Das Gold der Mönche

  • Semir saß immer noch in der Hütte und versuchte, seinen Fesseln mit dem Gegenstand zu zerschneiden, der sich hinter seinem Rücken befand. Immer wieder hielt er inne und beobachtete seine Wächter, die schlafend in zwei Ecken der Hütte versunken waren. Schnarchend hoben sich die Brustkorbe der Beiden und senkten sich wieder. „Ich halte den Krach nicht mehr aus.“, dachte Semir und zerschnitt sich entgültig die Fesseln. Endlich, war sein nächster Gedanke. Schnell waren die Seile abgewickelt und er zog sich am Balken hoch. Leise humpelte er vorwärts und musste aufpassen, dass er in der Dunkelheit gegen keinen auf dem Boden liegenden Gegenstand stieß. Vorsichtig durchschlich er den Raum und näherte sich der Tür. Langsam streckte er die Hand aus und griff nach der Türklinke. Erst jetzt bemerkte er das getrocknete Blut an seinem Arm und seiner Hand. Dennoch ließ er sich nicht beirren und umfasste die Türklinke. Schnell drückte er sie nach unten und ... es passierte nichts. „Shit.“, stieß Semir aus und verkrampfte sich plötzlich. „Hab ich es mir doch gedacht... diesem Scheiß-Bullen ist nicht zu trauen.“, fauchte Boris und hatte Semir seine Waffe in den Nacken gedrückt. Oliver war dazu gekommen, packte den Deutschtürken und drehte ihn schlagartig zu sich um. „Wo wollten wir denn zu so später Stunde hin?“, fragte er gehässig und sah Semir böse an. Dieser zuckte mit schmerzverzerrtem Gesicht mit der Schulter. „Ich musste mal... wäre auch wiedergekommen.“, gab er mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht wieder. „Klar.“, stieß Boris aus und rammte wie eine Dampframme seine Faust in Semirs Magengrube.


    Keuchend ging Semir in die Knie und schrie auf, als Boris ihm einen Schlag gegen die zerschossene Schulter versetzte. Der Hauptkommissar ging zu Boden und wand sich auf seinem Rücken, wie eine umgefallene Schildkröte. „Steh auf... steh auf oder ich prügele dich hoch.“, schrie Boris und trat mit dem Fuß in Semirs Rippen. Wieder krümmte sich der Hauptkommissar und wandte sich vor Schmerzen auf dem Boden hin und her. Dann zog er sich langsam am Boden entlang, bis er am Tisch war, hielt ihn fest und zog sich hoch. „Okay, was haben sie jetzt mit mir vor?“, wollte Semir wissen und ahnte eigentlich schon, was passieren würde.


    ...

  • „Drei Mal darfst du raten.“, lachte Boris und zog sein Messer aus dem Hosenbund. Semir riss die Augen auf, als er die Klinge im dumpfen Schein der kleinen Petroleumlampe aufblitzen sah. „Das... das können sie nicht tun.“, stammelte er. „Und warum nicht? Du hast versucht, zu fliehen und wenn ich eins nicht leiden kann, ist es ungehorsam.“, zischte Boris und senkte die Klinge, bereit sie Semir in den Bauch zu rammen. Doch dann wurde seine Hand von Oliver gepackt. „Lass das.“, fauchte er und Boris sah ihn erzürnt an. „Was willst du denn?“, zischte er und stieß Oliver von sich weg. „Wir brauchen den Bullen. Lass deine Wut woanders aus.“, entgegnete er und kam wieder auf Boris und Semir zu. „Na gut... dann brauche ich nicht zu teilen.“, knurrte Boris und drehte sich blitzschnell zu Oliver um, doch der ahnte, was er vorhatte. Im Straucheln hatte er sich seine Waffe gegriffen und schoss nun ohne mit der Wimper zu zucken, Boris nieder. Erschrocken blickte Semir auf sein Shirt, das er trug und in dem sich Boris Hand immer noch vergraben hatte, als er ihn festhielt. Mit dem nahen Tod in den Augen glitt der getroffene Körper zu Boden und blieb leblos liegen. „So... ein Problem weniger, um das ich mich kümmern muss.“, keuchte er, nachdem er die Waffe in eine Ecke geschmissen hatte. Semir sah ihn erschrocken und verwirrt an. „Warum?“, fragte er nur. Oliver sah ihn mit großen Augen an. „Warum haben sie mich gerettet?“, kam es erneut von Semir und Oliver lachte verächtlich auf. „Er war mir sowieso lästig. So muss ich wenigstens nicht teilen und hab den Schatz für mich und...“, er stockte, als er sah, dass Semir interessiert zuhörte. Sofort hob er wieder die Waffe und befahl dem Deutschtürken per Handzeichen, sich wieder in die Ecke zu setzen. Semir folgte den Anweisungen seines Retters, auch wenn er zur falschen Seite gehörte. Wieder wurde Semir gefesselt und er sah nur noch, bevor er in eine Art Dämmerschlaf fiel, wie Oliver Boris Leiche aus der Hütte schaffte und irgendwo zu vergraben schien. Würde ihm morgen das gleiche Schicksal bevorstehen?

  • Der Morgen kam schnell und Semir wurde unsanft von Oliver geweckt. „Hey, los stehen sie auf.“, zischte Oliver und trat ihm in die Seite. „Ich bin ja schon wach.“, knurrte Semir und fummelte an seinen Fesseln herum. „Halt still.“, fauchte Oliver nur und schlug Semir einmal mit der flachen Hand auf dessen Hinterkopf. Nachdem die Fesseln aufgeknotet waren und sich Semir die Handgelenke rieb, stieß Oliver ihn vorwärts ins Freie. „Los, jetzt geht es zu deinen Freunden und dann bist du frei.“, gab Oliver bekannt. Semir lachte verächtlich auf. „Das glauben sie doch wohl selbst nicht, oder? Wenn ich frei bin, werde ich sie jagen. Sie haben zwei Menschen umgebracht und für was? Für ein Gespenst... einen Schatz.“, stieß Semir aus und drehte sich zu Oliver um. Dieser sah ihn nur grinsend an. „Glauben sie mir, der Schatz existiert und ich werde viel Spaß beim Geld ausgeben haben.“, lachte er. „Das wird ihnen schlecht bekommen. Sie müssten ihn erst verkaufen. Und wie wollen sie das so schnell machen?“, kam die nächste Frage von Semir und Oliver sah ihn an. Er hatte den Hauptkommissar am Arm gepackt und schleifte ihn mehr oder weniger hinter sich her. Jetzt blieb er stehen und sah dem Deutschtürken direkt in die Augen. Beide versuchten den jeweils anderem Blick standzuhalten. Dann lachte Oliver los, laut und kräftig. Semir verstand nicht ganz, warum dieser Mann lachte.


    „Was lachen sie so?“, unterbrach Semir dann das Lachen. Oliver verzog sein Lachen wieder zu einem ernsten Gesicht und sah den Hauptkommissar an. „Sie sind wirklich gut...“, kam es nur von Oliver. „Glauben sie nicht, ich hätte mir schon darüber Gedanken gemacht. Aber zerbreche sie sich nicht meinen Kopf darüber, sonst könnten sie noch einen größeren Schaden nehmen.“, kam es nur von Oliver und dann zog er Semir weiter über den Waldboden. Es dauerte gute zweieinhalb Stunden, bis sie die Klosterruinen erreichten.


    ...

  • Max stand nervös neben den Truhen und sah zu der frisch umgegrabenen Erde rüber. Hoffentlich ging das Ganze gut, was Ben sich ausgedacht hatte. Es musste einfach klappen. Schließlich ging es um das Leben eines unschuldigen Mannes. Das Leben Semir stand auf dem Spiel und diese beiden Gangster waren nicht zu unterschätzen. Immer wieder sah Max auf die Uhr und in die nähere Umgebung. Doch dann hörte er ein Geräusch. Jetzt nur nicht verraten... das könnte alles verderben und das durfte nicht sein. Dann sah er Semir über den Hügel heranhumpeln, hinter ihm Oliver. Doch, wo war Boris? Warum war Oliver alleine? Hatten sie so eine bessere Chance? Gleich würde es losgehen. Seine Nerven zitterten. Hoffentlich verriet er sich nicht. Er dachte, sein lautes Herzklopfen würde ihn verraten, als Semir und Oliver auf ihn zukamen. Jetzt nur nichts falsch machen... alles wie abgesprochen und geprobt. „Wo ist der zweite Bulle?“, wollte Oliver wissen, als er sich umsah. Max schluckte unauffällig und sah sich um. Jetzt nur nichts verraten, dachte er. Entschlossen atmete er ein und deutete auf die frisch umgegrabene Erde. „Da... ich... ihn traf der Fluch des Schatzes.“, gab Max mit fester sicherer Stimme wieder. Oliver drehte sich schlagartig um. „Was?“, stieß er verächtlich aus. „Das ist jetzt nicht dein Ernst?“ Semir sah auf, als er das gehört hatte. Ben sollte tot sein? Nein, das konnte er nicht glauben. Das wollte er nicht glauben. Seine Augen wurden trüb und füllten sich mit Tränen. Doch er konnte nicht. Nein, irgendwas ließ ihn daran zweifeln, dass Ben tot ist. Er blickte auf und sah dann einen leichten Zweifel in Max Augen. Hatten die Beiden etwas ausgeheckt, um ihn zu retten? Er musste es wissen und dann sah er unauffällig in die näherer Umgebung. Da... ein kleines Leuchten in den Wipfeln. War das Ben? Was passierte gleich?


    Ben saß unter einem Gebüsch und beobachtete die Szene aus sicherer Entfernung. Hoffentlich machte der Junge, seine Sache richtig und hoffentlich wollte Oliver den Inhalt der Truhen sehen. Doch wo war Boris? Ben wurde nervös, als er den Zweiten der beiden nicht sah. Immer wieder blickte er sich um und hielt nach dem zweiten Mann Ausschau. Doch auch nach einer viertel Stunde, in der Max Oliver und Semir nicht aus den Augen ließ und scheinbar in die Bodenlosigkeit quasselte, konnte er Boris nicht entdecken. Jetzt war es Zeit für ihn, die List anzuleiern. Leise schlich er sich aus seinem Versteck und kam langsam in Olivers Rücken. Dieser merkte es nicht. Noch immer konnte er Max Stimme hören, die beide, Semir und Oliver, an Max band. Sicher hatte dieser kleine Mistkerl eine Waffe... klar hatte er eine Waffe und würde nicht zögern, sie einzusetzen. Jetzt kam es nur darauf an, dass Max alles richtig machte und nichts daneben ging.

  • „Also, wo ist der Schatz?“, wollte Oliver wissen und sah auf die Truhen. „Da drin. Doch ich gebe ihn dir erst, wenn Semir bei mir ist.“, erwiderte Max und versuchte seine Stimme fest klingen zu lassen. Scheinbar schaffte er es, was nur durch Olivers Goldgier zu erklären war. „Dann nimm ihn mit. Ich will ihn nicht mehr haben.“, stieß Oliver aus und stieß Semir von sich. Er blickte sich grimmig um und humpelte dann langsam auf Max zu. Immer wieder fiel sein Blick auf die gelockerte Erde. War Ben da wirklich von Max vergraben worden? Nein, warum sollte er so etwas tun. Oder, steckte er mit Oliver womöglich unter einer Decke? Hat er deshalb Boris aus dem Weg geräumt, damit sie nicht durch drei teilen mussten? Und jetzt war Semir dran. Waren das die letzten Schritte seines Lebens?


    Semir sah Max mit wütenden Augen an. „Keine Angst, es wird alles gut.“, stieß Max aus und machte eine kurze Bewegung mit dem Kopf in die Richtung des auf dem Hügel befindlichen Baumes. Semir sah dort hin und nickte kurz. „So... jetzt will ich die Kisten sehen.“, stieß Oliver aus und ging schnellen Schrittes auf die Truhen zu. „Wir sollten machen, dass wir hier weg kommen.“, flüsterte der Student Semir zu und dieser nickte nur. Gemeinsam machten sich schleichend auf dem Weg. Beide sahen wie Oliver die Schlösser der Truhen bearbeitete und sie zu öffnen versuchte. „Halt. Bleibt da stehen.“, schrie er und richtete die Waffe auf die beiden. Sofort versteiften sie sich und hielten in ihren Schritten inne. „Ihr wartet, bis ich mich selbst von dem Inhalt der Truhen versichert habe.“, stieß er aus und entsicherte die Waffe. Dann zielte er auf die Schlösser und schoss vier Mal. Die vier Schlösser zersprangen, als sie von den Kugeln getroffen wurden. Hastig entfernte Oliver die Überreste und stieß die Deckel auf. Sofort erhellte sich sein Gesicht von dem Goldschimmer, der ihm aus den Truhen entgegen schlug. „Was für ein Anblick.“, lachte er und fasste hinein. Er nahm eine Handvoll Münzen hervor und warf sie in die Luft. Dann nahm er sein Handy hervor und wählte flink eine Nummer. „Ja... ich bin's. Ich habe den Schatz und Boris ist aus dem Weg geräumt. Nun muss nur noch einer dran glauben.“, gab er durch und steckte das Handy wieder ein. Semir und Max sahen sich verwundert an. Mit wem hatte Oliver da wohl telefoniert? Gab es einen Auftraggeber?


    ...

  • Ben sah nun, wie sich Oliver über die Kisten beugte und sie durchsuchte. Zwar hatte er die Waffe noch immer auf Semir und Max gerichtet, doch er beachtete die Beiden nicht wirklich. Seine Augen klebten vielmehr am Gold und an den Inhalt der Truhen. Auch Ben beschäftigte mehr und mehr die Frage, mit wem er da wohl telefoniert haben könnte. Doch das war im Moment nebensächlich. Im Moment zählte nur, dass er diesen Schweinekerl überwältigte und ihn schachmatt setzte. Genau das hatte er jetzt vor. Langsam sammelte er seine ganze Kraft, ging in die Hocke und machte sich für den großen Sprung bereit. Er war nur wenige Meter von ihm entfernt und wenn er es richtig anstellte, würde er ihm die Waffe aus der Hand reißen können und ihn dabei zu Boden ziehen. Dann hatte Max genügend Zeit, Oliver mit einem festen Schlag außer Gefecht zu setzen. Er zählte innerlich runter... drei... zwo... eins... Los! Mit aller Kraft stieß er sich ab, sprang in einem Satz über die Kiste und streckte die Hand nach der Waffe des Mannes aus. Oliver war ganz erschrocken, als Ben plötzlich aus dem Gebüsch neben ihm angeflogen kam und ihn zu Boden riss. Beide kämpften... sie kämpften um die Waffe. Immer wieder schlug Ben die Hand des Mannes gegen die Ecke der Truhe und schließlich ließ dieser die Waffe fallen. Sie schlidderte über den Boden direkt vor Max Füße. Dieser hob sie auf und reichte sie gleich weiter an Semir. „Du kannst damit viel besser umgehen, als ich.“, raunte er nur und Semir nickte. Dann nahm er die Waffe aus Max zitternder Hand und richtete sie auf den am Boden befindlichen Mann, der mit Ben immer noch rangelte.


    „Okay... jetzt ist Schluss damit. Hände hoch.“, schrie Semir und gab einen Schuss in die Luft ab. Vögel flogen auf und Max zuckte, genau wie die beiden Männer am Boden, erschrocken zusammen. „Los, aufstehen und ganz langsam die Hände in die Luft.“, befahl Semir. Oliver stand langsam auf und hob auf Semirs Anweisung die Hände. Ben nickte außer Atem seinem Partner zu und war froh, dass ihm nichts passiert war. „Bist du okay, Semir?“, wollte er dann wissen und nahm ein Stück Seil, was Max ihm aus seinem Rucksack reichte und fesselte damit Olivers Hände auf dessen Rücken. „Nur mein Bein und meine Schulter... mal wieder.“, erwiderte der Deutschtürke lächelnd und verzog kurz vor Schmerzen das Gesicht. „So... und wie kriegen wir jetzt das alles zu unserem Wagen?“, wollte Ben wissen, als er sich die Truhen besah. Semir lachte auf. „Wir benutzen einfach sein Handy und rufen die Kollege an.“, entgegnete er und sofort lachte Ben. „Gute Idee...“, erwiderte er, stellte sich vor Oliver hin und durchsuchte dessen Taschen. Schnell war das Handy gefunden und Ben reichte es an Semir weiter, der sich auf Max Schulter stützte. Sein Fuß schmerzte höllisch und er musste aufpassen, dass er ihn nicht zu sehr belastete. Schnell wanderte die Hände über die Tasten und schon hatte er die letzte Nummer gefunden. „Dann wollen wir doch mal sehen, wer da so begierig auf den Schatz wartet.“, meinte er und drückte auf den grünen Knopf. Es tutete einige Male und dann hörte Semir eine Stimme, die er nicht erwartet hätte.

  • „Oliver, ich hab dir gesagt, dass du nicht mehr anrufen sollst. Was ist überhaupt los?“, hörte er die Stimme von Joana Wagner. Sofort legte er wieder auf und sah erschrocken in die Runde. Dann aber formierte sich sein Mund zu einem Lächeln der besonderen Art. „Ich weiß jetzt, wer dahinter steckt.“, lachte er und warf Ben das Handy von Oliver zu. Dieser fing es mit einem erstaunten Gesicht auf. „Erzählst du es mir oder soll ich Rätsel raten mit dir spielen?“, kam es nur von Ben, der extrem neugierig auf Semirs Entdeckung war. „Joana Wagner.“, erwiderte der Deutschtürke. „WAS? Das kann ich nicht glauben? Wie sollte sie vom Schatz erfahren haben?“, wollte Max wissen und sah völlig verstört Semir an. „Das werden wir herausfinden. Ben, ruf die Kollegen an. Sie sollen Joana Wagner festnehmen und uns hier abholen.“, wies er seinen Kollegen an. Ben nickte und wählte die Nummer von der PAST. Zwar war Susanne verwundert, warum Ben in der Station anrief, aber als er alles erklärt hatte, schickte sie sofort Hotte und Dieter los und ließ das Handy orten. In weniger als drei Stunden hatten die beiden Polizisten die Position von Semir, Ben und Max erreicht. „Wolltet ihr nicht ein langes Wochenende machen?“, fragte Hotte grinsend und sah zu Ben und Semir. „Sehr witzig... los, hilf uns mal lieber, diese Kisten hier in den Wagen zu bringen und dann fahrt uns zu unserem Wagen, damit wir unsere Sachen einladen können.“, knurrte Semir und humpelte Kommando auf Kommando gebend durch die Gegend. „Du gehörst in ein Krankenhaus.“, meinte Dieter besorgt und fasste Semir genau auf die Schulter, die er sich beim Sturz verletzt hatte. „Ahhhh...“, stieß der Deutschtürke aus und sackte vor Schmerzen in die Knie. „Oh... entschuldige Semir... geht es dir gut?“, wollte Dieter wissen. Semir machte nur einen undefinierbaren Laut und nickte dann sanft mit dem Kopf. Ben und Max konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Nach einer dreiviertel Stunde waren die Truhen verladen und Ben wurde an Semirs Wagen abgesetzt. Max half ihm, die Sachen abzubauen und gemeinsam fuhren sie dann wieder Richtung Zivilisation und Autobahn.


    Joana Wagner wollte gerade das Haus verlassen, in ihren Händen zwei gepackte Reisetaschen. Schnellen Schrittes ging sie zum Wagen und entriegelte die Zentralverriegelung, als plötzlich zwei Streifenwagen die Auffahrt blockierten und die vier Beamte auf sie zugestürmt kamen. „Frau Joana Wagner?“, fragte der Eine. Sie sah ihn erschrocken an und merkte, dass sie das Spiel eigentlich schon verloren hatte. „Ja... ja... das bin ich.“, stammelte sie und fasste sich nervös an die Halskette. „Dürfen wir sie bitten, mit uns zu kommen. Es gibt da noch einige ungeklärte Fragen, die sie beantworten müssen.“, erklärte er ihr und Joana nickte. Zwei Beamtinnen nahmen die Reisetaschen und verstauten sie in den Kofferraum des Streifenwagens, wo Joana einsteigen musste. Dann ging die Fahrt mit direktem Ziel zur PASt.

  • „Semir, sie gehören in ein Krankenhaus... das mit dem Bein sollten sie nicht unterschätzen und was ist mit ihrer Schulter?“, wollte Kim wissen, als der Hauptkommissar erzählend durch ihr Büro humpelte, seine zerrissene Kleidung noch immer am Körper und stinkend wie ein Iltis. „Chefin, das schaffe ich schon. Wir sind kurz davor, den Fall zu lösen. Danach können sie mich gerne deportieren lassen. Aber nicht vorher.“, entgegnete er und bemerkte, wie sich Ben und Kim die Nasen zuhielten, wenn er sich umdrehte. „Ist etwas?“, fragte er dann und merkte selbst nicht, wie er nach alten Sachen stank, die obendrein damit mit getrockneter Erde und allerlei anderen Naturdüften übersäht waren. „Nö, nix...“, meinte Ben dann und holte von der anderen Seite Luft. „Aber ich finde, die Chefin hat Recht. Lass uns das Verhör morgen machen. Dann sind wir auch ausgeruht und können Frau Wagner so richtig in die Mangel nehmen.“, schlug der junge Hauptkommissar vor. Semir winkte ab. „Nein, ich will das jetzt über die Bühne bringen.“, meinte er kurz und knapp. Doch da schlug Kim mit der flachen Hand auf den Tisch. „Herr Gerkhan... sie gehen umgehend nach Hause, nehmen ein Bad und lassen sich dann von Herrn Jäger ins Krankenhaus fahren. Ich werde das Verhör vornehmen. Bevor sie nicht gesäubert und ordentlich untersucht und zusammengeflickt worden sind, betreten sie diese Station nicht mehr. Haben wir uns verstanden?“, fauchte sie. Erschrocken sah Semir sie an. „Aber Chefin...“, kam es nur kleinlaut von ihm, doch schon wurde er von Ben nach draußen geschoben und in den Wagen verfrachtet.



    ...

  • „Ich stinke doch nicht, oder?“, kam es von Semir und er roch an seiner Kleidung. „Boah... ich muss unter die Dusche.“, gestand er dann ein. Ben grinste. „Keine Sorge, das kriegen wir schon hin und danach bringe ich dich ins Krankenhaus.“, erklärte Ben und Semir sah ihn an. „Was? Mir geht es gut. Die paar Schrammen... AHHHHHHHHH.“, stieß er aus, als Ben ihn an der Schulter packte und einmal fest zudrückte. „Keine Schmerzen?“, lachte er und brachte den Wagen vor Semirs Haustür zum stehen. „Du mieser...“, knurrte Semir und rieb sich die verletzte Schulter. „Ja... sag’s ruhig und ich stug dich in der Wanne unter Wasser.“, lachte Ben nur und half Semir aus dem Wagen. „Du willst mich waschen?“, kam es erschrocken von Semir und Ben nickte. „So kannst ich dich besser unter Kontrolle halten.“, erwiderte Ben nur und stieg aus. Dann machte er Semirs Tür auf und eine galante Bewegung dazu. „So... Endstation, wir sind da.“, meinte er. „Aber wehe du wäscht mich... ich reiße dir deinen Wuschelkopf von den Schultern.“ „Wenn du rankommst.“, erwiderte Ben und stützte Semir bei jedem Schritt. Schnell war Semir im Bad verschwunden und entledigte sich der schmutzigen und vor Mief stinkenden Kleidung. Ben hörte unten, wie die Dusche rauschte und das Wasser plätscherte. „Liebling, soll ich dir nicht doch den Rücken abschrubben?“, rief er säuselnd nach oben. „Ich komm gleich runter und geb dir was mit der Bürste.“, kam es aus dem Badezimmer ins Wohnzimmer hinunter. Ben lachte nur und merkte dann, wie auch an ihm ein langsamer Verwesungsgeruch hinaufstieg. „Boah... ich sollte auch erst duschen.“, dachte er laut und wedelte mit den beiden Teilen seiner Strickjacke. „Tja, willst du hier duschen oder das zu Hause machen?“, kam es dann von Semir, der frisch geduscht und mit neuen Klamotten in der Tür stand. „Nee... das mach ich zu Hause. Aber vorerst fahr ich dich ins Krankenhaus.“, entgegnete Ben und schob Semir an der gesunden Schulter zur Tür hinaus.

  • Joana Wagner wurde von Kim verhört. „Hören sie, ich habe nichts getan.“, beteuerte sie, doch sie war Kims Verhörmethoden einfach nicht gewachsen. „Bitte hören sie auf, zu lügen. Sie machen alles nur noch schlimmer. Also, wie haben sie durch den Schatz erfahren?“, wollte Kim wissen. „Hat ihr Vater irgendwelche Unterlagen liegen gelassen? Hat er davon beim Abendessen oder bei einem Telefonat erzählt? Waren sie in seinen Büro?“, feuerte Kim wie ein Maschinengewehr die Fragen Salve für Salve ab. „Ich... ich ...“, stammelte Joana nur und war kurz vorm Zusammenbrechen. „Sie haben ihren Vater auf dem Gewissen... indirekt sind sie an seinem Tod beteiligt. Ich hoffe, dass ist ihnen klar.“, kam es vorwurfsvoll von Kim. „NEIN...“, schrie Joana und hielt sich schluchzend die Hände vors Gesicht. „Ich habe meinen Vater nicht... ich wollte das nicht...“, stieß sie immer wieder aus und Kim ließ sie sich ausweinen. „Oliver Büttner... er ist ihr Geliebter nehme ich mal an, oder?“, wollte Kim wissen. Joana nickte. „In meiner Ehe läuft es nicht mehr so gut und, nun ja, ich bin auch nur eine Frau.“, versuchte sie zu erklären und bei der Kriminalrätin Mitleid zu erregen, doch das klappte nicht. „Ihr Geliebter hat ihren Vater ermordet und einen weiteren Menschen eiskalt erschossen. Auch mein Kollege ist verletzt worden. Dafür werden sie beide sich zu verantworten haben. Das schwöre ich ihnen.“, zischte Kim und ließ Joana Wagner in ihre Zelle zurückbringen. Hätte sie geahnt, was sich in diesem kleinen Raum in der Nacht abspielt, hätte sie die Frau unter Beobachtung gestellt.


    ...

  • „Tja, Herr Gerkhan, ich will ehrlich zu ihnen sein....“, begann der Arzt, als er die Röntgenbilder ansah. Semir blickte nur in das Gesicht des Mediziners. „Wie lange fall ich aus?“, wollte er nur wissen und verzog das Gesicht, als er von der Untersuchungstrage sprang und auf den Boden mit seinem verletzten Fuß aufkam. „Nun, alles in allem etwa drei bis vier Wochen.“, meinte er und sah, wie Semirs Miene nach unten ging. „WAS? Vier Wochen ohne Arbeit? Das... das halte ich nicht aus.“, kam es erschrocken von Semir. Der Arzt lachte auf und nahm die Mullbinde in seine Hand. „Herr Gerkhan... es wird ihnen doch etwas an ihrer Gesundheit liegen oder?“, wollte er wissen. Verlegen nickte Semir und ließ sich verbinden. Ben saß in einer Ecke des Untersuchungsraumes und kommentierte alles mit einem Schmunzeln. „Lach nicht.“, zischte Semir durch seine Zähne hervor. Ben schüttelte nur den Kopf und schreckte auf, als sein Handy klingelte. „Jäger?“, meldete er sich und seine Miene verfinsterte sich sein Blick. „Was? Wir kommen sofort.“, stieß Ben aus und sah Semir erschrocken an. „Was ist los? Ist was mit Andrea?“, wollte Semir wissen und hatte dabei einen Kloß im Hals. Ben verneinte. „Es ... es ist Joana Wagner. Sie hat sich in ihrer Zelle das Leben genommen.“, erzählte Ben. Sofort machten sich beide auf dem Weg in die PASt und trafen gerade ein, als die Leiche abgeholt wurde.


    „Chefin, was ist passiert?“, wollte Semir wissen, als er Kim neben der offenen Zellentür stehen sah. Sie schien einen leichten Schock zu haben. „Sie... sie hat sich an ihrer Strumpfhose erhängt.“, erklärte sie. „Was? Wie konnte das passieren?“, wollte Ben wissen. „Wir haben alle Stunde nach ihr gesehen.“, erklärte der Kollege, der bei Kim stand, mit reuiger Stimme. „Sie schien den Tod ihres Vaters nicht verkraftet zu haben.“, kam es leise von Kim und die Kommissare sahen sie nur an. „Frau Krüger... vielleicht ist es besser, sie fahren nach Hause.“, schlug Ben vor, doch das wollte Kim nicht. „Nein... nein, ich schaff das schon.“, meinte sie und ging nach oben in ihr Büro. Semir und Ben sahen ihr nach. „Verdammt, wir hätten das Verhör doch selbst machen sollen.“, kam es von Semir mit einem sehr vorwurfsvollen Ton. „Semir... meinst du, dann hätte sie sich nicht das Leben genommen.“, keiner trägt Schuld an diesem Unglücksfall. Keiner, hörst du.“, mahnte Ben gleich. Semir sah seinen Partner nur an, nickte dann ergeben. „Ja, du hast Recht. Komm, lass uns diesen Fall zu ende bringen.“, meinte er und ging humpelnd die Treppe hinauf. Ben folgte ihm und beide schrieben den abschließenden Bericht zu diesem äußerst abenteuerlichen Fall.



    Ende.


    Aber Ben und Semir ermitteln weiter... „Sein oder Nichtsein“

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