Gefährliche Höhen!

  • Als Sarah und Semir voller Bangen die Intensivstation betreten hatten, sahen sie sofort die zwei uniformierten Polizisten, die wachsam vor dem Zimmer saßen-nun war klar, wo Ben lag. Semir begrüßte die Kollegen und folgte dann Sarah, die sofort in die Einzelbox gestürzt war. Nun beugte sie sich gerade über Ben, der käsebleich, sediert, beatmet und sichtlich schwer angeschlagen in den Kissen lag und bedeckte sein Gesicht mit zarten Küssen, fasste ihn an und streichelte ihn. „Mein armer Schatz!“ flüsterte sie mit Tränen in den Augen und als Semir nun hinzu trat, war er auch erschrocken, was für ein Unterschied zwischen der Verfassung seines Freundes heute Morgen und jetzt bestand. Sarah´s Freundin, die ihn immer noch betreute kam herein und nahm Sarah erst einmal ganz fest in ihre Arme: „Eine schreckliche Geschichte-wer hätte denn erwartet, dass jemand deinem Mann nach dem Leben trachtet?“ bedauerte sie und schickte sich danach an, den diensthabenden Doktor zu holen. Nun trat auch schon der Stationsarzt ins Zimmer und auch er drückte Sarah erst einmal an sich. Semir war irgendwie froh, dass Ben hier von herzlichen Menschen betreut wurde, die auch noch Gefühle zeigen konnten. Dass die dennoch gute Arbeit leisteten stand außer Frage, aber in so einem Team zu arbeiten war sicher angenehmer, als umgeben von lauter miesepetrigen Drachen, aber genau das war wahrscheinlich auch der Grund bei ihnen in der PASt, dass sie so eine gute Aufklärungsrate hatten-sie verstanden sich und zogen alle an einem Strang, man ging gerne zur Arbeit und gerade Ben und er waren ein Dreamteam und sich noch nie auf die Nerven gegangen-ansonsten würden sie sicher nicht so viel Freizeit miteinander verbringen.


    „Also Sarah, bei der Messerstichattacke wurde der linke Ast der Bauchaorta, kurz nach der Bifurkation verletzt. Der Gefäßchirurg konnte das patchen und Gott sei Dank scheint es bisher dicht zu sein. Bis morgen Abend bleibt er aber auf jeden Fall nachbeatmet, damit wir den Blutdruck gut einstellen können!“ sagte der Intensivarzt und Sarah wusste, was er meinte. Jeder hatte nach Gefäßoperationen schon erlebt, wie durch eine Hochdruckkrise und starkes Pressen eine frische Gefäßprothese wieder undicht wurde und der Patient einem unter den Händen verblutete. Das dauerte einfach bei allen Nahttechniken, bis das Material mit dem körpereigenen Gewebe verklebte und unwillkürlich fasste Sarah an ihren eigenen Bauch-in ihrer ersten Schwangerschaft war ihr nämlich dasselbe passiert und sie hatte nur knapp überlebt. An die ersten Tage nach der Messerattacke hatte sie aber keinerlei Erinnerung mehr, sogar nach der Extubation hatte man sie noch medikamentös so runter gefahren, dass ihr einfach ein paar Tage fehlten, obwohl sie sich da nachweislich sogar mit ihren Eltern und den Kollegen unterhalten hatte. Dasselbe würde man jetzt bei Ben machen und es war gut und sinnvoll.


    „Die zweite Baustelle ist der Dickdarm-auch er wurde durch das lange und sehr scharfe Messer verletzt, aber auch hier konnte man ohne Resektion auskommen, der Viszeralchirurg hat die Verletzung übernäht, den Bauch gespült und jetzt hoffen wir, dass es zu keiner Infektion kommt. Er war ja vorher schon antibiotisch abgedeckt-jetzt hoffen wir, dass diese Behandlung ausreichend ist, wir beobachten die Entzündungswerte und sehen, ob er Fieber bekommt, denn was natürlich schlecht ist-das Messer hat ja zunächst den Darm und dann erst die Arterie verletzt, also war das kontaminiert. Immerhin hat er aber in der Akutphase keine Darmbakterien in den Kreislauf eingeschwemmt, sonst hätten wir ihn nicht so schnell relativ stabil gekriegt, jetzt heisst es hoffen und beten!“ erklärte er und Sarah nickte. Wie oft hatte sie das schon gehört, Ben zog seitdem sie zusammen waren-nein eigentlich auch schon vorher- die Verletzungen magisch an, hatte bisher aber immer alles ohne Folgeschäden überlebt, hoffentlich würde das diesmal auch wieder so sein.


    Semir hatte inzwischen auf einem Stuhl, den die Freundin Sarah´s ihm hingestellt hatte, Platz genommen und Ben´s rechte Hand ergriffen, die unfixiert auf einem kleinen Kissen lag. So gut kannte Semir sich inzwischen aus-das bedeutete, dass sein Freund so viele Medikamente bekam, dass er aktuell keinen Zucker machen würde, ansonsten hätten sie ihn fest gebunden, damit er sich nicht selber schadete, indem er den Tubus oder etwas anderes heraus zog. Auch Sarah bekam nun einen Stuhl hergestellt und bevor sie den Raum verließ, sagte Sarah´s Freundin noch: „Ich gehe davon aus, dass einer von euch heute Nacht hier bleiben wird? Ich habe schon ein Bett hergerichtet, sobald wir ihn nachher noch gebettet haben, fahre ich es herein und dann kommt erst mal alle miteinander zur Ruhe!“ ordnete sie regelrecht an und Sarah lächelte daraufhin und versicherte, dass sie natürlich da bleiben würde. Keine zehn Pferde würden sie heute Nacht von der Seite ihres Mannes bringen!


    So saßen sie eine Weile da und dann kam die junge Schwester vor der Übergabe an den Nachtdienst nochmals herein, nahm zunächst Blut ab, saugte Ben dann endotracheal ab, was aber durch die tiefe Sedierung ebenfalls keine Reaktion hervor rief und dann half Sarah ihr mit geübten Griffen noch, Ben auf die Seite zu drehen. Mit Schaudern musterte Semir, der mitsamt Stuhl ein wenig zur Seite gegangen war, mit wie vielen Verbänden und Drainagen sein Freund versorgt war, der hatte sicher überall Löcher wie ein Nadelkissen, denn natürlich hatte man zum Lagern die Decke beiseite genommen. Mit vielen Kissen und Rollen unterpolsterte man Ben´s willenlosen Körper rieb seinen Rücken mit Creme ein und befeuchtete auch seinen Mund. Eine Magensonde ragte aus seiner Nase und Semir wusste schon wieder, dass Ben die als erstes dringend loswerden wollte, wenn er wieder wach wurde und das konnte er nur zu gut verstehen!


    Nun merkte er allerdings auf, denn gerade hatte Sarah´s Freundin erzählt, dass Ben auf dem Weg in den OP anscheinend schon ein wenig verwirrt gewesen war, denn er hatte irgendetwas von einem Bergführer gefaselt. Momentan maß Semir dem auch keine Beachtung bei-gerade war auch bei ihm selber die Luft raus und den Täter konnte man morgen suchen-wichtig war, dass Ben nichts mehr passierte und dafür sorgten die gewissenhaften Kollegen draußen, aber als er nach der Verabschiedung dann zuhause im Bett lag, kam ihm das dann wieder in den Sinn-was wäre, wenn der Attentäter der Bergführer gewesen wäre und was hatte der für einen persönlichen Groll gegen Ben? Aber dann schlief er doch vor Erschöpfung in Andrea´s Armen ein-zu viel war am vergangenen Tag geschehen.

  • Ben´s Gesundheitszustand blieb über Nacht kritisch, aber Sarah wich nicht von seiner Seite. Sie schob ihr Bett ganz nah an das ihres Mannes, berührte ihn, auch wenn er tief sediert war und schlief zwischendurch ein wenig ein. Natürlich musste die Nachtschwester immer wieder etwas an ihrem Patienten machen, sei es Blut abzunehmen und mangelnde Elektrolyte zu substituieren, sei es die Verbände und Drainagen zu kontrollieren und volle Behälter nach Dokumentation auszuleeren, Infusionen und Perfusoren zu wechseln und die Katecholamine der aktuellen Kreislaufsituation anzupassen. Sarah wachte da zwar auf, aber außer wenn er anders gelagert wurde, wobei sie dann natürlich half, blieb sie einfach neben ihm liegen und die Nachtdienstkollegen hatten auch Mitleid mit ihrem Kummer und ihrer Erschöpfung. Wenigstens blieb der Hb-Wert jetzt stabil, also verlor Ben kein Blut mehr und brauchte auch keine Konserven. Die Blasenspülung lief ebenfalls kontinuierlich, aber auch da kam die Flüssigkeit langsam nicht mehr rosa, sondern nun meist gelb, wobei das gerade nur ein Nebenschauplatz war.

    Sarah stand einmal in der Nacht auf, weil ihr Busen so drückte und pumpte auf der Entbindungsstation kurz die Milch in ein Fläschchen, das sie dort zu einigen anderen beschriftet in den Kühlschrank stellte. So konnte Hildegard ihrer Tochter wenigstens zwischendrin Muttermilch füttern-zum Wegwerfen war die zu schade.


    Am Morgen kam zeitig die Visite und die behandelnden Ärzte sahen mit ernster Miene die Befunde an und musterten die Bewacher auf dem Flur. „Schrecklich dass in unserem Krankenhaus so ein schlimmes Attentat vorkommt und jetzt geht das auch noch durch die Presse!“ bemerkte der Chefarzt, denn natürlich hatte sich das herum gesprochen und draußen vor der Intensiv lauerten einige Presseheinis, die versuchten einen Blick auf das Opfer zu werfen. Kim Krüger war auch direkt nach dem Aufstehen davon informiert worden und hatte eine Pressekonferenz gegeben, aber sie konnte eigentlich nur sagen, dass der Attentäter flüchtig war und leider noch nicht gefasst werden konnte und dass die Tatsache stimmte, die durchgesickert war, dass das Opfer ein Polizist war. „Immerhin konnten wir Fingerabdrücke sicher stellen und ein Phantombild zeichnen, wir werden den Täter sicher in Kürze fassen!“ sagte sie der Presse gegenüber zuversichtlicher als sie eigentlich war.
    Sie durfte dann auch kurz nach Ben sehen, aber der lag genauso schwach, blass und krank in den Kissen wie gestern und schlief. Seine Frau, die sie kurz an sich drückte und ihrer Hilfe versicherte, harrte verzweifelt neben seinem Bett aus und irgendwie war die ganze Stimmung von sehr viel Kummer und Hoffnungslosigkeit durchzogen.
    Am Hinausweg traf die Chefin Semir, der sich gleich nach der Morgentoilette und einem hastigen Frühstück auf den Weg gemacht hatte. Er hatte zuvor in der PASt angerufen und Susanne, die trotz kurzer Nacht ebenfalls schon wieder an ihrem Schreibtisch ausharrte, hatte ihm das Phantombild des Attentäters auf sein Tablet geschickt und ihm versprochen, sich um ein neues Handy mit der alten Nummer für ihn zu kümmern. Nachdem sie die sowohl dienstlich als auch privat nutzten, zahlte der Arbeitgeber anteilige Anschaffungskosten und auch Gebühren und es war wichtig, dass die Nummer gleich blieb, denn die stand auf allen Visitenkarten und im Polizeicomputer. Semir hatte allerdings nun aufgeregt das Bild betrachtet und nun wusste er, dass Ben auf dem Weg zum OP nicht verwirrt gewesen war. Das Phantombild zeigte eindeutig den Bergführer und von dem hatte man ja die Personalien-man musste sich nur mit den Lechtaler Behörden in Verbindung setzen. Er erklärte das Frau Krüger, bevor er zu Ben ging, um sich von dessen Zustand zu überzeugen und Sarah abzulösen.


    Noch in der Nacht war das Phantombild des Krankenhausattentäters an die Presse gegangen und auf lokalen Internetportalen veröffentlicht worden und auch Winkler, der mit seiner Frau inzwischen wieder zurück in Köln war, hatte das zufällig bereits um Mitternacht gesehen. Fluchend schlug er mit der Hand auf seinen Schreibtisch, auf dem er gerade die Unterlagen durch geschaut hatte, die sich während ihres Skiurlaubs angesammelt hatten und nebenbei die Lokalnachrichten ansah. Dieser Mann war für ihn ein Sicherheitsrisiko geworden. Was geschah, wenn der festgenommen wurde und dann auspackte, wer sein Auftraggeber war? Dann war er geliefert und so wollte er gerade zu seinem Geheimhandy greifen, um den Bergführer anzurufen, da läutete das und der Gesuchte war dran, wie das eben manchmal so war: „ Herr Winkler-leider ist mein erstes Attentat schief gegangen, ich weiss nicht, ob sie davon schon gehört haben, aber ich verspreche es ihnen, ich ziehe das durch und bringe den Auftrag zu Ende-allerdings bräuchte ich aktuell einen Platz zum Unterschlüpfen, denn mein Phantombild geht gerade durch die Lokalpresse!“ sagte er und Winkler vereinbarte nach kurzer Überlegung mit ihm einen Platz an einer Rheinbrücke. Winkler führte ein zweites Telefonat und ging dann kurz aus dem Haus und als er eine Stunde später wieder nach Hause kam und neben Estelle ins Bett schlüpfte, war er hochgradig sexuell erregt und obwohl sie schon geschlafen hatte, musste sie ihm zu Willen sein. Estelle stellte sich allerdings, während sie prinzipiell gelangweilt mit ihm schlief, vor ihrem inneren Auge Ben Jäger vor und konnte so doch Lust vortäuschen, damit ihr Mann zufrieden war. Sie musste diesen wundervollen Typen für sich gewinnen und ihren Alten los werden-das war ihr Ziel!


    Gerade als in Kim Krüger´s Büro eine Einsatztruppe zusammen kam und man überlegte, wie man den Attentäter finden konnte, wurde ein Leichenfund an einer Rheinbrücke gemeldet und als das Bild des toten Opfers, das mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen in die Kamera des Kripobeamten, der am Fundort war, starrte, auf den großen Bildschirm in der PASt projeziert wurde, konnten sie die Suche abblasen-den Attentäter hatte sein Schicksal ereilt-und besonders grausam war-er hatte keine Zunge mehr!

  • Winkler hatte zwei seiner Vertrauten, die ihn dabei unterstützten Ordnung in seinem Laden zu halten und die zudem keine Skrupel hatten, angerufen. Als Winkler wenig später an der Rheinbrücke erschien, wartete der Bergführer schon auf ihn. Als er aus seinem protzigen Geländewagen ausgestiegen war, kam der Österreicher mit ausgestreckten Händen und einem ein wenig unsicheren Lächeln auf ihn zu. „Wie ich ihnen ja schon am Telefon gesagt habe-es tut mir leid, dass ich ihren Auftrag jetzt schon zweimal verbockt habe, aber, ich werde meine Arbeit natürlich zu Ende bringen und auch in den Bergen können sie keinen besseren finden als mich. Ich dachte mir, sie haben ja in Köln Liegenschaften und Kontakte und aktuell wäre es vielleicht besser, ich würde mal ein paar Tage untertauchen!“ redete und redete er und war ziemlich erstaunt, als ihn plötzlich vier starke Hände packten und zwei Kästen von Männern, die aussahen, wie direkt aus dem Wrestling-Ring entstiegen, ihn auf die Knie zwangen und seine Hände auf den Rücken fesselten und gleich darauf die Füße ebenfalls aneinander banden-mit einer schweren Eisenkette.

    Als der eine ihn festhielt und der andere mit sowas wie einem Mundsperrer auf ihn zukam, versuchte er sich zu wehren, aber gegen diese Männer war er machtlos. Winkler hatte derweil einen bereits mit dem Blut anderer Menschen bespritzen, wasserundurchlässigen Chirurgenkittel angezogen, den einer seiner Lakaien bereit hielt und zückte nun kalt lächelnd ein scharfes Messer, während seinem Opfer vor Entsetzen beinahe die Augen aus dem Kopf fielen. „Das können sie doch nicht machen-sie sind ja wahnsinnig!“ schrie er und versuchte um Hilfe zu rufen, aber während ihm der eine Typ kalt lächelnd den Mundsperrer, wie er in Hals-Nasen-Ohren-OPs verwendet wurde ins Gesicht zwang und Winkler mit unterdrückter sexueller Erregung sein höchst privates Bestrafungsritual vollzog, winkte der andere mehrere eingeschüchterte und entsetzt daneben stehende Männer hinter dem anderen Brückenpfeiler hervor. „Das geschieht mit den Menschen, die zu viel reden und unserem Herrn und Meister nicht genau so zu Willen sind, wie er es möchte!“ predigte der eine der beiden Wrestler, der sichtlich mehr Muskelmasse als Hirn im Kopf hatte und als der Körper des Bergführers dann nach Entfernung des Mundsperrers klatschend in den Rhein fiel und von den schweren Ketten nach unten gezogen wurde, war er schon fast ohnmächtig vor Schmerzen und es dauerte nicht mehr lange bis er das Bewusstsein verlor und in den eisigen Fluten ertrank. Am nächsten Morgen wurde der tote Körper an einen Brückenpfeiler angeschwemmt und von einem aufmerksamen Spaziergänger, der eine Runde mit seinem Hund drehte entdeckt und wenig später wurde die Leiche geborgen und dann die Mordkommission gerufen.


    Als Winkler danach mit Estelle intim wurde, fühlte er sich voller Kraft, wie immer wenn er gerade jemanden auf seine Weise bestraft hatte. Als seine Frau dann aber auf dem Gipfel der Lust unüberhörbar „Ben!“ stöhnte, war es mit seinen Glücksgefühlen vorbei-er musste diesen Jäger erledigen, sonst würde er keinen Frieden mehr finden! Der Bergführer hatte zwar noch etwas von einem Stich in den Bauch erwähnt, aber er glaubte nicht, dass dieser Bauunternehmer tot war-die moderne Medizin machte heute vieles möglich! Er würde jetzt erst einmal schlafen und dann überlegen, wen er losschicken sollte, um seinem Erzfeind den Garaus zu machen-oder sollte er vielleicht sogar selber tätig werden? Lust hätte er dazu!


    Semir kam gerade auf die Intensiv, als der Frühdienstpfleger gemeinsam mit Sarah seinen Freund vorsichtig wusch. Ben war immer noch tief sediert, aber immerhin waren seine Werte stabil, in den Drainagen war kein frisches Blut mehr und als wenig später die Visite kam und der Chefarzt persönlich den dunkelhaarigen Polizisten untersuchte, lächelte er danach Sarah und auch Semir an. „Ich weiss nicht, wie er es gemacht hat, aber ich würde sagen, wenn jetzt keine Infektion mehr dazu kommt, ist er über dem Berg. Wir machen so weiter, lassen ihn noch heute untertags und über die Nacht beatmet bei eher niedrigen Blutdruckwerten und extubieren ihn dann morgen!“ teilte er ihnen den Behandlungsplan mit und als die weiß bekittelte Truppe das Zimmer verlassen hatte, fiel Sarah Semir erleichtert um den Hals. „Hast du gehört, Semir-er wird es schaffen!“ sagte sie und der türkischstämmige Polizist drückte sie an sich. „Na klar-hast du was anderes erwartet?“ flüsterte er und auch ihm war vor Erleichterung bei den Worten des Chefarztes ganz warm geworden.


    Sarah hatte jetzt genügend Ruhe um zu ihren Kindern zu fahren und Hildegard auch die abgepumpte Milch mit zu bringen. Bei Semir wusste sie ihren Mann ja in den besten Händen. Hildegard hatte mit den Mäusen zwar eine etwas unruhige Nacht verbracht, weil die gestern untertags so viel geschlafen, den Kummer der Mama mitbekommen und deshalb oft geweint hatten, aber gegen Morgen hatte sich das alles eingespielt und während Tim nach dem Frühstück mit den Hunden herum tollte, war Mia-Sophie gerade erst aufgewacht und Sarah konnte sie nun gleich stillen. „Wie geht es Ben?“ fragte Hildegard voller Bangen und erwähnte, dass sie am Vorabend noch Konrad Jäger angerufen hatte, der nun auch voller Sorge auf Nachrichten wartete. „Der Chefarzt hat gemeint, er wäre über dem Berg!“ berichtete Sarah und war zugleich schuldbewusst, dass sie ihren Schwiegervater noch nicht verständigt hatte, aber sie hatte einfach nicht daran gedacht und auch als Ben in Innsbruck wach gewesen war, hatte er nichts davon erwähnt-so innig war ihr Verhältnis einfach nicht, das musste man akzeptieren.


    Während Winkler beim Frühstück saß, war der Überfall im Krankenhaus auf den Polizisten in aller Munde und ihm blieb beinahe das Brötchen im Hals stecken. Dieser Jäger war also gar kein Bauunternehmer wie sein Vater, sondern Polizist, aber das würde ihn nicht daran hindern, seine Rache an ihm zu vollenden. Der hatte seiner Frau den Kopf verdreht und sowas machte man einfach nicht-einem Winkler nahm man nichts weg. Hier musste er persönlich ein Exempel statuieren, auch damit seine Frau wusste, dass sie sein Eigentum war und nie mehr fremdgehen würde-nicht einmal in Gedanken!

  • Ben verschlief noch den ganzen Tag und die Nacht. Die ganze Zeit waren entweder Sarah oder Semir bei ihm, halfen beim Betten und Sarah übernachtete wieder an seiner Seite. Ben stabilisierte sich zusehends, man konnte die Katecholamine stark reduzieren und als man am nächsten Morgen die Sedierungsmedikamente einfach ausschaltete, musste man sich beeilen, das Noradrenalin ebenfalls auszumachen, sonst wäre der Blutdruck in ungeahnte Höhen geschossen. Ben kam ziemlich schnell wieder zu sich-er war ja auch nicht lange beatmet gewesen und man hatte bei der Wahl der Medikamente darauf geachtet, dass da keines lang wirkte, oder im Körper kumulierte, wie das bei Benzodiazepinen wie Midazolam zum Beispiel der Fall war. Er hatte hingegen Propofol und Sufentanil bekommen, das schaltete man aus und danach waren die Patienten fast sofort wieder wach und so war es auch bei Ben. Man hatte vorsichtshalber seine Hände fest gemacht, dass er sich nicht reflexhaft extubierte, denn der erste Griff eines wacher werdenden Patienten ging üblicherweise zum Tubus. Ben wurde allerdings gut wach und war auch sofort orientiert und kooperativ-na ja, immerhin war es nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er in einem Krankenhausbett wach wurde und so ein blöder Schlauch in seinem Hals steckte, der ihn unheimlich störte. Allerdings waren Sarah und Semir bei ihm, beugten sich über ihn, sprachen ihm beruhigend zu und berührten ihn und das nahm ihm ein wenig die Angst.


    Wenig später stand der Stationsarzt vor seinem Bett, im Hintergrund war der Notfallwagen bereit, falls es zu Komplikationen kam, aber Ben ertrug heroisch, wie ihn der Arzt ein letztes Mal absaugte, was allerdings einen heftigen Hustenreiz bei ihm hervorrief, aber er nickte auf gezielte Fragen mit dem Kopf, machte auch den Mund weit auf, als man ihn dazu aufforderte, damit man auch da noch den Speichel entfernen konnte und endlich wurden die Tubusfixierungen gelöst, der Ballon, der unterhalb der Stimmritze lag entblockt und der Arzt zog nun den Schlauch einfach heraus, was bei Ben erneut einen heftigen Hustenreiz auslöste. Sarah hatte angstvoll die Drainagen betrachtet, ob da nicht durch das Husten plötzlich hellrotes Blut kam, weil es den Patch weggesprengt hatte, aber alles blieb ruhig und schon hatte man eine Sauerstoffmaske auf das Gesicht des Polizisten gedrückt, das Bett hoch gefahren und die Handfixierungen gelöst. Man würde Ben jetzt dann auch gleich einen Gilchristverband anziehen, um die ausgekugelte Schulter ruhig zu stellen, wenn er sich jetzt wieder mehr bewegte-als er tief sediert gewesen war, war das nicht notwendig gewesen. Ben sog gierig das Sauerstoff-Luft-Gemisch ein, aber nach ein paar Minuten wurde seine Atmung ruhiger und bevor der Arzt das Zimmer verließ, hatte er schon mit der gesunden rechten Hand die Maske ein wenig angehoben und gefragt: „Und die Magensonde? Muss die noch drinbleiben?“ und Semir musste nun beinahe ein Schmunzeln unterdrücken-ja inzwischen kannte Ben sich aus und das hatte er gleich vermutet, dass ihn dieses Ding in seinem Hals unheimlich stören würde. Der Arzt, der schon im Begriff gewesen war zu gehen, drehte sich nochmals um, warf einen Blick auf den Ablaufbeutel, aber der war fast leer und es bestand auch nicht die Notwendigkeit, Herrn Jäger darüber zu ernähren, denn wegen der Dickdarmverletzung würde man frühestens heute Abend mit ein wenig Wasser anfangen und morgen vielleicht mit ein bisschen Astronautenkost oder Suppe, also erlaubte er das und die Intensivschwester hatte wenig später auch dieses Teil entfernt, was Ben allerdings würgen ließ und ihm einen schmerzhaften Stich in den Bauch versetzte-es war auf jeden Fall schmerztechnisch besser, wenn er das mit dem Husten und Würgen unterließ. Ben schloss nun die Augen wieder, konzentrierte sich darauf ruhig zu atmen und als das Kontrollgas 10 Minuten nach der Extubation in Ordnung war, tauschte man die Sauerstoffmaske gegen eine Brille aus und fuhr auch das Bett ein wenig flacher, was zum Liegen einfach angenehmer war.


    Sarah machte seinen Mund mit Mundpflegestäbchen frisch, cremte seine Lippen ein und als Ben sich geräuspert hatte, sagte er: „Das war der Bergführer, der mich angegriffen hat!“ und Semir nickte. „Ben-das wissen wir bereits und stell dir vor-sein Schicksal hat ihn schon ereilt-er ist tot!“ erzählte er und sein Freund musste das erst mal verarbeiten. „Wie ist er gestorben?“ fragte er dann und vermutete eigentlich, dass er vielleicht auf der Flucht vor ein Auto gelaufen war oder so ähnlich, aber als Semir nun sagte: „Wir haben ihn aus dem Rhein gefischt-und er hatte ebenfalls keine Zunge mehr im Mund, wie die ganzen Opfer der Mordserie, die wir vor Weihnachten schon erfolglos bearbeitet haben!“ und nun überlief Ben ein Schaudern-auch wenn sie nicht wussten, wie das Ganze zusammenhing, aber sie hatten es anscheinend mit sehr skrupellosen Mördern zu tun. „Hat er noch gelebt als…?“ fragte er seinen Freund und als der nickte, schüttelte Ben sich innerlich. „Nicht dass ich gut auf ihn zu sprechen wäre, immerhin hat er mehrfach versucht mich umzubringen, aber das ist schon grausam, ich darf mir das gar nicht vorstellen!“ erklärte er, aber dann musste er sich erst wieder ein Weilchen ausruhen.

    Wieder verging eine ganze Zeit, es war ruhig auf der Intensivstation, die Geräte machten ihre Arbeit fast lautlos, aktuell schrie niemand herum und man hörte nur manchmal durch den Türspalt, wie sich die beiden Bewacher draußen ruhig unterhielten, das war eigentlich ein sehr langweiliger Job, wo die Stunden gar nicht vorbei gingen. „Semir fing Ben´s fragenden Blick auf: „Ja du hast Personenschutz, da draußen sind rund um die Uhr zwei Kollegen vom Innenstadtrevier, denn langsam reicht es mit den Mordversuchen!“ erklärte er und Ben nickte. Wieder ein Weilchen später sah er an sich herunter. „Was war eigentlich kaputt? Ich weiss noch, dass mich der Typ in den Bauch gestochen hat, aber dann kann ich mich an nichts mehr erinnern!“ fragte er und nun beeilte sich Sarah zu erklären, was operiert worden war und Ben hörte schweigend zu. „Du hast doch auch so ein Ding, wie heisst das noch-Patch?-in deinem Bauch und hast keine Probleme damit?“ fragte er und Sarah nickte. „Man nimmt da inzwischen Materialien die völlig einwachsen und vom Körper nicht mehr wahrgenommen werden. Man muss zwar einmal im Jahr zum Gefäßultraschall, aber das wars auch und es spricht nichts dagegen mit so nem Ding in sich hundert zu werden!“ sagte sie und nun verzog Ben die Mundwinkel nach oben: „Das ist doch ein guter Plan!“ grinste er und fragte dann: „Und mit dem Darm-macht das später Probleme?“ wollte er wissen, aber auch auf diese Frage schüttelte Sarah den Kopf. „Da wurde ja nichts heraus geschnitten, sondern nur etwas übernäht, das heilt wieder zusammen und nachdem du bisher kein Fieber gekriegt hast, hoffen wir, dass alles dicht ist!“ „Das hoffe ich auch schwer, dass ich noch ganz dicht bin!“ verkündete Ben nun trocken und Semir und Sarah mussten beide schmunzeln-na Ben ging es wirklich nicht allzu schlecht, auch wenn er immer noch blass und erschöpft aussah.


    Wenig später kam die Frühdienstschwester, gemeinsam machte man Ben´s Rücken frisch und zog ihm den Schulterverband wieder an, was ihm allerdings schon ziemliche Schmerzen verursachte. Außerdem sah er die ganzen Drainageschläuche aus sich heraus ragen, die vielen Beutel und dicken Verbände überall und nun stöhnte er doch auf. Man gab ihm nun einen Piritramidbolus, spritzte Metamizol in eine Infusion und wenig später wurde es leichter und er schlief ein wenig ein. Semir verabschiedete sich für ein Stündchen, er wollte in die PASt und sich erkundigen, ob die Kollegen schon weiter gekommen waren, oder die Mordkommission irgendwelche Erkenntnisse zum Tod des Bergführers gewonnen hatte und würde dann wiederkommen und Sarah ablösen, dass die nach den Kindern sehen konnte, die allerdings bei Hildegard bestens aufgehoben waren.


    Die Polizisten vor dem Zimmer tranken Kaffee aus der Thermoskanne und wechselten sich auch mal ab, wenn einer zur Toilette musste, oder in die Cafeteria zum Brötchen holen ging. Am Nachmittag wurden sie abgelöst und die nächste Schicht übernahm. Da war ein recht junger Kollege dabei, der erst kürzlich die Polizeischule hinter sich gebracht hatte. Auch der jammerte, dass das so ein langweiliger Job war, aber sowas musste eben auch erledigt werden, wie ihm sein älterer Kollege erklärte.
    Ben stabilisierte sich zusehends, durfte abends schon ein paar Schluck Wasser trinken und man kündigte an, ihn am nächsten Tag in den Stuhl zu mobilisieren. Hartmut und die Chefin hatten vorbei geschaut, Ben, der genau wusste, wer ihm mal wieder die Haut gerettet hatte, bedankte sich gerührt bei Hartmut und als die Nacht hereinbrach und auch bei den Bewachern die Nachtschicht übernahm, verabschiedete sich der Frischling in Uniform unten von seinem Kollegen, um nach Hause zu gehen-er wohnte gar nicht weit von der Uniklinik entfernt. Er bemerkte seinen Beschatter nicht und als er eine halbe Stunde später zuhause die Uniform ausgezogen hatte und in Jeans und Pulli geschlüpft war, um kurz darauf seine Wohnung wieder zu verlassen, folgte ihm unauffällig ein Mann und als er in einem Stripclub verschwand, griff er zu seinem Handy und informierte seinen Chef. Winkler lächelte zufrieden und hatte wenig später den Geschäftsführer des Nachtclubs am Apparat und so meinte der junge Polizist, er wäre im Himmel, denn wenig später wurde er von ein paar leicht bekleideten Damen auf Kosten des Hauses im Separé verführt und bemerkte nicht, wie unauffällig eine Menge Fotos von ihm in eindeutigen Posen geschossen wurden.

  • Als der junge Polizist mit einem Hochgefühl nach Hause wankte und ins Bett fiel, konnte er sein Glück gar nicht fassen. Er sah nicht sonderlich gut aus, hatte Probleme sich Frauen zu nähern und hatte auch noch nie eine Freundin gehabt. Heute aber hatten ihn die tollsten Miezen umsonst verwöhnt, man hatte Champagner getrunken und sich dann gemeinsam eine Linie rein gezogen. Hoffentlich waren seine Pupillen, bis er morgen wieder zur Spätschicht musste, wieder normal, aber jetzt aktuell schwebte er auf Wolke sieben-so schön konnte das Leben sein. Als er am nächsten Morgen gegen elf erwachte, hatte er auch keine Kopfschmerzen-das war der Vorteil vom Koks, der hatte weniger Nachwirkungen als Alkohol und die zwei Gläser Champagner waren auch nicht zu viel gewesen. Er duschte, frühstückte, besah sich im Spiegel und dachte voller Entzücken an die vergangene Nacht, als sein Telefon läutete. Am anderen Ende war eine unterdrückte Nummer, aber er ging dennoch hin. „Guten Morgen junger Mann!“ sagte eine Männerstimme, die allerdings einen merkwürdigen Unterton hatte. „Wars schön gestern?“ fragte die scheinheilig nach und nun blieb dem jungen Polizisten schon der Bissen seines Frühstücksbrotes im Hals stecken. „Vielleicht schauen sie mal die netten Fotos an, die ich ihnen geschickt habe und ich melde mich in fünfzehn Minuten nochmal!“ fuhr die Stimme fort und legte auf. Als der junge Mann mit zitternden Fingern die Bilder besah, die fast im selben Augenblick eintrafen, blieb ihm beinahe die Luft weg. Gestochen scharf war er beim Feiern und beim Sex mit den drei willigen Damen vom Vortag zu sehen, aber das war ja nicht so schlimm-das letzte Bild allerdings, das ihn beim Konsumieren von Koks zeigte, war eine Katastrophe. Ihm war auch klar-wenn seine Vorgesetzten dieses Bild in die Finger bekamen, würde sofort ein Drogentest gemacht werden und Koks war ja auf Monate zurück auch noch im Haar nachzuweisen. Auch wenn er sich kahl schor, es würde nichts nutzen und eines war ihm jetzt sonnenklar-der edle Spender von gestern hatte ihn in der Hand! Als fünfzehn Minuten später erneut das Handy klingelte, fragte er mit kloßiger Stimme: „Was wollen sie?“ und der Mann am anderen Ende beauftragte ihn, zwischen fünf und sechs seinen Kollegen von Ben Jäger weg zu locken und zwar so, dass der die Intensivstation verließ und selber auf die Toilette zu verschwinden. Mehr wurde von ihm nicht verlangt und weil er keinen Ausweg hatte, stimmte er zu. Ihm war klar, dass da jemand ein erneutes Attentat auf seinen Kollegen der Autobahnpolizei vorhatte, aber er konnte auf den keine Rücksicht nehmen. Wenn er Glück hatte, konnte er sich sogar rausreden, dass er aktuell in diesem Moment massiven Durchfall bekommen hätte, als sein Kollege die Station verlassen hatte und niemand konnte schließlich von ihm verlangen, dass er in die Hose machte! Ja das konnte klappen und nachdem sein Kollege und er gestern auch um diese Zeit ein Abendbrot aus der Krankenhauscafeteria geholt hatten, würde er das so hinbringen, dass sie das heute auch so machten.


    Ben hatte eine gute Nacht gehabt, sein Kreislauf war weiter stabil und er begann sich zu erholen. Sarah half ihm in der Früh noch beim Waschen, aber seine Zähne konnte er schon wieder selber putzen, sich mithilfe des Patientenaufrichters aufsetzen und drehen, auch wenn er schon noch ziemliche Schmerzen dabei hatte, aber dafür bekam er Schmerzmittel. Nach der Visite wurden schon über die Hälfte der Drainagen gezogen und er hatte die Luft angehalten und die Hände zu Fäusten geballt, als das Sarah´s Kollege erledigte, aber als es vorbei war, atmete er tief durch und hatte auch nichts dagegen, als man ihn wenig später in den Mobilisationsstuhl raus setzte. Er konnte mit dem gesunden Bein schon wieder ein wenig hin stehen und die rechte Hand war ja auch nicht verletzt. Auch wenn der Bauch noch zwackte, jetzt war er zuversichtlich, dass er auch diesmal wieder von der Schippe gesprungen war und als Semir wenig später kam, um sozusagen zu übernehmen, damit Sarah zum Duschen und zu ihren Kindern konnte, staunte er nicht schlecht. Ben saß draußen, trank immer mal wieder von der Astronautenkost, die man ihm serviert hatte und stürzte mit dem Ausdruck des Ekels gerade ein Becherchen mit Abführmittel hinunter, auf dem der Viszeralchirurg bestanden hatte.
    „Hey-ich bin stolz auf dich, wenn du in diesem Tempo weiter machst, wirst du bald auf Normalstation sein!“ sagte Semir erfreut und Ben nickte. „Ist für morgen schon geplant, wenn nichts dazwischen kommt und ich fühle mich auch ganz gut!“ teilte er seinem Freund mit, verabschiedete sich mit einem zärtlichen Kuss von Sarah und trug ihr noch auf: „Grüß Hildegard, drück die Kinder und streichle Lucky von mir!“ und die versprach den Auftrag zu erledigen und verschwand.


    „Vorhin habe ich einen Anruf aus Innsbruck bekommen!“ erzählte nun Semir. „Stell dir vor-es war Murat´s Mutter, der ich meine Festnetznummer gegeben hatte, mit Dolmetscherhilfe von einem von den Söhnen des Patriarchen, die noch wesentlich besser Türkisch sprechen. Murat ist über dem Berg, spielt auf der Kinderstation und soll entlassen werden und genauso ist es mit dem Heiler, der dir auf dem Berg das Leben gerettet hat. Sie dürfen nach Deutschland, denn immerhin waren sie schon auf deutschem Boden, das Biwak auf dem Berg liegt auf der Seite der Bundesrepublik, aber sie wissen aktuell nicht wohin. Sie wollten ja nach Köln kommen und haben da auch irgendwelche Connections, aber sie haben an die Schleuser, die sie dort abliefern sollten, ihr ganzes Geld bezahlt und die sind einfach verschwunden-na klar, das hätte ich an deren Stelle auch gemacht! Wenn wir nun ihren Transport hierher organisieren könnten und ihnen ein ordentliches Dach über dem Kopf bieten, dann dürften sie heute noch einreisen, bisher wurde der ganze Clan sehr freundlich von den Lechtaler Bürgern versorgt, aber die brauchen ihre Schulturnhalle wieder!“ erzählte er und Ben nickte. „Semir, tust du mir einen Gefallen? Ruf doch schnell Susanne an, die ist im Organisieren die Beste! Die soll bitte einen Bus buchen, der die ganze Truppe hierher bringt, dann soll sie bequeme Klappbetten und Bettzeug besorgen und Sarah soll unseren Wohnungsschlüssel der Kölner Wohnung an sie aushändigen-ach ja, das sollte ich ihr vielleicht selber sagen!“ überlegte er dann, ließ sich von seinem zuständigen Pfleger das Festnetztelefon bringen und rief Sarah an, die mit seiner Entscheidung völlig einverstanden war. „In der Wohnung ist soweit alles was man fürs Erste braucht, auch Handtücher, Küchenausstattung etc. , denn wir haben beim Umzug ja nur einen Bruchteil mitgenommen. Ich habe Sarah schon angewiesen, dass sie gleich mal ein paar Hundert Euro an Bargeld mit übergeben soll, dann können die selber einkaufen gehen und sich das Nötigste besorgen und einen ganz speziellen Wunsch habe ich-ich möchte sobald wie möglich meinen Lebensretter hier an meinem Bett haben, um ihm persönlich zu danken. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um an ihm und seiner Familie gut zu machen, dass er mir das Leben gerettet hat, obwohl er selber dabei beinahe drauf gegangen wäre!“ bestimmte Ben und als er nach einer Weile ziemlich erschöpft war und wieder ins Bett gebracht wurde, schlief er mit einem Lächeln auf den Lippen ein und Semir betrachtete ihn gerührt-ja Ben konnte sehr dankbar sein und das war gut so!

  • So verging der Tag und Ben war heilfroh, dass er auf den Stuhl heraus konnte, denn als das Abführmittel seine Wirkung zeigte, war es ihm möglich Semir hinaus zu schicken und sich einigermaßen würdevoll auf dem Toilettenstuhl zu erleichtern. Es war inzwischen Nachmittag geworden und Semir hatte sich derweil draußen vor dem Zimmer mit der Spätschicht der Bewacher unterhalten-vielmehr mit einem davon, einem älteren Kollegen. Der andere, ein Jungspund-anscheinend frisch von der Polizeischule-sah immer weg und beteiligte sich nicht am lockeren Gespräch. Semir fiel der gehetzte Gesichtsausdruck des jungen Mannes auf und auch, dass er ihm nicht in die Augen sehen konnte-mein Gott mit dem Polizeinachwuchs war es wirklich nicht zum Besten bestellt! Allerdings-wenn er so an Jenni dachte, musste er seine Meinung revidieren-es gab also doch solche wie solche.


    Nach einer Weile läutete Ben, zwei Pflegekräfte halfen ihm, sich sauber zu machen, was mit der gerade verheilenden Wunde am Damm nicht sehr angenehm war und dann wurde er wieder ins Bett gebracht und das Zimmer gelüftet. Als Semir dann herein gebeten wurde, entschuldigte sich Ben, aber sein Freund tat das mit einer Handbewegung ab. „Jetzt hör mal-das gehört auch dazu und wenn du gerade noch nicht raus aufs Klo kannst, ist das doch nicht deine Schuld!“ beruhigte er ihn und dann unterhielten sie sich noch eine Weile, bis um viertel vor fünf Konrad Jäger, Ben´s Vater zu Besuch kam.
    „Ich war gerade bei meinen Enkelkindern!“ sagte er und gab Ben die Hand. „Die haben sich ja wundervoll entwickelt. Ich soll dir von Sarah ausrichten, dass sie um sechs kommt-solange bleibe ich bei dir. Sie ist noch in eure Stadtwohnung gefahren und bereitet da etwas vor, worin sie mich aber nicht eingeweiht hat. Tut mir leid, dass ich dich nicht schon eher besucht habe, aber ich war über Silvester und die Tage danach bei Geschäftsfreunden und hätte ja sowieso nichts machen können. Sarah und Hildegard haben mich auf dem Laufenden gehalten und ehrlich gesagt, siehst du besser aus, als ich nach ihren Erzählungen erwartet habe!“ sagte er und Semir schüttelte innerlich ein wenig sprachlos den Kopf. Er als Vater hätte alles stehen und liegen gelassen, wenn er die Nachricht von einer dermaßen lebensbedrohlichen Verletzung eines seiner Kinder erfahren hätte und wäre sofort mit dem nächsten Flieger nach Innsbruck gedüst, aber Konrad sah das immer schon sehr locker. Ben hatte ihm einmal anvertraut, dass er- obwohl sie sich nach außen hin ja schon lange versöhnt hatten- vermutete, dass sein Vater immer noch einen Groll gegen ihn hegte, weil er sich nicht für die Firma interessierte und in den Polizeidienst gegangen war. Außerdem waren ja Sarah und Semir immer an seiner Seite, wenn es brenzlig wurde und Konrad gab diese Verantwortung gerne ab-die Firma kam für ihn an erster Stelle und dann lange nichts! Aber gut, das war etwas, da konnte man vermutlich nichts daran ändern und so verabschiedete sich der Deutschtürke, um seinerseits zu seiner Familie zu fahren. Andrea und die Kinder hatten es verdient, dass er wenigstens ein paar Stunden Zeit am Tag mit ihnen verbrachte, wenn er denn schon krank geschrieben war und er wusste seinen Freund in der Uniklinik ja in guten Händen.


    Als er dann das Krankenhaus verließ, ging ihm erst das merkwürdige Verhalten des jungen Bewachers nicht aus dem Kopf. Allerdings war ja sein älterer Kollege vom Innenstadtrevier auch noch da und der war in Ordnung, den kannte Semir schon lange! Während er die Eingangshalle durchquerte, meinte Semir ein bekanntes Gesicht erspäht zu haben-war das nicht dieser Winkler, der mit ihnen Gast in dem Tiroler Hotel gewesen war und dessen Frau diese wesentlich jüngere Granate war, die sie erst vor Weihnachten in dem Ferrari aufgehalten hatten und die im Skiurlaub dann Ben regelrecht verfolgt hatte?
    Aber warum sollte der nicht einen Besuch im Krankenhaus machen, immerhin kam der aus Köln, wie sie damals ja festgestellt hatten. Semir war schon auf dem Parkplatz, da formten sich plötzlich in seinem Kopf die Gedanken und sein Bauchgefühl befahl ihm stehen zu bleiben. Moment mal-sie suchten nach einem Motiv für die Anschläge auf Ben´s Leben. Was war, wenn da Eifersucht mit im Spiel war-ein sehr starkes Motiv, das schon viele Männer hatte über Leichen gehen lassen? Im selben Moment drehte Semir sich um und rannte ins Krankenhaus zurück. Verdammt, seine Kollegen hatten zwar Funkgeräte bei sich, aber er selber hatte keines dabei und die Handys funktionierten in der Klinik nicht überall, wegen der Bleiabschirmungen der Wände. Hoffentlich passten die Uniformierten gut auf Ben auf, denn Semir war jetzt fast überzeugt, den Urheber der Anschläge gefunden zu haben und um Himmels Willen, der war jetzt vermutlich auf dem Weg zu seinem Freund!

  • Winkler ging zügig hoch Richtung Intensivstation. Dort verschwand er auf der Besuchertoilette, die sich auf dem Flur davor befand und von wo er die Haupteingangstüre der Station im Auge behalten konnte. Er legte die Kleidung an, die er in einer Reisetasche mitgebracht hatte und kontrollierte, ob die Waffe geladen und einsatzbereit war. Dann sah er auf die Uhr und als sich wenig später die Schiebetüre öffnete und ein älterer Polizist zügig Richtung Aufzug strebte, überzog ein Lächeln sein Gesicht. Er wartete, bis der völlig verschwunden war und betätigte dann den Türöffner. Der junge Polizist, der vor Aufregung nun wirklich Durchfall bekam-er musste da gar nicht lügen-sah überrascht auf, als eine Polizeiuniform näher trat. Gerade setzte er an zu fragen, warum sein Kollege nochmals zurück gekommen war, da erkannte er, dass der Mann, der zwar in Größe und Statur aussah wie sein Kollege, nicht derjenige war, den er erwartet hatte. Ohne einen Ton zu sagen, machte der zu ihm eine Kopfbewegung, dass er verschwinden solle und schon floh der junge Polizist nach draußen und sperrte sich in der Toilette ein.


    Winkler sah sich nun um und gerade verschwand eine Schwester im Nebenzimmer, die ihn aber nur beiläufig mit einem Blick streifte. Die Beamten wechselten ständig und es kam ja durchaus auch öfter vor, dass Verbrecher bei ihnen behandelt wurden und die hatten immer Bewacher in Uniform dabei, egal ob von der Polizei oder der Justiz. Man sah da die Dienstkleidung, aber nicht das Gesicht, weil es sowieso müßig war, sich das zu merken.
    Kaum war die Schwester verschwunden, machte Winkler seine Waffe fertig und trat dann kalt lächelnd in die Tür des Intensivzimmers. Ben war gerade in eine angeregte Unterhaltung mit seinem Vater vertieft-man merkte, dass es ihm besser ging. Auch er musterte beiläufig den Polizisten-kam da ein neuer Kollege zur Bewachung, der kurz „Hallo!“ sagen wollte, weil sie sich dienstlich schon begegnet waren? Als er dann aber erkannte, wer da vor ihnen stand und gerade kalt lächelnd eine Waffe auf ihn richtete, gefror ihm das Blut in den Adern. In diesem Augenblick ratterte es in seinem Kopf und genauso wie Semir vor wenigen Minuten, erkannte er plötzlich das Motiv für die Anschläge auf ihn. Verdammt, dieser Winkler dachte vermutlich, dass er etwas von seiner Frau wollte, dabei war ihm die seit dem Aufenthalt im Skihotel ja eher lästig gewesen und er hatte ihr auch durchaus mitgeteilt, dass er glücklich verheiratet war und nichts von ihr wollte, aber das interessierte den rachsüchtigen Ehemann, der vielleicht sogar ein Verhältnis zwischen ihnen vermutete, keinen Deut! Geld hatte der genug, das sah man ja an den Fahrzeugen, die auf ihn zugelassen waren und damit hatte er vermutlich den Bergführer und auch den Pfleger im Innsbrucker Krankenhaus gedungen. Jetzt allerdings schritt er selber zur Tat und Ben musste, obwohl gerade die volle Panik von ihm Besitz ergriff, sagen, dass der das klug eingefädelt hatte. Irgendwie hatte er seine Bewacher weg gelockt und wem fiel schon in dieser Situation ein weiterer Polizist auf? Wenn Winkler ihn erledigte, der ihn ja als Einziger identifizieren konnte-nein stimmte nicht, seinen Vater musste er auch mit ausschalten, denn der hatte sein Gesicht ja dann ebenfalls gesehen-dann hatte er alle Chancen in dem folgenden Kuddelmuddel unerkannt entkommen zu können, denn eine Polizeiuniform an einem Tatort war ja das Selbstverständlichste der Welt.


    Es waren ja nur Sekundenbruchteile vergangen, in denen Ben die Motive erkannte und wusste, was ihm und Konrad bevorstand. Trotzdem würde er sich nicht ohne Gegenwehr abschlachten lassen und seinen Vater mit. Während der Attentäter die Waffe entsicherte und auf ihn anlegte, schrie Ben nur: „Vorsicht Papa!“ und packte seinen Vater, ließ sich aus dem Bett rollen und riss seinen Erzeuger mit. Kurz hintereinander bellten zwei Schüsse und während ein scharfer Schmerz im Fallen durch Ben fuhr, sah er mit einem letzten Rest an Bewusstsein, wie Winkler mit unendlich erstauntem Gesichtsausdruck nach vorne kippte und sich auf seiner Brust ein riesiger roter Fleck ausbreitete.

  • Semir hatte die Treppe genommen. Obwohl er ja immer noch durch seine Armverletzung nicht ganz fit war, hätte er es jetzt nicht ausgehalten, wenn er ewig hätte auf den Aufzug warten müssen, außerdem war er ja trainiert und an den Beinen fehlte ihm nichts. Während er gleichmäßig die Treppen hoch rannte, verfluchte er sich, dass er nicht schon eher auf die Idee gekommen war, dass Winkler hinter der ganzen Sache steckte. Er hatte die Lösung des Falls sozusagen auf dem Silbertablett vor sich liegen gehabt und nicht kapiert um was es ging. Inzwischen war er sich völlig sicher, dass der Böses im Schilde führte und auf dem Weg zu Ben war-und er hatte einen Vorsprung, denn während seine Gedankenmühle sich erst langsam zu drehen begonnen hatte und er derweil zu seinem Auto spaziert war, konnte der schon lange seinem Freund etwas angetan haben. Allerdings vertraute er auf seine Polizeikollegen, auch wenn einer kurz zur Toilette gegangen war-der andere hielt ja dann die Stellung und in diesem Moment sagte sein Bauchgefühl erneut, dass mit dem jungen Kollegen irgendetwas nicht stimmte. Er legte nochmals einen Zahn zu-verdammt, warum musste die Intensivstation ausgerechnet in den oberen Stockwerken angesiedelt sein? Aber endlich stand er ein wenig schneller atmend vor der Tür und hielt sich natürlich nicht damit auf zu läuten, sondern betätigte den Türöffner und schoss regelrecht hinein. Als er um die Ecke bog, sah er, dass der kleine Tisch und die beiden Stühle vor Ben´s Zimmer verwaist waren und erneut durchfuhr in ein Schreck. Lautlos rannte er näher und hatte im Laufen schon seine Waffe aus dem Holster gezogen und entsichert. Das hatte er schon so oft in seinem Leben gemacht, dass er da nicht nachdenken musste, sondern diese Bewegung automatisiert war.
    Er rannte weiter und einen kurzen Moment war er erleichtert, als er eine Uniform in Ben´s Zimmer erblickte, als er dann allerdings sah, dass deren Träger eine Waffe auf seinen Freund richtete, fackelte er nicht lange und drückte ab. Zwei Schüsse bellten gleichzeitig und langsam kippte der falsche Polizist, in dem Semir erst jetzt Winkler persönlich erkannte, nach vorne-der würde nie mehr eine Gefahr sein, denn Semir hatte zwar eigentlich auf die Schulter zielen wollen, war aber tiefer gerutscht und hatte ihn mitten in den Brustkorb getroffen, aus dieser eher kurzen Entfernung konnte das keiner überleben.


    Semir war derweil weiter gelaufen, denn jetzt erfasste eine unbändige Angst um Ben sein Herz. Er sah auf den ersten Blick nur ein leeres Bett und Blut und dann erkannte er erst, dass Ben sich hinaus rollen hatte lassen und direkt auf seinem Vater gelandet war, der gerade schreckensstarr am Boden lag und sich nicht zu rühren wagte, obwohl er sich bei dem Sturz durchaus verletzt hatte. Aber auf ihm lag mit seinem vollen Gewicht sein Sohn und stöhnte laut und sein Blut durchnässte Konrad´s Kleidung. Mit einem Schritt war Semir bei seinem Freund und im selben Moment betrat der ältere Kollege mit einem Tablett voller Essen aus der Cafeteria die Intensivstation und erschrak, als er näher kam. Er hatte die beiden Schüsse gehört, als er aus dem Aufzug getreten war-um Himmels Willen, was ging hier vor? Er stellte hastig das Tablett ab, zog ebenfalls seine Waffe und versuchte einen Überblick zu bekommen, was hier geschehen war. Auf dem Bauch lag in einer Blutlache ein Uniformierter, aber er hatte auf den ersten Blick erkannt, dass das nicht sein junger Kollege war. Semir stürzte gerade auf das Bett zu, das aber leer war und auf der von ihm abgewandten Seite lagen anscheinend Ben Jäger, den sie bewachen sollten und sein Besucher am Boden.


    „Schnell wir brauchen hier Hilfe!“ schrie Semir, aber momentan rührte sich niemand, denn der Arzt und das Pflegepersonal hatten sich beim Bellen der Schüsse schreckensstarr in die Patientenzimmer oder den Aufenthaltsraum zurück gezogen und die Schiebetüren geschlossen. Selbstschutz ging vor und ehe nicht die Polizei sagte, dass keine Gefahr für Leib und Leben bestand, würden sie da auch nicht mehr heraus kommen! Semir hatte einen Blick über die Schulter geworfen und seinen blassen Kollegen angeblafft: „Sieh nach, ob der Attentäter noch eine Gefahr darstellt, leg ihm Handschellen an oder tu sonst was, aber bring mir um Himmels Willen einen Arzt zu Ben!“ und wie in Trance tat der ältere Polizist, der immer noch nicht kapierte, was geschehen war und wo sein junger Kollege steckte, was Semir ihm befohlen hatte. Er drehte den Mann am Boden um, aber dem war nicht mehr zu helfen-er war mausetot, wie er feststellte, als er nach dessen Puls an der Halsschlagader tastete. Außerdem war die Austrittswunde riesig-da musste man kein Medizinprofi sein, um den Tod des Mannes fest zu stellen. Er rannte daraufhin auf den Flur hinaus und rief: „Der Attentäter ist tot-bitte –wir brauchen dringend einen Arzt im Zimmer-es besteht keine Gefahr mehr!“ und nun regte sich endlich etwas und aus geöffneten Türen spähten ängstliche Gesichter, allerdings fasste sich wenig später der Erste ein Herz, packte den Notfallwagen und lief Richtung Patientenzimmer, während ein Teil der Kollegen erst einmal die anderen Patienten beruhigen musste-soweit sie wach genug waren, um die Schüsse zu hören.
    Der Arzt nahm ebenfalls seinen Mut zusammen und folgte dem Kollegen und gemeinsam mit Semir hievten sie nun den immer noch laut jammernden Ben ins Bett. „Oh verdammt tut das weh!“ stöhnte der und war heilfroh, als er endlich wieder auf dem Rücken auf seiner Liegestatt lag. Der Gilchristverband an seiner linken Schulter hatte sich rot gefärbt, momentan war sein Blutdruck in die Höhe geschossen, aber jetzt begann der vom Schock und vom Schmerz langsam in den Keller zu rauschen, während kalte Schweisströpfchen auf seiner Stirn erschienen. Dann allerdings fiel ihm sein Vater ein, der ebenfalls begonnen hatte, leise vor sich hin zu stöhnen: „Papa-was ist mit dir?“ fragte er ängstlich und versuchte nach unten zu lugen, während nun immer mehr Menschen ins Zimmer traten, darunter der leichenblasse junge Polizist, der beschlossen hatte, dass das seine einzige Chance war-auf seiner Story zu beharren und zu behaupten, er wüsste nicht, was vorgefallen war- während er auf der Toilette gewesen war.


    Semir hatte Ben´s Hand ergriffen und nun zogen zwei Schwestern und ein Pfleger zunächst Konrad zur Seite und hoben ihn auf ein Bett, das ein weiterer Kollege herein gefahren hatte, denn er war zwar anscheinend nicht lebensbedrohlich, aber doch verletzt und schrie auf, als man ihn hoch hob. Momentan kümmerte sich der Arzt aber um Ben, der sichtlich schwerer verletzt war. Man stellte sofort eine Infusion schneller-Gott sei Dank steckten diesmal noch alle Schläuche in ihm, er war aber wegen seines Vaters unter ihm auch nicht so tief gefallen, brachte das Bett in Kopftieflage und schnitt mit der Schere den Gilchristverband auf. Direkt über dem Schultergelenk war eine heftig blutende Eintrittswunde zu sehen, aber als man ihn vorsichtig anhob, konnte man am Rücken nichts erkennen, die Kugel steckte also noch. Man drückte nun nur einen Stapel steriler Kompressen auf die Wunde, um die Blutung einzudämmen und ließ Ben ein Schmerzmittel zukommen, woraufhin sein Stöhnen verstummte. Der Schmerz war zwar noch da, aber jetzt erträglich. Semir hatte die ganze Zeit Ben´s rechte Hand gehalten und der hatte die seine mit aller Kraft umklammert und nuschelte nun undeutlich, denn das Opiat hatte ihn ziemlich ausgeknockt: „Semir-das Motiv war Eifersucht-ist Winkler tot?“ und als der türkische Polizist nickte, atmete Ben erleichtert auf, schloss die Augen und erwartete, was nun mit ihm gemacht würde-er würde daran sowieso nichts ändern können und die Mediziner würden schon das Richtige tun.


    Bevor er Verstärkung rief, sah sich der Arzt noch kurz Konrad an, dem eine Schwester inzwischen eine Infusion in den Unterarm gelegt und den Blutdruck gemessen hatte. „Wo tuts denn weh?“ fragte er und als Konrad auf seine Hüfte wies, sah der Arzt mit einem Blick, dass das Bein auf dieser Seite verkürzt war. Als er es anfasste und versuchte zu bewegen, schrie Konrad auf und der Arzt ordnete nun auch für ihn Piritramid gegen die Schmerzen an. Dann holte er sein Telefon aus der Tasche und rief den diensthabenden Unfallchirurgen an. „Ich habe hier zwei Patienten für dich-der erste hat soeben eine Schussverletzung erlitten, so wie es aussieht, ist das Schultergelenk zerschmettert und die Kugel steckt noch und dann habe ich noch eine Schenkelhalsfraktur!“ und nun blieb dem Diensthabenden erst einmal die Luft weg-was trieben die da auf der Intensiv, allerdings versprach er sofort zu kommen und alles Nötige in die Wege zu leiten.


    So kam es, dass Sarah, als sie frohen Mutes gegen sechs eintraf und Ben eigentlich erzählen wollte, dass noch in der Nacht die syrische Großfamilie bei ihnen eintreffen würde, das Zimmer bis auf die Spurensicherung leer war, draußen vor der Intensiv Kim Krüger gerade einer Meute Journalisten Rede und Antwort stand und sowohl Ben als auch Konrad beim Röntgen waren und danach noch am selben Abend in den OP wandern würden-zuerst Ben, dem Semir nicht von der Seite wich- und danach sein Vater.

  • Sarah eilte so schnell sie konnte in die Röntgenabteilung. Als sie die Intensiv betreten und den Menschenauflauf gesehen hatte, war ihr sofort klar gewesen, dass etwas mit Ben war und vor Schreck hatten zunächst ihre Knie gezittert. Als dann allerdings ihr Kollege auf sie zugekommen war und ihr erzählte, was geschehen war und dass Ben zwar einen Schultersteckschuss hatte, aber nicht lebensbedrohlich verletzt war, konnte sie tief durch atmen und machte sich dann gleich auf die Suche. Gerade waren die Aufnahmen in allen Ebenen fertig geworden und man hob Ben soeben wieder vom Röntgentisch in sein Bett, das die begleitende Kollegin inzwischen frisch bezogen hatte, denn das alte Leintuch war voller Blut. Semir war bei ihm und als Sarah hinzu eilte und Ben dann liebevoll zudeckte und wissen wollte, wie es ihm ginge, sah er sie müde an-man hatte ihm ziemlich etwas gegeben, dass er die schmerzhaften Bewegungen aushalten konnte-aber trotzdem tat es weh. „Ich will jetzt nur schlafen!“ war das Einzige was er sagte und der diensthabende Narkosearzt, der ihn begleitete, sagte begütigend: „Das dürfen sie jetzt dann gleich-so wie es aussieht, werden wir sofort operieren!“ und nun besprach der Unfallchirurg, der die Aufnahmen inzwischen ausgewertet hatte, mit ihnen das weitere Vorgehen.
    „Das Schultergelenk hat durch die Kugel zwar so einiges abgekriegt, aber ich denke, ich werde das mit meinem Team reparieren können. Vermutlich wird es auf eine Rüsselplatte hinauslaufen, aber das werden wir im Detail erst während der Operation sehen. Sie kommen jetzt gleich in die Operationsabteilung und bekommen eine Vollnarkose und danach gehen sie erst mal wieder auf die Intensiv. Ich sehe mir noch schnell die Röntgenaufnahmen ihres Vaters an und dann komme ich sofort in den OP, damit wir zeitnah operieren können. Was ich natürlich von außen nicht beurteilen kann ist, ob Gefäße oder Nerven verletzt sind-das sehen wir erst intraoperativ, aber wir haben auch keine andere Option!“ und nun nickten Sarah und Semir, das war irgendwie klar. Ben hatte derweil die Augen geschlossen. Redeten die hier über ihn-eigentlich ja mit ihm? Ach letztendlich war es egal, Sarah und Semir waren da und die würden sich schon drum kümmern, dass er gut versorgt wurde und so spürte er zwar, dass sein Bett sich in Bewegung setzte, aber letztendlich war es ihm egal und als sich seine Frau und sein Freund vor der Schleuse von ihm verabschiedeten, lächelte er sie sogar an, war kurz danach über das Schleusenband auf den OP-Tisch transferiert worden und bekam wenig später seine Narkoseeinleitung.


    Als sie nun wirklich nichts mehr für Ben tun konnten, fragte Sarah: „Was zum Teufel ist denn jetzt eigentlich genau passiert?“ und als Semir ihr von den dramatischen Minuten erzählte, schlug sie beide Hände vor den Mund: „Um Himmels Willen, das hätte verdammt schief gehen können-danke dass du Ben erneut das Leben gerettet hast!“ dankte sie ihrem Freund, während sie langsam zur Röntgenabteilung zurück gingen, um nach Konrad zu sehen. Der war inzwischen vorübergehend auf die unfallchirurgische Normalstation gebracht worden und als sie ihn dort besuchten, hatte er bereits ein Krankenhaushemd an und wurde gerade vom dortigen Stationsarzt und einer Schwester aufgenommen. „Konrad-wir sagen Julia Bescheid, dass die dir was bringt, die hat wohl einen Hausschlüssel?“ fragte Sarah und Konrad nickte. Er war zwar ebenfalls ein wenig aufgeregt wegen seiner eigenen Operation, aber als er erfuhr, dass Ben relativ stabil war, atmete er dennoch auf und schloss dann die Augen-in ein bis zwei Stunden würde er selber auf dem Tisch liegen, aber auch ihm half das Opiat, sich zu entspannen und bis dahin einfach vor sich hin zu schlafen. Das gebrochene Bein hatte man in eine Schiene gelegt, Sarah erfuhr noch, dass eine Gammanagelosteosynthese geplant war, also eine Stabilisierung des gebrochenen Schenkelhalses mit einer Ypsilonförmigen Metallkonstruktion, die von Beginn an belastungsstabil war und sie beruhigte Konrad noch: „Das sind nur zwei minimale Schnitte und du darfst da morgen schon drauf stehen, das hast du bald überstanden!“ und ihr Schwiegervater nickte.


    So verließen Sarah und Semir die Unfallstation wieder, verständigten Julia und Andrea, die schon voller Sorge aus den Lokalnachrichten von einer Schießerei in der Uniklinik gehört hatten und warteten dann zunächst vor der Operationsabteilung, dass Ben wieder heraus gefahren wurde. „Möchtest du nicht nach Hause gehen-ich bleibe ja da?“ fragte Sarah, aber Semir schüttelte den Kopf. „Ich hätte da keine ruhige Minute und außerdem habe ich jetzt erst noch was zu erledigen!“ sagte er grimmig und strebte dann alleine zurück auf die Intensivstation-er wollte jetzt von seinen beiden uniformierten Kollegen erfahren, wie das kommen konnte, dass sein Freund ohne Bewachung gewesen war, als der Attentäter zugeschlagen hatte!

  • Als Semir zurück auf die Intensivstation ging, musste er sich vor der Schleuse erst durch die ganze Meute an Journalisten und Pressevertretern drängen, die gerade dabei waren, Fragen an die Chefin zu stellen wie: „Ist die Identität des Attentäters schon bekannt?“ woraufhin Kim Krüger verneinte. Als Semir bei der Dienststellenleiterin angekommen war, flüsterte er ihr etwas ins Ohr und sie sagte daraufhin resolut: „Die Pressekonferenz ist hiermit beendet-weitere Neuigkeiten erhalten sie vom Polizeisprecher!“ und dann wandte sie sich brüsk um, betätigte den Türöffner der Intensiv und verschwand mit Semir in der Schleuse. „Herr Gerkhan-ich habe von unseren uniformierten Kollegen erfahren, was geschehen ist und musste jetzt erst einmal die Pressefritzen beruhigen. Wie geht es Herrn Jäger-oder vielmehr den beiden Jäger´s?“ wollte sie wissen und Semir berichtete, dass Ben gerade an der Schulter operiert wurde: „Der behandelnde Arzt sagte zwar, dass es eine schwere Verletzung sei, aber dass keine Lebensgefahr besteht-es wurden keine lebenswichtigen Organe verletzt!“ berichtete er und Kim Krüger atmete erleichtert auf. „Konrad Jäger hat einen Oberschenkelhalsbruch erlitten und wird danach operiert. Er ist aber ebenfalls nicht in Lebensgefahr und Ben´s Frau, die sich da ja auskennt, hat mir versichert, dass der bald wieder auf den Beinen sein wird!“ erzählte er.

    Kim Krüger nahm das erleichtert zur Kenntnis und fragte dann nach: „Sie haben mir gerade ins Ohr geflüstert, dass Identität und Motiv des Attentäters bekannt sind-dann legen sie mal los!“ sagte sie und Semir begann zu erzählen. Erst wie sie vor wenigen Wochen die Ehefrau des Attentäters aufgehalten hatten und die sich anscheinend sofort in Ben verschossen hatte. Was er natürlich verschwieg war, dass sich sein Kollege damals wie ein Pennäler verhalten hatte und die weiblichen Reize dieser sehr gut aussehenden Frau durchaus zur Kenntnis genommen hatte, aber das ging Frau Krüger nichts an. Wie sie dann im Skiurlaub zufällig auf das Ehepaar Winkler getroffen waren, die Frau sichtlich versucht hatte, Ben zu verführen, was ihr aber nicht gelang, das aber dennoch anscheinend ihren Ehemann dermaßen aufgebracht hatte, dass er versucht hatte, ohne Rücksicht auf Verluste seinen angeblichen Nebenbuhler auszuschalten.
    „Ich vermute, dass zunächst der Bergführer bestochen wurde, unsere Truppe ins Verderben zu führen und das wie einen Unfall aussehen zu lassen, was ja auch beinahe geklappt hätte, dann wurde der Pfleger in Innsbruck gedungen, der hohe Spielschulden hatte, wie mir ein österreichischer Kollege inzwischen telefonisch mitgeteilt hat-es gibt Menschen, die sind bereit für Geld alles zu tun-und dann ist der Bergführer sogar bis nach Köln gereist, um sein Werk zu vollenden, was von Hartmut aber knapp verhindert wurde. Ich vermute, dass er von Winkler oder einem seiner Helfershelfer danach umgebracht wurde und zur Abschreckung wurde er zuvor noch verstümmelt!“ erzählte er und erneut überlief ein Schauer seinen Rücken, wenn er daran dachte, wie schrecklich der Bergführer umgekommen war. „Wir sollten auch die Verbindungen Winkler´s überprüfen, denn das Muster passt ja genau zu den Mordopfern, die im vergangenen Jahr tot aus dem Rhein gefischt wurden.“ berichtete er weiter.


    „Aber weshalb ich gerade jetzt gekommen bin, ist, heraus zu finden, warum keiner der beiden Bewacher vor Ort war, als das Attentat verübt wurde. Der junge Kollege konnte mir vor dem Überfall schon nicht in die Augen schauen-ich vermute stark, dass der etwas damit zu tun hat-ich würde ihn gerne in ihrem Beisein befragen!“ bat er und die Chefin nickte. Als sie die Intensiv betraten, wurde Winkler gerade in einen Leichensack gepackt und in die Gerichtsmedizin gebracht. Die Spuren waren gesichert und Semir hatte selbstverständlich seine Waffe sofort abgegeben, damit man die untersuchen konnte.
    Drinnen wartete schon ein Mitarbeiter der Mordkommission auf ihn. „Herr Gerkhan-würden sie mir bitte genau erklären, wie der Ablauf der Tat war-und ach übrigens-sie und die gesamte Autobahnpolizei sind natürlich von den weiteren Ermittlungen ausgeschlossen, wir übernehmen jetzt und ich hoffe, sie haben ein gutes Argument, warum sie den Täter gleich erschossen haben und ihn nicht einfach-wie vielfach geübt-mit einem Schuss in die Schulter bewegungsunfähig gemacht haben!“ legte der gleich los und nun wurde Semir wütend. Er schob sein Shirt am Ärmel hoch und zeigte dem Kollegen seinen dicken Verband. „Ich bin leider durch ein Messerattentat, das dieser Hofer, der Bergführer, den sie ohne Zunge aus dem Rhein gefischt haben, begangen hat, ein wenig gehandikapt. Wenn ich ihn nicht-egal wie-ausgeschaltet hätte, wären jetzt mein Freund und Kollege Ben Jäger und dessen Vater Geschichte, denn der Mörder hat äußerst skrupellos seit mehreren Tagen versucht, Ben zu erledigen und beinahe wäre es ihm ja auch gelungen!“ sagte er und nun berichtete er dem Ermittler ebenfalls seine Erkenntnisse und dessen Gesicht wurde lang und länger. Verdammt, dieser Gerkhan hatte-wenn das stimmte, was er hier von sich gab- den Fall gelöst und den wahren Täter auch gleich bestraft, wobei die Dienstaufsicht da noch schauen musste, ob das wirklich notwendig gewesen war, den zu töten, aber das war deren Aufgabe.


    „Wir werden der Sache nachgehen und sofort eine Hausdurchsuchung bei diesem Winkler vornehmen!“ versprach er und wollte sich schon abwenden, aber Semir hielt ihn am Ärmel zurück. „Moment-eine Sache geht mir nicht in den Kopf-wo waren die Bewacher, als das Attentat verübt wurde? Es waren zwei Beamte als Personenschutz für Ben abgestellt, aber als ich auf die Intensiv gekommen bin, war keiner von den beiden vor Ort. Das wäre doch deren Aufgabe gewesen, meinen Kollegen zu beschützen und sie waren immerhin zu zweit, da sollte das möglich sein!“ sagte er wütend und der Ermittler zuckte mit den Schultern. „Ich habe die beiden natürlich zur Sache befragt, der eine der beiden war kurz in der Cafeteria, um ein paar Brötchen fürs Abendessen zu kaufen und der zweite hat akut Durchfall bekommen und musste zur Toilette. Der Attentäter muss gelauert und genau diesen Moment abgepasst haben!“ erzählte er Semir und Kim und die sahen sich an. „Sind das nicht zu viele Zufälle?“ fragte Semir ironisch. „Als Winkler mir in der Eingangshalle-da noch im Anzug-begegnet ist, hatte er eine Tasche in der Hand, die vermutlich die Uniform und die Waffe enthielt und er ist zielstrebig im Aufzug verschwunden-ich würde sagen, da gab es einen genauen Zeitplan und ich würde jetzt zu gerne heraus finden, wer das schwarze Schaf in unseren Reihen ist!“ bat er und widerstrebend genehmigte der ermittelnde Beamte, dass Semir die beiden uniformierten Kollegen befragte.
    Zunächst wurde der ältere Kollege her geholt. „Erzählen sie den genauen Ablauf!“ bat Semir und als der mit seinem Eintreffen auf der Intensivstation beginnen wollte, schüttelte Semir den Kopf. „Das interessiert mich nicht-ich war ja schließlich vor Ort und weiss, was passiert ist, ich möchte wissen, warum sie gerade um diese Uhrzeit zum Brötchen holen gegangen sind!“ fragte er und der Beamte überlegte. „Na ja-unsere Schicht geht von 13.30 Uhr bis 22.00 Uhr. So zwischen fünf und sechs ist sozusagen Halbzeit und uns steht ja eine halbe Stunde Pause zu-natürlich abwechselnd, damit die zu beschützende Person nie alleine ist. Wir haben uns schon am Vortag unser Abendbrot aus der Cafeteria geholt und es war ein unglücklicher Zufall, dass, gerade als ich weg war, mein junger Kollege Durchfall bekommen hat!“ erklärte er und Semir warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Das werde ich heraus bekommen-irgendwie sind mir das zu viele Zufälle!“ sagte er und nun wurde der junge Kollege herein gebeten, dem die Schweißtropfen auf der Stirn standen.
    Semir musterte ihn von Kopf bis Fuß und man konnte sichtlich die Nervosität erkennen. Semir schwieg eine ganze Weile und suchte den Blickkontakt mit dem jungen Mann, was aber nicht möglich war. Gerade als der Mordermittler selber beginnen wollte Fragen zu stellen, weil es ihm zu lange dauerte und die Stille unangenehm wurde, legte Semir los und er schloss seinen Mund wieder. „Warum können sie mir nicht in die Augen sehen und konnten das auch heute Nachmittag nicht?“ fragte er und der Polizist blickte zu Boden und scharrte mit dem Fuß. „Kommen sie-sehen sie mich an, wenn ich mit ihnen spreche!“ sagte Semir scharf und nun hob der junge Polizist tatsächlich den Kopf und versuchte Semir zu fixieren. Dessen stechender Blick war ihm extrem unangenehm und so wandte er sofort die Augen wieder ab. „Können sie das vielleicht deshalb nicht, weil sie eine größere Summe dafür bekommen haben, wenn sie ihren Posten für kurze Zeit verlassen und das so einfädeln, dass sogar die Uhrzeit fest stand?“ fragte Semir und empört widersprach der junge Kollege-immerhin hatte er kein Geld bekommen, also durfte er jetzt energisch dagegen reden, wobei er schon wieder aufs Klo musste-die ganze Sache hatte ihm auf Magen und Darm geschlagen. Semir hörte ihm zu, aber er war fest davon überzeugt, dass das kein Zufall gewesen war und darum fragte er: „Oder wurden sie vielleicht bedroht oder erpresst? Hat Winkler irgendwelche Familienangehörige in seiner Gewalt, oder wie hat er es fertig gebracht, dass er genau um diese Zeit alleine mit seinem Opfer war. Überlegen sie-der Täter ist tot, von dieser Seite her besteht keine Gefahr mehr!“ sagte er begütigend und sein Ton wurde so freundlich und mitfühlend, dass der junge Kollege beinahe in Tränen ausgebrochen wäre. „Wir werden natürlich auch das Telefon des Täters untersuchen, ihr Handy beschlagnahmen und uns in ihrer Wohnung ein wenig umsehen-wollen sie es uns nicht gleich sagen-wir finden es sowieso raus!“ lockte er und nun war es um die Fassung des jungen Kollegen geschehen. Verdammt-sie würden es sowieso beweisen. Vermutlich konnte man über die Telefone eine Verbindung zwischen Winkler und ihm heraus finden und dann war er verratzt. Wenn er jetzt gleich reinen Tisch machte, konnte er vielleicht in der Nacht wieder schlafen, was ihm so unmöglich sein würde, denn er machte sich die größten Vorwürfe und um seine weitere Zukunft wollte er sich gerade keine Gedanken machen. Stockend erzählte er von seinem Besuch im Stripclub, wobei er die Linie Koks natürlich unterschlug, dem nachfolgenden Anruf am nächsten Morgen und dass er gedacht habe, der Anrufer wollte seinem Opfer nur einen Schrecken einjagen. Semir und die beiden anderen hörten schweigend zu und nun mischte sich der Beamte von der Mordkommission ein: „Also das verstehe ich nicht-es ist doch nicht illegal, in einen Stripclub zu gehen und freilich werden wir als Polizisten angehalten, uns nicht in der Unterwelt herum zu treiben, aber verboten ist das nicht und mehr als eine Ermahnung hatten sie doch nicht zu befürchten?“ fragte er und noch während der herum stammelte und versuchte, dafür eine Erklärung zu finden, die unverfänglich war, fiel es Semir wie Schuppen von den Augen. Die Unruhe, das Schwitzen-„Sie haben ein Drogenproblem!“ sagte er dem jungen Mann auf den Kopf zu und jetzt brach der Polizist zusammen und gab Alles zu. Wenig später wurde er von seinen Kollegen-nachdem er noch kurz die Toilette hatte aufsuchen dürfen –abgeführt und Semir war nun fürs Erste zufrieden.


    In der Zwischenzeit war das Zimmer gereinigt worden und wartete darauf, dass Ben wieder zurück kam und jetzt machte sich Semir, der sozusagen dienstlich glücklich war, dass der Fall eigentlich gelöst war, wieder auf den Weg zur Operationsabteilung, wo er von einer Sarah, die sichtlich nervös und angeschlagen war und vor der Besucherecke hin– und herlief, erwartet wurde. „Weisst du schon was?“ fragte er, während er sie fürsorglich in den Arm nahm und Sarah schüttelte den Kopf und brach kurz darauf in Tränen aus. „Semir ich kann bald nicht mehr. Ich tue immer so stark, aber das ist vermutlich etwas, was man als Krankenschwester lernt und dann in sein Privatleben überträgt, aber in Wirklichkeit komme ich fast um vor Sorge und habe eine fürchterliche Angst Ben zu verlieren-wieder und wieder-hört das denn nie auf?“ fragte sie schluchzend und darauf konnte Semir ihr keine Antwort geben, er zog sie nur näher an sich und ließ sie weinen, wenigstens das konnte er für sie tun.

  • Nachdem Ben in Narkose gelegt und intubiert worden war, lagerte man ihn, wie für viele Schulteroperationen üblich in den sogenannten Beach-Chair, also einen OP-Tisch, der ein wenig aussah wie ein Liegestuhl und wo man von allen Seiten frei an die Schulter herankam. Man strich von allen Seiten vorne, hinten und über den muskulösen Oberarm mit Desinfektionslösung ab und entfernte davor noch die liegenden Drainagen, durch die der Bluterguss hatte ablaufen können. Der Arm war frei aufgehängt und nun traten die steril gewaschenen Operateure an den Tisch, der Bildwandler war bereit und zunächst eröffnete der Chirurg die Haut über der Eintrittswunde. Tiefer und tiefer arbeitete man sich vorsichtig vor und musste das Schultergelenk wegen der Suche nach der Kugel komplett eröffnen, was heutzutage eher selten gemacht wurde, denn die Tendenz ging zu den arthroskopischen Eingriffen. Hier allerdings musste man nicht nur Knochensplitter abtragen und in die Tiefe gehen, sondern insbesondere nach der Kugel suchen. Mit mehreren Bildwandleraufnahmen konnte man sie lokalisieren und Ben hatte wirklich Glück gehabt, sie hatte zwar knöcherne Strukturen zerfetzt, aber keine größeren Blutgefäße, so dass sich der Blutverlust in Grenzen hielt. Allerdings hatten die Chirurgen schon bei der Eröffnung der Gelenkkapsel gesehen, dass die ziemlich lädiert war. „Durch die vorhergehende Luxation wurde der Bandhalteapparat verletzt und die Gelenkkapsel sowieso!“ bemerkte man und als man die Kugel endlich genau lokalisiert und letztendlich entfernt hatte, begann man erst damit die kleineren Knochensplitter zu entfernen. Dann versäuberte man die knorpelige Gelenkinnenfläche und schliff sie teilweise mit dem sogenannten Shaver glatt, damit die Schulter wieder gut gleiten konnte. Das Schultergelenk war ein relativ kompliziertes Gelenk, weil es nicht nur Drehbewegungen, sondern auch die reine Auf-und Abwärtsbewegung bot und das wurde durch das Zusammenspiel mehrerer Knochen: dem Schulterblatt, dem Schlüsselbein, dem Oberarmkopf und der Schulterhöhe, die das Schultereckgelenk darstellten, gebildet. Wie man sehen konnte, war die Gelenkkapsel eingerissen, viele Sehnen angerissen oder massiv gedehnt, die Schleimbeutel waren entzündet und das ganze Gelenk war in einem ziemlichen Reizzustand, der mit der Schussverletzung überhaupt nichts zu tun hatte. Der Unfallchirurg sah zum Anästhesisten: „Wie geht´s ihm?“ fragte er und der Narkosearzt zuckte mit den Schultern. „Von meiner Seite her ist er stabil, er braucht keine Katecholamine und der Blutverlust hielt sich in Grenzen!“ sagte er und so atmete der Unfallchirurg, der sich zufälligerweise im Tagesgeschäft auf Schulteroperationen spezialisiert hatte, auf. „So dann werden wir dem Patienten etwas Gutes tun und die Schulter, die ja massiv vorgeschädigt ist und zwar nicht erst seit gestern, denn ich sehe an der Gelenkkapsel Vernarbungen, rekonstruieren und stabilisieren!“ und dann ließ er verschiedene Spezialschrauben und Anker vorbereiten, dazu eine Rüsselplatte und begann mit einer komplizierten Puzzlearbeit.


    Der Narkosearzt hatte noch die Patientenakte eingesehen, die inzwischen viele Seiten füllte. „Er hat sich erst vor drei Monaten die Schulter ausgekugelt!“ berichtete er und der Operateur nickte. „Das erklärt den Reizzustand, den wir hier sehen und so vorgedehnt wie die Bänder sind, wird die immer wieder luxieren, wenn wir hier nichts dagegen unternehmen!“ sagte er und begann nun die Platte festzuschrauben, um den von der Kugel zersplitterten Knochen zu stabilisieren. Danach rekonstruierte er nacheinander die Sehnen, befestigte sie mit Fadenankern im Knochen und machte sogar eine autologe Sehnentransplantation innerhalb der Schulter, das hieß, er entnahm eine Sehne mit anhaftendem Knochenstück aus einem weniger beanspruchten Teil der Schulter und setzte sie an anderer Stelle wieder ein. Im Knochen verwendete er Bioschrauben, die aus einem Material bestanden, das sich nach sechs bis zwölf Monaten im Körper auflösen würde, also war innerhalb des Gelenks dann keine weitere Operation mehr notwendig, nur die Rüsselplatte musste man in etwa vier bis sechs Monaten entfernen. Nach über zweistündiger mühsamer Arbeit streckte der Arzt den Rücken und begann die Gelenkkapsel zu schließen, zwei Drainagen einzulegen und die Wunde zu vernähen. „So-vermutlich hat er Glück gehabt in meine Hände zu geraten!“ sagte er selbstzufrieden und auf sein Kopfnicken hin, ließ der Narkosearzt Ben aufwachen.


    Der hörte langsam und ganz entfernt, wie ihn jemand streng ansprach: „Augen auf und tief durchatmen!“ kommandierte der Anästhesist und folgsam machte Ben, was ihm befohlen wurde. Noch verschwamm alles vor ihm und er sah nur grün gekleidete Gestalten, die sich über ihn beugten. Dann musste er husten, als man den entblockten Tubus heraus zog, aber als ihm jemand mit einem feuchten Tuch den Mund abwischte, wusste er plötzlich wieder, was geschehen war und sein Atem ging schneller, denn was ihm nicht so klar war in dem benebelten Zustand war die Tatsache, ob der Attentäter noch eine Gefahr für ihn darstellte. Hilfe-wo war Semir, aber als er sich anstrengte, konnte er erkennen, dass er in einem Operationssaal war und der frische, blütenweiße Verband um seine Schulter und die Tatsache, dass lauter grün vermummte Menschen um ihn waren, die allesamt gänzlich unaufgeregt wirkten, brachte ihn dann zu der Erkenntnis, dass wohl aktuell keine Gefahr für ihn bestand. Als er die Augen nochmals schloss und vor seinem inneren Auge Winkler in einer Polizeiuniform erschien, der auf ihn anlegte und dann plötzlich vornüber kippte, als er schon dachte, sein letztes Stündlein hätte geschlagen, fiel ihm wieder ein, dass Semir den Attentäter erschossen hatte und jetzt vermutlich wirklich keine Gefahr mehr für ihn bestand. Teilnahmslos ließ er in seinem benebelten Zustand über sich ergehen, dass man ihm erneut einen Gilchristverband anlegte und damit seinen Arm ganz eng an seinen Körper brachte. Das tat ein bisschen weh und er stöhnte, aber als man ihn dann in Ruhe ließ, sich nur der Tisch schaukelnd vorwärts bewegte und er wenig später über das Schleusenband ins Bett transferiert wurde, war ihm das schon wieder egal und als ihn bekannte Stimmen ansprachen, ihm ein Sauerstoffschläuchlein in die Nase steckten, seinen nackten Körper erst mit einem Hemd und dann mit der vorgewärmten Zudecke bedeckten und dann das Bett aus der Operationsabteilung gefahren wurde, ergriff eine große Erleichterung von ihm Besitz. Es war vorbei-gerade kam ihm das wieder zu Bewusstsein und als nun Sarah und Semir neben ihn traten, ihn liebevoll berührten und einfach nur froh waren, dass er wieder bei Bewusstsein und bei ihnen war, konnte er die Augen wieder schließen und bemerkte kaum das Ruckeln, als er um verschiedene Ecken gefahren wurde und endlich wieder in seinem frisch geputzten Zimmer auf der Intensivstation lag, dem man nicht ansah, dass da vor kurzer Zeit erst ein Attentat verübt worden und ein Mensch zu Tode gekommen war.

  • Der Operateur machte gleich mit Konrad weiter, der in der Zwischenzeit von der Normalstation gebracht und eingeschleust worden war. Sarah sah den Intensivarzt, der Ben abgeholt hatte, fragend an, während sie neben dem Bett her lief und Ben´s gesunde Hand hielt. „Warum hat es denn so lange gedauert-gab es Komplikationen?“ fragte sie bang, aber der Intensivarzt schüttelte den Kopf. „Im Gegenteil-wenn du mich fragst, hat Ben großes Glück gehabt, dass gerade dieser Unfallchirurg Dienst hatte. Das ist ein absoluter Schulterspezialist und wie mir der Narkosearzt in der Schleuse übergeben hat, hat er bei ihm eine Schulterrekonstruktion gemacht. Er kommt nachher sicher noch bei euch vorbei und erklärt euch, was genau er operiert hat, aber auf jeden Fall hatte dein Mann Glück im Unglück!“ erzählte er und schon waren sie im Zimmer angekommen, Ben wurde vor Ort verkabelt und bekam auch gleich nochmals ein Schmerzmittel, das ihn nach einem kurzen Blick auf Sarah und Semir wegdämmern ließ, er war einfach hundemüde.
    Auch Semir bemerkte erst jetzt, dass er regelrecht Blei in den Waden hatte und die Anspannung, die ihn zuvor über mehrere Stunden hellwach und leistungsfähig gehalten hatte, fiel von ihm ab. Obwohl ja vermutlich keine Gefahr für Ben mehr bestand, war der Personenschutz nicht aufgehoben, nachdem das ja noch nicht hundertprozentig und besprochen war und nachdem zwei verlässlich aussehende ältere Polizisten Position vor der Zimmertür bezogen hatten, verabschiedete sich Semir, nachdem er Ben kurz über den Oberarm gestrichen hatte, ohne ihn zu wecken: „Ich bin jetzt hundemüde und muss einfach nach Hause ins Bett!“ sagte er leise und Sarah nickte und wünschte ihm eine gute Nacht. Sie hielt die Hand, die er ihr reichte, ein wenig länger als nötig und sagte: „Danke, dass du Ben das Leben gerettet hast!“ und Semir lächelte sie an. „Das war doch selbstverständlich!“ sagte er, bevor er sich dann umdrehte, um eilig nach Hause zu fahren und dort sofort neben Andrea, die schon tief und fest schlief, unter die Decke zu schlüpfen. Kaum hatte er die Augen geschlossen war er auch schon weg und wenig später ertönte ein leises Schnarchen und Andrea nahm das im Unterbewusstsein wahr, rückte näher und kuschelte sich in seine Arme, woraufhin sie bis zum Morgen durch schliefen.


    Sarah hatte sich gerade in ihrem Bett neben Ben ausgestreckt, da kam der Unfallchirurg noch vorbei, begrüßte sie und warf einen Blick auf Ben, der allerdings davon nicht wach wurde. Im Flüsterton teilte er Sarah mit, dass ihr Schwiegervater ebenfalls operativ versorgt war und jetzt noch für zwei Stunden im Aufwachraum bleiben würde, bevor er aufs Zimmer kam. „Das war eine Routineoperation und morgen darf er das Bein bereits belasten. Hier war das schon ein anderer Fall. Die Schulter war- ganz abgesehen von der Schussverletzung- massiv vorgeschädigt und wäre ohne Rekonstruktion bei jeder passenden Gelegenheit wieder luxiert. So habe ich die Bänder gestrafft, eine Autotransplantation vorgenommen, den Labrumdefekt repariert und die Gelenkkapsel rekonstruiert. Wenn man in etwa drei bis sechs Monaten die Rüsselplatte noch entfernt hat, ist die sozusagen wieder fast wie neu!“ erklärte er schmunzelnd und Sarah bedankte sich herzlich. Ihr war schon bange gewesen, als sie erfahren hatte, dass Ben´s Schulter schon zum wiederholten Male ausgekugelt gewesen war-sowas konnte chronisch werden und er hätte sich mit Sicherheit nicht zu einer geplanten Operation überreden lassen, wenn das Attentat nicht geschehen wäre, lieber hätte er versucht mit viel Sport das Ganze zu stabilisieren, aber leider funktionierte das nur, solange man immer im Training blieb, so aber konnte er da auch mal nachlässig sein und trotzdem würde das halten, also war sozusagen aus einer eigentlichen Katastrophe sogar noch etwas Gutes erwachsen. Nachdem der Operateur sich verabschiedet hatte, löschte Sarah das Licht, nicht ohne zuvor Ben noch zart auf die Stirn geküsst zu haben. „Schlaf gut, ich liebe dich und bin froh, dass du lebst!“ flüsterte sie und Ben´s Mundwinkel zogen sich unmerklich ein kleines Bisschen nach oben, bevor er sich ein wenig drehte und weiter schlief.


    Die Polizisten bewachten Ben´s Schlaf und auch Kim Krüger kam endlich zur Ruhe, nachdem sie noch einen kurzen Bericht verfasst und Winkler´s Frau, unterstützt von Bonrath, der Nachtdienst hatte, die Todesnachricht überbracht hatte. Irgendwie wirkte die nicht wie eine trauernde Witwe, obwohl sie sich alle Mühe gab, das zu schauspielern aber am nächsten Tag würde man sich in aller Ruhe Winkler´s Unterlagen durchsehen, wenn dann auch der Gerichtsbeschluss da war, aber aktuell war keine Gefahr im Verzug und kaum hatte sich die Tür hinter den Beamten geschlossen, machte Estelle sich eine Flasche Champagner auf und stieß mit sich selber auf ihr neues Leben an der Seite ihres Traummanns an. In der Nacht hatte sie heiße Träume von Ben und sich und als sie morgens erwachte, konnte sie ihr Glück immer noch nicht fassen-das Schicksal meinte es so gut mit ihr!

  • Als Semir am nächsten Morgen erwachte, wusste er sofort, dass etwas nicht stimmte. Sein Hals tat schweinemäßig weh, er fühlte sich fiebrig und seine Nase begann gerade zu laufen. Er seufzte auf-oh nein, warum gerade jetzt eine Erkältung! Er quälte sich ins Bad, musste sich aber danach sofort wieder hinlegen, weil ihm schwindlig wurde. Andrea, die inzwischen mit den Kindern schon gefrühstückt hatte, kam besorgt nach oben: „Semir was ist?“ fragte sie und als er dann krächzte: „Geht schon, aber hast du mir vielleicht ein Aspirin?“ kam sie wortlos mit dem Gewünschten und zugleich einem Fieberthermometer zurück. „39,5° C -Semir du bleibst heute im Bett!“ befahl sie streng, reichte ihm eine Wasserflasche und die Tablette und ging dann in die Küche, um ihm einen Tee zu machen. Semir rief kurz im Krankenhaus an und man gab ihm sogar netterweise Sarah ans Telefon: „Sarah-ich kann vermutlich die nächsten Tage nicht kommen, ich habe ne Erkältung mit Fieber und möchte Ben nicht anstecken!“ berichtete er und Sarah wünschte ihm eine gute Besserung und berichtete, dass Ben eine gute Nacht gehabt hatte. Sie gab ihm dann sogar ihren Mann ans Telefon und Ben wünschte ihm ebenfalls ein gute Besserung und berichtete, dass es ihm gar nicht so schlecht ging und er gerade schon Tee und Toast gefrühstückt hatte und nachher raus gesetzt werden würde. Semir verabschiedete sich, legte sich erleichtert zurück und war wenig später wieder eingeschlafen. Andrea, die kurz darauf nach ihm sah, schloss leise und mit einem Lächeln auf dem Gesicht die Schlafzimmertür und murmelte: „Schlaf dich gesund, mein Schatz!“ und ermahnte dann die Kinder ein wenig leise zu sein, damit der Papa sich ausruhen konnte.


    Die Polizisten vor der Tür hatten inzwischen gewechselt, aber auch Sarah hatte das Gefühl, dass Ben jetzt keine Gefahr mehr drohte. Er hatte ihr seine Theorie vom eifersüchtigen Ehemann erzählt und das klang alles sehr logisch. Der Übeltäter war tot, das Motiv für die Anschläge geklärt und so beschloss sie, noch kurz bei Konrad vorbei zu schauen und dann nach Hause zu gehen, denn ihre Brust spannte von der angestauten Milch und Ben hatte schon gewitzelt, dass sie einen regelrechten Atombusen hätte-ja der hatte gut lachen, er wusste ja nicht, wie das weh tat! Mia-Sophie nahm zwar inzwischen problemlos die Flasche, aber so schnell ging das mit dem Abstillen nicht und eigentlich hatte sie dazu auch gar keine Lust. Sie war sich sicher, wenn Ben erst wieder auf Normalstation war und sie die Kleine öfters mitbringen konnte, würde sie bald wieder komplett stillen können, es gab nichts Praktischeres! Außerdem waren ja inzwischen die Flüchtlinge in der Nacht in der Wohnung eingetroffen und auch da wollte sie kurz nach dem Rechten sehen. „Ben-wenn du einverstanden bist, gehe ich jetzt für ein paar Stunden, auch wenn du dann alleine bist!“ sagte sie und ihr Mann nickte. „Nur zu Sarah, mir geht’s ziemlich gut, dafür dass ich gestern beinahe erschossen worden wäre, aber die Gefahr ist gebannt, mach dir keine Sorgen, ich komme zurecht!“ schickte er sie regelrecht weg und so machte Sarah sich wenig später auf den Weg und Ben legte sich aufatmend zurück und schlief nach dem anstrengenden Waschen und Frühstück noch ein Weilchen.


    Estelle hatte inzwischen einen Plan geschmiedet. Es dauerte zwar nicht lange und Frau Krüger stand mit einem Durchsuchungsbeschluss und einigen Beamten vor der Tür, aber die ließ sie bereitwillig herein. Sie wusste zwar, dass ihr Mann unlautere Geschäfte machte, denn die Immobilienbranche warf nicht so viel ab, wie man gemeinhin vermutete, aber er hatte für sie gesorgt-ihr gehörte das Haus, in dem sie lebten und auch mehrere vermietete Wohnobjekte, die hatte er ihr schon vor Jahren überschrieben, damit sie versorgt war, falls ihn ein Herzinfarkt oder Ähnliches ereilte. Sie hatte sich immer vorgestellt, dass er nach dem Genuss von Viagra beim Sex einmal tot zusammenbrechen würde, denn der Arzt hatte bei ihm eine koronare Herzkrankheit festgestellt und ihm Medikamente verordnet und streng vor dem Einsatz solcher Helferlein gewarnt, aber nichts desto trotz hatte sich Winkler auf dem Schwarzmarkt die entsprechenden Pillen besorgt. Nun war geschehen, was sie sich seit Jahren wünschte-sie war frei und konnte als reiche Witwe ihr weiteres Leben genießen und zwar diesmal an der Seite eines Partners, den sie sich aussuchte und ihre Wahl war bereits gefallen!

    Gleich am Abend war sie noch an den Tresor ihres Mannes gegangen und hatte daraus die 500 000 € genommen, die er dort aufbewahrte. Er hatte ihr nie die Kennziffern gesagt, aber sie hatte in seiner Abwesenheit schon öfter rumprobiert und tatsächlich hatte er ziemlich einfallslos ihr Geburtsdatum verwendet. Sie nahm das als Zeichen, dass er sowieso gewollt hatte, dass sie das Geld bekam und hatte es in eine Plastiktüte gesteckt und nachts noch in der Hecke versteckt. Nachher würde sie gehen und das Geld unauffällig an sich nehmen-sie kam jetzt erst einmal über die Runden!


    Die Männer der Spurensicherung nahmen das Haus auseinander, luden kartonweise Akten ein, beschlagnahmten Pc´s, Laptops und Tablets, aber sie öffnete bereitwillig Türen und beteuerte wieder und wieder, dass sie von den Geschäften ihres Mannes keine Ahnung gehabt habe. Ihre Fingerabdrücke am Tresor allerdings hatte sie sorgfältig abgewischt und als man sie nach dem Zugangscode fragte, zuckte sie mit den Schultern. „Wir lassen Hartmut kommen, der bringt mit einer elektronischen Suchmaschine das Teil schon auf!“ beschloss die Krüger und beendete dann das Verhör von Estelle, das ihr keine neuen Erkenntnisse gebracht hatte.
    „Wann kann ich meinen Mann nochmals sehen und auch die Beerdigung planen?“ fragte Estelle und zwang sich ein paar Tränen ab-immerhin hatte sie ein gewisses schauspielerisches Talent-und die Krüger antwortete ihr wahrheitsgemäß: „Ihr Gatte wird zunächst in der Gerichtsmedizin obduziert und wenn der Staatsanwalt und der Richter die Leiche freigeben, werden sie von uns informiert-normalerweise dauert das ein bis zwei Tage!“ sagte sie und als Estelle nun bat, ein wenig weggehen zu dürfen, weil die Situation doch sehr belastend für sie wäre, nickte Frau Krüger und Estelle beeilte sich, ihr einen Zweitschlüssel für die Haustür zu geben. „Wenn sie fertig sind, schließen sie einfach ab. Sie haben ja meine Handynummer, wenn sie noch Fragen haben, ich habe jetzt eine schwere Pflicht vor mir -die Mutter meines Mannes ist knapp neunzig , dement und lebt in einem Pflegeheim gleich um die Ecke. Ich weiss nicht, ob sie es verstehen wird, aber ich muss sie jetzt über den Tod ihres Sohnes informieren!“ sagte sie und die Chefin wünschte ihr sogar noch viel Kraft für diesen schweren Gang. Dann zog Estelle von dannen, die natürlich bereits ganz in schwarz gekleidet war, nahm im Vorbeigehen noch die Plastiktüte unauffällig an sich und Kim Krüger sah nun weiter Unterlagen durch. Als einer ihrer Mitarbeiter noch einen doppelten Boden im Sekretär fand und darunter brisante Informationen heraus kamen, über die Schleusergeschäfte und Kontaktpersonen war sie unheimlich froh. „Ich hoffe wir können die Kontaktleute alle festnehmen, die haben alle mächtig Dreck am Stecken und der perverse Winkler hatte dort sogar einen Stick versteckt, der ihn dabei zeigte, wie er eigenhändig den gefesselten Flüchtlingen und auch dem Bergführer die Zungen heraus schnitt und alle waren wegen der Brutalität und der Mitleidlosigkeit des Mannes zutiefst entsetzt. „Damit haben wir einen Beweis, wer für die Mordserie verantwortlich ist-die anderen sind vermutlich eher Mitläufer, aber auch die werden wir festsetzen und ihrer gerechten Strafe zuführen!“ beschloss Frau Krüger und machte sich mit den wichtigsten Beweisstücken auf den Weg zur Schrankmann und dem Richter-denen würden die Augen aus dem Kopf fallen, aber hiermit hatten sie den Fall gelöst und man konnte auch die Bewacher für Ben abziehen.


    Estelle sagte im Pflegeheim tatsächlich der Pflegerin ihrer Schwiegermutter Bescheid, aber selber bemühte sie sich nicht zu der alten Dame. Ihr Mann hatte sie regelmäßig besucht, aber sie selber hatte mit der nichts am Hut. Dann bestieg sie den flotten Mini-Cooper, den ihr ihr Mann extra für den Stadtverkehr gekauft hatte und machte sich auf den Weg Richtung Uniklinik. Eines war klar-wenn sie an Ben rankommen wollte, musste sie zuerst dessen Familie aus dem Weg räumen, damit er für sie frei war. Zunächst hatte sie überlegt, nur Sarah zu töten, aber dann hatte sie für den Rest ihres Lebens die beiden Bälger am Hals und sie wollte mit ihrem Schatz eigene Kinder. Es war wichtig, dass sie es so anstellte, dass kein Verdacht auf sie fiel und der frisch gebackene Witwer würde sich von ihr trösten lassen und ihrem gemeinsamen Glück stand dann nichts mehr im Weg. Mit wohllüstigem Schaudern erinnerte sie sich daran, wie Ben sie bei ihrem ersten Zusammentreffen bewundernd gemustert und schier mit seinen Blicken ausgezogen hatte. Er war auch nur ein Mann und konnte ihren weiblichen Reizen nicht widerstehen! Waren erst mal alle Störenfriede aus dem Weg, würde er sich ihr zuwenden-sie waren füreinander bestimmt.
    Als sie schwungvoll auf den Krankenhausparkplatz fuhr, konnte sie ihr Glück kaum fassen. Gerade stieg Sarah, Ben´s Frau, die sie ja vom Hotel her auch mit Namen kannte, zwei Reihen vor in einen Kombi und unauffällig folgte ihr Estelle-die Jagd begann!

  • Obwohl Hartmut ja eigentlich wegen seiner Armverletzung noch nicht voll einsatzfähig und vor allem nicht fahrtüchtig war, hatte er sich von einem Kollegen in die KTU bringen lassen und lungerte jetzt dort herum. Frau Krüger war das natürlich ebenfalls zu Ohren zu kommen und als sie jetzt nachfragen ließ, ob er sich mal einen Tresor anschauen wollte, sagte er freudig zu-sowas war doch eine seiner Lieblingsbeschäftigungen und das machte er sozusagen locker mit einem Arm und so wurde er wenig später ins Haus der Winkler´s gebracht, hatte einige elektronische Geräte mitgebracht und nur Minuten später war der Tresor offen. „Ich danke ihnen Herr Freund!“ sagte die Chefin mit einem Schmunzeln, nachdem der Safeinhalt-einige Papiere-sichergestellt waren und der Innenraum erfolglos auf Fingerabdrücke gecheckt worden war, die brisanteren Daten hatten sich auf jeden Fall im doppelten Boden des Sekretärs befunden, soweit man auf den ersten Blick feststellen konnte. Die Fahndung nach den Kontaktpersonen Winkler´s, darunter zwei Wrestler, war auch bereits draußen „Offiziell sind sie zwar sozusagen noch gar nicht anwesend, aber dafür haben sie eine gute Arbeit geleistet. Soll ich sie jetzt mit in die PASt, nehmen, wollen sie nach Hause gebracht werden oder haben sie sonst einen besonderen Wunsch?“ fragte sie und Hartmut nickte. „Ich würde gern Ben besuchen und sehen wie es ihm geht, nachdem der ja aus den Attentaten auf ihn gar nicht mehr rauskommt!“ bat er und wenig später lieferte ihn die Chefin vor der Uniklinik ab.


    Hartmut fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben und Ben, der sein Morgenschläfchen bereits hinter sich gebracht hatte, war erfreut, seinen Freund und Kollegen zu sehen. „Jetzt reichts aber langsam mit deinen Verletzungen, Mensch wie geht’s dir denn?“ fragte Hartmut, der problemlos herein gelassen worden war-immerhin erkannten die Schwestern und Pfleger in ihm den Polizisten und Lebensretter. Ben winkte ab: „Erstaunlicherweise geht es mir ganz gut, ich habe wenig Schmerzen, werde raus gesetzt und kriege sogar schon was zu essen, obwohl doch der Darm bei dem Messerattentat verletzt wurde!“ freute er sich und Hartmut musste grinsen: „Na ja-das ist ja für dich sozusagen das Wichtigste, aber ich sehe schon, auch wenn du noch ein wenig blass um die Nasenspitze bist, du bist auf dem aufsteigenden Ast!“ und nun erfuhr Ben sozusagen brühwarm von Winkler´s Hausdurchsuchung und dass sogar nach den verbrecherischen Kontaktleuten im In-und Ausland bereits gefahndet wurde.
    Noch während Hartmut bei ihm war, wurden die Bewacher nach dem Beschluss des Richters und der Schrankmann draußen abgezogen und verabschiedeten sich herzlich von ihrem jungen Kollegen. „Die Obrigkeit ist zu der Überzeugung gekommen, dass Personenschutz für dich nun nicht mehr notwendig ist!“ teilten sie ihm mit und Ben nickte zustimmend. „Ja ich denke auch-mit dem Tod Winkler´s ist der Auftraggeber für diese ganzen Anschläge weg gefallen und von denen hat doch keiner an mir ein persönliches Interesse. Die Schleuser und Unterweltganoven werden jetzt versuchen ihren eigenen Hals zu retten, für mich besteht keine Gefahr mehr!“ schätzte er erleichtert ein und sogar nachdem Ben ein wenig auf den Stuhl heraus gesetzt worden war, blieb Hartmut noch bei ihm-er hatte eh gerade nichts Besseres zu tun und hatte seine Schnittverletzung währenddessen in der Ambulanz anschauen und frisch verbinden lassen. „Armschlinge brauchen sie keine mehr, aber bitte die Extremität noch schonen, solange die Fäden drin sind!“ ermahnte ihn der Arzt und Hartmut stöhnte auf, als ihm eröffnet wurde, dass man die erst zwei Wochen nach dem Nähen ziehen würde. „Oh Mann-dann kann ich bis dahin ja doch noch nicht richtig arbeiten!“ jammerte er, aber als er sich bei Ben deswegen beklagte, schüttelte der lächelnd den Kopf. „Was soll denn ich dagegen nur sagen-bei mir wird das vermutlich insgesamt länger als zwei Wochen dauern, jetzt stell dich nicht so an!“ stieß er ihm Bescheid und jetzt war Hartmut tatsächlich still. Dennoch plauschten sie nett und erst als einige Zeit später plötzlich Hildegard vor ihnen stand, die ebenfalls Ben, den sie schon von Kindesbeinen an kannte, besuchen wollte, machte Hartmut sich langsam auf den Weg nach unten.


    Sarah war direkt zu Hildegard gefahren und bemerkte ihre Verfolgerin nicht. Dort bekam sie erst einmal ein gutes spätes Frühstück, stillte Mia-Sophie, die Gott sei Dank lange geschlafen und entsprechend Hunger hatte und machte dann mit der Betreuerin ihrer Kinder aus, dass sie die jetzt erst einmal mitnehmen, mit ihnen zu ihrer Stadtwohnung fahren und nach den Flüchtlingen sehen würde und sie sich später am Krankenhaus treffen und die Kinder wieder übergeben würden. „Weisst du Sarah-Konrad ist ja ein sehr alter Freund von mir-ich möchte schon gerne nach ihm sehen. Ich glaube dir gerne, dass es ihm gut geht, aber ich denke, er wird sich trotzdem über meinen Besuch sehr freuen und wenn ich darf, sehe ich danach auch noch nach Ben!“ sagte Hildegard und nach einem kurzen Telefongespräch mit ihren Kolleginnen, hatte Sarah geklärt, dass das möglich sei. Die beiden Hunde ließen sie zurück, denn die hätten nichts davon, erst durch die Stadt zu kurven und danach in ihren Transportboxen zu warten, bis man wieder zu Hildegard´s Haus zurück fuhr. Sarah hatte aktuell nicht vor, in ihr Gutshaus zurück zu kehren, sondern wollte so viel Zeit wie möglich im Krankenhaus bei Ben verbringen und so lange würden die Kinder bei ihrer Kinderfrau bleiben. Sie hatten ja die Urlaubswäsche komplett dabei, also musste man nicht einmal zum Umziehen weg und die Betreuerin hatte einen dermaßen guten Draht zu den Kindern, dass jede Oma vor Neid erblasst wäre und das Geld, das sie dafür bekam, spendete sie nach wie vor dem Bunten Kreis, einer Kinderhilfsorganisation, denn finanziell hatte sie es nicht nötig zu arbeiten-sie machte das mit den Kindern und Lucky aus anderen Gründen und die ersetzten sozusagen teilweise ihre eigenen Enkel, die ziemlich weit weg wohnten.


    Estelle hatte ihren Wagen in der nächsten Seitenstraße der ruhigen Wohnsiedlung geparkt und sich vorsichtig an das Haus angeschlichen, in dem Sarah verschwunden war. Weil die Bäume und Sträucher gerade kahl waren, konnte sie aus der Entfernung ins Innere sehen und Sarah mit dem Baby an der Brust am Frühstückstisch mit einer fremden Frau sitzen sehen, mit der sie in ein angeregtes Gespräch vertieft war. Der kleine Junge spielte am Boden mit einigen Autos und erst als die beiden Hunde aufmerksam wurden und zu grollen begannen, machte sich Estelle rasch vom Acker.


    Ein Lächeln flog über ihre Züge-sie war ganz in der Nähe von einem der Kontaktleute ihres Mannes. Nachdem sie ja keine Ahnung davon hatte, dass die Polizei inzwischen die Unterlagen über die Verbrechen ihres Mannes entdeckt hatte, machte sie sich seelenruhig auf, läutete an seiner Haustür und war wenig später mit einer fern gesteuerten Autobombe mit Fernbedienung ausgerüstet, deren Anbringung mittels eines Haftklebers und wie man die scharf machte, ihr der Bombenbastler gründlich erklärt hatte. Bevor sie sich allerdings am Wagen Sarah´s zu schaffen machen konnte, lud die gerade die Kinder ein und wenig später fuhr sie davon und fluchend über die verpasste Gelegenheit, folgte ihr Estelle-ihre Stunde würde bald kommen, da war sie ziemlich sicher und vielleicht wäre es dort in der Wohnsiedlung doch zu auffällig gewesen, wenn sie unter fremden Autos herum gekrochen wäre.

  • Sarah fuhr zu ihrer alten Wohnung, in die inzwischen die Flüchtlinge eingezogen waren. Sie kannte bisher keinen von ihnen persönlich, aber als man ihr auf ihr Läuten die Türe öffnete und sie sich vorstellte, wurde sie gemeinsam mit ihren Kindern sofort herein gezogen und eine große Herzlichkeit umfing sie, obwohl diese Menschen ja bereits einmal fast alles verloren hatten, außer ihrem Leben und den Kleidern, die sie am Leibe trugen. Alle hatten die Tage in Österreich genutzt, um sich die ersten deutschen Brocken anzueignen und so kamen einer nach dem anderen zu ihr und radebrechte: „Dankeschön!“ und das Lächeln auf den Gesichtern dazu, sagte mehr aus, als tausend Worte. Einer der jüngeren Männer war anscheinend sehr sprachbegabt, denn der konnte schon ein wenig dolmetschen und als nun ein älterer, ehrfurchteinflößender Mann mit grauen Haaren sich mühsam näher schob, wusste Sarah sofort, dass das der Patriarch war, der Ben das Leben gerettet hatte und sie schüttelte ihm wortlos die Hand und formulierte nun ihrerseits ein „Dankeschön!“ und verneigte sich leicht dabei.
    „Ihm geht es wieder gut-Vater möchte sich für ihre Großzügigkeit bedanken!“ übersetzte der Jüngere und Sarah hatte Tim bereits losgelassen, der sofort begonnen hatte mit den Kindern zu spielen, die in einer Ecke des Wohnzimmers eine Spieloase eingerichtet hatten, denn Sarah hatte es bei ihren Vorbereitungen natürlich nicht versäumt, außer an Kleidung, Bettzeug und Essen auch an Spielsachen zu denken und völkerübergreifend kam sofort der Kaufladen in Betrieb. Mia-Sophie hatte eine fremde Frau erst mit ernster Miene gemustert, sicher geborgen auf dem Arm ihrer Mutter, aber als die sie herzlich anlächelte und auffordernd die Arme ausbreitete, ließ sie sich einfach nehmen und kicherte laut, als man ihr das Bäuchlein kitzelte und in welcher Sprache die freundlichen Worte waren, war dem Baby sowieso egal.


    Obwohl die Menschen ja erst wenige Stunden hier waren, war die Wohnung penibel aufgeräumt, es war leise, roch gut-die Nachbarn würden keinerlei Reibungspunkte finden, da war sich Sarah sicher, denn das hier waren anständige, gebildete Menschen, die sich integrieren wollten und so die besten Chancen hatten, dass das auch gelang. Auch Murat hatte auf der Kinderstation schon einige Brocken Deutsch gelernt und bedankte sich nun sogar mit leichtem Tiroler Dialekt. Nachdem Sarah sah, dass es den Menschen gut ging und ihr der jüngere Mann versicherte, dass heute ein Verbindungsmann kommen und mit ihnen einkaufen gehen würde, konnte sich Sarah leichten Herzens wieder auf den Weg zu Ben machen-die Kinder würde sie Hildegard am Krankenhausparkplatz übergeben. Die Großfamilie würde zurecht kommen und zum Abschied legte sie noch ein älteres Handy mitsamt Ladegerät mit aufgeladener Prepaidkarte auf den Tisch, das sie ansonsten als Notfallhandy im Auto spazieren fuhr. Sie zeigte ihre eingespeicherte Nummer und machte sich dann, nachdem sie einen widerstrebenden Tim eingesammelt hatte, der lieber mit seinen neuen Freunden weiter spielen wollte und das Baby übernommen hatte, von dem sich die Frau mit einem Kuss auf das blonde Köpfchen verabschiedete, wieder auf den Weg zu ihrem Wagen.


    Einer der Flüchtlinge war ans Fenster getreten und schaute hinunter auf die momentan menschenleere Straße, wo Sarah die Familienkutsche geparkt hatte und voller Entsetzen sah er, wie gerade eine schlanke, dunkelhaarige Frau sich herunter beugte und etwas darunter anbrachte, was er sofort zweifelsfrei als Autobombe identifizieren konnte. Wie so etwas aussah, lernte man leider in Syrien schon früh, denn Bombenattentate gehörten dort zum Alltag, den sie doch gehofft hatten, hinter sich zu lassen. Im selben Augenblick, als die Frau verschwunden war, trat auch schon Sarah näher und bevor er das Fenster aufgebracht hatte, um hinunter zu rufen-das hatte nämlich eine Kindersicherung installiert, die er erst mühevoll umgehen musste, hatte die schon die Kinder angeschnallt und war eingestiegen und davon gefahren. Ein weiterer junger Mann war wie von Furien gehetzt die Treppe hinunter gerannt, um Sarah zu warnen, aber auch er sah nur noch die Rücklichter um die Ecke verschwinden.
    Schnell griffen sie zum Handy und wählten die eingespeicherte Nummer, die Sarah ihnen gezeigt hatte, aber das Handy läutete zwar-aber leider auf der Anrichte in Hildegard´s Flur, wo Sarah es abgelegt und vergessen hatte und als nach einiger Zeit die Mailbox ranging, stammelte man zwar eine Warnung darauf, aber die würde Sarah wohl nicht mehr rechtzeitig zu hören bekommen.


    Estelle fluchte. Sie hatte sowieso Glück gehabt, denn erst waren ein Postbote und einige Passanten auf der Straße unterwegs gewesen, so dass sie nicht zuschlagen konnte und kaum hatte sie es jetzt doch geschafft, die Bombe anzubringen, da blockierte ein UPS-Fahrer sie, so dass sie nicht aus der Parklücke in einiger Entfernung von Sarah´s Wagen kam. Sie vermied es allerdings auch auszusteigen oder zu hupen, obwohl sie nichts lieber getan hätte, als den Mann aufs Übelste zu beschimpfen, aber er sollte sich an sie nicht erinnern-immerhin hatte sie gerade eine Bombe gelegt. So blieb ihr nichts anderes übrig, als verspätet in die Richtung zu fahren, in die Sarah verschwunden war und zu hoffen, dass sie ihr wieder begegnete. Zur Wohnung, wo sie zuvor gewesen waren, wäre es in die andere Richtung gegangen und nun nahm Estelle einfach an, dass Sarah vermutlich mit den Kindern zu ihrem Mann ins Krankenhaus gefahren war, nachdem sie in dieser Wohnsiedlung einen Besuch gemacht hatte. Sie durfte eine gewisse Entfernung nicht überschreiten, wenn sie die Bombe zuverlässig zünden wollte und so ein Krankenhausparkplatz würde sich als Ort für ein Attentat auch hervorragend eignen. Da waren viele Wagen und viele Menschen-vermutlich würde es in dem Chaos danach einfach sein, zu verschwinden und wenn dann Gras über der Sache gewachsen war, würde sie sich dem gramgebeugten trauernden Witwer nähern und ihn auf andere Gedanken bringen. Estelle war im Nu wieder gut gelaunt, hatte den Auslöseknopf für den Fernzünder auf den Beifahrersitz gelegt und fuhr nun zügig-soweit man das im Kölner Mittagsverkehr konnte- Richtung Krankenhaus und kaum dort angekommen, begann sie langsam die Reihen ab zu fahren-nicht auf der Suche nach einem Parkplatz, sondern nach einem bestimmten Wagen und tatsächlich-dort am anderen Ende sah sie ihn schon, direkt neben einem VW-Caddy geparkt!

  • Sie tastete sich vorsichtig näher und hielt ihren Wagen in einiger Entfernung an, fuhr allerdings in keine Parklücke, denn sobald sie die Bombe gezündet hatte, würde sie aufs Gas gehen und davon rasen, bevor die Umstehenden realisiert hatten, was überhaupt geschehen war. Sie schätzte die Entfernung-ja der Zünder sollte funktionieren, aber sie dürfte sich so nicht in Gefahr begeben, das passte. Nun strengte sie ihre Augen an. Saß Sarah mit den Kindern überhaupt noch im Wagen? Aber als sie kurz ausstieg, um es genau zu sehen, erblickte sie die beiden Kinder schlafend in ihren Sitzen und die Mutter hektisch nach etwas suchen. Ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen und gerade wollte sie auf den Auslöseknopf drücken, da hupte sie ein verärgerter Krankenhausbesucher an, den sie in seiner Parklücke blockierte, weil sie hinter ihm quer stand. Um ihn nicht auf sich aufmerksam zu machen, stieg sie wieder ein, rollte ein paar Meter weiter und wartete, bis der Typ, der sie böse ansah und gestikulierte, heraus rangiert hatte und von dannen gefahren war. Der sollte froh sein, dass er nicht 50 Meter näher bei Sarah´s Wagen stand, denn dann würde er diesen Tag nicht überleben! Kaum war er verschwunden, drückte sie auf den Knopf und dann brach hinter ihr das Inferno los, sie ging aufs Gas und war wenig später in den Straßen Kölns verschwunden, während vor der Uniklinik die Zeit still zu stehen schien.


    Nachdem es den Flüchtlingen nicht gelungen war, Sarah zu warnen, beratschlagten sie kurz, was sie tun sollten. Natürlich wäre es sinnvoll die Polizei anzurufen, aber erstens waren ihre Sprachkenntnisse noch nicht so gut, dass sie auf Deutsch erklären konnten, was genau sie beobachtet hatten und dann war fraglich, ob man ihnen überhaupt glauben würde. Außerdem wussten sie das Kennzeichen von Sarah´s Wagen nicht einmal und so kam Murat´s Mutter auf die Idee, doch Semir anzurufen, dessen Festnetznummer sie ja bereits einmal gebraucht hatte. Der hatte gerade ein wenig Wasser getrunken und sich im Wohnzimmer aufs Sofa geschmissen, bis Andrea, die mit den Kindern raus gegangen war, wieder kommen würde, als das Telefon läutete. Eine unbekannte Handynummer wurde angezeigt und als er abhob, meldete sich erst auf Deutsch und dann total aufgeregt, als er bemerkte, wer am anderen Ende war, auf Türkisch der Sohn des Patriarchen und als Semir ihm aufmerksam zuhörte, wurde er blass und blasser. Um Himmels Willen-er hatte keine Veranlassung den Worten des Syrers zu misstrauen, also wurde vermutlich gerade ein Anschlag auf Ben´s Frau und die Kinder verübt, oh Gott, das durfte nicht passieren!
    Mit zitternden Fingern tastete er, noch während er mit den Flüchtlingen sprach, nach seinem Handy und wählte Sarah´s Nummer, aber wie sein Gegenüber schon berichtet hatte, ging da niemand ran, nur die Mailbox schaltete sich nach einiger Zeit ein. Semir beendete das Gespräch am Festnetz und speicherte zuvor noch die Nummer ab, damit er zurück rufen konnte, denn das war Sarah´s altes Handy, von dem aus der junge Mann gesprochen hatte. Dann warnte er die Freundin auf der Mailbox-vielleicht konnte sie nur gerade nicht rangehen, hörte die aber in kurzer Zeit ab- und dann wählte er sofort die Nummer der PASt. Susanne musste ihm helfen, Sarah zu finden und als er ihr völlig aufgeregt mitteilte, was er gerade erfahren hatte, dauerte es nur ganz kurze Zeit und die Chefin war dran. „Herr Gerkhan, das ist ja schrecklich, was ich da höre, vielleicht ist sie ja zurück ins Krankenhaus gefahren zu ihrem Mann. Dort habe ich vor einiger Zeit Herrn Freund abgeladen, der wollte Ben besuchen, ich probiere ihn zu erreichen!“ sagte sie hektisch und nun rief Semir persönlich sofort auf der Intensiv an, denn er hatte ja die Durchwahl auf seinem Smartphone gespeichert.
    Am anderen Ende war eine Kollegin Sarah´s am Apparat, die ihn sofort erkannte und die bestätigte, dass Ben gerade doppelten Besuch hatte, erstens von dem rothaarigen Polizistenkollegen und dann noch von der Betreuerin seiner Kinder. „Bitte-kannst du mir ganz schnell den Polizisten an den Apparat holen und am besten die Frau noch dazu-vielleicht weiss die, wo Sarah hin wollte-sie schwebt in höchster Gefahr!“ bat Semir und nun nahm die Intensivschwester das Mobilteil mit ins Zimmer und erst wurde Hartmut blass, als er die Worte Semir´s realisierte und wiederholte und dann erklärte Hildegard wenig später mit tonloser Stimme, dass sie mit Sarah ausgemacht hatte, die Kinder am Krankenhausparkplatz zu übernehmen, wenn die ihre Erledigungen gemacht hatte.

    Hartmut war schon auf dem Sprung und Ben, dem soeben dämmerte, dass hier etwas ganz und gar nicht in Ordnung war, denn er hatte zwei Schlüsselworte gehört-„Sarah“und „Bombe“, sank mit einem entsetzten Laut zunächst in die Kissen zurück, denn inzwischen war er wieder ins Bett gebracht worden und dann versuchte er aufzustehen, um seine Familie zu retten, während Hartmut und Hildegard wie von Furien gehetzt auf den Parkplatz rannten. „Ben das geht nicht, du kannst nicht helfen!“ rief Sarah´s Freundin und Kollegin und versuchte, ihn wieder in die Kissen zurück zu drücken, was ihr fast nicht gelang. Sie rief nach dem Arzt und wenig später wurde ein verzweifelt tobender Ben sediert, den man anders nicht geschafft hätte, im Bett zu halten.
    Die Chefin hatte inzwischen alle verfügbaren Polizeistreifen zur Klinik beordert und Ben´s und Sarah´s Wagen zur Fahndung ausgeschrieben. Hartmut hatte sie auf dem Handy nicht erreicht, aber das war ja kein Wunder, durch die Bleiabschirmung war auf der Intensiv kein Handyempfang. „Oh Gott-hoffentlich kommen wir noch rechtzeitig!“ bangte sie und Semir war inzwischen trotz Fieber in seine Klamotten gefahren und zu seinem Wagen gerannt, das Telefon immer noch am Ohr-so war er mit der PASt in Verbindung, die ja mehrere Leitungen zur Verfügung hatte. Semir raste mit Blaulicht Richtung Krankenhaus, aber als er noch wenige Querstraßen entfernt war, ertönte eine schreckliche Detonation, dass die Scheiben nur so klirrten und dann sah er einen Feuerball aufsteigen und jetzt wurde ihm nur eines-schlecht, furchtbar schlecht und die Tränen schossen aus seinen Augen.

  • Hartmut und Hildegard nahmen die Treppen. Während sie so schnell sie konnten nach unten rannten, fragte Hartmut: „Wo haben sie ihr Auto abgestellt und habt ihr einen Treffpunkt, oder einen Zeitplan ausgemacht?“ aber das musste Hildegard verneinen. „Wir haben einfach verabredet uns am Krankenhaus zu treffen. Ich habe erst Konrad besucht und wollte dann bei Ben warten, bis Sarah auf der Station anruft, dass ich auf den Parkplatz kommen und die Kinder übernehmen kann. Ich habe ja einen Kindersitz für Tim fest im Wagen und das Baby nehme ich dann immer mitsamt dem Maxi-Cosi!“ erklärte sie, während sie trotz ihres Alters die Treppen herunter rannte, ohne außer Atem zu kommen-ja die Gartenarbeit und tägliche lange Hundespaziergänge hielten einen in Form, auch wenn man schon auf die Siebzig zuging!
    Als sie unten angekommen waren, übernahm Hildegard die Führung: „Ich stehe dort hinten mit meinem Wagen-ich denke, wenn Sarah hier ist, wird sie nach meinem Caddy Ausschau halten, der hat auch eine ungewöhnliche Farbe, den erkennt man von weitem!“ erklärte sie und Hartmut folgte ihr im Laufschritt. Kaum kamen sie näher, konnten sie auch schon ganz nah bei dem VW die Jäger´sche Familienkutsche stehen sehen. Sarah war im Moment nicht zu entdecken, die hatte sich auf den Beifahrersitz gebeugt, um ihr Handy zu suchen, so konnten sie sie vorher auch nicht aufmerksam machen.

    Während Hartmut und Hildegard auf den Wagen zu rannten, bückte sich der rothaarige Techniker ein wenig und konnte auch sogleich die rot blinkende Bombe vorne unter dem Motor erkennen. „Verdammt-es stimmt-bleiben sie zurück, da ist tatsächlich ne Bombe!“ stieß er hervor, während er noch einen Zahn zulegte, aber Hildegard zögerte keine Minute und lief weiter. Wenige Augenblicke später waren sie am Auto angekommen und Hartmut riss die Tür auf, so dass Sarah ihn nur erschrocken anstarrte, so plötzlich stand er vor ihr: „Sarah-raus hier, da ist ne Bombe!“ schrie er und sie schnallte sich sofort mit zitternden Fingern ab, während Hildegard schon ums Auto herum gelaufen war und die andere Fondtüre öffnete, mit einem geübten Griff den Gurt des Kindersitzes öffnete und Tim heraus zog, der sofort protestierend zu weinen begann-er war doch gerade erst so schön eingeschlafen!
    Hartmut löste derweil die Befestigung der Babyschale und dankte Gott, dass er das erst kürzlich einmal zufällig hatte machen müssen und so nicht überlegen musste, wie das ging. Sarah hatte sich inzwischen völlig verwirrt aus dem Fahrersitz geschält und nun packte Hartmut sie bei der Hand und zerrte sie mit sich. „Vorsicht, weg hier, eine Bombe!“ schrie er, um andere Passanten zu warnen und kaum hatten sie etwa 15 Meter zwischen sich und das Fahrzeug gebracht, da detonierte die auch schon und der Wagen stieg mit einer Stichflamme und einem lauten Knall senkrecht in die Höhe. Die daneben geparkten Wagen wurden durcheinander gewirbelt wie Spielzeugautos, Metall scharrte über Asphalt, es krachte und schepperte. Von der Druckwelle wurden sie zu Boden geworfen, die Kinder plärrten, Menschen schrien, aber wie durch ein Wunder wurden sie nur leicht verletzt und auch keines der herum fliegenden Metallteile traf sie. Sarah warf sich auf Mia Sophie und Hildegard schützte den kleinen Tim mit ihrem Körper. Nach der Explosion herrschte auf einmal eine gespenstische Ruhe, bis plötzlich von überall her Martinshörner zu hören waren und die ersten Einsatzfahrzeuge auf den Parkplatz bogen.


    Semir hatte schreckensstarr angehalten und den Feuerball vom Parkplatz aufsteigen sehen. Eines war klar, wenn da jemand in dem Fahrzeug gewesen war, dann hatte er keine Chance gehabt. Unendlich langsam, denn jetzt war einfach nichts mehr eilig, legte er den Gang ein und rollte Richtung Krankenhaus. Trotzdem bemerkte er, wie sich ein schicker kleiner Mini Cooper in rasendem Tempo entfernte und als er innerlich wie tot hineinsah, wer der Fahrer war, erstarrte er-es war Estelle Winkler! Nun wurden Semir zwar die Zusammenhänge klar, aber er war jetzt nicht fähig die Verfolgung auf zu nehmen, sondern steuerte die Klinik an. Es war jetzt alles egal und er hatte eigentlich keine Hoffnung mehr, dass Ben´s Familie da rechtzeitig heraus gekommen war. Man würde Estelle schon noch schnappen, aber das machte Sarah und die unschuldigen Kinder auch nicht mehr lebendig und so bog er voller Kummer in den Krankenhausparkplatz ein und wappnete sich, demnächst einen furchtbaren Anblick zu erleben und was fast noch schlimmer war-danach Ben eine schreckliche Mitteilung machen zu müssen!


    Hartmut hatte sich inzwischen hustend hoch gerappelt. Er sah an sich herunter-zwar war seine Kleidung zerfetzt und er hatte mehrere Schürfwunden, aber ansonsten war er unversehrt, aber was war mit den anderen-vor allem mit den Kindern? Tim hatte vor Schreck zunächst aufgehört zu weinen, aber als sich auch Hildegard jetzt aufrichtete und ihn frei gab, begann er wieder vor sich hin zu lamentieren und Mia-Sophie brüllte sogar so lauthals vor Empörung, dass die kleine Unterlippe, die sie zu einer Schnute vorgeschoben hatte, wackelte. Hildegard, die vorsichtig Tim hoch gezogen und abgetastet hatte, ohne größere Verletzungen entdecken zu können, begann zu lächeln: „Noch nie habe ich mich über Kinderweinen so gefreut!“ sagte sie trocken und auch Sarah hatte sich jetzt aufgerichtet und an sich herunter gesehen, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass ihre kleine Prinzessin in der Schale unversehrt war. „Was ist geschehen?“ fragte Sarah verwirrt und konnte nicht begreifen, was sie gerade erlebt hatte. Nun strömten auch schon Polizisten und Sanitäter, Ärzte und Schwestern auf sie alle miteinander zu und bevor sie protestieren konnten, legte man sie auf Tragen und beförderte sie eilig in die Notaufnahme zu eingehenderen Untersuchungen.


    Einige Meter weiter fand man eine Leiche zwischen zwei Autos eingeklemmt. Der ältere Mann war gerade beim Einsteigen gewesen, als ihn sein Schicksal ereilt hatte und man breitete mit ernster Miene eine Plane über ihn, während man den Unglücksort weiträumig absperrte.
    Semir war ausgestiegen und hatte sich zu Fuß einen Weg näher gebahnt. Als er die graue Plane sah, wurde sein Mund trocken und die Übelkeit verstärkte sich: „Um Himmels Willen-es ist wahr!“ sagte er und der Feuerwehrmann vor ihm nickte bedauernd mit dem Kopf, während er das Absperrband fester hielt: „Ja der arme Kerl hatte keine Chance!“ sagte er und nun merkte Semir auf. „Was ist mit der Frau und den Kindern?“ wollte er wissen und bahnte sich schon einen Weg durch die Wrackteile. „Die sind wohl nicht schwer verletzt und werden gerade in die Notaufnahme gebracht!“ bekam er zur Antwort und als er vorsichtig die Ecke der Plane anhob, nachdem er den Kollegen seinen Polizeiausweis gezeigt hatte, stellte er voller Erleichterung fest, dass er den Toten zuvor noch nie gesehen hatte. „Gibt es weitere Opfer?“ fragte er, aber sein Kollege, der die Einsatzleitung übernommen hatte, schüttelte den Kopf: „Nur zwei Frauen, einen Mann und zwei Kleinkinder, die es aber anscheinend nicht allzu schwer erwischt hat!“ gab er ihm Bescheid und nun rannte Semir, soweit es seine Erkältung zuließ, zur Notaufnahme. Er musste Sarah und die Kinder jetzt zwar erst gesehen haben, bevor er es glaubte, aber er hatte wieder Hoffnung, dass jetzt Alles zu einem guten Ende kommen würde. Als er die Chefin erspähte, die ebenfalls in Richtung Ambulanz strebte, teilte er ihr seine Beobachtung von Estelle Winkler mit, die vom Tatort geflohen war und nachdem sich deren Beschreibung mit der Aussage der Flüchtlinge deckte, gab die Krüger sofort eine Fahndung nach ihr und dem Mini Cooper heraus.


    Wenig später platzte Semir einfach in einen Behandlungsraum, dort wurden gerade Sarah und die Kinder untersucht, aber das war ihm völlig egal. Er schloss seine halb ausgezogene Freundin in die Arme und kümmerte sich nicht um den Protest der Ärzte. „Ihr lebt, mein Gott bin ich froh!“ sagte er voller Rührung und ein paar Tränen schossen in seine Augen und jetzt barg Sarah ihren Kopf an seiner Brust und begann nun ebenfalls vor Erleichterung zu weinen.

  • Estelle hatte den Mann erkannt, der mit Ben im Lechtal gewesen war. Warum saß der hinter dem Steuer eines Polizeifahrzeugs? War der etwa Polizist? Aber es tat ja eigentlich auch nichts zur Sache, allerdings würde sie ihrem neuen Mann den Umgang mit dem verbieten, wenn sie erst einmal verheiratet waren! Kurz sah sie noch in den Rückspiegel und war sich eigentlich auch sicher, dass er sie ebenfalls erkannt hatte, denn ihre Blicke hatten sich gekreuzt, aber dann war er in Richtung Krankenhaus gefahren, sie war der Meinung, dass er das nur für ein zufälliges Zusammentreffen gehalten hatte und keine Ahnung davon hatte, dass sie für die Explosion verantwortlich war!
    Allerdings begann sie erst jetzt zu überlegen. Vielleicht hatte ja doch jemand Verdacht geschöpft, auf jeden Fall war es sinnvoll, jetzt für eine Weile zu verschwinden und mit den 500.000€ in der Tasche dürfte das auch kein größeres Problem darstellen. Sie bog deshalb mehrfach ab und landete letztendlich am Hafen, wo in einer kleinen Kaschemme der Treffpunkt für einige Handlanger ihres verstorbenen Mannes war, wie sie von dem wusste. Als sie das Lokal betrat, wandten sich alle Blicke zu ihr. Es war normalerweise keine gute Idee als Frau so eine Lokalität alleine aufzusuchen, aber sie war aus ihrer Heimat solche Örtlichkeiten gewohnt und hatte auch schon auf den ersten Blick die zwei Wrestler entdeckt, die Winkler auch oft bei ihnen zu Hause empfangen hatte. Mit einem mitleidheischenden Lächeln trat sie zu einem der Männer hin und sagte mit kläglicher Stimme: „Stellt euch vor-die Polizei hat meinen geliebten Mann erschossen“ -sie hatte bisher keine Ahnung, dass Semir der Polizist war, der das zu verantworten hatte- „ich bin so verwirrt und einsam und halte es in unserem gemeinsamen Haus vor Kummer nicht aus, wollt ihr mir nicht ein wenig Gesellschaft leisten?“ fragte sie und die beiden erhoben sich wortlos und folgten ihr nach draußen. Sie machten sich zu Fuß auf den Weg zur gemeinsamen Wohnung der beiden, die in Wirklichkeit ein schwules Pärchen waren, das aber in den Kreisen, in denen sie verkehrten nicht publik machten-da waren Wrestler echte Männer, keine Tussen und Homosexualität war etwas, das kam in dieser Welt einfach nicht vor. Estelle hatte allerdings sofort gemerkt, dass sie von den beiden nichts zu befürchten hatte, was gab es für einen besseren Schutz für eine attraktive Frau als ein schwules Paar? Als sie sich der Wohnung näherten, blieb Estelle allerdings plötzlich stehen. Da waren einige Zivilfahrzeuge auf der Straße, die rochen förmlich nach Polizei-verdammt, sie mussten alle drei verschwinden! Schnell kehrten sie um und fanden sich wenig später in einer Hinterhofwerkstatt wieder, wo sie eine Weile untertauchten bis ihre gefälschten Papiere fertig waren, die sie sofort in Auftrag gegeben hatten. Damit würden sie sich fürs Erste ins Ausland absetzen und über Holland in den Süden fliegen, bis sich hier die Lage ein wenig beruhigt hatte. Der Helfer würde sie mit dem Wagen nach Amsterdam bringen und vom dortigen Flughafen konnten sie dann ihre weitere Flucht antreten. Allerdings wollte Estelle nicht ganz verschwinden, denn sie hatte sich ja in den Kopf gesetzt, Ben zu erobern und das würde ihr auch noch gelingen, sonst wäre das Attentat auf seine Familie völlig umsonst gewesen!


    Hildegard war in einem Nebenzimmer der Notaufnahme untersucht und behandelt worden, aber außer einem Knalltrauma und ein paar Schürfungen war ihr nichts weiter geschehen, so dass sie sofort verlangte, nach den Kindern und Sarah sehen zu dürfen. Hartmut hatte man ebenfalls angeschaut und auch er war nicht schwer verletzt, allerdings hatte er sich den aufgeschnittenen Arm nochmals schwer geprellt und hatte deshalb eine Infusion mit Schmerzmittel hängen und bekam gerade nach dem Röntgen einen neuen Verband. Er sollte über Nacht da bleiben und war da auch redlich froh darüber, immerhin würde er zuhause in eine leere Wohnung kommen, denn zwischen Jenni und ihm herrschte gerade Funkstille, die hatte einen neuen Lover.


    Nachdem Semir seine Freundin los gelassen hatte, wartete er kurz vor dem Behandlungszimmer, bis sie fertig untersucht war und versprach ihr, nachher mit ihr gemeinsam zu Ben zu gehen. Sie hatte einen Schock, mehrere Prellungen und Schürfungen und ebenfalls ein Knalltrauma, das ihre Ohren klingeln ließ, aber ihre größte Sorge galt natürlich ihren Kindern. Sarah hatte mit Argusaugen darüber gewacht, was mit den beiden war und gemacht wurde, aber Mia-Sophie, die ja in ihrer Babyschale sicher geborgen gewesen war, war völlig unverletzt, nur der Hörtest stand noch aus, allerdings konnte Tim nicht aufhören zu weinen und der Kollegin Sarah´s, die ihn auf dem Arm hatte, gelang es nicht, ihn zu beruhigen. So nahm sie ihn selber, nachdem sie sich notdürftig wieder angezogen hatte, obwohl ihre Kleidung mehr aus Fetzen als etwas anderem bestand, drückte ihn eng an sich und wiegte ihn in ihren Armen, während der Kinderarzt ihn nebenbei untersuchte. „Sarah, ich glaube wir sollten den Arm röntgen-ich denke, er hat sich den Unterarm gebrochen!“ stellte der Doktor dann die Diagnose und als nun Hildegard plötzlich im Behandlungszimmer stand und wortlos Mia-Sophie aus der Babyschale nahm, die gerade ebenfalls wieder zu quengeln begann, war Sarah mehr als froh. Nun wurde die Kleine von jemandem Vertrauten betreut und sie konnte sich ganz ihrem Sohn widmen. Der Kinderarzt hatte zudem noch verfügt, dass sie und die Kinder auf jeden Fall in einem Familienzimmer aufgenommen würden, man würde sie mit Sicherheit nach so einem Anschlag nicht einfach nach Hause schicken und wenig später war klar, dass Hildegard dort ebenfalls unterkommen und Sarah bei der Betreuung der Kleinen unterstützen würde.


    Semir, der vor der Tür gewartet hatte, sah der kleinen Karawane nach, die den brüllenden Tim in die Röntgenabteilung brachte und vertraute Sarah im Vorbeigehen an: „Ich gehe jetzt zu Ben und berichte ihm, dass ihr alle am Leben seid und glaub mir, das wird wieder alles in Ordnung kommen!“ tröstete er sie und Sarah nickte. Klar wäre sie jetzt zu gerne ebenfalls zu Ben gegangen, aber jetzt ging Tim vor und zuerst musste dessen Arm versorgt werden.
    So machte Semir sich auf den Weg zu seinem Freund und bat auf der Intensiv, bevor er das Zimmer betrat, um einen Mundschutz. Außerdem desinfizierte er sich gründlich die Hände, wie ihn die Schwester anwies, aber es war für Ben, obwohl er sediert worden war, wie ihm die Schwester mitgeteilt hatte, eminent wichtig, dass jemand Vertrautes bei ihm war, wenn er wach wurde. Einerseits voller Kummer wegen der Vorkommnisse, aber dann doch wieder erleichtert, dass sie alle am Leben waren, trat Semir zu seinem Freund, der sich unruhig und schweissüberströmt in seinen Kissen herum warf. Man hatte ihn trotz der Sedierung festgebunden, denn niemand hatte Zeit an seinem Bett zu wachen und ihn davon abzuhalten Blödsinn zu machen, wenn er wieder zu sich kam. Semir konnte die Wortfetzen verstehen, die er hin und wieder murmelte und da wiederholten sich immer: „Sarah, Tim und Mia-Sophie!“ Mein Gott-der Arme musste Höllenqualen ausstehen, denn die Schwester hatte Semir berichtet, dass er die Bombendrohung mitbekommen hatte und vermutlich trotz Beruhigungsmittel dann auch die Explosion vernommen hatte, die im ganzen Krankenhaus laut zu hören gewesen war und die Mauern zum Wackeln gebracht hatte. Alle Patienten waren besorgt und völlig durcheinander und die Ärzte und das Pflegepersonal hatten alle Hände voll zu tun, die Menschen zu beruhigen und zu sedieren, damit nicht der eine oder andere vor lauter Schreck noch einen Herzinfarkt bekam. Außerdem herrschte auch beim Personal eine große Verunsicherung-wer konnte garantieren, dass es der einzige Anschlag bleiben würde-vielleicht ging in Kürze das Krankenhaus hoch? Man wusste ja nicht, ob das Ganze nicht einen terroristischen Hintergrund hatte!
    Semir allerdings beruhigte nun auch die Schwestern und sagte: „Das hier war ein gezielter Anschlag auf Ben´s Familie, wir kennen auch die Täterin und sie ist zur Fahndung ausgeschrieben. Für sie alle hier besteht keine Gefahr, glauben sie mir bitte und geben das auch weiter!“ versicherte er und nahm sich vor, gleich nachher die Chefin zu verständigen-die musste wiederum die Presse informieren, bevor die Menschen hier noch verrücktspielten.


    Jetzt aber machte er zuerst einmal Ben´s Hand, die nicht im Schulterverband steckte, los und nahm sie fest in die Seine. Augenblicklich war es gut, dass er immer noch fiebrig war und seine Hände deshalb warm waren, denn obwohl Ben am Stamm und am Kopf schwitzte, waren dessen Extremitäten eiskalt. Dann beugte er sich über seinen Freund und sagte eindringlich unter dem Mundschutz hervor: „Ben, mach dir keine Sorgen- Sarah und die Kinder sind wohlauf, die werden gerade noch untersucht, aber sie sind nicht schwer verletzt!“ versuchte er zu ihm durchzudringen und tatsächlich öffnete Ben nun seine Augen einen kleinen Spalt, erschrak aber erst einmal, als er in seinem direkten Gesichtsfeld nur die grüne Maske sah und darüber etwas ziemlich Verschwommenes. Allerdings war ihm die Stimme bekannt und als Semir nun wieder und wieder wiederholte, dass seine Familie ok war, kam er erst darauf, dass dieses Ungeheuer, das sich gerade über ihn beugte wohl kein anderer als sein vertrauter Freund war. Sein Verstand spielte zwar immer noch nicht ganz mit und es fiel ihm schwer einen klaren Gedanken zu fassen und zu verstehen, was sein Freund ihm mitzuteilen versuchte, aber langsam drang in sein Bewusstsein, dass es seiner Familie wohl gut ging. Er war zwar immer noch unruhig, aber er war sich sicher, Semir würde ihn nicht anlügen und außerdem hielt er seine Hand fest und tröstlich. So kam er langsam runter und schloss nach einer Weile die Augen und fiel in einen Dämmerschlaf.
    Bei Tim hatte man eine sogenannte Grünholzfraktur festgestellt, also der Unterarm war zwar gebrochen, aber weil bei kleinen Kindern die Knochenhaut noch so elastisch war, stand die korrekt und so musste der Bruch auch nur mit einem Castverband versorgt werden. Tim hatte ein Zäpfchen gegen die Schmerzen bekommen, eine Schwester machte Faxen mit einem aufgeblasenen Einmalhandschuh, den sie kurzerhand zu einem Hahn umfunktioniert hatte und so bemerkte er, auf dem Schoß der Mama sitzend, kaum, wie ihm der starre Verband in Königsblau angelegt wurde. Man untersuchte sein Bäuchlein noch mit Ultraschall, aber er war ansonsten tatsächlich unversehrt und endlich konnte er mit seiner Mama zu Hildegard und dem Baby zurück gebracht werden. Sarah hatte ihm ein tolles Legospielzeug versprochen und als er wenig später noch etwas zu essen bekommen hatte, rollte er sich in dem Kinderbettchen zusammen und machte erst einmal einen ausgiebigen Mittagsschlaf. Sarah , die sich zwar wunderte, dass die Milch bei ihr nach dem ganzen Schreck überhaupt noch lief, stillte ihre Kleine und legte sie dann ebenfalls schlafen und als ihre Kolleginnen ihr Intensivkleidung gebracht hatten, die sich nach dem Schichtwechsel dringend nach ihrem Zustand erkundigen wollten, zog sie die kurzerhand an und machte sich dann auf den Weg zu Ben, denn Hildegard würde den Schlaf der Kinder jetzt bewachen.

    So kam es, dass Ben, als er das nächste Mal wach wurde, fast seinen Augen nicht traute, denn jetzt beugte sich gerade seine geliebte Sarah über ihn und bedeckte sein Gesicht mit zarten Küssen und nun endlich war er vollständig zufrieden und schloss mit einem Seufzen seine Augen wieder und überließ sich der Wirkung des Beruhigungsmittels-alles würde gut werden, wie Sarah ihm glaubhaft versicherte.

  • Gegen Abend war das Beruhigungsmittel völlig abgebaut und Ben wieder wach. Semir hatte nach einer Weile die Waffen strecken und wieder nach Hause fahren müssen-seine Erkältung hatte ihn einfach eingeholt und er hatte sich kaum noch auf den Beinen halten können. Allerdings hatten sich nun Sarah, Hildegard und Hartmut am Bett des jungen Polizisten abgewechselt und nachdem er völlig klar geworden war, hatte er wissen wollen, was genau jetzt geschehen war. Hildegard und Hartmut hatten auf seine Frage hin die Abläufe ein wenig herunter gespielt, aber Sarah hatte ihm das Ganze letztendlich dann detailgetreu erzählt und er war ein zweites Mal deswegen blass geworden. Um Himmels Willen-ohne die beiden Lebensretter hätte er wohl jetzt keine Familie mehr und bei ihrem nächsten Besuch zog er die beiden näher und bedankte sich nochmals mit Tränen in den Augen. Tim war nach seinem ausgiebigen Mittagsschläfchen wieder fast wie neu und sauste schon mit ein paar anderen kranken Kindern durch die Krankenhausflure, so dass Sarah nur mit dem Kopf schütteln konnte und fast nicht hinterher kam. Mia-Sophie merkte man aktuell gar nichts an-sie war wohl noch zu klein und weil sie es rational ja nicht verarbeiten konnte, hatte sie den Vorfall wohl schon vergessen.

    Hildegard hatte auch Konrad nochmals besucht und den hatte fast der Schlag getroffen, als er erfahren hatte, was geschehen war. Er hatte zwar die Detonation gehört und erst einmal auch wilde Spekulationen angestellt, aber dann war er vom Pflegepersonal beruhigt worden und hatte keine Ahnung gehabt, dass der Knall etwas mit seiner Schwiegertochter und den Enkeln zu tun gehabt hatte. Obwohl seine alte Freundin ihren Anteil an der Rettung herunter gespielt hatte, konnte er sich schon in etwa vorstellen wie knapp das gewesen war und als dann ein wenig später Sarah noch mit den Kindern bei ihm erschien und ihm Tim stolz seinen Castverband präsentierte, erfuhr er ebenfalls genau, wie das Attentat abgelaufen war.
    Hildegard hatte eine Nachbarin angerufen, die die Hunde füttern und mit ihnen rausgehen würde, wenn man so unvermittelt ins Krankenhaus kam, musste total viel organisiert werden. „Oh je-jetzt müssen wir dann erst einmal alle miteinander zusehen, dass wir wieder einen fahrbaren Untersatz bekommen-von unseren Wagen sind ja nur noch Einzelteile übrig und weder Kindersitze noch Hundetransportboxen drin!“ sagte Hildegard zweifelnd und nun reagierte Konrad sofort. Er beauftragte Julia zu veranlassen, dass fürs Erste die beiden Firmengeländewagen, die sie schon im Urlaub gehabt hatten, mit dem Gewünschten ausgestattet wurden. Das Baugeschäft hatte aktuell kaum Winterbaustellen und deshalb wurde der halbe Fuhrpark gerade bis in den März hinein nicht benötigt, die Arbeiter, Bauleiter und Ingenieure feierten ihre Überstunden ab und bis Hildegard und Ben neue Fahrzeuge bestellt hatten und die nach ihren Wünschen geliefert würden, würde einige Zeit vergehen. „Nachdem das ein Attentat war, habt ihr ja Anspruch auf die Erstattung der Auslagen vom Bombenleger, wenn man den je ermitteln kann, aber wenn das nicht dazu kommt, oder der ein armer Schlucker ist, von dem man nichts holen kann, übernehme ich selbstverständlich die Kosten für eure neuen Fahrzeuge!“ sagte er generös, aber Hildegard protestierte: „Mein Wagen war schon drei Jahre alt und außerdem kann ich mir durchaus selber einen Neuen kaufen!“ sagte sie erst ein wenig bockbeinig, aber als Konrad sie daraufhin weich ansah und sagte: „Hilde-das Leben meiner Familie ist mir den Preis durchaus wert und meine Firma läuft aktuell sehr gut!“ schwieg sie still und setzte sich ein wenig an sein Bett und hielt seine Hand, immerhin waren sie schon sehr lange Freunde.


    Auch die Chefin war gegen Abend noch vorbei gekommen, hatte sich nach ihren Mitarbeitern und den anderen Opfern erkundigt und ihnen mitgeteilt, dass die Fahndung nach der mutmaßlichen Attentäterin bisher erfolglos geblieben war. Allerdings war es fast sicher, dass Estelle die Bombenlegerin gewesen war, denn die Flüchtlinge hatten sie anhand eines Fotos zweifelsfrei identifiziert und wie anders wäre ihre Flucht von Semir weg sonst zu erklären gewesen? Ein Unschuldiger würde vermutlich erst einmal stehen bleiben, wenn so eine Explosion irgendwo war und versuchen an Informationen zu kommen, aber die rasche Fahrt war sozusagen fast ein Schuldeingeständnis.

    Als Sarah langsam die Zusammenhänge klar wurden, erstarrte sie. Sie war im Urlaub im Lechtal eifersüchtig auf diese Frau mit der Bombenfigur-im wahrsten Sinne des Wortes- gewesen, aber dass die versuchen würde ihre Familie auszulöschen, um an Ben zu kommen und dass Winkler, vermutlich ebenfalls aus Eifersucht, seit Tagen versucht hatte, Ben deshalb zu töten, ließ sie an das Gute im Menschen zweifeln. „Mein Gott, wenn ich jemanden nicht haben kann, dann muss ich mich doch damit abfinden!“ sagte sie fassungslos, aber Ben schüttelte den Kopf: „Sarah, es gibt Menschen, die gehen einfach über Leichen, um ihre Ziele zu erreichen,“ erklärte er „und das Ehepaar Winkler gehört zu dieser Spezies!“ Als die Nacht herein brach, schliefen sie wider Erwarten wie die Steine, sogar Ben, der ja den halben Tag verpennt hatte, war fast sofort weg, irgendwie fühlte er sich wie erlöst-seine Familie hatte überlebt, ihm selber ging es besser und morgen stand seiner Verlegung auf die Normalstation nichts im Weg, wie der Stationsarzt ihm bei der Abendvisite noch versichert hatte. Der nächste Tag war ein Sonntag und der Darauffolgende dann der Dreikönigstag und danach würde für die größeren Kinder die Schule und der Alltag wieder beginnen.


    Estelle hatte eine etwas unruhige Nacht in einem Raum mit den beiden Wrestlern, jeder auf einem Feldbett, verbracht, dabei brauchte sie eigentlich nicht zu jammern, denn sie fand genügend Platz auf der olivgrünen Schlafstatt, während die beiden Kolosse sehr mit Platznot zu kämpfen hatten, die waren beide immerhin fast zwei Meter groß und wogen jeder gut über 100 kg! Sie hatte allerdings die Nachrichten gespannt verfolgt und als dort durchgesagt wurde, dass das Bombenattentat nur ein Todesopfer, einen sechzigjährigen Mann gefordert hatte, schlug sie voller Zorn in ihr Kissen-Sarah und die Blagen hatten das Attentat anscheinend überlebt, verdammt, dann konnte sie vorerst nicht in den Süden verschwinden. Während sie schlaflos auf ihrem Bett ruhte, formte sich ein neuer Plan in ihrem Kopf. Was wäre, wenn sie einfach Ben in ihre Gewalt brachte und sich mit ihm gemeinsam irgendwo versteckte? Es gab so viele Medikamente, mit denen man sich einen Menschen gefügig machen konnte, damit hatte sie selber in ihrer Zeit in dem südamerikanischen Bordell ausgiebig Bekanntschaft gemacht. Sie könnte Ben besitzen und er würde ihr zu Willen sein, wenn es weibliche Sexsklaven gab-warum dann nicht auch männliche?

  • Am nächsten Morgen fühlten sich alle besser, außer Semir, dessen Erkältung langsam begann, sich zu einer Grippe auszuwachsen. „Du bleibst heute schön im Bett und ich denke darüber nach, einen Arzt zum Hausbesuch kommen zu lassen!“ teilte Andrea ihrem Mann mit. Freilich war auch sie erschüttert von den gestrigen Vorkommnissen gewesen, aber jetzt hatte sich doch Alles zum Guten gewendet und er musste jetzt dringend an sich denken. „Wenn du die Erkältung verschleppst, hast du nur länger was davon!“ sagte sie tadelnd und Semir, der es gerade mal unter Schwindelattacken zur Toilette und zurück geschafft hatte, nickte folgsam. Andrea gab ihm auch gemeinerweise nicht mal Aspirin oder etwas anderes zum Fieber senken und gegen die Kopfschmerzen, sondern verdunkelte das Schlafzimmer, kochte Tee, machte ihm eine Wärmflasche als es ihn zum wiederholten Male schüttelte und verrieb eine intensiv riechende Mentholpaste auf seiner Brust, wie sie das bei den Kindern mit einem milderen Mittel auch machte. „Das Fieber ist der Freund des Semir´s!“ sagte sie in leicht abgewandelter Form und nachdem ihm der Sinn nicht nach Streit stand, drehte er sich seufzend zur Seite und war wenig später eingeschlafen, woraufhin Andrea wissend lächelte. Kranke Männer waren wie kleine Kinder-die wussten selber nicht, was ihnen gut tat, die musste man als Frau einfach zu ihrem Glück zwingen!


    Sarah, Hildegard und die Kinder hatten ebenfalls gut geschlafen, allerdings schon mit ein paar Unterbrechungen, wie das mit kleinen Kindern eben so war und Tim hatte auch nochmals ein Schmerzzäpfchen gebraucht. Nach der Abschlussuntersuchung durch den Kinderarzt stand fest, dass die Kleinen entlassen werden konnten, der Hörtest war unauffällig und auch die Unfallchirurgen hatten nichts dagegen einzuwenden, dass Hildegard, Sarah und Hartmut nach Hause gingen. „Ich wollte ja eigentlich für Ben und uns ein Familienzimmer buchen, wenn er jetzt auf die Normalstation kommt, aber gerade bin ich mir nicht so sicher, dass er da die nötige Ruhe hat!“ sagte Sarah zweifelnd, als Tim mit einem Spielzeugauto in der Hand, laut brummend durch den Raum kurvte und das Baby dazu auf seiner Krabbeldecke am Boden begeisterte spitze Schreie ausstieß und strampelte, wenn der Bruder in ihre Nähe kam. Hildegard hatte noch einen Besuch bei Konrad gemacht, der ebenfalls eine gute Nacht gehabt hatte und kam nun mit einem geheimnisvollen Gesichtsausdruck zurück, um gemeinsam mit Sarah das Frühstück einzunehmen. Sarah hatte zuvor ganz kurz bei Ben vorbei geschaut, dem es gut ging, hatte dann aber wieder nach den Kindern sehen wollen, was er gut verstand.


    „Sarah!“ teilte nun Hildegard fast ein wenig aufgeregt mit. „Ich war doch gerade bei Konrad und der hat einen Vorschlag gemacht, den du jetzt Ben unterbreiten musst. Er würde gerne sein Einbettzimmer in ein Zweibettzimmer umwandeln und würde sich wünschen, dort die nächsten Tage gemeinsam mit seinem Sohn gesund zu werden!“ überbrachte sie Konrad´s Gedankengänge und nun überlegte Sarah. Wenn Ben einverstanden war, war das vielleicht gar keine so schlechte Idee. Wann kamen sich Vater und Sohn ansonsten mal wieder so nahe und gerade war das Verhältnis zwischen den beiden ja absolut zufriedenstellend. Für die Kinder war es vermutlich besser, sie würden bei Hildegard und vielleicht auch abwechselnd zu Hause sein, denn im Krankenhaus, gerade auf einer Erwachsenenstation, sollte es doch leise sein und die Probleme mit dem lebhaften Tim waren sozusagen vorprogrammiert. Außerdem brauchte Ben noch viel Ruhe und die konnte sie im Familienzimmer nicht garantieren, wo man sich, anders als zu Hause, auch nicht aus dem Weg gehen konnte. Nein das war eigentlich eine gute Idee und so trank sie den letzten Schluck Tee und überließ dann die Kinder der vertrauten Hildegard, um zu Ben zu pilgern und dem den Vorschlag zu unterbreiten.


    Der saß jetzt auch schon draußen, hatte beim Waschen mitgeholfen und man hatte bereits fast alle Drainagen, den Blasenkatheter, die Arterie und den ZVK, der nicht mehr rückläufig gewesen war, entfernen können. Nur noch der Gilchristverband um die Schulter mit einer einzigen Redon zierte ihn, das Bein war elastisch gewickelt, durfte aber schon teilbelastet werden, der Bauchverband bestand nur noch aus zwei kleinen Klebern und er hatte am Unterarm einen abgestöpselten Zugang liegen, den man eigentlich nur noch für die intravenöse Antibiotikatherapie brauchte, denn er durfte ja bereits normal essen und trinken und war gerade dabei mit Genuss Kaffe und ein vorbereitetes Brötchen zu sich zu nehmen. „Sarah-das Leben hat mich wieder!“ sagte er mit breitem Grinsen und schluckte noch schnell eine Schmerztablette, das war durchaus ausreichend gegen die letzten Wundschmerzen. „Das sehe ich, dass es dir gut geht!“ freute sich Sarah und als sie ihm unterbreitete, was Konrad und Hildegard ausgeheckt hatten, war er sofort einverstanden. „Sarah, das ist eine sehr gute Idee, vielleicht haben wir so endlich mal die Zeit füreinander, die wir uns sonst nie nehmen, Papa und ich!“ sagte er. Nun besprach Sarah das Ganze mit dem Stationsarzt und nach mehreren Telefonaten war das gebongt-Ben würde im Laufe des Vormittags zu seinem Vater aufs Zimmer gebracht werden.
    „Ich fahre jetzt dann erst einmal mit Hildegard nach Hause, packe dir dort ein paar Sachen für die Normalstation zusammen, denn im Flügelhemdchen und mit nacktem Po machst du da vielleicht doch keine so gute Figur!“ neckte sie ihn und er richtete sich nun in seinem Stuhl auf: „Phhh, ich mache immer ne gute Figur, sogar mit blankem Hintern!“ spöttelte er unter Grinsen, aber dann verabschiedete er Sarah mit einem liebevollen Kuss. „Nur eine Bitte habe ich noch!“ bat er und sie sah ihn fragend an: „Ich möchte bitte meine Kinder kurz sehen, gerade meinen tapferen Sohn mit dem gebrochenen Arm, bevor ihr nach Hause geht!“ forderte er und das konnte Sarah ihm leichten Herzens zusichern. Die Verlegungspapiere wurden fertig gemacht und auch der Stationsarzt auf der Kinderstation hatte alle Hände voll zu tun, die Entlassungspapiere zu schreiben. Weil Sonntag war, war nur reduziertes Personal im Haus und so konnte Ben seine Kinder noch in die Arme nehmen, bevor die dann von zwei Fahrern Konrad´s, die der organisiert hatte, in den umgerüsteten Wagen zu Hildegard´s Haus gebracht wurden, wo die beiden Hunde sie begeistert begrüßten.


    Hartmut hatte sich ebenfalls erholt und die Chefin fuhr ihn höchstpersönlich nach Hause, die zuvor noch kurz Ben besucht hatte und ihm erzählte, dass die Fahndung nach Estelle, der mutmaßlichen Attentäterin auf vollen Touren lief und man schon erste Verhaftungen unter Winkler´s Helfershelfern vorgenommen hatte. „Herr Freund-das wird langsam unsere Routinetour-jetzt muss aber mal gut sein, ich würde vorschlagen, jetzt werden alle miteinander einfach gesund und wir starten in ein paar Tagen oder Wochen frisch in das neue Arbeitsjahr!“ sagte sie lächelnd und Hartmut erwiderte: „An mir solls nicht liegen!“


    Obwohl der Fälscher die Papiere für Estelle und ihre beiden Muskelprotze fertig hatte, bezahlte sie ihn zwar, aber dann teilte sie den Wrestlern mit, dass sie umdisponiert habe und nun doch in Köln bleiben wollte. „Ich habe einen Plan, der wird euch auch gefallen-ihr steht doch sicher auf gut aussehende Männer!“ lockte sie die beiden und als die nickten und sich gegenseitig einen unsicheren Blick zuwarfen, unterbreitete sie ihnen die Planänderung und nachdem man mit Geld in der Kölner Unterwelt alles bekam, was man wollte, brachte sie wenig später der Besitzer der Hinterhofwerkstatt mit ihrem neuen Wagen, einem behindertengerecht umgebauten VW-Bus mit verdunkelten Scheiben, der zuvor seinem kürzlich nach dem zweiten Schlaganfall verstorbenen Schwager gehört hatte, zu ihrer neuen Wohnung, direkt hinter einem Bordell gelegen, an dem Winkler heimlich beteiligt gewesen war. Estelle´s Mini Cooper hatte er verschwinden lassen und bereits in Einzelteile zerlegt, die er gewinnbringend im Internet verkaufen würde. Sogar der Spezialrollstuhl seines toten Schwagers war noch im Paket dabei und niemanden würde interessieren, was sie in ihrer neuen Heimstatt so trieben. Die Wohnung war voll möbliert und war bei Platzmangel im Etablissement auch schon für besondere Zwecke gebraucht worden, aber die Bettwäsche war frisch und auch sonst war sauber aufgeräumt. Am Vortag hatte hier auf der Suche nach Winkler´s Kontaktleuten eine Razzia stattgefunden, die Räumlichkeiten waren durchsucht worden, aber man hatte nichts Beanstandenswertes gefunden. Wie ihnen mitgeteilt wurde, waren bereits viele ihrer Kumpane, die mit Winkler zusammen gearbeitet hatten, verhaftet, aber wenn sie vorsichtig waren und nicht so viel rausgingen, konnten sie sich sicher zumindest eine Weile hier verbergen. Versorgen würde sie der Kontaktmann, der in keiner der Unterlagen Winkler´s auftauchte und als Estelle den beiden etwas dummen, aber dazu umso willfährigeren Kolossen ihren neuesten Plan unterbreitete, leckten sie sich die Lippen-doch zumindest ausprobieren wollten sie den neuen Gespielen, die Vorfreude ließ sie schon ganz unruhig werden. Estelle hatte zwar eigentlich nicht vor, Ben mit den beiden Kolossen zu teilen, aber das mussten die ja nicht wissen, erst einmal sollten sie ihn herschaffen und dann würden sie mit der Waffe, die sie in ihrer Handtasche versteckt hatte, Bekanntschaft machen-nicht nur ihr Ehemann war über Leichen gegangen!

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