Beiträge von susan

    Semir hielt sich nicht lange mit Vorreden auf, sondern fragte gerade heraus: „Ben, jetzt sag mir bitte was in dich gefahren ist, dass du behauptest, du hättest bei diesen Folterungen einvernehmlich mitgemacht? Wir haben uns den Arsch aufgerissen, deine Peiniger ausfindig zu machen und zu verhaften und du sagst nun, du hättest das selbst gewollt, was hast du dir dabei gedacht?“ fragte er wütend. Den ganzen Herweg war er von Minute zu Minute zorniger geworden. Hatte Ben doch dem Lockruf des Geldes nicht widerstehen können? Drei Millionen waren eine Menge Kohle, Semir wusste auch nicht, wie viel Geld Ben eigentlich besaß, vielleicht waren das gar keine so großen Summen, oder er hatte es schlecht angelegt und dann ziemlich viel verloren? Semir wusste es nicht! Er wusste aber auch, dass er mit jemandem, der bestechlich war, nicht weiter befreundet sein konnte und der war auch als Polizist nicht mehr tragbar! Und weil er das Herz auf der Zunge trug, sagte er genau das zu Ben, der in seinem Stuhl förmlich in sich zusammenkroch.
    „Durch deine Aussage sind nun alle Haupttäter auf freiem Fuß und können die nächsten Opfer quälen. Du alleine bist dafür verantwortlich, wenn andere Menschen nun zu Tode kommen, oder zumindest schwer verletzt werden!“ warf er ihm noch an den Kopf, ohne erst mal auf eine Antwort seines Freundes zu warten.

    Der öffnete den Mund, um irgendwas zu sagen, aber dann merkte er schon, wie ihm schummrig wurde. Jetzt wurde ihm alles zu viel und die ganze Aufregung, der Schmerz, der Schlafmangel und der Kummer, dass Semir ihm zutraute, bestechlich zu sein, forderten ihren Preis. Das Blut wich ihm aus dem Kopf, er begann kalt zu schwitzen und bevor Semir irgendwie reagieren konnte, war er zusammengesackt und glitt nun einfach zu Boden. Semir griff nun doch zu, um Ben noch zu stützen, aber es war vergeblich. Der Monitor schlug Alarm, mit einem kleinen Ruck war der arterielle Zugang aus dem Arm gerutscht und blutete und der ZVK spannte sich bis zum Äußersten. Die Schwester, die hereingestürzt war griff nur kurz nach dem Cavakatheter, um den noch zu retten und rief dann ihre Kollegen laut zu Hilfe. Semir wurde rausgeschickt und nun kümmerten sich erst mal zwei Pflegekräfte und der Stationsarzt um Ben.

    Der war momentan komplett weg und merkte gar nicht, wie er wieder ins Bett gehoben wurde. Alle Helfer hatten Handschuhe an und während man das Bett schon in Kopftieflage brachte, drückte eine der Schwestern einen Stapel Kompressen auf die blutende Arterieneinstichstelle an seinem Arm. Eine andere löste das Pflaster an seinem Hals, aber anhand der Markierung konnte man feststellen, dass der ZVK noch an Ort und Stelle saß. Der Stationsarzt ordnete einen zusätzlichen Liter Infusion im Schuss an, um den Kreislauf zu stabilisieren und weil man nun ja keine kontinuierliche Blutdruckmessung mehr hatte, schlang man eine Blutdruckmanschette um seinen Oberarm und drückte auf den Startknopf am Monitor. Langsam begann sich Ben wieder zu regen und als ihn der Arzt laut ansprach und seine Wangen tätschelte, schlug er die Augen auf. Nach einem Blick auf den Monitor war der Arzt zufrieden und ging wieder seiner Routinearbeit nach. Die beiden Schwestern begannen Ben nun auszuziehen und das Blut von ihm abzuwaschen.

    Semir hatte derweil erschrocken auf dem Flur begonnen hin-und herzulaufen. Warum war Ben denn nur ohnmächtig geworden? Hatte er ihm doch zu sehr zugesetzt, oder war es das schlechte Gewissen? Als nach kurzer Zeit der Arzt aus dem Zimmer kam, sagte der beruhigend zu ihm: „Nur ein kleiner Kreislaufkollaps, er wird jetzt noch sauber gemacht und dann dürfen sie wieder rein!“ bemerkte er und verschwand dann um die Ecke.
    Obwohl der Blutverlust sich in Grenzen hielt, hatte Ben es geschafft, sich selber, das Bett und die Bettumgebung mit Blut einzusauen und so waren die beiden Schwestern eine ganze Weile mit Wasch-und Reinigungsarbeiten beschäftigt. Ben war inzwischen wieder ganz bei sich, aber tief geschockt, dass Semir ihm Bestechlichkeit vorwarf. Als er endlich sauber und frisch im Bett lag, sagte die Schwester: „Ich lasse dann ihren Freund wieder herein!“, aber Ben schüttelte den Kopf. „Ich will ihn nicht mehr sehen!“ sagte er mit zitternder Stimme und mit einem Schulterzucken richtete die Schwester das aus.
    Semir, der inzwischen unruhig darauf gewartet hatte, das Gespräch weiterzuführen, wollte trotzdem ins Zimmer witschen und Ben fragen, was das solle, aber nun stellte sich die Schwester breit davor, schloss die Schiebetür und sagte: „Der Wunsch unserer Patienten wird respektiert, entweder sie gehen jetzt freiwillig, oder ich rufe den Sicherheitsdienst!“ und so blieb Semir nun nichts anderes übrig, als sich zurückzuziehen.

    Während er langsam zum Auto ging, flaute seine Wut allmählich ab und machte einer tiefen Nachdenklichkeit Platz. Eigentlich hatte er Ben gar nicht zu Wort kommen lassen, sondern ihm lauter Dinge an den Kopf geworfen, die ihm in der ersten Empörung so in den Sinn gekommen waren. Und wenn nun alles ganz anders war? Er musste nachdenken, aber als er am Auto angelangt war, hatte er plötzlich einen Geistesblitz. Er stieg wieder aus und machte sich sorgenvoll auf den Weg. Hoffentlich hatte er Unrecht, denn sonst würde Ben nie mehr mit ihm reden und außerdem schwebte dann noch jemand anders in großer Gefahr!

    Hmm, ja-Ben zum Aufräumen einladen! Das wäre so ungefähr das Letzte, was ich tun würde, aber Semir weiß ja hoffentlich was er tut!
    Er freut sich tierisch auf seine Kinder und widerspricht gar nicht so vehement, als Ben ihn ermahnt, Robert in Frieden zu lassen.
    Aber jetzt bin ich ja gespannt, wie Martin Gruber, der mir ein wenig suspekt ist, und seine schwangere Frau in diese Story kommen!

    Kaul´s Anwalt war sehr erstaunt gewesen, als er den Anruf des Gerichts erhalten hatte. Er kontaktierte aber sofort dessen Frau, die mit den Nerven seit der Verhaftung ihres Mannes am Ende war. Die tätigte einen kurzen Anruf bei der Bank und wenig später war das Geld beim Gericht angewiesen und der Anwalt holte seinen Mandanten aus dem Untersuchungsgefängnis ab. Kaul´s Frau wusste von den Vorwürfen, aber den Kindern hatte man nichts davon gesagt und die begrüßten freudig ihren Vater, der gerade rechtzeitig zum Mittagessen erschienen war. Sie hatten angenommen, der Papa wäre, wie schon so oft, auf Geschäftsreise gewesen. Kaul genoss aus vollen Zügen das leckere Essen, das die Haushälterin zubereitet hatte-was für ein Unterschied zum Gefängnisfraß-und dann bat er seine Frau um ein Gespräch. „Schatz, ich habe wegen meiner sadistischen Neigungen wirklich üble Sachen getan, das hat aber mit dir und den Kindern nichts zu tun. Ich verspreche dir, mich therapieren zu lassen, kannst du mir dann noch einmal verzeihen?“ bat er sie und nach einer Weile willigte sie ein und während Kaul unter die Dusche sprang, um sich den Gefängnisduft abzuwaschen, schwelgte sie schon in Vorfreude auf das Schmuckstück, das er ihr als Entschädigung versprochen hatte.

    Melissa wurde von ihrem Pflichtverteidiger abgeholt und dann vor der Villa Eder abgesetzt. Maria stürzte glücklich aus dem Pförtnerhaus. Sie wollte Melissa in die Arme schließen, aber die versteifte sich. „Melissa, wie geht es dir?“ fragte Maria, aber die zuckte nur mit den Schultern. Auch sie freute sich auf ein Bad in ihrer luxuriösen Wanne, dazu ein Gläschen gutem Wein und danach ein exquisites Mahl. „Maria, das erzähle ich dir später, wie´s mir geht, sperr mir bitte das Haus auf, ich hatte ja keinen Schlüssel dabei!“ sagte sie. Auch an sich selber sah sie angeekelt herunter, nachdem sie bei ihrer Einlieferung im Gefängnis nur ein Krankenhausflatterhemdchen getragen hatte, hatte sie noch Gefängniskleidung an und hatte sogar unterschreiben müssen, die gewaschen und gebügelt zurückzubringen.
    „Melissa, ich habe keinen Schlüssel mehr zum Haus! Netterweise hat mir dein Mann erlaubt, noch so lange hier wohnen zu bleiben, bis ich eine andere Wohnung gefunden habe, aber ich habe, wie du auch, im Haus nichts mehr zu suchen!“ sagte Maria traurig. „Und meine ganzen Klamotten, mein Schmuck, meine persönlichen Sachen, wo sind die?“ brauste Melissa auf. „Was dein Mann damit getan hat, weiß ich nicht, aber am Freitag war eine Hilfsorganisation da, die haben einige Taschen und Kartons aus dem Haus getragen, ich befürchte, der hat deine Sachen verschenkt!“ beichtete Maria. „Und mein Koffer, den du an den Flughafen gebracht hast?“ fragte Melissa, der Gott sei Dank der noch eingefallen war-da waren ja die wichtigsten Dinge drin, um einige Zeit zu überleben, aber Maria sagte kleinlaut: „Den habe ich gleich am nächsten Tag geholt und auch deinem Mann übergeben, was glaubst du, was am Flughafen so eine Gepäckaufbewahrung kostet?“ fragte sie, um dann hinzuzufügen: „Aber fürs Erste kannst du ja mal was von mir anziehen und später gehen wir dann zu einem günstigen Discounter und kaufen dir was, allerdings müssen wir jetzt sehr sparen, denn ich habe für die Kaution mein ganzes Geld aufgebraucht und sogar mein Girokonto überzogen!“ erklärte sie und Melissa starrte sie fassungslos an. Anstatt sich bei ihrer Vertrauten zu bedanken, sagte sie mit gefährlich ruhiger Stimme: „Du glaubst doch nicht, dass ich Klamotten von dir, oder von einem Discounter anziehen würde!“ und dann bekam sie einen Tobsuchtsanfall und wütete durchs Pförtnerhaus, bis Maria nichts mehr anderes übrig blieb, als die Notrufnummer zu wählen. Wenig später kamen der Notarzt und zwei Sanitäter, die Melissa bändigten, ihr Beruhigungsmittel spritzten und sie dann mitnahmen in die Psychiatrie.

    Tewett´s Anwalt hatte die 50 000€ in bar mitgebracht und Florian abgeholt, der sich gleich in den Wagen des Anwalts flegelte. „Wurde ja auch Zeit!“ nörgelte er und der Anwalt warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. Was fiel denn diesem Bürschchen ein? Er atmete aber tief durch und beruhigte sich mit dem Gedanken, dass da drei Millionen auf seinem Beifahrersitz saßen und so konnte er sich dann doch zurückhalten. Papa Tewett hatte schon seine Sachen gepackt und nachdem er seinen missmutigen Sohn in die Arme geschlossen hatte, was dem überhaupt nicht taugte, weihte er ihn in seine Pläne ein. Florian war zwar nicht begeistert davon, sich nach Südamerika abzusetzen, aber wenn er als Alternative einen längerdauernden Knastaufenthalt in Betracht zog, dann war das vielleicht doch gar nicht so blöd. „Und Florian-in Südamerika ist ein Menschenleben nicht viel wert, ich denke, wir beide können uns da ab und zu schon was gönnen!“ lockte Tewett senior und mit der Vorfreude darauf, war Florian zu überreden, seine Koffer zu packen und sich bereit zu machen.Der Anwalt bekam seine drei Millionen und Tewett versprach ihm, sich aus dem Ausland wieder zu melden, wegen dem Posten im Konzern. Ob er das allerdings tun würde, wusste er noch nicht, erst mal musste er mit Florian verschwinden.
    Seine Frau war glücklicherweise heute auf einer ganztägigen Charityveranstaltung und so musste er der schon nichts vorspielen. Auch Florian fragte mit keiner Silbe nach seiner Mutter, er protestierte nur, dass er sein Handy da lassen musste.Tewett tätigte noch einen kurzen Anruf und teilte den Forenbetreibern mit, die ihn und Florian immer mit frischer Ware versorgt hatten, dass diesmal er in der Jagdhütte, die sie zu Übergabezwecken und auch für manche Spielchen nutzten, etwas Feines deponiert hatte. „Ich schenke euch zum Dank für treue Dienste die Ware, aber bitte sorgt dafür, dass die so verschwindet, dass keine Spuren zurückbleiben-und seid vorsichtig, es ist ein kräftiger Mann!“ wies er sie noch an, um dann mit Bedauern sein eigenes Handy zu zerstören, wie er es auch mit Florian´s machte. Er lud dann ihre Koffer und Taschen ins Auto und machte sich eilig mit seinem Sohn auf den Weg zum Rheinhafen.

    Ben wartete inzwischen ungeduldig auf den erlösenden Anruf seines Vaters. Die Opiatwirkung hatte nachgelassen und es ziepte nun ganz ordentlich in seinem Tiefparterre. Trotzdem zog die Schwester ihren Plan durch und sie und eine Kollegin mobilisierten ihren Patienten heraus in einen bequemen Stuhl. Man gestand Ben zwar noch den Sitzring zu, aber nun wurde es Zeit, dass er wieder auf die Beine kam! Ben wurde immer unruhiger und als plötzlich Semir vor ihm stand, erblasste er.

    Nun hat Semir doch die Hosen voll, als Andrea anruft und weil sie ihn auch genau kennt, weiß sie, wann er Ben vorschickt. Letztendlich holt er sich aber seinen verdienten Anpfiff doch persönlich ab und erfährt so nebenbei gleich noch zwei erfreuliche Neuigkeiten: Erstens, dass Ayda ne Eins in Mathe hat-kluges Kind und zweitens, dass er auf Wunsch seiner Tochter, entgegen Andrea´s ursprünglichem Plan, am Wochenende seine Kinder kriegt.
    Ach wie umgekehrt sind gerade die Verhältnisse! Eigentlich war sonst immer Ben derjenige, der von Semir wegen Zuspätkommens ne Rüge gekriegt hat, sogar der Wortlaut ist der Gleiche!

    Ob das jetzt so eine gute Idee von Semir war, seinen Nebenbuhler im Büro aufzusuchen? Gut, er weiß zwar jetzt, wie der aussieht, aber natürlich werden die beiden nie Freunde werden.
    Allerdings würde ich nach den Bemerkungen Roberts auch kochen-gut, dass Semir wenigstens nicht zugeschlagen hat, denn das könnte ihn seinen Job kosten!
    Vermutlich hat aber Semir´s Besuch bei Andrea genau das Gegenteil von dem, was er beabsichtigt hat, verursacht. Sie wird sich jetzt aus Trotz eher Robert zuwenden-ach Semir, immer mit dem Kopf durch die Wand!

    Ben hatte das schmerzhafte Drainagenziehen mit ein bisschen Opiat überstanden und lag nun wieder auf der Intensivstation in seinem Bett. Semir hatte sich verabschiedet, was er gar nicht mehr so recht mitbekommen hatte und nun schlief Ben, von den Medikamenten benebelt, erst mal ein wenig, denn die sorgenvoll durchwachte Nacht hatte ihren Preis. Er erwachte, als die Schwester neben seinem Bett stand und ihn am Arm berührte. „Herr Jäger, es tut mir leid, aber für sie ist ein Richter draußen, der sagt, es wäre sehr dringend. Normalerweise schotten wir ja unsere Patienten von der Außenwelt ab, aber ich bin jetzt ein wenig unsicher. Soll ich ihn rein lassen, oder sehen sie sich noch nicht in der Lage, mit ihm zu sprechen?“ fragte sie.

    Ben brauchte einen Moment, um sich zu fangen und in der Realität zurechtzufinden, aber dann sagte er: „Nein, schon in Ordnung, er soll reinkommen!“ und nun richtete er sich ein wenig auf und atmete tief durch. Jetzt war es wichtig, dass er überzeugend wirkte, damit er seinen Vater frei bekam.
    Der Richter, ein netter Mann um die vierzig, den Ben vom Sehen her kannte, denn sie mussten ja öfter mal vor Gericht aussagen, wenn sie eine Verhaftung vorgenommen hatten, begrüßte ihn freundlich: „Herr Jäger, wie geht es ihnen denn?“ Natürlich hatte er die Foltervideos zu sehen bekommen und sein Herz war voller Mitleid, was der wenig jüngere Polizist vor ihm, hatte mitmachen müssen. Da lag sicher ein Missverständnis vor, das sich schnell bereinigen ließ, aber er musste dem selbstverständlich nachgehen. Kaum hatte er nämlich am Morgen sein Büro betreten, war der zwar bekannte und sicher fähige, ihm persönlich aber unsympathische Anwalt der Tewett´s vor ihm gestanden und hatte ein Schriftstück vorgelegt, das ihn eigentlich dazu verpflichten würde, die Angeklagten in dieser Strafsache gegen Kaution bis zur Verhandlung frei zu lassen.
    Er holte nun eben dieses Schriftstück hervor und sagte zu Ben: „Mir wurde heute Morgen diese Erklärung vorgelegt, dass sie angeblich einvernehmlich an diesen Folterspielen beteiligt waren, was ich mir persönlich nicht vorstellen kann.“ Diese Qual Jäger´s war doch echt gewesen und derart schwere Verletzungen, dass man auf der Intensivstation landete und operiert werden musste, ließ sich doch keiner freiwillig zufügen! Ben antwortete leise: „Doch, die Aussage ist korrekt. Ich war damit einverstanden, dass mich die anderen quälen. Natürlich habe ich mir nicht vorstellen können, dass es dermaßen schlimme Folgen für mich hat, aber primär erfolgten die Spiele einvernehmlich!“

    Fassungslos sah der Richter ihn an-an alles hatte er gedacht, aber nicht, dass der Polizist selber in dieser Szene zuhause war. Gut, das war aber eine Sache, die er nicht zu beurteilen hatte, jeder durfte in seiner Freizeit tun und lassen, was ihm Spaß machte, er hatte es nur im Hinblick auf den Fall zu bewerten und damit waren die momentanen Haftbefehle hinfällig. Man würde auch den Anwälten der anderen Parteien eine Kautionshöhe mitteilen und dann würden die Angeklagten, zumindest bis zur Verhandlung, auf freien Fuß kommen. „Dann verabschiede ich mich jetzt wieder und wünsche ihnen trotzdem eine gute Besserung, wir sehen uns dann bei der Verhandlung!“ sagte der Richter, immer noch ein wenig fassungslos und reichte Ben die Hand.

    Kaum war der Richter verschwunden, drehte sich Ben zur Seite, verkroch sich unter seiner dünnen Decke und ließ seinen Tränen der Verzweiflung freien Lauf. Ob das jetzt so richtig gewesen war, was er gerade getan hatte? Vielleicht hätte er doch eher Semir informieren sollen, damit der Konrad suchte und befreite? Allerdings war es jetzt eben geschehen, er fühlte sich leer und ausgehöhlt und konnte jetzt nur hoffen, dass sich Tewett auch an die Abmachung hielt und sein Vater heute noch frei kommen würde. Er wagte gar nicht daran zu denken, was Semir und die anderen Kollegen nun von ihm halten würden. Die hatten sich im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch aufgerissen, um ihn zu finden, zu befreien und die Täter zu verhaften und er unterlief jetzt durch seine Falschaussage deren ganze mühevolle Arbeit. Semir wäre zudem noch sauer, weil er ihm nicht vertraut hatte, aber er war es doch seinem Vater schuldig, dass er sich für ihn einsetzte. Obwohl-Konrad war ihm gegenüber unsensibel und desinteressiert gewesen, Vater hin oder her. Der Spruch mit den Enkelkindern tat ihm heute noch weh-hatte sich der nicht vorher erkundigen können, was ihm überhaupt fehlte? Ben begann gerade zu befürchten, dass er die Freundschaft zu Semir und die Glaubwürdigkeit bei seinen Kollegen für etwas aufs Spiel gesetzt hatte, was es nicht wert war. Ob er sich allerdings noch selber im Spiegel anschauen könnte, wenn er die Aussage nicht unterschrieben hätte und man dann irgendwann die schrecklich zugerichtete Leiche seines Vaters fand? Nein auch das wäre undenkbar, er hatte schon das Richtige getan und nun musste er warten, bis er ein Lebenszeichen von Konrad erhielt. Nach kurzer Überlegung bat er die Schwester, die erneut hereingekommen und besorgt neben seinem Bett stehen geblieben war und seinen Kummerausbruch verfolgt hatte, noch um das Telefon und rief die Haushälterin seines Vaters an: „Frieda, würden sie bitte meinem Vater, sobald er nach Hause kommt, bitten, sich sofort bei mir im Krankenhaus zu melden? Er müsste heute im Laufe des Tages auftauchen!“ erklärte er und die Frau versprach ihm, das auszurichten, sobald Konrad heimkam. Ben gab das Telefon zurück und die Schwester, die eigentlich vorgehabt hatte, Ben in den Stuhl zu mobilisieren, ließ ihn doch noch eine Weile liegen, so fertig, wie der gerade aussah.

    Kaum hatte der Richter die Anwälte der Beschuldigten von der Kautionshöhe von 50 000 € für jeden Haupttäter und 5000 € für die Mitläufer, verständigt, standen schon Tewett´s Anwalt und der von Kaul auf der Matte und hatten beide das Geld angewiesen, oder in bar dabei. Melissa Eder wurde zwar von ihrem Mann nicht unterstützt und hatte auch bloß einen Pflichtverteidiger, aber der nahm Kontakt mit Maria auf und die kratzte ihre ganzen Ersparnisse zusammen und noch vor dem Mittagessen waren die drei Haupttäter auf freiem Fuß. Lediglich die Freunde Florian´s hatten niemanden, der fähig und bereit gewesen wäre, 5000€ für sie zu berappen und so blieben sie vorerst noch im Gefängnis.

    Semir hatte einen Bericht über den gestrigen Einsatz geschrieben, Hartmut hatte das Kostüm zur Reinigung gebracht, damit die Blutreste entfernt wurden und auch die Chefin ging ihrer Routinearbeit nach, bis ein Anruf der ebenfalls geschockten Schrankmann, ihr den Mund offenstehen ließ. Sie holte Semir und Hartmut in ihr Büro und sagte dann tonlos: „Stellen sie sich vor, alle drei Haupttäter in unserem Folterfall sind gegen Kaution auf freiem Fuß! Herr Jäger hat vor dem Richter zugegeben, dass die Folterungen einvernehmlich stattgefunden hätten und dem blieb nun nichts anderes übrig, als die Verhafteten bis zur Verhandlung freizulassen!“ ließ sie die Bombe platzen. Hartmut wurde ganz blass und Semir, der erst gedacht hatte, seinen Ohren nicht zu trauen, sprang aufgeregt auf und schrie beinahe: „Das kann doch gar nicht wahr sein, da muss irgendjemandem eine Riesenfehler unterlaufen sein, ich fahre sofort zu Ben und finde heraus, was da dahintersteckt!“ und während er schon nach seiner Jeansjacke griff, sagte die Krüger tonlos: „Tun sie das Gerkan, tun sie das!“

    Das war aber ein intensives Gespräch, zwischen André und Kevin! André als väterlicher Freund, der Kevin eigentlich schon ewig und auch sehr gut kennt, bekommt Einblick in dessen Seelenleben. Aber auch er bekräftigt seine Meinung-Kevin würde es nicht besser gehen, wenn er Becker persönlich umgebracht hätte!
    Schön ist auch, dass André nachdem er Kevins Rücken und das Tattoo gesehen hat, sofort richtig kombiniert und ich glaube auch, dass der Hinweis darauf, was Janine wohl in dieser Situation sagen oder tun würde, Kevin wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt.
    Ach übrigens-was meinst du denn mit dieser Krankenhausluft? Also ich liebe die! ;)
    Mann, aber jetzt wird's interessant-jetzt erfahren wir hoffentlich, was André in Mallorca die ganzen Jahre so getrieben hat!

    Ja ich spreche auch mit meinen Viechern-ob Hund, Katzen oder Pferden-die widersprechen wenigstens nicht und gerade Katzen antworten ja oft im selben Tonfall, da fühlt man sich durchaus verstanden! ;) Aber leider kann auch der kommunikative Felix, trotz dem Angebot, mit im Bett zu schlafen, Semir seine Familie nicht ersetzen und der sucht mal wieder seinen Trost im Alkohol-hoffentlich wächst sich das nicht zum Riesenproblem aus.
    Auch Ben wird, wenn auch nett gemeint-wohl bei einem, Gespräch mit Andrea nichts ausrichten können, das ist eine Sache zwischen Andrea und Semir!

    Ben hatte wieder einmal eine furchtbare Nacht. Nachdem er in der vorigen ausgeschlafen hatte, aber der Sonntag für ihn nichts Gutes bereitgehalten hatte, war er leider so ausgeruht, dass sich die Minuten wieder zu Stunden zogen. Wie gerne hätte er sich mit irgendjemandem über die Sache mit seinem Vater unterhalten, aber er hatte große Sorge, dass die Verbrecher davon Wind bekamen und sein Vater das büßen musste. Eigentlich sollte das klappen! Wenn Tewett´s Anwalt morgen die Erklärung bei Gericht vorlegte, würde wenig später der zuständige Richter bei ihm persönlich auftauchen. Wenn es ihm gelang, den zu überzeugen, würde dieser Florian bald auf freiem Fuß sein und sein Vater im Austausch freigelassen werden. Danach würde er Semir alles erzählen und der würde dann Florian, dessen Vater und am besten den Anwalt gleich noch dazu, festsetzen. Aber primär das Wichtigste war, dass Konrad frei kam!

    Ben drehte sich immer wieder ein wenig und stöhnte dabei. Auch wenn der allgemeine Schmerzpegel durchaus gesunken war, er fühlte sich immer noch wie gerädert und jede normale Bewegung tat weh. Dazu störte ihn die blöde Schiene, in der sein Fuß ruhte, die hinderte ihn am kompletten Umdrehen, genauso wie die ganzen Kabel, in die er sich ständig verwickelte, dabei schlief er sonst meistens auf dem Bauch. Sarah hatte auf der Station angerufen und ihm einen gute Nacht-Gruß ausrichten lassen. Sie hatte allerdings inzwischen noch höheres Fieber bekommen und lag komplett flach.Dann fiel ihm zu allem Überfluss noch ein, dass der Urologe morgen ja die Drainagen ziehen wollte, oh Himmel, das wenn er nur schon hinter sich hätte!

    Er dachte auch an Semir, Hartmut und die Aktion, die Semir ihm angedeutet hatte. Hoffentlich ging das auch alles gut, viel lieber als hier herumzuliegen, würde er mit Semir auf Verbrecherjagd gehen, da waren sie das perfekte Team! Berghoff, der Gott sei Dank tot war, hatte einer Organisation angehört. Solange sie die nicht ausgehoben hatten, schwebte jeder, der mit der in Kontakt kam, in realer Gefahr! Ob die Organisation die bei den Tewetts im Hintergrund war, wohl dieselbe war, die auch seine Entführung initiiert hatte? Oder war Berghoff ein Einzeltäter gewesen, der einfach seine Chance genutzt hatte? So viele Fragen warfen sich auf, Ben grübelte und grübelte, bis wieder einmal die Morgendämmerung das Zimmer in ein diffuses Licht tauchte.

    Semir stand zeitig auf, duschte und deckte schon mal den Frühstückstisch, bis Andrea die Mädchen im Badezimmer fertig hatte. „Und war eure Aktion gestern erfolgreich?“ fragte Andrea, aber Semir schüttelte den Kopf. „Leider ist es uns nicht gelungen, die Hintermänner auszuheben, da ist so einiges schief gelaufen!“ beichtete er seiner Frau, ohne auf Details einzugehen. „Man merkt halt, dass Ben fehlt!“ sagte die und da konnte ihr Semir nur zustimmen. Wenig später war er auf dem Weg zum Krankenhaus. Als er am Vorabend mit Hartmut in der Notaufnahme gewesen war, hatte er kurz überlegt, noch bei Ben vorbeizuschauen, aber er wollte dessen Schlaf nicht stören. Als er dann bei ihm im Zimmer stand, war Ben zwar froh ihn zu sehen, aber andererseits hatte er einen Mordsschiss vor der Drainagenentfernung.
    „Wie geht´s dir?“ fragte Semir seinen Freund, aber der zuckte nur mit den Schultern. Man merkte, dass ihn etwas bedrückte, aber Semir dachte, dass das die Angst vor der bevorstehenden Aktion war. Ben war zum Waschen heute schon wieder länger am Bettrand gesessen, allerdings störten gerade da die Drainagen trotz Sitzring gewaltig. Zu gerne hätte Ben seinem Freund von Konrads Entführung erzählt, aber er traute sich einfach nicht! Wenn ihm die Leute draufkamen, dann wurde sein Vater vielleicht umgebracht und dann war das alleine seine Schuld! Nein, das musste warten, bis Konrad frei war, basta!

    Da kam auch schon die Schwester um die Ecke: „Herr Jäger, ich bringe sie jetzt zur Drainagenentfernung in die Urologie!“ sagte sie, während sie einige Infusionen abstöpselte, den Transportmonitor in eine Halterung am Bett steckte und dann die Bremse löste. Ben bekam einen trockenen Mund vor Aufregung, als sich das Bett in Bewegung setzte. Wenig später waren sie in der Urologieabteilung angekommen. Semir hatte das Bett mit geschoben und als sie nun um die Ecke bogen und in ein Behandlungszimmer dort einbogen, starrte Ben nur entsetzt auf den Stuhl, wie ihn sonst nur Frauenärzte hatten: „Na dann wollen wir mal!“ sagte der Urologe, der schon bereit stand, zu ihm und wies einladend darauf.

    Konrad hatte den ganzen Sonntag wieder und wieder vergeblich versucht, auszubrechen. Im Licht der Funzel hatte er sich gründlich umgesehen und einige Dinge entdeckt, die in ihm Besorgnis auslösten. Der Holzplankenboden vor dem Bett, der mit einem Läufer bedeckt war, wies in den Ritzen Reste von getrocknetem Blut auf. Gut das hier war vermutlich eine Jagdhütte, aber würde man sein erlegtes Wild denn zum Ausweiden in den Innenraum bringen? Doch eher nicht, aber von wem war dann das Blut? Ohne eine Menschenseele zu sehen, verging der Sonntag und als von draußen nicht mehr der Hauch eines Lichtscheins hereinkam, legte sich Konrad , der sich eine Dose Ravioli warmgemacht hatte, um bei Kräften zu bleiben, obwohl er sowas sonst nie im Leben essen würde, wieder aufs Bett und erwartete, was weiter mit ihm geschah.

    Gut, das mit dem Piloten ist wohl so, wie mit der Besatzung eines Rettungshubschraubers-die ist immer in Stand-by, egal, ob in einem Krankenhaus, oder einem Hangar. Das mit dem Landeplatz auf dem Dach der PASt dürfte schwierig werden, weil das eigentlich ein mehrstöckiges Gebäude ist, wo die oberen Stockwerke nur am Computer wegretuschiert werden für die Folgen-ich glaube auf den Bildern vom vorletzten Fantreffen kann man das ganz gut erkennen, wenn ich mich recht erinnere.

    Hartmut trat näher zu der jungen Frau, die ihn ängstlich musterte und zur Matratze zurückwich. Kurz überlegte er und zog dann sein gepolstertes Wams aus und warf es so geschickt zur Seite, dass es die Kameralinse verdeckte. Nachdem er nur dieses eine Auge entdeckt hatte, konnte er nun nur hoffen, dass sonst keines irgendwo angebracht war, das er übersehen hatte. Er trat näher und die Frau sah ihn an, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wurde. Hartmut konnte an ihren Armen verheilte Schnitte und die Narben ausgedrückter Zigaretten erkennen. Sie war mit Sicherheit schon öfters gequält worden und ob das wohl immer einvernehmlich gewesen war, wagte er zu bezweifeln. Allerdings sah man auch einige frische und alte Einstiche, also war seine Vermutung der Drogenabhängigkeit sicher richtig. Wenn er auch die visuelle Überwachungsmöglichkeit ausgeschaltet hatte, das Mikrofon funktionierte sicherlich und nun ging es darum, den Überwachern eine gute Vorstellung zu bieten, damit die keinen Verdacht schöpften.

    Die magere junge Frau sagte nun auch, wie man ihr eingebläut hatte: „Werter Herr, bitte bestraft mich nicht, ich war auch ganz artig!“ denn auf sowas standen diese merkwürdigen Typen, die sie von Zeit zu Zeit an sich ranließ, wenn sie kein Geld für den nächsten Schuss mehr hatte. Es war zwar immer mit Schmerzen verbunden, aber die nächste seligmachende Spritze, die draußen schon auf sie wartete, würde sie das schnell vergessen machen. Trotzdem hatte sie Angst vor dem, was kommen würde, denn jeder der Typen hatte andere Vorstellungen davon, wie man einen Menschen quälen und demütigen konnte. Die Leute, die sie schon vor längerer Zeit auf der Straße angesprochen hatten, hatten ihr versprochen, das Tun der Männer zu überwachen und einzugreifen, wenn die Typen zu brutal wurden, aber bisher war das noch nie notwendig gewesen.Hartmut herrschte nun laut die junge Frau an: „Natürlich hast du Strafe für deine Vergehen verdient!“ und zugleich flüsterte er ihr ins Ohr: „Spiel mit, ich werde dir nichts tun!“ Sie sah ihn verwundert an und nun schlug Hartmut sich selbst mit der Hand auf den Arm, dass es klatschte und flüsterte: „Schrei!“ und die Frau tat das. Hartmut holte nun vom Tisch eine Peitsche, ließ sie durch die Luft sausen und die beiden veranstalteten ein Hörspiel vom Feinsten, das jeden Theaterregisseur beeindruckt hätte. Zwischen dem Schreien und Stöhnen von beiden Seiten fragte Hartmut ganz leise: „Bist du freiwillig hier, oder wurdest du gekidnapped?“ aber wahrheitsgemäß antwortete die Frau, der die Vorstellung begann Spaß zu machen. „Freiwillig, ich brauche Geld!“ und nun verkniff sich Hartmut zu sagen, dass er von der Polizei war, die hatten Junkies üblicherweise nicht so gerne. Inzwischen wäre es ja bald mal an der Zeit gewesen, dass seine Nachhut erschien, aber von seinen Polizeikollegen kam niemand. Vielleicht war der Sender ausgefallen und sie waren abgehängt worden? Hartmut ging jetzt davon aus, dass er auf sich alleine gestellt war und darum würde er zum Selbstschutz seine Rolle jetzt einfach weiterspielen. Um die ganze Sache noch authentischer zu machen, griff er zu einer Rasierklinge, die ebenfalls auf dem Tisch bereitlag. Die Frau sah ihn ängstlich an-hatte sie sich getäuscht und jetzt ging die echte Folter los? Hartmut schloss kurz die Augen und mit einem raschen Schnitt fügte er sich selbst eine stark blutende Wunde am Unterarm zu. Dieses Blut verteilte er überall-auf sich und auf der jungen Frau. „Keine Angst, ich habe keine ansteckenden Krankheiten, ich war erst beim Arzt!“ flüsterte er der Frau zu und die lachte trocken. Das war etwas, an das durfte man als Junkie gar nicht denken. Nach einigem Mal Stöhnen von beiden Seiten, machte Hartmut sich selbst einen Druckverband über die Wunde und legte auch der Frau einen an, damit man denken konnte, er hätte sie verarztet. Dann zog er sein Wams drüber und als die Forenbetreiber von draußen am Überwachungsmonitor wieder ein Bild hatten, sahen sie die junge Frau blutig auf der Matratze kauern und einen selbstbewussten Hartmut, der ihr noch einige Schmähungen an den Kopf warf, um dann an die Tür zu klopfen.

    Die wurde auch gleich geöffnet und Hartmut schritt mit blitzenden Augen und auch leicht blutverschmiert hinaus. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, aber es wurde kein Riegel vorgelegt, anscheinend hatten die Typen durchaus vor, das Opfer wieder laufen zu lassen, schloss Hartmut daraus. „Und haben wir ihre Erwartungen erfüllt, Mr. Kayser?“ fragte der Mann, der ihn hergebracht hatte, grinsend. Die drei Männer waren nun ganz entspannt-immerhin hatte ihr Kunde nun etwas Illegales getan und war deshalb ganz in ihrer Hand. Er hatte bewiesen, dass er echt und kein Polizeispitzel war, nun konnte man auf eine längerdauernde Einnahmequelle hoffen. „Es war wundervoll!“ schwindelte Hartmut und wurde nun zur Zahlung aufgefordert. „Dann kriegen wir jetzt von ihnen 50 000 € und wenn sie wieder Bedarf haben-wir bekommen ständig neue Ware rein, einfach Kontakt übers Forum, wir kümmern uns um Alles!“ sagte der Mann, der ihn hergebracht hatte und anscheinend der Anführer war. Hartmut zückte sein Scheckbuch und dankte Gott, dass er daran gedacht hatte. Sorgfältig stellte er den Scheck aus und dann wurden ihm wieder die Augen verbunden. „Sie werden verstehen, aber es ist zu unserem gegenseitigen Schutz!“ sagte der Forenbetreiber bedauernd und führte Hartmut dann vorsichtig wieder nach draußen und um mehrere Straßenecken zum Auto.

    Semir und die Chefin hatten die anderen Polizisten, die mit Zivilfahrzeugen nachgekommen waren, angewiesen, in einer Seitenstraße zu parken, damit hier nichts auffiel. Solange man nicht ganz genau wusste, wo sich Hartmut befand, würde man ihn sonst unnötig in Gefahr bringen. Die Chefin blieb im Auto und koordinierte von dort den Einsatz und Semir und wenig später seine sechs Kollegen und Kolleginnen, begannen lautlos, die dem Mercedes am nächsten stehenden Häuser zu durchsuchen. Nirgends war ein Lichtschein zu erkennen und in dieser Gegend reihte sich eine Industrieruine an die andere. Hartmut konnte überall sein. Semir und die anderen waren nun schon 20 Minuten am Suchen, ohne den geringsten Hinweis zu haben, in welchem Gebäude sich Hartmut und sein Fahrer befanden. Zum Schluss war es ja auch möglich, dass die einfach mit einem anderen Fahrzeug weitergefahren waren, Semir begann sich schon große Sorgen zu machen, da kam auf einmal Hartmut mit verbundenen Augen um die Ecke, vorsichtig geleitet von dem Mann, der ihn abgeholt hatte. Semir überlegte kurz, ob sie zugreifen sollten, aber zum Schluss hatte Hartmut noch gar keine Beweise sammeln können und da er anscheinend auf den ersten Blick unversehrt war und auch nicht den Eindruck machte, als geschähe ihm gerade etwas Schreckliches, drückte Semir sich tiefer in den Schatten einer Mauer und sah zu, was weiter geschah. Hartmut wurde zum Mercedes gebracht und Semir informierte, sobald die außer Hörweite waren, sofort die Chefin. Mist-es hatte auch von den anderen niemand gesehen, aus welchem der vielen Gebäude die beiden gekommen waren.
    Die Chefin entschied nach kurzer Überlegung: „Wir folgen wieder dem Mercedes!" und Semir spurtete, sobald der Wagen losgefahren war, zum BMW und folgte dem anderen Wagen wieder aus einiger Entfernung. Hartmut wurde einfach zu seinem geparkten Fahrzeug zurückgebracht und als der Mercedes wieder abgefahren war, rannte Semir zum Jaguar, auf dessen Fahrersitz Hartmut nun wieder saß und riss die Tür auf: „Hartmut, bist du ok?“ fragte er und sah dann ganz entsetzt, dass der voller Blut war. „Doch, doch, alles in Ordnung!“ wehrte er ab und so machten sie aus, dass sie sich alle miteinander zur Lagebesprechung in der PASt treffen würden. Dort erzählte Hartmut von seinem Abenteuer, aber auch er konnte nicht sagen, in welchem Gebäude er gewesen war, so sehr er auch auf das Google-Maps Satellitenbild der Straße blickte. Die Chefin bestand darauf, dass sich ein Arzt in der Notaufnahme noch die Schnittverletzung ansah, aber da musste man nichts machen und so brachte Semir dann Hartmut nach Hause und fuhr danach selber heim. Kurz nach Mitternacht lag er neben Andrea im Bett und war auch kurz darauf in einen seligen Schlaf gefallen. Sie würden die Forenbetreiber schon noch überführen und festnehmen, wenn es heute nicht geklappt hatte, dann ein andermal, immerhin waren sie an denen dran!

    Ben und Kevin stehen, soweit es ihnen möglich ist, Rede und Antwort. Dann schleppt Ben Kevin mit zum RTW, wo er selbst verbunden, Kevin aber ins Krankenhaus mitgenommen wird.
    Anschliessend auf der Dienststelle erfährt die Chefin-na sagen wir mal-einen Teil der Wahrheit, wobei viele Fragen offenbleiben-mal sehen, wie das weitergeht!
    Ich denke ja, dass der Hammer, der in deiner Story noch kommt, irgendwas mit dem Paket zu tun hat, das in Mallorca abgesendet wurde-bin ja gespannt, an wen das geht und was drin ist-hoffentlich keine Bombe!

    Oh-Susanne hat sogar völlig freiwillig den Namen von Semir´s Nebenbuhler herausgerückt, obwohl Semir sie vorher angepfurrt hatte. Sie sagt ihm auch, dass sie Andrea´s Handeln nicht für gut findet, aber trotzdem bringt das Semir nicht weiter.
    Klar, einerseits kann er seine Frau verstehen, sie lebt tatsächlich seit Jahren immer in Gefahr, aber andererseits ist es für ihn völlig unvorstellbar, dass sein vorheriges, so sicher geglaubtes Leben plötzlich vorbei sein sollte.
    Ben bemerkt schnell, dass Semir gar nicht fähig ist, konzentriert zu fahren und nimmt deswegen seinen eigenen Wagen für die Streifenfahrt, ohne dass Semir meckert-ein schlechtes Zeichen.

    Inzwischen war es Sonntagabend geworden. Wie verabredet trafen sich Semir, Hartmut und die Chefin in der PASt. Für alle Fälle hatte sich Hartmut noch mit Schecks ausgerüstet, das dazu passende Konto war ein manipuliertes Polizeikonto, das eben für verdeckte Ermittlungen eingesetzt wurde und bei dem die Banken immer eine ausreichende Deckung signalisiert bekamen, wenn die Anfrage gestartet wurde. Der Namen des „Kontoeigentümers“ war variabel und so besaß Hartmut jetzt ein Scheckbuch auf den Namen Walter Kayser. Er hatte das überlegt, für den Fall dass die Forenbetreiber vielleicht eine Vorauskasse wollten, denn hinterher wären sie eh festgenommen.

    Wie beim vorigen Mal waren sechs Zivilbeamte schon länger wie zufällig am Platz vor dem Zoo und der Flora verteilt und die Chefin und Semir waren Hartmut im BMW gefolgt. Als Hartmut kurz vor 19.00 Uhr ankam, waren diesmal überhaupt keine anderen Fahrzeuge auf dem Parkplatz zu sehen, auch das Pförtnerhaus hüllte sich in Dunkelheit. Etwas verunsichert blieb er in seinem Jaguar sitzen, stellte den Motor ab und sah sich um. Er konnte ein „Liebespaar“ erkennen, das eng umschlungen langsam über den Vorplatz schlenderte, ah ja, das waren Kollegen aus der Dienststelle! Plötzlich hielt neben ihm ein dunkler Mercedes mit getönten Scheiben. Aus stieg der Mann in mittelalterlicher Kleidung, der beim letzten Mal ihre Verabredung getroffen hatte. Er öffnete die Tür zu Hartmut´s Luxuskarosse und bat den schleimig: „Werter Herr, darf ich sie bitten, mir zu folgen?“ und Hartmut stieg zögernd aus. Er griff noch nach seiner Kopfbedeckung auf dem Beifahrersitz und bis er sich versah, hatte ihn der andere Mann höflich gebeten, in den Mercedes einzusteigen. So ein Mist, was sollte er tun? Allerdings hatte er ja die Wanze in der Narrenkappe und Semir hatte ein Fahrzeug dabei, der würde ihnen schon folgen! Wenn er jetzt nicht mitfuhr, war der Fall geplatzt und die Verbrecher kamen ohne Strafe davon und das wollte er auf keinen Fall. Also versperrte er mit einem kurzen Knopfdruck den Jaguar und stieg in den Fond des Mercedes. „Wo geht es denn hin?“ fragte er harmlos, in der Hoffnung, er könnte den anderen so einen Tipp geben, aber der andere Mann lachte kurz. „Ein paar Geheimnisse müssen sie uns auch noch lassen-sie werden bekommen, was sie sich gewünscht haben-wir liefern die Ware, sie bezahlen, mehr müssen sie nicht wissen. Dann nahm der Mann ein weiches Tuch heraus und verband Hartmut damit vorsichtig die Augen. „Sehen sie, es ist doch viel schöner, wenn man eine Überraschung bekommt. Sie werden auch verstehen, dass es nur in ihrem Sinne ist, nicht zu viel zu wissen, immerhin ist das, was wir beide heute tun, illegal. Die Theatervorstellung im Pförtnerhaus war völlig in Ordnung und ist ein Geschäftszweig unseres Unternehmens, aber sie wollten ja etwas Besseres haben, Mister Kayser und das werden wir ihnen bieten. Haben sie ihr Scheckbuch auch dabei, denn natürlich gibt´s sowas nicht umsonst?“ fragte er und Hartmut bejahte, während sich der Mercedes in Bewegung setzte und in den fließenden Verkehr einreihte.

    Semir und die Chefin hatten entsetzt beobachtet, wie Hartmut in das andere Fahrzeug stieg. So ein Mist-damit hatten sie nicht gerechnet! Semir schlug zornig auf das Lenkrad und startete den Motor, während die Chefin hektisch über Funk die anderen Beamten bat, zu ihren weiter weg abgestellten Fahrzeugen zu laufen. Allerdings war ihnen allen klar, dass bis dahin die Verbrecher mit Hartmut bereits über alle Berge sein würden. Semir war die einzige Verbindung zu ihrem Kriminaltechniker. In der Kappe war allerdings auch ein Peilsender eingebaut und die Chefin bat nun in der Zentrale darum, das flüchtige Fahrzeug auf diesem Weg zu verfolgen.Auch Semir reihte sich in den Verkehr ein und versuchte, unauffällig dem Mercedes zu folgen. Weil Sonntagabend war, war der Verkehr nicht so dicht und es gelang momentan auch ganz gut. Nebenbei hörten sie eine kleine Unterhaltung Hartmut´s, der versuchte, ihnen auch auf diesem Weg Tipps zu geben „Wird die Fahrt lange dauern?“ fragte er. „Ich neige nämlich ein wenig zu Platzangst und mir wird auch leicht im Auto schlecht, wenn ich nichts sehen kann!“ Sein Chauffeur erwiderte. „Nein, wir sind nicht allzu lange unterwegs und genießen sie doch die Vorfreude, wir haben für sie alles aufs Feinste bereitet!“ und dann schwieg er.Der Mercedes bewegte sich auf der Inneren Kanalstraße Richtung Südwesten, allerdings kam dann von hinten ein Notarztwagen und um seine Tarnung nicht zu gefährden, musste Semir sich einreihen und plötzlich, nach etwa 5 Kilometern war der Mercedes verschwunden. „Zentrale, wo ist unser Zielfahrzeug?“ wollte Semir hektisch wissen. „Die sind gerade in Richtung Ehrenfeld abgebogen!“ sagte die Mitarbeiterin in der Zentrale nach kurzem Zögern. Mist! Semir packte das Lenkrad fester, gerade war er an der Abzweigung vorbeigerauscht. Sofort bog er in die nächstmögliche Straße ein und ließ sich von der Mitarbeiterin in der Zentrale durch die dunklen Gässchen Ehrenfelds leiten. Die Gegend wurde immer abgerissener. Industrieruinen säumten ihren Weg und plötzlich sahen sie in einiger Entfernung den Mercedes vor sich stehen. Allerdings hatten sie zuvor noch ein Gespräch belauscht, das ihnen ein wenig Sorge machte.

    „So wir sind da, Herr Kayser, würden sie bitte aussteigen!“ wurde Hartmut gebeten. Anscheinend wollte er seine Narrenkappe, die ihre einzige Verbindung darstellte, mitnehmen, wurde aber von seinem Fahrer daran gehindert. „Wir haben alles, was sie brauchen, vorrätig!“ sagte er und geleitete den immer noch blinden Hartmut um ein paar Ecken und dann ein paar Stufen hinauf. Oben wurde die Tür hinter ihnen geschlossen und als man Hartmut nun die Augenbinde abnahm, sah er, dass man einen Scanner für Wanzen auf ihn richtete. Die Männer tasteten ihn unter Entschuldigungen noch fachmännisch ab: „Sie müssen verstehen, Herr Kayser, um uns und unsere Firma zu schützen, müssen wir uns vorsehen!“ sagten sie und nun dankte Hartmut Gott, dass er die Narrenkappe im Auto gelassen hatte. Er wusste, er war momentan zwar auf sich alleine gestellt, aber irgendwo da draußen waren seine Kollegen und waren ihm gefolgt.
    Hartmut wurde nun durch mehrere, anscheinend alte Büroräume, in den Keller der Firmenruine geführt. Als man eine Tür, die mit mehreren Riegeln verschlossen war, aufsperrte und ihn hineinbat, wich eine junge Frau in der Kleidung einer mittelalterlichen Magd erschrocken ins helle Licht blinzelnd, zurück. Hartmut sah auf den ersten Blick, dass die ein Junkie war, die für den nächsten Schuss wohl alles tun würde. Mit geübtem Blick musterte er unauffällig den Kellerraum und sah auch gleich die dezent angebrachte Kameralinse. Aha, der Raum wurde also überwacht! Auf einem Tisch in der Ecke lagen mehrere Messer, Nadeln, Klammern, Peitschen und andere merkwürdige Gegenstände, bei denen sich Hartmut gar nicht vorstellen wollte, für was die dienen konnten. Eine Packung Einmalhandschuhe und Verbandszeug komplettierte die vorbereiteten Gegenstände, eine Matratze und Kondome waren ebenfalls bereit, man hatte wohl für alle Fälle vorgesorgt. Mit einem breiten Grinsen sagte der Forenbetreiber: „Bitte bedienen sie sich, sie gehört ihnen!“ und im Hinausgehen flüsterte er ihm noch ins Ohr: „Falls sie zu weit gehen-die Entsorgung einer Leiche kostet aber extra!“ und dann ließ er Hartmut mit der jungen Frau alleine.

    Ben hatte inzwischen einen sorgenvollen Sonntagnachmittag hinter sich. Körperlich ging es ihm besser, er hatte über die Magensonde schon wieder Wasser und Abführmittel gekriegt und sein Darm funktionierte weiterhin zufriedenstellend, aber er machte sich schreckliche Sorgen um seinen Vater. Eigentlich hätte es der zwar verdient gehabt, ein wenig zu schmoren, aber Ben wollte nicht, dass irgendjemandem so etwas geschah, wie ihm. Seinem Vater nicht und auch sonst niemand anderem! Gefoltert zu werden war entsetzlich und die Ängste und Schmerzen waren einfach menschenunwürdig! Als kein Besuch erschien, bat er um ein Telefon und tatsächlich brachte man ihm kurz das mobile Stationsgerät. Er rief die Nummer seines Vaters an, aber dessen Handy war tot und auf einen Anruf in der Düsseldorfer Villa auf dem Festnetz ging nur die Haushälterin ran, die besorgt bestätigte, dass Konrad seit gestern nicht mehr zuhause erschienen war. „Sie brauchen nichts zu unternehmen, ich kümmere mich schon darum!“ sagte er zur langjährigen Perle seines Vaters, die nun zufrieden war. Sie hatte schon die ganze Zeit überlegt, wen sie denn verständigen sollte, aber jetzt wusste die Familie und zugleich die Polizei Bescheid und damit hatte sie ihrer Pflicht Genüge getan.

    Ob Jan und Iris wirklich so alleine in der Villa sind, wage ich zu bezweifeln. Sicher sind da überall versteckte Überwachungskameras und Mikrophone angebracht.
    Iris und Jan unterhalten sich über alte Zeiten, den Mord an Thomas und auch über Ben.
    Gewisse Parallelen zwischen Jan und Ben bestehen allerdings, wie die Unordnung und Iris-das denkst du nur, dass du Ben erzogen hättest-der reißt sich nur vorübergehend deinetwegen zusammen! Allerdings spielt das im Augenblick eh keine Rolle, denn erst einmal müssen Jan und Iris freikommen und immer noch haben Semir und Ben keine konkrete Spur!

    @Elli, du musst das vorletzte Kapitel verpasst haben! Semir und André sind doch, wie Hotte und Dieter auf dem Weg zur Batteriefabrik. Horn wollte doch Semir erschießen, wurde aber seinerseits von André kampfunfähig gemacht und verhaftet-steht alles im vorigen Kapitel!

    Das waren wieder zwei hochemotionale Kapitel! Ich hätte am liebsten mit Semir mitgeheult. Die Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen sind alle so nachvollziehbar, aber eben auch Andreas Worte und Reaktionen.
    Wenigstens kommt Ben genau zum richtigen Zeitpunkt und geht sehr feinfühlig mit Semir um, dem die Unterstützung sichtlich gut tut. Semir hat schon Recht-es ist sicher nicht alleine dieser Robert, der an seiner Ehekrise schuld ist, aber ich finde es trotzdem eine gute Idee, den mal zu durchleuchten. Allerdings glaube ich nicht, dass ihnen Susanne dabei helfen wird-die ist auf Andrea´s Seite, wetten?

    Oh Himmel war das spannend, das war eine regelrechte Achterbahnfahrt der Gefühle! Ich habe mit Ben um sein Leben gezittert, mit Kevin um seine verpasste Chance zur Rache geweint und den Blick Beckers auf mir gespürt, als er sich rücklings vom Dach fallen lässt. Allerdings ist das ein Blödsinn, dass Janina nun noch ein zweites Mal gestorben ist, weil Kevin Becker nicht von eigener Hand getötet hat-das kann ihm ein guter Psychologe in der Entziehungskur schon verklickern. Kevin hat das Richtige getan, das muss ihm nur noch klarwerden!
    Als Ben dann Kevin die Hand reicht, um seinem Lebensretter beim Aufstehen zu helfen, hatte ich Gänsehaut-du hast wieder alles bildlich beschrieben und die ganzen Gefühle super reingebracht-sollte man fast nicht glauben, dass ein Mann das so toll schreiben kann, Campino-oder hilft dir da deine Freundin? :rolleyes:

    Diesmal wusste der Anwalt ja schon, wo Ben zu finden war, allerdings würde er ein zweites Mal im Anzug vermutlich nicht reinkommen, also sah er sich erst einmal unauffällig auf einer normalen Station um. Ein Raum stand halb offen und schon hatte er erspäht und genommen, wonach er gesucht hatte-nämlich einen weißen, langen Ärztekittel. Zufällig passte der auch noch perfekt und so öffnete er wieder einmal selbstbewusst mit dem Türöffner die Außentür der Intensiv und ging hocherhobenen Hauptes, ohne mit irgendjemandem zu sprechen, zielsicher zu Ben´s Intensivbox. Als er sah, dass der dort alleine war und ein wenig vor sich hinschlummerte, betrat er leise den Raum, schloss die Schiebetür hinter sich und sagte dann: „Einen wunderschönen Sonntag, Herr Jäger!“

    Ben riss verwundert die Augen auf. Zwar hatte er die Stimme ja schon mal gehört, aber er hätte sich nicht träumen lassen, dass dieser Rechtsverdreher nochmal die Frechheit besitzen würde, bei ihm aufzuschlagen. Was bildete der sich eigentlich ein? Er war nicht bestechlich, war es nie gewesen und er war selber so vermögend, dass man ihn mit Geld nicht locken konnte, obwohl das natürlich schon eine hohe Summe war. Da hatte der Anwalt wohl seine Hausaufgaben nicht gemacht, sonst hätte er leicht herausfinden können, dass er der Sohn des Bauunternehmers Jäger war und über ausreichende finanzielle Mittel verfügte.Bevor Ben etwas sagen konnte, fuhr der Anwalt fort: „Ob sie den Sonntag allerdings weiterhin so schön finden werden, wenn sie gehört haben, was ich ihnen zu unterbreiten habe, wage ich zu bezweifeln!“ Nun runzelte Ben die Stirn, was sollte das? Er räusperte sich: „Was wollen sie von mir? Sie werden nie von mir zu hören kriegen, dass ich bei den Folterspielchen einvernehmlich mitgemacht habe, was hätte ich auch für einen Grund dafür? Geld habe ich selber genug und glauben sie mir, es ist mir eine große Genugtuung, dass es meinen Kollegen gelungen ist, alle Folterer zu verhaften. Wenn ich wieder gesund bin, wird es mir eine Freude sein, vor Gericht detailliert gegen sie auszusagen, damit alle zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt werden können und im Knast darüber nachdenken, was sie einem anderen Menschen angetan haben!“ sagte Ben heftig.

    „Nun hören sie mir erst einmal zu und dann werden wir sehen, ob sie nicht bereit sind, ihre Meinung zu revidieren!“ erwiderte der Anwalt mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme. „Erst einmal-ich bin hier nur als Vermittler tätig, ich bin an den Dingen, die meine Mandanten so treiben in keinster Weise beteiligt, allerdings kann ich sie davon auch nicht abhalten und wenn ich es nicht mache, kommt der nächste Übermittler von Informationen zu ihnen-nur falls sie mit dem Gedanken spielen sollten, mich aus dem Verkehr zu ziehen, indem sie ihre Kollegen alarmieren. Ich habe gestern Abend einen Anruf vom Vater meines Mandanten bekommen, der hatte ein nettes Tennismatch mit ihrem Vater, dem Bauunternehmer Konrad Jäger!“ erklärte er und Ben runzelte die Stirn. Wussten die also doch um seine familiären Beziehungen Bescheid! „Leider hatte Herr Tewett dann eine sagen wir-dumme Idee-und hat ihren Vater danach in seine Obhut genommen!“ sagte der Anwalt. Ben sah ihn verwirrt an, was wollte er damit ausdrücken. „Ich will damit sagen, dass ihr Vater sich an einem auch mir unbekannten Ort befindet und erst im Austausch gegen Florian wieder freigelassen wird!“ ließ der Anwalt nun die Bombe platzen.

    Ben war wie vom Donner gerührt. Nie im Leben hätte er so etwas erwartet. „Was soll mich daran hindern, den Polizeiapparat in Bewegung zu setzen, Tewett Senior verhaften zu lassen und meinen Vater zu befreien!“ begehrte Ben nun auf, dem es momentan erst mal den Boden unter den Füssen weggezogen hatte, der aber gerade dabei war, sich zu fangen. „Nun, ich würde mir das stark überlegen. Sie haben ja Bekanntschaft mit der Brutalität Florians gemacht und ich kann nur sagen: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Leider hat auch der geschätzte Herr Tewett Senior gewisse Neigungen, die er jederzeit bereit ist, an ihrem Vater auszuleben. Außerdem hat er im Rücken eine starke Organisation, die schon darüber informiert ist, wo ihr Vater sich-zugegebenermaßen unfreiwillig-aufhält. Erfolgt ein Zugriff und Tewett Senior sollte verhaftet werden, oder es besteht nur der leiseste Verdacht, dass sie sich nicht an unsere Abmachung halten und ihre Kollegen informieren, wird ihr Vater am eigenen Leib erfahren, was man unter Folter versteht-und sie können da ja inzwischen auch mitreden!“ sagte der Anwalt und ließ seine Blicke über die sichtbaren Wunden Ben´s schweifen. Der war blass geworden. „Das ist Erpressung!“ sagte er mühsam, denn gerade entstanden vor seinem inneren Auge unschöne Bilder seines Vaters, wie er gefoltert wurde. „Na, na so streng wollen wir das nicht ausdrücken! Bisher ist ja auch niemandem etwas passiert, alles Weitere haben sie in der Hand! Wenn sie kooperieren, wird ihr Vater in der Sekunde unversehrt freigelassen, in der Florian das Untersuchungsgefängnis verlässt. Sollten sie dagegen nicht in unserem Sinne agieren, könnten wir ihnen schon bald ein Video zuspielen, das sie nicht gerne ansehen werden!“ drohte der Anwalt.

    In Ben´s Kopf ratterte es. Auch wenn er mit seinem Vater so seine Probleme hatte, er wollte auf gar keinen Fall, dass dem etwas geschah. Anscheinend war dieser Tewett auch kein Einzeltäter, sondern hatte eine ganze Folterorganisation im Rücken. Wenn er keine Hilfe von außen bekommen und Semir und Hartmut ihn nicht befreit hätten, dann wäre er jetzt tot. Die hatten keine Skrupel! Wollte er am Tod oder der grausamen Verstümmelung seines Vaters schuld sein? Nach kurzer Überlegung sagte er tonlos: „Geben sie her, ich unterschreibe!“ und nun lächelte der Anwalt und holte das Schriftstück und einen Kugelschreiber aus seinem Aktenkoffer. „Ach übrigens-wenn der Richter sich persönlich bei ihnen überzeugen will, dass ihre Aussage auch hieb-und stichfest ist-ich kann ihnen nur raten, das Richtige zu sagen, wir werden es sonst erfahren und unsere Konsequenzen ziehen. Erklären sie dem Richter, dass sie die Aussage ohne Wissen ihrer Kollegen machen wollen, um ihre eigenen perversen Neigungen nicht offenzulegen.“ bläute er ihm noch ein und verschwand in der nächsten Minute auch schon. Die Schwester, die gerade das Zimmer betrat, sah ihn noch um die Ecke biegen. „Welcher Arzt war das?“ fragte sie verwundert, aber Ben zuckte nur mit den Schultern.

    Konrad hatte inzwischen schon lange vergeblich versucht, die Tür, oder die Fenster aufzuhebeln. Anhand des schwachen Lichtschimmers, der durch die Ritzen hereinfiel, wusste er, dass es Tag war, aber so sehr er sich auch bemühte, weder Tür noch Fenster waren aufzukriegen. Er rief immer wieder um Hilfe, aber es war nur eine geisterhafte Stille wahrzunehmen. Als die Übelkeit vom Chloroform abgeklungen war, was ihn in der Nacht handlungsunfähig gemacht hatte, holte er dann doch ein wenig Knäckebrot, Margarine und Marmelade aus dem Schrank, brühte sich einen Instantkaffee auf und nahm ein kärgliches Sonntagsfrühstück ein, um bei Kräften zu bleiben. Was hatte das wohl Alles zu bedeuten?

    Ein kleines Gespräch gibt es ja jetzt doch, aber es reißt eher mehr Gräben auf, als es zuschüttet. Natürlich hängt die Gefahr in der Andrea und die Kinder wegen Semir schweben, immer wie ein Damoklesschwert über ihnen, aber das geht wohl jeder Polizistenfrau auf der Welt so!
    In Andrea hat sich zu viel angestaut und da hätte schon viel eher Hilfe von außen rangemusst-jetzt steckt der Karren ziemlich im Dreck!

    Für die Kinder ist das doppelt schwer und irgendwie beginnen sowohl Semir, als auch Andrea die beiden auch schon als Druckmittel gegen den anderen zu verwenden-das gefällt mir gar nicht! Ich hätte auch geheult wie ein Schlosshund, wenn mir meine Kinder ihre Lieblingsschmusetiere schenken würden, die sie doch selber eigentlich gerade so nötig brauchen-schnief!