Beiträge von susan

    Trotz aller Anstrengung verschlechterte sich Ben´s Zustand und als Sarah wieder auf der Intensiv erschien, lag Semir wieder in seinem Bett und mehrere Ärzte standen um den jungen Polizisten herum. Gerade hatte die Schwester erneut ein Blutgas abgenommen und wenn das nicht besser als das Vorherige war, dann musste man handeln. Sarah schlich regelrecht an Ben´s Seite, der sie kaum mehr erkannte, so hoch war das Fieber. Sie sah auf die Werte am Monitor, konstatierte wie schlecht es um ihn stand, griff dann hilflos nach seiner Hand und wartete ängstlich auf die Entscheidung des Chefarztes. Sie hatte auch einen Blick auf die kleine Beatmungsmaschine geworfen, die mittels der Maske Ben beim Atmen half, aber da war der Sauerstoff bereits auf 90% hoch gedreht und die Drücke waren so hoch, dass die komprimierte Luft teilweise seitlich neben der eng verschnallten Maske heraus pfiff, ohne dass Ben´s Sauerstoffsättigung über 85% hinausging.
    Endlich betrat ihre Kollegin den Raum und reichte wortlos dem Chefarzt den Zettel, den das Blutgasgerät ausgespuckt hatte. Seine Miene wurde ernst, als er die Werte betrachtete und dann sagte er entschlossen: „Es macht keinen Sinn mehr, so weiter zu machen-wir intubieren und dann kommt er gleich auf den Bauch!“ und alle Anwesenden nickten. Ben der schon mitkriegte, dass es um ihn ging, aber da zu erschöpft und krank war, alles was um ihn herum geschah, zu ermessen, suchte Sarah´s Blick, deren Augen schon wieder verdächtig zu glänzen begannen. „Es wird Alles gut mein Schatz!“ versicherte sie ihm, aber man konnte deutlich die Panik in ihrer Stimme hören.

    „Frau Jäger-ich denke es ist besser, sie verlassen den Raum!“ sagte der Chefarzt mit Autorität in der Stimme, aber Sarah packte Ben´s Hand fester und schüttelte den Kopf. „Ich gehe-aber erst wenn er schläft!“ sagte sie und straffte ihren Rücken und der Stationsarzt der seine Sarah ja viel besser kannte als der Chef, musste insgeheim ein wenig schmunzeln. Dem war die Reaktion des Personals nicht entgangen und so ließ er sich auf den Kompromiss ein und nickte. „Meinetwegen!“ sagte er schroff.
    „Schatz-du darfst jetzt wieder ein bisschen schlafen und wenn du aufwachst, geht es dir sicher schon besser. Ich bleibe bei dir, du musst keine Angst haben!“ sagte Sarah voller Liebe und so konnte Ben nun aushalten, was um ihn herum geschah und er schloss nur noch die Augen, während die Gerätschaften aufgebaut wurden. Semir verfolgte ängstlich, was mit seinem Freund gemacht wurde und er dankte Gott, dass Sarah genau im richtigen Moment aufgetaucht war. Er hätte sie sonst rufen lassen, aber vermutlich wäre sie zu spät gekommen und der Chefarzt hätte sicher nicht erlaubt, dass er als Mitpatient-auch wenn er der beste Freund war- nahe bei Ben wäre und dem die Angst nahm. Der Notfallwagen wurde herein gefahren, routiniert bereiteten Sarah´s Kollegen den Tubus, die Medikamente, die große Beatmungsmaschine und die Lagerungskissen für die Bauchlage vor. Der Monitor wurde laut gestellt, so dass das schnelle Piepen von Ben´s Herzschlag den Raum erfüllte, man nahm alle Schienen und Kissen aus dem Bett, ließ das Kopfteil aber hoch, denn er hätte es nicht geschafft zu atmen, wenn man das Bett flach gestellt hätte. So würde der Stationsarzt in halb sitzend intubieren, was eine Standardnarkoseeinleitung bei nicht nüchternen Patienten war, was man jetzt zwar bei Ben nicht behaupten konnte, dessen Magen nun schon seit vielen Tagen leer war, aber er hatte so viel Flüssigkeit in sich, dass der Organismus sich sozusagen selber die Luft abschnürte und er dadurch nur noch eine geringe Atemoberfläche hatte. Trotz alledem war so eine geplante Intubation, die keine absolute Notfallindikation hatte, für den Patienten sicherer und manchmal war es einfach wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Anscheinend waren die Sepsis und die Peritonitis bei Ben nun erst so richtig aufgeflammt, aber das hatte man vorher ja nicht wissen können, sonst hätte man ihn nach der OP gar nicht extubiert. Würde man nun allerdings zu lange warten, würde er sich erschöpfen und manchmal kam es dann in dem Moment, wo man die Atemmaske weg nahm zu einem dermaßen starken Einbruch, dass die Patienten in diesem Augenblick an Herz-Kreislaufversagen verstarben. Um dem vorzubeugen intubierte man jetzt rechtzeitig und die Bauchlage diente dazu, Areale der Lunge dem Gasaustausch zur Verfügung zu stellen, die ansonsten lagebedingt nicht zur Verfügung standen.

    Alles war bereit und auch die Sedierungsperfusoren hingen. Das Muskelrelaxans war aufgezogen und jetzt nickte der Chefarzt. Der Stationsarzt trat hinter Ben´s Bettkopfende, entfernte dort zunächst das Bettbrett und ließ sich ein Treppchen geben, damit er gut rankam. „Herr Jäger-sie dürfen jetzt ein wenig schlafen, haben sie keine Angst!“ sagte er begütigend und Sarah hielt die Hand ihres geliebten Mannes nun ganz fest und versuchte ihm so Kraft und Zuversicht zu signalisieren. Was jetzt gemacht wurde geschah zu seinem Besten, das war klar und sie würde ihm beistehen, solange er bei Bewusstsein war und dann draußen warten. Man hatte das CPAP-Gerät auf 100% gestellt, um wenigstens ein wenig Sauerstoffüberschuss im Körper zu haben, aber trotzdem musste es schnell gehen, denn Ben hatte keine Reserven mehr. Ben fixierte nun mit müden Augen seine Sarah und als er den Opiatbolus bekam, wurde ihm zwar schon ein wenig komisch im Kopf, aber er war noch bei Bewusstsein. Als dann allerdings das Propofol in ihm anflutete, kapitulierte er und glitt in die ersehnte Narkose, in der er keine Angst, keine Mühe und keine Schmerzen mehr spürte. Noch als das Muskelrelaxans gespritzt wurde, verließ Sarah weisungsgemäß den Raum-jetzt bekam Ben nichts mehr mit und ihre Mission war damit erfüllt.
    Sie fühlte sich wie ausgehöhlt und ein älterer Kollege, der heute Spätdienst hatte, trat draußen zu ihr, legte den Arm um sie und führte sie ins Stationszimmer. „Na komm-setz dich und trink erst mal ein Tässchen Tee, du weisst, dass wir alles tun, damit deinem Mann bestmöglich geholfen wird!“ sagte er begütigend und Sarah nickte stumm. Sie umklammerte ihre Teetasse und nippte immer wieder daran. Ihr war jetzt selber so kalt und sie fühlte sich so unendlich leer. Konnte dieser Alptraum nicht bald ein Ende haben?

    Im Zimmer wurde Ben derweil-sorgenvoll von Semir beobachtet-intubiert, man fixierte nach der Lagekontrolle den Tubus, schloss die große Beatmungsmaschine, die der Chefarzt mit viel Know How voreingestellt hatte an und dann fassten alle mit an, um ihn nach einem bestimmten Schema auf den Bauch zu drehen. Der Stationsarzt hielt den Tubus fest und sicherte den ZVK. Man zog Ben erst an eine Bettseite und drehte ihn dann unter Zuhilfenahme der Bettunterlage komplett auf den Bauch. Unter den Oberkörper kam ein breites Lagerungskissen, die Arme wurden nach oben ausgestreckt und nun unterlegte man überall, wo es Druckstellen geben könnte, kleine Polster. Der Kopf kam in einen Gelring, so dass Augen und Nase hohl lagen und endlich waren die beiden Ärzte und die Schwestern zufrieden. Man hatte zwar das Arterenol wegen der Sedierung wieder steigern müssen, aber die Sättigung war schon im Ansteigen begriffen-er profitierte also von der Bauchlage. Die EKG-Elektroden hatte man vor dem Drehen auf der Brust entfernt, die kamen jetzt auf den Rücken und bald konnte man problemlos den Sauerstoff reduzieren. Man spielte noch ein bisschen mit der Dosierung der Katecholamine, konnte auch wieder Flüssigkeit geben, was die letzte Piccomessung angezeigt hatte, was aber ohne Intubation nicht möglich gewesen wäre und jetzt legte man nur noch ein kleines Tüchlein auf Ben´s Po, der ansonsten ganz nackt war und holte dann Sarah wieder herein, die sich still neben ihren Mann setzte und ihn selbstvergessen streichelte. „Du musst kämpfen Ben-du hast es mir versprochen!“ flüsterte sie leise und Semir im Nebenbett zog es vor Mitleid fast das Herz zusammen. „Das wird er, Sarah, da bin ich mir ganz sicher!“ tröstete er sie mit undeutlicher Stimme, um sich dann wieder voll auf seine eigene Atemgymnastik zu konzentrieren.

    Es wurde Mittag. Sarah zwang sich etwas zu essen, obwohl ihr der Appetit eigentlich vergangen war, aber die Worte des Arztes hallten in ihren Ohren und außerdem musste sie zu Kräften kommen, denn ihre Kinder brauchten sie-vor allem wenn….sie getraute sich den Gedanken gar nicht zu Ende zu denken, aber ihre momentane Stimmung gab ihr das ein. Ben hatte schon so oft in seinem Leben so verdammtes Glück gehabt, dass er gerade noch so davon gekommen war-vielleicht war dieser Topf jetzt ausgeschöpft und eine höhere Macht hatte beschlossen, dass es das gewesen war? Nach dem Essen stillte sie und schleppte sich dann mühsam wieder auf die Intensiv.

    Semir machte inzwischen wieder Atemgymnastik und lag in seinem Bett, aber er erzählte ihr-ein wenig undeutlich mit der Maske auf der Nase-dass er den halben Vormittag an Ben´s Bett gewacht hatte, der jetzt mühsam atmend und hoch fiebrig in seinen Kissen lag. Sarah küsste sanft die schweissfeuchte Stirn und Ben sah sie kurz an, um dann die Augen wieder zu schließen. Er war in einem Zwischenreich zwischen Wachen und Träumen und immer wieder schossen ihm Sequenzen der letzten Tage durch den Kopf, von der dramatischen Geburt im Keller, von seinen Verhandlungen mit den Entführern und wieder und wieder endete der Wachtraum mit dem furchtbaren Schmerz, der ihn durchfahren hatte, als er an das Gitter gefasst hatte. Dann schreckte er wieder hoch, sah Semir neben sich sitzen, dann wieder einen Arzt oder eine Schwester, die sich über ihn beugten, ihn untersuchten, oder frisch machten und dann war Sarah da und eigentlich sollte jetzt alles gut sein. Er war im Krankenhaus, beiden Kindern ging es gut, aber er bemerkte wohl, wie blass und angegriffen seine Frau war. Außerdem hatte sie geweint, wie er sehen konnte. War das wegen ihm? Oder war doch etwas mit Mia-Sophie oder Tim? Mühsam krächzte er, obwohl ihm die Luft eigentlich zum Sprechen fehlte, denn es war schon anstrengend genug zu atmen und er merkte auch, dass er hoch Fieber hatte: „Die Kinder-ist was mit den Kindern?“ aber Sarah schüttelte den Kopf und sagte beruhigend: „Alles ok, die beiden sind wohlauf!“ Dann fragte er: „Und was ist mit dir, warum hast du geweint?“ und nun konnte Sarah sich fast nicht mehr beherrschen, denn schon wieder funkelten ihre Augen verdächtig. „Mit mir ist auch alles o.k.-ich war heute schon bei der Untersuchung beim Gynäkologen, es ist soweit in Ordnung, ich brauche nur noch ein bisschen Kraft und darf auch noch im Krankenhaus bleiben!“ teilte sie ihm mit und tatsächlich-wenn sie sich jetzt vorstellte in ihrem Zustand alleine ohne Ben´s Unterstützung mit den beiden Kindern zuhause zu sein, dann war das ein Ding der Unmöglichkeit und nun begann sie tatsächlich wieder zu weinen, obwohl sie doch Ben nicht beunruhigen wollte und barg ihren Kopf an seiner Brust. Er fasste mit dem halbwegs unverletzen Arm, an dem nur die Handfläche noch verbunden war nach oben und strich ihr sanft durchs Haar. „Es tut mir leid!“ flüsterte er dann und nun hob Sarah verständnislos den Kopf. „Was tut dir leid?“ fragte sie, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und versuchte sich ein wenig zu fassen. „Dass ich hier so hilflos daliege und dich nicht unterstützen kann, wie es meine Aufgabe als Mann und Papa wäre!“ versuchte Ben seine Gedanken in Worte zu fassen und rang dann wieder nach Luft, zu sehr hatten ihn die Worte angestrengt. „Ach du Quatschkopf!“ sagte Sarah nun heftig und zugleich gerührt. „Um das geht es doch nicht-du musst das nur überleben und wieder nach Hause kommen, dann ist Alles gut!“ und Ben sagte nun mit letzter Kraft, bevor ihm die Augen vor Erschöpfung wieder zufielen: „Ich arbeite dran!“ und dem war nichts mehr hinzu zu fügen.

    Sarah ging dann auch bald wieder auf ihr Zimmer zurück und als Hildegard wenig später mit Tim kam, der ein neues Spielzeug stolz mit sich trug und das der Mama gebührend vorführen musste, wurde sie auch von der getröstet. „Ach je, Kindchen, spielen die Hormone ein wenig verrückt?“ sagte Hildegard mitleidig und schloss Sarah, die sie als Ziehtochter betrachtete, mütterlich in die Arme und die ließ sich jetzt eine Weile gehen und weinte bitterlich, so lange, bis Tim ebenfalls zu heulen begann, weil er überhaupt nicht kapierte, was mit der Mama los war. Nun riss sich Sarah allerdings zusammen, nahm ihren Sohn hoch und versuchte ihm kindgerecht zu erklären, was los war, aber Hildegard übernahm das nun. „Tim-die Mama hat ein Aua-darum hat sie geweint!“ und das konnte der Knirps verstehen und beruhigte sich schnell. Nun wurde die Mama in die Funktionsweise des Spielzeugs eingeweiht und Hildegard erzählte ihr auch, wo er das her hatte. „Wir waren gemeinsam im Dachboden und da war noch ein Karton aus der Kindheit meiner eigenen Tochter und da haben wir so allerlei tolle Dinge gefunden. Tim ist sehr beschäftigt damit, das zu sortieren und ist total brav dabei!“ erzählte sieund Sarah hörte aufmerksam zu. Als sich Hildegard und Tim eine Weile später verabschiedeten, nicht ohne dass Tim zuvor seine kleine Schwester noch ganz wichtig im Arm gehalten hatte, pustete ihr kleiner Sohn Sarah an und brabbelte dann. „Aua wieder gut?“ und jetzt musste Sarah sozusagen unter Tränen lachen, drückte ihn an sich und sagte mit fester Stimme: „Ja Tim-Mamas Aua ist jetzt wieder gut, du hast es heile gemacht!“ und so zog der kleine Mann mit siegessicherem Lächeln an der Hand seiner Ersatzoma wieder ab.

    Bei Ben wurden nun die Blutgase immer schlechter, er begann zu übersäuern und man schnallte ihm nun ebenfalls eine Atemmaske auf die Nase. Allerdings funktionierte das so nicht, denn Ben´s Nase war verstopft, vermutlich hatte er sich im Keller zusätzlich noch erkältet und so ersetzte man die angenehmere Nasenmaske bald mit einer Maske, die Mund und Nase umschloss und um den Kopf straff festgeschnallt wurde, was Ben ein wenig Platzangst bescherte. Allerdings merkte er, dass er dadurch besser Luft bekam und als sich dann noch Semir neben ihn setzte und beruhigend seine Hand hielt, konnte er es aushalten-schließlich musste er sich mit dem Gesundwerden beeilen-seine Familie brauchte ihn!

    Auch Sarah wurde heute vom Gynäkologen untersucht, aber der Heilungsverlauf war eigentlich ganz zufriedenstellend. „Warum bin ich denn immer noch so schwach und mein Kreislauf macht nicht immer mit?“ fragte sie ganz verzagt, aber der Doktor beruhigte sie: „Frau Jäger, sie hatten einen massiven Blutverlust. Ihr Körper arbeitet zwar auf Hochtouren, aber er wird einfach noch eine Weile brauchen, bis er das Defizit aufgeholt hat und durch das Stillen dauert es vielleicht nochmals ein wenig länger, aber das ist egal-sie tun für ihr Kind dadurch einfach das Beste. Früher hätten sie eine Bluttransfusion bekommen, aber heute versucht man das zu vermeiden, um das Immunsystem nicht zu verwirren. Wir werden ihnen weiter Eisen geben und bitte viel trinken, ruhen und gut essen, damit sie wieder zu Kräften kommen und das Knochenmark die Blutbildung vorantreibt. Heute kontrollieren wir nochmals die Blutwerte, aber ich gehe eigentlich davon aus, dass die sich schon verbessert haben!“ sagte er sachlich und trotzdem brach Sarah jetzt in Tränen aus. Sie wusste überhaupt nicht wie ihr geschah, aber eine tiefe Traurigkeit hatte von ihr Besitz ergriffen. Der Gynäkologe reichte ihr wortlos ein Taschentuch und sagte: „Das sind jetzt auch ein wenig die Hormone-im Wochenbett ist die Gemütslage einfach sehr wechselhaft!“ versuchte er sie zu beruhigen, aber Sarah schluchzte nur noch lauter. „Meinem Mann geht es sehr schlecht, der musste heute Nacht nochmals notoperiert werden!“ presste sie unter Tränen heraus und der Arzt, der davon noch nichts gewusst hatte, sagte betroffen: „Das tut mir leid, aber er ist bei uns doch bei meinen Kollegen in den besten Händen, sie wissen doch welch hohen medizinischen Standard wir hier im Haus haben!“ versuchte er sie zu beruhigen, aber Sarah weinte nun: „Da bin ich mir gar nicht mehr so sicher!“
    In diesem Moment klopfte die Hebamme kurz an der Tür, trat dann ein und bat den Gynäkologen in den Kreißsaal zu einer Neuaufnahme. Sie selber nahm Sarah danach wortlos in die Arme, strich ihr, die jetzt bitterlich weinte, tröstend über die Haare und brachte sie in ihr Zimmer zurück. „Du wirst sehen-es wird alles gut werden und deine Kleine ist ein richtiger Wonneproppen und wird mal bildhübsch, wie die Mama!“ versuchte sie sie aufzumuntern, aber Sarah verkroch sich jetzt unter ihrer Decke und heulte weiter. „Ach immer dieser Babyblues!“ murmelte die Frau, während sie ihrer weiteren Arbeit nachging und Sarah versuchte, sich wieder zu fassen, damit sie zu Ben konnte, aber gerade war ihr alles zu viel.

    Semir fühlte sich wieder ein wenig besser. Man hatte ihm eine Glukoselösung angehängt, denn er durfte immer noch nichts essen und nur schluckweise Wasser trinken und so waren zwar durch das CPAP die Blutgase besser geworden, aber dafür der Zuckerspiegel abgesunken. Tatsächlich fühlte er sich bald ein wenig kräftiger und nachdem die betreuende Schwester ihm gesagt hatte, dass er ruhig sitzen sollte, denn die Lunge wurde da besser belüftet als im Liegen, bat er darum, seine Kabel so anzubringen, dass sie bis zum Nachbarbett reichten und saß dann wenig später auf einem bequemen Stuhl bei seinem Freund, dem es richtig dreckig ging. Trotz fiebersenkender Medikamente, Katecholaminen und Infusionen fühlte sich Ben massiv schlecht. Er bekam immer wieder etwas gegen die Schmerzen, das half auch und machte ihn benommen, aber sein Organismus kämpfte-unterstützt von den Antibiotika, die man alle sechs Stunden anhängte- vehement gegen die Sepsis. Einen Augenblick war ihm warm, um im nächsten wieder zu frieren. Seine Hände fühlten sich dick und unförmig an, denn da staute sich das Wasser, während es im Kreislaufsystem in den Gefäßen fehlte. Allerdings konnte man einfach nichts tun, außer Flüssigkeit zu geben, um die Organversorgung zu gewährleisten. Mittags kam der Chefarzt nochmals zu seinem Sorgenpatienten-jetzt würden alle aufpassen, dass ihnen nicht nochmals ein Fehler unterlief und sie etwas übersahen, aber die Problematik war immer noch dieselbe und so entschied der Doktor, dass Ben anstatt der Arterie im Arm nun doch einen Piccokatheter in der Leiste bekommen sollte, wo man durch raffinierte Computerberechnungen dann feststellen konnte, wann der Flüssigkeitsbedarf ausgeglichen war, was man ansonsten nur mit dem Versuch-Irrtum herausfinden konnte und wenn das Wasser zu viel wurde, drohte eine Atemproblematik, wenn die Lunge voller Wasser lief.

    Der Stationsarzt und die Schwester mit dem Eingriffswagen kamen dann auch gleich und weil man sah, wie gut die Anwesenheit seines Freundes dem Patienten tat, ließ man ihn einfach am Bett sitzen. Semirs Werte waren jetzt ganz ok und der hielt Ben´s Hand, während man dessen Leiste erst betastete, dann rasierte und schließlich abstrich und steril abdeckte. Der grün vermummte Arzt erklärte: „Herr Jäger, das wird jetzt ein wenig pieken. Ich punktiere nun ihre Femoralisarterie und schiebe dann ein Schläuchlein vor und nähe es fest!“ und kaum hatte er es angekündigt, stach es auch schon. Ben, der schon Mühe hatte, weil man für diesen Eingriff das Bett so flach gestellt hatte und er jetzt schlechter Luft bekam, sagte zwar keinen Pieps, aber Semir merkte, wie er sich an seiner Hand festklammerte, denn das war mehr als unangenehm, als der Arzt mehrmals unter Tasten die Stichrichtung änderte, bis er endlich die Arterie getroffen hatte und das Blut pulsierend durch die Punktionsnadel herausschoss. Schnell schob man einen sogenannten Seldingerdraht durch die Nadel in das große Blutgefäß, entfernte die Punktionskanüle, fädelte den Piccokatheter über den Draht auf und nähte ihn fest, was Ben dazu brachte, nochmals die Stirn zu runzeln und seinen Griff um Semir´s Hand zu verstärken. „Ich hätte ihnen jetzt auch eine Lokalanästhesie spritzen können, aber das wären auch mindestens drei Stiche gewesen!“ erklärte der Arzt entschuldigend, aber Ben wusste jetzt auch nicht was besser war-allerdings war er schon sehr froh, als endlich ein Pflaster auf der Einstichstelle klebte und das Messsystem aufgebaut war. Nachdem der Arzt verschiedenste Daten in den PC eingegeben hatte, spritze er mehrfach 20ml eiskalte Kochsalzlösung in den ZVK, wo man ebenfalls einen Temperatursensor angebracht hatte und aus der Verteilungskurve, wann die minimale Temperatursenkung in der Leistenarterie ankam, errechnete der Computer allerlei Werte und nachdem der Arzt die anhand einer Tabelle interpretiert hatte, kam man zu dem Schluss, dass Ben noch mehr Flüssigkeit brauchte, die man auch gleich anhängte. Die Arterie am Unterarm wurde dann wenigstens gezogen und Semir bekam die Aufgabe, da eine Weile einige Kompressen fest auf die Einstichstelle zu drücken, damit das nicht nachblutete. Voller Sorge betrachtete er seinen Freund, der nun zwar wieder mit leicht erhöhtem Oberkörper, aber dennoch schwer atmend in seinen Kissen lag. Hoffentlich riss der das Ruder bald herum, denn Semir hatte die Blicke des Arztes und der Schwester sehr wohl bemerkt und die sahen nicht zufrieden aus.

    Sarah war nach dem Stillen sofort zu ihrem Mann zurück geeilt und hatte sich neben sein Bett gesetzt, obwohl ihr jetzt selber ziemlich schummrig war. Als Ben das nächste Mal erwachte, war Sarah da und er war zwar beruhigt, aber trotzdem fühlte er sich hundeelend. Sein Bauch schmerzte die ganze Zeit, er fror immer noch und registrierte dankbar, wie Sarah sein Gesicht mit einem Waschlappen abwusch. Die Schwester kam wieder herein und hängte eine neue Infusion an und zwei Perfusoren, um auszugleichen, was die Laborkontrolle für Mängel angezeigt hatte. Man musste trotz Volumengabe das Noradrenalin steigern, die Nierenfunktion wurde schlechter und bald war auch der Kanister der Vakuumpumpe voll und kündigte mit schrillem Piepen an, dass er gewechselt werden musste.

    Semir hatte man seine CPAP-Maske wieder vorübergehend abgenommen und ihn zum Duschen geführt. Auch er war schwach und übernächtigt von der Aufregung, aber wie am Vorabend ließ er es sich nicht nehmen auf dem Rückweg ans Bett seines Freundes zu treten, den anzufassen und ihm seinen Beistand zu versichern. Allerdings war der kalte Schweiß, der Ben bedeckte wohl kein besonders gutes Zeichen, aber trotzdem stand Semir ein wenig neben ihm und Sarah und sagte: „Ben-das wird wieder, Hauptsache man hat heraus gefunden, was dir fehlt!“ und Ben nickte leicht, obwohl er gerade überhaupt keine Kraft hatte, weder zu sprechen, noch sich zu bewegen, aber das Nicken ging gerade noch. Auch der Stationsarzt sah mehrmals nach ihm, ordnete noch Hydrocortison an und weitere Infusionen.

    Sarah, die kurz davor war vom Stuhl zu kippen, forderte er dann resolut auf: „So junge Frau-du wirst jetzt wieder auf die Entbindungsstation gehen-vielmehr bringt dich eine deiner Kolleginnen dahin-und dich ins Bettchen legen. Wir haben hier schon genügend Arbeit, wir können uns nicht noch um dich auch noch kümmern, wenn du in Kürze aus den Latschen kippst!“ sagte er und zwar widerstrebend, aber doch einsichtig, fügte Sarah sich der Anordnung und wieder einmal wurde sie nach einer zärtlichen Verabschiedung von Ben im Rollstuhl zurück in ihr Zimmer gebracht und dort von den Schwestern der Wochenstation übernommen. „Jetzt iss und trink erst mal was-wir sagen dir Bescheid, falls sich was massiv verschlechtert, aber du weisst doch-wir kennen uns mit Magenperforationen und Vakuumpumpen bestens aus!“ versuchte die Kollegin sie zu ermutigen, bevor sie wieder mitsamt Rollstuhl den Rückzug antrat. „Aber wir haben alle miteinander schon so viel übersehen-was kommt als Nächstes?“ flüsterte Sarah mutlos, die sich selber die größten Vorwürfe machte, aber darauf wusste leider auch niemand eine Antwort.

    Nach der Rückkehr wusch die Schwester gemeinsam mit einer Kollegin Ben, während Semir schon wieder Atemgymnastik machte. Verdammt der Ausflug in die Dusche war im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend gewesen und auch sein Fieber war noch immer so um die 38°C, lange hielt er es ohne die Maske auf seiner Nase gerade nicht aus. Mehr als schluckweise Wasser erlaubte man ihm auch nicht zu sich zu nehmen, nicht dass sich sein Zustand ebenfalls nochmals verschlechterte und man ihn doch noch intubieren musste. Die große Visite kam und man nahm besorgt die Ereignisse der Nacht zur Kenntnis und der Chefarzt sagte draußen vor dem Zimmer zu seinen Kollegen: „Verdammt, bei Herrn Jäger haben wir uns wirklich nicht mit Ruhm bekleckert, so viel, wie wir bei ihm schon übersehen oder vielmehr sehr spät bemerkt haben-ich hoffe, dass der das übersteht, aber aktuell wirkt er auf mich, als würde die Sepsis erst so richtig aufflammen!“ und so war es auch.
    Das Fieber stieg und stieg, aber er fror so und war dermaßen kreislaufinstabil, dass man keine mechanische Kühlung anwenden konnte. Paracetamol zum Fieber senken hatte er sowieso schon und das Novalgin setzte man kurzerhand ab, weil die Nierenwerte angestiegen waren. „Da sind eine Menge Stoffwechselabbauprodukte abzutransportieren, es ist klar, dass die Entgiftungsorgane da Höchstleistungen zu bringen haben!“ erklärt die zuständige Schwester einer Praktikantin, während sie den völlig fertigen und ebenfalls mühsam atmenden Ben sehr vorsichtig ein wenig anders hinlegten. Der Stationsarzt der Tagschicht kam dann zum Untersuchen und diesmal sah er sich Ben wirklich gründlich von Kopf bis Fuß an, aber nach seinem Dafürhalten, hatten sie jetzt nichts mehr übersehen.

    Ben dämmerte inzwischen, besorgt von Semir betrachtet, vor sich hin und als der Krankengymnast kam, der natürlich von der Sache ebenfalls schon wusste, konnte er nicht einmal lächeln, als der in tadelndem Ton, aber mit freundlicher und besorgter Miene zu ihm sagte: „Na Herr Jäger, sie tun wohl Alles, damit sie nicht so heftig mit mir turnen müssen?“ und das ganz klar war, dass der einen Scherz machte. Trotz des schlechten Allgemeinzustandes nahm sich der Physiotherapeut viel Zeit, bewegte Ben´s Gelenke teils passiv durch, mobilisierte Flüssigkeit im Gewebe und die Griffe waren doch erleichternd und wohltuend. Als dann noch die Unfallchirurgen kamen und die Tücher an Arm und Bein und den Verband an dem verplatteten Fuß erneuerten, blieb der Therapeut bei ihm und nachdem Ben diesmal die Augen einfach geschlossen hielt und man die Wunden auch feucht gehalten hatte, war es nicht ganz so schlimm wie am Vortag. Als der Physiotherapeut interessiert die Wundflächen betrachtet hatte, sagte er hinterher zu seinem Patienten: „Ich habe ja viel Erfahrung mit derartigen Operationen, wie ich ihnen erzählt habe-nach meinem Dafürhalten sieht das ganz gut aus und wenn sie jetzt nicht wegen der Bauchsache so viele Infusionen bräuchten, hätte man heute sicher schon damit beginnen können, die Wundränder zu adaptieren, aber glauben sie mir-das wird!“ und irgendwie schöpfte Ben dann doch wieder ein wenig Hoffnung, so schlecht er sich eigentlich auch fühlte.

    Sarah hatte fest geschlafen, als ihre Kollegin, die Nachtdienst hatte, mit ernstem Gesichtsausdruck ins Zimmer kam. Es war gerade mal vier Uhr und Sarah dachte eigentlich, das vielleicht Mia-Sophie schon wieder Hunger hatte, obwohl sie die eigentlich zwei Stunden vorher erst gestillt hatte, aber dann wurde sie kreidebleich, als sie hörte, was die Kollegin ihr zu sagen hatte. „Sarah, deinem Mann geht es schlecht-der wird gerade notoperiert, sie haben freie Flüssigkeit in seinem Bauch entdeckt!“ informierte die sie und nach Sarah´s Herz griff eine eiskalte Hand. „Um Himmels Willen-ich muss sofort rauf!“ flüsterte sie, stand auf , ging noch kurz ins Bad und zog sich ein Shirt und Leggins an. „Sagst du mir Bescheid wenn meine Kleine Hunger kriegt?“ bat sie dann die Schwester und machte sich danach voller Bangen auf den Weg durch die um diese Zeit menschenleeren Gänge des Krankenhauses, nach oben auf die Intensiv.

    Als sie bei Semir im Zimmer ankam, dessen verzweifelten Gesichtsausdruck sah und auf den leeren Bettplatz blickte, wurde sie nochmals panischer. Oh mein Gott-was war nur geschehen? Mit wenigen Schritten war sie an dessen Bett und fragte: „Was ist passiert?“ und ihr Freund berichtete ihr vom Kreislaufzusammenbruch, der nachfolgenden Untersuchung und jetzt der Fahrt in den OP. Allerdings verschwieg ihr Semir, um was sein Freund ihn gebeten hatte. Sarah war eh schon fix und fertig, wenn sie jetzt noch hörte, was Ben ihm aufgetragen hatte, dann würde sie den Mut verlieren und so begann für die beiden ein banges Warten. Sarah war noch kurz zu ihren Kollegen gegangen, aber die hatten ihr auch nicht mehr sagen können als Semir und so stellten die ihr einen bequemen weichen Stuhl ins Zimmer und mit zitternden Knien nahm Sarah Platz. Bei Semir war die Sättigung auch wieder schlechter und gerade als Sarah deswegen reagieren wollte, kam schon ihre Kollegin, die gerade den letzten Morgendurchgang machte und schnallte ihm das CPAP wieder aufs Gesicht. „Herr Gerkhan, sie sollten noch ein wenig Atemgymnastik machen!“ sagte sie freundlich und irgendwie war Semir froh darüber, denn auch wenn das anstrengend war, er merkte, wie er dadurch deutlich weniger Atemnot hatte.

    Endlich ging die Tür auf und ein noch halb schlafender Ben wurde herein gefahren. Sarah sprang auf und musste sich im selben Moment festhalten, denn so stabil war ihr Kreislauf noch nicht. Der abholende Arzt sagte mit einem Seitenblick auf Sarah, denn er wusste genau, welche Fragen jetzt auf ihn herein prasseln würden: „Er hatte eine Magenperforation die laparoskopisch übernäht wurde, dazu eine heftige Peritonitis und deshalb hat er einen VAC-Verband. Er ist zwar kreislaufinstabil, aber sie haben ihn trotzdem extubiert. Gib uns ein wenig Zeit, um ihn zu stabilisieren, dann kannst du an seinem Bett sitzen und Händchen halten!“ fasste er in Kürze zusammen, was Sarah jetzt am Meisten interessierte.
    Nun schellte auch noch das Stationstelefon und wenig später streckte eine andere Schwester, die aktuell die übrigen Patienten versorgte, den Kopf zur Tür herein. „Sarah, die Entbindungsstation hat angerufen-da ist anscheinend jemand dem Hungertod nahe-ich habe eure Kleine durchs Telefon brüllen hören!“ richtete sie aus und nun machte sich Sarah zwar schweren Herzens, aber doch vernünftig auf den Weg nach unten zum Stillen. „Ich komme dann gleich wieder hoch!“ versprach sie und gab im Vorbeigehen Ben, der noch nicht so ganz bei sich war und jetzt heftig zu Zittern begonnen hatte, einen Kuss auf die schweißfeuchte Stirn. „Ich bin gleich wieder da!“ flüsterte sie und der Stationsarzt, der gerade zum Stethoskop gegriffen hatte, lächelte ihr aufmunternd zu. „Wir werden ihn jetzt versorgen, wie du es nicht besser könntest!“ sagte er beruhigend und nun beeilte Sarah sich, schnellstmöglich nach unten zu kommen. Klar vertraute sie ihren Kollegen, aber lieber wäre sie dabei geblieben, allerdings wäre es ein Blödsinn Mia-Sophie nur aus diesem Grund ein Fläschchen zu geben-in einer halben Stunde wäre sie wieder da und derweil war sie durchaus der Meinung, ihre Kollegen könnten auf Ben aufpassen-außerdem war Semir ja auch noch da!

    Ben lag derweil schlotternd in seinem Bett. Man hatte für einen Augenblick alle Decken weg genommen, denn das Fachpersonal musste sich einen Überblick verschaffen und dokumentieren, was es sah, aber Ben fühlte sich einfach massiv schlecht. Ihm war schwindlig und kalt, er zitterte, hatte Schmerzen und mit einem Rest Bewusstsein genierte er sich auch noch, als so viele Blicke auf ihm ruhten. Sarah hatte ihn auf die Stirn geküsst, aber wo war die jetzt und was war eigentlich los? Und Semir? Wo steckte Semir? Der war doch vorhin neben ihm gelegen, dann war er in den OP gekommen, aber jetzt kannte er sich gar nicht mehr aus! Der Arzt hatte irgendetwas von Magen gesagt, aber er kapierte nicht richtig was der Sarah erklärt hatte, zu sehr hing ihm die Narkose noch in den Gliedern. Nach einem kurzen Moment wurde er wieder zugedeckt, er fühlte beruhigende Griffe an seinem Körper, jemand sprach mit ihm, ohne dass er die Worte so richtig verstehen konnte, das leise Summen einer Pumpe drang in sein Bewusstsein, ihm war übel und schon wieder steckte so eine blöde Magensonde in seiner Nase.

    Routiniert hatte der Stationsarzt ihn abgehört, die Schwester hatte Blut aus dem arteriellen Zugang abgenommen, die Infusionen waren jetzt wieder umgehängt und langsam beruhigte er sich ein wenig, obwohl er jetzt wegen der Schmerzen laut stöhnen musste. „Sie kriegen sofort was Herr Jäger!“ hörte er und dann piepte es und es wurde leichter und er dämmerte wieder weg. Als er kurz darauf wieder erwachte, war es ruhig um ihn herum und als er mühsam die Augen öffnete, stand niemand mehr neben seinem Bett. Als er nun allerdings wieder unruhig wurde, ertönte plötzlich Semir´s Stimme, die beruhigend sagte: „Ben bleib einfach ruhig liegen-es wird alles gut werden!“ und so tat er einfach, was sein Freund ihm befohlen hatte und schlief wieder ein.

    Da hast du völlig Recht, Mrs. Murphy! Ich stelle mir auch gerade vor, wie Ben noch halb in Narkose mit seinem Mercedes durch die Gänge des Krankenhauses kurvt, oder alternativ mit so nem Bettfahrmobil, das es in großen Kliniken gibt-spart Muskelkraft und weite Wege. Nachdem es aber nicht so mega wichtig ist und die anderen auch was zu lachen haben sollen, lasse ich es jetzt einfach so stehen, wenns Recht ist! :D
    Übrigens passiert sowas ständig-gerade auch nach Verkehrsunfällen, Polytraumen etc., dass man so mit der Behandlung anderer Dinge beschäftigt ist, dass man dann Wichtiges übersieht, aber auch Ärzte und Schwestern sind bloß Menschen und Ben hätte ja auch mal was sagen können!

    Ben hatte Angst-und zwar eine furchtbare Angst zu sterben. Nicht nur wegen sich, sondern auch wegen seiner Frau und der Kinder. Er wollte nicht, dass Sarah nun plötzlich alleine da stand. Mia-Sophie und nach einer Weile vermutlich auch Tim würden sich nicht mehr an ihn erinnern können und es war einfach nicht richtig, wenn man seine Familie im Stich ließ, daher beschloss er mit aller Kraft um sein Leben zu kämpfen, obwohl er sich einfach schrecklich fühlte. Wie im Traum fuhr das Bett um mehrere Ecken, grüne Türen öffneten sich lautlos und automatisch und bis er sich versah, wurde das Bett neben dem Schleusenband arretiert. Er wollte mithelfen, um sich dort hinüber zu legen, aber seine betreuende Schwester sagte zu ihm: „Ganz ruhig liegen bleiben, Herr Jäger-wir machen das schon!“ und so ließ er es geschehen und wie erst wenige Tage vorher wurde er wieder mit allen Perfusoren auf den OP-Tisch transferiert, in die grün geflieste Einleitung gebracht und ein älterer Anästhesist mit gütigen Augen sagte: „Ich lasse sie jetzt schlafen und werde gut auf sie aufpassen!“ und noch während er nickte, fielen Ben´s Augen zu und er wusste nichts mehr.

    Erneut intubierte man ihn problemlos, aber sein Blutdruck sackte durch die Wirkung des Narkotikums nochmals ziemlich ab, so dass man das Noradrenalin steigern musste. Die freie Infusion tropfte so schnell das Lumen des ZVK das zuließ und der Anästhesist beeilte sich, Ben ans Narkosegerät zu hängen, denn die Gase gingen nicht so stark auf den Kreislauf, wie die intravenösen Narkotika. Trotzdem betrachtete er sorgenvoll die fahle Blässe und den kalten Schweissfilm auf der Haut seines Patienten. Mit all seiner Erfahrung-er hatte es im Gefühl, dass ihnen allen jetzt ein harter Kampf um das Leben des jungen Mannes bevor stand. Schnell legte er noch eine Magensonde, denn bei laparoskopischen Eingriffen mussten Magen und Blase leer sein und als man die Sonde nach der Lagekontrolle ansaugte, kam nur sehr wenig Magensaft, dafür aber ein bisschen Blut. „Ich denke ich weiss, woher die freie Flüssigkeit kommt!“ flüsterte er und die beiden Operateure, die sich inzwischen steril gewaschen hatten und gerade von der OP-Schwester angezogen wurden, nickten sorgenvoll, als sie den Inhalt des Saugers sahen. „Verdammter Mist-warum haben wir das nicht eher bemerkt?“ fragte der eine der beiden, aber er erntete nicht mehr als ein Schulterzucken-das herauszufinden war müßig, oder zumindest half es diesem Patienten kein bisschen-allerdings würde man das später aufarbeiten und mittels CIRS, eines klinischen anonymisierten Meldeverfahrens allen Kliniken die angeschlossen waren und das waren weltweit eine ganze Menge, den Fehler präsentieren, um so etwas in Zukunft vielleicht zu vermeiden.

    Das OP-Personal arbeitete routiniert Hand in Hand und so lag Ben wenig später fixiert auf dem Tisch, die Körpermitte ein wenig aufgeklappt, indem man das Kopf-und das Fußteil abgesenkt hatte und der eine der Operateure hatte ihn dreimal von den Brustwarzen bis zur Mitte der Oberschenkel und seitlich bis über die Mittellinie mit dem grell orangen Desinfektionsmittel abgestrichen. Man strich so weit, dass man notfalls ohne erneutes Desinfizieren den Bauch eröffnen konnte, falls es nicht mit der Laparoskopie alleine ging. Der Patient war unheimlich kreislaufinstabil und der Narkosearzt bemühte sich, ihm möglichst viel Volumen zukommen zu lassen, denn noch war nicht klar, aus welchem Grund sein Kreislauf vorhin zusammen gebrochen war. War es ein Volumenmangelschock, oder ein septisches Kreislaufversagen, aber das würde man bald erfahren. Nun deckte man grüne Einmaltücher über ihn, so dass nur ein kleiner Teil des gut bemuskelten Bauchs rund um den Nabel zu sehen war und dann ließ sich der Operateur das Skalpell anreichen, der Assistent bewaffnete sich mit einer Pinzette und Kompressen und die Operation begann.
    Ein kleiner Schnitt wurde direkt am Nabel gemacht und dann ließ sich der Chirurg den Trokar anreichen. Er fasste fest eine Falte an Ben´s straffem Bauch, was gar nicht so einfach war, aber der Anästhesist verabreichte ihm jetzt noch ein Muskelrelaxans und wenig später erschlaffte die Muskulatur und der scharfe Spieß bohrte sich durch die Muskelschicht und das Bauchfell. Als der letzte Widerstand nachließ, zog der Operateur rasch das scharfe Innere des Spießes heraus und ersetzte es mit einer Optik, allerdings floss nun schon, kaum dass der Bauchraum eröffnet war, eine schmutzige, übel riechende Soße heraus, die der Assistent sich nun bemühte abzusaugen. „Bitte gleich eine Probe in die Bakteriologie!“ bat der Operateur und so wurden Abstriche gewonnen und erst danach verdunkelte man das Licht und sah nun nur noch über den Videobildschirm in das Innere des Patienten. Schnell machte man am Unterbauch noch zwei kleine Schnittchen und führte darüber die Arbeitsgeräte ein, was man nun gefahrlos unter Sicht machen konnte, denn man konnte nun Ben´s innere Organe, soweit sie innerhalb des Bauchraums lagen, inspizieren, aber binnen Kurzem war klar, wo das Problem lag-Ben hatte eine Magenperforation und vermutlich war schon seit einigen Tagen scharfer Magensaft in sein Inneres geflossen, hatte eine schwere Peritonitis verursacht und auch das Netz und Fettgewebe angeätzt. „Verdammt-das war doch ein Stromunfall-da kann es immer zur Perforation von Hohlorganen kommen, warum hat man das denn übersehen?“ fragte der Assistent, aber der Chirurg und der Narkosearzt starteten einen Erklärungsversuch.

    „Als der Patient eingeliefert wurde war er ja gerade reanimiert worden und beatmet. Da hat man freilich im Notfall-CT und im Ultraschall den Bauch angesehen, aber das winzige Löchlein war da noch nicht zu entdecken. So ist da eben jeden Tag mehr und mehr Magensaft ausgelaufen, vielleicht hatte sich auch zunächst ein Stück Netz über die Perforationsstelle, die ja nun wirklich nicht groß ist, gelegt. Er hatte zwar sicher Schmerzen, aber durch das Kompartmentsyndrom waren eben andere Schmerzen weit schlimmer, so dass er das auch nach der Extubation niemand gesagt hat. Freilich hätte man, wenn man ihn täglich gründlich von Kopf bis Fuß durch untersucht hätte, eine Abwehrspannung im Bauch feststellen müssen, aber das wurde wohl versäumt. Jetzt hat der Körper mit Exsudatbildung und einer Verschiebung der Flüssigkeit in den Bauchraum reagiert-wenn wir Glück haben wird er uns nicht komplett septisch, aber wir können jetzt eigentlich nichts weiter tun, als die Perforationsstelle zu übernähen, den Bauch zu spülen und dann eine kleine Vakuumpumpe anzuhängen, die das Sekret absaugt, das sich sicher weiter bildet, als Entzündungsreaktion. Im Augenblick halte ich es für unnötig den Bauch komplett aufzumachen und morgen oder übermorgen müssen wir sowieso den Schwamm wechseln, dann sehen wir uns das Ganze nochmals an!“ beschrieb der Chirurg sein weiteres Vorgehen und der Narkosearzt presste so schnell es ging, einen Liter Flüssigkeit nach dem anderen in seinen Patienten. Der Darm stand durch die peritoneale Reizung natürlich auch total still-jetzt war auch klar, warum das Klistier keine Wirkung gezeigt hatte, obwohl der Darm durchaus gefüllt war, wie man von außen sehen konnte.

    Der Operateur ließ sich Nadel und Faden anreichen, fasste die geschickt mit einem Fasszängchen, das durch Ben´s Unterbauch in sein Inneres ragte und während der Assistent die Optik festhielt, packte der Operateur mit dem zweiten langen Instrument das Gewebe und begann eine saubere Naht über das Loch im Magen zu legen. Ja die Routine in den endoskopischen Techniken machte heute viele ausgedehnte Operationen unnötig, man vermied große Bauchschnitte und die Patienten waren schneller wieder fit. Zuletzt wurde noch ein Scherchen durch den Arbeitskanal geschoben, mit dem man die Fadenenden abschnitt und dann spülte der Chirurg mit fast zehn Litern Ringerlösung den kompletten Bauch und der Assistent saugte ab, damit die schädigende Säure und die Bakterien momentan weg waren. Man sah Fibrinbeläge am Bauchfell, als Zeichen, dass der Prozess schon einige Tage ging und zu guter Letzt verschloss der Chirurg zunächst die beiden Arbeitskanäle am Unterbauch mit feinen Nähten und dann legte er einen speziellen Silberschwamm, der passgenau zugeschnitten wurde in Ben´s Nabelwunde. Darüber kam eine dichte Spezialfolie, worin ein Loch geschnitten wurde und auf das die Absaugung aufgeklebt wurde. Die angeschlossene Vakuumpumpe nahm ihre Arbeit auf und mit einem Sog von 120 mm/Hg zog sie die Flüssigkeit aus dem Patienten kontinuierlich in das 800ml-Gefäß der Pumpe. Der Silberschwamm zog sich der Körperform angepasst zusammen und so sah man von außen kaum mehr etwas von dem schlimmen Befund im Bauch des Patienten.
    „Sollen wir ihn nachbeatmen, oder wach werden lassen?“ fragte der Anästhesist den Operateur. „Gut-er muss zwar morgen oder übermorgen bereits wieder in den OP, je nach Exsudatmenge, aber bisher hat er pulmonal meines Wissens keine Schwierigkeiten gemacht-lass ihn doch wach werden!“ überlegte der Chirurg und der Anästhesist nickte. Er nahm sein Gas raus und wartete, bis allmählich Ben´s Eigenatmung einsetzte. So schlug wenig später ein noch sehr müder, immer noch instabiler, aber immerhin lebender Ben die Augen auf und ließ sich ohne Gegenwehr den Tubus aus dem Hals ziehen.

    „Die Magensonde bleibt als Drainage auf Ablauf, wegen der Peritonitis und dem paralytischen Ileus können wir ihn sowieso nicht ernähren, er kommt jetzt zurück auf die Intensiv und wir hoffen, dass die Kollegen gut auf ihn aufpassen!“ sagte der Chirurg, der sich schon ausgezogen und die Hände erneut desinfiziert hatte. So wurde die Intensiv zur Abholung angerufen und wenig später fuhr ein noch benommener Ben zurück in sein Zimmer.

    Jetzt habe ich lange überlegt, ob ich zu dem Thema etwas schreiben sollte, denn als Alarm für Cobra11-Fan der ersten Stunde und Tom Beck-Fan, wobei man sich hier zwar inzwischen in der Minderzahl befinden, aber trotzdem wohl fühlen kann, ist man gerade aktuell in einem gewissen Dilemma. Witzigerweise hat mein Mann das auch in Worte gefasst, was auch ich empfinde-mir und ihm haben die meisten Tom-Beck-Folgen sehr gut gefallen und Gedeon und auch Chris waren uns zuvor zu düster. Punkt. Das muss man auch einfach so stehen lassen, finde ich, denn über Geschmack kann man zwar trefflich streiten, aber den des Gegenüber zu ändern funktioniert in den seltensten Fällen.
    Dazu muss ich sagen, dass ich auch René Steinke-Fan bin, der mir über Jahre einfach nach Tom Beck am Besten gefallen hat. Aber das ist einfach nur mein persönliches Ranking.
    Vinzenz hat in meinen Augen einen klasse Job gemacht, er kam sehr authentisch rüber und hat seine ernste Rolle jederzeit so gespielt, wie die Regisseure und viele hier im Fanclub das sehen wollten und das finde ich sehr professionell von ihm, vor allem weil man auch erfahren hat, dass er eigentlich privat ein wesentlich lockererer Typ ist, als die Rolle, die er bei der Cobra verkörpern durfte. Ich fand die Folgen gut gemacht, spannend, mitreissend, die Backstory und der durchgehende Handlungsstrang waren sicher eine super Idee, aber tut mir leid-bei mir ist der Funke nicht über gesprungen und ich wollte das so, hatte aber nie das Gefühl, eine Folge ein zweites Mal anschauen zu wollen, was ich bei manchen alten Folgen wieder und wieder tun kann.

    Trotzdem finde ich es sehr schade, dass Vinzenz einfach so abserviert wurde-sowas tut man nicht! Auch ich hätte mir gewünscht, dass man der Figur, wie einige von euch vorgeschlagen haben, mehr Leichtigkeit gibt, was ja für nen Storyschreiber und nen professionellen Schauspieler, der er ist, kein Problem darstellen dürfte, aber auch ich denke, dass sich RTL nur nach Einschaltquoten richtet und sicher hat Tom Beck von denen auch ein gutes Angebot bekommen. Wer weiss, wie er sich entscheidet-immerhin wäre er zu den Dreharbeiten meist fest in oder um Köln, hätte ein festes Einkommen und immerhin wohnt er ja noch in der Wohnung, die er vom Sender, oder von Action Concept zur Verfügung gestellt bekommen hat, keine Ahnung ob sowas eine Rolle spielt. Und seinen Traum von der Familiengründung könnte er sich so einfacher erfüllen, als wenn er die meiste Zeit des Jahres auf Achse ist, auch wenn Cobra-Drehen sicher schwere Arbeit und sehr zeitintensiv ist, aber auch Erdogan schafft das.

    Tom hat als Sänger leider bisher nicht den großen Durchbruch erreicht, obwohl ich es ihm natürlich wünschen würde, aber er ist als Schauspieler gut nachgefragt. In welche Richtung er sich entscheidet-keine Ahnung, vielleicht gibts auch eine Rückkehr auf Zeit, bevor er endgültig stirbt, denn nur das wird die Figur Ben Jäger auslöschen und die Fans zum Verstummen bringen. Ich bin gespannt, aber die Grabenkämpfe auf Twitter, Facebook etc sind mir echt zu blöd, wie viele Tom Beck Fans ebenfalls-mit denen möchte ich nicht in einem Satz genannt werden-also auch hier ist Differenzierung angesagt. Und wie man sich immer wieder in Erinnerung rufen muss-das ist eine TV-Serie, nicht das Real Life. Hier wird ne Menge Geld ausgegeben und verdient und auch anderswo werden tolle Projekte einfach eingestellt, wegen mangelnder Nachfrage-z.B. der Bürgerbus in unserer Gemeinde nur so als Beispiel. Geld regiert die Welt und für RTL und die Programmverantwortlichen sind einfach die Einschaltquoten das Wichtigste, unabhängig von der Qualität der Sendungen.

    Ach Mann-freilich kann ich Jenny schon verstehen, dass sie neugierig ist und mehr über ihren Partner erfahren möchte-aber das tut man einfach nicht-in den Privatsachen des Partners schnüffeln! Ich wäre stocksauer, wenn mein Mann das täte ( ok, darum habe ich alte Liebesbriefe von seinen Vorgängern, von denen ich mich nicht trennen kann-den Briefen nicht den Vorgängern :D auch noch bei meiner Mutter in ner Schublade aufbewahrt :whistling: )
    Jenny erfährt so zwar etwas über Kevin, aber es wäre besser gewesen, wenn sie das von ihm selber erfahren hätte, oder sie den Karton gemeinsam geöffnet hätten. Wenn Kevin jetzt in diesem Moment aufwacht und sie ertappt, dann war es das vermutlich mit den beiden-ein hoher Preis für zugegeben weibliche Neugier! :(

    Semir starrte entsetzt zum Nachbarbett, während sich das Zimmer plötzlich mit Schwestern füllte und dann auch der hinzu gerufene Arzt dazu kam. Man hatte zunächst die Decke weg gerissen, das Bett in Kopftieflage gebracht und versuchte herauszufinden, warum der Blutdruck des jungen Polizisten plötzlich lebensbedrohlich abgesackt war. Sein Herz schlug zwar noch, aber es jagte mit einer Frequenz um die 200 vor sich hin. Der Notfallwagen wurde gebracht und der Arzt ordnete zunächst einmal einen Liter Infusion im Schuss an und eine Ampulle Akrinor, was die Gefäße dazu bringen sollte, sich eng zu stellen, damit der Körper wieder einen Blutdruck aufbauen und die lebenswichtigen Organe, allen voran das Gehirn, mit Sauerstoff versorgen konnte. Kaum war das Medikament gespritzt, begann der Blutdruck wenigstens ein bisschen anzusteigen und Ben fing an sich ein wenig zu regen, was Semir mit Erleichterung erfüllte. Immerhin lebte er also noch, denn ansonsten war Semir´s Blick zum Bett seines Freundes von dem ganzen medizinischen Personal verstellt. Der Arzt zog nun Ben´s Augenlider nacheinander nach unten und prüfte die Pupillenreflexe, die Gott sei Dank in Ordnung waren.

    „Herr Jäger-sehen sie mich an!“ sagte er laut und im Befehlston und tatsächlich-obwohl ihm immer noch total schwindlig war, schaffte es Ben seine Augen bewusst zu öffnen und den Arzt verwundert an zu schauen. Dann zog er allerdings die Beine ein wenig an den Leib und fasste unbewusst nach seiner Körpermitte, wo ein entsetzlicher Schmerz tobte. Der Arzt hatte mit routiniertem Blick die Bewegung erfasst und fragte: „Darf ich mal?“ während er ohne eine Antwort auf die eher rhetorische Frage zu erwarten, nun den Bauch seines Patienten betastete und den so zum Aufstöhnen brachte. „Bring mir bitte jemand das Ultraschallgerät!“ bat der Arzt jetzt das Pflegepersonal und wenig später stand das Gerät im Zimmer. „Seit wann haben sie solche Bauchschmerzen?“ fragte der Arzt nun in strengem Ton, denn Ben war schon wieder dabei abzudriften, denn erneut sank der Druck, weil die Wirkung des Akrinors nachließ. „Ich weiss nicht!“ murmelte Ben, bevor er wieder die Augen verdrehte. „Hängt bitte Noradrenalin an und er braucht Volumen, viel Volumen!“ sagte der Arzt und die Schwestern stellten alle Infusionen bis auf die Trägerlösung für das Adrenalin so schnell wie möglich. Eilig hatte man einen Perfusor mit dem lebensrettenden Medikament aufgezogen und angehängt und gerade kontrollierte der Arzt mit dem Sonographiegerät Ben´s Bauchraum, da kam der wieder zu sich. Semir konnte gerade einen Blick auf das käsebleiche, Schweiss überströmte Gesicht seines Freundes erhaschen, dessen dunkles Haar feucht an seinem Kopf klebte, da jammerte der wieder auf und versuchte den Schallkopf von seinem Bauch weg zu schieben, der ihm solche Pein bereitete, denn so ganz orientiert war er gerade nicht. „Halt mal einer die Hände fest, ich muss mir einen Überblick verschaffen!“ sagte der Doktor und eine Schwester drückte nun Ben´s Hände nach unten, während der geübte Untersucher das graue Gewaber auf dem Bildschirm gebannt betrachtete.

    „Verdammt-wir haben eine Perforation übersehen, im Bauch ist viel freie Flüssigkeit-ich werde sofort die Chirurgen verständigen!“ fluchte der Arzt verhalten und Semir gefror nun beinahe das Blut in den Adern, als er das hörte. „Ist das schlimm?“ stotterte er fragend und nach kurzer Überlegung antwortete der Arzt: „Sogar sehr schlimm-ich hoffe, dass wir ihn retten können!“ und dann lief auch schon die Maschinerie an, die vielleicht Ben helfen konnte.
    Der Chirurg , der Bereitschaftsdienst hatte, war aus dem Ruheraum geholt worden und stand Minuten später neben dem Bett. Auch er fasste nur kurz auf Ben´s bretthart gespannten Bauch und rief dann sofort im OP an: „Bitte alles für eine Notfalllaparoskopie vorbereiten-vielleicht müssen wir den Bauch auch aufmachen, aber erst einmal versuchen wir es so!“ sagte er dem diensthabenden OP-Koordinator, der sofort einen freien Saal mit dem zugehörigen Personal reservierte. Ein Anästhesist schleuste sich ein, ein chirurgischer Assistent und nachdem eine Patientenaufklärung in dessen Zustand sinnlos war, verzichtete man darauf und schob ihn eilig mit den notwendigen Infusionen, Perfusoren, Sauerstoff und dem Transportmonitor Richtung OP.
    Als man an Semir´s Bett vorbei fuhr, der völlig panisch auf seinen Freund sah und nun selber vor Aufregung wieder Atemnot verspürte, streckte er die Hand aus und berührte Ben am Arm. „Machs gut Mann-du schaffst es!“ sagte er mit Tränen in den Augen und als man Ben nun weiter fuhr, formulierte der mühsam die Worte, die ihm wichtig waren: „Pass mir auf Sarah und die Kinder auf, falls ich es nicht überlebe!“ bat er, während er seinen Kopf nun wieder zurück sinken ließ, den er kurz unter Schmerzen angehoben hatte und als das Bett nun um die Ecke gefahren wurde, hatte Semir Mühe damit, seine Tränen im Zaum zu halten. „Mach ich Ben-mach ich!“ flüsterte er und hoffte, dass er aus diesem Alptraum bald aufwachen würde.

    Sarah hatte nachmittags ziemlich viel Besuch, ihre Geschwister waren mit den Kindern vorbei gekommen, was einen ziemlichen Trubel verursacht hatte und auch Tim war lange da gewesen, weil Hildegard etwas erledigen musste, wo sie ihn nicht mitnehmen konnte und so war sie abends ziemlich erschossen und sah nur noch kurz bei Ben vorbei, der sowieso schon vor sich hin schlief. Er hatte immer mal wieder ein Schmerzmittel verlangt und die betreuende Schwester fand das wegen der riesigen Wundflächen durchaus normal und vertretbar, dass er da sofort etwas bekam. Und wenn er dadurch dann eben vermehrt müde war, war es auch egal-immerhin regenerierte sich der Körper im Schlaf und sie hatte ehrlich gesagt immer noch ein schlechtes Gewissen, weil sie sich den Anordnungen des Chefarztes gebeugt hatte und bevor das Kompartmentsyndrom festgestellt worden war, bei ihm mit Opiaten gegeizt hatte, was ihn sicher vor Schmerzen beinahe hatte wahnsinnig werden lassen..

    Semir machte fleißig Atemgymnastik und auch wenn das auf Dauer ziemlich anstrengend war, er würde alles tun, was die Ärzte anordneten, nur damit er bald wieder hier raus kam. Als Besucher war so eine Intensivstation schon recht, aber nicht als Patient! Abends ließ man ihn zum frisch machen kurz in die Dusche-allerdings mit Sauerstoff- aber er fühlte sich danach doch wieder besser und weniger verschwitzt. Im Vorbeigehen strich er kurz über Ben´s Schulter, der ein letztes Mal vor der Nacht gebettet und ebenfalls frisch gemacht worden war. Er wollte immer noch nichts essen und nicht einmal einen Schluck trinken und dämmerte die ganze Zeit nur vor sich hin, aber Semir wusste nicht wie er so daliegen würde, wenn er in dessen Haut steckte. So ein Stromunfall mit anschließender Reanimation war schließlich kein Zuckerlecken und sie konnten froh sein, dass er bei Sinnen war und seine Kinder selber aufziehen konnte und so wie es aussah auch mit zwei gesunden Händen und Füßen, wenn man den Ärzten Glauben schenken durfte, die das ziemlich gelassen sahen.

    So wurde es Nacht und Semir konnte heute sogar gut einschlafen, aber die letzte Nacht war für ihn einfach furchtbar anstrengend gewesen und die Behandlung und der ganze darauffolgende Tag nicht weniger. Ab und zu hörte er im Unterbewusstsein wie Ben leise stöhnte, aber der Schlaf umfing ihn wie Blei und er schaffte es fast nicht, seine Augen zu öffnen. Auch hatte er immer noch Fieber und war schwach, obwohl der Abszeß ja ausgeräumt war, aber die Lungenentzündung machte ihm trotzdem zu schaffen und so schlief Semir dann doch wieder weg, während Ben´s Herzfrequenz allmählich anstieg und sein Blutdruck sank.
    Die Schwestern hatten in der Nacht ziemlich viel Arbeit-ein Patient wurde mehrmals reanimiert und verstarb dann letztendlich doch und so fielen die Veränderungen, die ja langsam und schleichend kamen nicht so sehr auf. In den frühen Morgenstunden gellte plötzlich ein schriller Alarm von Ben´s Betttplatz und Semir stand sozusagen senkrecht im Bett, während die Schwestern ihre andere Arbeit unterbrachen und sofort zu ihrem jungen Patienten rannten, der plötzlich drucklos war und aschfahl bewusstlos in seinem Bett lag.

    Wenn man sich vorstellt, wie sich jemand fühlen muss, der nach vielen Jahren plötzlich von seinen Nachbarn an den Pranger gestellt wird, dann tut einem Semir schon leid! Aber auch ich glaube, dass mit ein wenig Agitation von rechts sowas schon möglich ist-zumindest sind die Leute erst mal verunsichert. Und das weiss man auch, wenn sich ein Mob bildet, dann werden Einzelne manchmal hemmungslos-der Gruppenzwang ist nicht zu vergessen.
    Aber ich fands gut, dass erst Ben nach dem Rechten gesehen hat und schon mal für seinen Freund gesprochen hat. Und als Semir jetzt dazu kommt und die verhasste Fahne abreisst und seinen Nachbarn Bescheid stößt, ist das eine Reaktion, die seinem Charakter entspricht. Mal sehen, ob sich seinen Nachbarn jetzt genieren, oder doch im Untergrund weiter gegen ihn agieren.

    Sarah war auch wieder hoch gelaufen, aber als sie sah, dass Ben in einem neuen Zimmer schlief, Semir´s Bett direkt neben dem seinen stand und der seine Hand hielt, überzog ein Lächeln ihr Gesicht. Ihre Kollegen hatten ihr Bescheid gesagt, dass Semir auf die Intensiv verlegt worden war, ohne dass sie eine Diagnose wusste und als Semir ihr nun leise erzählte, dass er bronchoskopiert und ein Abszess eröffnet worden war, erschrak sie bis ins Mark. „Mensch Semir-pass bloß auf dich auf und schon dich-sowas kann übel ausgehen!“ sagte sie betroffen und konstatierte gerührt, dass er sich trotz seiner selber sicher nicht fabelhaften Verfassung, so intensiv um Ben kümmerte. „Bei dem waren die Chirurgen da und er kann anscheinend den Anblick seiner Wunden immer noch nicht ertragen-auf jeden Fall war ihm ziemlich schlecht beim Verbandwechsel und er hat ein wenig meinen Zuspruch gebraucht!“ erzählte er und Sarah seufzte auf. Oh je, das würde noch was werden. Sie wusste, dass es starker Nerven bedurfte, so eine Fasziotomiewunde anzusehen und wenn es vielleicht jetzt auch nicht mehr so mega schmerzhaft war, wie vorher, aber das würde noch eine ganze Weile übel aussehen, da würde er sich daran gewöhnen müssen. Wenn er wach gewesen wäre, hätte sie ihm von einer weiteren Untersuchung von Mia-Sophie erzählt, die vorher gelaufen war und die wieder bewiesen hatte, dass mit ihr wenigstens alles in Ordnung war, aber so strich sie ihm nur kurz liebevoll übers Haar, was er aber gar nicht bemerkte und ging dann zurück auf ihr Zimmer zum Mittagessen.

    Nun kam der Arzt zu Semir, sein Bett wurde wieder auf seinen normalen Platz zurück gefahren und er bekam nun einen arteriellen Zugang in den Unterarm gelegt, damit man die Blutgase und auch den Blutdruck kontrollieren konnte. Wie das aussah und funktionierte, wusste Semir schon von seinem Freund, allerdings war das schon mehr als unangenehm, als der Arzt ein wenig in ihm herum bohrte, bis er grün vermummt endlich die Radialisarterie punktiert hatte und danach das Schläuchlein verklebt war. Wenn Semir allerdings daran dachte, wie weh dagegen Ben´s riesige Wundflächen tun mussten, schwieg er still-er war ja auch kein Pimpel und konnte schon was aushalten, außerdem war die Bronchoskopie wesentlich unangenehmer gewesen! Danach schnallte man ihm eine Nasenmaske auf, mit der er eine effektive Atemgymnastik mit einem speziellen Beatmungsgerät machen musste und während er die Luft konzentriert mit Druck in sich hineinströmen ließ, hörte er, wie Ben erwachte und die angebotene Suppe ablehnte. Das war merkwürdig, denn normalerweise war es die größte Angst seines Freundes, er könne verhungern und deshalb war er ständig am Futtern. Ihm selber hatte man erklärt, dass er vorläufig nichts zu essen bekommen würde und nur in kleinen Schlucken Wasser trinken dürfe, denn erstens wusste man nicht, wie die Pneumonie sich entwickeln würde und ob man nicht doch noch intubieren musste und außerdem war der Rachen auch noch von dem Spray betäubt, ein Verschlucken war also vorprogrammiert. So atmete Semir brav durch die Nase ein und aus, wie man ihn angewiesen hatte und hoffte, dass sich die Werte bald besserten und er wieder auf Normalstation, oder besser noch heim durfte.

    Nachmittags kam Andrea, die seit dem Anruf des Arztes am Morgen voller Sorge war, der man aber gesagt hatte, dass ein Besuch wegen der anstehenden Behandlungen erst später sinnvoll war. Sie hatte die Kinder bei einer Freundin untergebracht, denn die durften ja nicht mit auf die Intensiv, was bei beiden Tränen gekostet hatte, weil sie sich morgens noch unterhalten hatten, dass der Papa heute heim kommen würde und jetzt war plötzlich wieder alles ganz anders. „Was machst denn du für Sachen!“ sagte sie liebevoll und küsste Semir auf die Stirn. „Das wird schon wieder!“ sagte er tapfer und so lange Besuch da war, nahm die Schwester, die schon mehrfach die Blutgase kontrolliert hatte, die Maske ab. „Aber nachher geht’s weiter, Herr Gerkhan!“ ermahnte sie ihn und Semir nickte.
    Andrea war auch kurz an Ben´s Bett getreten, aber obwohl der kein Schlafmittel mehr hatte, lag der blass und teilnahmslos in seinen Kissen, hatte kleine Schweissperlen auf der Stirn und auch Andrea fühlte, dass er noch nicht über dem Berg war. Er bekam regelmäßig Schmerzmittel und das Antibiotikum, aber die OP hatte ihn wohl sehr mitgenommen, was ja doch verständlich war. Trotzdem lächelte er kurz, als sie ihm über den Arm strich, sagte leise und mit schwacher Stimme „Hallo!“ um dann die Augen wieder zu schließen und weiter vor sich hin zu dämmern. Sein Bauch tat weh, aber das war ja auch kein Wunder nach dieser ganzen Sache-er hatte sicher Sodbrennen, aber mit den Opiaten war das erträglich und so sagte er niemandem etwas davon-auch Semir hatte ja genügend mit sich selber zu tun!

    Ben lauschte in sich hinein. Er hatte immer noch Bauchschmerzen und wartete eigentlich auf das Rumoren, das eine Entleerung ankündigte, aber nichts rührte sich. Nach einer halben Stunde kam die Schwester und fragte leise, um Semir nicht zu wecken, ob er denn nicht langsam auf die Toilette müsste, aber er konnte nur verneinend den Kopf schütteln. Trotzdem setzte sie ihn vorsichtshalber auf die Schüssel, aber ohne Erfolg. Kaum war er wieder drunten und ebenfalls in einen leichten Dämmerschlaf gefallen, da standen plötzlich die beiden Unfallchirurgen, die ihn operiert hatten vor ihm.
    „Hallo Herr Jäger-wie geht es ihnen?“ wollten sie wissen und der dunkelhaarige Polizist riss erschrocken die Augen auf. Auch Semir war wach geworden, der sich aber schon viel besser fühlte. „Ich weiss nicht!“ antwortete Ben und beschloss, diesmal die Augen fest geschlossen zu halten, denn der Anblick der Wunden hatte sich tief in sein Gedächtnis gebrannt und er hatte Angst davor, sich das ein zweites Mal anzusehen. Außerdem war ihm sowieso schon schlecht und wenn er jetzt da nochmals hin schaute, würde ihm vermutlich das große Kotzen kommen. Also presste er nun tatsächlich die Augen zu und als die beiden Chirurgen nun gemeinsam die Tücher weg nahmen, stöhnte er auf, denn die waren teilweise angeklebt und während einer der Ärzte das Bein hielt, löste der andere den Verband von dem Gewebe ab, was sich anfühlte, als würde er die Haut mit entfernen. „Ab sofort halten wir die Wunde mit Ringerlösung feucht!“ ordnete der Mediziner an und seine betreuende Schwester, die mit frischen sterilen Tüchern bereit stand, nickte.

    „Ansonsten sieht es gut aus, Herr Jäger, das Gewebe ist rosig und gut durchblutet, zumindest hier am Bein-den Arm kontrollieren wir noch. Ich sehe keine Entzündungszeichen und die Schwellung hat ebenfalls bereits nachgelassen, ich denke, dass wir morgen damit beginnen können, die Wundränder täglich ein wenig zu adaptieren. Wir haben nämlich hier einige dicke Fäden angebracht, damit wir wissen, wie Haut an Haut gehört und wenn wir die nun jeden Tag ein wenig einander näher bringen, können wir vielleicht eine Hauttransplantation zur Deckung vermeiden, aber das werden wir sehen.“ referierte er und Ben hatte nun doch einen vorsichtigen Blick unter halb geschlossenen Lidern hervor riskiert, was er sofort wieder bereute. Verdammt-es sah immer noch genau so schlimm aus, wie er es in Erinnerung hatte und er konnte zwar neben der Wunde die dicken schwarzen Fäden, von denen der Arzt gesprochen hatte, erkennen, aber das half ihm auch nichts, denn nun war ihm wirklich nur noch schlecht, was er auch zwischen den zusammen gepressten Lippen hervor stieß. Die Schwester hielt ihm erst eine Schale vor und er würgte ergebnislos, während die beiden Ärzte nun die frischen sterilen Einmaltücher um das komplette Bein schlangen und diese gleich mit der keimfreien Spüllösung aus der Flasche, die ebenfalls bereit stand, befeuchteten. Die Schwester ließ kurz die Schale los und legte wasserabweisende Einmaltücher unter, damit das Bett nicht beschmutzt wurde und dann kam Ben´s Bein wieder auf das Lagerungskissen, damit die Gewebeflüssigkeit ablaufen konnte.

    Er würgte derweil weiter und schnell griff die Schwester, die sich gerade mindestens vier Hände wünschte, wieder mit ihren behandschuhten Händen nach der Schale. „Durch die Nase ein- und durch den Mund ausatmen!“ versuchte sie Ben abzulenken, damit er sich auf seine Atmung und nicht auf den Verbandwechsel konzentrierte, aber dem war nur noch hundeelend und er hyperventilierte, während die beiden Chirurgen nun noch den Verband am Arm erneuerten, was ihm zusätzliche Schmerzen bereitete. Die Schwester gab ihm einen Opiatbolus, woraufhin es ihm noch mehr übel wurde, sein Kreislauf rebellierte und als die Chirurgen nun das Zimmer verließen-die nächste OP wartete- überlegte sie schon, nach ihren Kollegen zu rufen, damit die ihr ein Medikament brachten, aber die holten gerade zu zweit einen Patienten aus dem OP und der dritte Kollege legte mit dem Stationsarzt einen ZVK, wie sie wusste.

    Da ertönte Semir´s Stimme aus dem Nebenbett, der die Situation und die gehetzten Blicke der Pflegekraft richtig einschätzte. „Schwester-fahren sie mein Bett neben das meines Freundes, ich werde ihn beruhigen und ihm beistehen!“ bat er und nach einem Blick auf ihren jungen Patienten, der nun kalt schwitzte und dessen Hände sich wegen der schnellen flachen Atmung schon zu verkrampfen begannen, pfiff die Schwester auf die Hygienevorschriften, stellte die Schale einen Moment weg und tat, um was Semir sie gebeten hatte. Die Kabel waren lang genug, ihr zweiter Patient war relativ stabil, auch wenn er nachher noch eine Arterie bekommen würde und auch noch Sauerstoff brauchte, aber die Leitungen reichten alle weit genug und so fühlte wenig später Ben, in dessen Kopf es zu brausen begonnen hatte und der gerade dabei war, sich in eine Panikattacke hinein zu steigern, die beruhigende Berührung Semir´s und der sprach mit fester, ruhiger Stimme zu ihm, auf die er sich jetzt konzentrierte und bereits bevor die Schwester mit dem Dimenhydrat-einem zentral wirksamen Medikament gegen die Übelkeit, auch bekannt als Vomex, das auch sedierend wirkte- zurück kam, war er ein wenig ruhiger geworden und seine Hände hatten begonnen, sich wieder zu entkrampfen. Er bekam nun noch das Medikament und jetzt fielen ihm die Augen zu, die Übelkeit ließ nach und die Schwester atmete auf, als sich die Werte am Monitor wieder normalisierten. „Danke Herr Gerkhan!“ flüsterte sie und Semir nickte lächelnd, der immer noch seinen Freund beruhigend berührte und ihm Nähe signalisierte. „Schon in Ordnung-ich denke sie können uns jetzt alleine lassen!“ flüsterte er zurück und als sie sah, dass Ben jetzt endgültig eingeschlafen war, machte sie das und eilte nach draußen, um ihren Kollegen bei der Versorgung des Neuzugangs zu helfen.

    Liebe Leser!
    Ihr werdet euch vermutlich gewundert haben, dass heute kein Kapitel von mir kam, aber da ist etwas viel Wichtigeres dafür zu mir gekommen! Als ich gestern nach dem Spätdienst vom Stall kam, habe ich ein kleines etwa drei bis vier Wochen altes Kätzchen gefunden-meine Nachbarn haben am Tag zuvor das Brüderchen adoptiert. Anscheinend gibts da keine Mama mehr und unser Krawallo-so hat ihn mein Mann getauft, hat so laut um sein Leben gebrüllt, dass ich das kleine, dehydrierte Wesen einfach adoptieren musste. Na gut-eigentlich hätte ich ja Abnehmer, aber mein Mann will ihn jetzt nicht mehr hergeben, nachdem er jetzt nach dem Tierarztbesuch Profi im Fläschchen geben und Augensalbe verabreichen ist. Nun gut, dann haben wir jetzt Katze Nr. Vier und ich kann euch nicht einmal morgen das nächste Kapitel versprechen, weil ich wieder Spätdienst habe und zuvor die Katzenversorgung organisieren muss. Ich hoffe ihr seid deswegen nicht sauer, aber das real Life geht einfach vor!
    Eure susan

    „Herr Gerkhan, sie bekommen von uns jetzt zuerst ein betäubendes Spray in den Rachen gesprüht, das nimmt den Würgereiz und wenn das dann wirkt, werde ich mit diesem dünnen Schläuchlein“ zeigte ihm der Arzt das Instrument „in ihre Luftröhre und so weit möglich die Bronchien sehen. Auf den CT-Bildern konnte man einen Abszeß erkennen, den versuche ich aufzuspüren und zu entlasten. Sie werden immer genügend Luft bekommen, auch wenn das Fremdkörpergefühl natürlich unangenehm sein wird und auch einen Hustenreiz verursacht. Den versuchen sie bitte so weit möglich zu unterdrücken und wenn es gar nicht geht, bekommen sie etwas zur Beruhigung-nur ganz schlafen legen können wir sie leider nicht, weil sonst die Schutzreflexe ausfallen und das dann gefährlich wird, wenn wir den Abszeß finden!“ erklärte er und Semir nickte ergeben. Was sollte er auch anderes machen? Die ganzen Komplikationen, die ihm der Arzt auf der Station aufgezählt hatte, machten ihm Angst und er wollte beileibe nicht sterben, daher blieb ihm nichts anderes übrig, als zuzustimmen und nachdem man das widerlich schmeckende Xylocainspray in seinen Rachen gesprüht hatte, unterschrieb er in der Wartezeit den Aufklärungsbogen und erlaubte so dem Arzt, den Eingriff vorzunehmen.

    Er war sowieso wegen der Luftnot in halb sitzender Position, man nahm nun die Sauerstoffmaske komplett weg und ersetzte sie durch eine Sauerstoffbrille, die das rettende Gas durch seine Nase strömen ließ, löschte das Licht und die Schwester hatte inzwischen den Turm eingesteckt und an die Vakuumsaugung angeschlossen. Kurz überlegte der Arzt, ob er einen Beißschutz einlegen sollte, denn das Instrument war teuer und ein Biss zerstörte die Glasfiberbündel im Inneren, aber da sein Patient sehr kooperativ und vernünftig wirkte, verzichtete er darauf. Semir atmete ergeben ein letztes Mal tief durch und sah zu Ben hinüber, der voller Bangen das Schauspiel betrachtete, ihm aber dennoch ein aufmunterndes Lächeln schenkte und den Daumen nach oben hielt, ein Zeichen, das Semir erwiderte und dann ging es auch schon los.
    Das Zimmer war jetzt verdunkelt und der Arzt schob nun das Bronchoskop in Semir´s Mund und navigierte es an der Speiseröhre vorbei in die vorne liegende Luftröhre. Ein kurzer Würgereiz überkam den türkischen Polizisten, der dann von einem Hustenstoß abgelöst wurde, den der Arzt geschickt ausnutzte, um die sich dabei öffnenden Stimmbänder zu überwinden.
    Man sah nun auf dem Videobildschirm oben am Bronchoskopieturm, dass die Bronchien völlig gereizt und entzündet waren, vermutlich von dem ätzenden Gas. Die Wände waren von zähem Schleim bedeckt, den der Arzt nun systematisch absaugte. Er kontrollierte erst den linken Hauptbronchus und folgte den Verästelungen, so weit wie möglich, saugte weiter, was Semir manchmal fast an die Kante brachte, weil sein Körper ihm eigentlich befahl, das Ding raus zu husten und wenn er sich nicht ständig unter Kontrolle gehabt hätte, hätte er schon lange nach oben gefasst und das Endoskop aus seinem Hals gerissen. Nur sein Verstand und seine Selbstbeherrschung hielten ihn davon ab und die Intensivschwester hatte wie beiläufig nach seiner Hand gegriffen, an der er sich jetzt beinahe ein wenig fest hielt. „Gut machen sie das, Herr Gerkhan!“ flüsterte sie ihm zu und Ben hätte am liebsten auch seine Hand ausgestreckt, um seinem Freund nahe zu sein, aber sein Bett stand eindeutig zu weit weg.

    Der Pulmologe und alle anderen die am Bett standen, hatten einen dichten Mundschutz an, der auch gegen Tuberkel undurchlässig war, denn man schützte sich da einfach routinemäßig und gerade Abszesse in der Lunge konnten auch bei einer Tuberkulose vorkommen, auch wenn die Blutuntersuchungen bei Semir bisher unauffällig gewesen waren. Nun arbeitete sich der Arzt an die Stelle vor, wo der Abszess sitzen musste und je näher er kam, desto röter und geschwollener wurde die Schleimhaut und Semir´s Hustenreiz nahm zu. Man spritzte ihm jetzt Codein, ein Präparat, das den Hustenreiz dämpfte und auch dem Betäubungsmittelgesetz unterlag, denn es war ein sogenanntes Morphiumderivat und bei Süchtigen sehr beliebt, aber für Semir wurde es dadurch leichter, auch wenn das nicht richtig beruhigend wirkte. Nun sah Ben, der, obwohl es ihm selber auch noch nicht gut ging, gebannt auf den Videobildschirm starrte, wie der Arzt jetzt eine Engstelle überwand, die den Bronchus nach unten hin systematisch abgeklemmt hatte und schon entleerte sich rahmiger Eiter, den der Arzt nun absaugte. Man hatte an die Saugung oben ein Bakteriologieröhrchen angeschlossen, wo gleich eine Probe direkt hineinfloss und nachdem die Schwester das dann entgegen genommen und mit einem sterilen Stöpsel verschlossen hatte, wurde nun die Abszesshöhle systematisch mit Kochsalzlösung ausgespült. Das war zwar für Semir sehr unangenehm und er hatte inzwischen die Augen geschlossen und konzentrierte sich nur noch auf die tröstende Hand der Schwester und versuchte an Andrea und seine Kinder zu denken, aber als der Weg wieder frei war, bekam er nun plötzlich besser Luft, denn die Atemoberfläche hatte sich nun vergrößert, weil der Teil der Lunge, den der Abszess abgedichtet hatte, nun wieder belüftet wurde.
    Endlich zog der Arzt das Instrument aus ihm heraus, das Deckenlicht wurde angemacht und der Arzt sagte: „So Herr Gerkhan-sie haben es überstanden und der Eingriff war erfolgreich. Ich hoffe, dass die systemische Antibiose jetzt ihr Übriges tut und wir die Pneumonie bald im Griff haben. Nachher sollten sie noch eine spezielle Atemgymnastik machen, aber jetzt ruhen sie sich erst einmal aus. Das Sekret geht in die Bakteriologie und von denen werden wir erfahren, ob wir mit der Antibiose richtig liegen, aber das kann ein paar Tage dauern. Ich wünsche ihnen jetzt eine gute Besserung!“ und damit zog er die Schutzkleidung und den Mundschutz aus, desinfizierte seine Hände und verließ, gefolgt von der Endoskopieschwester mit ihrem Geräteturm den Raum.

    Semir wurde noch mit einem kühlen Waschlappen auf die schweissnasse Stirn versorgt und Ben bekam jetzt von der Intensivschwester noch das angekündigte Klistier, aber er beklagte sich nicht-das war sicherlich weit weniger unangenehm als das, was Semir gerade hinter sich hatte. „Und geht´s?“ wollte er nun ein wenig auf der Seite in Richtung seines Freundes liegend, wissen und der nickte, schloss aber dann die Augen und wenig später verrieten regelmäßige Atemzüge, dass er eingeschlafen war.

    Oh je! Als erstes muss ich natürlich den Vertrauensbruch von Jenny bemänteln! Gut-sie hat den Karton sofort wieder verschlossen, aber ich hoffe jetzt, weil sie ja gesehen hat, dass da keine verderbliche Ware drin ist, dass sie den sofort wieder zurück stellt und Kevin dann auch davon in Kenntnis setzt, dass sie da den Deckel versehentlich gelüpft hat, ohne gründlich rein zu sehen. Hatte ich schon erwähnt, dass von meinem Mann auch so ein paar Kartons existieren, in die er aber nicht reingesehen hat , seitdem wir verheiratet sind (seit 1983) und ich werds auch nicht tun-Privatsphäre ist Privatsphäre!
    Dass Ben vor Hunger fast umkommt und erst nen Pizzaservice bemühen muss, um nicht auf der Stelle tot um zu fallen, kennen wir ja-ohne das Wissen über die Sturmfront würde mir zu diesem Kürzel auch nur Science Fiction einfallen, aber das passt in diesem Zusammnenhang wohl nicht so gut.
    Aber der wild gewordene Mob vor Semirs Haus macht mir Sorgen-große Sorgen! Jungs beeilt euch und seht nach, was da los ist!

    Als die Computertomographie des Thorax befundet und die Laborwerte da waren, kam der behandelnde Arzt mit ernstem Gesichtsausdruck zu Semir ins Zimmer. Der hatte wieder inhaliert, weil er das Gefühl hatte, er würde einfach nicht genügend Luft bekommen und ohne Sauerstoff ging gerade gar nichts. Außerdem fror der kleine Türke jetzt erbärmlich und hüllte sich mit klappernden Zähnen in seine Decke. „Herr Gerkhan-ich habe leider keine guten Neuigkeiten. Zunächst einmal hat sich bei ihnen eine Pneumonie entwickelt-vermutlich auch als Reaktion auf das Gas, das sie eingeatmet haben und leider Gottes ist direkt neben dem Hauptbronchus eine Abszesshöhle zu sehen, wo Lungengewebe vermutlich abgestorben ist und sich die Überreste eitrig zersetzt haben. Wir beginnen jetzt sofort mit einer Antibiotikatherapie und werden dann versuchen, im Rahmen einer Bronchoskopie die Abszesshöhle zu entleeren und zu spülen. Allerdings müssen sie dazu auf der Intensivstation überwacht werden, denn es kann jederzeit zu Komplikationen wie eines Pneumothorax bis hin zu einer Eiteransammlung im Pleuraspalt kommen, einem sogenannten Pleuraempyem. Wenn der Abszess größere Blutgefäße anfrisst, könnten sie sich verbluten und wenn es zu einer Einschwemmung in den Organismus kommt, dann haben sie eine Sepsis, also eine Blutvergiftung. Wir verlegen sie also sofort, beginnen mit der Antibiose und in etwa einer Stunde machen wir dann oben die Bronchoskopie, dabei wird ein dünnes Schläuchlein in ihre Luftröhre eingeführt und wir versuchen dann die Eiteransammlung aufzuspüren.“ erklärte er und der geschockte Semir wolle nur noch eines wissen: „Ist das ansteckend?“ denn mit Entsetzen dachte er an Andrea und die Kinder, Sarah, Ben und vor allem Mia-Sophie, die da ja wohl nichts entgegen zu setzen hatte.

    Der Arzt schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein-diese Art von Lungenentzündung ist nicht ansteckend, die ist eher im Rahmen einer Verätzung des Lungengewebes entstanden, das dann anfällig für Erreger aus der Mundhöhle und der Atemluft ist. Sie können also weiterhin Besuch empfangen und auch im Mehrbettzimmer liegen-wir haben sie auf der Intensiv schon avisiert-mal sehen, was die sich haben einfallen lassen!“ sagte er geheimnisvoll und nun packte die Schwester schon seine Sachen zusammen, der Arzt legte ihm einen Zugang und hängte das erste Fläschchen Antibiotikum an und mit Sauerstoff wurde er dann eilig auf die Intensiv gebracht-zufällig dieselbe, auf der auch Ben lag. Enttäuschung machte sich in Semir breit, als er an dem Raum vorbei gefahren wurde, in dem Ben lag, Mann jetzt wurde es schwierig mit den Besuchen, aber umso überraschter war er, als er in ein anderes Zimmer kam und ihn da schon jemand aus dem zweiten Bett anstrahlte, der gerade dabei war, Krankengymnastik zu machen.
    „Hallo Semir-die Schwestern haben mich gefragt, ob wir vielleicht zusammen liegen möchten, aber das andere Zimmer ist zu klein dafür, deshalb wurde ich um geschoben-wie geht´s dir denn?“ erkundigte sich Ben und trotz aller Sorge und Verwirrung musste Semir jetzt unter seiner Sauerstoffmaske lächeln. Wenn schon Intensiv, dann wenigstens gemeinsam-und gleich fühlte er sich besser. Der verlegende Arzt machte noch Übergabe an den Stationsarzt, kündigte den Besuch des Pulmologen in einer halben Stunde an und sagte zu Semir: „Ich werde ihre Frau anrufen und ihr mitteilen, dass sie verlegt wurden, jetzt wünsche ich ihnen alles Gute!“ und damit verabschiedete er sich und verließ gemeinsam mit der Schwester von Station den Raum.

    Die Intensivschwester reichte Semir nun ein Krankenhaushemd, half ihm sein Shirt auszuziehen und klebte Überwachungselektroden auf seinen Brustkorb. Der Blutdruckapparat wurde momentan um seinen Arm geschlungen und das erste Blutgas kapillär aus dem Ohrläppchen entnommen. Der Stationsarzt hörte nun Semir noch ab, kündigte an, ihm später eine Arterie zu legen und sagte dann zur Schwester: „Solange der Kreislauf stabil ist, brauchen wir keinen zentralen Venenkatheter, ich lege momentan auch keinen Wert auf einen Dauerkatheter, solange wir ihn anderweitig bilanzieren können. Wir geben erst einmal Infusionen, schreiben ein EKG und nachher, wenn die Bronchoskopie gelaufen ist, werden wir forcierte Atemgymnastik mit dem NIV machen!“ ordnete er an und die Schwester nickte. Semir war inzwischen wenigstens mit einem Arm in das Flatterhemdchen geschlüpft und am erleichtertsten war er, weil er keinen Blasenkatheter brauchte, er durfte sogar seine Unterhose anbehalten. „Hey das ist ungerecht!“ moserte Ben aus dem Nebenbett, wo der Physiotherapeut inzwischen aufseufzend die Krankengymnastik abgebrochen hatte. Sein Patient war abgelenkt, konnte sich nicht konzentrieren und lugte die ganze Zeit um ihn herum, um nach seinem Freund zu sehen. „Herr Jäger-ich komme morgen wieder und hoffe, dass sie dann mehr bei der Sache sind!“ sagte er, aber immerhin hatte er ihn jetzt schon trotz der Umschiebeaktion eine halbe Stunde behandelt und auch Lymphdrainage und Handgymnastik gemacht, was Ben sicher gut getan hatte. Aber jetzt konnte der nicht anders-sein Fokus galt seinem Freund im Nebenbett und kaum war das EKG bei dem geschrieben, kamen auch schon eine Schwester und ein Arzt mit dem sogenannten Bronchoskopieturm um die Ecke gefahren.

    Jetzt hatte ich doch zumindest am Ende der Geschichte mit einem kleinen Hoffnungszeichen gerechnet. Dass Mikael zumindest mit dem kleinen Finger gewinkt, Ben oder Eva fixiert hätte oder so, aber nun muss ich mich wieder in Geduld üben, was so gar nicht meine Stärke ist und abwarten, ob der junge Polizist wieder aufwacht, oder Pflegefall bleibt-wobei die Übergänge da bei Schädel-Hirn-Traumen manchmal fließend sind! Ja und lachen musste ich darüber, dass Ben den bewusstlosen Mikael jetzt voll labert, wohl wissend, dass der das gar nicht mag-na der soll einfach aufwachen und dagegen protestieren, dann hält auch Ben seine Klappe-wetten?

    Eva begleitet derweil Ben in die Psychologenpraxis, ja diese Frau haben wohl viele unterschätzt, aber die hat das Herz auf dem rechten Fleck und liebt Mikael wirklich! Und jetzt hoffe ich mal, dass die Ärztin Ben auch helfen kann, sein Trauma zu überwinden.

    Semir hat den Fall in groben Zügen abgeschlossen, aber da Westhof seine Helfershelfer ja immer noch deckt, bleibt auch da, wie im wirklichen Leben, doch noch etwas offen, aber immerhin kann Westhof jetzt niemanden mehr töten oder verletzen, das ist schon einmal gut!
    Auch mir hat der psychologische Touch der Story gut gefallen, die Charaktere waren gut beschrieben und sind mir inzwischen schon ein wenig ans Herz gewachsen, so dass auch ich hoffe, dass deine Reihe bald weitergeht!

    Als Semir am Morgen erwachte, fühlte er sich wie ausgehöhlt. Erstens hatte ihn das Beruhigungsmittel total ausgeknockt und dann meinte er auch Fieber zu haben und musste ständig husten. Als die Schwester mit dem Ohrthermometer kam, bestätigte sich das auch, es war zwar nur 38,5°C, aber Semir fühlte sich nicht sehr wohl. Er wurde angehalten zur Visite im Zimmer zu bleiben und das Frühstück wollte ihm auch nicht richtig schmecken. Gleich nach der Morgenmahlzeit kam der Oberarzt zu ihm, besah sich seinen Patienten, ließ sich die neuesten Komplikationen berichten und beim Abhören klang es nun auf einmal nicht mehr normal. So wurde ein Thorax-CT angemeldet, das im Laufe des Vormittags stattfinden sollte und Blut abgenommen. Nun rief Semir erst Andrea an, dass seine Entlassung gecancelt war, schlich dann kurz zu Sarah, um der Bescheid zu geben und sah schnell bei Ben vorbei, der gerade gewaschen wurde.
    „Und hast du den Schock verdaut?“ fragte er seinen Freund und der schüttelte wortlos den Kopf. Wenn er wach war konnte er an nichts anderes denken, als an den schrecklichen Anblick unter den Tüchern und hatte schon regelrecht Angst davor, wenn die gewechselt würden. Außerdem fühlte er sich insgesamt nicht wohl, hatte Bauchschmerzen, was aber kein Wunder war, denn er war ja seit dem Tag als Mia geboren wurde, nicht mehr auf der Toilette gewesen und man hatte ihm schon angekündigt, dass heute Abführmaßnahmen anstünden, was natürlich nicht zu seiner Begeisterung beitrug. Er hätte essen und trinken dürfen, aber er wollte überhaupt nichts zu sich nehmen, denn die latente Übelkeit ging einfach nicht weg.

    Als er dann aber seinen Freund näher ansah, bemerkte er, dass der auch nicht gerade wie das blühende Leben aussah und fragte ihn jetzt, was mit ihm los sei, während die Schwester noch das Waschzeug wegräumte und er die Rasur verweigert hatte. Verdammt, warum wollten die ihm nur immer an seinen Dreitagebart? Er stutzte den zuhause alle paar Tage mit dem Langhaarschneider, aber in der Zeit als er intubiert gewesen war, hatte man ihn, wie meistens im Krankenhaus, wenn er sich nicht wehren konnte, glatt rasiert. „Schatz, das wird gemacht, damit man den Tubus besser verkleben kann-außerdem wächst der Bart ja wieder!“ hatte ihm Sarah erklärt, als er sich deshalb beschwert hatte, aber trotzdem war das einfach nicht er, wenn er Wangen, glatt wie ein Kinderpopo, hatte.

    Jetzt aber richtete er seine Aufmerksamkeit doch auf Semir, der wirklich krank aussah. „Los jetzt sag schon was los ist und leg dich bitte danach sofort wieder ins Bett. Du siehst wirklich besch…. aus!“ bat er ihn und Semir, dem gerade wirklich nicht gut war, teilte ihm nur kurz mit: „Ich habe Fieber und Atemprobleme, da werden heute noch Untersuchungen gemacht!“ und dann musste er tatsächlich zurück ins Zimmer, brauchte Sauerstoff und lag nach Atem ringend, mit erhöhtem Oberkörper in seinem Bett. Verflixt was war nur mit ihm los?

    Sarah ging es heute ein wenig besser und sie konnte alleine zu Ben, wenn auch nicht lange. „Wie geht es dir?“ fragte sie liebevoll und strich ihm eine vorwitzige Strähne aus dem Gesicht. „Na ja!“ lautete die Antwort, aber als die Gegenfrage von Ben kam, musste sie lächeln. „Wie fühlst du dich und was machen meine kleine Prinzessin und der Prinz, den ich übrigens furchtbar vermisse!“ wollte er wissen und Sarah zog nun ihr Handy aus der Tasche ihres weiten Shirts und zeigte Ben ein paar Fotos, wo Tim seine kleine Schwester im Arm hielt und stolz grinste. „Ist das Antwort genug, was unsere Kinder betrifft?“ fragte Sarah und Ben nickte lächelnd. „Und mir geht es mit jedem Tag besser, ich muss eben den Blutverlust noch aufholen, was sicher noch einige Zeit dauern wird, außerdem habe ich das Gefühl, die hätten mich da unten zusammen gezurrt wie verrückt-das sage ich dir-im Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass wir jemals wieder miteinander ins Bett gehen könnten, aber das war nach Tim´s Geburt ja auch so und das hat sich alles wieder gegeben!“ berichtete sie ihm und Ben bestätigte jetzt, dass ihm gerade alle möglichen Gedanken durch den Kopf gingen, außer der Wunsch nach Sex.

    „Aber Semir macht mir Sorgen!“ berichtete nun Ben und sein Blick verdüsterte sich. „Der hat Fieber und kriegt schlecht Luft-ich habe ihn gleich wieder weg geschickt. „Oh-das habe ich gar nicht so richtig mitgekriegt, aber ich habe gerade gestillt, als er heute Morgen da war und da hat er nur kurz den Kopf zur Tür herein gesteckt und gesagt, dass er doch nicht entlassen wird und jetzt zu dir geht-ich hatte eigentlich erwartet, ihn hier noch anzutreffen!“ erzählte Sarah und nun machten sie sich plötzlich beide Sorgen um ihren Freund. „Du weisst ja noch gar nicht, dass er uns allen das Leben gerettet hat in dem Keller, denn der eine der Mönche hatte schon eine giftige Maulwurfspatrone gezündet, als Semir ihn tödlich getroffen hat. Er hat die dann gepackt und so schnell er konnte nach draußen befördert, aber sicher kommen seine Atemprobleme von diesem Giftzeugs, das uns sonst alle umgebracht hätte!“ erzählte sie ihm und Ben´s Herz floss nun nahezu über vor Dankbarkeit. Ihm selber hatte Semir schon mehrfach den Arsch gerettet, aber jetzt hatte er ihm auch noch das Leben von Frau und Tochter zu verdanken, wie konnte er das nur je wieder gut machen? „Sarah-wenn es bei dir irgendwie geht-könntest du nach unserem Freund sehen, oder dich zumindest bei deinen Kollegen erkundigen, ich mache mir jetzt echt Sorgen um ihn, so bescheiden, wie er vorher ausgesehen hat!“ bat Ben und Sarah nickte, bevor sie sich mit einem zarten Kuss, den Ben voller Liebe erwiderte, von ihrem Mann verabschiedete. Sie entschied, dass sie kräftig genug war, um auf der Inneren vorbei zu sehen, aber als sie an seine Zimmertüre klopfte, war der Bettplatz leer, gerade hatte man Semir zum Thorax-CT gebracht und sie knöpfte ihren Kollegen das Versprechen ab, ihr zumindest Bescheid zu geben, wenn er wieder zurück war, wenn sie schon über den Befund nichts sagen durften. So ging sie wieder auf ihr Zimmer zurück, war jetzt aber redlich froh, als sie sich wieder flach legen konnte. Auf die letzten Meter hatte sie schon das Gefühl gehabt, ihre Innereien zu verlieren, aber das war nach einer Geburt normal, das war bei Tim auch so gewesen und darum hieß es ja auch Wochenbett und da war man auch besonders schützenswert als Frau, was sogar der Gesetzgeber wusste und deshalb die mehrwöchige Schutzfrist danach eingeführt hatte.

    Bei Ben war nun noch vor der Visite der nette Krankengymnast eingetroffen und musterte ihn lächelnd. „Na Herr Jäger-hoffentlich können wir heute etwas machen und sie müssen nicht wieder in den OP, nachdem ich da gewesen bin!“ flachste er, aber mehr als ein leises Lächeln bekam er nicht von Ben, denn der machte sich gerade unheimliche Sorgen um seinen Freund-diesmal fühlte er ganz tief in seinem Bauch, was ja sonst eher Semir´s Part war, dass mit dem etwas nicht stimmte und er konnte jetzt nicht einmal bei ihm sein, was für ein Mist!