Beiträge von Mikel

    Dem Tierarzt und dem Händler ist die Flucht gelungen ... hmm ... ich hoffe nicht für lange. Der Weg von Köln Richtung Rumänien ist ganz lange A3 ... Ich vertraue da auf Hartmut und Co.

    Dem Tierarzt wünsche ich viele Schmerzen ... möge ihm der Arm abfaulen X(... boah, ich weiß das ist Böse

    Zurück im Stall ... ich musste erst mal schlucken ... Lucky ist auch verletzt ... oder schlimmer :(=O Den Retter in der Not kannst nicht sterben lassen

    Sarah entpuppt sich als "Pferdeflüsterin" und schafft das Shire Horse aus der Box ... jetzt ist die Frage: Wie schlimm wurde Ben verletzt?

    Bin auf die Fortsetzung gespannt.

    Blitzschnell hielt er ihr mit der flachen Hand den Mund zu, dass sie kaum noch atmen konnte. Mit der anderen Hand drückte er ihr die Mündung einer Waffe an den Hals und wisperte ihr ins Ohr: „Denke nicht mal dran das Gespräch anzunehmen Schätzchen!“
    Anna nahm ihre Finger von dem Display.
    „Sehr schön! Keine falsche Bewegung! Kein Laut, sonst stirbst du!“
    Die Drohung war unmissverständlich. Sie bewegte ihren Kopf vorsichtig auf und ab und hoffte, dass der Mann hinter ihr verstand.
    „Gut!“ flüsterte er, „ich nehme jetzt meine Hand von deinem Mund weg!“
    Selbst wenn sie gewollt hätte, kein Laut wäre über Annas Lippen gekommen. Ihr Herz raste und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie hörte es rascheln. Der Mann hinter ihr hielt ihr ein kleines Kettchen vor die Augen.
    „Na erkennst du das wieder?“
    Es war die bewusste Kette, die zum Streit mit Ben geführt hatte. Er hatte sie an jenem Abend mit Tränen in den Augen vom Boden aufgehoben und in seine Hosentasche eingesteckt.
    „Ben!“ ,war alles, was sie hauchen konnte. Die kalte Mündung der Waffe klebte noch immer an ihrem Hals.
    „Ich sehe schon, wir beide verstehen uns. Dein Freund braucht ein bisschen medizinische Hilfe!“, gab ihr die tiefe Stimme zu verstehen. „Was brauchst du?“ Bei jedem Atemzug des Mannes hinter ihr, umnebelte sie seine Knoblauchfahne.


    Tausend Gedanken jagten durch ihren Kopf, was mit Ben geschehen sein konnte. War er tatsächlich auf die schiefe Bahn geraten? Warum war er verletzt worden? Warum meldete er sich nicht bei ihr direkt, so wie beim letzten Mal? Ihr Versuch sich umzudrehen und den Unbekannten anzuschauen, wurde unterbunden. Stattdessen verstärkte sich der Druck der Waffenmündung.


    „Die Arzttasche in meinem Kofferraum und Medikamente, Infusionen, sterile Instrumente, Verbandsmaterial...“ beantwortete sie seine Frage krächzend.
    „Reichen die aus einem Notarzt- oder Rettungswagen aus?“, lautete die nächste präzise Frage. Anna nickte, was sollte sie auch anders tun. Sie konnte ja schlecht in die Notaufnahme marschieren und ein komplettes Notfallset mit allen Drum und Dran mitnehmen. Seine nächsten Anweisungen erklangen in einer fremden Sprache und galten einer dritten Person, die Anna nicht sehen konnte. Eilige Schritte entfernten sich.


    Ehe Anna sich versah, hatte der Entführer ihr einen Sack über den Kopf gestülpt, ihr die Handtasche aus den Händen gerissen und diese mit Kabelbinder vor dem Körper gefesselt. „Wenn du schreist, schlage ich dich k.o.! Verstanden!“, drohte er ihr erneut.


    Wie eine Feder nahm er sie auf den Arm und trug sie ein Stück weit. Die Schiebetür eines Autos wurde geöffnet und Anna wurde unsanft hineinbefördert, auf einen Autositz gesetzt und mit einem Gurt angeschnallt. Die junge Frau verlor jedes Gefühl für Zeit. Im Auto herrschte eine brütende Hitze, die ihr noch zusätzlich den Schweiß auf die Stirn trieb. Sie konnte das Pulsieren ihres Herzschlags an ihren Schläfen spüren. Der Druck, der sich in ihren Kopf aufbaute, heizte ihre Gedankengänge noch zusätzlich an. Irgendwann tauchte der zweite Entführer wieder auf, warf einige Gegenstände in den Innenraum des Wagens. Die Autotüren wurden zugeschlagen und der Motor gestartet. Während der Fahrt unterhielten sich die beiden Männer in der fremden Sprache. Anna verstand kein Wort.


    „Was ist mit Ben geschehen?“, fragte sie in einer Gesprächspause ihre Entführer.
    Die tiefe Stimme blaffte sie an „Halt’s Maul Schätzchen. Oder ich verpasse dir ein Klebeband!“


    Die Drohung wirkte und Anna zog es vor zu schweigen. Fragen über Fragen schwirrten gleich einem Bienenschwarm im Bienenstock in ihrem Kopf umher, ohne dass es darauf eine Antwort gab.
    Wieder einmal hatte Semir mit seiner These, dass sie sich ebenfalls in Gefahr befand, richtig gelegen. Im Grund genommen, war es ihr auch in diesem Augenblick egal. Entgegen jeder Vernunft empfand sie eine Art Glücksgefühl, was sich in ihr breit machte. Die Freude darüber Ben nach so vielen Tagen der Tränen und Verzweiflung wieder zu sehen, ließ all ihre Ängste in den Hintergrund treten. Sie wollte den dunkelhaarigen Polizisten nur noch um Verzeihung bitten, für das was sie ihm angetan hatte. Ihre Vorwürfe, den Rausschmiss aus der Wohnung, ihr durchgedrehtes Handeln an jenem Abend. In den letzten Tagen hatte sie sich nichts sehnlichster gewünscht, als ihn wieder zu sehen, seine Stimme zu hören … die Berührung seiner Hände auf ihren Körper zu spüren. Ob er ihr verzeihen würde? Sie liebte ihn mehr, als sie sich es hatte vorstellen können. Nicht nur weil sie sein Kind unter ihrem Herzen trug, nein, er war ein Teil von ihr. Ben war die Liebe ihres Lebens. Er war ihr zweites ICH. In ihren Träumen lebte nur noch er. Noch einmal könnte sie es nicht ertragen, ihn zu verlieren.

    Zurück auf der PAST
    Semir saß an seinem Schreibtisch und las hoch konzentriert die ersten Berichte der Spurensicherung über den Mordanschlag auf Julia Jäger. Die Leiche des Attentäters war an Hand seiner Fingerabdrücke identifiziert worden. Der Tote hieß Michael Krämer, war ein in Köln geboren. Der Kerl war ein polizeibekannter Krimineller, der als Rausschmeißer für diverse Nachtclubs gearbeitet hatte. Wegen seiner Brutalität, die er dabei angewandt hatte, war er in der Vergangenheit schon mehrfach mit dem Gesetz im Konflikt geraten und hatte unter anderem wegen schwerer Körperverletzung zwei Jahre im Gefängnis gesessen. Der Obduktionsbericht der Gerichtsmedizin und auch Hartmuts ballistischer Bericht zur Kugel, die das Opfer getötet hatten, standen noch aus. Am Rand des Berichts war noch ein kleiner Post-It von Susanne angebracht worden. Sie hatte recherchiert, dass alle Nachtclubs, in denen der Tote gearbeitet hatte, von der Familie Stojkovicz betrieben wurden. Volltreffer, dachte er bei sich. Sollte Zladan Stojkovicz nochmals behaupten, er wasche seine Hände in Unschuld, würde er ihn, Semir Gerkan, einmal richtig kennenlernen.
    Das Klingeln des Telefons zog Semirs Aufmerksamkeit auf sich. Er warf einen kurzen Blick auf das Display und nahm das Gespräch an.


    „Guten Abend, Einstein! Hast du was Interessantes für mich?“ … Der Rothaarige druckste am anderen Ende der Leitung etwas herum bis Semir ihn ungeduldig an maulte, „Komm zur Sache Hartmut! Was ist los“


    „Es geht um Julia Jäger. … Ähm …. Also nicht wegen des Mordversuchs heute Morgen.“ Der Kommissar hörte seinen Kollegen von der KTU mehrmals durchschnaufen. Zuerst ein bisschen stotternd fing Hartmut an zu berichten. „Also Ben bat mich doch nach dem Unfall Julias ausgebrannten Wagen auf Manipulationen zu untersuchen. Naja, die ganze Zeit war so viel los und …. Ach vergiss es! Nach dem Vorfall heute Morgen habe ich mir den Mercedes nochmals gründlich angeschaut.“ Fast schon gewohnheitsgemäß verfiel der Rothaarige in einem Fachvortrag über seine Untersuchungsmethoden und deren Ergebnisse.
    Energisch unterbrach Semir den Redefluss seines Gesprächspartners. „Stopp … Stopp Hartmut. Komm zur Sache! … In Kurzform und verständlich!“
    „Ben hatte Recht gehabt. Ich hätte es auch fast übersehen. Jemand hatte nachgeholfen! Das Computersystem des Mercedes war manipuliert worden und hatte dabei die Servolenkung blockiert. Absolute Profiarbeit! Fast nicht nachweisbar. Das war kein Unfall sondern ein Mordversuch!“

    Mit seiner Aussage bestätigte KTU‘ler, was für Semir bereits eine Tatsache war. Nachdenklich fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht und lauschte weiter den Ausführungen seines Kollegen. „Außerdem bat mich Ben, dass ich mich mal in seiner Wohnung umschaue. Er hatte den Verdacht gehabt, dass jemand sich dort unerlaubt aufgehalten hatte. Und als ich die Manipulation an Julias Wagen entdeckt hatte, bin ich sofort hin gefahren. Ich habe in Bens Wohnung drei Wanzen gefunden. Aber nicht so einfache Dinger, sondern richtig schönes Hightech Material, das nur Militär oder Nachrichtendienste verwenden. Außerdem hatte jemand an seinem Telefon rum manipuliert. Semir? Semir, hätte es etwas gebracht, wenn ich diese Untersuchungen früher gemacht hätte? Ich …. !“
    „Ich weiß es nicht Hartmut, ich weiß es nicht!“ Semirs Stimme klang resignierend.

    Er verabschiedete sich von seinem Kollegen und bat ihn, so schnell als möglich einen Untersuchungsbericht an Frau Krüger zu mailen. Der Türke stützte seine Ellbogen auf der Schreibtischplatte ab und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Krampfhaft versuchte er die neu gewonnen Informationen und die letzten Ereignisse in seinem Kopf zu sortieren. Ein Schauer rann ihm über den Körper und ein warnendes Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Anna! Der Türke konnte die Gefahr, in der Bens Freundin schwebte, fast körperlich spüren. Kurz entschlossen rief er bei Julia im Krankenhaus an, um sich zu erkundigen, ob Anna noch dort war. Sie sollte auf ihn warten. Julias Antwort war eine Enttäuschung.

    „Semir, Anna ist vor einigen Minuten gegangen! Versuche sie doch auf ihrem Handy zu erreichen!“


    Der Türke fischte sein Handy aus der Hosentasche und suchte Annas Nummer. Doch anstelle des Freizeichens erklang eine mechanische Frauenstimme, die den Kommissar darüber informierte, dass der Teilnehmer vorübergehend nicht erreichbar sei.

    „Fuck!“ fluchte er vor sich hin. Ok, noch kein Grund zum Durchdrehen. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass es auf dem Gelände der Uni-Klinik einige Stellen mit schlechtem oder gar keinem Handy Empfang gab. Entschlossen schnappte er sich seine Autoschlüssel, warf den Kollegen der Nachtschicht noch einen Abschiedsgruß zu und sprintete zu seinem silbernen BMW.


    *****
    Gelände der Uni-Klinik Köln
    Völlig in Gedanken versunken, war Anna durch die unterirdischen Katakomben bis zum Ausgang getrottet, der zu dem Personalparkplatz führte, wo sie ihren schwarzen Golf geparkt hatte. Während das Gespräch mit Julia der reinste Balsam für ihre verzweifelte Seele gewesen war, hatte sie die Begegnung mit Konrad Jäger innerlich völlig aufgewühlt. Mit allem hätte sie gerechnet aber nicht damit, dass Bens Vater menschliche Züge zeigte. Er war erschöpft gewesen, die Anspannung der letzten Tage hatten ihn gezeichnet. In seinen Augen hatte sie es lesen können, seine Sorgen und Ängste um seinen Sohn waren echt gewesen. Die Worte, die er an sie gerichtet hatte, waren ehrlich gemeint. Und sie gestand sich ein, nie hätte sie erwartet, dass er diese menschliche Größe zeigen würde, seine Fehler einzugestehen. So unglaublich es sich für sie anfühlte, sie hegte Sympathien für den Menschen Konrad Jäger. Anna trat ins Freie und ließ ihren Blick prüfend über das Gelände schweifen, genauso wie es Semir ihr geraten hatte.


    Nach der Abkühlung durch den Gewitterregen war die Luft angenehm frisch. Die Abenddämmerung hatte bereits eingesetzt und zauberte mit Hilfe der untergehenden Sonne ein unglaubliches Farbenspiel an den abendlichen Himmel. Dafür hatte die junge Ärztin weder ein Auge noch den Kopf. Ein Blick auf ihre Armbanduhr sagte ihr, sie war verdammt spät dran und wahrscheinlich würde sich Anja, trotz ihres Anrufes Sorgen machen, wo sie blieb.


    Im Dämmerlicht war es unter den Bäumen düster, da die Außenbeleuchtung des Parkplatzes noch nicht eingeschaltet worden war. Wie ein Schatten verfolgte ein großgewachsener Mann die junge Ärztin. Sie hatte ihren Golf unter einer großen Rotbuche, mit weit ausladenden Ästen geparkt. Als Anna in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel kramte, vibrierte ihr Handy. Auf dem Display stand Semirs Name. In dem Augenblick, als sie das Gespräch annehmen wollte, schlug der Unbekannte zu.

    Ich bin immer noch schockiert, über das brutale Vorgehen des Tierarztes. Ich dachte immer ein Tierarzt will Tieren helfen und nicht Tiere quälen. :(X(Der hätte tatsächlich mit Hilfe des Kaltblüters Ben umgebracht. X(Wahnsinn … einfach nur Wahnsinn, wofür ein unschuldiges Pferd herhalten muss.

    Lucky wird zum rettenden Engel in letzter Sekunde. :)
    Sarah ist zumindest ein wenig vernünftiger als Ben und bringt sich nicht unnötig in Gefahr. Wobei … ich würde Ben diesmal keinen Vorwurf machen. Wer konnte denn ahnen, dass der Tierhändler und der Tierarzt eiskalte Mörder sind. Hilfe naht ... Jenny ist da …
    Nur wer ist geflohen? Beide Täter? …. Hmmm :/… Lucky würde doch den Tierarzt nie freiwillig aus seinem Fang lassen?:/

    Bitte um schnelle Fortsetzung ;)

    so jetzt muss ich erst mal tief durchatmen ;(

    ich bin noch immer völlig geschockt über die Brutalität, mit der der Tierhändler und der Tierarzt gegenüber Tier und Mensch vorgehen.

    Ich hatte bei deinen Beschreibungen so ein riesiges Shire Hores im Kopf, normal die Gutmütigkeit in Person ... und mir dann vorgestellt, was da so alles passiert, wenn das Tier zu tritt bzw. auf was drauf tritt.

    OMG

    ich hoffe nur, dass Lucky und Sarah dem Drama ein Ende bereiten können

    Im Haus von Kim Krüger
    Henrik lag auf der Seite, auf den Ellbogen abgestützt, schmiegte sich sein Kopf in seine Handfläche. Mit der anderen Hand strich er zärtlich über Kims Wangen, ergriff eine ihrer Haarsträhnen und spielte damit.
    „Was ist los mit dir mein Engel? War es nicht schön?“, raunte er.
    Kim lag neben ihm auf dem Rücken. Ihr glückliches Lächeln war einem ernsten Gesichtsausdruck gewichen.
    „Doch … doch es war wundervoll. Du bist ein so einfühlsamer Liebhaber!“
    Um ihre Worte zu bekräftigen, schlang sie ihren Arm um seinen Nacken und zog seinen Kopf zu sich herunter. Ihre Lippen suchten sich und fanden einander. Zärtlich begann er ihren Kuss zu erwidern. Seine Zunge suchte die ihre. Sofort gingen seine Hände auf ihrem Oberkörper auf Wanderschaft, strichen zärtlich darüber und versuchten sie erneut zu erregen.


    „Hör auf!“, flüsterte sie unvermittelt und versuchte seinen Zärtlichkeiten zu entfliehen. „Nein … nein, ich will nicht!“ Kim schloss die Augen und schüttelte mit dem Kopf, „bitte Hendrik! … Ich kann nicht mehr!“ Sie sah seinen enttäuschten und fast schon beleidigten Ausdruck in seinen Augen. „Das hat auch nichts mit dir zu tun!“, erklärte sie.


    „Na dann!“, grinste er und startete den nächsten Versuch ihre Leidenschaft zu entfachen.
    „Nein!“, fauchte Kim „Ich will nicht! Was ist daran so schwer zu verstehen!“
    Die dunkelhaarige Frau richtete sich ein wenig auf und drückte ihren Liebhaber energisch von sich weg zur anderen Betthälfte.
    „Dann erkläre mir bitte, was dein Verhalten bedeuten soll!“, brummte er ungehalten und gekränkt. Er hatte sich auf eine heiße Nacht mit Kim Krüger gefreut. Nun sollte schon vor Einbruch der Dämmerung alles zu Ende sein. Verärgert drehte er sich zur Seite und schenkte sich sein Sektglas voll und trank es in einem Zug leer.


    „Ich kann mich nicht mit dir hier stundenlang im Bett amüsieren, wenn zeitgleich ….!“
    Sie brach ab. Der verzweifelte Unterton ließ den Oberstaatsanwalt aufhorchen. Er spürte, wie ihr Körper neben ihm anfing zu versteifen.
    „Erkläre es mir bitte Kim, damit ich dich verstehen kann“, wiederholte er seine Aufforderung und leerte das nächste Sektglas. Kim saß mittlerweile im Bett, hatte die Knie angezogen und strich sich mit ihren Händen über das Gesicht.


    „Ich weiß nicht, ob du mich verstehst, ob du überhaupt weißt, mich momentan beschäftigt. … Mir keine Ruhe lässt!“ In ihren Augenwinkel schimmerte es feucht. „Es geht um Ben Jäger!“
    Unwillig schüttelte er den Kopf und schnaubte: „Was hat Ben Jäger damit zu tun, dass wir hier Sex haben!“
    „Du kapierst es nicht Hendrik! Oder? … Ich liege hier mit dir in meinem Bett und vergnüge mich, während dort draußen einer meiner Männer vermisst wird, sich vielleicht in Lebensgefahr befindet. … Vielleicht um sein Leben kämpft? Ich mache mir Vorwürfe, ob meine Beziehung mit dir mich zu sehr von meiner Arbeit als Chefin der PAST abgelenkt hat, ob ich etwas übersehen habe. Hätte ich das Attentat auf Julia Jäger heute Vormittag verhindern können.“ Sie biss sich auf die Lippen und versuchte die erneut aufkommende Feuchtigkeit in ihren Augen weg zu blinzeln. „Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich Ben Jäger nicht vertraut habe. Verdammt, ich habe ihn im Stich gelassen, als er mich als seine Chefin am meisten gebraucht hätte? Verstehst du das! … Und … und … bei den anschließenden Ermittlungen … ich zweifle an mir …. An meinen Fähigkeiten … Diese Anschuldigungen gegen ihn, diese Mordanklage, begreifst du das nicht?! Ich kenne meine Männer und hätte es wissen müssen, dass er zu solch einer Tat nicht fähig ist.“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Ich hätte es besser wissen müssen!“


    Hendrik zog Kim zu sich heran und nahm sie in den Arm. Ihr Körper bebte vor Erregung. Beruhigend strich er über ihren nackten Rücken, fuhr mit seinen Fingern durch ihr langes Haar. Sie schniefte kurz.
    „Mein Gott Hendrik, weißt du, wie sich das anfühlt, wenn man glaubt, den größten Fehlers seines Lebens gemacht zu haben. Der vielleicht jemanden das Leben kosten kann? Ich … ich habe anderen Menschen mehr geglaubt und vertraut, als einen meiner besten Mitarbeiter, dem ich bei einem Einsatz jederzeit mein Leben anvertrauen würde … anvertraut habe. Erst als auf Grund von Gerkans Ermittlungen die ersten Zweifel aufkamen, ob diese Streifenpolizisten die Wahrheit gesagt haben, habe ich versucht einen anderen Blickwinkel auf die Indizien zu bekommen. Ich fühle mich so schuldig. … So furchtbar schuldig und schlecht!“


    „Es hat sich doch alles geklärt! Seine Unschuld steht fest und die beiden Polizisten sitzen in Untersuchungshaft. Kommissar Kramer ist wegen seiner Spiel- und Alkoholsucht bis auf weiteres suspendiert.“, meinte er trocken, völlig emotionslos.


    „Das machte es aber nicht ungeschehen!“, unterbrach sie ihn energisch, „Du hast ja auch nicht seinen verzweifelten Gesichtsausdruck gesehen, als ich ihm seine Dienstwaffe und seinen Ausweis abgenommen habe.“ Sie löste sich von ihm und betrachtete ihn. „Kannst du mir einen Gefallen tun?“
    „Für dich doch immer mein Engel!“, nuschelte er und blickte sie erwartungsvoll an.
    „Sorge dafür das Anna Becker, Ben Jägers Freundin, so schnell wie möglich in einer sicheren Wohnung untergebracht und beschützt wird. Ich gebe Herrn Gerkan Recht, sie befindet sich in größter Gefahr. Erst Ben … seine Schwester … Wer weiß, auf wen es die Kerle noch abgesehen haben!“
    „Wenn es dich beruhigt, kümmere ich mich morgen früh sofort darum.“, versprach er ihr, „du wirst sehen, es wird alles wieder gut werden!“ und hauchte einen Kuss in ihr Haar.


    Sie kuschelte sich an ihn heran. Wenig später vernahm sie seine gleichmäßigen Atemzüge, während ihre Gedanken sie wach hielten.

    Remzi stand neben seinem Kumpel am großen Terrassenfenster. Im Gegensatz zu dem Schnauzbärtigen, der hinaus starrte und verfolgte, wie das Unwetter langsam abzog, galt die Aufmerksamkeit des Grauhaarigen alleine Elena, die in der Küche das Abendessen zubereitete. Genüsslich leckte sich der Söldner über seine Lippen und malte sich in seinen Gedanken aus, was er in der kommenden Nacht alles mit der jungen Frau anstellen würde. Ein wohliges Grunzen entfuhr seiner Kehle.


    Von ihnen unbemerkt war Gabriela die Treppe heruntergekommen. Sie trug ein luftiges Sommerkleid und lief barfuß.
    „Lebt Jäger noch?“, fragte sie in einem ruhigen Tonfall. Die beiden Männer drehten sich überrascht um. Camil strich sich mehrmals nervös über seinen Schnauzbart und zog es vor zu schweigen.
    „Ich war vor einer knappen Stunde bei ihm unten. … Ja, da lebte er noch!“, gab Remzi zurück. Er nippte an seiner Bierflasche, die er noch in der Hand hielt und studierte die Mimik der Kroatin. Die schien sich tatsächlich wieder beruhigt zu haben.
    „Wie soll es weitergehen? Hast du dir darüber Gedanken gemacht?“
    Gabriela nickte. Aus der Küche hörte man das Brutzeln von Fleisch in der Pfanne und das Geklapper von Geschirr. Der angenehme Geruch von Essen verbreitete sich.


    „Kommt!“, forderte sie die beiden Söldner auf ihr zur folgen. Sie bewegte sich in Richtung der Terrassentür und öffnete diese. Der Gewitterregen war abgeebbt. Nur noch einzelne Regentropfen fielen auf die Terrasse nieder. Tief sog Gabriela die frische Luft in ihre Lungen ein. Die Natur atmete auf. Der Duft von feuchter Erde und Gras zog in das Wohnzimmer ein und vertrieb die Schwüle und Hitze der letzten Tage. In der Mitte der Terrasse drehte sie sich zu den beiden Männern um.


    „Ich habe einige Telefongespräche geführt, unter anderem mit Brauer vom BKA. Es wird einige Tage dauern, bis er neue Ausweispapiere für mich fertig hat. Er wird mir eine neue Identität im Zeugenschutzprogramm des BKAs verschaffen. Der Preis, den er dafür verlangt, ist entsprechend horrend, jedoch kein Polizist der Welt wird mich später jemals finden können. Die Übergabe ist für kommende Woche am Donnerstag oder Freitag geplant. So lange sitze ich hier in Köln auf jeden Fall noch fest!“ stellte sie fest. Ihr Blick richtete sich auf Remzi und er erkannte diese alte Entschlossenheit darin. „Welche Erkenntnis gewinnen wir daraus, mein Freund? Wir bringen es zu Ende. Danach wird mich Köln oder Deutschland niemals mehr wiedersehen.“ Sie hielt inne und ein diabolisches Grinsen huschte über ihr Gesicht. „Allerdings werden wir so was von einem bleibenden Eindruck bei gewissen Herrschaften hinterlassen, mit denen ich noch eine Rechnung offen habe.“ Sie lachte lauthals auf. „Denn so ein bisschen Spaß will ich in den kommenden Tagen noch haben! Dennoch unsere Sicherheit geht vor Remzi! Versprochen!“ Sie lachte teuflisch auf. „Holt mir den Türken Remzi! … Egal wie, ich will ihn so schnell wie möglich lebend haben! Wenn du Unterstützung brauchst, nimm dir meinetwegen die Albaner! Wird bestimmt lustig, wenn der große Beschützer von Ben Jäger mit anschauen muss, wie sein Kumpel langsam abkratzt.“ Ihre Stimme klang dabei amüsiert und ihre Augen leuchteten voller Freude. „Doch vorher habe ich noch eine andere Aufgabe für euch!“


    Mit knappen Sätzen erläuterte sie den beiden Söldnern ihre Pläne. Da war er wieder, ihr gewisser Hang zur Genialität, den Remzi so an dieser Frau bewunderte. Jedes Detail war vorausschauend geplant und auch in ihm kam eine gewisse Vorfreude auf die kommenden Tage auf, waren doch Gabrielas Absichten voll nach seinem Geschmack. Sie schloss das Gespräch mit der Aufforderung ab, dass der Grauhaarige noch einige Weggefährten aus dem Kosovo-Krieg anheuern sollte, zuverlässige Leute, die keine Hemmungen hatten und so schnell wie möglich in Köln eintreffen sollten.


    Ohne Skrupel empfahl Remzi ihr die lästigen Mitwisser, die aus den Kreisen um Zladan und Boris Stojkovic stammten, nach dem Eintreffen der Serben mundtot zu machen und anschließend in einer Schrottpresse spurlos zu entsorgen. Keine lästigen Zeugen, keine verräterischen Spuren.


    Als hätte man einen Schalter in ihren Kopf umgelegt, fing Gabriela daraufhin wie irre an zu kichern.
    „Deine Ideen sind gut … wirklich gut Remzi!“
    Auf einmal begann sie an ein Kinderlied aus ihrer Heimat vor sich hinzusummen, ging dazu über, den Text zu trällern und auf der feuchten Terrasse zu tanzen, als wäre sie zurückversetzt in eine längst vergangene Zeit auf dem Hof ihrer Eltern.

    uiiiii ... ein schönes langes Kapitel :)

    ich bin auch happy, dass sich Ben und Sarah wieder ausgesöhnt haben.

    Ein bisschen Alltag ... klingt richtig gut und dann hilft der Zufall.

    Ben hat vermutlich eine heiße Spur. Nur ich teile die Befürchtung von Trauerkloß. Die Ausrede mit den Sätteln wird bei den beiden Männern nicht wirken, wenn die Ben entdecken ... Mir schwant Übles :/

    Im Nirgendwo … einige Zeit vorher
    Remzi kam ziemlich angepisst die Treppe heruntergestürmt. Lauthals stieß er eine unbekannte Anzahl von Flüchen in seiner Heimatsprache aus. Seine Laune war nach dem fehlgeschlagenen Anschlag und dem Streit mit Gabriela auf dem absoluten Nullpunkt angelangt. Am liebsten hätte er seine Sachen gepackt und wäre schon vor Einbruch der Nacht aus Köln verschwunden gewesen. Zwei Gründe hielten ihn davon ab: Er war Gabriela gegenüber verpflichtet. Mehr als einmal hatte sie ihm bei ihren früheren gemeinsamen Unternehmungen das Leben gerettet und das liebe Geld. Die Bezahlung für seine Dienste war fürstlich und er war wie so oft in der Vergangenheit pleite.


    Camil erwartete ihn am Treppenaufgang.

    „Hey, rauch erst einmal eine Kippe!“, meinte er und hielt seinem Freund eine Packung Zigaretten hin. „Hebt zwar nicht die Stimmung an, aber beruhigt die Nerven!“
    Die beiden Söldner begaben sich zum Eingangsbereich der Villa, der im Schatten lag. Draußen auf der Zufahrt flimmerte die Luft in der Hitze. Die Schwüle trieb den beiden Freunden den Schweiß auf die Stirn. Während sie den Rauch der Zigaretten tief inhalierten, informierte der Ältere seinen Freund über das Gespräch mit Gabriela und das Ultimatum, welches er ihr gesetzt hatte. Nach der dritten Kippe meinte Remzi, „Egal wie sich Gabriela entscheidet, wir müssen die verräterischen Spuren beseitigen und die Leiche des Albaners verschwinden lassen. Komm mit in den Keller!“


    Die nächsten Stunden verbrachten Camil und Remzi damit, den Partyraum zu säubern. Als sie ihre Arbeit beendet hatten, deutete nichts mehr darauf hin, welches Drama sich in diesem Zimmer noch vor ein paar Stunden hier abgespielt hatte und Ben tagelang gefoltert worden war. Selbst die Folterinstrumente waren verschwunden. Die Leiche des Albaners war in einem Grab, welches der Grauhaarige im weitläufigen Park ausgehoben hatte, verscharrt worden.


    Nach getaner Arbeit brachte selbst eine kalte Dusche nicht die gewünschte Abkühlung. Völlig verschwitzt saßen die beiden Söldner mit entblößtem Oberkörper in einem schattigen Platz auf der Terrasse. Der Tag war so drückend heiß und schwül geworden, wie es der Wetterbericht angekündigt hatte. In ihrer Hand hielten sie eine Flasche gekühltes Bier. Die nackten Füße standen in einer Wanne mit kaltem Wasser. Darin lagerte noch ein ansehnlicher Vorrat an Bier. Die beiden Freunde nutzten die ruhigen Minuten, um über längst vergangene Zeit zu sprechen, über ihre Zukunftspläne und über ihren Job hier in Köln. Im Haus herrschte eine merkwürdige Stille.


    Im Laufe des späten Nachmittags waren am Horizont die ersten dunklen Wolken aufgezogen, die die herannahende Gewitterfront ankündigten. Das dumpfe Grollen des Donners, das die Vorboten begleitete, kam näher und näher. Der Wind frischte auf und verwandelte sich kurze Zeit später in die ersten Sturmböen.


    Remzi und Camil traten den Rückzug vor den Urgewalten der Natur an. In Minutenschnelle hatten sie die Terrasse leer geräumt. Orkanböen fegten über das Anwesen hinweg. Bei einigen Bäumen im Park brachen unter den Windstößen morsche Äste und fielen zu Boden. Die herannahende Wolkenwand hatte den Himmel verdunkelt. Gleisende Blitze erhellten für Sekundenbruchteile die Umgebung, gefolgt vom Grollen des Donners. Vereinzelte große Regentropfen klatschten auf die Terrasse und verwandelten sich innerhalb kürzester Zeit in Starkregen. Die Natur dampfte, dankte für die ersehnte Abkühlung. Für einige Minuten standen die beiden Söldner an der großen Terrassentür und beobachteten das Schauspiel der Naturgewalten.


    *****
    Für einen flüchtigen Augenblick erlangte Ben das Bewusstsein zurück und bereute es augenblicklich. Sein Körper bestand einfach nur noch aus Schmerz, einem übermächtigen Schmerz, der bis in die letzte Zelle seines geschundenen Körpers gedrungen war. Stöhnend lag er auf der Bodenmatte und presste seine Hände gegen die Schussverletzung am Bauch. Der Geschmack von Blut breitete sich in seinem Mund aus. Er hatte sich seine Unterlippe vor Schmerzen blutig gebissen. Sein Magen zog sich zusammen und rebellierte gegen den eisenhaltigen Geschmack in seinem Mund. Er fing an zu würgen … und würgte … und würgte bis nichts mehr raus kam. Krampfhaft rang er nach Atem. Neue Schmerzenswellen durchfluteten seinen Körper, als er versuchte, seinen Kopf und seinen Körper aus der Lache von Erbrochenen weg zu robben. Er konnte förmlich spüren, wie sich durch die leichte Bewegung seine Eingeweide verkrampften. Er brüllte seine Qualen und Not in die Stille des Raumes hinaus. Die schlimmste Folter der vergangenen Tage war verglichen mit dem, was er momentan durchlebte ein Nichts. Er krümmte sich am Boden, wand sich unter den Feuerlohen, die ihn durchfluteten.
    Warum lebte er noch?
    Warum hatte dieser albanische Narr nur so daneben gezielt und damit sein Leid und seine Qualen noch vergrößert? Warum war das Schicksal so grausam zu ihm?

    Ihm war kalt … einfach nur kalt. Sein Körper zitterte. Seine Hände zitterten. Sein Herzschlag raste in ungeahnte Dimensionen. Er war am Ende. Ben schloss die Augen, in der Hoffnung nie wieder zu erwachen. Er konnte und wollte nicht länger um sein Leben kämpfen. Der Dunkelhaarige wollte nur noch eines … Abtauchen in die Tiefen einer Bewusstlosigkeit, dem Schmerz entfliehen und eigentlich wollte er nur noch sterben … sterben, das war sein sehnlichster Wunsch.

    In Gedanken versunken betrat Konrad Jäger die Privatstation der Uni-Klinik, um nochmals seine Tochter und seinen Enkel zu besuchen. Er wollte sich vergewissern, dass auch alles in Ordnung ist. Die Sorge um seinen verschwundenen Sohn hatte ihn in den vergangenen Tagen altern lassen. Im Nachhinein betrachtet, hätte er sich selbst für sein Verhalten Ben und Anna gegenüber ohrfeigen können. Immer wieder hatte er sich in den vergangenen Tagen gefragt, wie hatte es nur so weit kommen können? Als er die Freundin seines Sohnes auf dem Krankenhausflur erkannte, war dies für ihn, wie ein Wink des Schicksals. Die Sorgen und Ängste der letzten Tage hatten auch bei der jungen Frau deutliche Zeichen hinterlassen. Sie sah müde aus und unter ihren Augen waren dunkle Schatten zu sehen. Ihr Gesicht war blass und ein bisschen schmal geworden. Es fiel ihm sogar leichter als erwartet die junge Frau anzusprechen.


    „Hallo Anna!“, begrüßte er sie und unterdrückte den Impuls, der plötzlich in ihm aufkam, sie einfach in den Arm zu nehmen und tröstend zu halten. „Hätte Sie ein paar Minuten Zeit für mich. Ich muss mit ihnen reden. Bitte … Ich war bereits bei ihnen zu Hause und …!“

    Überraschung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als sie ihn unterbrach „Ist gerade ungünstig. Ich bin schon zu spät dran Herr Jäger!“

    Davon ließ sich Konrad nicht beirren. Er umfasste sanft ihre Arme.
    „Bitte! … Anna! Nur ein paar Minuten! … Bitte!“
    Sie seufzte auf und nickte. Mit ihrem Kopf deutete sie auf eine der Besucherecken, in denen gemütliche Sessel und bereitgestellte Getränke die Besucher und Patienten zum Verweilen außerhalb des Krankenzimmers einluden.
    „Setzen wir uns einen Moment dort drüben hin. Ich denke, da können wir ungestört reden!“


    Die beiden setzten sich gegenüber, nur ein kleiner Beistelltisch trennte sie. Wieder umschlang Konrad Annas Hände und blickte ihr direkt in die Augen, die ihn erwartungsvoll anschauten.
    „Ich muss mich bei ihnen und Ben entschuldigen!“ Seine Stimme klang merkwürdig heißer und er musste ein paar Mal schlucken, um diesen Kloß, der sich in seiner Kehle breit machte, hinunter zu würgen. „Ich weiß nicht, wie ich all meine Fehler wieder gut machen kann, die ich in den letzten Monaten begangen habe. Das Unrecht … an ihnen und vor allem an Ben!“ Für einen Augenblick schloss er die Augen und sammelte sich. „Vor allem an Ben! … Ich war ein Narr. Ein verblendeter Narr, der sein Leben lang nur dem Geld hinterher gerannt ist, der für ein gutes Geschäft seine Seele verkauft hätte und dabei habe ich das Wichtigste vergessen, was man im Leben besitzen kann: Meine Familie. Meinen Sohn!“ Er seufzte abgrundtief auf und fuhr sich mit seiner Rechten durch seine grauen Haarlocken, die wirr nach allen Seiten abstanden.

    „Ich war so ein hirnverbrannter Idiot gewesen! … Ihre Worte vor einigen Tagen in meinem Büro … Die haben wie ein Blitz bei mir eingeschlagen … mir die Augen geöffnet … und nun stehe ich da vor dem Scherbenhaufen.“ Wieder umschlang er Annas Hände und konnte das Zittern nicht unterdrücken. „Verstehen Sie? Ich liebe Ben …. Er ist mein Sohn … ich habe ihn immer geliebt und jetzt … jetzt …!“
    Das Würgen schnürte ihm die Kehle zu. Er konnte es nicht aussprechen, was er dachte. Jetzt … war es vielleicht zu spät, es ihm selbst zu sagen. „Ich war einfach blind … irgendwie blind und habe Peter vertraut. Ich weiß, dass entschuldigt nicht, wie ich mich ihnen gegenüber verhalten habe. Aber ich kann sie nur bitten … anflehen, mir zu verzeihen. Bitte, nennen sie mich Konrad, einfach Konrad und ich versuche, zumindest in Zukunft …!“ Seine Stimme versagte und er rang um seine Fassung. „Bitte Anna, bitte geben sie mir … Gib Du mir eine zweite Chance!“


    Er sah das ungläubige Staunen in ihren Augen, die weit aufgerissen waren. Konrad stand auf, zog sie an ihren Händen mit hoch und nahm sie einfach in den Arm.

    „Ich meine es ehrlich … Anna!“

    Er hörte ihr unterdrücktes Schluchzen und es war ihm egal, ob ihre Tränen sein teures Hemd benetzten, liefen ihm doch selbst stille Tränen über die Wangen.
    „Sie … ähm … du … liebst ja Ben wirklich!“, murmelte sie mehrmals vor sich hin.


    Als Konrad Bens Freundin mit seinen Armen umschlang und an seine Brust gedrückt hielt, fragte er sich zum wiederholten Male, wie hatte es so weit kommen können, dass er solche Fehler in seinem Leben gemacht hatte. Erst in den vergangenen Tagen hatte er erkannt, welche Intrigen sein Schwiegersohn Peter gesponnen hatte, welche Märchen und Halbwahrheiten dieser über seinen Sohn Ben und Anna ihm erzählt hatte, die arme Krankenschwester, die es nur auf den reichen Millionenerben abgesehen hatte. Und er, der alte Narr hatte sie geglaubt, in sich aufgesogen, wie ein ausgetrockneter Schwamm die Feuchtigkeit. Warum nur hatte er Ben nicht vertraut? Warum nur? Sich mit seinem Sohn ausgesprochen, er verstand es selbst nicht. Annas Besuch und die darauffolgenden Ereignisse in der Firma hatten ihm die Augen geöffnet, hatten Peter plötzlich in einem anderen Licht dastehen lassen. Über die Konsequenzen, die sich daraus ergaben, wollte er sich momentan nicht den Kopf zerbrechen. Alles was zählte, war Ben. Sein Sohn. Was hatte er in den letzten Tagen darum gebetet, dass Ben noch am Leben war, zurückkommen würde, er sich mit ihm aussprechen könnte, er sich mit ihm aussöhnen könnte. Vielleicht würde auch wieder diese alte Vertrautheit zwischen ihnen aufkommen, die es zwischen ihnen gegeben hatte, bis er seine berufliche Laufbahn als Polizist eingeschlagen hatte. Mittlerweile verstand er die Handlungsweise seines Sohnes. Jeder musste den für ihn vorbestimmten Weg gehen.
    Anna hatte sich wieder etwas beruhigt, löste sich von ihm und schaute ihn aus ihren rot unterlaufenen Augen an. Auch bei ihm waren die Tränen versiegt, deren er sich nicht schämte. Seine Stimme klang merkwürdig belegt.


    „Anna, ich schwöre es, ich mach alles wieder gut. Egal was die Polizei und dieser Staatsanwalt mir heute Nachmittag erzählt haben! Ben wird … nein! … Ben muss einfach wieder zurückkommen. Ich kann …!“ Er schüttelte sein Haupt, „Nein! … Ich will die Hoffnung einfach nicht aufgeben. Ben ist ein Kämpfer. Ja, mein Sohn ist ein Kämpfer, der gibt nicht auf. Und ich könnte mir keine größere Ehre vorstellen, als das er um deine Hand anhalten würde und du meine Schwiegertochter wirst.“
    Verzweifelt versuchte sie ihre Tränen zu unterdrücken, nickte ihm zu und murmelte, „Ich gebe die Hoffnung auch nicht auf. Tief da drinnen spüre ich, dass Ben noch am Leben ist!“ Dabei klopfte sie mit ihrer Rechten auf die linke Brusthälfte. „Doch ich muss gehen. Meine Freundin wartet auf mich und ich möchte nicht, dass sie sich unnötig Sorgen macht.“


    Zum Abschied drückte Konrad sie nochmals innig und sagte: „Pass auf dich auf Anna!“


    Er schaute ihr hinterher, bis sie auf den Krankenhausfluren verschwunden war. Wieder schalt er sich einen Narren, der sein Hirn ausgeschaltet hatte. Wie hatte er diese junge Frau, die mit so viel Herzblut seinen Sohn liebte, verkennen können.

    als Pferdefreundin bin ich schon mal beruhigt, die beiden Ponys sind auf dem Weg der Besserung ... oh ja ... dem Satz kann ich nur beipflichten:

    Ponys haben es faustdick hinter den Ohren :D:)

    ich kann sowohl die Meinung von Sarah als auch von Ben verstehen ... aber mal ganz ehrlich ... die beiden sollten es doch langsam gelernt haben ... miteinander reden hilft ...

    vielleicht mit so ein bisschen Versöhnung in einem Geheimkapitel :/

    „Anna! … Anna, du bist wirklich gekommen! Oh mein Gott, Semir hat Wort gehalten!“
    Bereitwillig räumte die Hebamme ihren Platz und beobachtete, wie sich die beiden jungen Frauen zur Begrüßung in den Armen lagen.
    „Frau Jäger?“, versuchte Marianne kurzzeitig Julias Aufmerksamkeit zu gewinnen, „Frau Jäger, ich müsste noch ein paar Kleinigkeiten von der Entbindungsstation für das Baby holen.“

    Nach dem missglückten Attentat hatte man Julia in ein anderes Einzelzimmer verlegt, dessen Zugang leichter zu bewachen war. Dieses bedurfte allerdings noch einiger Ausstattungsgegenstände für die junge Mutter, um das Neugeborene optimal versorgen zu können. Die Hebamme hatte während des Nachmittags schon eine Wickelauflage, Windeln und Pflegeutensilien herbeigeschafft.

    Die frischgebackene Mutter antwortete: „Geht in Ordnung Marianne, ich habe ja Gesellschaft!“
    Die Hebamme hatte schon bei der Umarmung der beiden jungen Frauen bemerkt, dass die Ärztin die richtige Ablenkung für Julia Jäger sein würde. Beruhigt verließ sie das Zimmer und schärfte den beiden Wächtern vor der Tür ein: „Lasst die Zwei da drinnen nach Möglichkeit ungestört!“

    Julia forderte Anna auf, zu sich auf die Bettkante zu setzen. Sie umschlang mit ihren Händen die Hände ihrer Freundin. Gegenseitig schütteten sie ihr Herz aus. Anna berichtete von dem verhängnisvollen Morgen, der letztendlich zum Konflikt und Rauswurf von Ben führte.
    „Du musst mich verstehen Julia, da war diese billige S.chlampe, zeigte mir Fotos von diesem süßen kleinen Jungen und behauptete, dass Ben der Vater sei. Und während Ben mir ewige Liebe und Treue geschworen hatte, behauptete diese Frau, er hätte gleichzeitig ein Verhältnis mit diesem billigen Flittchen. Und … und …!“
    Verdammt … verdammt… nicht schon wieder ein hysterischer Heulanfall versuchte Anna sich zusammen zu reißen. Nicht jetzt. Dieses Brennen in ihrer Kehle breitete sich unaufhaltsam aus, sie schluckte und schluckte, versuchte mühevoll das Aufschluchzen zu unterdrücken. Doch ihr Hormonhaushalt und Gefühlswelt spielte verrückt, ihre Emotionen kochten hoch. Einzelne Tränen lösten sich und rannen die Wangen herunter.

    „Oh mein Gott Anna! Bitte beruhige Dich doch! … Du brauchst dich nicht bei mir zu rechtfertigen. ... Zu entschuldigen ... Wohl jede Frau hätte im ersten Moment so wie DU reagiert!“
    Julia richtete sich etwas in ihrem Bett auf, zog Anna zu sich heran und umschlang sie mit ihren Armen.
    „Bitte, nicht weinen! Wir sind doch Freundinnen. Ich mache Dir keine Vorwürfe. Ich verstehe dich doch. Und du wirst sehen, wenn Ben die Wahrheit kennt, verzeiht er dir alles. … Mein Gott, mein Bruder liebt dich!“
    „Das ist es noch nicht alles! Ich bin schwanger Julia. An jenem Morgen hatte ich einen Schwangerschaftstest gemacht, weil meine Tage überfällig waren. Positiv! … Und dann … dann kam diese Bitch in meine Wohnung marschiert, grinste mich überheblich und siegessicher an …! Meine Zukunftspläne zerstört … meine große Liebe zerstört … ich …fix und fertig und einfach am Ende!“, stotterte Anna aufgelöst vor sich hin.
    „Hey, alles wird wieder gut Anna! Du wirst es sehen!“ Julia hielt Anna weiter im Arm und strich ihr liebevoll über den Rücken, während sie weiter sprach. „Aber du meintest doch noch vor wenigen Tagen, dass ihr euch mit Nachwuchs noch Zeit lassen wolltet. Ein Mitbringsel aus eurem Italienurlaub?“
    Statt einer Antwort, fing die junge Ärztin richtig an zu schluchzen.
    „Oh Anna, nicht weinen, sonst fange ich auch gleich an!“

    „Schon gut! … Schon gut!“, beschwichtigte die junge Ärztin ein bisschen tränenerstickt, „Es geht gleich wieder!“

    „Ich weiß gar nicht, wie ich es ausdrücken soll. ... Ich freue mich für euch! ... Für dich! ... Für Ben! … Weiß Ben etwas davon, dass er Papa wird?“ Julia strahlte plötzlich über das Gesicht. Ihre Traurigkeit war wie weggewischt. „Du wirst sehen, mein Bruder wird ein wundervoller Vater werden.“

    Anna löste sich aus der Umarmung, griff nach einem der Kleenex-Tücher und schnaubte hinein. Dabei bewegte sie den Kopf hin und her. Ein trauriger Ausdruck huschte in ihre Augen.

    „Nein, er weiß nichts davon … ich …!“ Die junge Ärztin kämpfte darum, die Kontrolle über ihr Gefühlschaos zu bekommen. Nicht noch ein Heul-Anfall. Was sollte Julia nur von ihr denken?
    Draußen brach zur selben Zeit der Gewittersturm so richtig los. Der Starkregen trommelte unaufhörlich gegen die Fensterscheiben. Julia hatte die richtige Therapie für Anna.
    „Willst du mal Finn nehmen?“
    Sie hatte es noch nicht ausgesprochen, als sie das Neugeborene Anna in die Arme legte. Deren Augen bekamen einen leuchtenden Glanz. Sie wisperte ihrer Freundin zu: „Kannst du dir vorstellen, wie stolz und glücklich Ben gewesen wäre, wenn er sein Patenkind im Arm gehalten hätte!“
    Anna wiegte sanft das Neugeborene, strich ihm zärtlich über das Gesicht und war hin und weg, als das Baby mit seinen winzig kleinen Fingern ihren Zeigefinger umklammerte und versuchte daran zu nuckeln. Binnen weniger Minuten waren die beiden Frauen in einem Gespräch über Schwangerschaft und die Geburt vertieft.

    Marianne, die Hebamme, öffnete leise die Zimmertür und lauschte dem Gespräch der jungen Frauen. Ihre Annahme hatte sich bestätigt, der Besuch der jungen Ärztin war die beste Therapie für die junge Mutter.

    Irgendwann fiel Annas Blick auf die Uhr, die über der Tür hing. Erschrocken meinte sie: „Oh Gott, ich bin schon viel zu spät dran. Anja wartet schon auf mich!“
    Sie zückte ihr Handy aus der Handtasche und informierte ihre Freundin über die Verspätung.

    „Du wirst schon sehen Anna, alles wird wieder gut!“ meinte Julia optimistisch zum Abschied. „Ich kenne doch meinen Bruder. Egal was passiert ist, Ben lässt sich nicht unterkriegen! Der gibt nicht auf!“
    Mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen, gab Anna zur Antwort: „Ja du hast Recht Julia! Ben lebt noch! Ich weiß nicht wieso und warum, aber ich kann es spüren!“

    Die beiden Frauen umarmten sich zum Abschied nochmals innig und die Ärztin verließ das Zimmer. Als sie den Gang entlang in Richtung der Stationstür schritt, wurde diese geöffnet und ein Mann kam ihr entgegen.
    „Na Klasse, das hat mir heute noch zu meinem Glück gefehlt!“, entfuhr es ihr leise. Die Begegnung war unvermeidlich.

    Auch ohne das er es aussprach, begriff sie, er hatte keine Spur von ihrem Freund.
    „Nein, tut mir leid Anna!“ Er seufzte. „Ich bin wegen Julia hier!“
    Mit wenigen Worten schilderte er der Ärztin, was sich am späten Vormittag auf der Privatstation zugetragen hatte. Blankes Entsetzen und ein Anflug von Panik erfassten Anna. Sie fing an zu zittern und ihre Knie wurden weich.


    „Ich stand seit zehn Uhr im OP. Dringender Notfall, deswegen musste sogar ich mit ran. Auf Grund von Komplikationen zog sich der Eingriff länger, als erwartet hin. Da drinnen kriegst du nichts mit, was außen herum passiert.“, meinte sie entschuldigend und schwieg einen Moment, dachte daran, dass es wohl für lange Zeit ihre letzte OP gewesen war. Ihr Chef hatte sie auch nur aus Personalnot heraus nochmals zur Unterstützung an den OP-Tisch gelassen.


    „Und was ist mit Julia und dem Kleinen? Geht es ihnen gut?“ hauchte sie tonlos. Automatisch ließ sich auf einen der Plastikstühle nieder, Semir stand auf. Er nahm einen der Plastikstühle und stellte ihn vor Anna hin. Darauf nahm er Platz und umschlang Annas Hände.
    „Alles gut! Die Aufregung hat Julia zugesetzt. Außerdem hatte sie heute Morgen eine heftige Auseinandersetzung mit Peter. Er hat durch seine Anweisungen verhindert, dass sowohl du als auch ich sie in den letzten Tagen besuchen konnten.“
    „Oh mein Gott!“, entfuhr es ihr und entsetzt schlug sie ihre Hände vor ihr Gesicht. „Ich habe es die ganze Zeit über geahnt, dass Peter dahintersteckt. Nur ihm traue ich so was zu. Was wird nur Julia von mir denken? Dass ich sie im Stich gelassen habe?“
    Von draußen war das erste dumpfe Grollen des Donners zu hören. Der Himmel fing an sich zu verdunkeln. Semir umfasste Annas Schultern.
    „Hey, Julia kennt die Wahrheit und ich glaube, sie könnte im Moment etwas moralische Unterstützung und eine gute Freundin gebrauchen.“
    „Ich muss auf Station noch dringenden Papierkram erledigen. Aber wenn ich mich nach Dienstende umgezogen habe, gehe ich sofort zu ihr!“
    „Halt Anna! Da ist noch etwas.“ Semir kniff die Lippen zusammen. „Ich denke, du bist ebenfalls in Gefahr!“
    „Ich?“, fiel sie ihm ins Wort „Wieso ich?“
    „Bitte Anna! Kannst du dir nicht ein paar Tage frei nehmen und zu deinen Eltern fahren? Ich würde mich wohler fühlen, wenn du dort in Sicherheit bist.“
    Die junge Frau überlegte, bevor sie antwortete: „Muss das wirklich sein? Ich bin doch schon seit Tagen bei Anja zur Untermiete eingezogen. Reicht das nicht aus? Ich will hier in Köln sein, wenn du Ben findest!“
    „Ehrlich?“ Er ließ die Frage für einige Atemzüge im Raum stehen, bevor er weiter sprach. „Mir wäre wohler, wenn du eine Zeit lang aus Köln verschwinden würdest. Ich könnte Ben niemals mehr in die Augen schauen, wenn dir etwas passiert. Bitte, denk noch mal drüber nach! Keine Angst, ich informiere dich sofort, wenn ich Neuigkeiten von Ben habe.“
    „Na gut!“ lenkte sie ein bisschen ein „Ich habe morgen früh noch einen wichtigen Arzttermin. Danach werde ich mit meinem Chef reden!“
    In Gedanken fügte sie hinzu, mit dem Schwangerschaftsattest ihrer Frauenärztin sollte eine Freistellung von der Arbeit kein Problem sein. Erleichtert atmete Semir auf. Er hatte mit mehr Widerstand gerechnet. Anna konnte genauso eigensinnig und dickköpfig sein wie Ben. Zum Abschied schärfte der Kommissar ihr nochmals ein „Bitte pass auf! Wenn dir irgendetwas komisch vorkommt, ruf mich an! Versprich es mir!“
    „Zu Befehl!“ sie salutierte dabei andeutungsweise „Papa Semir, mache ich!“
    Der Satz entlockte dem Türken ein Schmunzeln. Sie umarmten einander und verabschiedeten sich.


    ****


    Uni-Klinik Köln
    Draußen zog das Gewitter unaufhaltsam näher. Semir war zurück auf die PAST gefahren. Anna huschte durch die langen Gänge von den Umkleideräumen im Kellergeschoß zurück in Richtung des Treppenhauses. Hier unten waren die Temperaturen erträglich. Die Ärztin genoss die angenehme Kühle. Das Grollen des Donners kam näher. Auf der Privatstation angekommen, atmete die junge Ärztin erleichtert auf. Diese Krankenstation besaß das Privileg einer Klimaanlage. Freundlich wurde sie von ihren ehemaligen Kolleginnen begrüßt. Überall gab es noch hitzige Debatten wegen des Überfalls auf Julia Jäger am Vormittag. Doch Anna ließ sich nicht aufhalten, als eine der Schwestern versuchte, sie in ein Gespräch zu verwickeln. „Nicht jetzt Lisa, später vielleicht. Ich will erst mal zu Frau Jäger!“
    Vor der Zimmertür von Julia saßen ein älterer Polizist und ein Zwei-Meter-Typ, der definitiv einer Bodybuilder Fabrik entsprungen war. Zwischen dem Security und Anna entbrannte eine heftige Diskussion.


    „Tut mir leid, Frau Dr. Becker. Aber sie stehen nicht auf der Besucherliste und der Liste der behandelnden Ärzte, die mir Herr Kreuzer-Jäger übergeben hat.“


    „Hör mal zu Popey! Ich weiß ja nicht, aus welcher Mucki-Bude die dich raus gelassen haben. Vielleicht haben Sie dir ja auch ein bisschen was von deinem Spatzenhirn gelassen, denn entweder du lässt mich da rein zu Frau Jäger, auf deren ausdrücklichen Wunsch ich extra hier bin oder du hast so was von Ärger am Hals, wegen Freiheitsberaubung …!“, drohte Anna, „denn seit wann hat Peter Jäger zu bestimmen, wer seine Frau besuchen darf und wer nicht!“

    Diesmal ließ sich Anna nicht einschüchtern oder abwimmeln. Beeindruckt von dem couragierten Auftritt der Ärztin gab der Security Mann nach.

    „Ich frage mal vorsichtshalber bei Frau Jäger nach, wenn sie sich bitte einen Moment gedulden?“ Sprach es, drehte sich um und klopfte sachte an der Tür. Er steckte seinen Kopf in den Türspalt und murmelte „Entschuldigen Sie die Störung Frau Jäger! Hier ist eine Frau Dr. Becker, die zu ihnen möchte!“


    „Anna? … Anna ist hier! Warum lassen sie die nicht rein?“, forderte Bens Schwester „Popeye“ auf Anna durchzulassen. Er trat zur Seite und gab für Anna den Weg frei.

    Semir saß im Wartebereich vor dem OP-Saal und wartete auf Anna. Zusammen mit ihm schienen die Angehörigen des Patienten das Ende der Operation herbeizusehnen. Die beiden Frauen waren offensichtlich Mutter und Tochter, mutmaßte er auf Grund ihrer äußerlichen Ähnlichkeit. Während die ältere Weißhaarige ständig vor sich hin schluchzte, wurde sie von der jüngeren Frau liebevoll im Arm gehalten und getröstet. Der Eingriff sollte seit einer halben Stunde zu Ende sein. Eine OP-Schwester hatte Semir versprochen, die junge Ärztin sofort zu ihm zu schicken.


    Der Kommissar beachtete die beiden Frauen nicht weiter und hing selbst seinen trüben Gedanken hinterher. Zum einen war da Anna. Er bewunderte die junge Frau. War sie noch vor Tagen in Tränen aufgelöst gewesen, geplagt von ihren Schuldgefühlen zu keiner vernünftigen Handlung mehr fähig gewesen, hatte sie sich gewandelt. Dem Türken war klar, dass sie ihr wahres Gefühlsleben hinter einer Maske verbarg, aber das beherrschte sie meisterhaft. Zum anderen war da der Attentatsversuch auf Julia Jäger, der ihm zeigte, dass es hier nicht nur um Ben ging, sondern auch die wichtigsten Bezugspersonen in dessen Umfeld zu potentiellen Anschlagszielen von Gabriela Kilic zählten. Seiner Meinung nach befand sich auch Anna in größter Gefahr und sollte ebenso wie Julia Jäger Personenschutz bekommen. Leider sah dies der Staatsanwalt van den Bergh wieder einmal anders. Zwischen den beiden Männern war abermals ein hitziges Wortgefecht entbrannt, als dieser Semirs Vermutung als Hirngespinst verharmloste. Nie hätte Semir gedacht, dass er die Rückkehr von einer Frau Dr. Schrankmann herbeisehnen würde.


    Er hatte sein Gesicht in seinen Händen vergraben. Sein Kopf schmerzte. Dazu peinigte ihn die Ungewissheit über Bens Schicksal. Der Warteraum heizte sich durch die pralle Nachmittagssonne, die gnadenlos auf die Fensterfront brannte, langsam auf. Kleine Schweißperlen standen auf Semirs Stirn. Außerhalb des Gebäudes wurde die Luft durch die tropische Hitze und Schwüle nahezu unerträglich. Semir erhob sich von seinem Plastikstuhl, an dem er förmlich festzukleben schien. Der Schweiß hatte seine Kleidung durchtränkt. Durch das Fenster beobachtete er die menschenleeren Straßen. Wer konnte, blieb an solch einem Tag im kühlen Inneren eines Hauses oder suchte sich einen schattigen Platz an einem Badesee oder Freibad. Am Horizont türmten sich die ersten riesigen Wolken auf, die Vorboten der angekündigten Gewitterfront, die der tropischen Hitzewelle ein Ende setzen sollte. Im Hintergrund hörte er einen Arzt, der leise mit den Angehörigen des Patienten redete. Das Stimmengewirr hinter ihm nahm an Lautstärke zu.


    Eine der OP-Schwestern hatte Anna mitgeteilt, dass ein Polizist von der Autobahnpolizei im Warteraum vor dem OP-Bereich auf sie wartete. Während sie ihre OP-Kleidung abstreifte und in die dafür vorgesehenen Behälter warf, fiel ihr Blick auf ihr Spiegelbild. Nach wie vor zeichneten sich unter ihren Augen dunkle Ringe ab. In ihr glomm ein Funken Hoffnung auf, dass der Türke die erlösende Botschaft für sie hätte. Ben war gefunden worden. Gleichzeitig hämmerten die nagenden Zweifel auf sie ein. Seit einigen Tagen wohnte sie bei ihrer Freundin Anja. Die Ärztin hatte es einfach in ihrer Wohnung nicht mehr ausgehalten. Anja hatte extra ihre Schichten getauscht, um abends und nachts bei Anna zu sein. Die einfühlsamen Gespräche an den langen Abenden waren Balsam auf der geschundenen Seele der Ärztin gewesen. Sie rief sich das Gespräch des ersten Abends ins Gedächtnis zurück.


    Wieder einmal hatte ein Heulanfall sie in ihrer Verzweiflung übermannt. Anja hatte sich zu ihr auf das Sofa gesetzt, ihren Kopf auf ihren Schoss gebetet und war ihr beruhigend mit ihren Fingern über das Haar gestrichen.
    „Kindchen … Kindchen! So geht das mit dir nicht weiter!“, murmelte sie. Die erfahrene Intensivschwester hatte während ihres beruflichen Alltags schon viele menschliche Tragödien erlebt und wandte ihren ganzen Erfahrungsschatz an.

    „Ich verstehe dich ja, besser als du denkst!“, und ihre Stimme wurde auf einmal sehr ernst. „Das war ich dir jetzt sage, hört sich brutal an, aber es ist die Wahrheit. Egal wie viele Tränen du noch vergießen wirst, keine Einzige wird dir Ben zurückbringen, keine Einzige kann rückgängig machen, dass ihr euch im Streit getrennt habt. … Verstehst du! Keine!“ Sie umfasste dabei Annas Kinn, blickte ihr direkt in deren dunklen Augen und wischte mit ihrem Daumen ein paar Tränen von den Wangen. „Du hast zwei Möglichkeiten. Entweder du verzweifelst daran, verlierst dich in deinem Selbstmitleid und gehst daran zu Grunde und dein Herz zerbricht endgültig. Oder du beißt endlich die Zähne zusammen.“ Dann tippte sie mit ihrem Zeigefinger auf die linke Brusthälfte. „Ich weiß, der Schmerz, den du da drinnen im deinem Herzen empfindest, zerreißt dich. Nichts und niemand wird ihn lindern können, ja außer der Zeit. Mit der Zeit wirst du lernen, damit zu leben, denn die Zeit heilt alle Wunden. Du bist nicht der erste Mensch, den ein Schicksalsschlag gnadenlos trifft. Niemand kann dir vorhersagen, ob man Ben jemals finden wird. Niemand!“

    In Gedanken fügte sie hinzu, ob man ihn lebend finden würde. Dabei hatte Anja die Bilder des vergangenen Jahres, als der junge Polizist auf der Intensivstation um sein Leben kämpfte, noch im Kopf. Ihre Rechte wanderte tiefer zu Annas Unterbauch und strich zärtlich darüber.

    „Da drinnen wächst neues Leben heran. Es ist euer Kind. Bens Kind. Du hast die Verantwortung für dieses kleine Würmchen. Es deine Zukunft! Es ist eure Zukunft und sollte dir Hoffnung geben.“

    Anja zog Anna etwas höher an ihre Brust heran, so dass sie den Herzschlag der Älteren hören konnte. Das gleichmäßige Pochen hatte etwas Beruhigendes für sie gehabt, bedeutete es Leben.


    Langsam schritt Anna den langen Gang entlang bis zum Wartebereich. Schon von weitem erkannte sie den Türken, der auf dem Boden kauerte, seine Arme hatten seine Beine umschlungen und seine Stirn ruhte auf den Knien.


    „Semir?“, sprach sie ihn leise an und tippte ihm auf die Schulter. Der Türke blickte auf und erhob sich etwas schwerfällig aus seiner kauernden Haltung.
    Anna stand vor ihm und strahlte ihn hoffnungsvoll an.

    „Hast du Neuigkeiten von Ben? Hast du ihn gefunden?“

    Kurze Zusammenfassung … was bisher geschah:


    Teil 1


    Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände wurde Ben zusammen mit Andrea und Aida entführt. In dem Glauben, dass Ben Jäger Informationen verheimlichen würde, wurde der Kommissar von seinen Entführern grausam misshandelt. Allen widrigen Umständen zum Trotz gelingt den drei Gefangenen die Flucht. Bei dem Ausbruch aus dem Schuppen wurde der Bruder von Gabriela Kilic von Ben getötet.
    Obwohl der Polizist schwer verletzt ist, folgte er Andrea und ihrer Tochter auf dem Weg in die Freiheit durch ein unwegsames Waldgelände und stürzte tragischer Weise einen Abhang hinunter. Es kommt zu dramatischen Szenen bis letztendlich Ben im Krankenhaus die Liebe seines Lebens, Anna, kennenlernt und Gabriela Kilic von einem Gericht zu einigen Jahren Haft verurteilt wird.
    Im Gerichtssaal schwört die Kroatin dem verhassten Polizisten Ben Jäger grausame Rache.


    Teil 2
    Nach einem wunderschönen Urlaub mit seiner Freundin Anna Becker, beginnt für Hauptkommissar Ben Jäger der Arbeitsalltag. Doch die Freude, seinen Kollegen Semir Gerkhan wieder zu sehen, wird durch die Spannungen in dessen Ehe mit Andrea getrübt. In der Ehe kriselt es gewaltig, was auch Einfluss auf das freundschaftliche Verhältnis zwischen Ben und Semir hat.
    Privat schwebt Ben auf Wolke 7 mit seiner großen Liebe Anna, bis sich seltsame Vorfälle in seinem privaten Umfeld mehren. Es kommt durch Intrigen, zu Vorwürfen und zu guter Letzt gerät er unter Mordverdacht. Ben verliert seinen Job verliert und das Vertrauen seiner Arbeitskollegen. Sein einziger Halt in dieser Zeit ist seine Freundin Anna. Durch üble Machenschaften kommt es zu einem heftigen Streit zwischen Ben und Anna und die große Liebe steht vor dem endgültigen Aus. Am gleichen Abend verschwindet der junge Kommissar spurlos.
    Aufgerüttelt durch die Flucht von Gabriela Kilic, beginnt Semir intensiv eigene Untersuchungen anzustellen und die Taten, die seinem Freund und Partner zur Last gelegt worden waren, in einem anderen Licht zu betrachten. Bei ihm mehren sich die Zweifel und er hegt die Vermutung, dass diese Frau Ben entführen ließ. Allein der Gedanke daran, dass sein Freund und Partner sich in der Gewalt dieser Frau befand, trieb ihn an dem Rand des Wahnsinns.
    Als sich Gabriela Kilic, als diejenige outet, die die Fäden im Hintergrund gezogen hat, erkennt Ben Jäger, wer für seinen Alptraum der letzten Tage und Wochen verantwortlich ist. Für den Kommissar beginnt ein langer und schwerer Überlebungskampf. In den Tagen seiner Gefangenschaft bereitet Gabriela Kilic Ben die Hölle auf Erden. Mit allen Tricks versucht diese Frau ihr Opfer psychisch und physisch zu brechen, um ihn für den Tod ihres Bruders Luca und für ihren Gefängnisaufenthalt büßen zu lassen. Als sie ihm schließlich droht, vor seinen Augen Anna und Julia zu töten, trifft Ben eine schwere und einsame Entscheidung. Um das Leben seiner Liebsten zu retten, opfert er sich selbst.

    Doch sein Plan missglückt und schwer verletzt beginnt Ben Jäger seinen letzten Kampf.

    ich rätsle gerade ein wenig vor mich hin :/

    was verbindet Felix und Chloe ... dieser Austausch von Blicken ... die Kommunikation ohne Wort ... nur die Blicke ... ich konnte mir die Szene gedanklich gut vorstellen und dennoch komme ich nicht hinter Chloes Geheimnis

    Warum hilft sie Felix? Was fasziniert sie an dem Jungen?

    was zieht sie so magisch zu dem Jungen hin? ist es, weil er so anders ist ...?

    und zum Schluss bleibt die Suche nach Felix Schwester?

    die kleine Aussprache zwischen Semir und Andrea hat mir gefallen.

    Aber weißt du, was ich vermisst habe? :/

    Semir fragt nicht einmal nach Ben. :(

    und Andrea ... nachdem sie die Wahrheit kennt, Semir zugegeben hatte, dass Ben ja gar nichts für die "Lüge" konnte, hätte ich erwartet, dass sie ihr Handy nach dem Verlassen der Intensivstation zückt und Ben und Sarah informiert ... vielleicht auch so eine kleine Entschuldigung, dass sie ein wenig überreagiert hat, was ja durchaus verständlich ist.


    so eine kleine Aussprache wünsche ich mir auch zwischen Ben und Sarah ... :)

    zu Ben selbst: ob der nicht ein wenig mit seinem verletzten Bein übertreibt :/Irgendwann rächt sich der Körper für so ein Verhalten ... warten wir es ... im Moment wünsche ich dem Dunkelhaarigen einen Besuch bei seinem Freund am Krankenbett ... mit viel Emotionen

    „Vorerst kein Wort zu den Albanern, dass dieser Rashid tot ist, vor allem dieser Sascha Celik darf nichts davon wissen. Es reicht, wenn die komplette Polizei von Nordrhein-Westfalen hinter dir her ist. Da brauchen wir diese albanischen Hackfressen nicht auch noch im Genick!“ Wieder nickte sie zustimmend. „Gut, dann hätten wir ja einiges geklärt!“ brummte er.

    In Gabrielas Mimik arbeitete es. Entgegen ihrer sonstigen so dominanten Art verhielt sie sich zurückhaltend und schweigsam. Daher legte er noch einen nach.
    „Hast du überhaupt schon mal einen Gedanken daran verschwendet, was du nach deinem Rachefeldzug unternehmen willst? … Zurück in den Knast gehen, wo wir dich rausgeholt haben? …. Was? …. Sag mir was?“


    Als Antwort erntete er ihr Schweigen.


    Im einem scharfen Tonfall brüllte er sie an: „Also, ich höre! … Welche Pläne hast du für deine Zukunft Gabriela? Camil oder ich möchten wieder nach Kroatien oder Serbien, wenn diese Aktion hier zu Ende ist und nicht in irgendeinem deutschen Gefängnis bis an unser Lebensende vermodern.“


    Sie schluckte, ihr Körper vibrierte und etwas kleinlaut gestand sie ihrem ehemaligen Ausbilder: „Darüber habe ich mir noch keine endgültigen Gedanken gemacht!“


    „Keine! Ich glaube es nicht!“, er lachte lauthals und voller Ironie auf und schüttelte ungläubig den Kopf, „Dann wird es wohl langsam Zeit! Laut Camil macht es der Kerl da unten im Keller nicht mehr lange! Ein paar Stunden vielleicht noch oder er hat den Löffel bereits abgegeben! Einen nochmaligen Mordanschlag an Julia Jäger kannst du dir mal aus dem Kopf schlagen. Die wird, wie der Rest der Familie Jäger, wie das Gold in Fort Knox bewacht. Also, was hast du vor? Wer steht noch auf deiner Liste des Todes? Gerkhan?“ Dabei deutete er auf ihren verstümmelten rechten Oberarm, „Wenn du mich fragst, sollten wir hier unsere Zelte abbrechen und schleunigst verschwinden! Gib dem Bullen im Keller den Gnadenschuss und schmeiß seine Leiche seinen Bullenkollegen auf die Autobahn. Dort können sie seine Reste vom Asphalt zusammenkratzen.“ Er legte eine kleine Pause ein und suchte Blickkontakt mit ihren Augen. Seine Stimme klang milder. „Lass uns für einige Monate untertauchen und Gras über die Sache wachsen. Der Türke läuft dir nicht weg.“


    Remzi drehte sich um und wollte das Zimmer verlassen. Unter dem Türrahmen hielt einen Moment inne und wendete sich der Kroatin nochmals zu.


    „Also denk nach, Gabriela! Ich reinige mit Camil in der Zwischenzeit den Kellerraum, beseitige alle verräterischen Spuren im Haus und entsorge die Leiche. Bis zum Abend erwarte ich eine Entscheidung von dir oder ich bin morgen früh weg!“


    Nachdenklich stapfte der Serbe in den Keller zu seinem Freund Camil.
    Remzis Laune war an dem absoluten Tiefpunkt angelangt, als er den Kellerraum betrat und sie besserte sich auch nicht, als er die Leiche des Albaners sah.


    „Schöne Sauerei!“, kommentierte er.


    „Hey, rauch erst einmal eine Kippe!“, meinte Camil und hielt ihm auffordernd die Zigarettenschachtel hin. „Beruhigt die Nerven!“

    Die beiden Söldner durchschritten den Raum zur geöffneten Terrassentür. Während sie am Türrahmen lehnend tief den Rauch der Zigaretten inhalierten, informierte Remzi seinen Freund über das Gespräch mit Gabriela und das Ultimatum, das er ihr gesetzt hatte. Zustimmend nickte der Jüngere. Daraufhin beratschlagten die beiden, wohin sie die Leiche entsorgen könnten.

    „Wo ist die kleine Russin?“, fragte der Grauhaarige nach. „Hat Gabriela sie auch gekillt?“
    Er blickte sich suchend im Raum um.

    „Nein, der ist nichts passiert! Ich habe sie nach oben auf ihr Zimmer geschickt!“

    „Sehr gut!“ Genüsslich leckte sich Remzi über die Lippen. „Die gehört heute Nacht mir oder bist du auch auf sie scharf?“

    „Warum nicht?“, meinte der Schnauzbärtige grinsend, „Wenn du mir was übrig lässt ist oder habe ich Vortritt? Vielleicht so wie in alten Zeiten? Gegen so ein Häschen im Bett hätte ich nichts einzuwenden. Was Maria nicht weiß, macht sie nicht heiß!“


    Spöttisch lachte er auf und sein Freund fiel in das Lachen mit ein. Voller Vorfreude glitzerten seine Augen.


    „Übrigens, wie geht es dem Bullen? Lebt er noch?“, erkundigte sich Remzi, als er seine dritte Kippe achtlos nach draußen in Richtung des leeren Pools schnippte.

    „Bevor du runter kamst, war ich bei ihm. … Ja, er lebt noch. Der Bursche ist unglaublich zäh. Trotzdem, die Nacht wird er mit den Verletzungen nicht überleben!“ Er klopfte seinem Kumpel auffordernd auf die Schulter, „Komm lass uns anfangen, sonst werden wir niemals fertig. Ich denke morgen früh geht es zurück in die Heimat.“


    *****

    In seinem Kopf breitete sich plötzlich ein schallendes Gelächter aus. Das Lachen wurde lauter und lauter. Gehässig … bösartig …
    „Na wie gefällt dir das Jägerlein?“, drang die Stimme der Kroatin zu ihm durch. Er wandte seinen Kopf suchend umher und erblickte seine Schwester.
    „Julia!“, entfuhr es ihm. Völlig entsetzt blickte er in ihre Richtung. Sie lag in einem Krankenbett und ihr Nachthemd, die Zudecke und das Kopfkissen waren blutdurchtränkt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihren Bruder anklagend an.
    „Du bist schuld Ben! … Du bist schuld daran, dass sie mich umgebracht haben!“ hauchte Julia. Sie verstummte und aus ihren Augen wich das Leben.

    „Nein! … Nein!“, schrie er, „das ist doch alles nicht wahr!“

    „Na, wie fühlt sich das an, der Mörder seiner Schwester zu sein, Jägerlein?“, wisperte Gabriela, die neben dem Totenbett auftauchte. Ihr Tonfall troff vor falschem Mitleid.

    „Neiiiiiiin!“, brüllte Ben nochmals lauthals. „Neiiiiiin! …. Juliaaaaaaaaaaa!“


    Er schlug seine Hände vor das Gesicht, um seine Augen zu bedecken. Er konnte diesen grausamen Anblick nicht länger ertragen. Von einer Sekunde zur anderen verstummte das schauderhafte Gelächter der Kroatin.


    Stattdessen verbreitete sich ein unsagbarer Schmerz in seinem Körper, schien ihn förmlich innerlich aufzufressen. Ben riss die Augen auf und blinzelte den Nebel, der davor waberte, weg. Er fand sich liegend auf einem weichen grauen Untergrund wieder. Einzelne Erinnerungsfetzen kamen auf … da waren wieder die Szenen des Attentats auf Julia … der Schuss des Albaners … auf einmal war alles wieder da. Er war bereit gewesen, das größte Opfer zu bringen, welches ein Mensch für andere geben kann: Sein Leben. Er wollte sterben, um das Leben derer, die er am meisten liebte zu retten.


    Welchen Preis sollte er noch zahlen?


    Was verlangte das Schicksal noch von ihm?


    Warum hatte dieser hasserfüllte Narr nur so daneben gezielt und sein Leid, seine Qualen noch vergrößert? Warum?


    Unbarmherzig brandete in Intervallen eine neue Feuerlohe aus Schmerz nach der anderen durch seinen Körper, wütete in seinem Leib. Ben krümmte sich zusammen, brüllte seine Höllenpein hinaus. Dabei kam nur ein klägliches Wimmern über seine Lippen. Der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen, die sich einsam ihren Weg über seine Wangen suchten. Mit den Fingern seiner rechten Hand tasteten er über seinen Bauch, spürte den weichen Mull des Verbandes. Herzzerreißend stöhnte er auf … eine Frage hämmerte in seinem Kopf herum … Wie lange würde seine Leidenszeit noch dauern, bis es endgültig vorbei ist.

    Ben war beseelt von dem Wunsch zu sterben … es sollte einfach vorbei sein … er konnte, nein er wollte nicht mehr kämpfen. Langsam schwand sein Bewusstsein und er driftete ab in die Schattenwelt.

    Ende des zweiten Teils ….