Schwere Prüfung

  • Semir trieb seinen Wagen gnadenlos durch die Straßen. Mit Blaulicht und Sirene raste er Richtung Krankenhaus und mehr als einmal entging er nur knapp einem Crash. Er kurbelte wie wild am Lenkrad, um den diversen Hindernissen auszuweichen, die sich ihm in den Weg stellten. Er konnte es sich nicht erklären, aber er spürte, nein er wusste ganz genau, dass Tom in eben diesem Moment um sein Leben kämpfte. Daran bestand kein Zweifel.


    Noch nie war ihm der Weg zur Klinik so endlos lange vorgekommen wie heute, aber schließlich bremste er den Wagen mit quietschenden Reifen genau vor dem Klinikportal ab. Er ignorierte den Mann, der empört und wild fuchtelnd auf ihn zukam um ihm klar zu machen, dass er hier nicht stehen bleiben konnte.
    „Polizeieinsatz!“ rief er ihm nur zu, während er zum Eingang der Klinik spurtete und einen verdutzten Passanten zurückließ, der ihm kopfschüttelnd nachsah. Er rannte am Aufzug vorbei zur Treppe. Er hätte es jetzt nicht ertragen, still im Aufzug zu stehen und zu warten, bis sich die Tür öffnete. Auf der Treppe war er schneller. Und jetzt zählte jede Minute – nein, jede Sekunde!


    Im 3. Stock angekommen spurtete er die letzten Meter bis zu Zimmer Nr. 311 und riss, ohne anzuhalten die Tür auf. Was er sah, ließ sein Blut in den Adern gefrieren. Da stand ein Mann vor Toms Bett und drückte ihm ein Kissen aufs Gesicht. Tom lag schlaff und bewegungslos da und rührte sich nicht. Der Mann hatte sich herumgedreht und starrte Semir an. Er hatte offenbar nicht damit gerechnet, bei seinem Tun gestört zu werden und war dementsprechend überrumpelt.


    Semir überlegte nicht lange. In ihm stieg unsagbare Wut hoch. Wut auf diesen Kerl, der Tom umbringen wollte. Oder hatte er es schon geschafft? Lebte Tom überhaupt noch? Im Moment war keine Zeit, um Überlegungen anzustellen. Semir schnellte nach vorne und verpasste dem Kerl einen Kinnhaken, der ihn fast zu Fall gebracht hätte. Er strauchelte kurz, drehte sich dann aber wieder zu Semir um und konterte den Schlag mit einer solchen Wucht, dass Semir auf den Boden geschleudert wurde. Für einen kurzen Moment war Semir benommen, stand aber sofort wieder auf den Beinen und rammte seinem Gegner den Kopf in den Magen. Dann entlud sich Semirs Wut und seine Angst um Tom. Er ließ Schlag für Schlag auf Jacko niederprasseln, fast wie in einem Rausch. Erst als Jacko auf dem Boden lag und sich nicht mehr rührte, kam Semir wieder zur Besinnung.


    Er drehte sich zu Tom um. Das Kissen lag zwar nicht mehr auf seinem Gesicht. Es war während des Kampfes zu Boden gefallen. Aber Tom lag immer noch bewegungslos da und rührte sich nicht mehr.
    Plötzlich kam eine Krankenschwester ins Zimmer, die den Tumult wohl gehört hatte. Als sie sah, was passiert war, schlug sie Hände vors Gesicht und stieß sie einen schrillen Schrei aus.
    „Schnell, rufen Sie einen Arzt. Er hat ihn erstickt!“
    Die Schwester nickte und eilte davon, um Hilfe zu holen.
    Semir wandte sich wieder Tom zu. Er konnte keinen Puls mehr fühlen. Verzweifelt begann er, Tom zu beatmen und sein Herz zu massieren.
    „Mensch Partner, das kannst du jetzt nicht machen,“ keuchte er, während er rhythmisch Toms Brustkorb nach unten drückte.
    „........du hast einen Kopfschuss überlebt, dann schaffst du diesen Klacks doch auch.“
    Plötzlich wurde Semir von ein paar Händen beiseite geschoben.
    „Was ist denn hier passiert?“ fragte Dr. Neubert, der plötzlich hinter Semir stand, während er einem Kollegen zuwinkte, der ihm eine Sauerstoffmaske reichte, die er Tom nun aufs Gesicht drückte und gleichzeitig nach dem Puls fühlte.
    „Er wollte ihn ersticken..........ist er......?“ fragte Semir, während er auf Toms leblosen Körper starrte. Dr. Neubert schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann den Puls fühlen, zwar sehr schwach, aber das Herz schlägt. Allerdings hätten sie keine Sekunde später kommen dürfen, Herr Gerkhan.“
    Dr. Neubert gab seinen Kollegen die Anweisung, Tom zur Intensivstation zu bringen. Semir sah zu, wie sie das Bett mit Tom rausschoben, ohne die Beatmung mit dem Ambu-Beutel zu unterbrechen. Als Dr. Neubert an ihm vorbei ging, zeigte er mit dem Kopf auf den immer noch bewusstlos am Boden liegenden Jacko. „Braucht er ärztliche Hilfe? Wenn nicht, dann sorgen Sie bitte dafür, dass er hier weggeräumt wird.“
    Semir nickte. Er hatte ganz vergessen, dass Jacko immer noch in der Zimmerecke lag. Nun ging er vor ihm in die Hocke und fesselte ihm die Hände auf den Rücken. Falls der Kerl aufwachte, wollte er nicht das Risiko eingehen, dass er versuchen würde zu fliehen. Dann zückte er sein Handy um die Kollegen anzurufen, die Jacko abholen sollten. Er selbst würde hier bleiben, bis er wusste, was mit Tom war. Und danach würde er sich den Kerl höchstpersönliche vorknöpfen.

  • Anna Engelhardt hatte den Hörer am Ohr und hörte schweigend zu, was ihr Semir mitzuteilen hatte.
    „Danke Semir, ich werde ihnen sofort die Kollegen schicken. Bleiben sie vorerst in der Klinik, bis sie wissen, wie es ihm geht.“
    Anna legte langsam den Hörer auf und blickte in die angstvollen, fragenden Gesichter von Herzberger und Bonrath, die gerade bei ihr waren, als der Anruf kam.
    „Auf Tom wurde ein Anschlag verübt......Semir ist gerade noch rechtzeitig gekommen, um das schlimmste zu verhindern.“
    Sie saß am Schreibtisch, fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht und lehnte sich dann im Stuhl zurück. Anna Engelhardt wirkte müde. Die Sache mit Tom zehrte an ihren Nerven. Bonrath und Herzberger schwiegen ebenfalls.
    „Was ist denn mit Tom?“ fragte Dieter schließlich vorsichtig.
    Anna Engelhardt seufzte: „Dieser Jacko hat vorhin versucht, ihn mit einem Kissen zu ersticken. Semir kam in letzter Sekunde dazu und konnte ihn überwältigen. Und Tom.....,“ sie machte eine kurze Pause und blickte vor sich auf die Tischplatte.
    „Tom wurde wieder auf die Intensivstation gebracht. Er ist bisher nicht wieder aufgewacht.“
    Plötzlich stand Hotte auf und verließ, ohne ein Wort zu sagen das Büro. Dieter sprang auf. „Hotte......?!?“
    Verständnislos sah er seinem Freund nach, der eben die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    „Er.....er.....gibt sich die Schuld an dem, was mit Tom passiert ist.“ Dieter stand einen Moment hilflos im Raum, sah immer wieder von der Chefin zur Tür, von der Tür wieder zur Chefin.
    „Kümmern sie sich um ihn, Bonrath. Ich werde zwei andere Kollegen schicken, um diesen Jacko abzuholen. Ich glaube, Herzberger braucht jetzt ihren Zuspruch.“
    Erleichtert nickte Bonrath und verließ ebenfalls das Büro, um nach Hotte zu sehen.


    Der saß an seinem Schreibtisch und starrte ins Leere. Bonrath setzte sich ihm gegenüber.
    „Hotte......du kannst doch nichts dafür. Das hätte mir auch passieren können,“ versuchte er, seinen Kollegen zu trösten. Aber Hotte schüttelte energisch den Kopf.
    „Doch, Dieter, ich kann was dafür. Hätte ich nicht so ein loses Mundwerk, dann wäre das nicht passiert.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Ich werde mir das nie verzeihen. Ich kann doch Tom nie wieder in die Augen sehen.“
    Dieter bemerkte das feuchte Schimmern in Hottes Augen, sagte aber nichts dazu. Was sollte er auch sagen? Plötzlich begann Hotte auf der Tastatur seines PC zu tippen.
    „Was schreibst du denn da?“ wollte Dieter wissen.
    „Meine Kündigung. Ich werde mich vorzeitig in den Ruhestand versetzen lassen. Ich will nie wieder einen von euch in Gefahr bringen.“ Kam es knapp von Hotte zurück, während er verbissen auf die Tastatur einhämmerte.
    „Aber Hotte........das kannst du doch nicht machen.“ Dieter Bonrath schluckte. Er konnte sich die Arbeit hier ohne Hotte einfach nicht vorstellen.


    Anna Engelhard schickte Siggi mit noch einem Kollegen los, um Jacko aufs Revier zu bringen. Semir hatte inzwischen mit dem Arzt gesprochen und saß nun schon seit einiger Zeit vor Toms Bett. Tom war an die Beatmungsmaschine angeschlossen, die ihn rhythmisch ein- und ausatmen ließ. Dr. Neubert hielt es für besser, ihn bis auf Weiteres künstlich zu beatmen. Er fürchtete einen erneuten Atemstillstand, wenn man die Maschine zu früh abschalten würde. Dr. Neubert war zwar zuversichtlich, dass Tom den Mordanschlag ohne Schäden überstehen würde, schloss aber auch Komplikationen nicht aus. Die Angst, das bange Warten, begannen von Neuem und zehrten wieder an Semirs Nerven.

  • So, nun kommt endlich wieder ein Teil von mir. Weil ich Urlaub habe, und man bekanntlich im Urlaub noch weniger Zeit hat, als sonst, und weil mich das Lesen eurer spannenden Storys fast nicht zum Schreiben hat kommen lassen, musstet ihr wieder etwas länger warten:


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    Herzberger stand vor dem Schreibtisch der Chefin und drehte das Kuvert, dass er in den Händen hielt, nervös zwischen seinen Fingern. Irgendwie wusste er nicht, wie er es ihr sagen sollte, aber er hatte sich entschieden und wollte es jetzt hinter sich bringen.
    „Chefin.......“ begann er zögerlich.
    „Ja, Herzberger?“ Anna Engelhardt sah ihn an. Sie sah auch das Kuvert in seinen Händen.
    „Geht es ihnen wieder besser?“
    Hotte schwieg noch einen Moment, ehe er entschlossen den Umschlag vor Anna auf den Schreibtisch legte.
    Erstaunt blickte sie darauf.
    „Was ist das?“
    „Meine Kündigung. Ich will mich vorzeitig in den Ruhestand versetzen lassen, und........“
    Hotte druckste etwas herum.
    Anna Engelhardt stand auf und kam um den Schreibtisch herum. Sie stellte sich vor Hotte und sah ihn an.
    „Herzberger, sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen. Irgendwie hätte dieser Jacko auch ohne sie herausgefunden, wo Tom ist,“ versuchte sie, ihn zu trösten.
    Aber Hotte schüttelte den Kopf.
    „Ich hab mich entschieden, und basta. Ich werde gehen.“
    Anna Engelhardt sah Hotte an, dass es ihm ernst war.
    „Aber Tom wird sicher enttäuscht sein, wenn er wieder kommt und sie nicht mehr da sind. Er hält große Stücke auf Sie.“
    Einen Moment schien es, als ob es ihr gelingen würde, den Kollegen umzustimmen. Aber Hotte schüttelte wieder den Kopf.
    Anna ging wieder um den Schreibtisch herum, setzte sich wieder auf den Stuhl und nahm den Umschlag in die Hände.
    „Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herzberger. Ich werde diesen Umschlag hier in die Schublade legen. Sie werden sich noch eine Woche Zeit nehmen, ihre Entscheidung zu überdenken. Wenn sie danach immer noch davon überzeugt sind, das Richtige zu tun, dann werde ich ihn öffnen und weiterleiten, andernfalls werden wir ihn ungeöffnet vernichten.“
    Fragend blickte sie Hotte in die Augen. Sie konnte förmlich sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. Schließlich nickte er. Auf eine Woche mehr oder weniger kam es auch nicht an. Aber er würde seine Entscheidung bestimmt nicht rückgängig machen.
    Anna Engelhardt blickte ihm erleichtert nach, als er das Büro verließ. Sie konnte ja verstehen, was in ihm vorging, aber sie würde auch ungern auf ihn verzichten. Bei allem Chaos, das Hotte und Dieter so ab und zu anrichteten – die beiden waren eine super Team und einer konnte ohne den anderen nicht sein.


    Semir war auf dem Stuhl kurz eingenickt. Plötzlich bemerkte er ein Röcheln. Sofort war er hellwach. Tom war zwar nicht wach, aber irgendwie schien er gegen den Tubus in seinem Hals zu kämpfen. Semir stand auf und drückte die Klingel. Sofort stand Dr. Neubert hinter ihm.
    „Was ist los?“ Aber noch ehe er ausgesprochen hatte, sah er selbst, dass Tom versuchte, selbstständig zu atmen und dabei störte ihn offensichtlich der Tubus. Dr. Neubert rief nach einer Schwester.
    „Wir müssen den Tubus entfernen. Anscheinend hat ihr Kollege beschlossen, wieder alleine zu atmen,“ sagte er mit einem Lächeln zu Semir. Semir war aufgestanden, um dem Arzt Platz zu machen. Mit ein paar Handgriffen, hatten sie den Schlauch aus Toms Rachen entfernt. Dr. Neubert wandte sich zufrieden zu Semir.
    „Ich glaube, ihr Kollege wird bald aufwachen. Er hat es überstanden.“ Aufmunternd klopfte er Semir auf die Schulter, ehe er das Zimmer verließ. Semir war unendlich erleichtert. Das musste er sofort seinen Kollegen mitteilen. Er verließ kurz das Krankenzimmer, um zu telefonieren.


    Als er zurückkam und gerade wieder die Intensivstation betreten wollte, hörte er plötzlich, wie jemand seinen Namen rief. Krächzend leise zuerst, dann immer lauter.
    „Semir!“
    Die Erkenntnis, dass es Tom war, der nach ihm rief, traf ihn wie ein Keulenschlag. Er war aufgewacht, aber weshalb schrie er so?“ Semir hastete in das Zimmer und an Toms Bett. Der lag in den Kissen, hatte die Augen weit aufgerissen und murmelte immer wieder: „Semir.....Semir......!“
    Semir konnte sehen, dass Toms Augen tränenfeucht schimmerten.
    „Tom....ich bin hier! Was ist los? Hast du Schmerzen?“ Semir hatte Toms Hände genommen und hielt sie fest.

  • So, hier kommt nun der letzte (aber lange!) Teil meiner Story. Ich hoffe doch, dass sie euch gefallen hat und freu mich über feeds von euch!
    (Natürlich freu ich mich jetzt auch auf deine neue Story, Elvira!!! ;)
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    Tom lachte und weinte zugleich und schüttelte den Kopf.
    „Schmerzen? Nein, ich habe keine Schmerzen, Semir! Ich .... ich kann wieder sehen!“
    Es vergingen Bruchteile von Sekunden, bis Semir Toms Worte realisieren konnte.
    Entgeistert starrte er ihn an.
    Erst jetzt bemerkte Semir, dass Tom ihm direkt in die Augen sah. Er sah, wie Tom die Freudentränen über die Wangen liefen und spürte, wie sich auch in ihm die Freude in Form von Tränen ihren Weg bahnte. Es war unfassbar und wunderbar zugleich: Tom hatte sein Augenlicht wieder.
    „Du kannst wirklich wieder alles sehen?“ Semir konnte es immer noch nicht fassen.
    Tom nickte glücklich. Plötzlich stockte er, sah Semir an und meinte mit einem schelmischen Grinsen: „Obwohl.....wenn ich dich so ansehe, dann frage ich mich, ob es wirklich so gut ist.“
    Semir knuffte ihn freundschaftlich an der Schulter.
    „Untersteh dich, Partner!“
    Dann lachten beide ein glückliches und befreiendes Lachen. Tom hatte auch diese schwere Prüfung geschafft!


    Semir verabschiedete sich nach einiger Zeit von Tom und ging erleichtert und beschwingt zu seinem Dienstwagen. Er wollte seinen Kollegen die gute Nachricht persönlich überbringen. Vor allem Petra.


    Und dann würde er sich diesen Jacko vorknöpfen. Jetzt, da ihm die Last der Angst um Tom nicht mehr auf den Schultern lag, würde er alles aus ihm herauskitzeln, was er wissen wollte und mit dem ganzen Verein aufräumen. Das Ganze musste vor allen Dingen schnell über die Bühne gehen, ehe Berger Wind davon bekam, dass Jacko gefasst war. Wenn er es nicht schon wusste.


    Semir wusste ja nicht, dass die Chefin Jacko bereits in die Mangel genommen hatte. Der hatte, nachdem er sich anfänglich strikt geweigert hatte, etwas zu sagen, schließlich doch ausgepackt und die Namen der beiden „Gorillas“, die bei Toms „Hinrichtung“ dabei gewesen waren, preis gegeben. Nur Berger hatte er bisher noch nicht ans Messer geliefert. Die Angst, dass der ihm auf irgendeine Weise das Lebenslicht ausblasen würde, war zu groß. Selbst wenn Berger im Knast sitzen würde, wäre er nicht vor ihm sicher. Berger hatte Beziehungen und fand auch aus dem Gefängnis heraus eine Möglichkeit, sich an Jacko zu rächen. Und davor hatte er eine Heidenangst.


    Semir ließ den Wagen vor der PAST ausrollen und stieg aus. Er freute sich darauf, den anderen die gute Neuigkeit mitzuteilen. Die Stimmung unter den Kollegen war in den letzten Tagen ziemlich bedrückt gewesen. Jeder war in Gedanken mehr bei Tom, als bei der Arbeit. Als Semir das Büro betrat, sahen ihn alle erwartungsvoll an. Es herrschte plötzlich absolutes Schweigen. Jeder hatte wohl Angst, dass Semir schlechte Nachrichten bringen würde. Der sah in die Runde und sagte zunächst gar nichts.


    Anna Engelhardt, die gerade zur Tür herein gekommen war, fragte schließlich: „Semir, gibt’s war Neues bei Tom?“ Man konnte die Angst in ihrer Stimme spüren. Die Angst, dass Tom vielleicht einen Rückschlag erlitten hatte.


    Aber Semir nickte und schließlich stahl sich ein befreiendes Lächeln auf sein Gesicht: „Ja, die gibt es: Tom kann wieder sehen!“
    Einige Sekunden dauerte es noch, bis alle die gute Nachricht begriffen hatten, dann brach frenetischer Jubel los, der die gedrückte Stimmung, die eben noch herrschte, von einer Sekunde auf die andere weg fegte.
    Anna Engelhardt stieß erleichtert die Luft aus, die sie eben unbemerkt angehalten hatte und sah lächelnd auf die Kollegen. Hotte und Dieter standen da und umarmten sich, Siggi klopfte Semir auf die Schulter. Schließlich meinte sie: „So meine Herren. Ich bin auch froh, dass Tom das alles überstanden hat, das können sie mir glauben. Aber nun sollten wir doch wieder an die Arbeit gehen. Wir müssen nämlich noch einige Herren dingfest machen, bevor die sich aus dem Staub machen.“


    Sie winkte Semir zu sich und ging mit ihm in ihr Büro.
    „Dieser Jacko hat ausgepackt – wenigstens teilweise,“ setzte sie Semir in Kenntnis. Semir sah sie erstaunt an. „Ach wirklich? Schade, den Kerl hätte ich mir liebend gern selbst vorgeknöpft.“
    Semir ballte die Fäuste.
    Die Chefin überhörte Semirs Bemerkung und erläuterte ihm die Sachlage.
    „.......nur Berger hat er nicht belastet,“ schloß sie schließlich ihre kurze Zusammenfassung.
    „Aber jetzt, da Tom wieder wach ist, und aussagen kann, ist das auch nicht mehr nötig. Den bekommen wir auch so.“


    Noch am selben Tag fuhren sie, unterstützt durch Beamte des SEK, zur Bergers „Führungszentrale“. Sie kamen gerade noch rechtzeitig, um zu verhindern, dass sich Berger aus dem Staub machte. Nach einer kurzen Schießerei, bei der einer der Gorillas getötet wurde, klickten die Handschellen.


    Aber wo war Berger? Semir sah sich suchend um. Plötzlich sah er, wie Berger zu seinem Wagen rannte, der hinter dem Gebäude, etwas entfernt, hinter einem Gebüsch stand.
    „Na warte, Freundchen, so nicht......!“
    Semir spurtete los.
    „Berger, stehen bleiben,“ rief er im laufen und feuerte einen Warnschuss ab. Aber davon ließ sich der Flüchtende nicht beirren, und rannte weiter. Semir rannte hinterher. Als ihn noch ein oder zwei Meter von Berger trennten, hechtete er vorwärts und riss Berger im Fallen zu Boden.
    „Hiergeblieben.....,“ keuchte Semir, während er versuchte, Berger festzuhalten. Aber der hatte sich blitzschnell umgedreht und schlug Semir die Faust ins Gesicht. Für einen Moment hatte Semir einen Blackout, den Berger nutzte, um unter ihm hervorzurollen. Semir schüttelte sich kurz, sah, wie Berger erneut versuchte, zu fliehen und stellte ihm ein Bein. Die Attacke ließ Berger vornüber auf den Kiesweg fallen, sofort war Semir wieder über ihm. Aber Berger dachte nicht im Traum daran, aufzugeben und traktierte Semir erneut mit Schlägen.


    Plötzlich übermannte Semir die pure Wut.
    Die Wut auf diesen Mistkerl, der befohlen hatte, dass Tom getötet werden sollte. Und genau diese Wut verlieh ihm ungeahnte Kräfte. Obwohl Berger erheblich größer und stärker als er war, gelang es ihm, einige Hiebe so zu platzieren, dass sein Gegner schließlich keuchend vor ihm auf dem Boden lag. Mit einem geübten Handgriff verpasste ihm Semir Handschellen, die mit einem metallischen Klick einrasteten. Dann drehte er Berger zu sich um und funkelte ihn wütend an.
    „Dafür wirst du zahlen, Berger! Dafür, dass du meinen Partner umbringen lassen wolltest.“
    Berger spuckte verächtlich vor Semir aus. „Auf einen Bullen mehr oder weniger wäre es doch auch nicht angekommen – irgendwann erwisch ich diesen Kranich noch.......und dich gleich dazu. Darauf kannst du dich verlassen.“
    Semir hatte die Faust gehoben, bereit zuzuschlagen, ließ sie aber wieder sinken. Der Kerl war es nicht wert, dass man sich die Hände an ihm schmutzig machte. Er würde einfahren und den Knast wahrscheinlich nicht so schnell wieder verlassen. Und Tom lebte, das war die Hauptsache.
    „Bringt ihn weg,“ befahl er seinen Kollegen vom SEK, „ich kann ihn nicht mehr sehen.“
    Er stand da und sah zu, wie Berger weggebracht wurde, als Anna zu ihm trat und gerade ihre Pistole ins Holster steckte.
    „Gute Arbeit, Gerkhan.......wie sehen sie denn aus?“ Anna sah Semir von oben bis unten an. Er hatte eine aufgeplatzte Augenbraue, sein Gesicht war blutverschmiert. Die Jacke und die Hose sahen auch nicht besser aus.
    „Wieso?“ Semir sah an sich herunter und wischte sich das Blut aus dem Gesicht.
    „.....der andere sieht auch nicht besser aus,“ meinte Semir grinsend.
    „Kommen sie mit? Ich fahr zu Tom....er soll wissen, dass wir die Kerle haben.“
    Anna nickte. „Aber zuerst sollten sie sich waschen und umziehen......sonst bedauert Tom noch, dass er wieder sehen kann, wenn sie so dort aufkreuzen.“


    *****************************


    Tom brauchte noch einige Zeit, um wieder ganz zu genesen, aber nach 4 Wochen war er wieder dienstbereit. Nur noch eine kleine Narbe an seiner Schläfe erinnerte an das schreckliche Ereignis, das er wohl sein ganzes Leben nie wieder vergessen würde.


    ENDE

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