Gefährliche Höhen!

  • Sarah, die schon sehnsüchtig auf das Läuten ihres Handy´s gewartet hatte, obwohl sie immer wieder in Fieberträume abtauchte, ging sofort ran. Ben zögerte einen Augenblick, sagte dann aber leise: „Hallo Schatz!“ und seine Frau am anderen Ende antwortete mit belegter Stimme: „Ben-es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe-Semir hat mir schon erzählt, dass es dir nicht gut geht!“ und obwohl Semir ja versichert hat, dass er nicht ins Detail gegangen war, erschrak Ben momentan bis ins Mark. Was wusste Sarah? Als sie dann aber hinzu fügte: „Ich liebe dich und vermisse dich ganz schrecklich!“ wagte er wieder tief durch zu atmen. Selber schalt er sich einen Blödmann. Sarah hatte bisher alles von ihm gewusst, warum war das mit Estelle jetzt für ihn so schlimm? Aber vermutlich deswegen, weil er immer noch ein schlechtes Gewissen deswegen hatte. Wenn er sie bei ihrem ersten Zusammentreffen nicht so angestarrt hätte und dann im Lechtal auch noch mit ihr auf die Piste gegangen wäre, hätte sie sich vermutlich nie Hoffnungen gemacht und diese ganzen schrecklichen Dinge, die mehrere Menschen das Leben gekostet hatten, wären nie passiert.

    „Wie geht es dir und den Kindern-und Lucky?“ fragte er dann und Sarah antwortete wahrheitsgemäß: „Den Kindern geht es schon besser, die hatten nen heftigen, hoch fieberhaften Infekt, wegen dem Schnee kam ich nicht durch zum Arzt und auch zu uns konnte keiner kommen. Mir haben zwei der afrikanischen Flüchtlinge geholfen und inzwischen sind Tim und Mia-Sophie über dem Berg. Tim fragt immer nach dir und Lucky geht es gut, allerdings vermisst er natürlich eure Spaziergänge. Und bei mir-nun ja, die Grippe hat eben zugeschlagen. Gerade fühle ich mich wie ausgekotzt und habe Kreislaufprobleme, aber eine der Afrikanerinnen ist hier bei mir, hilft mir und versorgt die Kinder. Wenn ich im Bett bleiben kann, wird das schon wieder, aber viel lieber wäre ich bei dir!“ erklärte sie und musste dann einen Schluck Tee nehmen, so kratzte ihr Hals und ein Hustenanfall erschütterte sie. „Ich wäre auch viel lieber zuhause und bei dir und würde diesen ganzen Alptraum vergessen-und Sarah, bist du mir noch böse?“ musste er jetzt einfach fragen und lauschte voller Bangen den Worten am anderen Ende.


    „Ach Ben, wir sind doch keine kleinen Kinder mehr, ich bin dir natürlich nicht wirklich böse, aber was auch passiert ist, das dich dazu gebracht hat, mich aus deinem Leben auszuschließen-es hat mich verletzt, aber ich liebe dich doch, wir gehören zusammen und haben gemeinsam zwei wundervolle Kinder, das wirft man nicht so einfach weg. Ich dachte allerdings, du liebst mich nicht mehr und hast eine andere-anders konnte ich mir dein Verhalten nicht erklären und habe mich deshalb zurück gezogen, denn Liebe kann man nicht erzwingen, du weisst, ich habe das schon mal mitgemacht, bei meinem vorigen Partner, bevor wir beide uns kennen gelernt haben. Ach Mann Ben-wie gerne würde ich dich jetzt umarmen!“ schniefte sie ein wenig ins Telefon, aber so sehr sich Ben nach seiner Frau sehnte-schon alleine beim Gedanken daran, jemals wieder von einer Frau angefasst zu werden, überliefen ihn kalte Schauer.
    „Sarah-es ist schon spät, wir müssen beide schlafen!“ sagte er, aber seine Stimme hatte sich verändert und nachdem sie sich beide noch ihrer Liebe versichert und aufgelegt hatten, starrte Sarah nachdenklich auf ihr Telefon. Was hatte sie denn nun schon wieder Verkehrtes gesagt, dass Ben sie so abgewürgt hatte? Sie hatte ihm noch Vieles erzählen wollen, ihn nach seinem Gesundheitszustand fragen, aber sein Tonfall hatte ihr unmissverständlich klar gemacht, dass er das Gespräch beenden wollte-aber warum? Sie ließ ihre Worte Revue passieren, aber sie konnte nichts daran finden. Dann bekam sie wieder Schüttelfrost und war die nächsten Stunden mit anderen Dingen beschäftigt, als das Gespräch zu analysieren.


    Semir hatte-ob er wollte oder nicht- ja mitgekriegt, was Ben gesagt hatte, was ja nicht sehr viel gewesen war. Aber auch er hatte den plötzlichen Stimmungsumschwung bei seinem Freund bemerkt, als der den Worten seiner Frau gelauscht hatte. „Ben-was hat Sarah gesagt, dass du plötzlich so abweisend geworden bist?“ fragte Semir deswegen, als sein Freund das Telefon sinken ließ und unglücklich an die Decke starrte. „Semir-ich wollte das nicht, aber als Sarah gesagt hat, sie würde mich gerne umarmen, ist bei mir eine Mauer hoch gefahren und ich habe mich alleine bei der Vorstellung innerlich geschüttelt. Ach Semir-das ist doch keine Basis für eine Beziehung, wenn einem schlecht wird, wenn man an die Berührungen des Partners auch nur denkt, am besten ich gebe sie frei und ziehe mich komplett aus ihrem Leben zurück, vielleicht sollte ich ins Kloster gehen-kann man das überhaupt, wenn man verheiratet ist und Kinder hat?“ fragte er nachdenklich und Semir holte sich nun kopfschüttelnd sein Telefon zurück. „Also Ben-jetzt beginnst du aber komplett zu spinnen! Das mit dem Kloster weiss ich nicht, aber seien wir mal ganz ehrlich-so wahnsinnig christlich bist du ja nicht, du bist einfach durch Estelle schwer traumatisiert und ich hoffe, der Psychologe kann dir und damit auch deiner Familie helfen. Und das mit dem Kloster ist dir jetzt nur eingefallen, weil es da nur Männer gibt-wetten? Jetzt schlaf erst einmal-du hast ja gehört, den Kindern geht es besser und auch Sarah wird sich erholen-du siehst das ja an mir, ich bin auch ein paar Tage flach gelegen, aber jetzt geht es wieder, das ist eben eine Mistgrippe, die da umgeht. Wir werden jetzt und heute deine Probleme nicht lösen können, aber gemeinsam schaffen wir das mit der Zeit und du wirst wieder glücklich sein-ich versprechs dir!“ sagte er mit mehr Überzeugung, als er tatsächlich verspürte.
    Frauen waren da empfindlich, auch Andrea hatte merkwürdig reagiert, als Ben vor ihr zurück gezuckt war und sie war ja nicht seine Frau-oh je, das würde noch was geben. Hoffentlich hatte der Psychologe da einen guten Plan und auch er selber war ja furchtbar unsicher, wie er sich den anderen gegenüber verhalten und was er sagen sollte, ohne Ben bloß zu stellen und sein Vertrauen zu gefährden. Allerdings das eine war klar-Ben war sein bester Freund und er war sehr froh, dass der wenigstens seine Nähe ertragen konnte und als sie jetzt nach dem Durchgang der Nachtschwester, die Gott sei Dank nur zur Türe herein gesehen und gefragt hatte, ob alles in Ordnung war, das Licht löschten, fand er sich wenig später auf Ben´s Bettrand sitzen und den trösten, denn der hatte im Schutze der Dunkelheit wieder verzweifelt zu schluchzen begonnen-oh je, wenn er ihm nur helfen könnte!

  • Ben und Semir waren irgendwann in einen unruhigen Schlaf gefallen und auch Sarah hatte-abwechselnd von Schüttelfrost und Schweißausbrüchen geplagt-immer wieder ein bisschen Ruhe gefunden. Trotzdem ging es ihr nicht aus dem Kopf, dass Ben am Telefon plötzlich so merkwürdig gewesen war. Was um Himmels Willen war da geschehen? Was hatte sie da unmittelbar zuvor gesagt? Hing es vielleicht damit zusammen? Unter Grübeln schlief sie wieder ein und plötzlich wusste sie es wieder: Sie hatte zu Ben gesagt, wie gerne sie ihn umarmen würde und daraufhin war er abweisend geworden. Ein ungeheuerlicher Gedanke schoss ihr dann durch den Kopf-Moment mal-wann war Ben im Krankenhaus plötzlich so komisch geworden und hatte sich von ihr abgewendet? Nicht als sie gesprochen hatten, oder als die Kinder sich an ihn gedrückt hatten-nein es war gewesen, als sie ihn zu küssen versucht hatte. Konnte er vielleicht aus irgendeinem Grund gerade keine körperliche Nähe ertragen? Und seit wann war das so? Klar-seit seiner Entführung, zuvor war noch alles normal gewesen.


    Nach kurzem Nachdenken, was ihr zwar wegen des Fiebers schwer fiel, kam ihr auf einmal ein ungeheuerlicher Gedanke. War Ben vielleicht missbraucht worden? Und nun fügte sich eines zum anderen-und es konnte kein Mann gewesen sein, denn er konnte ja Semir´s Nähe zulassen, also war vermutlich Estelle die Täterin gewesen und ihr graute, wenn sie daran dachte, wie skrupellos diese Frau gewesen war, die sie und die Kinder ohne irgendwelche Hemmungen zu töten versucht hatte. Jemand der unschuldige Kinder umzubringen vermochte, war auch zu jeglicher anderer Brutalität fähig und nun überkam Sarah erstens ein großes Mitleid mit ihrem Mann, der vermutlich Schreckliches durchgemacht hatte und außerdem schämte sie selber sich für ihr Verhalten! Anstatt nachzudenken, was Ben wohl dazu gebracht hatte, sich so komisch zu benehmen, hatte sie ihm ein Verhältnis unterstellt, war beleidigt wie ein Teenager gewesen und hatte sich auch so verhalten. Der war vermutlich durch die Hölle gegangen-zumindest emotional, denn sie vermochte sich eigentlich nicht vor zu stellen, was eine Frau körperlich mit einem Mann überhaupt anzustellen vermochte, aber das alleine genügte auch schon. Nun passte auf einmal alles zusammen, Ben´s Handlungen und Worte waren nachvollziehbar und nun war ihr auch klar, warum er einen Psychologen brauchte. Sie würde jetzt aber erst einmal versuchen, so schnell wie möglich gesund zu werden und ihm dann in aller Vorsicht ihre Liebe und ihr Verständnis versichern. Dann musste der Seelenklempner ran und soweit sie wusste, wurden da die Partner nach einer gewissen Zeit sowieso einbezogen, aber das konnte sie vielleicht vorab mit Semir besprechen, der vermutlich in die ganze Sache eingeweiht war-was ihr gerade einen kurzen eifersüchtigen Stich versetzte. Aber dann beruhigte sie sich auch wieder-erstens war Semir ein Mann, der konnte manche Dinge vielleicht leichter verstehen und dann kannte der Ben auch schon wesentlich länger als sie-und immerhin war er zu ihr gekommen und hatte den Kontakt wieder her gestellt und dafür war sie ihm sehr dankbar. Mit diesen Gedanken fand Sarah nun doch ein wenig Schlaf-immerhin hatte sie ihren Mann nicht verloren!


    Ben wurde inzwischen von Alpträumen heim gesucht. Semir schreckte hoch, weil sein Partner im Schlaf schmerzvoll aufschrie und sich in seinen Kissen wand. Er sprang aus dem Bett, machte das schwache Nachtlicht an und eilte an die Seite seines Freundes, der schweißgebadet in seinem Bett lag und wimmerte: Nein Estelle-bitte nicht!“ Nach kurzer Überlegung weckte Semir, nach einem Blick auf die Uhr-es war gerade drei-seinen Freund. „Ben es ist alles gut, du bist in Sicherheit, Estelle ist tot und ich bin bei dir und passe auf dich auf-und mit Sarah wird auch wieder alles in Ordnung kommen, ich weiss es!“ sagte er begütigend und sein Freund öffnete die Augen und brauchte erst einmal eine ganze Weile, bis er sich orientiert hatte. Dann atmete er erleichtert auf, entschuldigte sich bei Semir, aber der blieb wieder neben ihm sitzen, bis er eingeschlafen war. Völlig erschossen krabbelte Semir eine halbe Stunde später wieder in sein Bett, aber nun war wenigstens Ruhe und als am Morgen der Frühdienstpfleger, strotzend vor guter Laune, das Zimmer betrat, hatten die beiden wenigstens ein paar Stündchen geschlafen. Auch heute ließ Ben sich wieder duschen-er war von der Nacht immer noch verschwitzt und er musste sagen-so widerlich diese Ernährungssonde und das bräunliche Zeug, das da in ihn kontinuierlich hinein lief auch war-seine Magenschmerzen waren besser geworden und so erhöhte man nach der Morgentoilette die Förderrate und bei der Visite waren heute ausnahmsweise einmal alle Fachrichtungen zufrieden!

  • Sarah ließ sich am Morgen von der Afrikanerin ins Bad helfen-sie krabbelte mehr auf allen Vieren, als dass sie laufen konnte, aber kaum lag sie nach einer Katzenwäsche wieder im Bett und hörte Tim lachen und erzählen, griff sie zum Telefon und rief eine Nachbarin an. Die wiederum gab ihr die Telefonnummer eines netten Hausarztes aus dem Nachbarort und zwei Stunden später kam der ins Haus, untersuchte Sarah und verordnete ihr ebenfalls ein Antibiotikum-dasselbe, das ihren Kindern auch geholfen hatte. Mia-Sophie hatte wieder eine Flasche getrunken und nachdem der junge afrikanische angehende Arzt sich mit dem Fahrrad, trotz widriger Witterungsverhältnisse, zur Apotheke aufgemacht hatte, lehnte Sarah sich in ihren Kissen zurück und ließ sich die Gedanken der Nacht nochmals durch den Kopf gehen. Es passte alles zusammen und sie war jetzt beschämt und auf sich selber zornig, dass sie nicht eher auf den Gedanken gekommen war, was mit Ben geschehen sein könnte. Sie döste wieder eine Weile ein, nahm dann ihre Medikamente und griff am späteren Vormittag zu ihrem Telefon, um Semir´s Nummer zu wählen. „Hallo Sarah, geht’s dir ein wenig besser?“ fragte der erfreut und warf einen Blick zu Ben, der sich gerade von den Strapazen der Physiotherapie erholte.

    Insgeheim war der Deutschtürke froh, dass Sarah von sich aus zum Telefon gegriffen hatte. Er hatte nach dem gestrigen Telefonat schon befürchtet, dass sie wieder eingeschnappt wäre und ehrlich gesagt überforderte es ihn ein wenig, nun auch noch Eheberater zu spielen. „Soll ich dir Ben geben-der ruht sich gerade neben mir ein wenig aus?“ fragte Semir, aber Sarah gebot ihm kurz Einhalt: „Gleich Semir, aber ich habe zuvor eine Frage an dich: Wurde Ben während seiner Entführung sexuell missbraucht-mir fällt das nämlich als einzige logische Erklärung für sein Verhalten ein?“ wollte sie nun wissen und auch wenn man sowas eigentlich nicht am Telefon besprach, war Semir jetzt leidlich froh, dass Sarah von selber drauf gekommen war, ohne dass er persönlich irgendeinen Geheimnisverrat begehen hatte müssen. „Du liegst genau richtig!“ bestätigte er nun und Ben, der inzwischen wieder munter geworden war, warf ihm einen fragenden Blick zu. Er hatte erwartet, sofort das Telefon gereicht zu bekommen und versuchte sich gerade selber einzureden, dass er nur unbefangen mit Sarah sprechen musste, dann würde das von alleine wieder werden. Er war in einem furchtbaren Zwiespalt-er liebte doch seine Frau, aber nur der Gedanke an körperliche Nähe verschaffte ihm Schweißausbrüche. „Dann gib ihn mir mal!“ bat nun Sarah und wurde gleichzeitig von einem Hustenstoß erschüttert und Semir beeilte sich nun, sein Handy weiter zu reichen. Er beobachtete dann genau Ben´s Miene, als Sarah nun etwas sagte und sah, wie er erst totenblass wurde und das Mobiltelefon fast seiner Hand entglitt. Dann lockerte sich sein angespannter Gesichtsausdruck ein wenig und er sagte leise: „Ich dich auch und ebenfalls gute Besserung!“ bevor er das Telefon kraftlos auf seine Decke fallen ließ. „Sie weiss es und ist nach unserem Gespräch gestern von selber drauf gekommen!“ flüsterte er tonlos und wandte sich Semir zu, während seine Augen sich mit Tränen füllten. „Ich weiss nicht, ob ich jetzt erleichtert sein soll, oder beschämt und traurig, meine Gefühle spielen gerade verrückt!“ sagte er und drehte sich nun zur Seite, während Semir sein Telefon rettete und einfach die Hand auf die Schulter seines Freundes legte, der sich nun ein wenig mit dem Gesicht zur Wand unter der Decke verbarrikadiert hatte. „Glaub mir Ben-es wird alles wieder in Ordnung kommen und der Psychologe, Sarah und meine Wenigkeit werden dir dabei helfen!“ sagte er mit fester Stimme und nach unendlich scheinender Zeit löste sich die Anspannung der Muskeln, die Semir sogar durch die Decke hindurch fühlen konnte und Ben nickte ein wenig. Er war zwar nicht ganz so positiv wie Semir, aber er wollte ihm nur zu gerne glauben.


    Wenig später kam das Essen, aber auch heute konnte Ben-während Semir es sich schmecken ließ-keinen Bissen anrühren, dabei hätte er sogar einen Kartoffelbrei mit Sauce in seiner Schüssel gehabt-eine deutliche Verbesserung gegen die Schleime. Er konnte nur Wasser in kleinen Schlucken zu sich nehmen, denn obwohl er nun frisch geduscht war und mit jedem Tag die Vergewaltigung in weitere Ferne rückte, schmeckte er immer noch Estelle bei jedem Bissen, den er zu sich nehmen wollte. Allerdings setzte ihn nun dank Magensonde niemand mehr unter Druck, seine Magenschleimhaut konnte heilen, die Sondenkost, die beständig in ihn hinein gepumpt wurde pufferte die Magensäure und versorgte seinen Körper mit den so dringend benötigten Kalorien und alle Hoffnungen ruhten nun auf dem Psychologen, der auch pünktlich am Nachmittag wieder auf der Matte stand.
    „Guten Tag die Herren!“ begrüßte er die beiden freundlich und Semir musste beinahe schmunzeln, als er die Ähnlichkeit zwischen Ben und seinem blonden Gegenstück wahr nahm. Die beiden hatten eine fast identische schlanke und doch muskulöse Figur, sahen gut aus, sogar die lässige, sportlich-bequeme Kleidung inclusive der Stiefel der beiden schaute aus, als würden die sich aus einem gemeinsamen Kleiderschrank bedienen. Ehrlich gesagt entsprach der Psychologe so gar nicht den Vorstellungen, die Semir bis dahin von diesem Berufsstand gehegt hatte-er kannte bisher aber auch vorwiegend entweder Polizeipsychologen und Psychologinnen, die irgendwie immer viel förmlicher gewesen waren und Anzug oder Kostüm trugen, oder so abgehobene, meist grün angehauchte Neutren in bodenlangen, handgestrickten Pullis, die sich mit Sicherheit biologisch-dynamisch-vegetarisch ernährten, statt zum Arzt zum Heilpraktiker gingen und jede Krankheit mit Globuli zu therapieren versuchten. Das mochte ja auch manchmal helfen, aber Semir wäre sich sicher gewesen, dass Ben als bekennender Fleischesser mit so jemandem nicht warm geworden wäre. Er beglückwünschte Susanne zu ihrer Wahl und hoffte, dass es Ben bald besser ginge. Heute erhob er sich gleich wie selbstverständlich, ging auf den Flur hinaus und rief noch: „Ich halte euch wieder den Rücken frei, damit ihr nicht gestört werdet!“ und begann vor dem Zimmer ein wenig hin- und her zu laufen. Er hatte heute auch nicht das Gefühl gehabt, dem Psychologen sofort die neuesten Neuigkeiten brühwarm weiter erzählen zu müssen, das würde Ben schon selber erledigen, wenn es an der Zeit war.


    „Hey-wie geht´s?“ fragte Philip Schneider nun auch, während er achtlos seine Bomberjacke auf den Tisch warf und sich in den Besucherstuhl fläzte. Ben hatte sofort irgendwie ein Gefühl von Vertrautheit, dabei hatte er den Typen doch erst ein einziges Mal gesehen. „Na ja-geht so, körperlich zumindest!“ antwortete er dann nachdenklich auf die Frage. „Vermutlich hat ihnen mein Freund ja gestern schon davon erzählt, was mir hauptsächlich zu schaffen macht und ich glaube es ist an der Zeit, dass ich meine Vogel-Strauss-Politik beende. Ich wurde vor einigen Tagen entführt und meine Entführerin hat mich, so sehr ich mich dafür schäme, schwer missbraucht-und das raubt mir den Schlaf, ich kann deswegen nicht mehr essen und fühle mich schuldig. Wenn mir eine Frau nur zu nahe kommt-egal ob ich sie kenne, oder sie mir fremd ist, kriege ich seitdem Schweißausbrüche und Beklemmungen, auch meine eigene Frau ist davon nicht ausgenommen. Obwohl Estelle Winkler-das war die Verbrecherin- tot ist, ist in mir irgendetwas kaputt gegangen und ich schaffe es nicht, das selber zu reparieren! Vorhin hat meine Frau angerufen-sie ist Krankenschwester und ist irgendwie heute Nacht von selber drauf gekommen, was der Grund für mein bescheuertes Verhalten ihr gegenüber sein könnte und hat gesagt, dass sie mich nach wie vor liebt und dafür bin ich sehr dankbar-ich will nämlich weder meine Frau noch meine Kinder verlieren und das stand sozusagen Spitz auf Knopf.“ redete er sich in einem Schwall alles von der Seele, was ihm gerade durch den Kopf ging.


    „Whow!“ sagte der Psychologe anerkennend, während er seinen Rücken straffte und sich nach vorne beugte. „Das war jetzt aber mal super-ich denke, da können wir sofort anfangen das Hauptproblem zu behandeln, anstatt noch drei Tage um den heißen Brei rum zu eiern. „Fühlen sie sich bereits im Stande, mir zu erzählen, was ihnen bei dieser Entführung geschehen ist-und ich lege da jetzt keinen Wert auf sachliche Details, bin auch kein Voyeur und mein privates Sexualleben ist ausgefüllt, also keine Sorge, ich bin nicht neugierig-ich möchte aber gerne erfahren, wie sie sich dabei gefühlt haben, damit wir dann gemeinsam versuchen können, ihre nach diesem Trauma durchaus verständliche Abneigung gegen weibliche Berührungen anzugehen und ihnen wieder zu einem normalen Körpergefühl zu verhelfen!“ fragte er erklärend und Ben legte sich nun zurück, schloss die Augen und begann zu erzählen.

  • Zuerst überlegte er kurz, aber dann holte er doch ein wenig aus. „Das erste Mal, dass ich Estelle Winkler gesehen habe, war bei einer Verkehrskontrolle im Spätherbst des vergangenen Jahres. Sie war eine sehr attraktive Frau-so eine dunkle, glutäugige Schönheit-ich habe sie angestarrt, als sie aus ihrem Ferrari gestiegen ist und sie war da sichtlich geschmeichelt, während ich Blödmann meine Augen nicht unter Kontrolle hatte. Durch Zufall haben wir uns im Skiurlaub wieder getroffen und da hing sie an mir wie eine Klette und hat die ganze Zeit versucht, sich an mich ran zu machen, doch ich hatte nie vor, irgendein Verhältnis anzufangen, denn ich liebe Sarah, aber sowohl die war eifersüchtig, als vor allem auch Estelle´s Mann. Der besonders war da anderer Meinung und dieser Winkler hat mehrere Mörder auf mich angesetzt, die in den nächsten Tagen alle versucht haben, mich zu töten, was ihnen auch beinahe gelungen wäre-ich glaube, das hat ihnen mein Freund Semir erzählt, da müssen wir auch nicht mehr näher darauf eingehen.“ sagte der junge Polizist.
    Nun stellte der Psychologe eine Zwischenfrage: „Was haben sie gefühlt, als diese Attentate auf sie verübt wurden?“ und nach kurzem Nachdenken antwortete Ben: „Fakt ist-das hat weh getan, vor allem körperlich, ich war auch voller Trauer, weil mehrere unschuldige Menschen infolge dieser Racheakte gestorben sind, ich hatte Angst zu sterben und vor neuerlichen Attentaten, vor allem weil wir uns zum damaligen Zeitpunkt nicht vorstellen konnten, was der Grund für die Mordversuche war, aber es war trotzdem wie so viele Male vorher, wenn ich in Lebensgefahr war-ich habe völlig normal empfunden, was wohl jeder andere in meiner Situation auch gefühlt hätte-Furcht, manchmal aufkommende Panik, Kummer, aber auch einen unbändigen Lebenswillen. Außerdem haben sich alle rührend um mich gekümmert, meine Frau und auch Semir, mein bester Freund, haben mich keine Sekunde aus den Augen gelassen, mich unterstützt, getröstet und gepflegt, ich habe mich sehr aufgehoben gefühlt und einfach darauf gewartet, dass es mir körperlich besser geht und ich endlich wieder nach Hause kann.


    Hier in der Uniklinik wurden dann ja nochmals zwei Attentate auf mich verübt, die aber von Hartmut, einem Freund und Kollegen das eine und Semir, der Winkler persönlich erschossen hat, als der mich umbringen wollte, das zweite, vereitelt wurden. Erst da sind uns die Zusammenhänge klar geworden, aber mit dem Tode Winklers haben wir auch gemeint, dass die Gefahr nun nicht mehr besteht.
    Wer hätte auch gedacht, dass diese Estelle es doch so ernsthaft auf mich abgesehen hat, dass sie zwei Verbrecher gedungen hat, die mich betäubt und hier aus dem Krankenhaus entführt haben. Zuvor hat sie noch versucht mit einer Autobombe meine Frau und meine Kinder aus dem Weg zu räumen, die das nur durch das Eingreifen guter Freunde überlebt haben-mein kleiner Sohn hat sich dabei sogar den Arm gebrochen! Auch da war ich erst einmal empört, hätte mich ohrfeigen können, dass ich diese Gefahr nicht erwartet hätte, aber als sie mich dann in der Wohnung, wo sie mich hingebracht hatten, begonnen hat, sexuell zu belästigen, habe ich es mit ganz anderen Gefühlen zu tun bekommen. Ich hätte immer gedacht, dass mich niemand brechen kann und wenn man mir auch körperlich weh getan hat-ich bin im Laufe meines Berufslebens schon mehrfach gefoltert worden, sogar lebendig begraben und beinahe ertränkt wurde ich schon-ich dachte immer-da ganz tief in mir drin, da bin ich und dieses Ich ist stark und das kann niemand zerstören, auch nicht wenn man mich tötet, leider ist es Estelle glaube ich gelungen!“ sagte er traurig und nahm erst einmal einen Schluck Wasser und hing seinen Gedanken nach.


    Sehr freundlich und einfühlsam fragte Philip Schneider nach: „Wie geht es ihnen gerade-sollen wir hier einen Cut machen und uns morgen weiter unterhalten? Immerhin durchleben sie ja gerade in ihrem Unterbewusstsein diese ganzen Gefühle noch einmal und auch wenn sie das so lapidar abtun-für mich ist Todesangst eine Emotion, die man normalerweise ja nicht so oft in seinem Leben fühlt und sie versuchen mir gerade zu erklären, dass das für sie sozusagen Routine ist-was ich fast nicht glauben kann!“ Ben dachte eine Weile über das Gesagte nach und antwortete dann: „Da mögen sie Recht haben, aber irgendwie ist das zwar schlimm, aber nicht das, was mir aktuell am meisten zu schaffen macht und gerade die Tatsache, dass meine Frau das anscheinend nachvollziehen kann, gibt mir neue Hoffnung, dass es vielleicht wenigstens wieder ein bisschen so werden kann wie früher-verstehen sie-ich will, ich will“ rang er nach Worten, um dann heraus zu platzen: „Ich will meine Unbeschwertheit wieder zurück haben!“ und ohne ein Wort griff nun der Psychologe nach seiner Hand und merkte, dass Ben im Augenblick die körperliche Berührung nicht unangenehm war.
    „Wissen sie Herr Jäger-als Sexualtherapeut habe ich zwangsläufig viel mit den Opfern von Vergewaltigungen zu tun, denn darin liegen sehr häufig die Gründe für Störungen in diesem Bereich, auch wenn die oft schon Jahre zurück liegen und verdrängt wurden. Zwangsläufig sind meine Patienten häufig Frauen, aber eben auch manchmal Männer, wobei die meisten Männer von anderen Männern vergewaltigt wurden. Aber genau das, was sie da gerade –übrigens sehr gut- in Worte gefasst haben, ist das, was alle Vergewaltigten gemeinsam haben: Ihnen wurde ihre Unschuld, oder wie sie es ausdrücken, ihre Unbeschwertheit genommen und ich glaube danach ist nie mehr alles genau so, wie es früher war. Aber man kann wieder Freude am Leben, auch Freude an der Sexualität empfinden, nach so einem Vorfall und ich werde ihnen dabei helfen, denn das ist mein Beruf-und ehrlich gesagt, auch meine Berufung!“ erklärte er und nach einer kurzen Zeit des Nachdenkens merkte Ben jetzt erst, wie erschöpft und ausgelaugt er sich fühlte. Beinahe fielen ihm die Augen zu und der Psychologe sagte sanft, während er Ben´s Hand wieder los ließ: „Egal was sie heute noch vorhatten mir zu erzählen-wir machen hier und jetzt Schluss. Ruhen sie sich aus und morgen machen wir an diesem Punkt weiter, aber ein Anfang ist gemacht und darüber freue ich mich sehr und hey!“ warf er noch kurz ein und Ben öffnete mit Mühe seine Augen: „Sie werden das schaffen-ich weiss es!“ munterte er ihn auf und nun zog ein kleines Lächeln über Ben´s Züge. Noch während der Psychologe nun nach seiner Bomberjacke griff, verrieten allerdings seine regelmäßigen Atemzüge, dass er eingeschlafen war und leise verließ der Therapeut das Krankenzimmer.
    Draußen stürzte Semir regelrecht auf ihn zu und fragte, bereits mit der Hand auf der Klinke nur: „Und?“ und der Psychologe antwortete mit einem feinen Lächeln: „Es läuft-morgen geht’s weiter!“ und nun war auch Semir fürs Erste zufrieden.

  • Semir warf einen besorgten, aber auch zufriedenen Blick auf seinen Freund. Er hatte das gute Gefühl, dass der die Talsohle überwunden hatte und jetzt wieder begann, seine Probleme selber in die Hand zu nehmen. Andrea hatte in seine Tasche ein Buch eingepackt und ein wenig widerstrebend holte er es heraus. Das Lesen von Büchern war normalerweise nicht so seines-er war ein Mann der Tat-das Lesen und Verfassen der Berichte genügte ihm im Alltag und vielleicht blätterte er manchmal auch noch durch ne Autozeitschrift, aber so zog er aufseufzend den Krimi, den Andrea ihm eingepackt und den sie ihm zuhause schon angepriesen hatte, weil er ihr so gut gefallen hatte, heraus, legte sich damit auf sein Bett- und war nach wenigen Minuten eingeschlafen. Als er erwachte, wusste er momentan überhaupt nicht wo er war, denn mit breitem Grinsen stand die halbe PASt in ihrem Zimmer, um die Kollegen zu begrüßen. Jenny und Bonrath, Hartmut, Susanne, ja sogar die Chefin hatten den Weg in die Klinik gefunden. Sie hatten einen hübsch dekorierten Fresskorb dabei, in dem lauter leckere haltbare Sachen und unter anderem auch ein paar Flaschen Bier zu finden waren. „Ben-wenn du das vielleicht auch noch nicht gleich essen und trinken darfst, aber irgendwann kommt der Tag, an dem dir diese Sachen wieder schmecken!“ erklärte Bonrath gerade und stellte den Fresskorb auf Ben´s Nachtkästchen ab. Keiner der Anwesenden versuchte ihm die Hand zu schütteln und Hartmut bemerkte beiläufig: „In der PASt geht gerade ein Virus rum-wir wollen euch nicht anstecken und deshalb verzichten wir gerade generell auf Shake-Hands!“ und nun stiegen Semir beinahe vor Rührung die Tränen in die Augen. Egal wie sie es erfahren hatten-so wurde Ben nicht bloß gestellt und über die Anwesenheit seiner Kollegen freute er sich ja durchaus.


    „Jetzt seht mal zu ihr beide, dass ihr wieder fit werdet, wir vermissen euch schon und könnten eure Unterstützung dringend gebrauchen-wir haben die letzte Reserven mobilisiert und Hartmut muss sogar mit einem Arm am PC sitzen, das ist die richtige Dienstauffassung!“ erklärte Susanne und Hartmut beeilte sich jetzt zu versichern, dass ihm zuhause die Decke auf den Kopf fallen würde und er durchaus freiwillig in der KTU wäre. „Na ja meine Herren-so angespannt ist unsere Personalsituation jetzt nicht-ich freue mich natürlich, wenn sie wieder gesund sind und uns unterstützen, aber so halbtot nützen sie uns auch nichts. Erst einmal gesund werden und dann dürfen sie wieder kommen!“ wiegelte die Chefin ab und nach ein wenig Smalltalk, verabschiedete sich das Trüppchen mit Winken und dann waren Semir und Ben wieder alleine im Zimmer. Das Abendessen wurde serviert, aber so sehr sich Ben auch bemühte-er hatte nämlich eine völlig normale Suppe in seiner Schüssel, aber er brachte nichts außer Wasser runter. Semir beobachtete ihn mit gerunzelter Stirn: „Dein Bauch verträgt das Essen ja anscheinend, aber warum bringst du nichts runter?“ wollte er wissen und Ben wurde für einen Moment blass, schloss die Augen und schob die Suppenschüssel weg. „Weil das alles nach Estelle schmeckt-vielleicht hat in der Küche jemand das selbe Parfüm wie sie!“ vermutete er, aber Semir schüttelte den Kopf. „Ben-ich weiss, wie nahe du ihr gekommen bist, ohne das zu wollen, du musst das vor mir nicht zu verbergen suchen und am Parfum liegt das sicher nicht!“ erklärte er seinem Freund und dem kullerten nun ein paar vereinzelte Tränen aus den Augen. „Ach Semir-ich will doch nur wieder ganz gesund werden und habe mich auch sehr über den Besuch gerade gefreut-und trotzdem hatte ich die ganze Zeit Sorge, dass mich eine der Frauen zu berühren versucht, wie soll denn das noch werden-und ich habe immer noch Angst, dass ich Sarah wieder vor den Kopf stoße und diesmal endgültig, so dass die nie mehr wieder was mit mir zu tun haben will!“ erklärte er und Semir setzte sich, nachdem er sein Abendessen verputzt hatte ans Bett seines Freundes:
    „Hör mal-genau deshalb bist du jetzt in psychologischer Behandlung, aber das wird eben auch seine Zeit brauchen. Immerhin war der Psychodoc auch erst zweimal da-und der sieht das ganz positiv!“ versuchte er Ben zu trösten und der wischte sich eine vereinzelte Träne aus dem Augenwinkel: „Na du kennst mich doch-Geduld ist nicht meine Stärke!“ erklärte er dann und da konnte sein Freund nicht wiedersprechen.


    Wenig später läutete Semir´s Telefon und Sarah war dran: „Hallo Semir-kannst du mir mal Ben geben-und vielleicht sollten wir ihm endlich mal selber wieder ein Telefon besorgen!“ sagte sie, wobei Ben sowas eigentlich immer selber machte-er hatte da zu seinem aktuellen Handy immer spezielle Vorstellungen. Semir allerdings dachte noch bei sich, dass das vielleicht gar nicht so blöd war, wenn er sozusagen aktuell noch als Sekretär die Vorauswahl der Gesprächspartner treffen würde und so wiegelte er das ein wenig ab. „Ja Ben denkt schon darüber nach, aber gib ihm noch ein wenig Zeit!“ sagte er, um dann das Handy weiter zu geben. „Hallo Schatz!“ rief Sarah voller Liebe in den Hörer. „Ich habe jetzt ein Antibiotikum, habe den halben Tag verschlafen und fühle mich schon deutlich besser-wie geht’s dir?“ fragte sie dann und Ben antwortete nach kurzer Überlegung: „Körperlich fühle ich mich ein wenig wohler, aber ansonsten bin ich immer noch nicht ich selber!“ sagte er und obwohl die Barriere zwischen ihnen beiden nicht mehr ganz so hoch war, war Ben dennoch reserviert und hatte fast im selben Moment Angst, dass Sarah, wenn es ihr nun besser ging, in der selben Minute ins Auto stürzen und zu ihm fahren würde. So sehr er sich normalerweise über ihren Besuch gefreut hätte, aber wenn er jetzt nur daran dachte, dass sie ihn umarmen würde, stellten sich seine feinen Körperhärchen auf und er erschauerte. Und wie sollte er ihr nur erklären, dass er mit Estelle intim geworden war-zwar gegen seinen Willen, aber würde ihm das irgendwer glauben? Er selber hätte so eine Aussage eines Mannes dienstlich einfach als Humbug abgetan-entweder der hatte mit einer Frau geschlafen-im gegenseitigen Einvernehmen, oder wenn nicht, dann war das Opfer die Frau, denn er hätte gedacht, eine Erektion käme nur zustande, wenn der Mann auch Lust empfand-allerdings war er eines besseren belehrt worden.
    „Sarah-ich bin müde und möchte jetzt schlafen!“ sagte er deshalb unvermittelt, weil ihm gerade alles zu viel wurde und legte auf, während seine Frau unglücklich auf ihr Handy starrte-du liebe Güte-was hatte denn Ben nun schon wieder? Allerdings gebot sie sich dann selber Einhalt. Nein sie würde jetzt nicht zornig werden, er war traumatisiert und brauchte Liebe und Verständnis! Kurz spielte sie noch mit dem Gedanken, Semir anzurufen, aber dann entschied sie sich für eine SMS, denn Semir verweigerte bisher Whats App. „Ich wünsche euch beiden eine gute und erholsame Nacht und hoffe, dass es Ben bald besser geht-sag ihm, dass ich ihn liebe, egal was auch geschehen sein mag!“ schrieb sie und als Semir seinem Freund wenig später vorlas, was Sarah gepostet hatte, kam der doch ein wenig runter und konnte am Abend schon fast alleine zum Bad humpeln, nachdem man vorübergehend seine Zugänge alle abgestöpselt hatte. Der Körper genas-aber die Seele hinkte noch gewaltig hinterher!


    Als das Licht gelöscht war, verrieten die gegenseitigen Atemzüge den beiden Freunden, dass noch niemand eingeschlafen war. Semir nutzte nun die Ruhe und den Schutz der Dunkelheit und fragte Ben ruhig: „Magst du mir erzählen, was Estelle dir angetan hat-ich meine nur-vielleicht hilft es dir, darüber mit jemandem zu sprechen, den du kennst, wobei der Psychologe da sicher auch der Richtige ist-also ich dachte nur-falls es dir gut tut! Und Ben, ich möchte keine Heimlichkeiten vor dir haben, deshalb muss ich dir sagen, dass Hartmut und ich sogar anhand der Spurenlage ziemlich detaillierte Einblicke haben, was dir Estelle in der Zeit deiner Entführung angetan hat. Er ist mit den ausgewerteten Spuren zu mir gekommen und außer uns dreien weiss niemand über die Vorkommnisse Bescheid-Hartmut ist offiziell einfach noch nicht dazu gekommen, einen Bericht zu verfassen-außerdem ist ja die Täterin tot, also besteht da kein öffentliches Interesse, man könnte sowas auch unter den Tisch fallen lassen. Ich denke, es ist vor allem für dich wichtig, damit du an diesem Wissen nicht erstickst und ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, ob Sarah oder irgendjemand anderer davon erfahren sollte, da würde ich den Fachmann fragen. Allerdings ist dein Leben in meinen Augen massiv eingeschränkt, wenn du mit Frauen nicht normal verkehren kannst-ich habe deine Angst gespürt, als die Kolleginnen da waren und die Gänsehaut gesehen, als du mit Sarah telefoniert hast. Also wenn du magst-erzähl ruhig, wenn es dir gut tut, aber wenn nicht, dann versuch zu schlafen!“ beendete er seinen Monolog und als Ben nun nach kurzer Überlegung leise und mit belegter Stimme zu erzählen begann, stand Semir nach einer Weile auf, setzte sich auf seinen Bettrand und drückte ganz fest seine Hand. Ben sollte wissen, dass er nicht alleine war-zu schrecklich war einfach das, was er sich gerade von der Seele redete.

  • "Semir, als mich die beiden Wrestler gekidnapped hatten, bin ich erst wieder so richtig zu mir gekommen, als ich in dieser Wohnung auf einem Bett lag. Sie hatten mich mit Handschellen an Hand- und Fußgelenken darauf gefesselt und als ich dann Estelle gesehen habe, war ich zunächst einmal sogar beruhigt. Ich konnte mir schon zusammen reimen, dass sie es auf mich abgesehen hatte, aber das ganze Ausmaß war mir da noch in keinster Weise bewusst. Sie hatten mich ja betäubt, ich kann mich nur noch nebulös daran erinnern, dass mich diese beiden Typen in einen Rollstuhl gesetzt haben, wäre da aber zu keiner Gegenwehr fähig gewesen. Dieses blöde Mistmedikament macht einen schläfrig und völlig willenlos, ich konnte kaum zwischendrin meine Augen kurz aufmachen.
    Ich weiss nicht, wie lange ich da gelegen hatte, als ich jedenfalls richtig aufgewacht bin, habe ich Estelle im Nebenzimmer mit den beiden Männern lachen und scherzen gehört. Irgendwann zuvor haben sie mir noch diesen Schulterverband ausgezogen und die Drainage einfach raus gerissen, aber das habe ich nur am Rande mitgekriegt. Es waren Geräusche zu hören, als würden die gemeinsam essen und ich konnte auch Bruchstücke ihrer Unterhaltung verfolgen. Estelle hat mich allerdings den beiden Typen für die nächste Nacht versprochen und da ist mir ganz anders geworden, allerdings hatte ich vor Estelle keine große Angst-was sich im Nachhinein als großer Fehler heraus gestellt hat.“


    Ben fasste nun kurz nach seinem Wasserglas und trank einen Schluck, bevor er sich wieder in sein Kissen zurück fallen ließ und langsam weiter sprach. Semir war immer noch wie ein Fels in der Brandung neben ihm und hörte einfach zu und irgendwie war das einfach in Ordnung so-Ben musste sich jetzt unbedingt seinen Kummer von der Seele reden, sonst würde er platzen!
    „Als Estelle zu mir kam, habe ich mich erst mal schlafend gestellt, aber sie hat mir dann auf den Kopf zugesagt, dass das Betäubungsmittel jetzt nicht mehr wirkt und so habe ich getan, als würde ich gerade wach werden. Sie hat sich erst selber bis auf die Dessous ausgezogen und mir dann mit einem scharfen Messer die Kleider vom Leib geschnitten. Ich hatte mir dann überlegt, dass ich sie am besten mit Reden ablenken könnte, bis ihr mich gefunden habt und so habe ich ihr erklärt, dass ich zur Toilette müsse, was zwar auch gestimmt hat, aber noch nicht so dringend gewesen wäre. Sie hat dann einen ihrer Lakaien, die sich zuvor lautstark im Nebenzimmer vergnügt hatten, geholt und der hat mich aufs Klo gebracht und darin sogar alleine gelassen, was mir die Möglichkeit zur Flucht gegeben hat. Ich bin aus dem Fenster und habe verzweifelt versucht zu fliehen, aber sie haben mich kurz danach wieder eingefangen, k.o. geschlagen und als ich wieder zu mir gekommen bin, lag ich wieder im Streck auf dem Bett und hatte einen Knebel im Mund. Und dann hat mein persönliches Martyrium begonnen und Semir-wusstest du, dass man als Mann mit einer Spritze in sein bestes Stück gegen seinen Willen zum Verkehr gezwungen werden kann? Estelle hat unsägliche Dinge mit mir angestellt, mich mit ihren Händen, aber auch dem Sexspielzeug und der Peitsche traktiert und jede erdenkliche Perversion mit mir ausprobiert und ich lag nur da und musste es über mich ergehen lassen-etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte!“ weinte Ben inzwischen und nun zog ihn Semir in seine Arme.
    „Ben-du musst auch nicht in die Tiefe gehen, quäl dich nicht-wir haben deine und ihre DNA an den ganzen Dingen gefunden und das war sozusagen selbsterklärend, was sie alles mit dir angestellt hat, aber diese Details sind auch nicht wichtig, außer du möchtest mir die wirklich genau erzählen, wenn es dich erleichtert!“ beruhigte er seinen Freund, woraufhin der den Kopf schüttelte. „Diese Frau war einfach böse und pervers und hat ihre gerechte Strafe bekommen, wie alle anderen Beteiligten auch, aber du darfst dich jetzt von ihr nicht zerstören lassen. Lass sie nicht gewinnen und die Macht, die sie über dich haben wollte, über ihren Tod hinaus wirken, sondern biete ihr die Stirn und räche dich an ihr, indem du sie nicht dein weiteres Leben bestimmen lässt. Du bist stark und wirst mit meiner und der Psychologenhilfe da drüber hinweg kommen. Du wirst dein altes Leben mit deiner Familie, mit Sarah und den Kindern wieder leben, und daran auch Spaß haben. Du wirst mit mir über die Autobahn düsen und auf die Krüger schimpfen, Autos schrotten und mit Lucky über die Felder joggen, denn du bist stark und mein Freund-ich weiss das einfach!“ beschwor ihn Semir und nach einem schwachen: „Meinst du wirklich?“ schloss Ben nun die Augen, was Semir im Halbdunkel schwach erkennen konnte.
    „Weisst du was-ich glaube uns beiden dürfte jetzt eine Mütze voll Schlaf ziemlich gut tun!“ offerierte Semir und Ben, der gerade dabei war, langsam ins Nirwana abzudriften, nickte müde. So stahl sich Semir wenig später in sein eigenes Bett und die tiefen Atemzüge seines Freundes verrieten ihm, dass er nun tatsächlich eingeschlafen war. Semir war überzeugt davon, dass es ein gutes Zeichen war, dass Ben über die schrecklichen Dinge jetzt sprechen wollte-es war zwar vielleicht nur ein kleiner Schritt, aber er ging in die richtige Richtung und Semir hoffte nichts mehr, als dass es ab sofort mit seinem Freund aufwärts ginge er hätte es nach dieser ganzen Sch… mehr als verdient!


    Auch Sarah hatte eine gute Nacht und begann am nächsten Tag nach einer belebenden Dusche, bereits wieder im Haus herum zu wandern. Heute kam auch Hildegard, die schon die ganze Zeit ihre Hilfe angeboten hatte, aber Sarah hatte sie nicht anstecken wollen und außerdem waren ja die Kinder und sie durch die Afrikaner bestens versorgt gewesen. Nur Lucky freute sich unbändig als sein Hundefreund zum Spielen kam und die beiden tobten erst mal eine ganze Weile durch den Schnee, der immer noch im Garten lag. Auch Tim, der bereits den dritten Tag fieberfrei war, war nun nicht mehr zu halten und durfte warm eingepackt mit seiner Ziehoma einen Schneemann bauen. Sarah hatte am Morgen kurz mit Semir und dann mit Ben gesprochen. Ihr Mann machte heute einen wesentlich besseren Eindruck am Telefon als am Vortag und dass es den Kindern und ihr wieder besser ging, freute ihn wirklich, wie sie an seiner Stimme hörte. Am Nachmittag überlegte sie kurz, einfach in die Klinik zu fahren und mit Mundschutz Ben zu besuchen, aber Gott sei Dank rief sie zuvor noch Semir an. „Sarah-der Psychologe ist gerade bei Ben!“ teilte der ihr mit. „Ich denke nicht, dass es euch beiden schon was bringen würde, euch zu sehen-lass das den moderieren! Ich werde ihm nachher deine Nummer geben und ihn bitten, dich anzurufen!“ sagte Semir und tatsächlich bekam Sarah eine Stunde später einen Anruf von einem- auch am Telefon schon sehr sympathisch wirkenden- Mann.
    „Frau Jäger-wir stecken gerade mitten in der heißen Phase der Therapie und ich rufe sie jetzt im Auftrag ihres Mannes an. Ich habe gehört, dass sie Krankenschwester sind und gerade als Fachfrau möchte ich sie bitten, sich noch ein wenig zu gedulden. Wenn ihr Mann ihren Besuch möchte und psychisch so weit ist, wird er sich mit ihnen in Verbindung setzen-ich denke auch nicht, dass das noch lange dauern wird, aber das Tempo gibt er vor und ich werde auch bei ihrem ersten Zusammentreffen dabei sein, das moderieren und bitte sie dann auch, sich darauf einzulassen. Denken sie daran-er ist schwer traumatisiert und wir müssen ihn im Augenblick behandeln wie ein rohes Ei, ansonsten ist ein Rückfall vorprogrammiert. Wenn sie ihn wirklich lieben-nehmen sie sich zurück und haben sie Geduld, dann wird alles wieder ins Lot kommen!“ beschwor er sie und Sarah willigte ein-anscheinend wusste dieser Therapeut sehr genau was er tat, auch sie konnte ihm vertrauen und das war gut so!

  • Es vergingen nochmals zwei Tage. Semir fuhr zwischendrin für ein paar Stunden nach Hause, Hartmut kam alleine zu Ben zu Besuch und der sah ihn lange an: „Hartmut, ich möchte dir danken!“ sagte er und der rothaarige Techniker fragte unschuldig: „Für was denn?“ „Na erstens natürlich nochmals, dass du mir das Leben gerettet hast-aber darüber haben wir ja schon gesprochen und zweitens für deine Verschwiegenheit! Semir hat mir erzählt, dass du anhand der Beweise rekonstruieren konntest, was Estelle mit mir gemacht hat, aber du bist zu ihm gekommen, anstatt das an die große Glocke zu hängen. Ich glaube ich würde vor Scham im Boden versinken, wenn die ganze PASt darüber Bescheid wüsste, was mir widerfahren ist, aber damit, dass ihr beide das wisst, kann ich inzwischen ganz gut leben!“ sagte er und Hartmut fragte mit weicher Stimme: „Wie fühlst du dich denn? Außerdem ist es ja eigentlich ein Blödsinn, wenn du dich da so schämst, denn du warst schließlich das Opfer und nicht der Täter. Immer wieder haben wir doch in unserem Job mit vergewaltigten Frauen zu tun, du hast doch deswegen nicht weniger Achtung vor denen, nur weil sie einem Sexualstraftäter zum Opfer gefallen sind-Mitleid ja und vielleicht Wut und Verachtung für den Täter, aber man weiss doch, dass man manchmal keine Chance hat, sich zu wehren. Außerdem warst du gefesselt und geknebelt-was hättest du denn tun sollen?
    Natürlich wird niemand von meinen Erkenntnissen erfahren, der Bericht ist mit einem Sperrvermerk im PC-da müsste schon ein PC-Profi sich ans Werk machen, um da ran zu kommen und die einzige, die da vielleicht daran denken könnte, dass da noch was war, wäre Frau Krüger, aber die hat anderes zu tun, als sich als Hacker zu betätigen, glaub mir das-und sie hat auch nie danach gefragt, ob ich weitere Spuren ausgewertet habe. Alles was das Geschehen im Schlafzimmer, in dem du aufgefunden wurdest, betrifft, habe ich dokumentiert, die Beweiskette deckt sich lückenlos mit Semir´s Aussage und außerdem hat der Wrestler ein Geständnis abgelegt, dass er Estelle erwürgt hat, aber auch dass es zwischen dir und ihm und seinem toten Freund noch nicht zu sexuellen Handlungen gekommen ist!“ berichtete er Ben und der hatte sich zuerst angespannt aufgerichtet und dann mit einem Seufzer zurück gelegt.

    „Gott sei Dank!“ sagte er voller Erleichterung. „Ich hatte schon Sorge, dass mir bei meiner nächsten Vernehmung eines Strafgefangenen in Ossendorf auch noch die Männer nachpfeifen, falls der Wrestler da Blödsinn erzählt hätte!“ aber Hartmut schüttelte den Kopf. „Der hat selber so viel Dreck am Stecken, weil er an vielen via Fotodokumentation fest gehaltenen Morden Winkler´s beteiligt war. Dieser Perversling hat den armen Teufeln immer die Zunge heraus geschnitten und der Wrestler und sein Freund haben die Gefangenen dafür fest gehalten und danach in den Rhein geschmissen. Meine Hauptarbeit ist gerade, die ganzen Zeugen, die da teilweise auf den Fotos sind mit meinem selbst geschriebenen Programm zu identifizieren, damit die Kollegen der Mordkommission sie befragen und zu Aussagen bewegen können-die ersten haben wir auch schon, denn du weisst ja-eine Fotodokumentation zählt nicht vor Gericht. Die Krüger hat ein großes Lob vom Innenminister bekommen, dass unsere Abteilung eine der widerlichsten Mordserien Kölns der letzten Jahre, dazu noch die Aufklärung des Bombenattentats, das die Bevölkerung ebenfalls sehr aufgewühlt hat, geschafft hat und die Mordkommission steht gerade ein wenig blöd da. Auch du warst sozusagen indirekt daran beteiligt-vielleicht sollten wir dich deshalb für eine Belobigung vorschlagen?“ neckte er Ben und der knuffte seinen Freund und Kollegen in die Seite: „Untersteh dich-ich rede sonst nie mehr ein Wort mit dir!“ sagte er, aber er konnte jetzt zumindest schon wieder schmunzeln.
    Irgendwie klang das aus Hartmut´s Mund so einfach und unbeschwert, vielleicht sollte er langsam auch ein wenig runter kommen, wie Semir und der Psychologe ihn wieder und wieder beschworen. Aber immer konnte er noch nichts essen und die ganze Belegschaft des Krankenhauses hielt sich an die Vorgabe, dass er nicht von Frauen angefasst würde. Inzwischen konnte er es aushalten, wenn ihm eine Schwester auf einen Meter nahe kam-aber näher ging nicht, dann stellten sich immer noch seine feinen Härchen auf und sein Unterbewusstsein schlug Alarm, ließ ihm den Schweiß ausbrechen und eine Panikattacke rollte an.

    Mit Sarah telefonierte er zweimal täglich-er hatte sich im Krankenhaus einen Festnetzanschluss geben lassen und immer mehr stieg die Sehnsucht nach ihr, aber er hatte einfach dennoch Angst vor ihrer ersten persönlichen Begegnung. Er hatte deshalb bisher sogar auf ein Wiedersehen mit seinen Kindern verzichtet, obwohl er gerade Tim beinahe körperlich vermisste. Der hatte jetzt schon etwas ins Telefon gesagt, aber ob er das so genau verstand, dass da am anderen Ende der Papa war, konnte man nicht nachvollziehen, eigentlich war er dafür fast noch zu klein.


    Als, nachdem Hartmut sich verabschiedet hatte, heute der Psychologe kam, erzählte er ihm brühwarm vom Besuch des Kollegen und dessen Worten. „Na sehen sie Herr Jäger-auch Unbeteiligte können sie als Opfer sehen und wenn sie es schaffen, den Knoten in ihrem Kopf zu lösen, würde einem baldigen Besuch ihrer Frau doch nichts mehr im Wege stehen?“ lockte er, um dann unvermittelt das Thema zu wechseln-nicht umsonst hatte er Ben versprochen, dass der das Tempo bestimmte und sagen würde, wann er bereit war. Ben hatte ihm viel, aber eben nicht alles erzählt, was ihm als Entführungsopfer geschehen war und irgendwie traten sie gerade auf der Stelle. Ben´s körperliche Erholung schritt zügig voran, der Arm war aus dem straffen Gilchristverband und er hatte nur noch eine Armschlinge, auf den operierten Fuß durfte er inzwischen auftreten und der Physiotherapeut übte mit ihm schon das schrittweise freie Laufen.


    „Mich würde jetzt einfach interessieren, warum sie immer noch nichts essen können?“ fragte er, denn darüber hatte Ben noch kein Wort verloren. Er wurde inzwischen komplett über die Magensonde ernährt, auch die Medikamente gab man ihm in Tablettenform, ließ sie zuvor in Wasser zerfallen und spritzte sie in die Sonde. Man hatte den Zugang, der gerötet gewesen war, entfernt, aber Ben nahm oral nur Wasser zu sich-sonst nichts. Trotzdem begann er wieder ein wenig zuzunehmen, denn man gab ihm hochkalorische Sondenkost zum Aufpäppeln, aber es würde auch normaler leichter Kost nichts im Wege stehen-die Zeit der Schleimsuppen war vorbei.
    Ben schwieg einen Moment. Dann schloss er die Augen und begann stockend zu erklären. „Immer wenn ich versucht habe, etwas zu essen, hat das nach Estelle geschmeckt und ich musste kotzen-vielleicht hat irgendjemand in der Küche dasselbe Parfüm wie sie-ich weiss es nicht!“ sagte er. Der Psychologe hatte aufmerksam zugehört. „Gut natürlich ist es möglich, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass bei den hygienischen Vorgaben in einer Großküche auch nur Spuren eines Duftes vom Personal ins Essen gelangen könnten, außerdem wird ja wohl kaum eine weibliche Person alleine die ganzen Gerichte kochen, die zur Auswahl stehen, das sind ja auch häufig Convenienceprodukte, die nur im Konvektorofen erwärmt werden.. Meinen sie nicht, dass diese Wahrnehmung sich vielleicht in ihrem Gehirn abspielt?“ fragte er und zermarterte sich den Kopf, wie diese Störung hieß-er hatte im Studium davon gehört, aber noch nie einen Patienten gehabt, der davon betroffen war.
    Ben sah ihn an und gegen seinen Willen füllten seine Augen sich mit Tränen. „Das habe ich mir auch schon überlegt-werde ich jetzt langsam verrückt, weil ich mir Dinge einbilde, die gar nicht zutreffen?“ fragte er, aber der Psychologe schüttelte den Kopf. „Nein Herr Jäger-sie haben ein Trauma, das ihr Gehirn noch nicht verarbeitet hat-vielleicht weil einfach die Zeit dafür noch nicht gekommen ist, aber das hat überhaupt nichts mit verrückt werden zu tun!“ beruhigte er ihn und nun sprach Ben stockend weiter und es fiel ihm unendlich schwer sich zu öffnen, nicht einmal Semir hatte er bisher davon erzählen können: „Es ist ja nicht nur das Parfum, sondern der ganze eklige Körpergeruch von Estelle-sie hat sich damals, als ich so gefesselt und ausgeliefert war, auf mein Gesicht gesetzt und ich musste ihr zu Willen sein, sonst hätte sie mich erstickt!“ flüsterte er nun leise und drehte sich dann vor Scham zur Wand und zog sich die Decke über den Kopf.
    Zunächst herrschte Stille im Raum und dann berührte ihn eine warme und freundliche Hand durch die Decke hindurch. „Danke Herr Jäger, dass sie sich mir geöffnet haben!“ sagte der Psychologe ergriffen. „Sie werden sehen-wenn man schon mal das Problem erkannt und benannt hat, gibt es auch eine Lösung und ich werde ihnen nach Kräften dabei helfen, wieder gesund zu werden, aber seien sie sich eines gewiss-sie trifft keine Schuld und egal, wer auch immer davon erfährt, oder wen sie da einweihen wollen-sie sind das Opfer und dürfen einfach der Täterin nicht die Macht über sich erlangen und sich zerstören lassen-sogar aus dem Jenseits- denn genau das wollte sie, aber zusammen werden wir diesen Geist besiegen und ihnen wieder zu einem normalen Leben verhelfen!“ sagte er, blieb dann noch eine Weile neben dem Bett sitzen und als Ben nach einer Weile wieder unter der Decke hervor kam und das Gefühl hatte, er hätte gerade die Zugspitze erklommen, so fertig war er, erntete er ein freundliches und Mut machendes Lächeln. „Das war richtig stark heute-weiter so, dann werden wir gemeinsam den Dämon in die Flucht schlagen!“ versprach Philipp Schneider und erhob sich zum Gehen und unendlich müde nickte Ben-er wollte es nur zu gerne glauben!

  • Nach seinem abendlichen Telefonat mit Sarah unterhielt sich Ben noch eine Weile mit Semir, der nicht zur zuhause, sondern auch in der PASt gewesen war. „Alle lassen dir weiterhin gute Besserung ausrichten und fragen, wann du denn entlassen wirst. Möchtest du übrigens wissen, wie Hartmut das hingekriegt hat, dass bei dem letzten Besuch keiner dir zu nahe gekommen ist?“ fragte er und Ben nickte. „Er hat einfach erklärt, dass er in seinem Labor einen blöden Durchfallkeim untersucht habe und da ein bisschen unvorsichtig war. Er konnte angeblich nicht ausschließen, dass er da Sporen an den Händen gehabt und so die PASt verseucht hat-so über die Türklinken oder so. Alle haben wie wild ihre Hände gewaschen und desinfiziert, aber leider sind diese Clostridien sehr hartnäckig und so haben alle miteinander kollektiv beschlossen, dass sie dich zwar besuchen, dir aber auf keinen Fall zu nahe kommen, damit sie dich –immungeschwächt wie du gerade noch bist-nicht anstecken. Ich glaube niemand war froher als die Chefin, als noch zwei Tage später kein einziger Mitarbeiter sich krank gemeldet hat-die hat schon die halbe Belegschaft flach liegen sehen und Hartmut hat natürlich von ihr ne Riesenstandpauke bekommen, die er aber mannhaft ertragen hat.“ grinste Semir und nun musste auch Ben lachen. „Hartmut ist schon ein toller Freund-und immer einfallsreich!“ sagte er und da konnte ihm Semir nur zustimmen.

    Als das Abendessen kam, sah Ben heute lange unter die Deckel der Abendplatte mit Brot und Wurst. Er rang einen Augenblick mit sich, ob er doch etwas probieren sollte, aber dann überkam ihn doch wieder der Ekel. Semir hatte ganz hoffnungsvoll herüber gelugt, der hatte gerade mit Appetit seine Käseplatte verdrückt-würde Ben vielleicht jetzt doch endlich mal was essen? Allerdings legte der dann den Deckel wieder auf den Teller-Mann er war einfach noch nicht so weit. Nach der Abendtoilette löschten sie gegen zehn das Licht und im Schutze der Dunkelheit erzählte Ben nun seinem Freund, was er heute schon dem Psychologen berichtet hatte. Semir war einen Augenblick ganz starr vor Entsetzen-diese Brutalität und Perversion, die Ben hatte erleiden müssen, hatten sie anhand der vorhandenen Spuren nicht rekonstruieren können und das erklärte natürlich dessen Abneigung vor jeglichem Essen! „Ben danke dass du es mir erzählt hast-ich habe vollstes Verständnis für dich und einerseits großes Mitleid mit dir, aber auch eine Megawut auf Estelle. Ich schwöre dir, wenn sie nicht schon tot wäre, würde ich sie eigenhändig umbringen!“ sagte er erbost und Ben antwortete leise: „Danke!“


    Am Abend hatte Ben mitgeteilt bekommen, dass er am nächsten Morgen eine Kontroll-ÖGD bekommen würde, bei der der Gastroenterologe den Zustand des Magens beurteilen würde-eigentlich wäre die ja schon viel früher geplant gewesen, aber weil er sich doch stark verbessert hatte und die Blutwerte auch beinahe im Normbereich waren, hatte man so lange gewartet. Man stoppte um Mitternacht die Ernährungspumpe und der Nachtpfleger spülte die Sonde noch mit klarem Wasser durch. Ben hatte eigentlich wenig Angst vor der Untersuchung, denn das letzte Mal hatte er sie auch verschlafen und so war es auch diesmal. Allerdings erwachte Ben nach einer Weile benommen aus den Fängen der Sedierung und stellte dann fest, dass sein Hals ein wenig wund war und dass er keine Ernährungssonde mehr hatte. Der Internist, dem die näheren Zusammenhänge nicht klar waren, hatte beschlossen, dass er seinen Patienten so zwingen würde, etwas zu essen und wenn nicht, konnte man ja auch wieder eine neue Sonde legen. Die Magengeschwüre waren abgeheilt und man würde das Pantozol auf eine einmalige Dosis am Tag reduzieren, außerdem wollte man den Patienten ja irgendwann entlassen und der konnte schließlich selber schlucken und essen!
    So schlimm das Legen der Sonde für Ben gewesen war, aber jetzt fühlte er sich ohne sie auch schlecht-er musste sich die nächsten Tage entscheiden-würde er wieder eine Art Vergewaltigung beim Legen einer neuen Sonde über sich ergehen lassen, oder konnte er es aushalten, Nahrung auf normalem Wege zu sich zu nehmen? Als er zurück im Zimmer war, schlief er benommen noch seinen Dormicumrausch aus, aber auch Semir hatte voller Bangen gesehen, was fehlte. Als Ben ganz wach war, stellte man ihm auch ein ganz normales Mittagessen hin, aber erneut brachte er nichts runter.


    Inzwischen war aber seine Sehnsucht nach Sarah und den Kindern derart groß geworden, dass er kurzerhand den Psychologen in der Praxis anrief, der gerade zwischen zwei Therapiegesprächen war. „Herr Schneider-ich glaube ich halte es jetzt ohne meine Frau und meine Kinder nicht mehr aus, allerdings weiss ich nicht, ob sie mir schon zu nahe kommen darf-das muss ich sehen, wenn Sarah da ist-könnten sie sie vielleicht anrufen und ihr das irgendwie erklären?“ fragte er und so klingelte nur Minuten später Sarah´s Handy, die gerade die Kinder zum Mittagsschlaf hingelegt hatte. „Frau Jäger-es ist so weit!“ offerierte ihr der Psychologe. „Ihr Mann hat große Sehnsucht nach ihnen und den Kindern und möchte sie bitten, ihn besuchen zu kommen. Ich werde ebenfalls da sein und würde gerne zuvor kurz mit ihnen sprechen. Vielleicht könnten derweil die Kinder zu ihrem Mann und Herr Gerkhan passt mit auf, während wir beide uns in der Besuchsecke unterhalten!“ schlug er vor und Sarah stimmte sofort zu, zum angegebenen Zeitpunkt in der Klinik zu sein.

    Als Tim vom Mittagsschlaf erwachte und sie ihm sagte, dass sie später den Papa besuchen würden, hörte man den ganzen Nachmittag nur-„Papa, Papa!“ von ihm, bis Sarah die Mäuse einpackte und ins Krankenhaus fuhr. Auch Semir war vom Psychologen eingeweiht und erwartete sie mit den Kindern bereits vor der Tür zum Krankenzimmer. Philip Schneider stieß dazu, der seinen Hausbesuch immer als letzten Termin legte und danach Feierabend machte, so fiel der Zeitdruck weg. Semir nahm die kleine Mia-Sophie auf den Arm, die ihn mit ihren großen blauen Augen anstrahlte und gab Tim die Hand. „Kommt ihr beiden-wir gehen derweil schon voraus zum Papa!“ sagte er und öffnete die Türe, hinter der Ben erwartungsvoll im Bett saß. Je näher der vereinbarte Zeitpunkt gekommen war, desto höher war bei ihm die Mischung aus Vorfreude und auch wieder Furcht, was er empfinden würde, gestiegen. Als sich Tim jetzt allerdings von Semir´s Hand los riss, auf ihn zu rannte und nur: „Papa!“ rief, war auf einmal seine Welt wieder in Ordnung. Tim kletterte zu ihm ins Bett, warf seine Ärmchen um ihn, drückte ihn und begann in wildem Kauderwelsch etwas zu erzählen, wie das Kinder in diesem Alter eben machen. Ben konnte nicht anders-mit Tränen des Glücks in den Augen schloss er seinen Sohn ebenfalls in die Arme, soweit das mit der verletzten Schulter schon ging und er genoss die körperliche Nähe seines Sohnes, der sich ein wenig an ihn drückte. Dann begutachtete er den Verband, der immer noch Tim´s Arm zierte, der inzwischen aber von Sarah mit bunten Binden umwickelt worden war, denn er sah schon furchtbar ramponiert aus, aber wenigstens schien sein kleiner Kamikaze keine Schmerzen darin zu haben. Tim hatte ein Spielzeugauto mitgebracht und begann das jetzt herum zu schieben, denn ihm genügte es schon wieder mit Kuscheln und nun wandte sich Ben seiner kleinen Tochter zu, die aufmerksam auf Semir´s Arm die Begrüßungszeremonie betrachtet hatte. Semir legte sie zu ihm ins Bett und als Ben sich über sie beugte, sie küsste und kitzelte, lachte und strampelte sie und packte mit ihren kleinen Händen seine Haare, die inzwischen schon ganz schön lang geworden waren. Ben´s Herz ging auf vor Glück und während Semir Tim ein wenig Schokolade aus seinen Beständen gab, öffnete sich dann nach kurzem Klopfen die Tür und darin stand mit einem liebevollen Lächeln im Gesicht Sarah, die ihm in aller Natürlichkeit schön wie eine Göttin erschien und die er nun scheu anlächelte.

  • Der Psychologe hatte Sarah zuvor in die Besuchsecke gebeten. Dort waren sie ungestört und er stellte sich erst einmal förmlich vor. „Frau Jäger, wie ich annehme können sie sich denken, wer ich bin-Philipp Schneider, der Psychotherapeut ihres Mannes. Wie sie ja bereits erfahren haben, macht ihr Mann seit einigen Tagen gemeinsam mit mir eine Therapie. Darf ich sie fragen, inwieweit sie eine Ahnung haben, worum es darin geht?“ wollte er wissen und Sarah nickte und sagte zögernd: „Ich habe zwar mit meinem Mann noch nicht im Detail darüber gesprochen, aber er wurde wohl-wie mir auch Semir-Herr Gerkhan –bestätigt hat, während seiner Entführung sexuell missbraucht und hat seitdem ein generelles Problem mit Frauen, das mich leider mit einschließt!“ erklärte sie und der sympathische Mann ihr gegenüber nickte mit dem Kopf.
    „Er hat mir erzählt, dass sie von selber drauf gekommen sind-mich würde jetzt nur interessieren, ob er sie in Details eingeweiht hat, oder nicht!“ fragte er, aber Sarah schüttelte stumm den Kopf. „Wir unterhalten uns immer am Telefon, als wenn er gerade auf Geschäftsreise wäre. Er erzählt mir, was der Physiotherapeut mit ihm geübt hat, wer ihn besucht hat, macht Small Talk übers Wetter, berichtet von Belanglosigkeiten, aber er hat mir gegenüber noch keinen Ton über die Einzelheiten seiner Entführung gesagt!“ berichtete sie und fügte ein wenig traurig hinzu: „Ich habe sehr gehofft, dass er sich mir öffnet-sehen sie, ich bin doch seine Frau und seit vielen Jahren machen wir alles gemeinsam und ich glaube-er weiss so ziemlich alles von mir-na zumindest das Wichtigste-und vor diesem Vorfall war da zwischen uns eine große Vertrautheit. Das macht mir persönlich jetzt am meisten zu schaffen, dass er sich vor mir verschließt wie eine Auster. Als ich ihn direkt nach dem Vorfall küssen wollte, ist er vor mir zurück gezuckt-damals dachte ich, er hätte eine andere, jetzt kann ich natürlich verstehen, dass er da vor großer körperlicher Nähe einfach Angst hatte, aber dann hat er auch noch eine Auskunftssperre erteilt, die explizit auch für mich galt und das hat mich dann sehr getroffen. Ich muss gestehen-ich war fürchterlich beleidigt und dachte, ich dürfe an seinem Leben nicht mehr teilnehmen, weil ihm eine andere Frau besser gefällt. Jetzt schäme ich mich dafür, dass ich nicht eher auf den wahren Grund gekommen bin-immerhin bin ich doch Krankenschwester, ich hätte da schon dran denken können, aber ich war vor Eifersucht so verbohrt und beleidigt, dass ich erst begonnen habe nachzudenken, als Semir mich besucht hat.“ erzählte sie weiter und der Psychologe hatte ihr aufmerksam zugehört.


    „So Frau Jäger-zunächst einmal kann ich ihre Gefühle durchaus nachvollziehen und irgendwie hat das ja auch alles logisch zusammen gepasst, was sie sich da zusammen gereimt hatten. Fakt ist aber-die Realität sieht leider anders aus und ja, ihr Mann wurde schwer missbraucht und wäre daran beinahe zerbrochen. Gerade beginnen wir gemeinsam den Scherbenhaufen, der von seiner Seele übrig ist, zu kitten, aber das wird noch ein langer Weg sein, bis er wieder einigermaßen normal fühlen und eine intime weibliche Berührung zulassen kann. Ich möchte nicht ins Detail gehen, denn wenn überhaupt, muss ihnen ihr Mann das irgendwann einmal selber erzählen-oder auch nicht, ohne dass sie das negativ werten dürfen. Das wird er selber entscheiden und man darf auch in einer funktionierenden Beziehung durchaus Geheimnisse voreinander haben. Ich möchte z. B. gar nicht wissen, mit wem meine Frau vor unserer Ehe alles intim war und ob die besser oder schlechter im Bett waren als ich-sowas darf jeder tunlichst für sich behalten, ohne dass er einen Vertrauensbruch begeht. Wenn sie ihre Ehe erhalten und ihren Mann zurück bekommen wollen, dann müssen sie ihn jetzt behandeln wie eine empfindliche Blume, die gerade keinen Zug verträgt und welk wird, wenn man sie zu stark anfasst. Das war jetzt ein blödes Beispiel, aber mir fällt gerade nichts anderes ein-ich hoffe sie verstehen, was ich ihnen damit sagen will!“ fragte er aufmerksam und sah sie mit seinen blauen Augen intensiv an, so dass Sarah sogar wegschauen musste. Dieser durchaus attraktive Mann strahlte eine unheimliche Stärke, aber auch Gelassenheit aus-sie konnte sich vorstellen, dass Ben den sympathisch fand und sich ihm auch anvertraute.


    „Ich habe schon verstanden und ja ich will meinen Mann unbedingt zurück haben, denn ich liebe ihn und die Tage, als ich gedacht habe, ich hätte ihn an eine andere verloren, waren die Hölle für mich!“ sagte sie und der Psychologe nickte zufrieden. „Das ist schon einmal eine gute Voraussetzung und es gibt etwas, was ich durchaus weitergeben darf, ohne meine Schweigepflicht zu verletzen-ihr Mann liebt sie ebenfalls, er hat nur eben ein Trauma zu bewältigen und deshalb verhält er sich gerade für unsere Augen nicht normal, aber für ihn ist das einfach gerade wichtig, dass er die Distanz bestimmen kann, die Frauen und zwar egal ob bekannte oder unbekannte, zu ihm einhalten. Daher möchte ich sie bitten, zwar mit ihm zu sprechen, aber stellen sie sich einfach vor, er wäre ein misshandelter Hund in einem Zwinger. Das arme Tier möchte sich zu gerne von ihnen streicheln lassen, denn eigentlich lechzt es nach Zuneigung, Aufmerksamkeit und Berührung. Es möchte von ihnen mit nach Hause genommen werden und sein Leben an ihrer Seite verbringen, aber weil es zuvor geprügelt und auch anderweitig misshandelt wurde, kann es diese Berührung noch nicht zulassen, es sträubt die Haare und knurrt, obwohl es in keinster Weise vorhat, sie zu beissen. Wenn sie aber zu schnell vorgehen, dann wird genau das geschehen. Die Tierprofis setzen sich da manchmal tagelang nur immer in den Zwinger, sprechen mit dem Hund und strecken die Hand nach ihm aus. Sie warten darauf, dass das Tier die Initiative ergreift und ohne Angst erst an der Hand riecht und sich dann vorsichtig berühren lässt. Zeit ist bei diesen Hunden-aber auch bei jedem traumatisierten Menschen-die Zauberformel.
    Lassen sie ihren Mann sein eigenes Tempo bestimmen und so sehr sie sich nach Zärtlichkeit sehnen-seien sie versichert-er tut das auch, aber er kann sie im Augenblick noch weder zulassen noch geben. Sprechen sie mit ihm, sagen sie ihm nette Sachen, aber versuchen sie nicht, ihn von sich aus anzufassen-es wird die Zeit kommen, da er das wieder genießen wird, aber das dauert noch. Wenn sie sich an diese einfachen Vorgaben halten und auch nicht zu viel erwarten, lassen Herr Gerkhan und ich sie jetzt dann mit ihrem Mann alleine und nehmen auch die Kinder mit raus. Liebe, Nähe und Intimität funktionieren auch aus der Entfernung, aber wie gesagt-er gibt das Tempo vor. Seien sie einfach offen und denken sie immer daran-sie beide haben dasselbe Ziel-sie wollen ihr altes Leben zurück haben, in dem sich ihr Mann sehr wohl gefühlt hat, wie er mir anvertraut hat!“ bläute der Psychologe ihr ein und dermaßen vorbereitet gingen sie nun zusammen zum Krankenzimmer.


    Sarah fühlte sich irgendwie an ihre erste Begegnung erinnert-hier in diesem Krankenhaus war sie dazu abgestellt worden bei Ben, der damals Intensivpatient war, eine medizinische Behandlung vorzunehmen. Sie hatte seine Leiste zehn Minuten abgedrückt und war von der ersten Sekunde weg von ihm fasziniert gewesen, obwohl das ja wohl nicht die übliche Art war, sich kennen zu lernen und näher zu kommen. Nun mussten sie sich und ihre Beziehung neu definieren, aber sie war dazu bereit, mehr als bereit! Als sie an der Tür klopfte und die auf Aufforderung öffnete, überkam sie eine Scheu, wie die einer Jungfrau, die bei einer arrangierten Ehe zum ersten Mal ihren zukünftigen Partner zu sehen bekommt und Ben saß nun ebenfalls unsicher und doch erwartungsvoll in seinem Bett und lächelte sie an. Semir, der sich gerade mit Tim beschäftigt hatte, der genüsslich Schokolade aß, erhob sich wie selbstverständlich, ging zu Ben´s Bett und nahm das Baby wieder auf den Arm. „Komm-Tim-wir gehen mal nach draußen, da ist ein Automat an dem man Kopfhörer kaufen kann, den schauen wir uns jetzt einmal an!“ lockte er den kleinen Jungen, der sofort vertrauensvoll die Hand ausstreckte und mit Semir, den er von klein auf kannte, mitging.


    Der Psychologe war hinter Sarah ins Zimmer getreten, die immer noch in der Tür stand-unsicher was sie jetzt tun sollte. „So Frau Jäger-ich hole ihnen jetzt einen Stuhl und dann lasse ich sie beide ein wenig alleine, wenn es ihnen Recht ist, Herr Jäger?“ fragte er Ben und der nickte, nachdem Sarah auf dem Stuhl etwa einen Meter vom Bett entfernt Platz genommen hatte. Die Entfernung war genau die, die Ben gerade zulassen konnte, wie der Psychologe heraus gefunden hatte, als er Ben beobachtete, der unbewusste Signale aussandte. Mit einem freundlichen Nicken ging er hinaus und schloss die Tür hinter sich. Zuvor sagte er noch: „Ich komme so in etwa zehn Minuten wieder und dann werden wir unsere heutige Therapieeinheit machen!“ und Ben nickte zerstreut, denn gerade hatte er nur Augen für Sarah.

  • Momentan herrschte Schweigen im Zimmer, aber es war nicht unangenehm und die beiden sahen sich nur an. Manchmal konnten Blicke mehr aussagen als Worte und so räusperte sich Ben erst nach einer ganzen Weile und sagte: „Du bist wunderschön!“ und nun errötete Sarah und strich sich unbewusst eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Danke!“ sagte sie einfach, dabei hatte sie sich weder besonders aufgebrezelt, noch außergewöhnlich angezogen. Wenn man mit zwei Kindern unterwegs war, die einen mit Schokoladenfingern anfassten oder einem über die Schulter spien, war das auch nicht so angebracht, allerdings wusste sie, dass Ben die Bluse, die sie zu ihrer Jeans gewählt hatte sehr mochte. Wieder herrschte ein kurzes Schweigen und dann wollten beide gleichzeitig zu reden beginnen. „Entschuldige-ich….“ gaben sie fast im selben Augenblick von sich und verstummten dann beide wieder. Nach einem kleinen Grinsen sagte Ben dann: „Du zuerst!“ und Sarah nickte.

    „Ben-ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich habe einfach auf dem Schlauch gestanden und dein Verhalten nach deiner Entführung völlig falsch interpretiert. Ich habe gedacht, du hättest mich aus deinem Leben ausgeschlossen und eine andere Frau kennen gelernt-vermutlich sogar eine Kollegin. Ich war beleidigt, anstatt mir wegen dir Sorgen zu machen und einfach mal nachzudenken. Übrigens bin ich von ganz alleine drauf gekommen, was dir vermutlich passiert ist-weder der Psychologe, noch Semir noch sonst irgendwer haben etwas heraus gelassen, ich gehe aber davon aus, dass dir von Estelle und vielleicht auch den beiden Männern Schlimmes angetan wurde, du brauchst mir darüber aber auch nichts erzählen-versteh, es ist für mich nicht wichtig! Viel wichtiger ist, dass du mich noch lieben kannst, obwohl ich dir zugetraut habe, mich zu betrügen und ich hoffe nichts mehr, als dass wir irgendwann unser altes Leben wieder aufnehmen können-ich vermisse das nämlich am Morgen neben dir aufzuwachen, dein Lachen zu hören und einfach deine Anwesenheit!“ sprudelte sie nur so heraus und Ben hatte ihr aufmerksam zugehört.

    „Sarah ich vermisse dich auch!“ sagte er dann leise. „Aber obwohl ich ganz verzweifelt deine Nähe möchte, kann ich sie-ich hoffe nur vorrübergehend-nicht ertragen. Aber nicht nur deine Nähe, sondern die eines jeden weiblichen Wesens das älter ist als ein Kind und das macht mich völlig fertig, aber ich kann da nichts erzwingen, so sehr ich das möchte!“ versuchte er zu erklären und suchte ihren Blick. Sarah lächelte. „Genau das hat mir eben der Psychologe draußen zu erklären versucht und weisst du mit was er dich verglichen hat? Mit einem misshandelten Hund!“ teilte sie ihm mit und nun musste trotz aller Anspannung und Emotion Ben doch ein wenig grinsen. „Na vielleicht hat er damit nicht ganz unrecht-ein Sauhund war ich schon immer, wie die Bayern jetzt sagen würden!“ flachste er und nun brachen beide in befreites Gelächter aus. Mehr musste im Moment nicht gesagt werden, was man nicht am Telefon schon erledigt hatte und so sahen die beiden sich nur einfach liebevoll an und als der Psychologe wenig später an der Tür klopfte, herrschte trotz Schweigen eine gute Stimmung im Zimmer. Sarah erhob sich, warf Ben zum Abschied eine Kusshand zu und nahm dann Mia-Sophie auf den Arm, die Semir ihr wieder gebracht hatte und der erbot sich, sie noch nach unten zu begleiten. Tim hielt voller Stolz einen kleinen Kopfhörer in der Hand, den er aus dem Automaten hatte ziehen dürfen, was für ihn das Highlight des Tages gewesen war. Zuvor riss er sich allerdings noch kurz von Semir´s Hand los und rannte zum Papa, der das tolle Ding auch gebührend bewunderte. „Bis morgen Schatz!“ sagte Sarah einfach und rief Tim zu sich und Ben erwiderte: „Bis morgen!“ und dann verließ seine Familie den Raum und er ließ sich mit einem tiefen Seufzer in seine Kissen zurück fallen. „Und wie wars?“ fragte der Psychologe, während er sich auf den Stuhl setzte, der von Sarah stehen geblieben war. „Ganz gut!“ antwortete Ben wahrheitsgemäß und dann ging die Psychotherapie weiter.


    Semir hatte Sarah derweil nach unten gebracht. „Eigentlich wollte ich ja Konrad noch besuchen, aber der ist schon direkt auf Reha gegangen!“ erzählte sie Semir und der nickte zerstreut. Ja Konrad war ein paarmal kurz mit Krücken da gewesen um seinen Sohn zu besuchen, aber da hatte man einfach die Distanz zwischen den beiden Männern gespürt. Ben würde nie seinem Vater anvertrauen, was ihm angetan worden war und so war Konrad immer nach ein paar Worten Smalltalk wieder abgezogen. „Ja ich weiss, ich hoffe er erholt sich gut!“ sagte Semir und Sarah erwiderte darauf: „Ich denke schon-Unkraut vergeht nicht!“ und nun brachen die beiden in befreites Lachen aus. Semir brauchte nicht nachzufragen wie es gewesen war. Ein Blick auf Ben hatte ihm gereicht, damit er wusste, dass das Gespräch gut verlaufen war. „Ich komme morgen wieder-halt mich auf dem Laufenden, wenn es Neuigkeiten gibt!“ bat Sarah Semir, bevor sie den Kindern in der Eingangshalle die Jacken wieder anzog, die sie, wie auch ihre eigene, beim Pförtner, der sie natürlich kannte, deponiert gehabt hatte. „Werd ich machen!“ sagte Semir und ging noch kurz mit zum Auto, obwohl er dünne Schuhe anhatte und auch nicht an eine Jacke gedacht hatte. Es lagen noch Schneereste auf dem Parkplatz, aber ansonsten hatte sich die Verkehrslage in Köln normalisiert. Semir war wieder völlig gesund und auch Sarah und die Kinder hatten Gott sei Dank den Infekt gut überstanden. „Ich wünsche mir so sehr unseren Alltag zurück!“ sagte Sarah sehnsüchtig, während sie die Kinder anschnallte und Semir antwortete mit einem Blick auf die Straße voller Insbrunst: „Ich auch-und ich glaube Ben am Allermeisten!“ und damit war alles gesagt.

  • Semir ging nachdenklich, aber doch auch froh, dass das so gut geklappt hatte, auf die Station zurück und spielte noch so lange Zerberus vor der Tür, bis der Psychologe heraus kam. „Bis morgen, Herr Gerkhan!“ sagte er freundlich und auch Ben strahlte, als er ins Zimmer kam. „Ach Semir-alles wird gut werden-ich fühle es!“ sagte er und das Hochgefühl dauerte genau so lange an, bis das Abendessen kam. Das Thema der Psychotherapie war natürlich der Besuch Sarah´s gewesen, der aufgearbeitet worden war und außerdem war sich Semir auch nicht ganz im Klaren, ob der Psychotherapeut auch davon wusste, dass Ben seit der Entfernung der Magensonde schon wieder über einen Tag nichts außer Wasser zu sich genommen hatte. Ben hatte nichts gesagt und wer sollte solche Informationen auch weiter geben? Der Psychodoc war nicht an der Klinik angestellt, hatte deswegen auch keinen Einblick in die Akten und unterlag nicht der dienstlichen Schweigepflicht, also würde der von den behandelnden Ärzten und dem Pflegepersonal nichts erfahren, wenn Ben das nicht ausdrücklich wünschte und genehmigte, Ben hatte da vor lauter Freude über seinen kleinen Erfolg mit Sarah nichts gesagt, aber Semir machte sich trotzdem Sorgen, als er sah, dass Ben zwar kurz unter den Deckel seiner Abendessensplatte sah, die dann aber wieder mit gerümpfter Nase bei Seite schob. „Ben-du verstehst doch vom Kopf her, dass dein Essen gar nicht nach Estelle riechen kann!“ versuchte er ihn verstandesmäßig zu beeinflussen, aber Ben zuckte nur achtlos mit den Schultern und erwiderte: „Ich kann nichts essen!“ Semir beschloss morgen höchstpersönlich den Psychologen zu informieren-so konnte das nicht bleiben, sonst würde Ben entweder wieder Magengeschwüre oder alternativ gewaltsam eine Magensonde kriegen und das war beides mehr als unnötig!


    Am Abend telefonierten Sarah und Ben noch liebevoll miteinander und nachdem der Psychologe beim nächsten Besuch nicht mehr dabei zu sein brauchte, versprach Sarah am nächsten Tag früher zu kommen und diesmal ohne Kinder, die konnten in der Zeit zu Hildegard und dann hätten sie mehr Zeit für sich! Übermorgen würden die dann wieder mitkommen und so schlief Ben dann doch zunächst einmal voller Glück ein wenig ein. Semir allerdings hörte den Magen seines Freundes laut knurren und mitten in der Nacht schreckte er wieder schweißgebadet und mit einem Angstschrei hoch. Semir krabbelte im Halbschlaf aus dem Bett, beruhigte seinen Freund und irgendwann döste der auch wieder unruhig ein, aber ein erholsamer Schlaf war ab da etwas anderes-auch für Semir!
    Auch der nächste Tag verstrich, ohne dass Ben etwas zu sich nahm, so sehr Semir ihn auch zu beeinflussen versuchte und dann kam Sarah. Ben strahlte wieder übers ganze Gesicht, Sarah stellte den Stuhl an genau dieselbe Stelle wie gestern und Semir ging derweil ein wenig nach draußen, die frische kalte Winterluft schnuppern. Ben und Sarah unterhielten sich indessen intensiv miteinander, die alte Vertrautheit kehrte zurück und gerade wollte Sarah Ben sogar fragen, ob sie nicht ein wenig näher rücken dürfte, aber dann verbot sie sich das selber wieder. Der Psychologe hatte gesagt, der Wunsch solle von Ben ausgehen und sie würde sich daran halten.
    Ben hatte gerade noch etwas von der morgendlichen Physio erzählt, da verharrte er plötzlich mitten im Satz, wurde blass, der Schweiß brach ihm aus und mit beiden Händen auf Bauch und Flanke gedrückt, stöhnte er auf. „Ben um Himmels Willen-was ist los!“ rief Sarah, aber als er nichts darauf antwortete, reagierte sie ganz mechanisch wie eine gute Krankenschwester eben reagierte-sie drückte auf die Glocke, brachte das Bett in Schocklage, weil der Kreislauf ihres Mannes anscheinend gerade rebellierte und wollte dann nach seinem Puls fassen und den Bauch beurteilen, was da wohl los war. Ben hatte derweil laut zu schreien begonnen und als wenig später der diensthabende Pfleger, der dazu gerufene Stationsarzt und endlich auch Semir vor dem Bett standen, erfasste der als erstes den Grund für Ben´s Panik und er zog Sarah, die gar nicht verstehen konnte wie ihr geschah, aus dem Zimmer, damit die männlichen Profis sich um ihn kümmern konnten.

  • Ben beruhigte sich ein wenig, als Sarah ihn nicht mehr berührte, aber die Schmerzen, die Verzweiflung und eine unbestimmte Panik hatten ihn immer noch fest im Griff. Der Arzt sprach beruhigend mit ihm und er konnte nach einer Weile auf die Frage, wo genau es denn weh täte, zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor pressen: „Mein Bauch-die Flanke, es ist fast derselbe Schmerz wie schon Mal und übel ist mir auch!“ stöhnte er und schon musste er sich übergeben. Der Pfleger hatte geistesgegenwärtig eine Nierenschale vorgehalten und so wurde das Bett nicht beschmutzt. Allerdings erbrach er massenhaft galligen Magensaft ohne irgendwelche Nahrungsbeimengungen und der Arzt wunderte sich deswegen-es hatte doch erst Mittagessen gegeben. Aber immerhin war kein Blut dabei und so war vermutlich der Magen nicht der Grund für die stärksten Schmerzen, die Ben sich gerade im Bett winden ließen wie ein Aal. Nach einer kurzen Tastuntersuchung, bei der der Arzt auch feststellte, dass sein Patient am ganzen Körper klatschnass vor Stress und Schmerz war, sagte der Doktor: „Ich vermute, dass wir wieder ein urologisches Problem haben, ich rufe mal den Kollegen an!“ sagte er, während er Ben zudeckte. Der Arzt desinfizierte seine Hände und holte dann das Telefon aus der Kitteltasche. Er schilderte seinem Kollegen kurz die Situation und wandte sich dann an Ben: „Ich lege ihnen jetzt einen Zugang, sie bekommen ein Schmerzmittel und dann bringen wir sie in die Urologie, der Kollege will sich das unten ansehen, denn er hat hier ja keine Gerätschaften!“ und Ben brach alleine beim Gedanken daran, was ihm nun vielleicht erneut bevorstehen könnte, der Schweiß aus. Aber dann überrollte ihn wieder eine dermaßen starke Schmerzwelle, dass es ihm eigentlich egal war, was sie jetzt mit ihm machten, Hauptsache die Schmerzen wurden besser!

    Bei aller Pein hatte er Sarah gegenüber ein furchtbar schlechtes Gewissen, die immer noch vor der Zimmertüre stand und nun leise zu schluchzen begonnen hatte, so nahm sie der Vorfall mit. Semir hatte den Arm um sie gelegt und versuchte sie zu beruhigen, aber dann sah Sarah ihn an, schniefte und holte ein Taschentuch raus: „Semir-geh zu Ben-der braucht dich jetzt nötiger als ich. Ich werde hier draußen warten, aber er muss keine Angst haben, dass ich ihm nochmals zu nahe komme, richte ihm das bitte aus. Ich habe instinktiv reagiert und nicht nachgedacht, dass es einfach noch nicht geht, dass ich ihn berühre-aber sag ihm, dass ich ihn trotzdem liebe und er mir furchtbar leid tut!“ erklärte sie und Semir fiel ein Stein vom Herzen. Gerade hatte er überlegt, was er tun sollte und ihn zog es zu seinem Freund, der zwar sicher gerade medizinisch gut versorgt war, aber gegen seine Ängste und die Panik konnten der Arzt und der Pfleger eben auch nichts ausrichten, da half vielleicht Zuspruch und menschliche Nähe, die Ben wohl am ehesten von ihm annehmen würde. „Danke Sarah!“ sagte er schnell und war sehr froh, dass die so vernünftig war und so eilte er wenige Sekunden später ins Zimmer zu seinem Freund. In der Tür begegnete er dem Pfleger, der kurz das sogenannte Spritzentablett holte, einen flachen Behälter auf dem alles Zubehör zum Zugang legen und Blut abnehmen bereit lag und dazu noch eine Infusion und ein Schmerzmittel, das der Arzt angeordnet hatte.

    Semir setzte sich still neben seinen vor Schmerzen und Stress zitternden Freund, nahm dessen Hand und sagte liebevoll: „Ben-die kriegen das schon wieder hin, mach dir keine Sorgen!“ beruhigte er ihn und als Ben nun zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor presste: „Sarah-oh Gott-es tut mir so leid!“ konnte sein Freund ihn beruhigen: „Ben sie steht draußen, aber ich soll dir ausrichten dass sie dich von Herzen liebt und sich um dich Sorgen macht, aber das durchaus verstehen kann, dass du ihre Berührung noch nicht ertragen kannst!“ und nun war Ben sehr erleichtert. Bereitwillig streckte er dem Arzt seinen Arm hin, damit der den Zugang legen konnte. Der nahm auch gleich noch Blut ab, aber als das Schmerzmittel dann in seine Adern rauschte, seufzte Ben vor Erleichterung auf-der Schmerz war nun nicht mehr so ganz unerträglich.
    Sarah hatte ihren Kollegen draußen angstvoll aufgehalten: „Ist es schlimm?“ wollte sie wissen, aber der zuckte nur mit den Schultern und murmelte etwas von Auskunftssperre und nun lehnte sich Sarah entmutigt an die Wand im Flur und kämpfte um ihre Fassung. Ben allerdings hatte das Wort gehört und siedend heiß fiel es ihm ein, dass er die ja noch nicht widerrufen hatte. Noch während der Pfleger und Semir sein Bett packten und Richtung Tür rollten, sagte er laut und deutlich zum Arzt: „Die Auskunftssperre ist für meine Frau und meinen Freund hier aufgehoben!“ und nun lächelte ihn Sarah aus der Entfernung mit tränenverschmierten Augen an und flüsterte: „Alles Gute mein Schatz!“ und trotz aller Schmerzen lächelte er zurück. Er wusste überhaupt nicht, was in ihn gefahren war, aber als Sarah ihm so nahe gekommen war und ihn berührt hatte, hatte in seinem Oberstübchen etwas ausgesetzt und er hatte wieder Estelle vor sich gesehen, wie sie über ihn hergefallen war.


    Nun aber rollte er Richtung Urologie und mit jedem Meter, dem er dieser verhassten Abteilung näher kam, nahm die Beklemmung zu. Dort wurde er allerdings freundlich von dem Arzt begrüßt, der ihn damals behandelt hatte. Keine Schwester war in der Nähe und Sarah war zwar dem kleinen Konvoi gefolgt, hatte aber die Treppe genommen, denn im Fahrstuhl wäre die Nähe für Ben sicher unerträglich. „Na Herr Jäger-mein Kollege vermutet, dass ihre Schmerzen wieder von der Niere kommen, dann schauen wir uns das mal an!“ sagte er und Ben´s Blick wanderte angstvoll zu dem bereit stehenden Untersuchungsstuhl, aber der Arzt holte nur ein Ultraschallgerät herbei, bestrich seinen Oberbauch und die Flanke mit Gel und besah sich dann aufmerksam die wabernden Schatten auf dem Monitor, während Ben alleine vom Druck des Schallkopfs an die Decke hätte gehen können und verhalten aufstöhnte. „Na da haben wirs schon-wie ich bereits vermutet habe, befinden sich noch Steinreste im Nierenkelchsystem und dem Harnleiter. Allerdings sind die so klein, dass die der Körper selber nach draußen befördern kann. Außerdem liegt ja die Harnleiterschiene, also ist der Ablauf des Urins gesichert und es besteht keine Gefahr für die Niere. Momentan ist von meiner Seite auch keine Intervention nötig, sie bekommen wie das letzte Mal ein krampflösendes Medikament in die Infusion und dazu gut Schmerzmittel. Trinken sie viel und wenn es geht, laufen sie herum, dann rutschen die Steine noch leichter durch. Ich weiss, das ist sehr schmerzhaft und unangenehm, aber aktuell nicht gefährlich-ich wünsche ihnen alles Gute und wenn es bis morgen nicht besser ist, schaue ich sie mir natürlich nochmals an, aber ich glaube, der Harnleiter wird es bald geschafft haben, die Fremdkörper in die Blase befördert zu haben. Dann müssen sie natürlich auch noch raus kommen, was beim Urinieren nochmals weh tun kann, aber wie gesagt-es ist nicht lebensbedrohlich, obwohl es sich so anfühlt-Kolikschmerzen sind eben einfach stark!“ versicherte er ihm und nun fiel Ben und Semir gleichermaßen ein Stein vom Herzen.


    Der Arzt füllte noch schnell den Konsilschein aus, schrieb die Medikamentenverordnung darauf und wenig später war das Bett, gefolgt von Sarah, wieder auf dem Weg zurück zur Normalstation. Semir ließ sich einen Augenblick zurückfallen, als sie vor dem Aufzug warten mussten: „Sarah-er hat kleine Nierensteine, die aber von selber abgehen sollen, hat der Urologe gesagt!“ berichtete er ihr und nun war auch Sarah erleichtert. Klar waren Nierenkoliken sehr schmerzhaft, aber wenn die Steine klein waren, waren sie nicht gefährlich und langsam konnte sie sich wieder entspannen. Was für eine Aufregung, aber jetzt konnten sie wieder ein wenig positiver in die Zukunft sehen und wenn es Ben besser ging, weiter an seinen Problemen arbeiten!

  • Für Ben war die Aussage, dass die Nierenkoliken harmlos seien leider keine große Hilfe, denn trotz dem krampflösenden Medikament, dem Novalgin und auch dem Piritramid, das er bekommen hatte, waren die Krämpfe, die immer wieder in Wellen kamen, einfach schrecklich für ihn und er rollte sich abwechselnd stöhnend zusammen und versuchte dann immer wieder durch eine Lageänderung eine Schmerzlinderung zu erreichen, was aber leider nicht sonderlich gut funktionierte. Sarah war zögernd in der Zimmertüre stehen geblieben, als sie zurück gekommen waren und hatte nicht gewusst, was sie machen sollte, während der Pfleger noch die weiteren Medikamente holte, die der Urologe angeordnet hatte, um sie der Infusion zuzugeben.

    Ben, der zwar sehr mit sich selber beschäftigt war, sah seine Frau im Türrahmen stehen und presste zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor: „Komm rein!“ denn niemand war froher als er, dass Sarah nicht wieder heulend und beleidigt von dannen gezogen war. Als einmal eine Schmerzwelle abgeklungen war, teilte er ihr mit schwacher Stimme mit: „Sarah-ich wollte dich nicht vor den Kopf stoßen, aber als ich deine Berührungen gespürt habe, war wieder das Gesicht von Estelle über mir und deshalb bin ich so ausgeflippt, ich war da nicht zurechnungsfähig!“ versuchte er ihr zu erklären, aber Sarah, der dieses schwitzende, sich windende Bündel Mensch gerade nur eines tat-furchtbar leid-winkte ab. „Schatz, auch wenn es mir schwer fällt, das verstandesmäßig zu begreifen, aber ich habe inzwischen kapiert, dass das nicht mir persönlich gilt!“ besänftigte sie ihn und nun war Ben mehr als froh, dass er sie nicht erneut komplett vor den Kopf gestoßen hatte, es hatte ihm schon genug Kummer gemacht, als sie sich nicht gerührt hatte und er Angst gehabt hatte, sie zu verlieren. Dabei wollte er doch nur eines-zusammen mit seiner kleinen Familie in Frieden ganz normal leben, gemeinsam mit Sarah seine Kinder groß werden sehen, dabei mit Semir auf Streife gehen, ach ein völlig normales Leben eben, ohne irgendwelche Entführungen, Vergewaltigungen und solche Sachen.


    Wieder krümmte er sich und stöhnte und nun holte Semir den Gehwagen her, der in einer Ecke des Zimmers stand. „Ben, vielleicht hilft es ja tatsächlich, wenn du ein wenig rum läufst, wie der Urologe gemeint hat!“ schlug er vor. Ben wuchtete sich mit Semir´s Hilfe aus dem Bett. Er hatte ein Shirt und Sportshorts an, damit konnte man sich auch außerhalb des Zimmers sehen lassen. Sarah wies Semir aus der Entfernung an, wie er am besten den Infusionsständer am Gehwagen einhängen konnte, denn der lief dann auf seinen fünf Rädern sozusagen von selber mit. Ben schlüpfte in seine Schlappen und begann dann langsam und mühsam seine Runden durchs Zimmer zu drehen. Allerdings stieß er dort ständig an irgendwelchen Kanten an und so beschlossen sie das Ganze auf den Krankenhausflur zu verlegen.
    Sie waren schon ein merkwürdiges Trüppchen! Sarah eilte voraus und achtete darauf, dass kein weibliches Wesen ihrem Mann zu nahe kam, Semir lief mit Ben mit und wenn der wieder eine Kolik hatte, lehnte er sich stöhnend nach vorne über die Kante des Gehwagens und seine Finger krallten sich um die Griffe. Nachdem diese Kolikschmerzen ja ähnlich wie Geburtsschmerzen waren, versuchte Sarah ihn dann aus der Ferne zu ermahnen: „Tief in den Bauch atmen, Schatz, den Schmerz sozusagen wegatmen-schau, du warst bei beiden Kindern bei der Geburt und beim Vorbereitungskurs dabei-versuch doch mal das jetzt für dich umzusetzen!“ forderte sie ihn auf und als er einmal eine Schmerzpause hatte, jammerte Ben: „Ich finde das sehr gemein, dass ich jetzt auch noch sozusagen Wehen haben muss-ich finde das sollte ruhig euch Frauen vorbehalten bleiben!“ aber trotzdem musste er zugeben, dass es durchaus ein wenig half, wenn er sich dann auf seine Atmung konzentrierte.
    Als sie nach mehreren Runden durch den Flur ins Zimmer zurück kehrten, verschwand Ben auf der Toilette und Semir und Ben hörten ihn erneut stöhnen und klagen, als ein scharfkantiger Stein sich dort seinen Weg nach draußen bahnte.
    Irgendwann sagte er: „Ich kann jetzt nicht mehr, ich muss mich wieder hinlegen!“ und Sarah hatte inzwischen eine Wärmflasche, ein weiches großes Moltontuch und eine wasserundurchlässige Auflage organisiert. Damit legte Semir seinem Freund nun, sozusagen ferngesteuert, einen warmen Leibwickel an und als Ben sich dann völlig fertig zurück lehnte und zuvor noch ein großes Glas Wasser getrunken hatte, beruhigte sich allmählich sein Bauch, er schloss für einen Moment seine Augen und war wenig später eingeschlafen. Sarah und Semir betrachteten ihn beide voller Liebe, wie er da erschöpft, blass und mit verklebten, verwuschelten Haaren in seinen Kissen lag und Sarah teilte Semir flüsternd mit: „Ich fahre jetzt, hole bei Hildegard die Kinder und Lucky ab und vielleicht kannst du mir abends noch Bescheid geben wie es aussieht, falls Ben selber nicht telefonieren kann!“ und Semir signalisierte durch Nicken, dass er verstanden hatte.


    Sarah fuhr nachdenklich durchs verschneite Köln. Sie hatten wohl alle noch einen langen schweren Weg vor sich, aber sie hatte trotz allem das Gefühl, dass sie nun nicht mehr ausgeschlossen war, sondern Ben sie, soweit es ihm psychisch möglich war, an seinem Leben teil haben ließ. Zusammen mit dem Psychologen würden sie es doch wohl schaffen, Ben wieder zu einem normalen Fühlen zu verhelfen. Ihr war es fürchterlich schwer gefallen, ihn nicht selber zu versorgen und Semir den Wickel anlegen zu lassen, aber sie musste da einfach ihre Gefühle hintan stellen und sich professionell verhalten, damit Ben genesen konnte. Nach kurzer Überlegung fuhr sie für einen Moment an den Straßenrand und wählte die Nummer des Psychologen, der würde ja in etwa einer Stunde auch wieder bei Ben auftauchen, wenn der bis dahin schon wieder fähig war, mit ihm zu kommunizieren. Nach dreimaligem Läuten meldete sich Philip Schneider und als Sarah sich vorgestellt hatte, sagte sie nur leise: „Der Hund hat mich heute gebissen!“ und der Psychologe wusste genau, was sie meinte und ließ sich dann in kurzen Worten erzählen, was geschehen war. „Gut dass sie mich anrufen, Frau Jäger, es ist wichtig für mich, sowas sofort zu erfahren und wenn sie mir jetzt mitteilen, dass er vermutlich gar nicht fähig ist, lange zu sprechen, werde ich mal ein wenig Musik mitnehmen und vielleicht habe ich andere Möglichkeiten, mir Zugang zu seinem Unterbewusstsein zu verschaffen und ihm so zu helfen!“ sagte er und wenig später fuhr Sarah weiter und freute sich auf ihre Kinder, die den Nachmittag bei Hildegard beide genossen hatten. Tim hatte sogar beim Waffeln backen helfen dürfen und auch Sarah bekam nun eine leckere, frisch gebackene Waffel mit heißen Kirschen und Sahne zusammen mit einer wunderbaren Tasse Kakao. Mia-Sophie strampelte derweil in ihrer Babyschale und ihre blauen Augen strahlten. Gott sei Dank waren die Kinder wieder gesund und guter Dinge!


    Als der Psychologe gegen 16.30 Uhr in der Klinik eintraf, war Ben zwar bereits erwacht, aber immer noch fix und fertig. „Herr Jäger-ich habe von ihrer Frau schon erfahren, was heute los war. So wie sie aussehen, schaffen sie es sicher nicht, mir heute lange etwas zu erzählen. Wenn sie mir vertrauen können, würde ich sie gerne in eine Tiefenentspannung zu versetzen versuchen, vielleicht hilft ihnen das?“ fragte er und Ben stimmte zu. Alles, nur nichts mehr was anstrengend war, denn obwohl in seinem Bauch nur noch ein dumpfer Schmerz vorherrschte und die akuten Koliken momentan vorbei waren, war er einfach nur erschöpft und ausgelaugt. Der Psychologe warf noch einen kurzen Blick auf die Infusionsflasche und ein leises Lächeln spielte um seine Lippen-das was da drauf stand, war für sein Vorhaben gut-sogar sehr gut, denn neben dem Novalgin gegen die Schmerzen, das darin war, hatte man ein zweites Medikament zugefügt-Buscopan. Dessen Wirkstoff war Skopolamin und das war auch ein Bestandteil der sogenannten Wahrheitsdroge, die zum Beispiel manche Staaten bei Verhören einsetzten. Manche Medikamente hatten eben mehrere Wirkungen und für ihn war die Krampflösung jetzt eher nebensächlich.
    So patrouillierte Semir wenig später wieder wie ein Wachhund über den Flur, während im Krankenzimmer leise meditative, sehr angenehme Musik lief und Ben nach Anweisung der ruhigen Stimme des Arztes tiefer und tiefer in einen Entspannungszustand rutschte-manche sagten auch Hypnose dazu, aber Philip Schneider bevorzugte den Ausdruck Tiefenentspannung, denn er wollte seine Patienten ja nicht manipulieren, damit sie auf Stühle stiegen und krähten wie ein Hahn, was manche seiner Kollegen ja für publikumswirksame, aber völlig sinnfreie Discoeinlagen nutzten. Nein er wollte, dass die Patienten eine belastende Situation nochmals durchlebten, er sie aber dazu bringen konnte, der nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern sie zu steuern und damit wieder die Macht über ihre Gedanken und Gefühle zu bekommen. Und so driftete Ben immer weiter ab und lag irgendwann wieder gefesselt auf dem Bett in Estelle´s Schlafzimmer und die war gerade dabei sich auszuziehen und sich ihm zu nähern.

  • Ben verkrampfte sich, ihm war anzusehen, dass er Angst hatte. Die ruhige Stimme des Psychologen durchbrach die Stille, denn der junge Polizist hatte jetzt nichts mehr gesagt, nur der Schweiß war ihm ausgebrochen. „Was macht Estelle gerade?“ fragte Philipp Schneider. „Sie hat ein Messer!“ antwortete Ben mit dünnem Stimmchen. „Was tut sie mit dem Messer?“ wollte der Psychologe wissen und ließ sein Wissen der Vergewaltigung Revue passieren. War sein Patient mit einem Messer verletzt worden? Nein nicht von seiner Entführerin, soweit er sich erinnern konnte. „Sie beginnt mir die Kleider vom Leib zu schneiden, ich weiss nicht was sie vorhat!“ erklärte Ben voller Angst und nun bläute ihm der Psychologe ein, der während der Hypnosesitzung ins vertraute „Du“ gefallen war. „Ben du nimmst jetzt deine ganze Energie zusammen, siehst sie entschlossen an und sagst: „Nein!“ und du wirst sehen, du kannst ihr Einhalt gebieten!“ befahl er ihm und wenig später kam aus Ben´s Mund ein noch nicht völlig entschlossenes, aber doch lautes „Nein!“ Dann herrschte wieder einen Moment Stille. „Was hat sie gemacht?“ fragte der Psychologe ruhig nach und Ben erklärte ihm voller Erstaunen: „Sie hat aufgehört-ich habe meine Kleider noch an!“ und nun lächelte der Psychologe zufrieden. Genau das hatte er erreichen wollen. Ben hatte die damalige Situation nicht beeinflussen können, da war er missbrauchtes Opfer gewesen, aber jetzt konnte er sich wehren und die Estelle, die ihnen in seinen Alpträumen heimsuchte, die ihm den Schlaf raubte und ihm eine Heidenangst einjagte war ja definitiv tot und konnte ihm nichts mehr anhaben. Jetzt musste man sozusagen ihr Schattenbild in Ben´s Kopf auch noch unschädlich machen.


    Schritt für Schritt ging er mit seinem Patienten noch ein Stück weiter, aber weil er seine Kleider ja noch anhatte und Estelle einfach nicht erlaubte, ihm zu nahe zu kommen, stellte sie ihr Unterfangen nach einiger Zeit ein und legte sich neben Ben zum Schlafen. Gut-Philipp Schneider wäre es lieber gewesen, sein Patient hätte sie komplett aus dem Zimmer schicken können, aber so weit war er noch nicht. Sie besaß durchaus noch Macht über ihn und hatte sich auch in einer Sitzung nicht eliminieren lassen, aber das hatte er auch nicht unbedingt erwartet. Langsam holte er Ben wieder aus dem Trancezustand und zwar mit den selben Methoden, wie er ihn hineingeschickt hatte und lag dann noch eine ganze Weile entspannt mit geschlossenen Augen auf dem Bett. „Wie fühlen sie sich?“ fragte ihn nun der Psychologe und nach einer kurzen Überlegung antwortete sein Patient: „Wohl, ich bin zwar ein bisschen müde, aber so, als wenn ich vom Sport komme, das ist eine angenehme Müdigkeit!“ und daraufhin sagte sein Gegenüber: „So soll es sein“ und damit war die Sitzung beendet.


    Ben schlief in dieser Nacht schon besser, er hatte zwar in den frühen Morgenstunden noch einen Alptraum, aber der war nur kurz, allerdings hatte er auch am Abend wieder nichts zu sich nehmen können und das machte Semir große Sorgen! Semir hatte am Abend noch kurz mit Sarah telefoniert, denn Ben war von dem Tag sehr erschöpft und zu müde, als dass er nur zum Hörer greifen konnte.
    Als sie am Morgen erwachten und Ben sich schon so ziemlich alleine hatte duschen und seine Haare waschen können, nur die Verbände erneuerte dann der Pfleger noch und die Infusion hatte man abgestöpselt, wurde erneut das Frühstück herein gebracht. Semir stellte sich vor seinen Freund: „Komm Ben-jetzt probier wenigstens eine Scheibe Weißbrot mit Butter und Marmelade, das ist doch sozusagen neutral, da kann niemand darauf Parfumgeruch oder Sonstiges hinterlassen!“ versuchte er ihn zu überreden und Ben, der das vom Verstand her einsah und ja eigentlich auch Hunger hatte, was er sich gar nicht einzugestehen traute, biss dann seinem Freund zuliebe doch in das Brot. Es war wie ein Fremdkörper in seinem Mund und er kaute und kaute darauf herum, wie als wenn er ein zähes Stück Fleisch hinunterbringen müsste. Mit Todesverachtung schluckte er dann, aber es war vergeblich-sofort kam der Bissen wieder heraus und die nächste halbe Stunde saß er mit grünem Gesicht vor seiner Nierenschale und wurde immer wieder von Würgereiz und Schweißausbrüchen heimgesucht. Inzwischen wussten auch der Pfleger und der Arzt Bescheid und in Ben wuchs die Verzweiflung, dass er wohl wieder eine Magensonde kriegen würde und das Schlimmste für ihn war, dass er ja nicht wusste, wie das weitergehen sollte. Was wäre, wenn er nie mehr normal essen konnte?
    Semir wimmelte auch Sarah ab, die ihrem Mann einen guten Morgen wünschen wollte, aber der kleine türkische Polizist ging an den Apparat und sagte: „Sarah, Ben hat gerade gekotzt, der kann jetzt noch nicht sprechen!“ und die Krankenschwester in ihr machte sich gleich wieder große Sorgen.


    Bei der Visite wurde Ben´s Problem angesprochen und Semir erwirkte noch einen Aufschub, bis zum nachmittäglichen Besuch des Psychologen für Ben. „Herr Jäger, wenn sie bis morgen nichts essen, bekommen sie wieder eine Magensonde, oder wir müssen uns darüber Gedanken machen, ihnen für einige Wochen oder Monate sogar eine PEG-Sonde durch die Bauchdecke zu legen, damit man sie ernähren kann!“ informierte ihn der Stationsarzt und als es ihm nicht mehr schlecht war, lag Ben mit dem Gesicht zur Wand und starrem Blick im Bett und verweigerte heute sogar die Physiotherapie. Oh Gott-was sollte da noch werden, aber nun ruhten alle Hoffnungen auf dem Psychologen und Semir rief den sogar an, um die Dringlichkeit der Therapie zu unterstreichen!

  • Als der Psychotherapeut am Nachmittag kam, ging er zuerst zu Ben ins Zimmer und fand den schwer depressiv und starr an die Wand sehend vor. Gerade wurde ihm alles zu viel und die Magensonde hing sozusagen wie ein Damoklesschwert über seinem Bett. Wieder und wieder durchlebte er gerade die Situation, wie die vorige ihm gewaltsam gelegt worden war und man ihn dazu fest gehalten hatte. In seinem Kopf brachte er sogar, weil er sich dermaßen fixierte, die Realität hier im Krankenhaus und Estelle´s Missbrauch durcheinander. Das Ganze verschmolz gerade in ihm zu einem Riesenwust an Peinlichkeit, Angst und auch Schmerz und aktuell brachte auch die gestrige Therapie nichts, denn er war völlig durch den Wind. Allerdings konnte man auch nicht erwarten, dass man ein derart schweres Trauma in einer einzigen Hypnosesitzung heilen konnte. Auch Semir drang nicht zu ihm durch, der sich wieder und wieder zu ihm ans Bett setzte, ihm über den Rücken strich und versuchte, ihn zu beruhigen und abzulenken. Ben lag einfach stumm da, völlig in sich zurück gezogen und starrte voller Angst die weiße Wand an.


    Als das Telefon klingelte, ging Ben ebenfalls nicht ran, so dass nach einer Weile Semir sich erbarmte und nach dem Hörer griff. „Nein Sarah-ihm geht es psychisch nicht gut, ich glaube nicht, dass es Sinn macht, wenn du alleine, oder auch mit den Kindern kommst!“ gab er ihr Bescheid und wandte sich dann noch an seinen Freund: „Oder Ben-möchtest du, dass Sarah und deine Familie dich besucht?“ fragte er ihn, aber der schüttelte nur unmerklich den Kopf. So lag er einfach da, völlig in sich zurück gezogen und sah nur müde auf, als Philipp Schneider endlich vor seinem Bett stand. Der wusste ja dank Semir Bescheid und hatte sich auch schon etwas überlegt. „Herr Jäger, ich habe von der Sache mit der Magensonde gehört und weiss auch, dass sie gerade einfach noch nichts bewusst zu sich nehmen können. Ich denke auch nicht, dass wir das in einer einzigen Sitzung schaffen, dieses Problem zu bearbeiten, aber die Zeit drängt jetzt aus medizinischer Sicht. Ich wollte sie jetzt fragen-sind sie damit einverstanden, wenn wir ein wenig tricksen? Ich hoffe, es gelingt mir eine akute Problemlösung, damit wir beide einfach Zeit für eine ordentliche Therapie gewinnen. Ich möchte ihnen jetzt auch nicht gerne sagen, was ich probieren möchte und eine Garantie, dass das klappt, gibt es schon zweimal nicht, aber denken sie, sie könnten mir vertrauen?“ fragte er freundlich und suchte dabei taktilen Kontakt zu seinem Patienten, indem er ihm die Hand auf die Schulter legte.

    Ben, dem seine Situation völlig aussichtslos erschien und der sozusagen nur darauf wartete, dass demnächst ein Arzt und ein Pfleger wieder gewaltsam und unter Würgen einen Schlauch in seinen Hals stopfen würden, ohne dass er sich wehren konnte, nickte nur. „Tun sie was sie vorhaben-ich habe eh keine Chance-die werden mit mir machen was sie wollen!“ flüsterte er mutlos. Nur zu gerne hätte der Psychologe ihm jetzt gesagt, dass niemand ihm so etwas antun konnte, wenn er nicht wollte, aber leider Gottes war sein Patient in einer dermaßen starken Ausnahmesituation, dass jeder Richter auf Antrag eines Arztes eine Selbstgefährdung attestieren würde und das Legen der Sonde als Zwangsmaßnahme, um sein Leben zu retten, erlauben würde. Es blieben also nur zwei Möglichkeiten-entweder Ben aß etwas, oder er bekam wieder eine Sonde.

    „Ich komme gleich wieder, vielleicht möchten sie kurz mit mir raus gehen, Herr Gerkhan?“ sagte der Psychologe und nach einem besorgten Blick auf seinen Freund verließ Semir den Raum. Ben war an und für sich eine Frohnatur und hatte bisher alle belastenden Dinge, die ihm schon zugestoßen waren, ziemlich gut weg gesteckt, nur diesmal war es ganz anders. Seine Seele war diesmal wohl schwerer verwundet als sein Körper und das sollte bei den ganzen Verletzungen, die er auch äußerlich erlitten hatte, schon etwas heißen! „Was können wir tun?“ fragte nun auch Semir ratlos, aber ein leises Lächeln umspielte das Gesicht des Psychologen. „Gestern hat das mit der Tiefenentspannung bei ihrem Freund recht gut geklappt, nur kann man natürlich keine Wunder erwarten und wir werden einfach noch eine gewisse Zeit für die Therapie brauchen. Wichtig ist aber- er kann sich auf mich einlassen und ich denke, ich könnte ihn dazu bringen, während der Hypnosesitzung etwas zu essen, ohne dass er das bewusst wahr nimmt, oder sich momentan daran erinnern kann und das dann gleich wieder auskotzt. Das ist jetzt zwar durchaus Manipulation und ich bin normalerweise nicht der Typ, der seine Patienten sozusagen in übertragenem Sinne auf einen Stuhl steigen und krähen lässt, aber ich denke, hier heiligt der Zweck die Mittel und es ist einfach gesundheitlich zu seinem Besten!“ erklärte er und als sie am Stationszimmer angekommen waren, kam gerade der behandelnde Arzt heraus.
    Philipp Schneider stellte sich vor und erklärte dem Doktor in kurzen Worten seinen Plan. „Ich weiss ja nicht, wie sie das anstellen wollen, also mich würden sie nicht dazu bringen, etwas zu essen, wenn ich nicht will, aber wenn das klappt, dass Herr Jäger ein bisschen etwas zu sich nimmt und sich dann auch die Magenschleimhaut beruhigt, dann soll es mir Recht sein-egal wie sie das schaffen und dann ist das Thema Magensonde natürlich fürs Erste vom Tisch!“ sagte er und ein leises Lächeln umspielte den Mund des Psychologen. Sein Gegenüber wenn wüsste, wie leicht es ging, jemanden zu manipulieren, wenn man nur die entsprechenden Techniken kannte, dann würde er sich wundern. Auch der würde so widerliche Sachen wie im Dschungelcamp voller Genuss essen, wenn er ihm suggerierte, dass das rohe Kamelhirn eine wunderbare Pastete wäre, aber das war hier ja nicht das Ziel!


    Wenig später balancierte Semir ein Tablett mit mehreren Schüsseln mit Suppe, Grießbrei und Kartoffelbrei mit Sauce, das man extra aus der Küche geholt hatte und wartete vor der Zimmertür, bis der Psychologe ihn damit herein bat. Als es einige Zeit später so weit war, musterte Semir erstaunt seinen Freund, der jetzt am Bettrand saß, ein wenig entrückt guckte und danach ohne mit der Wimper zu zucken zum Löffel griff und nacheinander alle drei Schüsseln leerte. Semir verhielt sich ruhig und als er etwa 15 Minuten später mit seinem Tablett wieder abzog, schüttelte er verwirrt den Kopf. Wie machte dieser Psychologe das und auch wenn ihm der sympathisch war, ein wenig unheimlich waren ihm dessen Kräfte schon. Im Mittelalter hätte man ihn vermutlich als Hexer auf dem Scheiterhaufen verbrannt, aber so war Semir froh, dass Susanne den gefunden hatte-Philipp Schneider griff auch zu unkonventionellen Methoden und genau das taten er und Ben bei ihrer Arbeit auch des Öfteren und waren damit sehr erfolgreich!

  • Nachdem die dringend benötigte Nahrung zugeführt war, machte der Psychologe trotzdem noch mit der Bearbeitung des Traumas weiter. Ben hatte sich, wie ihm aufgetragen wurde, wieder auf den Rücken gelegt und schaute an die Decke, ohne diese wirklich zu sehen. Sein eigentlicher Blick ging nach innen und bald war er wieder in der Wohnung mit Estelle. Wie sich der Psychologe schon gedacht hatte-in seinen Phantasien war sie nur kurz neben ihm gelegen, aber dann wieder aufgestanden und hatte sich ihm-diesmal erfolgreich- genähert. Ben war verzweifelt und voller Scham, aber ganz langsam gelang es dem Psychologen, seinen Patienten dazu zu bringen, Estelle wieder auf Abstand zu bringen. Immerhin war zumindest sie jetzt wieder angezogen, während in seiner Phantasiewelt Ben immer noch nackt und ausgeliefert, mit Handschellen und Knebel vor ihr lag und die Verzweiflung ihn übermannte. „Ben-du musst jetzt erst einmal den Knebel ausspucken, damit du Estelle klar und deutlich sagen kannst, was du nicht willst!“ forderte ihn der Psychologe auf, aber ein dünnes Stimmchen antwortete kläglich: „Das geht nicht!“ und der Therapeut antwortete mit fester Stimme: „Doch das geht, ich weiss es-tu es einfach!“ und mit einem krächzenden Geräusch schien Ben nun eben das zu erledigen. „Jetzt kannst du Estelle sagen, was du nicht möchtest!“ wurde er nun aufgefordert und mit Furcht in der Stimme, aber eben auch unendlich müde sagte nun der junge dunkelhaarige Polizist, dem schon wieder der Schweiß ausgebrochen war: „Nein Estelle-lass mich in Ruhe!“ und wurde darin von seinem Therapeuten noch unterstützt. „Nun schlüpfe aus den Fesseln!“ forderte der ihn danach auf und wieder sagte sein Patient mutlos, während seine Handgelenke an imaginären Handschellen zerrten: „Es geht nicht!“
    „Doch Ben, es geht, die Fesseln sind viel zu groß für dich, du kommst da locker raus!“ ermutigte ihn der Psychologe und mit einer schlangengleichen Bewegung schien Ben sich zu befreien. „Siehst du es geht, du bist ein freier Mann und kannst sprechen. Wenn Estelle dich nicht in Ruhe lässt und nicht auf dich hört, wenn du „Stop!“ sagst, dann steh einfach auf und verlass den Raum-sie kann dir nicht folgen!“ sagte Philipp Schneider mit fester Stimme und nachdem Ben das sozusagen im Geiste getan hatte, holte der Psychologe ihn wieder in die Realität zurück. In Hypnose hatte er ihn mittels einer Farbmeditation und der Vorstellung von fünf Stufen gebracht und nachdem Ben mehr als gewillt war, sich helfen zu lassen und ein großes Vertrauen zu seinem Therapeuten hatte, schritt er die fünf Stufen, die er zuvor willig hinunter gegangen war und dann in sein Unterbewusstes eingetaucht war, nun wieder Schritt für Schritt hinauf, bis er in der Realität angekommen war. Er fühlte sich sehr erschöpft, aber besser und als der Heiler sich jetzt freundlich von ihm verabschiedete und ihm noch mit auf den Weg gab: „Herr Jäger-sie sind stark-sie werden den Kampf gegen Estelle gewinnen, ich weiss es!“ nickte er müde, obwohl er sich so ganz genau nicht mehr daran erinnern konnte, was eigentlich in der letzten halben Stunde geschehen war.


    Als Semir wenig später zu ihm kam, fragte er ihn, ob er etwas von Andrea, Ayda und Lilly gehört habe und rief am Abend sogar noch Sarah an und bat sie, am nächsten Tag doch mit den Kindern zu kommen. Sie war heftig froh darüber und in dieser Nacht schlief Ben zum ersten Mal ohne Alpträume durch und erwachte am nächsten Morgen erholt und voller Energie. Er machte in der Physiotherapie mit und trank zum Frühstück immerhin einen Becher süßen Kaffee, auch wenn er noch nichts essen konnte. Er wunderte sich zwar, dass er den bekam, aber bevor irgendjemand auf die Idee kommen konnte, den wieder weg zu räumen, trank er ihn schnell aus. Immer wieder machte er ein Nickerchen zwischendurch-sein Körper brauchte das dringend, um sich zu erholen und bis gestern hatte er davor Angst gehabt, denn sobald er am Einschlafen war, war immer Estelle gekommen und hatte schreckliche Dinge mit ihm angestellt, aber jetzt sagte er in diesem Zustand zwischen Tag und Traum einfach entschlossen: „Stop!“ oder „Nein!“ und nur ein einziges Mal musste er den Raum verlassen, aber auch das funktionierte. Sein Unterbewusstsein war einfach erleichtert, dass ihm ein Ausweg gezeigt war. Das Schlimmste war für ihn gewesen, dieser Situation hilflos ausgeliefert zu sein und freilich hatte ihm sein Verstand durchaus die ganze Zeit gesagt: „Jetzt fang nicht an zu spinnen-Estelle ist tot und kann niemandem mehr etwas tun!“ aber das war eben die erste Ebene, die andere Ebene seines Bewusstseins war bisher anderer Meinung gewesen.


    Als am frühen Nachmittag Sarah mit den Kleinen kam, die sich an den Papa schmiegten und seine Frau in stillem Einverständnis wieder mit strahlendem Lächeln in etwa zwei Metern Entfernung vom Bett saß und ihren Mann und ihre Kinder beobachtete, dabei unbefangen erzählte, dass Lucky heute schon ein Bad hatte nehmen müssen, weil er sich beim Gassi in etwas Verwestem gewälzt hatte, musste Ben sogar laut lachen und sagte vergnügt: „Na da bin ich aber froh, dass ich nicht zuhause war und das Baden übernehmen musste!“ denn wenn so etwas geschah, zeigte Sarah sonst immer anklagend auf den grauen Riesen, der dann bereits den Schwanz einzog und wusste, dass jetzt Frauchen von seinem neuen Parfum nicht begeistert war und sagte zu ihm: „Sieh mal was dein Hund wieder gemacht hat!“ und dann war das klar, dass Ben die Hundereinigung übernahm und danach das Bad putzte, was eigentlich der noch viel größere Aufwand war.

    Kurz bevor der Psychologe kam, schickte sich Sarah an, sich zu verabschieden und Semir half ihr gerade, die Kinder in ihre Winterjacken zu stecken, da streckte Ben plötzlich spontan die Hand nach ihr aus: „Sarah-ich weiss nicht ob ich schon kann, aber kommst du bitte ein bisschen näher?“ bat er sie und während Semir die Kinder übernahm, machte Sarah zögernd einen Schritt auf ihren Mann zu. „Noch ein bisschen näher!“ bat er und sagte dann „Stop!“ woraufhin Sarah sofort stehen blieb. Ben atmete tief durch-obwohl Sarah jetzt nur noch eine Armlänge von ihm entfernt war, bekam er weder Gänsehaut noch Schweißausbrüche und zögernd streckte er nun erneut die Hand aus und berührte sie ganz kurz, um sich danach sofort wieder zurück zu ziehen. Sarah hatte beinahe die Luft angehalten und stand ganz ruhig da. Sie hatte ihre Lektion gelernt und stellte sich jetzt vor, wie der geprügelte Hund im Zwinger sich langsam annäherte. „Schatz ich liebe dich!“ sagte sie voll tiefer Rührung und wandte sich, nachdem ihr Ben das mit einem Nicken signalisiert hatte, nun ab, um ihre eigene Jacke anzuziehen. „Ich liebe dich auch!“ antwortete Ben leise und auch Semir war klar, dass er soeben einem magischen Moment beigewohnt hatte.

  • Ab diesem Zeitpunkt ging es rasant aufwärts mit Ben. Der erzählte dem Psychologen als der zur nächsten Sitzung kam voller Stolz, dass er vorhin schon ohne Panikattacke seine Frau berührt hatte und auch ohne Alpträume durch geschlafen hatte. Philipp Schneider hatte zuerst vorgehabt, Ben wieder unter Hypnose essen zu lassen, aber nun disponierte er um. „Herr Jäger-haben sie eigentlich Hunger?“ fragte er und als Ben zögernd in sich hinein gehorcht hatte, nickte er. „Aber ich kann nichts essen-immer noch schmeckt alles nach Estelle´s Parfum und mir kommt es sofort wieder hoch!“ verteidigte er sich regelrecht. „Was würden sie dazu sagen, wenn ich ihnen jetzt erkläre, dass sie gestern unter Hypnose problemlos eine ganz normale Portion Suppe und Brei gegessen haben und das auch drin geblieben ist-nur so konnten wir ihnen die Magensonde ersparen!“ klärte ihn der Therapeut nun auf. Ben überlegte erst, ob er jetzt beginnen sollte zu würgen, aber dann schalt er sich selber einen Blödmann. Erstens war das ja schon lange verdaut und zweitens wusste er ja eigentlich, dass sich die ganze Problematik nur in seinem Kopf abspielte. „Ein wenig kann ich mich daran erinnern, dass ich hier am Bettrand gesessen und etwas gelöffelt habe, aber ich glaube, ich habe das dann ganz schnell verdrängt!“ erklärte er nun. „Allerdings habe ich mich am Abend schon gewundert, dass ich keine Magenschmerzen hatte, wie sonst immer, wenn ich nichts gegessen hatte.“ fügte er hinzu.

    Mit einem leisen Lächeln entschuldigte sich nun der Psychologe und trat kurz auf den Flur, wo Semir wieder hin- und herlief und ungebetene Besucher abwehrte. Schnell hatte der Psychologe aus dem Stationszimmer einen Zettel organisiert auf den er mit Edding schrieb: „Bitte nicht stören!“ und den mit Tesafilm an der Tür befestigt. „So Herr Gerkhan-für sie habe ich jetzt einen Spezialauftrag, holen sie doch bitte für Herrn Jäger etwas, was er gerne isst. Sie wissen ja-so ne gute halbe Stunde sind wir zwei beschäftigt und danach hätte ich gerne für ihren Freund etwas, was er gerne mag-nicht unbedingt Krankenhausküche-und ob das dann Diätkost ist, ist ebenfalls egal-ich denke nicht, dass das eine Rolle spielt!“ beauftragte er den kleinen Mann und Semir machte sich sofort auf den Weg-rund ums Krankenhaus waren einige Imbissstände und kleine Geschäfte, da würde er schon etwas auftreiben.


    „So Herr Jäger dann probieren wir heute zwei Dinge: Erst versuchen wir in der Tiefenentspannung wieder Estelle zu vertreiben-das braucht auch ein bisschen Übung, bis sie das in ihren Alltag integriert haben und langsam wird dann ihr Bild in ihrem Gehirn verblassen, so wie eine Fotografie alt wird und vergilbt, bis sie diese Erlebnisse einmal ganz weit hinten in einer Schublade ablegen und die überzeugt schließen können. Aber der Vorteil ist-sie haben sich dann damit auseinander gesetzt und die schrecklichen Geschehnisse nicht verdrängt-das sind andere und vor allem gute Voraussetzungen für eine vollständige Heilung, als wenn man schlimmen Dingen einfach aus dem Weg geht, sie unbearbeitet in einem Winkel des Gedächtnisses vergräbt, denn irgendwann brechen die wieder hervor und zwar meistens dann, wenn man sowas absolut nicht brauchen kann. Ich habe gerade in der Sexualtherapie ja häufig mit Beziehungsproblemen, mangelnder Orgasmusfähigkeit, Angst vor intimen Berührungen und solchen Dingen zu tun und wenn man dann in die Tiefe geht, stellt sich oft heraus, dass die Betroffenen in der frühen Kindheit oder Jugend vergewaltigt wurden, das aber bisher mehr oder minder erfolgreich verdrängt hatten. Übrigens arbeite ich in solchen Fällen immer gerne mit Tiefenentspannung und sie sehen ja, es bringt etwas und vor allem auch in einem relativ kurzen Zeitrahmen, was ja ebenfalls wichtig ist. Übrigens habe ich mich sehr darüber gefreut, als sie mir erzählt haben, dass sie heute bereits ihre Frau berühren konnten-das zeigt mir, dass nicht nur ihr Körper, sondern auch ihre Seele ganz heftig damit beschäftigt sind zu heilen und sie da auch ganz toll mitmachen!“ machte er Ben Mut und wenig später legte sich der zurück und wurde diesmal mithilfe eines Pendels in einen Zustand der tiefsten Entspannung versetzt, der die Gegenwart ausblendete und nur noch die Dinge tief in ihm drinnen wichtig erscheinen ließ.
    Nochmals begann er im Detail die Szenen mit Estelle zu durchleben, die dafür sorgten, dass es ihm den Appetit verhagelte und wieder gelang es ihm seine Peinigerin mental davon abzuhalten, so dass letztendlich er und sie beide angezogen in verschiedenen Räumen der Wohnung in seinem Kopf waren. Als der Psychologe ihn wieder in die Realität zurück holte, fühlte er sich irgendwie befreit und Dr. Philipp Schneider lächelte ihn an: „Sehen sie Herr Jäger-sie schaffen es jedes Mal mit mehr Routine diesen Geist in ihrem Kopf zu bezwingen-er-oder vielmehr sie-und auch kein anderer kann mehr von ihnen Besitz ergreifen, denn sie sind stark und haben die Kontrolle.“ bläute er ihm nochmals ein und nun bat ihn der Psychologe, der unauffällig auf die Uhr gesehen hatte, sich doch an den Bettrand zu setzen.

    Er ging zur Tür und wie er erwartet hatte, stand da draußen schon ein schwer beladener Semir. „Hallo Herr Gerkhan!“ begrüßte ihn der Psychologe mit einem breiten Grinsen und nun trat Semir ein, stellte seine Tüten auf dem Tisch ab und sagte entschuldigend: „Ben-ich wurde von Herrn Schneider zum Einkaufen geschickt, konnte mich aber nicht entscheiden. Nachdem ich heute auch keine Lust mehr auf langweiliges Brot und ne Käseplatte habe, habe ich mal einfach verschiedene gute Sachen gekauft und werde mich ebenfalls ranhalten, wenns recht ist-ach ja-und das ist so viel Zeug, Herr Schneider, das reicht auch für sie und nun wurden nacheinander Currywurst mit Pommes, Döner, Burger, Cola, Apfeltaschen und andere Köstlichkeiten ausgepackt, lauter Sachen, die Semir und Ben normalerweise futterten, wenn sie auf Streife fuhren. Ben gingen beinahe die Augen über und er hatte durchaus Angst, dass er wieder nichts essen konnte, aber dann fasste er sich ein Herz und langte zu. Nachdem er den ersten Bissen im Mund hatte, wartete er auf den typischen Geschmack von Estelle und hatte sogar schon überlegt, wohin er den Brocken spucken würde-aber die Übelkeitsattacke blieb aus und so kaute und schluckte Ben nun erst zögernd, aber dann mit immer mehr Zuversicht und merkte erst beim Essen, welch großen Hunger er eigentlich hatte! Auch Semir und der Psychologe langten wie selbstverständlich zu und der blonde Mann sagte noch: „Das wenn meine Frau sehen würde-die ist seit Weihnachten auf dem Gesundheitstrip und würde mich am liebsten nur mit Vollkornbratlingen und Salat ernähren!“ erzählte er, während er auf beiden Backen kaute und nun brachen alle drei Männer in befreites Gelächter aus. Semir´s Herz hüpfte vor Freude, denn er war sich sicher, der Durchbruch war gelungen-Ben würde bald wieder völlig gesund sein!

  • Die Therapie schritt zügig voran. Einmal hatte Ben noch eine Nierenkolik, aber nachdem er jetzt schon keine Panikattacke mehr bekam, wenn ihm eine Frau zu nahe kam, überstand er auch die mit Semir´s Unterstützung, Herumlaufen einer Infusion und Schmerzmitteln. Vor seiner Entlassung konnte man bei einer Cystoskopie noch die Ureterschiene entfernen, etwas, worauf Ben liebend gerne verzichtet hätte, aber auch das kriegte er irgendwie herum. Die Kollegen statteten ihm noch mehrere Besuche ab und er konnte sich nun auch mit allen unbefangen unterhalten, schüttelte Hände-egal ob Frau oder Mann und mehr und mehr verblasste tatsächlich Estelle´s Einfluss auf ihn. Er aß wieder mit Appetit und konnte auch das Krankenhausessen vertragen, obwohl natürlich Sarah´s Küche oder Fast Food ihm tausendmal lieber gewesen wären. Sarah brachte auch des Öfteren leckere Sachen mit, die sie zuhause vorbereitet hatte und endlich kam der große Tag der Entlassung. Semir hatte noch eine Woche Überstundenfrei drangehängt, damit er seinem Freund in der Klinik zur Seite stehen konnte, aber ab Montag würde er wieder arbeiten gehen-etwas, was bei Ben wohl noch eine Weile dauern würde, denn die versorgten Frakturen und die Schulter mussten noch heilen.


    „Sarah-mach dir keinen Stress und bleib mit den Kindern daheim-ich liefere ihn dir sozusagen frei Haus!“ hatte Semir angekündigt und tatsächlich fuhr gegen zehn der BMW flott in den Hof, dass der Kies nur so spritzte. Tim hatte gerade im Schneeanzug mit Lucky gespielt und stürzte mit einem begeisterten: „Papa!“ auf ihn zu, als Ben, noch ein wenig mühsam, heraus kletterte. Lucky sprang aufgeregt wedelnd und Laute höchsten Entzückens von sich gebend um ihn herum und schmiegte sich an Herrchen-jetzt war seine Welt wieder in Ordnung-sein Rudel war vereint! Sarah, die die kleine Mia-Sophie-ebenfalls warm eingepackt- im Tragetuch hatte, eilte herbei und strahlte ihn mit geröteten Wangen, blitzenden blauen Augen und einer vorwitzigen blonden Strähne, die unter der warmen Mütze hervor lugte, an, ohne ihn aber zu umarmen und Ben durchfuhr ein warmes Gefühl-es war wundervoll so eine tolle Familie zu haben. Semir hatte kurz Tim auf den Arm genommen, denn das ging bei Ben jetzt doch noch nicht-die Schulter würde noch eine ganze Weile Zeit brauchen, um zu heilen, aber dann setzte er ihn wieder ab und er durfte eine leichte Kleinigkeit ins Haus tragen, während Semir nach der prall gefüllten Reisetasche griff. Was man nur immer für eine Menge Gepäck zustande brachte, wenn man eine Weile in der Klinik war!
    Als Ben ins Haus trat, blieb er kurz in der Diele stehen. „Ich hätte es fast nicht geglaubt, dass ich hier nochmal auf eigenen Füßen herein laufen würde!“ bemerkte er seufzend-ja im letzten Monat war so viel passiert und so viele Anschläge auf sein Leben verübt worden, dass es fast einem Wunder glich, dass er die alle überlebt hatte!


    Sarah hatte zusätzlich zur modernen Heizung den Kachelofen angeschürt und eine wohlige Wärme durchzog die gemütliche Wohnküche, wo Ben sich aufseufzend und noch ein wenig schwerfällig auf seinen Stuhl fallen ließ. Sarah zog ihm eine Tasse Kaffee, genau so, wie er ihn mochte, aus der Maschine und natürlich auch gleich noch eine für Semir, stellte einen frisch gebackenen Rührkuchen auf den Tisch und Ben aß und trank bedächtig, aber völlig zufrieden. „Bin ich froh, dass das jetzt vorbei ist-am Wochenende ist Pause, aber ab Montag soll ich dreimal wöchentlich in die Praxis von Philipp Schneider kommen, ich habe auch ein Rezept für Physiotherapie dabei, aber erst einmal ist jetzt Ankommen angesagt!“ berichtete er und bewunderte dann das Bild mit dem Kopffüssler, das Tim gemalt hatte und ihm jetzt zeigte. Dann legte Ben sich ein wenig auf das original alte und super bequeme Kanapé in der Ecke, das Sarah bei einem Trödler gefunden hatte, beförderte seine Tochter neben sich auf die Wandseite, damit die nicht herunterfallen konnte und binnen weniger Minuten waren die beiden eingeschlafen. Semir trug Sarah noch Ben´s Tasche nach oben und verabschiedete sich. „Ich melde mich morgen mal-wenns Probleme gibt, oder du meine Hilfe brauchst, musst du nur anrufen!“ versicherte er Sarah und die nickte. „Ich glaube aber, wir kriegen das schon gebacken und zuhause erholt er sich doch viel besser als in der Klinik!“ sagte sie und mit einer kurzen Umarmung verabschiedeten sie sich. So war es auch und mit jedem Tag ging es dem jungen Polizisten besser. Sein Physiotherapeut leistete gute Arbeit und bald konnte er auch wieder Auto fahren und längere Strecken laufen.


    Nach einigen Tagen besuchten sie die Syrer in ihrer alten Wohnung und als Ben dem Patriarchen gegenüber stand, der auch noch ein wenig von seiner schweren Verletzung gezeichnet war, packte ihn die Rührung. So schlimm die Geschehnisse in der Höhle auch gewesen waren-ohne dessen medizinische Hilfe hätte er nicht überlebt und so standen die beiden Männer schweigend, aber tief ergriffen voreinander, hielten ihre Hand länger als nötig und Ben sagte aus tiefstem Herzen: „Danke!“ Der weise Syrer neigte den Kopf, machte dann eine Bewegung, die die Wohnung und seine Familie einschloss: „Ich habe zu danken!“ sagte er, denn er lernte mit dem gleichen Feuereifer wie seine ganze Familie Deutsch und durch nachhaltigen Druck der Chefin bei den richtigen Stellen war der Asylantrag bereits bewilligt und die ersten Familienmitglieder hatten schon Arbeit gefunden-und zwar in Konrad Jäger´s Firma, das hatte Ben so eingefädelt.
    Ben kramte ein wenig mühsam etwas hervor, das die Augen des Syrers vor Freude fast übergehen ließ-es war sein Chirurgenbesteck, das die Männer der Bergwacht aus der ausgebrannten Höhle geborgen und dann Sarah zugeschickt hatten, als sie erfahren hatten, wo die Syrer in Köln untergebracht waren. Sarah hatte die rußigen Instrumente geputzt, dass sie nur so blinkten und blitzten und jetzt stiegen Tränen der Rührung in die Augen des Heilers. Er hoffte ja, dass er diese Sachen nie mehr im Ernstfall einsetzen musste, aber die waren auch ein Symbol-eine Erinnerung an die alte Heimat, aber jetzt auch für den Neuanfang, denn dank der Familie Jäger hatte sie eine Zukunft und die sah gar nicht so schlecht aus!

    Sarah hatte Ben zwar flüchtig berühren dürfen und sie lagen in der Nacht auch nebeneinander im Ehebett, aber immer noch suchten den dunkelhaarigen Mann manchmal schreckliche Alpträume heim, die ihn wimmern und in Schweiß gebadet aufwachen ließen. Wenn er dann wach war, wandte er Entspannungstechniken an, die der Psychologe ihm gezeigt hatte und konnte dann meistens doch wieder ein wenig einschlafen. Allerdings traten sie immer noch irgendwie auf der Stelle-noch nie hatte Ben etwas davon verlauten lassen, was ihm in der Wohnung bei Estelle passiert war und Sarah fragte auch nicht nach.
    Eines Abends, die Kinder schliefen bereits und sie lagen wach nebeneinander im dunklen Schlafzimmer, begann Ben stockend zu berichten und sich alles von der Seele zu reden, was ihn bedrückte. Er schilderte Sarah, die vor Mitleid Tränen in den Augen hatte, sein Martyrium und zum Schluss weinten sie sich beide in den Schlaf, dass es so schlimm gewesen war, hätte Sarah sich nie träumen lassen, aber sie versicherte ihm ein ums andere Mal, dass sie jetzt verstehen konnte, warum es ihm so schlecht gegangen war und er immer noch Probleme hatte und außerdem bestätigte sie ihm, dass er natürlich nicht fremd gegangen war.


    Am nächsten Morgen erwachte Sarah und fühlte Ben ganz nah bei sich, er hielt sie mit beiden Armen umfangen und hatte sie eng an sich gezogen. Im ersten Moment erstarrte Sarah-oh Gott, wenn er jetzt wach wurde-würde es ihm unangenehm sein? Aber in diesem Augenblick erwachte Ben, sah sie liebevoll an und zog sie noch ein wenig näher, bevor er ihren Körper mit zarten Küssen zu bedecken begann. Zum ersten Mal seit Monaten schliefen sie wieder miteinander und jetzt wusste Sarah-es war vorbei-Estelle hatte die Macht über ihn verloren!
    ENDE

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!