Freundschaft bis über den Tod hinaus (Oneshot)

  • Als keinen Happen für Zwischendrin und weil es ja nun eine Woche pausiere, gibt es dieses Mal sozusagen eine Deleted scene, die keinen Platz in einer Geschichte gefunden hatte. In welche, jut, dass ist für meine Stammleser erkennbar, aber ich habe es absichtlich neutral gehalten.



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    Freundschaft bis über den Tod hinaus


    Die dichten grauen Wolken, die in den letzten Tagen dem Ruhrgebiet viel Regen beschert hatten, rissen auf und das satte rote Sonnenlicht der Morgendämmerung brach durch. Ein frischer Wind wehte aus verschiedenen Richtungen, als könnte er sich nicht entscheiden. Ben rieb sich seine kalten Finger und versenkte sich anschließend in den Taschen seines Mantels. Obwohl es erst Anfang Oktober war, war es bereits unglaublich kalt und die Temperaturen näherten sich den Nullpunkt. Er begab sich durch das kunstvoll verschnörkelte Eisentor des Friedhofs. Es war noch sehr früh am Morgen und dementsprechend war noch nicht besonders viel los. Ab und an begegnete ihm eine ältere Dame, manchmal auch ein älterer Herr. Grüßten sie ihn, dann erwiderte er den Gruß immer freundlich und mit einem Lächeln. Er kannte den Weg, den er gehen musste bereit blind. So oft war er ihn in den letzten Jahren bereits gelaufen. Manchmal war er fast mehrmals die Woche hier, manchmal über mehrere Monate überhaupt nicht.


    Nach einer Weile, blieb er stehen. Er betrachtete den Grabstein vor sich. Granit, roh behauen. Die Buchstaben waren eingemeißelt. Es gab keinen Spruch, nur den Namen des Toten und die Lebensdaten. Es gab Tage, da war er nicht der einzige Mensch, der dieses Grab besuchte. Dann stand in der Vase ein kleiner Blumenstrauß. Begegnet war Ben hier allerdings niemals jemand anderem. Er blickte stumm auf das Grab, wusste nicht ob er über die Zeit, die sie miteinander hatten lachen, oder ob er weinen sollte, dass er seinen Freund verloren hatte. „Ich hab’s geschafft“, brachte er schließlich nach einer halben Ewigkeit heraus. „Ich habe es geschafft. Ich habe die Kommissarsausbildung abgeschlossen.“


    Er schluckte unbehaglich und spürte, wie sich Tränen ihren Weg bahnten. Er ballte seine Hände in den Taschen zu Fäusten, als könne er dadurch diesem Gefühl der Hilflosigkeit entgegensteuern. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als das sein Freund ihn die letzten Jahre begleitet hätte. Mit ihm über den Prüfungsunterlagen büffelte, die Mitschülerinnen begutachtete, lachte und die langweiligen Vorlesungen etwas spannender gestaltete. „Ich hätte dich gerne bei mir gehabt“, murmelte er leise, „dich an meiner Seite gewusst.“ Er stellte sich vor, wie er irgendwo saß und seinen Worten lauschte. Er war nicht besonders gläubig, aber dennoch hielt er an der Vorstellung fest, dass es nach dem Tod noch etwas geben würde. Es konnte doch nicht einfach so vorbei sein, da musste noch etwas kommen.


    Er machte einige langsame Schritte über das herbstliche Laub, das unter den Füßen leise knisterte, und setzte sich auf eine der Bänke, die nur unweit von dem Grab entfernt standen. Er beobachte, wie die Blätter vor ihm im Rhythmus des Windes tanzten. Sie flogen leicht durch die Luft in die Richtung, wohin der Wind sie wehte. Du bist kein Blatt im Wind Ben, du kannst deinen eigenen Weg bestimmen. Du musst nicht machen, was dir andere vorgeben. Er lächelte. Er war mehr als froh darüber, dass er den Ratschlag seines Freundes befolgt hatte. Er hatte sich nie vorstellen können, einmal hinter einem Schreibtisch in der Firma seines Vaters zu sitzen. Dieses Leben hätte einfach nicht zu ihm gepasst und er wäre sich darin mehr als fremd vorgekommen. Nein. Sein Vater hatte schon gut daran getan, seine Schwester in diese Geschäfte einzubeziehen und irgendwann dann würde sein alter Herr es sicherlich auch begreifen, dass es nicht das Leben war, welches sein Sohn führen wollte. Sein Vater hatte oft genug versucht, ihm seinen Traum vom Polizeijob zu zerstören, aber seine gutgemeinten aber harten Ratschläge waren inzwischen weniger geworden. Es schien, als würde er endlich begreifen, dass es das war, was er wollte.
    Er schnappte eines der Blätter aus der Luft und ließ es in seiner Hand zerbröseln.


    Alles war vergänglich.
    Nichts war für die Ewigkeit.


    Und doch spürte er, dass ihre Freundschaft noch nicht vorbei war. Er spürte sie in seinem Herzen. Es fiel ihm zwar immer schwerer, sich das Gesicht seines Freundes vorzustellen, doch er war immer noch bei ihm und gab ihm Ratschläge, half ihm wichtige Entscheidungen in seinem Leben abzuwägen. Er war Polizist geworden, wegen ihm. Das war ihr gemeinsamer Traum gewesen und Ben hatte sich vorgenommen, dieses Ziel für sie beide zu verfolgen. Sicher, er hatte diesen Weg nach seinem Tod für einige Jahre aus dem Blick verloren, doch dann, nach dem Abitur war ihm klar, dass es seine Zukunft war. Er hatte sich beworben und alles dafür gegeben. Immerhin hatte es dazu gereicht, dass er seine Kommissarsausbildung beim LKA machen konnte und das war doch was.


    Wo ihn sein Leben wohl noch hintragen würde? In den letzten Tagen hatte er sich verschiedene Dienststellen angeschaut und sich informiert. Mord und Drogen klangen spannend, aber waren auch die beliebtesten Ziele vieler Absolventen. Vielleicht das BKA? Oder er könnte beim LKA bleiben? Sein Ausbilder war eigentlich ganz okay gewesen.


    Er schloss die Augen und genoss den warmen Wind, der ihm durch das Haar fuhr. Er zog die Luft tief durch die Nase und atmete den unverkennbaren Duft des Herbstes ein. Es würden sicher nur noch ein paar schöne Tage sein, bis der Winter Köln umgriff und erst nach wenigen Monaten wieder los ließ. Ben konnte dem Winter nicht viel abgewinnen, für seinen Freund war es die schönste Zeit im Jahr gewesen. Er hatte den Schnee und die kühle Luft geliebt. Es gar nicht erwarten können, dass die dunkle Jahreszeit über Köln hereinbrach.


    Er dachte an die schöne Zeit, die er mit seinem Freund hatte. All die schönen, unbeschwerten Stunden seiner Kindes- und Jugendzeit. Das obligatorische Schneemann bauen, Eishockeyspiele auf dem gefrorenen See auf dem Grundstück seines Vaters. Schneeballschlachten. Radrennen, bei denen Ben sich nicht nur einmal das Knie aufgerissen hatte. Einmal war er mit vollem Tempo in einem Baum gelandet. Er hatte zum nähen ins Krankenhaus gemusst und für eine Nacht dort bleiben müssen. Seine Mutter hatte fürchterlich mit ihm geschimpft, die Mutter seines Freundes war gar noch wütender über ihre kopflose Aktion gewesen. Die Stimme seines Freundes hallte in seinem Kopf wieder.


    Er wird es nicht merken, wenn wir ein paar Äpfel stehlen!
    Sei kein Frosch Ben, es wird ein toller Spaß werden.
    Wir werden Beste Freunde bleiben. Für immer!

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