zum Nachdenken anregten.

    Um 22.15 war endlich der Film aus und Andrea kündigte gähnend an, jetzt ins Bett zu gehen. „Da komme ich doch mit!“ sagte Semir und folgte seiner Frau die Treppe hinauf. Nachdem sie sich im Bad bettfertig gemacht hatten, schmiegte sich Andrea in seine Arme und war in Kürze eingeschlafen. Aufseufzend drehte Semir sich auf die Seite-eigentlich hätte er noch was anderes vorgehabt, aber so war das nun mal, wenn man einen anstrengenden Tag mit kleinen Kindern hinter sich hatte. Aber am Wochenende würden die die Oma besuchen-mit Übernachtung, da würde er den ganzen Tag mit seiner Frau verbringen und abends würde die dann nicht zu müde sein, schwor er sich, bevor er selber einschlief.

    Hi,hi-also ich weiß nicht, wie es bei euch ist-aber mich musste mein Chef noch nie zwangsweise ins Frei schicken-bin da immer freiwillig gegangen! Aber Semir und Ben lieben halt ihren Beruf mehr, als ihre Freizeit!
    Oh Mann-das ist schwer, wenn der junge Mann noch nicht weiß, dass seine Freundin tot ist, wobei er es insgeheim sicher befürchtet-nach meinen Erfahrungen ahnen das die Unfallopfer immer, auch wenn sie bewusstlos waren. Das ist sehr schlimm, wenn man jemand sowas mitteilen muss! Da müssen sie dringend den Notfallseelsorger und jemand vom Kriseninterventionsteam dazuholen, damit der junge Mann seelischen Beistand hat-so läuft das zumindest bei uns ab. Immerhin ist er nicht selber gefahren und in jungen Jahren schon auf einem Auge zu erblinden ist auch schrecklich. :(
    Und Semir fährt gerne an die Küste, was deutlich nicht Bens bevorzugtes Urlaubsziel ist-aber der ist ja jung und will im Urlaub sicher Action, während sich Semir lieber beim Angeln entspannt und Zeit mit seiner Familie verbringt.

    Nachdem sie sich gestärkt hatten und beider Laune wieder besser geworden war, beschlossen sie noch kurz am Neumarkt vorbeizufahren, um zu sehen, wie da die Dinge standen. Ein Fahrzeug einer Spezialreinigungsfirma stand da und zwei Männer mit schwerem Atemschutz waren gerade dabei, mit Säure die beschmutzten Betonoberflächen zu reinigen. Ein slawisch aussehender, großer Mann wimmelte sie mit finsterer Miene ab. „Fahren sie weiter, es ist sehr gefährlich, wenn sie Säuredämpfe einatmen-auch für den Autolack ist das nicht gut!“ sagte er in strengem Ton mit russischem Akzent. Ben wollte erst den Anweisungen nicht folgen, aber dann überlegte er sich, wie er das denn der Krüger erklären sollte, wenn er dann am Mercedes einen Lackschaden hatte und drückte deswegen folgsam aufs Gaspedal. Aber er nahm sich fest vor, Hartmut zu fragen, ob sowas im Freien überhaupt möglich war. Allerdings war das Reinigen auch kein großes Schauspiel und der Aufpasser hielt die neugierigen Zuschauer schon auf Abstand-na wenigstens brauchten dann die Betonbrocken schon keinen Polizeischutz!

    Bevor sie zur KTU fuhren, sahen sie noch beim Gerichtsmediziner vorbei, der Melanie gleich morgens drangenommen hatte. „Und-gibt’s neue Erkenntnisse?“ wollte Semir wissen, aber der Pathologe schüttelte den Kopf. „Die Frau war sofort tot, im Moment des Einschusses kam es zum Herz-Kreislaufstillstand und Rettung war nicht möglich. Ich habe in der Gehirnmasse, die am Boden klebte“-Ben wandte sich bei der Erwähnung angewidert ab, er wollte da gar nicht daran denken, dass eventuell der Verlobte der jungen Frau da beim Kopfüberstrecken ja reingefasst hatte-„das Projektil gefunden. Ihr könnt es gleich zur KTU bringen, dann spare ich mir den Weg!“ sagte er und trat zu seinem Schrank, in dem sorgsam eingetütet, die kleine, verformte Kugel lag, beschriftet mit Aktenzeichen, Datum und Namen des Opfers.
    „Ach ja und im dritten Monat mit Zwillingen schwanger war die junge Frau auch!“ fügte der Arzt noch hinzu. „Das wissen wir bereits von ihrem Verlobten.“ erklärte Semir „ und außerdem denke ich nicht, dass es zur Aufklärung des Falles beitragen dürfte!“ woraufhin der Arzt nickte und sich wieder seiner weiteren Arbeit zuwandte. „Den Bericht schicke ich euch, sobald er fertig ist, aber ich konnte weiter nichts Verdächtiges feststellen. Der Schuss erfolgte mit einem Gewehr aus etwa 100m Entfernung, aber das wisst ihr ja bereits, ihr wart ja live dabei.“ Wieder nickten Semir und Ben und fuhren dann endgültig mit den Beweisstücken zu Hartmut.

    Der saß gerade im weißen Kittel am Schreibtisch und starrte angestrengt auf seinen Computerbildschirm. „Ich schaue mir gerade aus der Nähe an, was die Spusi mir heute Morgen vorbeigebracht hat!“ erklärte er. Ein merkwürdiges Objekt war auf dem Bildschirm. „Das ist ein kleines Stück Beton, das von dem Kunstwerk anscheinend abgebrochen ist. Das wurde mit weißem Spezialsand gefertigt und der Verzögerer im Zement weist darauf hin, dass es mindestens zwei Monate zum Trocknen gebraucht hat. Der Zement ist ein Hochwertzement, der normalerweise zum Deckenbau verwendet wird!“ erzählte er den beiden Polizisten. „Ich denke nicht, dass uns das in der Aufklärung des Falles weiterbringen wird!“ sagte Ben ein wenig spöttisch-Mann das war schließlich einfach ein kleines Stück Beton und sonst nichts!

    „Kümmere dich lieber um diese zwei Dinge, die wir dir hier bringen. Das eine ist das Projektil, mit der das Opfer getötet wurde und das andere die Kamera, mit der die Aktion gefilmt wurde!“ sagte auch Semir ungeduldig und überreichte Hartmut die Beweisstücke. Nach einem kurzen Blick auf die immer noch eingetütete Kugel sagte Hartmut: „Ah ja, eine russische Jagdwaffe!“ und Semir und Ben starrten ihn fassungslos an. Auf den ersten Blick hatte er das Projektil identifiziert und konnte gleich das Kaliber und die Marke der zugehörigen Waffe nennen. „Ich werde euch ballistische Beweise sichern, damit wir die Waffe identifizieren können, wenn ihr sie sicherstellen könnt!“ versprach er und zeigte ihnen am Computer gleich ein Bild des zugehörigen Modells. „Und dann werde ich mich den Filmaufnahmen widmen.“ Nach einem Blick auf die Uhr fügte er noch an: „Das wird eine lange Nacht werden!“
    Auch Semir und Ben sahen auf die Uhr. Der planmäßige Feierabend war schon lange angebrochen und auch die Chefin war schon nach Hause gegangen, konnten sie nach einem Blick auf den Parkplatz, wo sonst ihr Wagen stand, feststellen. Deshalb beschlossen auch sie den langen Arbeitstag zu beenden und nachdem Semirs BMW einen neuen Vorderreifen erhalten hatte, wie er zufrieden feststellte, machten sie sich mit getrennten Fahrzeugen auf den Heimweg.

    So wie es aussieht, war die Unfallfahrerin schon nicht ganz fit, bevor sie die Massenkarambolage verursacht hat.Aber die Aussage des Zeugen ist ja das Allerletzte! Egal ob sie Drogen bekommen hat, eine Kreislaufschwäche hatte, oder was auch immer-den Tod hat keiner verdient! Auch einem besoffenen Autofahrer gehört zwar der Führerschein entzogen, aber wenn man alle deswegen hinrichten würde, wären die Strassen sicher ein wenig leerer!
    Ich bin ja sehr gespannt, wie das alles zusammenhängt. Auch der Einsatzleiter der Feuerwehr ist trotz aller Routine Mensch geblieben und zeigt Anteilnahme und Mitgefühl-sehr lobenswert!

    Wenig später waren sie an der luxuriösen Villa angekommen. Ein riesiges Grundstück mit hohem Baumbestand war von einem hohen Sicherheitszaun umgeben. Überall waren Überwachungskameras und auf ihr Läuten wurde ihnen von einem Schrank von Mann die Tür geöffnet, der sich vor lauter Muskeln fast nicht bewegen konnte. Er filzte die beiden Polizisten und bestand darauf, dass sie ihre Dienstwaffen ablegten. Semir und Ben warfen sich einen Seitenblick zu, aber dann willigten sie ein-sie würden sie ja jetzt hoffentlich nicht brauchen!

    Es war inzwischen Frühsommer geworden und bei den lauen Temperaturen hielten sich Sharpov und der Künstler, neben einem smarten jungen Mann im Anzug, auf der Gartenterrasse auf. Sharpov lächelte freundlich und begrüßte sie, aber das Lächeln war nur aufgesetzt und die weißen Haifischzähne in seinem Mund blitzten verdächtig. Der sichtlich nervöse Künstler rutschte fast auf seinem Stuhl hin- und her, während der junge Mann sich als Rechtsanwalt vorstellte. „In meiner Stellung muss man aufpassen, was man zu wem sagt-in meinen Kreisen wird einem da gerne das Wort im Mund verdreht!“ sagte Sharpov mit einem drohenden Unterton und Semir und Ben war sonnenklar, dass das eine Warnung darstellen sollte. „Wir werden sicher keine Wortverdrehungen vornehmen, keine Sorge!“ sagte Semir ein wenig spöttisch. „Außerdem haben wir auch gar nicht vor, uns mit ihnen zu unterhalten, wir wollen nur die Aussage des großen Maestro aufnehmen, dann sind wir auch gleich wieder weg!“ fügte er noch hinzu und Sharpov nickte zufrieden. Pahh, mit so ein paar kleinen Polizisten würde er mit links fertigwerden.

    Ben sah sich unauffällig im Garten ein wenig um und in einiger Entfernung sah er einen Mann rasch zu den Garagen gehen, der ihm vage bekannt vorkam. War das nicht einer der Typen in dem Geländewagen gewesen? Er war sich allerdings nicht ganz sicher und weil Semir schon mit der Zeugenbefragung begonnen hatte, konnte er ihn auch nicht darauf aufmerksam machen! Unauffällig erhob er sich und schlenderte ein wenig im Garten herum, mit stechendem Blick beobachtet von Sharpov und den Übrigen.

    Er bog um eine Ecke, aber der Mann war verschwunden, allerdings fuhr Ben nach ein paar Schritten zurück, denn in einem Liegestuhl sonnte sich, einen Cocktail neben sich stehend, ohne Bikinioberteil, die Begleiterin Sharpovs. Ben wollte sich gerade unauffällig aus dem Staub machen, aber sie hatte ihn schon gesehen. Sie lächelte ihn lasziv an, stand auf und zog dabei ihr Oberteil langsam wieder an. Auch wenn diese aufgestylten Tussis nun wirklich nicht Bens Kragenweite entsprachen, musste er anerkennen, dass die etwa 25-Jährige eine perfekte Figur hatte. Sie erhob sich auf ihre High Heels und war damit beinahe so groß wie Ben. „Nur keine Angst, du wirst schon nicht erblinden!“ sagte sie mit einem Lächeln und ebenfalls slawischem Akzent und trat ein paar Schritte auf ihn zu. Ben wich langsam zurück, aber er kam sich irgendwie blöd vor. Am liebsten hätte er sich umgedreht und wäre einfach abgehauen, die Situation war schließlich mehr als peinlich. Er kam sich vor, wie ein Spanner, aber dann atmete er tief durch, er war ja schließlich Polizist und hatte gerade einen dienstlichen Auftrag erfüllt. Als die junge Frau nun nochmals näher trat, beschloss er, sie einfach zu befragen.

    „Was wissen sie über den Überfall auf den LKW-Konvoi?“ fragte er sie in geschäftsmäßigem Ton, aber anstatt ihm zu antworten, trat die Schönheit näher und er konnte den Hauch eines teuren Parfums wahrnehmen. Bevor er sich versah, hatte sie ihm einen kleinen Kuss auf die Wange gegeben und schnurrte: „Ich wusste gar nicht, dass es in Deutschland so gutaussehende Polizisten gibt!“ Gerade als Ben wieder etwas sagen wollte, schnarrte hinter ihm die Stimme Sharpovs, aus der der unterdrückte Zorn deutlich zu hören war. „Na, habt ihr euch gut unterhalten?“ fragte er in schneidendem Ton und dann kam auch schon Semir, der ihn entsetzt anblickte, ebenfalls um die Ecke. „Ich denke, sie sollten jetzt gehen!“ sagte Sharpov und wie aus dem Nichts erschienen zwei Bodyguards und bauten sich vor ihnen auf. Widerstandslos-sie wussten schließlich, wann sie verloren hatten- befolgten Semir und Ben die Aufforderung und gingen hinter den beiden Schränken her. Sie hörten noch einen erregten Wortwechsel auf Russisch und dann ertönte ein Klatschen und die junge Frau schrie einmal kurz auf. Ben drehte sich um und wollte ihr gerade zu Hilfe eilen, da bohrte sich eine Waffe in seine Seite und der Bodyguard sagte in drohendem Ton. „Das würde ich nicht tun!“ Nachdem aber nun auch aus dem Garten nichts mehr zu hören war, gab Ben auf und marschierte hinter Semir her zu seinem Wagen. Ihre Waffen wurden ihnen ebenfalls noch ausgehändigt und bis sie sich versahen, waren sie auf dem Weg zurück zur PASt.

    „Was ist dir denn da eingefallen?“ fragte Semir wütend-„jetzt haben wir Sharpov zum Feind, da werden unsere Ermittlungen deutlich erschwert, außerdem hat der glaube ich die Macht, uns ganz schnell von dem Fall abziehen zu lassen, wenn das stimmt, was Jantzen erzählt hat!“ Ben sah nun Semir ebenfalls zornig an. „Was unterstellst du mir denn-ich habe gemeint, einen der Typen gesehen zu haben, der an dem Überfall beteiligt war, aber als ich ihm nachgegangen bin, war er plötzlich verschwunden und statt dessen macht sich diese russische Tussi an mich ran. Glaub mir, ich habe überhaupt nichts gemacht-ich habe meine Sarah und das genügt!“ erklärte er beleidigt. Nachdem beide eine Weile geschwiegen hatten, blickte Semir auf die Uhr. „Die Mittagessenszeit ist schon lange vorbei-wollen wir am nächsten Imbiss anhalten?“ fragte er und Ben nickte zustimmend.

    Semir und Ben plänkeln gerade noch ein wenig über die chinesischen und Ben´schen Essgewohnheiten, als sie den Funkspruch von dem schweren Unfall hören und sich pflichtbewusst auf den Weg machen.
    Ich denke, die Freundin des schwerverletzten jungen Mannes ist wohl das Todesopfer, von dem die Rede war. Also zum ersten Mal in dieser Geschichte hat sich der Titel wohl schon verwirklicht.
    Dieses Kapitel hat mir sehr gut gefallen, weil du das Entsetzen und die Gefühle des Unfallopfers sehr gut beschrieben hast-jetzt bin ich ja gespannt, in welchem Zusammenhang zu unserem Fall dieser Unfall zu finden ist.

    Zuerst statteten sie Jens Richter einen Besuch ab. Susanne hatte mit der Leitstelle telefoniert, in welchem Krankenhaus er lag und als sie im Marien ankamen, lag der junge Mann in einem abgedunkelten Zimmer mit einer Infusion und schien zu schlafen. Gerade als Semir eine Schwester fragen wollte, ob etwas dagegen sprach, ihn zu wecken, sagte er mit hohler Stimme, die klang, als würde er nie mehr Emotionen empfinden können. „Ach sie sind´s-ich habe sie schon erwartet!“ und Semir drehte sich wieder um. Ben trat an das Bett und fragte mitleidig: „Wie geht´s?“ und sah betroffen, dass aus den Augen des Mannes einfach die Tränen flossen, ohne dass er eine Miene verzog. Ben suchte vergeblich in seinen Taschen nach einem Tempo, aber Semir hatte gleich eines parat und reichte es dem Mann.

    Wie soll´s einem schon gehen, wenn man am Morgen das Wichtigste verloren hat? Melanie und ich wollten in zwei Wochen heiraten und außerdem war sie schwanger-mit Zwillingen!“ erzählte er mit monotoner Stimme, die sicher von irgendwelchen Psychopharmaka so gedämpft klang. „Es tut uns sehr leid!“ sagte nun auch Semir betroffen. Aber könnten sie uns schnell, damit sie es hinter sich haben, eine Aussage machen, wie das Ganze zustande gekommen ist?“ und Jens nickte.

    Er erzählte das Gleiche wie Jantzen und erwähnte dann noch, dass er mit der Film-und Fotodokumentation beauftragt war. „Wo ist die Kamera?“ fragte Ben aufgeregt-vielleicht konnten sie da ja Hinweise auf die Täter finden. „Da müssen sie die Schwestern fragen, die haben mich ziemlich abgeschossen, ich habe gar nicht mitgekriegt, als die mich ausgezogen haben!“ erklärte er und Semir ging gleich auf den Flur, um kurz darauf mit der gewünschten Kamera wieder zurückzukommen, die mit weiteren Wertsachen im Safe der Station eingeschlossen gewesen war. Erst wollte die Schwester die nicht herausgeben, aber als Semir seinen Polizeiausweis hergezeigt hatte, bekam er sie doch gegen Unterschrift. „Wir nehmen die zur Auswertung mit, wenn sie einverstanden sind!“ erklärte Semir und der Dozent nickte müde. Als sie sich verabschiedeten, hielt er Ben´s Hand kurz fest. „Danke, dass sie es mit der Reanimation wenigstens versucht haben-vielleicht wäre ja noch was zu machen gewesen!“ sagte er, aber Ben schüttelte den Kopf. „Bei dieser Verletzung keine Chance, glauben sie mir!“ und Jens nickte traurig. Als sie hinausgingen hörten sie noch ein trockenes Schluchzen, das den beiden durch Mark und Bein ging. Die Schwester, die es auch gehört hatte, eilte zu ihrem Patienten ins Zimmer und Semir und Ben gingen gedankenverloren zu ihrem Fahrzeug, wo sie schweigend Platz nahmen.

    „Lass uns noch schnell den Film und die Bilder anschauen, bevor wir Hartmut die Kamera zur genauen Auswertung übergeben, vielleicht kann man ja was erkennen!“ schlug Ben vor und gemeinsam schauten sie den Speicher durch. Man sah zwar die Sprühaktion, manchen gelungenen Schwenk auf ein Plakat und die vermummten Gestalten mit den Sprühdosen auf den LKW´s, dann wie Melanie plötzlich zusammenbrach, aber damit war die Dokumentation zu Ende. Kein einziges Mal hatte die Kamera in Richtung des Schützen geschwenkt. „Vielleicht kann Hartmut noch was herausfinden!“ hoffte Semir und Ben, der nun noch einzelne Fotos durchschaute. Anscheinend waren kurz vor der Aktion noch ein paar private Aufnahmen gespeichert und man sah eine glückstrahlende Melanie, die ein Ultraschallbild hochhielt. Nun hörte Ben sofort auf zu klicken, das war jetzt sehr privat und er kam sich vor wie ein unberechtigter Schnüffler. Gerade als sie fahren wollten, sahen sie noch, wie Jantzen zur Patienteninformation ging und sich anscheinend zu Jens Richter durchfragte. „Na wenigstens ist er jetzt nicht mehr alleine!“ sagte Semir, aber Ben wiegte zweifelnd den Kopf hin-und her. „Ich bezweifle, dass er sich über diesen Besuch freut-wenn Jantzen die Aktion nicht gestartet hätte, würde Melanie vielleicht noch leben-gesetzt den Fall sie war ein Zufallsopfer!“ und da musste Semir ihm Recht geben. Aus Neugierde blieben sie noch eine Weile vor der Klinik stehen, aber tatsächlich kam nach ziemlich kurzer Zeit Jantzen mit bedrückter Miene wieder heraus und steuerte die nächste Straßenbahnhaltestelle an.

    „Also auf zu Sharpov!“ sagte Semir und Ben startete den Motor.

    Wider Erwarten glaubt das hohe Gericht Semir und den Gerichtsdienern und sein Erpresser wird auf der Stelle festgenommen und bis zu seiner eigenen Verhandlung ins Gefängnis gebracht. Auch Felipe wird in allen Anklagen schuldig gesprochen-ein Hoch auf die Deutsche Gerichtsbarkeit! Allerdings würde mir die Überstellung Felipes nach Frankreich auch Kopfschmerzen bereiten, denn da hat Felipe ja überall seine Helfershelfer. Ich bezweifle, dass der da allzu lange im Knast sitzen wird!
    Und die Chefin zeigt wieder menschliche Gefühle, lädt ihre Männer auf ein (alkoholfreies :D bravo!) Bier ein und spricht über ihren Kummer. Sogar zwei freie Tage springen dabei für die Helden raus! Na hoffentlich bleibt das so!

    Jantzen lehnte sich in seinem Stuhl ein wenig zurück und begann zu berichten. „Als wir im Kulturausschuss des Stadtrats die Anfrage von Herrn Sharpov bekamen, wo man denn in der Kölner Innenstadt einen freien Platz hätte, an dem man ein von ihm gesponsertes, wunderbares Kunstwerk aufstellen könnte, das erstens sehr groß wäre und zweitens die Bürger zum Gebrauchen ihrer Sinne ermuntern würde, haben wir uns erst mal nichts gedacht. In mehreren Beratungen kamen wir dann auf den Neumarkt, denn da wäre Platz genug und eine Stadt kann ja nie genug Kunstwerke haben!“ sagte er mit einem Augenzwinkern.

    Als dann wenig später ein Modell des sogenannten „Kunstwerks“ vorgestellt wurde, waren sofort die Meinungen geteilt. Natürlich ist Kunst immer ein Empfinden des Einzelnen, wie eben Mode auch, aber was uns da vorgestellt wurde, war in meinen Augen der blanke Hohn. Eine Aneinanderreihung und Aufstapelung von Betonbrocken in unterschiedlichen Betonfarben-für mich und manchen anderen, die noch ihren gesunden Menschenverstand haben, sah das aus, als wenn jemand einen Bunker abgerissen hätte und dann vergessen aufzuräumen. Von Kunst kann ich bei diesem Machwerk nichts erkennen!
    Natürlich gab es zunächst im Kulturausschuss und dann im gesamten Stadtrat heiße Diskussionen, aber ohne die Meinung des Bürgers, vielleicht in einem Volksentscheid, einzuholen, wurden wir Gegner überstimmt. Die große Mehrheit, allen voran die Fraktion mit den meisten Sitzen, die regelmäßig von Sharpov eingeladen und finanziell unterstützt wird-er ist nicht nur ein Kunstmäzen, sondern auch einer, der die richtige Partei sponsert- war aber dafür, dass man dieses Kunstwerk am Neumarkt aufstellt.

    Ich habe, nachdem legale politische Möglichkeiten ausgeschöpft waren, Kontakt mit Gleichgesinnten aufgenommen-allen voran Jens Richter, ein Kunstdozent an der Hochschule- und der hat noch ein paar seiner Studierenden um sich geschart und gemeinsam haben wir den Plan für den Überfall erarbeitet. Wir haben uns bei der Straßenmeisterei ein paar Warnschilder, Absperrbaken und Blinklichter „ausgeliehen“ und nachdem mir ja der Weg und die Zeit des Transport bekannt waren, einen Aktionsplan erstellt.“ erzählte Jantzen.
    „Was wollten sie denn damit bezwecken, wenn sie den Konvoi aufhalten?“ fragte Semir interessiert. „Wir wollten die Betonteile mit Farbe besprühen und so unmöglich machen, dass der Terminplan zur Einweihung eingehalten wird. Einer unserer Mitstreiter wollte eine Film-und Fotodokumentation erstellen und das dann an das Regionalfernsehen und die Presse weitergeben, damit das Thema in der Öffentlichkeit nochmals aufgegriffen wird. Wir hatten erhofft mit Taten anstatt Worten die Bevölkerung aufzurütteln!“ erklärte der Stadtrat seine Motivation.

    Ben, dessen Magen nun laut zu knurren begann-immerhin war die Frühstückszeit schon lange überschritten- fragte nun, um endlich zum Ende zu kommen: „Sie wissen also nicht und haben auch keinen Verdacht, wer die junge Frau erschossen hat?“ und der Stadtrat schüttelte den Kopf.
    „Ich übernehme die volle Verantwortung für diese Aktion und bedaure zutiefst, dass die ein Menschenleben gekostet hat. Allerdings zermartere ich mir schon die ganze Zeit den Kopf, was dieser Mord für einen Sinn haben könnte. Melanie Kröger war zudem noch die Freundin von Jens Richter, dem Kunstdozenten, der ins Krankenhaus gebracht wurde. Wenn mir irgendetwas einfällt, was zur Klärung des Sachverhalts beitragen könnte, gebe ich ihnen sofort Bescheid!“ fügte Jantzen noch an und dann wollte Ben noch etwas wissen: „Haben sie einen der Insassen des Fahrzeugs, von dem aus geschossen wurde, erkennen können?“ aber der Stadtrat schüttelte den Kopf.
    Nun ergriff Semir wieder das Wort. „Ich bedanke mich für ihre Aussage, aber ihnen ist schon klar, dass jetzt einige Anzeigen gegen sie laufen. Angefangen vom gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, über Nötigung und so manch andere Anklage-ich wäre mir nicht so sicher, dass sie ihren Sitz im Stadtrat behalten können!“ erklärte er, aber Peter Jantzen hob stolz den Kopf. „Das ist mir vollkommen klar, aber ich habe in meinem Leben schon so manch andere Hürde überwunden und das Leben geht für mich auch ohne Stadtratsmandat weiter!“ sagte er und Semir und Ben glaubten ihm das aufs Wort.

    Während Semir die anderen Vernehmungsprotokolle überflog, aus denen aber ebenfalls nichts hervorging, was den Schuss auf die Studentin erklären konnte, fuhr Ben mal schnell in den nächsten Imbiss und holte ein ausreichendes zweites Frühstück. Nachdem sie sich mit der Chefin kurzgeschlossen und die knurrenden Mägen besänftigt hatten, starteten die beiden Polizisten nun in Bens Mercedes zur Befragung von Jens Richter und danach zu Sharpovs Villa, um den großen Künstler ebenfalls zu Wort kommen zu lassen.
    „Ach Bonny, übrigens wurde mir am BMW ein Reifen zerschossen und ich habe ihn notdürftig mit dem Reparaturschaum geflickt, könntest du dich als Fuhrparkleiter vielleicht darum kümmern?“ fragte Semir scheinheilig, dem aufgefallen war, dass sein BMW sich leicht nach vorne abgesenkt hatte und ein Plattfuß zu erkennen war, zu Dieter Bonrath, der sich daraufhin die wenigen verbliebenen Haare raufte. „Wann schafft ihr es mal euer Auto wenigstens eine Woche nicht zu beschädigen?“ fragte der empört, aber Semir und Ben zuckten nur die Schultern und fuhren davon. Mann wegen so einem Plattfuß so anstellen-da hatten sie schon Schlimmeres mit ihren Fahrzeugen angestellt!

    Silli psst, das waren doch Insiderinformationen von Niels Kurvin am Fantreffen! :rolleyes: Aber ich denke auch, dass das ein Grund sein könnte. Eventuell dreht ja Tom Beck auch noch ein wenig länger, denn wie ließe sich das sonst mit dem aktuellen Schweighöferfilmdreh in München erklären? Wichtig ist mir aber, dass da gute Folgen bei Cobra rauskommen, die die Figur Ben Jäger sich in guter Erinnerung verabschieden lassen!

    Ehrlich gesagt hatte ich jetzt nicht erwartet, dass die Sache für alle Beteiligten so glimpflich abgeht und außer ner dicken Lippe für Semir ( die er ja schon öfter riskiert hat :D ) gar nichts weiter passiert!
    Ja, das hätte ich gerne gesehen, wie Felipe das Gesicht entgleist ist, als Semir seelenruhig die Wahrheit aussagt-wo er sich doch so sicher war, dass er den in der Hand hat!
    Hoffentlich wird dieser Wust aus Falschaussagen und Bestechung vom Gericht aufgeknotet und die Richtigen bestraft!

    Der Künstler wurde in den BMW verfrachtet und Ben hatte zuvor noch Vorladungen für den morgigen Vormittag an die LKW-Fahrer und den Kulturreferenten vergeben. Das war mehr Formsache, keiner erwartete sich von deren Aussagen größere Aufschlüsse. Gerade als sie losfahren wollten, rollte ein grauer Rolls Royce mit getönten Scheiben heran, hielt mitten am Platz und ein uniformierter Chauffeur wuselte eilfertig herum und hielt die Fondstüre auf. Heraus stiegen zwei Personen: der ihnen alle aus der Presse bekannte Kunstmäzen, Waldemar Sharpov und eine junge Dame, die alles sein konnte, von seiner Frau, über die Mätresse, oder sogar die Tochter. Sie war in Klamotten gekleidet, denen man schon aus der Ferne ansah, wie teuer die gewesen waren und auch Sharpov kam im maßgeschneiderten Anzug auf sie zu. Er streckte mit gewinnendem Lächeln die Hand aus und begrüßte erst einmal den Künstler, der immer noch im Fond des BMW auf die Abfahrt wartete. Ben und Semir bedachte er mit einem herablassenden Lächeln und fragte dann mit schneidender Stimme, die im scharfen Kontrast zu seinem Lächeln stand.

    „Was macht mein Freund, der formidable Künstler, in ihrem Polizeifahrzeug? Wenn sie etwas mit ihm zu besprechen haben, können sie das im Beisein meines Anwalts in meiner Villa erledigen!“ sagte er, woraufhin der Künstler mit Genugtuung in der Miene wieder aus dem Fahrzeug krabbelte und sich dem Deutschrussen mit dem ganz leichten slawischen Akzent anschloss.

    Ben ballte die Fäuste, aber Semir bedeutete ihm, ruhig zu bleiben. Wenn sie sich jetzt provozieren ließen, würde die Aufklärung des Falles vielleicht darunter leiden, oder die Chefin würde sie davon abziehen. Der Mäzen schritt, gefolgt vom Künstler und der bildhübschen jungen Frau, die im Vorbeigehen Ben ein strahlendes Lächeln schenkte, an den Betonteilen vorbei. Gestikulierend zeigte der Künstler auf die Verunreinigungen, aber Sharpov beruhigte ihn. Laut, damit es auch jeder hören konnte sagte er: „Damit das Kunstwerk fristgerecht aufgebaut werden kann, werde ich sofort meine eigenen Fachleute zur Reinigung des Betons schicken!“ Nach diesen Worten bedeutete er dem Künstler in seinen Rolls zu steigen, alle drei setzten sich und der uniformierte Chauffeur schloss dienstfertig die Türen, bevor sich die Limousine in Bewegung setzte.

    Kaum waren die um die Ecke verschwunden, legte Ben los. „Was stellt sich dieser A…. denn vor! Holt uns einen verdächtigen Zeugen aus dem Fahrzeug, redet einen Stuss daher und verschwindet dann einfach wieder!“ regte er sich auf. Semir wartete, bis sein Kollege verbal ein wenig Dampf abgelassen hatte, um dann seine Sicht der Dinge zu erklären. „Ben, wir wissen doch gar nicht, ob der Künstler im Entferntesten mit dem Mord etwas zu tun hat, also ist er im Augenblick ja nur Zeuge. Wir müssen sowieso mit der Chefin besprechen, ob wir den Typen jetzt vorladen, oder tatsächlich in Sharpovs Villa befragen sollen. Das bringt jetzt gar nichts, wenn du mit dem Kopf durch die Wand gehst. Ich fand seine Meldung auch zum Kotzen, aber da mischt die Politik mit, da ziehen wir den Kürzeren, wenn wir uns aufführen! Komm, lass uns erst mal zum Revier fahren und sehen, wie weit die Vernehmungen sind!“
    Ben überlegte eine Weile, setzte sich dann aber wieder neben Semir, der losfuhr, um in die PASt zu gelangen. „Hast du gesehen, wie mich die Tussi hungrig angeschaut hat?“ wollte er dann von Semir wissen. Der grinste. „Sei froh, dass Sarah da nicht dabei war-die hätte ihr auf der Stelle die Augen ausgekratzt!“ schmunzelte er und nun musste auch Ben grinsen.

    Wenig später kamen sie im Revier an. Die Chefin und Jenni hatten die Befragungen durchgeführt und es war nur noch der ältere Mann, der Ben bekannt vorgekommen war, übrig geblieben. Semir und Ben überflogen die Vernehmungsprotokolle, aber aus denen ging nicht hervor, warum es zu dem Mord gekommen sein könnte. Nach Absprache mit der Chefin übernahmen sie die letzte Vernehmung und als sie zu dem älteren Mann in den Vernehmungsraum gingen, lächelte der sie betrübt an. „Mein Gott, wenn ich nur im Entferntesten geahnt hätte, dass diese Aktion so ein schreckliches Ende findet, hätte ich doch nie im Leben diese aufsehenerregende Protestaktion gestartet!“ sagte er unglücklich. „Soll das bedeuten, sie übernehmen die Verantwortung für diesen Überfall?“ fragte Semir überrascht und der Mann, der auch ihm vage bekannt vorkam, nickte.
    Beginnen wir mal von vorne: „Wie heißen sie und wo wohnen sie?“ begann Semir die Personalien aufzunehmen. „Mein Name ist Peter Jantzen, geboren am 5.4.1950 in Köln, begann er und bei der Erwähnung des Namens klingelte es nun bei den beiden Polizisten. Bei den letzten Stadtratswahlen war der parteifreie Althippie, der in den Sechzigern eine der ersten Kölner Kommunen bewohnt hatte, erstaunlicherweise mit ziemlich vielen Stimmen für eine neugegründete Wählervereinigung in den Stadtrat eingezogen, obwohl das Establishment da sehr dagegen gewesen war, aber der Bürger hatte das entschieden. Er und sein Leben waren von der Presse gründlich durchleuchtet worden, aber gerade die jungen Kölner Bürger, die Punks und Andersdenkenden hatten ihm 2009 ihre Stimmen zukommen lassen und so war er nun hauptberuflich Politiker geworden, eine Tatsache, die er sich in seiner wilden Jugend selber nie hätte vorstellen können. Er machte aber durchaus auch im Anzug eine gute Figur und man hatte nach einer Weile respektvoll konstatiert, dass er für dieses Amt wirklich wie geschaffen war. Er war im Kulturausschuss der Stadt und noch in vielen anderen Gremien und nun erinnerten sich Semir und Ben gelesen zu haben, dass er sehr gegen das Betonkunstprojekt Stellung genommen hatte, aber letztendlich überstimmt worden war.

    „Oh, diese Aktion ist ihrem Job eher nicht so zuträglich, umso erstaunlicher, dass sie da dahinterstehen und nichts versuchen zu vertuschen und zu verheimlichen!“ wunderte sich nun Ben, aber der ältere Mann blickte ihn fest an und sagte: „Auch wenn ich jetzt Politiker bin, möchte ich mich noch morgens im Spiegel betrachten können. Ich werde alles tun, um Licht in die Sache zu bringen und Melanies Mörder zu überführen!“ Semir nickte beeindruckt und ermunterte ihn dann: „Also Herr Jantzen, dann erzählen sie mal!“

    Hoffentlich gelingt es dem Gerichtsdiener Semir zu Hilfe zu kommen! Allerdings vermute ich, dass der Erpresser gute Argumente hat, Semir in seinem Sinne zu beeinflussen-z. B. Andrea oder die Kinder in seiner Gewalt. Ja mit einem Verbrecher wie Felipe ist es schwer, sich anzulegen!

    Ben war sehr erleichtert als Semir wohlbehalten zurück war. Alleine einen Trupp schwerbewaffneter, skrupelloser Mörder zu verfolgen, war sowieso ein Risiko, das ihnen jeder versucht hätte auszureden. „Und?“ fragte Semir als er ausstieg und auf die zugedeckte menschliche Gestalt wies, die am Boden lag. „Eine junge Frau, laut Ausweis den sie in der Tasche hatte, heißt sie Melanie Kröger, 25 Jahre alt, wohnhaft hier in Köln. Wir haben noch versucht, sie zu reanimieren, aber da war nichts zu wollen-eigentlich habe ich erst gesehen, dass das halbe Hirn fehlt, als der Notarzt den Kopf gedreht hat!“ erzählte Ben betroffen. „Bei der letzten Auffrischung zur Herz-Lungen-Belebung hat uns der Ausbilder extra eingetrichtert, wir sollten nicht selbst entscheiden, ob unser Tun einen Sinn hat, sondern das den Arzt machen lassen!“ erklärte er weiter seine Motivation und Semir nickte zustimmend. Auch er hatte diese Schulung, wie jedes Jahr, über sich ergehen lassen.

    „Und bei dir?“ wollte Ben nun von seinem Partner wissen. Semir zuckte mit den Schultern. „In der Auffahrt haben sie meinen Reifen erwischt und damit war Ende Gelände. Die Nummernschilder waren gefälscht, aber durch die getönten Scheiben habe ich auch die Insassen nicht erkennen können!“ erklärte Semir ein wenig angefressen. „Aber ich, zumindest ein bisschen!“ erklärte Ben und Semir sah seinen Freund sofort interessiert an.
    „Natürlich war meine Aufmerksamkeit primär nach vorne zu dem Überfall gerichtet, aber ich habe trotzdem aus dem Augenwinkel den Wagen gesehen, als der näherkam und die vier Leute, die dann ausgestiegen sind. Ich hätte ja nie gedacht, dass die sofort schießen, aber leider haben sie uns eines Besseren belehrt! Mann es geht doch hier um Kunst-was zwar ein Diskussionsthema erster Güte ist, aber deswegen muss man doch niemanden umbringen!“ lamentierte Ben unglücklich, dem die junge Frau immer noch nachging.

    Semir war inzwischen zu der verhüllten Gestalt getreten und hatte das Gesicht betrachtet und den Kopf geschüttelt. Während kurz darauf der Gerichtsmediziner und die Spurensicherung eintrafen, fragte er Ben, wo die Tieflader und der Rest der Truppe seien. „Die Aktionisten, die sich übrigens nach dem Unglück sofort demaskiert haben, sind in der PASt, außer einem jungen Mann, der das Opfer erst beatmet hat und dann, als der Arzt den Tod festgestellt hat, zusammengebrochen ist und vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht wurde!“ erklärte Ben. „Die Tieflader habe ich weiterfahren lassen zum Neumarkt-natürlich begleitet von einem ganzen Schwung Kollegen-sonst wäre der Verkehr doch gleich völlig zusammengebrochen, wenn wir die hier festgehalten hätten. Außerdem hat dieser Künstler auch noch genervt und ehrlich gesagt hatte ich keine Lust, mich von dem jetzt den ganzen Vormittag peinigen zu lassen!“ erklärte er sein Tun. „Na hoffentlich sieht die Schrankmann das auch so!“ flüsterte Semir nun und wies mit einer minimalen Kopfbewegung zu dem Fahrzeug, aus dem ihre Lieblingsstaatsanwältin mit Leichenbittermiene gerade ausstieg.
    „Was gibt’s?“ fragte sie. Semir sah unauffällig auf die Uhr. Es war noch vor Tau und Tag, also war anzunehmen, dass sie extra wegen ihnen früher aus dem Bett gekrochen war und darauf ließ ihre Laune auch schließen.

    „Wir hatten den Auftrag einen Transport mit einem Betonkunstwerk in Einzelteilen vom Betonwerk bis zum Aufstellort, dem Neumarkt, zu begleiten, dabei wurde der Konvoi überfallen und eine Aktivistin, die wie die anderen mit Spraydosen das Kunstwerk „verschönert“ hat, wurde erschossen.“ fasste Ben die Lage kurz zusammen. „Und? Wo sind die Zeugen, die LKW´s und die Begleitfahrzeuge?“ drehte sich die Staatsanwältin anklagend um. Ben schluckte. „Die habe ich zum Zielort weiterfahren lassen, um den morgendlichen Berufsverkehr nicht zu stören. Die Aktivisten, die ja auch nicht geschossen hatten, haben sich sofort demaskiert und kooperiert und wurden zum Verhör in die PASt gebracht und wir, mindestens sechs Polizisten, sind Augenzeugen und können genau bezeugen, wo der silbergraue Geländewagen angehalten hat, von wo aus die junge Frau dann erschossen wurde. Ich habe es nicht für notwendig erachtet, alle Zeugenbefragungen vor Ort vorzunehmen, da es ja zur Klärung des Falles nicht notwendig ist.“ erklärte er seine Gedankengänge. „Das Denken überlassen sie in Zukunft mir!“ schnarrte die Schrankmann und drehte sich mit einem vernichtenden Blick um, um sich die Leiche anzusehen, die gerade vom Gerichtsmediziner und der Spurensicherung fotografiert und begutachtet wurde.

    Nachdem Semir und Ben der SpuSi genau beschrieben hatten, wo der Geländewagen gestanden hatte und die Schrankmann ihr Einverständnis erklärt hatte, fuhren die beiden Freunde nach einer Weile zum Neumarkt, um dort die Lage zu peilen. Unterwegs wurden sie schon von Frau Krüger angerufen, die inzwischen im Büro eingetroffen war und von dem Vorfall informiert worden war. Mit kurzen Worten schilderten Semir und Ben den Sachverhalt und Frau Krüger versprach, gleich mit den Verhören anzufangen. „Wir fahren gerade zum Neumarkt, um dort nach dem Rechten zu sehen und den Anwesenden einen Termin zur Zeugenaussage im Revier zu geben!“ teilte Ben mit und die Chefin erklärte ihr Einverständnis.

    Als sie am Neumarkt ankamen, war dort eine großflächige Polizeiabsperrung hinter der sich viele Schaulustige tummelten und inmitten darin stand der Autokran, der gerade dabei war, ein Betonteil nach dem anderen vorsichtig abzuladen. Der Künstler sprang wie wild dazwischen herum, raufte sich die eh schon wirren Haare und lamentierte, als er die Verschmutzungen durch die Spraydosen sah. Der Kulturreferent versuchte ihn zu beruhigen und als Semir und Ben nähertraten, hörten sie, wie der sagte: „Ich kenne da eine Spezialfirma, die reinigen das wieder, da ist nachher nichts mehr zu sehen-natürlich geht das auf Kosten der Attentäter, die ja jetzt polizeibekannt sind!“ und der Künstler blieb daraufhin kurz stehen. „Besser man hätte sie alle abgeknallt!“ sagte er böse und begann wieder zwischen den Teilen herumzuspringen, was dem Kranfahrer überhaupt nicht behagte.

    Semir und Ben wechselten einen kurzen Blick, packten ihn rechts und links, zogen ihn aus der Gefahrenzone und Ben konnte nicht anders, als ihn anzuherrschen. „Jetzt reicht´s aber-das hier sind Betonbrocken und das andere sind Menschenleben. Wegen sowas hat eine junge Frau ihr Leben gelassen und sie würden deswegen noch zehn weitere über die Klinge springen lassen. Wissen sie, wer geschossen hat, oder haben sie die sogar beauftragt?“ fragte er und sogar Semir sah ihn wegen dieser Unterstellung geschockt an. Nun begann der Künstler wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen und schüttelte wortlos den Kopf. „Wir fahren mit ihnen jetzt zum Verhör aufs Revier!“ bestimmte Semir und Ben flüsterte er zu: „Und du hältst die Klappe, ich sehe den Ärger schon auf uns zukommen!“ woraufhin der stumm nickte.

    Ben sah einen Augenblick bedauernd seinem Freund nach, der mit dem Fuß auf dem Gaspedal ebenfalls in Gegenrichtung auf dem Standstreifen Richtung Ausfahrt preschte. Dann widmete er seine Aufmerksamkeit allerdings auf den vermummten Maskierten, der am Boden lag. Er trat zu ihm und zog erst ein Mal die Gesichtsmaske, die nur Augen-und Mund freigelassen hatte, herunter. Geschockt sah er auf das Gesicht, das ihn ansah. Eine junge hübsche Frau lag da, die aber kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Während ein uniformierter Polizist schon Verstärkung und einen Notarztwagen angefordert hatte, prüfte Ben die Vitalzeichen der jungen Frau, aber wie er schon erwartet hatte, konnte er keine erkennen. Aus einem kreisrunden Loch an der Stirn floss noch ein wenig Blut und sie sah mit weit geöffneten, gebrochenen Augen ins Nirgendwo.

    Dennoch begann Ben, wie es ihm im jährlich aufgefrischten, erweiterten Erste- Hilfe-Kurs beigebracht worden war, sofort mit der Herz-Lungen-Reanimation. Er drückte ein paarmal, aber bevor er die erste Atemspende gegeben hatte, hatte einer der Vermummten den Platz an ihrem Kopf eingenommen, riss sich die Maske vom Kopf und begann lehrbuchmäßig mit der Mund zu Nase-Beatmung. Ben begann zu zählen, drückte immer 30 Mal und dann gab der junge Mann, dem die Tränen nun ungehemmt herunter flossen, zweimal die Atemspende, woraufhin Ben wieder mit der Herzdruckmassage weitermachte. Nach wenigen Minuten waren die beiden schweißüberströmt und Ben wollte sich gerade nach Ablösung umschauen, da hörte man aus der Ferne die Sirenen des Rettungsdienstes.

    Kaum waren die Profis eingetroffen, übernahmen die den Platz für die Herzdruckmassage und einer der Sanitäter beatmete nun die Frau mit einem Ambubeutel. Ein dritter Sanitäter legte EKG-Elektroden an und einen Sättigungsfühler, schlang eine Blutdruckmanschette um den Oberarm und dann versuchte der Notarzt die aktuellen Werte zu ermitteln. Als die Herzdruckmassage pausiert wurde, kam keinerlei Herzaktion, der Blutdruck war nicht messbar und auch die Sättigung zeigte keine Kurve an. Nach einem prüfenden Blick auf die Einschusswunde drehte er den Kopf der jungen Frau und dann sah man erst das ganze Ausmaß der Verletzung. Ein Teil ihrer Schädeldecke fehlte hinten und das Gehirn war sichtlich zerstört. „Reanimationsmaßnahmen einstellen, Zeitpunkt des Todes 4.45 Uhr!“ stellte der Notarzt nach einem Blick auf die Uhr fest.

    Der junge Mann brach nun völlig zusammen und die Rettungskräfte mussten sich erst mal um ihn kümmern, während der Rest der Vermummten, die schweigend das schreckliche Schauspiel beobachtet hatten, nun nacheinander langsam ihre Masken vom Kopf zogen. „Das haben wir nicht gewollt!“ flüsterte einer der Aktionisten, ein älterer Mann, der Ben vage bekannt vorkam und konnte seine Tränen nicht zurückhalten.
    Nachdem niemand einen Fluchtversuch probierte und inzwischen noch weitere drei Polizeifahrzeuge, darunter ein VW-Bus eingetroffen war, bestimmte Ben als Einsatzleiter. „Bitte alle Aktionisten zum Verhör in die PASt bringen und Gerichtsmediziner und Spurensicherung verständigen!“ was einer der uniformierten Polizisten sofort erledigte.
    Nun sprang wie ein Derwisch der Künstler, der die Aktionisten mit hasserfüllten Blicken bedacht hatte, dazu und forderte, den Transport sofort weiterzuführen. Nachdem Ben alle Dinge abgewägt hatte und mit Entsetzen an den in Kürze einsetzenden morgendlichen Berufsverkehr dachte, willigte er in den Vorschlag ein und während Ben die Stellung hielt und mit Bangen auf eine Nachricht Semirs und das Eintreffen des Gerichtsmediziners wartete, bewegte sich der Konvoi, nun von mehreren Polizeifahrzeugen geschützt, Richtung Innenstadt, wo der Autokran schon darauf wartete, in Aktion zu treten und die Betonteile abzuladen.
    Die sichtlich geschockten Betonkunstgegner wurden ohne Gegenwehr in den VW-Bus und ein Polizeifahrzeug verfrachtet und zur PASt gebracht, während der junge Mann nun völlig zusammengebrochen war und mit einem schweren Schock vom Notarzt ins nächstgelegen Krankenhaus gebracht wurde.

    Semir war inzwischen mit Vollgas hinter dem flüchtenden Fahrzeug her geprescht. Als er mitten in der Auffahrt erkannte, dass mit einer Waffe auf ihn gezielt wurde, versuchte er das Lenkrad herumzureißen, aber er konnte einer der Kugeln nicht mehr ausweichen. Mit einem lauten Knall zerbarst sein Vorderreifen und das Auto schlingerte gefährlich durch die Kurve, während der Geländewagen an Fahrt gewann und bald am Horizont verschwunden war. Semir hatte das Nummernschild gesehen und bevor er nach dem Reifen sah, gab er es an die Zentrale weiter. Leider war das als gestohlen gemeldet und war zuvor an einem Ford Fiesta angebracht gewesen-verdammter Mist-falsche Spur!
    Als er diesmal ausstieg und seufzend den Reparaturschaum aus dem Kofferraum nahm, wusste er wenigstens, wie er ihn anzuwenden hatte-nach der letzten Blamage mit Ben hatte er das nämlich geübt und so war nach kurzer Zeit sein BMW wieder fahrbereit-na ja, wenn er nicht inmitten einer Fahrzeugschlange verkehrtrum in eine Autobahnauffahrt gestanden hätte! Gestikulierene, wütende Autofahrer bedachten ihn mit Schimpfworten, als er gemütlich wendete und sich auf den Weg zurück machte zu der Stelle, an der der Überfall stattgefunden hatte.