Schein oder Wirklichkeit?

  • So, liebe Leute, da ich heute den ganzen Tag unterwegs bin, stelle ich jetzt schon mal den neusten Teil online. Werd wahrscheinlich erst heute Abend wieder zurück sein. Wenn ihr dann ganz lieb feedet, gibts heute dann noch ein Nachtmahl. Versprochen ;)



    Semir sah den Polizisten mit weit aufgerissenen Augen an. Zwar wusste er, dass das Leben eines Straßenmusikers nicht gerade ein brotreiches Leben war, aber dass Toni so weit gehen würde. Nein, diesen Gedanken wollte er sich nicht denken. Doch sein kriminalistischer Spürsinn schlug diesen Gedanken nicht fort. Sein Gefühl sagte ihm, diesen Gedanken zu überprüfen. Stellte er sich als falsch heraus, war es nur umso besser für Toni. Doch was, wenn er sich bewahrheiten sollte?


    "Susanne, überprüf doch mal bitte die Kontodaten von Toni Zander. Ich will seine genaue finanzielle Lage wissen und das bitte möglichst gestern.“, bat Semir mit angestrengter Stimme und ging dann wieder in den Verhörsaal, wo Ben langsam aber sicher die Fassung verlor. „Jetzt pass mal auf, Freundchen. Besser, du sagst mir jetzt, was du wirklich da gemacht hast.“, fauchte Ben und ballte eine Hand fest zur Faust. Toni schien ihn mit seiner ruhigen Art aus der Fassung zu bringen. Er war wie ein Buch mit sieben Siegeln und je mehr Schlüsselfragen Ben stellte, desto mehr schien es ein Geheimnis zu blieben. „Was wollen sie von mir?“, fauchte Toni und sah durch seine kleinen Schlitze von Augen. „Ich habe diesem Mann helfen wollen. Nur weil ich ihm nicht mehr helfen konnte, sitze ich jetzt schon seit fünf Stunden hier.“ „Dann erklären sie mir doch mal, woher der Streifschuss an ihrem Arm kommt.“, erwiderte Ben und deutete mit seinem Zeigefinger auf die verbundene Wunde. Toni starrte kurz auf den Arm und überlegte. „Jetzt war's das.“, dachte sich Ben und rieb sich innerlich die Hände. „Jetzt kommst du in Erklärungsnot.“, waren Tonis Gedanken.


    Doch wie aufs Stichwort kam Semir zur Tür rein. Sein vorwurfsvoller Blick fixierte Toni, als der Deutschtürke die Tür hinter sich schloss. Langsam zog er Ben am Ärmel an die Seite. „Ich mach hier mal weiter.“, meinte Semir flüsternd. Ben sah ihn verständnislos an. „Semir, ich hab ihn gleich so weit, dass er redet.“, meinte Ben in normaler Lautstärke. „Gib mir noch fünf Minuten und er singt.“, fügte er hinzu. Doch Semir ließ sich nicht davon abbringen. „Geh bitte in unser Büro und warte auf mich.“, bat der Deutschtürke eindringlich und sah Ben mit kleingeformten Augen an. Dieser verstand seinen Partner nicht mehr. Er hatte ihn gerade wie einen Polizeischüler, nein, wie einen Praktikanten vorgeführt. Wutentbrannt und schnaufend verließ Ben den Verhörraum und schmiss die Tür hinter sich zu.


    Semir setzte sich Toni gegenüber. Dieser sah ihn abwartend an. „Hör zu,“, begann Semir, „wir können das schnell hinter uns bringen und danach kannst du gehen.“ Toni lehnte sich vor, sah jetzt Semir genau in seine braunen Augen. „Sag mir endlich, was passiert ist, Toni.“, bat der Hauptkommissar seinen alten Schulfreund. „Semir, weißt du noch damals, als wir beide von unserem Direx befragt wurden?“, stellte Toni die Gegenfrage. Semir lehnte sich zurück, sein Gesicht schien sich etwas zu entspannen. „Ja, wir sollten voneinander im Abi abgeschrieben haben. Deswegen wurden wir vor die alte Bulldogge zitiert.“, meinte Semir und schien zu lächeln. „Ich wusste damals, wie schlecht du dich auf Mathe vorbereitet hast.“ „Du hast mich damals abschreiben lassen und unser Lehrer wusste das.“, ergänzte Semir und sah seinen Freund genau an. „Die alte Bulldogge hat mich damals auch so lange verhört, wie ihr mich jetzt und ist dann nervlich zusammengebrochen.“, beendete Toni die Reise in die Vergangenheit. „Toni, wir haben deine Fingerabdrücke auf der Sporttasche gefunden. Der Typ, der verstorben ist, hat einen Geldtransporter überfallen, in der Tasche waren über 500.000 Euro. Wir haben aber nur knapp die Hälfte sicherstellen können und...“ „Und jetzt glaubst du, ich habe das Geld genommen.“, beendete Toni den Satz. „Toni, du hattest die Zeit und die Gelegenheit war auch da.“, erwiderte Semir mit leiser, ruhiger, jedoch direkter und sachlicher Stimme.


    ...

  • Ich danke euch für die lieben und zahlreichen Feeds. Da ich ein wenig spät dran bin mit dem Nachtmahl habe ich es etwas üppiger ausfallen lassen. ;)


    Bevor jedoch Toni etwas erwidern konnte, kam Susanne rein und legte Semir etwas auf den Tisch. Er bedankte sich und warf einen kurzen Blick auf das Blatt. „Toni, ich habe hier eine Kontenauskunft deiner Bank. Du bist mit deinen Rückzahlungen für den Kredit drei Monate überfällig und dein Konto hat mehr rote Zahlen, als schwarze. Du bräuchtest dringend Geld, Junge.“, beendete Semir sein Vortrag, der bei Toni nicht zu fruchten schien. Semir schien alsbald auch die Beherrschung zu verlieren, das spürte Toni innerlich und konnte es fühlen. „Semir, ich habe mit all dieser Sache nichts zu tun. Gut, ich habe nicht, wie es eigentlich üblich war, auf die Ambulanz gewartet, aber das kannst du mir jetzt nicht echt zum Vorwurf machen.“ „Sag mal, kapierst du immer noch nicht?“, fauchte Semir und sprang auf. „Wir haben deine Fingerabdrücke an der Tasche des Toten gefunden. Du hattest die Zeit und die Gelegenheit, dir das Geld zu krallen und hier ist der Beweis, dass du nur so auf Schulden sitzt.“, der Hauptkommissar musste kurz Luft holen. „All das würde ausreichen, um dich für die Nacht hier zu behalten.“, beendete er dann seine Ausführungen. „Würde?“, fragte Toni vorsichtig und Semir sah ihn erbost an. „Glaube ja nicht, dass die Sache damit ausgestanden ist.“, erwiderte er und nahm die Akte vom Tisch. „Los, hau ab.“, meinte Semir und öffnete noch die Tür. Toni sah ihn verwirrt an. Sonst gab dieser Mann doch nicht so schnell auf. Er kannte Semirs Tricks gut, aber hier wusste er nicht, was er von dieser Situation halten solle. War dies eine Falle? „Ich sagte: Hau ab.“, wiederholte sich Semir und wurde etwas lauter. Nun verschwand Toni endlich. Der Deutschtürke schloss die Tür hinter sich und ließ sich in einer Ecke des Raumes nieder, winkelte die Beine an und warf seinen Kopf nach hinten. Was hatte er nur getan?


    „Da kommt er.“, flüsterte Sina, als sie durch das Fenster auf die in der Dunkelheit beleuchtete Straße sah und Toni auf das Haus zuschritt. Vladi kam zu ihr und hielt die Pistole bereit. „Okay, dann wissen wir gleich, wo unser Geld ist.“, meinte er und ging hinter die Wohnungstür, während sich Sina hinter den großen, alten Kommodenschrank im Flur verbarg. Beide hörten, wie sich der Schlüssel im Schloss umdrehte und jemand mit schwerem Seufzer in die Wohnung trat. Der Lichtschalter wurde betätigt und die Tür geschlossen. Sofort sprang Vladi hinter der Tür vor und drückte den kalten, stählernen Pistolenlauf in das Genick des Mannes. „Okay, du Schwein. Noch mal wirst du uns nicht entkommen.“, fauchte er und sah, wie Toni vor Schock erstarrte und langsam die Hände hob. Sogleich kam Sina hinter dem Schrank vor und zog den Mann am Kragen durch den Flur während Vladi folgte. Sie drückte ihn auf das kleine Bett und schmiss den Oberkörper an die Wand. Für eine zierliche Person war sie ganz kräftig, was davon kam, dass sie dauernd zehn Kilo schwere Futtereimer durch den halben Zoo trug. „Los, ich will das Geld.“, fauchte sie und sah Toni mit ihren blitzenden Augen bedrohlich an. „Dann bist du uns auch ganz schnell wieder los, ansonsten...“, meinte Vladi und legte kurz auf Toni an. Dessen Augen weiteten sich. Noch nie hatte ihn einer mit einer Waffe bedroht. Er verabscheute jegliche Art von Gewalt. Dann ein Schuss. Toni merkte, wie die Kugel kurz neben seinem linken Ohr in die Wand einschlug. „Unter dem Bett. Im großen Lederkoffer.“, stammelte der Musiker und deutete auf den Hohlraum unter seinem Bett. Er wusste, jetzt hatte er verloren. Hätte er bloß Semir alles gesagt, ihm die Wahrheit anvertraut, wie es ein guter Freund getan hätte. Doch dafür war es jetzt zu spät.


    „Schönen Dank, Semir.“, fauchte Ben mit erboster Stimme und verschränkten Armen, als sein Partner ins Büro kam. „Danke, dass du mich wie einen Anfänger behandelt hast.“ Semir erwiderte nichts, sondern ließ sich einfach nur auf seinen Bürostuhl fallen und den Kopf auf den Tisch sinken. Ben winkte genervt ab und stach mit geladener Wut mit seinen Stäbchen in seiner China-Tüte rum. Nach einer Weile hob Semir wieder den Kopf und sah zu Ben rüber, der immer noch wie wild versuchte, die Hühnchenstreifen aus der Tüte zu fischen.


    „Ich hab ihn gehen lassen.“, meinte Semir nur leise vor sich hin. „Du hast was?“, fragte Ben und wäre dabei fast vom Stuhl gekippt. „Semir, spinnst du jetzt total? Er ist der Hauptverdächtige und du hast ihn gehen lassen?“ Ben sah seinen Partner mit unverständlichem Blick an. „Ben, es gibt nur Indizien. Ich meine, die Fingerabdrücke können auch auf die Tasche gekommen sein, als er dem Mann helfen wollte.“, erklärte Semir seine Entscheidung. „Ja klar und der Gangster letzte Woche hat nur auf mich geschossen, weil er sein Schießtraining verpasst hat. Schon klar.“, erwiderte Ben mit sarkastischem Unterton. „Semir, du bist befangen. Du musst den Fall abgeben.“ „So jetzt pass mal auf, von einem Grünschnabel wie dir lass ich mir nicht vorwerfen, dass ich befangen bin.“, schrie Semir in weithin hörbarer Lautstärke durch das Büro. Sofort schwenkten alle Köpfe der Beamten im Großraumbüro in die Richtung von Semir. Dieser bemerkte dies und schloss schnell die Tür, ließ die Rollos runter und setzte sich wieder. „Was haben die Beiden denn wieder?“, fragte Hotte und drehte sich zu Dieter um. Der zuckte nur mit den Achseln und sah dann zu Susanne. Die Sekretärin konnte auch nicht mehr, als unwissend mit den Händen winken.
    „Dann lass dir von einem Grünschnabel mal sagen, dass dein Vorgehen nicht gerade professionell ist.“, fauchte Ben zurück und schmiss mit voller Wut seine Pappschachtel in den Mülleimer. Semir wollte was erwidern, doch dann stürmte er wutentbrannt aus dem Büro, rannte dabei fast Dieter um, der mit einem Stapel Aktenblätter auf dem Weg zu seinem Schreibtisch war. „Hey Semir, pass doch auf.“, rief er hinter den Deutschtürken her, als ihm durch den Stoß die meisten Blätter nach vorne über fielen, doch der hörte nicht. „Was haben die Beiden denn wieder?“, fragte er Hotte. Der beleibte Polizist zuckte mit den Schultern und drehte seine besorgten Blicke auf die offene Tür des Kommissarbüros, wo Ben mit wütendem Gesicht und verschränkten Armen saß.


    ...

  • So, da ich heute gleich wieder in die Uni muss, gibt es was kleines zum Mittag und nachher was großes zum Abend ... und bitte ganz lieb und viel feeden ;)


    „Wow, da ist das Geld.“, meinte Sina panisch vor Freude, als sie den Koffer öffnete und das viele Geld vor sich liegen sah. „Okay, und was machen wir jetzt mit ihm?“, fragte Vladi und sah seine Freundin fragend an, die Pistole immer noch auf Toni gerichtet. „Ich hab eine Idee.“, sagte sie, packte den Kerl am Kragen und stieß ihn wieder in den Flur zurück. Vladi folgte den Beiden und sah, wie Sina den Mann kraftvoll an die Wand stieß. Dann nahm sie Vladi die Pistole aus der Hand und schlug Toni mit dem Knauf in den Nacken. Benommen ging dieser zu Boden. „Und nun gib mir das Geld.“, forderte Sina und zielte mit der Waffe auf ihren Freund. Vladi sah erschrocken auf den Lauf der Pistole. „Sina, was soll das? Nimm die Waffe weg.“, forderte er und verstand die Welt nicht mehr. „Ich teile nicht gerne.“, erwiderte sie und nahm den Koffer an sich. „Wäre dein Bruder nicht bei dem Autounfall gestorben, hätte ich schon eine andere Möglichkeit für ihn gefunden.“, meinte sie. Ihre Augen waren eiskalt, so hatte Vladi sie noch nie gesehen. Dann merkte er, wie sich ihr Finger langsam krümmte. In der nächsten Sekunde fiel auch schon der Schuss und Vladi sah mit weit aufgerissenen Augen an sich hinunter. In der Mitte seiner Brust klaffte ein großes, blutendes Loch. Mit jeder Millisekunde wurde ihm schwärzer vor Augen, er bekam schon gar nicht mehr mit, wie seine Knie nachgaben und er seitlich gegen den Schrank fiel. „Tja Liebster, war eine schöne Zeit mit dir.“, murmelte Sina, dann fiel ihr Blick auf den am Boden liegenden Toni. Schnell wischte sie die Pistole ab, legte sie ihm in die Hand und zielte auf den guten Holzschrank.


    Wieder durchbrach ein unsäglicher Lärm die Fernsehatmosphäre von Heinz Gehler. „Das darf doch nicht war sein.“, fauchte er und griff zum Telefon. „Polizei? Hier ist Gehler. Mein Nachbar macht in seiner Wohnung laute Geräusche. ... Was? Nein, nicht was sie denken. Es klingt nach Schüssen.“, meldete der pensionierte Oberfeldwebel. „Ja, das will ich hoffen, dass sie gleich kommen.“, meinte er und legte wieder auf. Dass Sina mit schnellen Schritten die Treppe runterhuschte, war für ihn bei dem ganzen Telefonat nebensächlich.


    Langsam kam Toni wieder zu sich. Instinktiv fasste er sich in den Nacken, als er sich stöhnend aufrichtete. „Oh, mein Kopf.“, murmelte er und erhob sich langsam. Sein Blick wurde starr, als er die Leiche neben seiner Kommode sah. Dann hörte er Stimmen im Treppenhaus, die sich seiner Wohnung näherten. Er musste sich schnell was einfallen lassen, sonst galt er als Mörder, da seine Wohnungstür weit aufstand. Schnell rappelte er sich auf, musste sich aber festhalten, da sein Kopf sich drehte. Doch dann hörte er Stimmen im Treppenhaus, die auf seine Wohnung zukamen und für seine Situation bedrohlich klangen. Leise schlich er sich aus der Wohnung und schaffte es noch gerade rechtzeitig ins Zwischengeschoss und wartete dort.

  • „Man, möchte mal wissen, warum die Nachbarn ihre Streitigkeiten nicht unter sich ausmachen können.“, murrte Stefan, ein noch junger Streifenpolizist, der erst seit einem Jahr mit Ronald, seinem erfahrenen Kollegen, auf Streife in diesem Viertel war. „Weil wir sonst unterbeschäftigt wären.“, erwiderte Ronald durch seinen Schnauzer und lachte kurz auf. „Aber mal ehrlich, so sind wir wenigstens an der frischen Luft und immer in Bewegung.“ „Da haste Recht. So setzen wir wenigstens keinen Speck an, wie die Kollegen vom Innendienst.“, erwiderte Stefan und stoppte dann, als er die offene Wohnungstür sah. Schnell war seine Hand an der Waffe und zog sie aus dem Halfter hervor. „Vorsicht Junge.“, mahnte Ronald und zog ebenfalls seine Pistole. Langsam gingen die beiden Beamten immer weiter und sahen die Leiche im Flur liegen. „Mein Gott, was ist denn hier passiert?“, fragte Ronald, betrat sofort die Wohnung und fühlte den Puls des Mannes. Stefan konnte seinen Blick nicht vom starren, angsterfüllten Gesicht des toten Mannes abwenden. „Ist er?“, fragte er und musste kräftig schlucken, um nicht gleich grün anzulaufen und sein Mittag in den Hausflur zu spucken. „Ich fürchte ja.“, erwiderte Ronald und schloss die Augen des Niedergestreckten. Plötzlich kam Lärm aus dem Treppenhaus. Sofort stand Stefan draußen und hörte, wie ein Mann hastig das Haus verlassen wollte. „Das ist der Kerl. Den schnapp ich mir.“, rief er seinem Partner zu und sprintete los. „Hey Kleiner, bleib hier.“, forderte der erfahrenere Polizist, doch das hörte der Jungspund nicht mehr.


    Semir kam die Straße entlang gefahren, als er den silber-blaue Polizeibus vor Tonis Haus stehen sah. Seine Augenbrauen zogen sich wundernd zusammen und langsam verringerte er das Tempo seines BMWs, als er plötzlich sah, wie Toni auf die Straße rannte. Fast wäre er ihm ins Auto gelaufen, hätte Semir sich nicht mit beiden Füßen auf die Bremse gestellt. Mit erschrockenen und weit aufgerissenen Augen sah ihn Toni an, blickte dann aber wieder hastig zum Haus zurück und rannte dann weiter in den angrenzenden park hinein. „Toni.“, rief Semir hinter seinem Freund her. Doch da kam auch schon ein Streifenpolizist aus dem Haus gestürmt, rannte Semir fast um und sprintete hinter Toni her. „Halt, bleiben sie stehen.“, rief er hinter dem Flüchtenden her, doch dieser dachte nicht dran.
    Semir sah, wie Toni den Bäumen auswich und langsam im Grün verschwand. Schnell sprang der Deutschtürke wieder in seinen BMW, schaltete das Blaulicht an und fuhr auf die andere Seite des Parks. „Toni, was hast du wieder angestellt?“, dachte sich Semir und sah abwechselnd auf die Straße und in den Park hinüber. Bald darauf war er auf der anderen Seite, sah aber nirgends Toni oder den Polizisten. So machte er sich auf den Weg und lief ihnen entgegen.


    Toni rannte und rannte, sprang immer wieder über Wurzeln und Steine. Er konnte deutlich die Schritte des Polizisten hinter sich hören. Er musste sich verschnaufen, langsam merkte er, wie seine Lunge nachgab und sich zusammenzog. Seine Beine fühlten sich an wie Blei und wurden immer schwerer. Doch er musste seinem Verfolger entkommen. Dass man eine Leiche in seiner Wohnung gefunden hatte, würde den Verdacht gegen ihn nur noch mehr bestätigen. Selbst Semir würde ihm nicht glauben. Dass er ihn hat gehen lassen, war für ihn bestimmt auch nicht gut. Bestimmt würde er große Schwierigkeiten mit seinem Partner oder seiner Chefin oder noch schlimmeres kriegen.
    Toni lauschte einen Moment, ob sich etwas bewegte. Angestrengt ließ er seine geschulten Musikerohren in die Gegend horchen. Die Luft schien rein zu sein. Langsam trat er hinter dem Baum hervor und sah, wie sich der junge Polizist im Kreis drehte. Er schien Toni zu suchen. Mit völlig leerer Puste lächelte Toni hämisch. „Du findest mich nicht.“, dachte er sich und schlich langsam und geduckt vom Baum weg. Nach einige Metern sah er sich wieder um und bemerkte, wie der Polizist zu seiner Wohnung zurückging. Doch nun tauchte ein neues Problem auf. „Hey Toni, stehen bleiben.“, forderte eine harsche Stimme. Schlagartig drehte sich der Mann um und auch der Polizist wurde wieder auf die Szenerie aufmerksam.


    ...

  • Hinter Toni auf dem Kiesweg in einigen Metern Entfernung, stand Semir mit gezogener Pistole. Toni wollte zur Seite ausweichen, doch Semir richtete die Waffe auf ihn. „Denk nicht mal dran.“, fauchte er und sah ihn mit entschlossenen Augen an. „Du würdest auf mich schießen?“, fragte Toni erstaunt und zugleich überrascht. „Zwing mich bitte nicht dazu.“, bat Semir eindringlich und kam schrittweise auf Toni zu. Langsam hob Toni die Hände und verschränkte sie hinter seinem Kopf. Der junge Polizist kam im Laufschritt auf Beide zu, schnappte sich Tonis Hände, verschränkte sie im Rücken und legte die metallenen Armbänder an. „Das ist nicht nötig.“, meinte Semir, nachdem er seine Pistole weggesteckt hatte und neben Toni stand, doch der junge Beamte nahm die Handschellen nicht mehr ab. „Er hat einen Mann kaltblütig erschossen.“, fauchte der Beamte und zog Toni ruppig am Arm zu seiner Wohnung zurück. „Semir, ich war's nicht.“, rief er dem Deutschtürken zu, als dieser mit großen, entsetzten Augen sah, wie sein Freund abgeführt wurde.


    Es dauerte nicht lange, da waren Spurensicherung und die Kollegen vom LKA vor Ort. Toni wurde in seine Wohnung geführt und musste mit ansehen, wie sich der Gerichtsmediziner über die Leiche hermachte. Semir parkte seinen BMW neben den anderen Polizeifahrzeugen und sprintete die Treppen hoch. Als er die Wohnung betreten wollte, kamen ihm die Bestatter mit dem Sarg entgegen. „Passen sie doch auf. Stehen sie nicht im Weg rum.“, fauchte der Vordere und stieß Semir ein wenig zur Seite. Als er die Wohnung betreten wollte, kamen ihm die Bestatter mit dem Sarg entgegen. „Passen sie doch auf. Stehen sie nicht im Weg rum.“, fauchte der Vordere und stieß Semir ein wenig zur Seite. Der Deutschtürke presste sich ans Geländer und ließ die Männer durch. Dann hörte er schon eine harsche Stimme aus dem Innern der Wohnung an sein Ohr dringen.
    „Herr Zander, machen sie jetzt endlich den Mund auf und reden sie mit mir.“, fauchte Kommissar Bremer und stapfte vor Toni auf und ab. Doch Toni blieb stumm sitzen und sagte nichts. Semir trat in die Wohnung ein, wurde jedoch sofort wieder von einem Polizisten rausgedrückt. „Sie können hier nicht rein.“, fauchte der etwas beleibte Mann in Uniform. Doch Semir hielt ihm nur seinen Ausweis unter die Nase und schon ließ er vom Deutschtürken ab. So trat Semir in die Wohnung und hörte wieder die strenge Stimme von Bremer. „Okay, wenn sie mir nicht sagen wollen, wie es passierte, dann werde ich es tun.“, meinte er und erblickte dann auf einmal den ungebetenen Besuch. „Gerkhan, was machen sie denn hier?“, fragte er abwertend. „Sind sie jetzt etwa bei der Mordkommission?“; stellte Semir die Gegenfrage und zog sichtlich besorgt die Augenbraue hoch. „Eine der Kollegin ist im Schwangerschaftsurlaub und ich habe ihre Stelle übernommen.“, erwiderte Brenner und widmete sich dann wieder seinem Hauptverdächtigen.
    „Okay Herr Zander, sie kamen nach Hause und sahen, dass ihre Wohnung aufgebrochen wurde. Sie überraschten den Typ und griffen zu der Waffe.“, meinte Bremer und sah Toni an, der wieder nichts erwiderte. „Ich fasse ihr Schweigen mal als Ja auf. Sie schossen drei Mal auf ihn. Die letzte Kugel hat ihn getötet, so der Gerichtsmediziner.“ „Dann war es ein klarer Fall von Notwehr.“, mischte sich Semir ein und erntete einen bösen Blick vom Kommissar. „Was sind sie? Sein Anwalt? Notwehr wäre es gewesen, wenn er nur einen Schuss abgegeben hätte.“, erklärte Bremer. Semir sah mit nachdenklicher Stirn zu Toni rüber, der schweigend auf der Couch saß, Semirs Blick jedoch erwiderte. Der Deutschtürke konnte das alles nicht so recht glauben. „Kann ich kurz alleine mit ihm reden?“, bat Semir Bremer. Der seufzte genervt und verdrehte die Augen. „Wenn sie glauben, dass er ihnen mehr erzählt, als mir.“, meinte der LKA-Kommissar und verließ das Zimmer.

  • „Man, jetzt sitz ich verdammt tief in der Scheiße, oder?“, kam von Toni, als sich die Tür hinter Bremer geschlossen hatte. Semir sah ihn halb wütend, halb besorgt an. „Toni, sag mir bitte, was hier passiert ist.“, forderte Semir und setzte sich vor seinen alten Schulfreund. „Semir, ich sitz tief in der Scheiße.“, fing er an und deutete auf seine Möbel. „Siehst du, überall Kuckucks.“, meinte er und atmete schwer aus und dann wieder ein. „Ich war nicht ganz ehrlich zu dir.“ Semir drehte sich schlagartig wieder zu ihm um. „Nicht ganz ehrlich?“, fauchte er. „Das ist noch leicht untertrieben.“ „Ich weiß, ich hätte dir gleich die Wahrheit sagen sollen.“, meinte Toni entschuldigend, fast bittend. „Die Erkenntnis kommt reichlich spät.“ Semirs Stimme war kalt und voll von Enttäuschung über das Fehlverhalten seines Freundes. „Semir, ich brauche deine Hilfe.“, fing er an und schluchzte dabei. Mit wässrig roten Augen sah er seinen Schulfreund an. Der Deutschtürke wusste nicht warum, aber dieses Mal glaubte er Toni. Er hatte einfach ein gutes Herz, dass ihn in so mancher Situation schon gute Dienste geleistet hatte.
    „Du erzählst mir jetzt alles, was passiert ist.“, forderte Semir und sah seinen Freund eindringlich an. Und Toni fing an. Wie er beim Auto war, ihm das Geld ins Auge fiel und er so viel von dem Zeug in die Taschen stopfte wie er tragen konnte. Semir hörte aufmerksam zu. „Semir, ich habe nicht auf diesen Mann geschossen.“, beteuerte Toni. „Das war seine Freundin.“ „Kannst du sie mir beschreiben?“, fragte Semir, doch ehe er Antwort erhielt kam Kommissar Bremer wieder rein. „So, das reicht ja wohl. Wenn sie gestatten nehme ich ihn jetzt mit.“, fauchte Bremer und zog Toni harsch am Arm hoch. „Semir, hilf mir.“, bat er durch einen einfachen Blick mit seinen Augen. „Keine Angst Junge, ich kümmere mich darum.“, rief er hinter seinem Freund her und sah, wie zwei Polizisten mit Toni davonfuhren. „So Gerkhan, ich hoffe, sie mischen sich diesmal nicht wieder in meinen Fall ein.“, fauchte Bremer und verließ auch wenig später die Wohnung.


    Semir sah sich derweil nochmals in der Wohnung um und entdeckte dabei ein kleines Loch, direkt über dem Bett. „Tja, die LKA-Leute sind wohl nicht allzu gründlich.“, dachte er bei sich und pullte vorsichtig mit seinem Taschenmesser in dem Loch herum. Nach kurzer Zeit fiel eine Kugel direkt in Semirs Hand, die er unter das Loch gehalten hatte. Dann warf er einen Blick auf die Umrandungen der Leiche im Flur. Sein kriminalistischer Spürsinn sagte ihm, dass Toni hätte schielen müssen, wenn er den Mann vor ihm verfehlt hätte. Außerdem wäre dann das Loch in einem anderen Winkel ausgefallen, als es hier der Fall war. Nein, hier stimmte etwas ganz gewaltig nicht. Der Deutschtürke beschloss zu PASt zurückzufahren und mit Ben an diesem Fall dranzubleiben. Das hieß, wenn er sich wieder beruhigt hatte und nicht mehr bockig wie ein kleines Kind war.


    ...

  • Ben saß noch immer grummelnd auf seinem Platz und überlegte. Immer wieder sah er sich die Akten des Toten an und hoffte, darin etwas verwertbares zu finden. Doch er fand absolut nichts. So beschloss er noch einmal mit dem Vater zu reden und krallte sich seine Jacke. „Susanne, ich bin kurz weg.“, meinte er zu der Sekretärin und verschwand zu seinem Auto. Susanne und auch Hotte und Dieter sahen ihn wundernd hinterher. „Was meint ihr, was er jetzt macht?“, fragte Dieter in die Runde. „Wahrscheinlich fährt er die Autobahn entlang um sich abzureagieren.“, erwiderte Hotte und sortierte einige Berichte in die Akteneinlage ein. „Jetzt steht nicht da, er wird sich schon wieder mit Semir vertragen.“, versuchte Hotte die anderen zu beruhigen.


    Kurze Minuten später kam Semir zur Tür rein und ging schnurstracks auf sein Büro zu. „Susanne, das muss sofort zu Hartmut in die KTU und dann möchte ich, dass du mich mit Frau Schrankmann verbindest.“, bat Semir und reichte Susanne das eingetütete Projektil herüber. „Du willst mit Frau Schrankmann sprechen?“, fragte Susanne ungläubig. Semir blieb stehen, drehte sich leicht lächelnd zu ihr um. „Ja, genau das.“, meinte er. „Aber Semir, die hat doch schon noch im Winterurlaub.“, bemerkte Susanne und sah wie sich Semir mit der flachen Hand gegen die Stirn schlug. Daran hatte er nicht gedacht. „Sie hat doch bestimmt eine Vertretung?“ Susanne nickte. „Dann verbinde mich mit der oder nein, verbinde mich bitte mit dem zuständigen Staatsanwalt, der das Mordkommissariat von Bremer betreut.“, bat Semir und verschwand in sein Büro. Er war so damit beschäftigt, Toni aus der Bredouille zu helfen, dass ihm im ersten Moment der leere Stuhl an Bens Schreibtisch nicht auffiel.


    Ben bog in die ruhige Nebenstraße ein und parkte etwas abseits des Hauses von Körner. Er wusste nicht wieso, aber sein Bauchgefühl riet ihm einfach dazu. Langsam näherte er sich dem Haus und sah in den wohl gepflegten Vorgarten, der so gar nicht Bens Erwartungen entsprach. Alles fein geharkt und kurz gemäht. Nein, sollte er mal mit einer Familie in einem Haus mit Garten leben, dann würden hier Bälle und Spielsachen seiner Kinder sich mit dem liegen gelassenen Laub einfach arrangieren. Das Ordentliche lag ihm nun mal nicht. Kurz bevor er klingeln wollte, hörte er aus dem hinteren Teil des Gartens Stimmen, die in ihm sein Interesse weckten.


    So ließ Ben von der Klingel ab, griff über den Zaun und verschaffte sich schnell Zutritt zum Grundstück. Langsam schlich er sich unbemerkt am Haus entlang und erblickte dann wie Körner Senior sich wild mit Sina Mahler unterhielt. Vor ihnen stand ein geöffneter Koffer, wo Ben trotzt einiger Entfernung ganz deutlich Geldscheine ausmachen konnte. „Sieh mal einer an.“, dachte er, zückte sein Handy hervor und schoss ein paar Fotos. Er wollte aber noch weiter rangehen, um einige der Worte mitzubekommen. Langsam ließ er sich in die Hocke nieder und schlich auf Zehenspitzen hinter eine dichte Hecke und lauschte.

  • „Du hast es also wieder bekommen?“, hörte Ben die Stimme von Körner. „Ja, und es war mehr als einfach.“, erwiderte Sina. Vorsichtig versuchte der junge Kommissar einen Blick durch die Hecke zu riskieren. Was er da sah, gefiel ihm aber ganz und gar nicht. Sina und der Vater von Jochen und Vladi Körner lagen sich in den Armen und küssten sich heiß und innig. Bens Augen waren weit aufgerissen und der Unterkiefer klappte ihm runter, so perplex war er. Was hatte das alles zu bedeuten, fragte er sich. Sein Sohn Jochen war tot und er knutscht hier in aller Seelenruhe mit der Freundin seines anderen Sohnes herum. Ben verstand die Sache ganz und gar nicht und beschloss zum Revier zurückzufahren. Semir würde sich ja inzwischen auch abreagiert haben, das hoffte er zumindest.


    Mit gemischten Gefühlen betrat Ben die PASt und sah, dass Semir akribisch in der Arbeit vertieft war. „Tach.“, meinte Ben nur laut ohne Semir einen Blick zuzuwerfen und setzte sich seinem Partner gegenüber. „Ach, kommst du Streuner auch mal wieder an den Arbeitsplatz zurück?“, fragte Semir bissig und sah aber auch nicht von seinem Bericht hoch. Ben brummte nur und stöpselte sein Handy, dass er sich nach dem Verlust des Alten ersetzt hatte, und lud die geschossenen Fotos hoch. Lange herrschte ein bedrückendes Schweigen im Büro.
    Dann durchbrach Semir die Stille. „Der Fall gehört uns.“, meinte er und sah auf. Ben sah ihn an. „Bist du denn jetzt wieder einigermaßen nüchtern, dass du an dem Fall arbeiten kannst?“, fragte Ben mit bissigem Unterton. „Lass bitte das kindische Geplänkel.“, erwiderte Semir mit genau dem gleichen bissigen Unterton. „Es geht hier um einen Unschuldigen.“, meinte der Deutschtürke dann und erklärte Ben kurz die Sachlage, was passiert war. Nach einer halben Stunde war der ältere Hauptkommissar fertig mit seinen Ausführungen, denen Ben genau und nun wieder aufmerksam gelauscht hatte.


    „Also, wenn dem so ist, wie du sagtest, dann ist Zander unschuldig.“, meinte Ben und druckte die Fotos aus. „Was hasten da?“, fragte Semir neugierig und kam auf Bens Seite. Der junge Hauptkommissar reichte seinem älteren Partner eines der Fotos, die er im Garten von Körner Senior aufgenommen hatte. „Was ist das denn?“, fragte Semir und sah entsetzt auf das Foto. „Die habe ich vor nicht mal einer Stunde in Körners Garten gemacht.“, erwiderte Ben und sah zu Semir hoch, der angestrengt nachdachte. „Weißt du, was hier zu sehen ist?“, fragte er und sah seinen Partner eindringlich an. „Na ja, es sieht aus, wie ein ungleiches Liebespaar.“, entgegnete Semir. „Ja, aber dann war die Liaison mit diesem Vladi nur Mittel zum Zweck?“, meinte Ben und Semir sah starr auf die Wand. „Wir müssen mit diesen Beiden sprechen und sie mit den Fotos konfrontieren.“ Ben sah ihn an. „Das wird lustig.“, entgegnete er und grinste. „Sofort oder machen wir das nach unserm Imbiss?“, fragte Ben dann und Semir lächelte. „Machen wir erstmal Mittag. Es dauert sowieso, bis Toni hier ist.“, meinte Semir und griff sich seine Jacke. „Du hast ihn herbestellt?“, fragte Ben und sah seinen älteren Partner fragend an. „Hm, ich habe da noch einige Fragen an meinen alten Freund.“, erwiderte Semir verbissen.


    ...

  • Toni saß auf der Rückbank eines Polizeiwagens und harrte der Dinge aus, die da kamen. In seinem Kopf arbeitete es. Er wollte doch nur seine brikäre finanzielle Lage aufbessern und jetzt galt er als potentieller Mörder. Das wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Er wusste zwar, dass Semir ein guter, ja hervorragender Polizist, Kriminalbeamter und Freund war, der ihn mit Sicherheit da rausholte, aber sein Ehrgefühl sagte ihm, er musste die wahren Täter alleine finden, sie in eine Falle locken. So fasste er eine folgenschwere Entscheidung.
    „Ich muss mal.“, meinte er zum Polizisten. Dieser sah ihn skeptisch durch den Rückspiegel an. „Wir sind in einer halben Stunde da.“, erwiderte er und zog sichtlich auf die linke Spur rüber. „So lange kann ich es aber nicht mehr halten.“, meinte Toni und spielte gekonnt den Leidenden mit der schwachen Blase. „Hey, ich glaube, der muss wirklich.“, meinte der Kollege, der mit Toni hinten auf der Rückbank saß. Genervt setzte der Fahrer wieder den Blinker und bog auf den nächsten Rastplatz ein. „Na gut, aber pass gut auf ihn auf.“, meinte der Fahrer und setzte erneut den Blinker, bog in eine Parkbucht unweit des Haupteinganges ein und stellte den Motor ab. Der junge Polizist stieg mit Toni aus und führte ihn in die große Raststätte. Sie stiegen die Wendeltreppenstufen zu den Toiletten hinunter. Zwar herrschte oben in der Raststätte ein nervenaufreibender Dauerbetrieb, doch im Herrenklo war es geradezu ruhig und friedlich. „Los, mach schon.“, forderte der Polizist und sah abwartend zu Toni hinüber, der vor einem Klobecken in diesen meist viel zu engen Kabinen stand. „Ich kann nicht, mit den Dingern hier auf dem Rücken.“, entgegnete Toni und streckte dem Beamten seine auf den Rücken gefesselten Hände entgegen. Mit Murren schloss der Polizist die metallenen Handfesseln auf und nahm sie an sich. Toni rieb sich die Handgelenke und machte sich fertig. Er schloss die Tür und setzte sich aufs Klo. Er wusste genau, dass dieser Polizist gelangweilt vor der Tür warten würde. Doch wie sollte er diesen Mann so austricksen, dass er ihn schnell überwältigen konnte?


    Semir und Ben kamen gerade in dieselbe Raststätte, wo gerade Toni auf Toilette war, und setzten sich in eine freie Nische. „Was darf ich den Herren bringen?“, fragte eine genervte Bedienung und tippte mit ihrem Stift auf ihrem Block herum. „Zwei Kaffee und einmal die Mittagsplatte.“, meinte Ben hungrig. „Und für den Litten?“, wollte sie dann wissen. „Den halben Hahn.“, erwiderte Semir dann. Die Bedienung entfernte sich. Semir sah sich um. „Was denn hier los?“, fragte er. „So viele Leute sind doch sonst nicht hier.“ „Wer weiß, vielleicht gibt es was umsonst.“, meinte Ben und las das Prospekt, dass auf dem Tisch lag. „Ist doch wieder Ferienzeit.“, fügte der junge Kommissar dann an und legte den Flyer zur Seite. Dann sah auch er interessiert zu den Menschen hinüber. Es schienen wirklich Reisende zu sein, die sich alle vor den Kaffeekassen drängten und sich einen to-go-Becher holen wollten. „Ist ja auch schönes Reisewetter.“, dachte Ben dann und ließ einfach seine Gedanken streifen. Doch immer wieder kehrte er innerlich zu der Szene im Garten zurück. Was war in der Sporttasche, die vor den Beiden lag? Und was sollte das Ganze? Diese Fragen schossen ihn immer wieder durch den Kopf.


    ...

  • „Sind sie jetzt endlich fertig?“, rief der Polizist genervt in die Kabine. „Ja, gleich.“, kam von Toni. Nachdem er die Klospülung betätigt hatte, kam ihm der rettende Einfall. Er würde diesem Grünschnabel einen Herzanfall vortäuschen. Dann, wenn er sich mit seinem Kopf an die Tür lehnte, würde Toni sie mit aller Wucht aufstoßen. Das müsste klappen.
    Und schon ging es los. Toni stöhnte und atmete schwer. „Hilfe.“, stieß er kurz und knapp aus. Der Polizist reagierte sofort und lehnte sich an die Tür. „Alles in Ordnung mit ihnen?“, fragte er. Dann plötzlich schwang die Tür mit einer solchen Wucht auf, dass sie dem Polizisten gegen die Stirn knallte und er benommen zu Boden ging. Schnell zog Toni den Beamten in die Kabine und schnappte sich seine Dienstwaffe. Nun musste er nur noch unbemerkt hier rauskommen, aber bei dem Trubel, der oben herrschte, war das sicherlich kein Problem. Langsam schlich er sich aus dem Toilettenkeller nach oben und Richtung Ausgang. Völlig unbemerkt von allen Beteiligten, da er seinen auffälligen Kilt und sein Kostüm vor der Festnahme abgelegt hatte und nun Jeans, Hemd und eine kurze Jacke trug. Im Hosenbund hatte er die Waffe versteckt und die Jacke drübergeschlagen. Flugs war er aus der Rasstätte verschwunden und sah sich nun nach einer Fluchtmöglichkeit um. Plötzlich sah er den zweiten Polizisten, wie er aus seinem Wagen stieg. Das Gesicht mit genervten Zügen bedeckt, kam er auf die Raststätte mit schnellen Schritten zu. Schnell musste sich Toni ein Versteck suchen, sonst war er gleich wieder in Gefangenschaft und das wollte er nicht. Schnell stellte er sich hinter einen dieser großen Reklamefiguren und war für ein genervtes Auge nicht mehr sichtbar. Und so war es auch. Ohne auf die vier Füße der Statue zu achten, verschwand der Polizist durch die Schiebetür und steuerte seine Schritte direkt zu den Toiletten.


    „So, der halbe Hahn und die Mittagsplatte.“, meinte die Bedienung und stellte beide Teller vor die hungrigen Hauptkommissare. „Kaffee kommt gleich.“, fügte sie hinzu und legte aber schon die Rechnung auf den Tisch. Ben sah das Stück Papier verächtlich an. „Ganz schön heftig, für so eine mickrige Platte.“, meinte er und hielt die Rechnung hoch, sah dann auf seine Platte, wo sich ein kleines Schnitzel, ein paar Bohnen und ein kleines Stück Kassler mit einigen Bratkartoffeln, Speck und einer Salatbeilage, die man kaum so nennen konnte, mischten. „Was hast du erwartet?“, meinte Semir und versuchte, sein Brötchen aufzuschneiden, wurde dann aber von Ben gestoppt. „Halt, der Arzt hat gesagt, du sollst nur flüssiges zu dir nehmen.“, mahnte sein Kollege und nahm ihm den Teller wieder weg. „Hey, du spielst mit deinem Leben.“, fauchte der Deutschtürke und sah seinen jungen Partner verächtlich an. „Tut mir Leid, aber ich habe keine Lust Ärger mit Andrea zu bekommen und mir dein Gejammer anzuhören, wenn die Wunde wieder aufbricht.“, erwiderte Ben und nahm auch sofort Semirs Kaffeebecher an sich, als die Bedienung den brachte. „Hey.“, stieß Semir wieder hervor. „Würden sie dem Herren bitte eine Suppe bringen. Er darf nichts anderes essen.“, erklärte Ben und grinste schelmisch. „Na warte, das kriegst du nachher wieder.“, drohte Semir und verschränkte bockig die Arme vor seinem Körper. „Ja, schimpf du nur. Besser, als wenn dich Dr. Drechsler wieder vorhat, oder?“, fragte Ben und grinste vielsagend. „Hast ja Recht.“, murrte Semir und gab dies nicht gerne zu.


    ...

  • Der Beamte kam in die Toiletten und sah sich um. „Hallo?“, rief er, doch keine Antwort. „Tim, wo steckst du, verdammt?“, fragte er und stieß die erste Kabinentür auf. Doch hier war nichts, außer einer herunterhängenden Klorolle. Dann kam ein Stöhnen aus einer der hinteren Kabinen und sofort rannte der erfahrene Polizist dort hin und öffnete, mit der Pistole in der Hand, vorsichtig die Kabinentür. „Mein Gott, Tim, was ist passiert?“, fragte er, als er seinen benommenen Kollegen auf dem Boden liegen sah. Tim kam langsam wieder zu sich und fasste sich an die Stirn, wo eine dicke Beule hervorkam. „Der Mistkerl hat mich ausgetrickst.“, meinte er nur kurz und wurde dann von seinen Kollegen helfend nach oben gezogen. „Du meinst, er ist weg?“, fragte Peter und sah sich um. „Er hat meine Dienstwaffe mitgenommen.“, stellte Tim dann fest. „Schnell, wir müssen ihn finden. Sonst sind wir beide in Schwierigkeiten.“, erwiderte Paul. Sofort machten sich die Beiden auf die Suche nach ihrem entflohenen Gefangenen.
    Dieser hatte derweil ein geeignetes Fluchtfahrzeug gefunden, schloss die Zündung kurz und fuhr vom Rastplatz. Erst als er den Rastplatz verließ, merkte er, in wessen Auto er saß.


    „So, die Suppe.“, wieder kam die Bedienung und stellte Semir eine Hühnerbrühe vor die Nase. Naserümpfend saß er davor und schnupperte einmal kurz. „Nun iss schon, wir müssen dann wieder auf die Straße.“, meinte Ben und hatte bereits Schnitzel und Kassler verdrückt. Die Bohnen ließ er liegen, da sie ihm und seiner näheren Umgebung sicher nicht gut bekommen würden. So begnügte er sich mit den Bratkartoffeln und, da sie ihm zu wenig Geschmack hatten, nahm er den Pfefferstreuer und schüttelte ihn einige Mal über dem Essen hin und her. Semir nahm den Löffel und kostete die fad aussehende Brühe. „So, wie sie aussieht, so schmeckt sie auch.“, murrte er und legte den Löffel wieder weg. Mit tropfendem Zahn beobachtete er Ben, der sich genüsslich eine Ladung Bratkartoffeln nach der anderen in den Mund schob. „Komm, du musst was essen.“, meinte der junge Kommissar und schob Semir die Schüssel mit der Suppe wieder hin. „Ja ja, hättest du mir nicht den halben Hahn weggenommen, dann wäre ich jetzt satt und zufrieden.“, fauchte Semir und sah sich in der Gegend um. Sein Blick fiel auf die beiden Polizisten, die aufgeregt durch die Raststätte liefen und scheinbar jemanden suchten.


    „Habt ihr was verloren?“, fragte Semir dann drauf los und sah mit miesepetrigem Gesicht die beiden Uniformierten an. Die Beiden antworteten nicht. „Hey, mein Kollege hat euch was gefragt.“, meinte Ben dann mit lauterer, bestimmender Stimme. Die Kollegen der Streife zuckten zusammen. „Wir haben unseren Gefangenen verloren, Toni Zander.“, erklärte Paul leicht zögerlich. „Er hat meine Dienstwaffe.“, fügte Tim hinzu und sah sich weiter um. Sofort waren Semir und Ben aufgefahren und sahen die beiden Beamten mit scharfen Augen an. „Ist das ihr Ernst?“, wollte Semir mit wütendem Gesicht wissen. „Leider, er hat meinen Kollegen niedergeschlagen und ist uns entwischt.“ „Was steht ihr dann noch hier rum? Los, wir suchen ihn.“, meinte Ben und warf einige Euro-Scheine auf den Tisch. In Semir überschlugen sich die Gedanken. Was sollte das? Toni hatte ihm doch gesagt, dass er unschuldig war. Also, was sollte diese Aktion jetzt? Er konnte sich sein Verhalten nicht erklären. „Kommst du, oder willst du dir die Suppe einpacken lassen?“, fragte Ben, der schon fast am Ausgang war, und der Deutschtürke kam sofort hinterher. Dann stockte Semir und sah zur Tür raus. „Mein Wagen.“, stammelte er und zeigte mit dem Finger nach draußen. „Da fährt mein Wagen.“ Sofort war Semir draußen und sah seinem Wagen, wie dieser auf die Autobahn fuhr. „Na toll, und wie kommen wir jetzt zur Wache zurück?“, fragte Ben und sah sich zu Semir um. Dieser sah ohnmächtig hinter seinem Wagen her und sagte nur immer wieder „Mein Wagen“, bevor Ben ihn dann durch eine leichte Ohrfeige wieder zur Vernunft brachte. Leider traf er dabei genau ins Schwarze. „Ahhh, spinnst du?“, schrie Semir auf. Ben sah ihn mitleidig an. „Ich wollte doch nur...“, stammelte er, wurde aber sofort wieder unterbrochen. „Ja, ich sehe, was du wolltest. Man, du weißt genau, wie empfindlich ich da bin.“, meckerte Semir unter Schmerzen. Ben hatte die noch leicht geschwollene Wange getroffen. Dementsprechend war Semirs Reaktion.


    „Los, wir sollten hinterher und ihn uns wiederholen.“, meinte Ben und schnappte sich den Wagenschlüssel der Kollegen, Semir war schneller und riss die Fahrertür auf. „Los, her mit dem Schlüssel.“, fauchte er wütend und hielt Ben die offene Hand vor die Nase. „Semir, in deinem Zustand...“ „Was heißt hier Zustand, bin ich Schwanger oder was?“, fragte er brüllend. Ben zuckte kurz zusammen und gab widerwillig den Autoschlüssel an Semir weiter. „Na warte, Toni.“, murmelte der Deutschtürke und zündete den Motor. Mit eingeschaltetem Blaulicht raste er vom Parkplatz und übersah dabei fast einen Laster, der vor ihnen sich auf die Ausfahrt drängte. Mit quietschenden Reifen und stöhnender Bremse kam der Polizeiwagen einen Zentimeter vor dem großen Kraftfahrzeug zum Stehen. Semir schlug wild auf das Lenkrad. Abgehängt, bevor die Verfolgung begonnen hatte. „Ey, beweg deine Nussschale aus dem Weg.“, rief Semir wütend aus dem Fenster und schaltete in kurzen Intervallen das Martinshorn ein. „Bleib ganz ruhig. Reg dich jetzt nicht auf. Schön bis drei zählen und atmen.“, riet Ben seinem Partner, der wie ein wilder Eber schnaubte und verkrampft das Lenkrad festhielt. Endlich war der Weg frei und Semir ließ sofort den Motor aufheulen. Mit dem nächsten Satz waren sie auf der Autobahn.


    ...

  • Beide Kommissare hielten nach dem BMW Ausschau. „Da vorne, da ist er.“, meinte Ben und zeigte auf das silberne Dach inmitten einer Kolonne von Fahrzeugen. „Na dann wollen wir mal.“, meinte Semir, setzte nach links rüber und überholte mit heulendem Motor. Immer näher und näher kamen sie ihrer Beute, die keine Anstalten machte, nach links oder rechts auszuscheren und zu flüchten. Dann waren sie auf gleicher Höhe. „Semir, das ist nicht dein Wagen.“, meinte Ben und deutete auf den Fahrer. Es war eine junge Frau, so etwa Bens Alter, mit langen, roten Haaren. Bevor Ben mit ihr per Blickkontakt flirten konnte, trat Semir das Gaspedal wieder durch. „Ey.“, murrte Ben. „Wir sind hier auf einer Verfolgungsjagd und auf keiner Such-Ben-eine-Freundin-Fahrt.“, zischte Semir und überholte eine Reihe von LKWs. Doch kein Anzeichen des gestohlenen Dienstwagens. „Verdammt, der kann doch nicht einfach verschwinden.“, meinte Semir nach zwanzig Kilometern Fahrt. „Auf den letzten zehn Kilometern gab es drei Abfahrten, die er alle hätte nehmen können.“, erwiderte Ben und sah sich um. Doch auch er entdeckte den Wagen nicht mehr. „Semir, es ist vorbei. Lass uns zur Wache zurückfahren.“, meinte er daraufhin und sah seinen Partner vielsagend an. Geschlagen nickte Semir, stellte Blaulicht und Martinshorn ab und wendete an der nächsten Ausfahrt.


    Toni hatte wirklich eine der Ausfahrten genommen und fuhr mit Semirs Wagen schnell in die Kölner Innenstadt rein. Er wollte unbedingt seine Unschuld auf eigene Faust beweisen. Schnell stellte er den Wagen in einem abgelegenen Parkhaus ab und zog sich seinen Kragen der Jacke tief ins Gesicht. Er wusste zwar nicht, wo er anfangen sollte, aber ein Gefühl, vielleicht war es auch einfach, um den Kopf frei zu bekommen, ließ ihn in den Kölner Zoo gehen. Langsam schritt er von Gehege zu Gehege, sah den Tieren beim Fressen zu und warf seine Blicke immer wieder hastig um, ob ihn niemand verfolgte. Doch es passierte nichts. Seine Schritte wurden von Minute zu Minute ruhiger. So landete er irgendwann vor dem Freigehege der Löwen. Dort blieb er eine ganze Zeit lang stehen. Irgendwie faszinierten ihn diese imposanten Tiere mit ihren stattlichen Mähnen und dem gelblichen Fell. Der König der Tiere. Schon lange war es Tonis Traum, neben der Reise nach Schottland, diese Tiere in freier Wildbahn zu sehen. In Afrika, wo die weite Savanne ebenso endlos war wie das Meer, wurden die Löwen von den Einwohnern als Tiere der Stärke, des Mutes und der Erhabenheit verehrt. Nicht nur deshalb hatte Schottland den Löwen zu seinem Wappentier gemacht. Er sah den Tieren einfach eine Weile zu. Wie sie dösten oder sich regten. Doch einer der Löwen schien die Blicke von Toni auf sich zu ziehen. Beide sahen sich in die Augen. Während Toni das imposante Tier nicht aus den Augen ließ, schlich der Löwe mit der größten Mähne sich so an Toni heran, dass er von einem Felsen mit ihm auf Augenhöhe war. Auch er ließ den Mann keine Sekunde aus den Augen. Wieder und wieder riss er das Maul auf und zeigte seine Zähne, schloss es aber sofort wieder. Minutenlang starrten sich die Beiden in die Augen, als ob ihre Seelen zusammengehörten.
    Dann jedoch wurde Toni angerempelt und der Blickkontakt brach ab. Das Männchen widmete sich wieder seinen Löwinnen und Toni ging weiter. Da erblickte er jemanden, den er hier nicht erwartet hätte. Vor einem der Käfige stand Sina und assistierte dem Tierarzt beim Setzen einer Infusion. Schnell verschwand Toni aus ihrem unmittelbaren Sichtfeld, blieb aber in ihrer Nähe. „Na warte.“, dachte er mit gelüstender Rache in seinen Augen, welche die ganze Zeit auf der jungen Tierpflegerin ruhten, die eiskalt ihren Freund abgeknallt hatte und es Toni unterschob. Doch jetzt wusste er, wie er den Spieß umdrehen konnte.


    Ben und Semir saßen wieder in ihrem Büro und suchten fieberhaft nach einem Anhaltspunkt, wo sich Toni verstecken könnte. Semirs Auto war schnell gefunden, doch von dort aus gab es zig Möglichkeiten weiter zu fliehen. Semir machte sich einerseits Sorgen, andererseits war er mehr als stinkendsauer auf Toni, dass er ihn so hintergehen konnte. Eine bedrückend explosive Stille herrschte im Büro. Hätte man einen Streichholz angezündet, wäre das gesamte Gebäude in die Luft geflogen. Ben wagte es dennoch seinen Partner in seinen Gedanken anzusprechen. „Semir, wir sollten zu Herrn Körner fahren und ihn mit den Fotos konfrontieren.“, meinte Ben und sah abwartend zu seinen Partner rüber. Der kaute nur auf seinen Bleistift und sah mit schweigsamer, todbringender Miene zum Fenster raus. „Hallo? Erde an Semir.“, meinte Ben, während er den Radiergummi dem Deutschtürken an die Schulter warf. „Hey, ich hab doch gehört, was du gesagt hast.“ „So? Was habe ich denn gesagt?“, wollte Ben wissen und sah ihn mit forderndem Grinsen an. Semir wollte was sagen, doch er konnte nicht. Er muss in diesem Moment wie ein Karpfen ausgesehen haben, denn Ben lachte sich krumm und schief über das Gesicht seines Kollegen, natürlich hinter vorgehaltener Hand. „Na los, komm, bevor du vor Lachen platzt, lass uns lieber an die Arbeit gehen und zu Körner fahren.“, meinte Semir und zog sich seine Jacke über.


    ...

  • Doch als sie gehen wollten, stellte sich ihnen Susanne in den Weg. „Semir, da ist ein Herr von der Staatsanwaltschaft auf Leitung Zwei für dich.“, sagte sie zu ihm. Ben drehte seinen Kopf abrupt zu Semir um. „Etwas zu schnell.“, meinte er nur und sah in das erschrockene und besorgte Gesicht seines Kollegen. „Susanne, sagst du ihnen bitte, ich wäre nicht zu sprechen.“, stammelte Semir kurzentschlossen. Die Sekretärin sah die Beiden verwirrt und fragend an. „Dann habe ich hier noch den Plan der ehemaligen Mitarbeiter der Sicherheitsfirma.“, meinte sie. „Oh, darum hatte ich dich vergessen zu bitten.“, entschuldigte sich Semir. Susanne lächelte nur leicht und erfreut. „Deshalb habe ich es ja gemacht.“, meinte sie und reichte den Plan an Ben weiter. Dieser sah sich sofort die Angestelltenliste durch. „Sieh mal Semir, Jochen Körner war bis vor einigen Monaten dort Mitarbeiter und sein Vater auch, bis er in Pension geschickt wurde.“, erklärte Ben. „Dann wusste er alles. Vom Routenverlauf bis hin zum Ablauf und zur Menge des Geldes im Transporter.“, kombinierte der Deutschtürke. „Und was sage ich jetzt dem Staatsanwalt?“, fragte Susanne zwischen. „Wir sind außer Haus.“, fügte Ben hinzu und schob Semir schnell an ihr vorbei, um eine weitere Erklärung unmöglich zu machen.
    „Man Semir, was hast du da nur wieder angestellt.“, tadelte Ben mit Besorgnis in der Stimme seinen Kollegen, der jedoch still auf seinem Beifahrersitz saß und aus dem Fenster starrte. Dann jedoch wandte er sich seinem jungen Kollegen zu. „Wie konnte er mich so verarschen?“, fragte Semir fauchend und schlug wütend und zornig zugleich gegen das Armaturenbrett. „Hey, das ist mein Wagen.“, beschwerte sich Ben. „Das kannst du in deiner Kalesche machen.“ „Ich muss mich abreagieren.“, entgegnete Semir nur. Ben sagte nichts mehr. Semir war zu angespannt und zu wütend, um seine sarkastischen Bemerkungen mit dem sonst so robusten Humor zu verkraften. So fuhren sie schweigend zu Herrn Körner.


    Herr Körner saß in seinem Wohnzimmer und traf einige Reisevorbereitungen. Wenn Sina heute Abend nach Hause kommen würde, würden sich beide auf den Weg zum Flughafen machen und dann hieß es: „Adieu Köln, Hallo Karibik.“ Mit singender Stimme packte er einen seiner großen Koffer, als es an der Tür klingelte. Abwartend und erschrocken sah er kurz hoch, ließ vom Packen ab, lehnte die Tür zum Wohnzimmer so ran, dass man von außen nichts sah, und ging zur Tür.
    Er erstarrte einen Moment, als der die beiden Gesichter der Autobahnpolizisten durch die Glasscheibe sah. In seinem Kopf überlegte er, ob er öffnen sollte. Aber was sollten sie schon von ihm wollen, als ihn zum tragischen Tod von Jochen und zum plötzlichen Mord an Vladi zu befragen. Innerlich lachte er und meinte, dass die Polizei doch so leicht zu durchschauen sei. Ohne weiter zu zögern öffnete er die Tür und ließ die Beiden Kommissare rein. „Herr Körner, wir haben da noch einige Fragen.“, verkündete Semir und trat ohne zu Fragen ins Haus. „Aber Bitte, kommen sie doch rein.“, meinte der ältere Herr und schloss die Tür hinter Beiden wieder. Ben steuerte aus Gewohnheit das Wohnzimmer an, war schon dabei dessen Tür zu öffnen, als Herr Körner ihn sachte am Arm packte. „Bitte, gehen wir in die Küche.“, meinte er und Ben sah genau, dass ihn irgendwas beschäftigte. Er schien sichtlich nervös zu sein, doch Ben willigte ein und bat Körner voraus zu gehen. Als der alte Herr sich umdrehte, warf der junge Kommissar doch einen Blick ins Wohnzimmer. „Hm, interessant.“, dachte er nur und ging dann hinter Semir und dem Rentner her.


    „Herr Körner, was können sie uns dazu sagen?“, fragte Semir und warf ihm einen Abdruck der Fotos hin, die Ben bei seinem letzten Besuch hier gemacht hatte. Entsetzt riss Vater Körner seine Augen auf und verriet sich so. „Was... was soll das sein?“, stammelte er und sah mit noch mehr Schweiß auf der Stirn zu den Kommissaren auf. „Das sehen sie echt nicht?“, fragte Ben und lächelte vielsagend, wonach Semir überhaupt nicht war. „Sehen sie diesen Mann hier? Das sind sie oder nicht?“, meinte der Deutschtürke und der Mann schluckte. „Und wissen sie auch, wer das ist?“, fragte dann Semirs junger Partner und deutete auf die Frau auf dem Foto. „Das ist Sina Mahler, die Freundin ihres Sohnes Vladi Körner.“ „Jetzt fragen wir uns natürlich, warum sie mit der Freundin ihres Sohnes so innige Küsse austauschen.“ Körner wurde immer bleicher, noch nie konnte er gut lügen oder es zumindest nicht gut verbergen. Er muss in diesem Moment rot wie eine Tomate sein, die noch dazu unter der Dusche steht. „Ich ... ich.“, stammelte der Mann, rang nach Worten, wofür es keine leicht erklärlichen Worte gab. „Dann werde ich ihnen eine mögliche Erklärung geben.“, fing Ben an. „Sie haben ein Verhältnis mit der Freundin ihres Sohnes.“, beschuldigte der Kommissar den Mann. Sofort fuhr dieser auf und wollte was erwidern, als er von Semir zurück auf die Bank gedrückt wurde. „Zuhören.“, fauchte er nur und sah Körner mit seinen braunen Augen böse an. „Wir wissen, dass sie bis vor einigen Monaten bei der Sicherheitsfirma gearbeitet haben, zusammen mit ihrem Sohn.“, meinte Ben und zog die Liste aus Semirs Jackentasche, faltete sie auf und hielt sie Körner vor die Nase. „Ihr Sohn Jochen war an dem Überfall auf den Geldtransporter beteiligt. Ihr anderer Sohn auch? Haben sie die Jungs auf die Idee gebracht?“, löcherte der junge Hauptkommissar den Mann mit Fragen. „Nein ... ich... ich habe nichts damit zu tun.“, verriet sich Körner nun entgültig. „So, wie war das denn nun und wo ist das Geld?“, fragte Semir und stellte sich nun genau vor Körner hin, der immer mehr ins Schwitzen geriet.


    ...

  • Sina machte inzwischen Feierabend. Da sie Frühschicht hatte, war ihr Dienst mit dem Glockenschlag 16 Uhr zu Ende. Sie ging langsam zu ihrem Auto, dass verlassen in einer kleinen Seitennische des Zoos stand. Sie merkte nicht, wie sie verfolgt wurde. Ohne weiter auf ihre Umgebung zu achten, summte sie vor sich hin und steckte den Schlüssel in das Wagenschloss der Tür. Doch plötzlich wurde sie von hinten gepackt, grob umgedreht und sah in ein Paar wild entschlossener Augen und in den Lauf einer Pistole. „Überrascht?“, fragte Toni und sah sich um, den Arm der Frau dabei fest in seinem Griff. Sina sah ihn mit erschrockenem Blick und weit aufgerissenen Augen an. „Was wollen sie?“, fragte sie stotternd. „Die Wahrheit. Ich will, dass sie die Wahrheit sagen.“, erwiderte der Mann, dem sie den Mord an Vladi in die Schuhe geschoben hatte. Was konnte sie erwidern? Der Mann wusste, was er wollte und er würde es bekommen, andernfalls würde sie diese Begegnung nicht überleben. „Was soll ich tun?“, fragte sie ergebend. „Schon besser.“, meinte Toni und ließ die Pistole langsam sinken. „Hast du ein Handy?“, fragte er. Sie nickte zögernd und ängstlich. „Gut, dann wirst du jetzt die Polizei anrufen und ihnen alles erklären.“, fauchte er und drückte ihr Semirs Visitenkarte in die Hand. Mit zittriger Hand tippte sie auf ihren Nummernpad die Ziffern ein und hielt sich das Handy ans Ohr.


    Noch immer sah Semir den Mann an, als plötzlich sein Handy klingelte. „Ja, Gerkhan?“, meldete er sich mit schroffer Stimme. „Frau Mahler?“ Sofort sah Körner mit neugierigen Blicken auf. „Ja, in zwei Stunden im Kölner Zoo. Okay, kein Problem.“, entgegnete Semir und dann war das Gespräch beendet. Ben sah seinen Partner fragend an. „Sina Mahler will mit mir über den Tod von Vladi Körner reden.“, erklärte der Deutschtürke. Dann wandte er sich wieder Körner senior zu. „So, nun reden sie endlich. Wer hat mit dem Überfall zu tun?“, forderte er von seinem Gegenüber. „Also schön, mein Sohn Jochen litt unter Spielsucht. Immer wieder borgte er sich Geld von anderen Menschen, um zu spielen. Auch von mir.“, fing Körner an zu erzählen und blickte dabei auf das mit einem schwarzen Band umrahmte Bild seines großen Jungen. Ben sah kurz ebenfalls dorthin. „Das ging bald so weit, dass er selbst sein Gehalt diesen Schuldnern in den Rachen warf. Immer wieder verlangte er einen Gehaltsvorschuss, doch irgendwann reichte es seinem Chef.“ „Er warf ihn raus.“, dachte Semir laut und der Vater nickte nur. „Dann hatte er die Idee mit dem Überfall.“, mutmaßte Ben und wieder ein zustimmendes Nicken. „Ich hatte ihnen die Routen und Fahrpläne besorgt. Doch es ging schief.“ „Ihre Freundin, Sina Mahler ist doch ihre Freundin?“, fragte Semir. „Wir haben uns von Anhieb gut verstanden. Vladi war schon immer leicht gestrickt und gut zu täuschen.“, leicht lächelte Körner vor sich hin, doch Semir verspürte nur Ekel über diesen Mann.
    „Ihre Freundin hat einen Wachmann kaltblütig erschossen. Dafür wandern sie beide lebenslang hinter Gitter.“, fauchte Ben. „Mit dem Überfall habe ich nichts zu tun.“, schrie Körner und schnellte hoch. „Oh doch, sie haben zugelassen, dass ein Unschuldiger für den Mord an ihrem Sohn Vladi ins Gefängnis kommt.“, schrie Semir und begriff seine Worte erst im Nachhinein. „Ich nehme mal an, sie wollten erst ihren Sohn Jochen aus dem Weg haben, da er das ganze Geld wieder verspielt hätte. Aber nein, glücklicherweise kommt ihnen da der Unfall gelegen.“, konterte Ben und drückte Körner zurück auf den Stuhl. „Jetzt brauchten sie nur noch ihren zweiten Teilhaber und Nebenbuhler ausschalten.“, meinte Semir. „Das übernahm ja ihre Freundin mit großem Vergnügen. Stimmt’s?“, fragte Ben mit lauter Stimme. Was konnte Körner schon anderes machen, als zustimmen. Alles stimmte. Die Polizisten hatten ihn in Grund und Boden geredet. „Wo ist das Geld?“, wollte Semir dann wissen. „Sina hat es bei sich. Wir wollten heute Abend in die Karibik fliegen.“, erwiderte er niedergeschlagen. „Tja, das können sie sich wohl in die Haare schmieren.“, meinte Ben und zog die Handschellen hervor. Ohne weiteren Widerstand ließ sich Körner verhaften und wurde dann von den Kollegen abgeführt. „Tja, da brauchen wir nur noch eine einzusacken und der Fall ist erledigt.“, meinte Ben dann und sah Semir an, doch dieser schien nicht das Gefühl zu haben.


    ...

  • Sina Mahler legte wieder ihr Handy weg, als sie aufgelegt hatte. „Gutes Kind.“, meinte Toni und zog sie dicht an sich. „Und jetzt, wo ist das Geld?“, fragte er und drückte ihr die Pistole tief in den Bauch. „Was?“, fragte sie und sah den Mann entsetzt an. „Du hast mich schon verstanden. Das wird meine Entschädigung sein, für das, was du mir angetan hast.“, lächelte Toni gefährlich und packte sie dann am Hals. „Also Schätzchen, wo hast du die Kohle versteckt?“, fragte er ein zweites Mal. Sina deutete auf ihren Kofferraum und Toni zog sie in die Richtung. „Aufmachen.“, forderte er. Mit zittriger Hand schloss sie die Kofferklappe auf und deutete auf die rote Sporttasche. Toni nahm die Tasche an sich, zog den Reißverschluss auf und sofort kamen ihm einige Bündel Euro-Scheine entgegen. Seine Augen strahlten richtig vor Freude. „So, dann mal rein mit dir, Schätzchen.“, forderte er dann und drückte ihr wieder die Pistole in die Seite. Langsam stieg die Tierpflegerin in den Kofferraum und legte sich hin. Ohne zu zögern, knallte Toni die Klappe wieder zu, schloss ab, ließ aber den Schlüssel stecken und heftete einen Zettel an die Windschutzscheibe. Dann verschwand er mit der Tasche und dem Geld. Die Pistole ließ er im Wagen von Sina Mahler liegen, ebenfalls mit einem kleinen Zettel versehen.


    Ein wenig früher trafen auch Semir und Ben auf dem Mitarbeiterparkplatz des Zoos ein und suchten nach Sina Mahler. „Siehst du sie?“, fragte Ben und stellte den Wagen neben einen kleinen Mazda ab. Semir sah sich um, konnte aber auch nichts entdecken. Beide stiegen aus und schauten sich um. „Semir, schau mal.“, meinte Ben, nachdem sein Blick auf den Zettel unter dem Scheibenwischers des Mazdas gefallen war. Sofort war Semir bei seinem Partner und sah auf den Zettel. „Schaut in den Kofferraum.“, las Ben vor. Semir stutzte. „Warum sollen wir denn in den Kofferraum sehen?“, fragte er und ging nach hinten. „Warte, vielleicht wollen wir das nicht sehen.“, meinte Ben. Ihm schwante übles. „Nachsehen müssen wir doch wohl.“, erwiderte Semir mit hochgezogener Augenbraue, drehte den Schlüssel um und öffnete den Kofferraum.
    Wie ein Kastenteufel fuhr Sina Mahler hoch und kroch aus ihrem viel zu kleinen Gefängnis. „Ich wusste gar nicht, wie eng so ein Ding ist.“, hauchte sie, während sie immer wieder tief Luft holte. Ben und Semir sahen sich fragend an. „Was haben sie denn im Kofferraum gemacht? Haben sie sich selbst eingeschlossen?“, fragte Ben und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Finden sie das etwa komisch?“, fauchte sie. „So komisch, wie mich über eine Bande Krokodile zum Trocknen aufzuhängen.“, erwiderte Ben und sofort wurde Sinas Kopf rot. „Aha.“, meinte er nur. „Frau Mahler, ich nehme sie wegen Beteiligung an einem Überfall und wegen Mordes an einem Wachmann fest.“, fauchte Semir, packte sie dann und drehte sie harsch zu sich. „Und wenn sie nicht für immer hinter Gittern wollen, dann gestehen sie lieber auch den Mord an ihrem Freund Vladi Körner.“, fügte der Deutschtürke hinzu. Sina sah ihn erschrocken an. „Wie... Woher wissen sie, dass ich?“, stammelte sie. „Geraten.“, erwiderte er trocken. „Verdammt.“, fluchte sie.
    „Ihr Komplize und Geliebter, Herr Körner hat ein Geständnis abgelegt.“, erklärte Ben und sah sie verachtend an. „Sie täten besser daran, diesem Beispiel zu folgen.“, legte er ihr nahe. Sina nickte ergeben. „Also, haben sie Vladi Körner umgebracht, ja oder nein?“, fauchte Semir und packte sie an der Schulter. „Ja, verdammt noch mal.“, erwiderte sie mit gespannter Stimme. „Na los, wir hören.“, murrte der Deutschtürke und ließ die Frau wieder los. Sie setzte sich auf die Kante des Kofferraumes und fing an zu erzählen. „Das Ganze war Jochens Idee. Vladi und ich haben nur mitgemacht, weil wir später Jochen das Geld wieder abnehmen wollten und ihn...“ „Und ihn beiseite schaffen wollten, aber der Unfall kam ihnen gerade recht.“, meinte Ben fauchend. „Ja genau.“, sagte sie gleichgültig. Semir konnte über so viel Gleichgültigkeit nur den Kopf schütteln. „Und ihren Freund haben sie auch beseitigt und es einem Unschuldigen in die Schuhe geschoben.“, meinte Semir dann. „Unschuldig? Er hat mir immerhin das Geld gestohlen.“, fauchte sie und sah dann auf den matschigen Boden runter. „Und jetzt schon wieder.“, murmelte sie. Beide Kommissare horchten auf. „Wie war das?“, fragten beide im Chor. „Ja, er hat mir hier aufgelauert und mich gezwungen, sie anzurufen.“, erklärte Sina Mahler mit bedrückter Stimme. „Wie gut, dass er es gemacht hat.“, meinte Ben und nahm die Frau fest.


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  • So, meine lieben Leser. Ich danke euch schon mal im Voraus für die abschließenden Feeds. Da ich heute noch zum Zahnarzt muss (Rache von Semir?) stelle ich euch das Finale der Geschichte rein. Vielen Dank fürs Lesen und in wenigen Tagen gibt es wieder eine neue Geschichte von mir ;)



    Semirs Blick fiel indes auf die Pistole, die auf dem Beifahrersitz lag. „Mit bestem Dank zurück. Gruß, Toni.“, las Semir auf dem Zettel. „Das glaube ich doch jetzt nicht.“, fluchte Semir, knüllte den Zettel zusammen und warf ihn wütend auf den Boden. „Ben, bring du Blondi hier zur Wache. Ich schnapp mir jetzt Toni.“, fauchte der Deutschtürke und brach zu Tonis Wohnung auf.


    Toni, inzwischen wieder zu Hause, pfiff fröhlich vor sich hin und packte seine Koffer. Auch er wollte weg, in die weite Welt. Endlich mal nach Schottland, dort in den nebligen Highlands, die mit ihren schroffen Klippen den Himmel zu kitzeln schienen, umher wandern und mit seiner Bonnie spielen. Oder nach Afrika und endlich wilde Löwen in freier Wildbahn sehen. Egal, erst einmal musste er aus dieser Stadt weg, weit genug, um Semir und seinen Moralpredigten zu entgehen. Das war sein Geld, ihm stand es zu. Die Sicherheitsfirma war doch versichert, sie würden das Geld schon wiederkriegen.
    Wie er so durch die Wohnung rannte, fiel ihm auf einmal das eingerahmte Abschlussfoto in die Augen. Semir und er lagen sich in den Armen, ihre Zeugnisse stolz über den Köpfen gehalten. Er war wirklich immer ein guter Freund und war es eigentlich jetzt noch. „Nein, das kannst du nicht bringen.“, meldete sich plötzlich laut sein Gewissen zu Wort. „Du kannst mit dem Geld nicht einfach abhauen. Du würdest viele Menschen enttäuschen.“, mahnte ihn sein Verstand und sein Mund sprach es aus. Toni stellte das Foto wieder weg, sah dann auf die Tasche mit dem vielen Geld. „Du hast mir nichts, als Ärger gebracht.“, fauchte er und schleuderte die Tasche quer durch die Wohnung in den Flur hinaus.
    „Hey, pass doch auf.“, rief Semir aus dem Flur. Toni horchte auf und ging der Stimme nach. Semir stand im Flur, die Tasche in der Hand und sein Gesicht zierte ein kleines, wenn auch verstecktes Lächeln. „Seid wann bist du hier?“, fragte er, etwas peinlich berührt über die Selbstgespräche, die er führte. „Lange genug, um zu hören, was dir durch den Kopf ging.“, lächelte Semir. „Und ich finde es sehr vernünftig von dir.“ „Semir, ich weiß nicht was los war.“, gestand Toni und ließ den Kopf hängen. „Hey, du bis bei so viel Geld schwach geworden, kann jedem in deiner finanziellen Lage passieren.“, meinte Semir und legte seinem Freund aufmunternd die Hand auf die Schulter. „Komm, wir bringen das Geld zur Sicherheitsfirma und ich bin sicher, dass die einen Finderlohn für dich haben.“ „Bist du sicher?“, fragte Toni. „Ja, warum denn nicht?“, erwiderte Semir und sah ihn an. Ganz deutlich konnte er einige Tränen in den Augen des Musikers erkennen. Ohne Vorwarnung fiel er dem Deutschtürken um den Hals und schluchzte ein leises „Danke Semir“. „Schon gut.“, erwiderte dieser. „Ich habe eigentlich gar keinen Freund, wie dich verdient.“ „Ich muss gestehen, ich war auch bis vor fünf Minuten noch sauwütend auf dich. Aber nun komm.“


    So brachten Semir und Toni das Geld zurück und der Hauptkommissar sollte recht behalten. Die Firma zahlte einen Finderlohn von zehn Prozent, das waren mehr als 20.000 Euro, an Toni aus, mit denen er endlich seine geliebte Reise nach Schottland unternehmen konnte. Sina Mahler wurde wegen zweifachen Mordes und einem Mordversuch angeklagt und zu lebenslanger Haft verurteilt. Tonis Aussage half dabei wesentlich mit. Herr Körner wurde wegen Beihilfe zu schweren Raubes und Mordes zu einer Haftstrafe von 18 Jahren verurteilt. Toni und Semir hatten diese Hürde der Freundschaft gut überstanden und er brachte seinem Retter sogar einen alten, echt schottischen Whiskey mit.


    Ende ... doch Semir und Ben ermitteln wieder ... in „Gedächtnisverlust“

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