"Lars!!", begrüsste ihn der Patient dann endlich erfreut und ein wenig heiser, "Was führt dich denn hierher? Ich dachte du bist in Moskau, weil du da ein wichtiges Geschäft abwickeln musst! Das sagtest du doch, oder?"
Ja, das sagte ich. Das ging nur schneller als ich vermutete und da dachte ich, ich nutze die geschenkte Zeit und besuche dich hier."
Frieds Augen leuchteten. Wie lange hatte er sich schon danach gesehnt ihn im Krankenhaus zu besuchen, doch es war einfach nicht möglich gewesen.
Der Mann setzte sich vorsichtig in seinem Bett auf und empfing Fried mit einer herzlichen Umarmung.
"Und? Wieviel hast du für den Laden bekommen?", fragte ihn der ältere Mann und lehnte sich wieder zurück.
"Nicht so viel wie ich mir erhofft habe, aber genug. Es hat sich gelohnt."
Kurz kehrte Stille ein und beide sahen sich nachdenklich an.
"Ja? Das freut mich. Ich habe ja mitbekommen wie schwer das für dich war den Laden wieder ins Geschäft zu bringen. Der Vorbesitzer hat den Ruf ja ziemlich zugerichtet, sonst wäre er nicht pleite gegangen.?
`"Ja, da hast du wohl recht, Vater"
Seit Fried den Hangmen gegründet hat, war er kaum dazu in der Lage seine Eltern zu besuchen. Daraus ergab sich auch die Distanz zu seinen Eltern, die schon allein im Umgang mit ihnen deutlich wurde. Als Hangmen gehörte es sich nicht noch Kontakt zu seiner Familie zu haben. Seit Jahren log er seinen Eltern vor ein Geschäftsmann zu sein, der international Firmen aufkauft die pleite gegangen sind, sie wieder aufpäppelt und gewinnbringend weiterverkauft. Ein Job, bei dem man pausenlos unterwegs war, was seine dauernde Abwesenheit gegen?ber seinen Eltern erklären konnte, ohne, dass sie Verdachte schöpften.
"Und? Wie gehts Mutter? Ich hab leider nicht vie Zeit und kann sie nicht besuchen. Ich hoffe ihr habt mein Geschenk bekommen?
Der alte Mann lächelte und genoss die Zeit, die er gerade mit seinem Sohn verbringen konnte.
?Ihr gehts gut. Sie war bis gerade bei mir und..ja. Wir haben dein geschenk bekommen, aber das wäre doch gar nicht nötig gewesen!?
"Warum? Gefällt euch das haus nicht? Vater ich mache viel Gewinn und möchte euch daran teilhaben lassen. Von eurer Rente lebt ihr sicherlich nicht wie Gott in Frankreich"
"Ne aber du lässt uns monatlich ja auch 5000? zukommen."
Fried errötete leicht. Ja, er tat viel für seine Eltern, aber das war es ihm auch wert. Er liebte sie!
"Ihr seid mir eben wichtig!"
"Du uns auch. Darum solltest du eigentlich mal öfters vorbeischauen, aber ich weiss ja du hast keine Zeit. Dein Besuch wäre uns aber lieber als dein Geld, ich hoffe das weißt du.?
Fried blickte seinen Vater lange an. "Ja!"
Hesse befand sich zur gleichen Zeit auf der Intensivstation. Maskiert durch einen weissen ärztekittel, der jegliche neugierigen Blicke abwehrte und ihm Zutritt zu jedem Zimmer gestattete.
Seine Augen flohen von Zimmer zu Zimmer, die mithilfe von großen Scheiben gut einzublicken waren.
Er suchte bereits seit mehr als 10 min. Gelangweilt zog sein Blick nun durch den steril wirkenden Gang in dem immer mal wieder Angehörige von Patienten auf stabilen Holzkonstruktionen saßen und nachdachten. Er vermochte gar nicht daran zu denken, was jetzt gerade im Kopf der Menschen vorging, die Angst um ihre Angehörigen hatten. Hier auf der Intensivstation war die ganze Atmosphäre vor vorne herein bedrückt. Hier lagen nur Schwerverletzte, um denen es schlecht stand und dazu müsste seinen Informationen nach auch Tanja gehören.
Eisern durchschritt er den Flur, bis er in einer kleineren Entfernung einen Polizisten vor einer Eingangstür entdeckte. Sofort warf er einen Blick in das dazugehörige Zimmer und bestätigte somit seine Annahmen- Tanja, bewacht von einem dienstfaulen Polizist der desinteressiert in einer Tageszeitung blätterte.
äh, entschuldigen sie.?, holte Hesse den Mann in die Gegenwart zurück.
"Im Schwesternzimmer wartet ein Telefonat auf sie. Ein gewisser.....??hm......Herr...?
Hesse überlegte angestrengt. Welchen Namen müsste er jetzt nennen um den Polizisten dazu zu bewegen seinen Posten zu verlassen?
"Es tut mir Leid, aber ich darf hier nicht weg!?, unterbrach ihn der Polizist.
"Ja, aber der sagte es sei unheimlich wichtig!!!"
"Trotzdem. Ich darf hier nicht weg. Wenn es soo wichtig ist, soll er pers?nlich vorbeikommen oder jemanden schicken, aber ich darf meinen Posten hier unter keinen Umst?nden verlassen!?
*Meine Güte! Seit wann gibt es hier in Köln denn bitte so pflichttreue Polizisten?*, ?rgerte sich Hesse. Anstatt aber wieder zu gehen, entschloss er sich dennoch Tanjas Zimmer zu betreten.
"In Ordnung, aber ich muss die Blutwerte der Patientin überprüfen und die Infusion erneuern!`", berichtete er im routinierten, ärztlichen Wichtigtuerton.
Der Polizist inspizierte in angespannt, gestatte ihm dann aber den Zutritt.
*Na toll. Drin bin jetzt aber der Idiot sitzt noch immer vor der Tür!!*
Leise schritt er auf das Bett zu. Jeder Schritt wurde vom Piepen der Ger?te unterstrichen, die das Geräusch der Schritte gleichzeitig verschlungen.
Tanja bemerkte den Besuch dennoch und blickte Hesse nachdenklich an.
"Hey, wie gehts dir??, fragte Hesse mitfühlend.
"Ganz gut. Der Schuss ging so gut wie ins Leere, wenn du verstehst was ich meine. Ich liege hier nur vorsorglich ein Tag auf der Intensiv. Du bist gekommen um mich umzubringen, was?"
Tanjas Direktheit warf ihn fast um. Seine Gesichtszüge zeigten ihr seine Unglüubigkeit, doch die Wahrheit konnte er nicht leugnen.
"Ja, eigentlich schon. Du kennst Fried ja.?, gab er kleinlaut flüsternd zu.
Hesse schritt zurück zum Fenster, warf kurz einen Blick in den Flur und schaute, ob irgendjemand auf ihn Aufmerksam geworden oder ob Krankenhauspersonal auf dem Weg ins Zimmer war"hakte Tanja währenddessen nach.
"Ach, ich lass mir da schon was einfallen. Du musst mir aber versprechen, dass du den Mund hältst, wenn du verhört wirst. Die Polizei wird hier 100%ig gleich auftauchen und ich muss mir sicher sein, dass du nichts sagst.?
"Ja natürlich. Keine Frage. Hättest du was anderes erwartet? Bei Fried wundert es mich ja nicht, aber würdest du mir nicht vertrauen, würdest du mich sehr enttäuschen Hesse!"
Hesse dachte kurz nach. Sein Blick verriet seine überzeugung und so gab er Tanja einen Kuss auf die Stirn und machte sich wieder aus dem Staub.
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"Die neuen Untersuchungen haben gezeigt, dass sich das Sprachzentrum von Herrn Gerkhan ein wenig erholt hat. Ich bin sehr optimistisch, dass er letzten Endes keine großen bleibenden Schäden davontragen wird.
Vielleicht sehr kleine Sprachfehler wie ein leichtes Lispeln oder gelegentliches Stottern, mehr aber nicht", berichtete der Oberarzt selbstsicher und spendete Andrea trost.
"Sie müssen nur Geduld haben. Man kann nichts erzwingen. Entweder es kommt oder es kommt nicht. Lassen sie ihm Zeit und alles wird gut, Frau Schäfer. Mehr kann ich ihnen dazu nicht sagen.
Bis seine anderen Verletzungen verheilt sind, wird es ebenfalls noch etwas dauern.
Ich denke wir werden ihn in frühestens 2 Wochen entlassen können. Bis dahin braucht er noch viel Ruhe! Vor allem der Schädelbasisbruch sollte gut verheilen. Er hätte Herrn Gerkhan leicht das Leben kosten können. Früher als in zwei Wochen können wir ihn also auf keinen Fall entlassen."
Andrea horchte den Worten des Arztes angespannt. Ihre Gedanken überschlugen sich wie bei jedem Besuch beim Oberarzt, der ihr Semirs Verfassungsänderung mitteilte und Prognosen stellte.
***