Beiträge von susan

    Der junge Pfleger war nach dem Spätdienst noch in einen Spielsalon, in dem er Stammgast war, zum Silvester feiern gegangen. Dort ging noch eine spontane Pokerrunde zusammen und als er gegen zwei nach Hause ging, hatte er 5000 € verloren und der Typ, der gewonnen hatte und der Innsbrucks Unterwelt angehörte, wollte bis spätestens nächste Woche sein Geld sehen, sonst würde er ihm alle Knochen brechen lassen. So wälzte er sich ein paar Stunden fast schlaflos in seinem Bett, um gegen neun wieder aufzustehen. Er hatte heute erneut Spätdienst, aber zuvor musste er diesen Jäger erledigen, sonst war sein Schicksal besiegelt, denn mit dem Innsbrucker Zuhälter war nicht zu spaßen-der hasste Ehrenschulden! Karsten hatte schon fieberhaft überlegt, wie er das anstellen sollte, aber ein richtiger Plan hatte nicht in ihm wachsen können-da gab es zu viele Unwägbarkeiten. Er würde sich auf den Zufall verlassen müssen und eigentlich hatte er schon oft Glück gehabt in seinem Leben-nur jetzt gerade hatte er eine Pechsträhne, aber die würde bald vorbei sein-immerhin hatte ein neues Jahr begonnen und wie hieß es immer so schön-neues Spiel, neues Glück!

    So machte er sich um zehn von seiner kleinen Ein-Zimmer-Wohnung in der Innenstadt auf ins Krankenhaus, zog sich um und ging dann schnurstracks auf die Intensivstation. Er durfte jetzt nur keinem von seinen Stationskollegen begegnen, die würden sich wundern, was er vormittags schon in Dienstkleidung im Krankenhaus machte, wenn er doch Spätdienst hatte, aber sogar dann würde ihm vermutlich eine Ausrede einfallen, er war da nicht auf den Mund gefallen. Auf der Intensiv angekommen, lief er erst wie zufällig am Zimmer, in dem dieser Jäger lag, vorbei und atmete dann auf. Der wache Patient neben dem war anscheinend verlegt, dafür schlief ein Beatmeter gut sediert vor sich hin. Der junge, blasse, gut aussehende Mann lag ebenfalls mit geschlossenen Augen in seinem Bett und schien zu schlafen-jetzt war die Bahn frei. Alle Intensivschwestern und Pfleger-klar die waren am Feiertag nochmals personell reduziert-waren in irgendwelchen Patientenzimmern und so öffnete der Pfleger einfach mal den Medikamentenkühlschrank. Gleich vorne dran bei A stand die Actilyse, ein Medikament, das die Blutgerinnung aufhob und das man normalerweise zum Auflösen von Blutgerinnseln verwendete, meist bei Schlaganfällen, Herzinfarkten oder Thrombosen und Embolien. Das wurde nach Körpergewicht dosiert und nun nahm Karsten schnell vier Packungen á 50 mg Alteplase, das waren die doppelten Einheiten, wie man sie therapeutisch bei einem Patienten von etwa 80kg, wie er diesen Jäger schätzte, mit Indikation einsetzen würde. Der Mann war frisch operiert-er würde sich verbluten, wenn er das Medikament erhielt und das Gute an der Sache war zudem noch, dass das ja zeitverzögert wirken würde-er wäre also schon lange wieder weg, bevor da irgendein Symptom einsetzte. Rasch nahm er noch mehrere große 20ml-Spritzen aus dem Spender und verschwand in einem Lagerraum, der selten betreten wurde. Er hatte während seiner Ausbildung, wo er zwei Monate auf Intensiv gewesen war, ein paarmal eine Lyse aufgelöst. Das Wasser und sogenannte Überleitungskanülen waren in der Packung. Man musste nur die Stöpsel der beiden Ampullen entfernen und dieses Überleitungsteil in der richtigen Reihenfolge einsetzen, dann schoss das sterile Wasser durch Unterdruck zum Wirkstoff und löste sich danach durch Schütteln auf. Normalerweise gab man nur eine kleine Menge als Bolus intravenös und der Rest lief als Perfusor über mindestens eine halbe Stunde, aber er würde natürlich die gesamte Überdosis dieses Medikaments, das gentechnisch hergestellt wurde, auf einmal injizieren. Als die vier Ampullen fertig aufgelöst waren, zog er das Medikament in die großen Spritzen auf, die er in seiner Kitteltasche verschwinden ließ. Die Ampullen wischte er gründlich ab, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen und versenkte sie in einem Glascontainer, der günstigerweise in diesem Vorraum stand. Nun trat er wieder auf den Flur und noch immer war keiner vom Personal zu sehen.

    So schlüpfte er in das Patientenzimmer und als Ben die Augen öffnete, beugte sich gerade ein junger Mann in weißer Pflegerkleidung und mit Einmalhandschuhen an den Händen über ihn, der ihn freundlich anlächelte. „Sie bekommen noch ein paar Vitamine von mir gespritzt, das hat der Arzt angeordnet, damit sie bald wieder auf die Beine kommen!“ erklärte er und hatte schon den Schraubstopfen vom ZVK gelöst und nacheinander mehrere Spritzen aufgesetzt und entleert. „Hören sie-kann ich nicht etwas zu trinken haben?“ fragte Ben, dem die Zunge vor Trockenheit am Gaumen klebte. „Soweit ich weiss nicht!“ sagte der junge Mann freundlich und steckte die nun leeren Spritzen wieder in seine Kitteltasche, was Ben verwundert konstatierte. „Aber warten sie-ich bringe ihnen etwas zur Mundpflege!“ sagte er diensteifrig und holte aus dem Pflegewagen im Zimmer Mundpflegestäbchen und drei Plastikeinmalbecher, davon einen mit Wasser gefüllt. „Sehen sie-da können sie ihren Mund befeuchten!“ zeigte er Ben und als nun der junge Pfleger, der für Ben und seinen unterkühlten Mitpatienten zuständig war, um die Ecke bog, bedankte er sich bei seinem Kollegen von Normalstation. „Mann-du machst gleich meine Arbeit, Karsten-Herr Jäger ich komme in Kürze zum Waschen und Betten zu ihnen- und du Karsten-was führt dich zu uns?“ fragte er und Karsten bat um einige unverfängliche Ampullen eines gängigen Medikaments, das angeblich auf seiner Station ausgegangen war und das ihm sein Kollege gleich aushändigte. „Dank dir nochmals für das Mundpflegeset bei meinem Patienten-Mann Karsten-willst du nicht bei uns anfangen? Du würdest dich doch wirklich eignen!“ fragte er noch und Karsten bekräftigte auch ihm gegenüber nochmals, sich das zu überlegen und verließ dann die Intensiv.
    Mann-das war knapp gewesen-wenn sein Kollege ein paar Minuten früher gekommen wäre, hätte er ihn auf frischer Tat ertappt, aber so konnte er sich rausreden, dass er nur Herrn Jäger auf seine Bitte hin den Mund ausgewischt hatte. Wenn er an dessen Laborwerte dachte, die er gestern natürlich im PC angesehen hatte, brauchte der nicht mehr viel Blut verlieren, um daran zu sterben-bis die das schnallten, war der schon bewusstlos und sonst gab es keine Zeugen. Und man konnte immer nach einer Operation eine Nachblutung erleiden, das lag in der Natur der Dinge!

    Ben hatte den Vormittag im Halbdämmerschlaf verbracht. Als Semir ihm zugeflüstert hatte, dass sie ihn nach Köln holen würden, war er froh gewesen, aber aktuell war er einfach nur müde und schwach. Kaum war Semir draußen, hatte man ein anderes Bett hereingefahren, in dem ein junger, völlig ausgekühlter, alkoholisierter junger Mann lag, der schwere Herzrhythmusstörungen wegen der Unterkühlung hatte. Er wurde vom Team der Intensiv fachmännisch versorgt, man intubierte ihn, er bekam- wie Ben- ebenfalls eine Arterie, einen ZVK und einen Blasenkatheter und als man ihn langsam erwärmte, bekämpfte man die Komplikationen, die vom Herzen ausgingen mit Medikamenten und dann sogar mehrmals mit einem Elektroschock, was Ben sehr beunruhigte, der das Ganze aus dem Augenwinkel verfolgte. Endlich so gegen neun war der Patient einigermaßen stabil und nun ließ man Ben und seinen Mitpatienten alleine im Raum. Ben hatte nicht gewagt, um etwas zu trinken zu bitten, obwohl er immer noch kurz vor dem Verdursten war, aber im Bett neben ihm ging es um Leben oder Tod-so viel war klar. Wenigstens hatte sein zuständiger Pfleger ihm immer wieder einen Opiatbolus aus dem Perfusor zukommen lassen, so dass er erstens keine Schmerzen hatte und zweitens ziemlich müde wurde. Er wurde erst wieder wach, als ein junger sympathisch aussehender Pfleger sich über ihn beugte, der allerdings weiße Kleidung und nicht blaue, wie die anderen Intensivmitarbeiter anhatte, aber das war Ben aktuell ziemlich egal. Der junge Mann spritzte ihm Vitamine und nachdem der nicht so gestresst wie die anderen wirkte, traute sich Ben, ihn um etwas zu trinken zu bitten. Das wurde ihm zwar nicht erlaubt, aber wenigstens konnte er jetzt mit der einen Hand, die nicht in einem Verband steckte, selber seinen Mund befeuchten und da war er sehr dankbar dafür.

    Sein zuständiger Pfleger hatte ihm zwar versprochen in Kürze zum Waschen und Betten zu ihm zu kommen, aber die nächste Stunde geschah mal wieder überhaupt nichts, nur eines war merkwürdig- Ben´s operiertes Bein begann zu spannen, ebenso wie seine Schulter und während er langsam schwächer wurde, begann seine Herzfrequenz allmählich anzusteigen und der Blutdruck zu sinken. Allerdings ging das so allmählich, dass man es kaum bemerkte und erst als gegen elf der Pfleger nun endlich mit einer Waschschüssel im Zimmer stand, fiel ihm die scheppernd aus der Hand und er starrte voller Entsetzen auf seinen Patienten, der blass in seinen Kissen lag- das Fußende des Bettes war ein einziger Blutfleck und auch im Katheterbeutel stand das pure Blut- und der anscheinend fast nicht mehr am Leben war.

    Um Himmels Willen! Die haben sich eine kleine private Gaskammer unter der Germania-Kneipe gebaut!
    Zuerst wird Semir grob misshandelt und bekommt ein Hakenkreuz eingeritzt, nur um dann in die kleine Tötungsstation gebracht zu werden. Hoffentlich haben die jetzt nicht auch noch Zyclon B organisiert, denn sonst kann ihm keiner mehr helfen!
    Aber kampflos hat sich unser kleiner sympathischer Türke wenigstens nicht ergeben-jetzt können wir nur hoffen, dass Ben und Alex da schon irgendwo um die Ecke sind, denn sonst hat Semir´s letztes Stündchen gerade begonnen zu schlagen! ;(

    Die Oma und Leon wurden gerettet-na Gott sei Dank-allerdings konnte Bruno deshalb fliehen und schnappt sich gleich sein nächstes Opfer, vergewaltigt und tötet es-wie schrecklich! Dieser Typ muss schnellstmöglich geschnappt werden, aber wie er selber sagt-bisher hat er das wirklich so eingefädelt, dass der betroffene Polizist um den es geht ( Semir?) noch keine Ahnung haben kann. Hoffentlich hat d demnächst jemand einen Geistesblitz, sonst muss der nächste hilfsbereite Mensch das mit dem Leben büßen!

    Jetzt läuft die finnische Poizei zu Höchstform auf. Alles ist wunderbar organisiert, man findet zwar erst auf Ben´s Tipp hin den Ort heraus, der in die Luft gejagt werden soll und dann wird auch zügig die Bombe entdeckt-bisher alles im grünen Bereich! Aber jetzt wirds spannend-die Bombe kann nicht in Kürze entschärft werden und deshalb bringen jetzt Antti und Semir-der da tatsächlich ziemlich viel Erfahrung in sowas hat ;( -wenn ich da so drüber nachdenke-die Bombe aus dem Stadtzentrum und wohin, wo nicht so viele Menschen sind. Mal wieder ein Himmelfahrtskommando für Semir, aber das ist er schließlich gewohnt! Der Gag mit dem Grillfest war gut :D , aber ich hoffe jetzt einfach, dass das gut geht und niemand bei dieser Aktion zu Schaden kommt!

    Wie jetzt? Schon zu Ende die Geschichte? Na ja-sie kann ja ins Unendliche weitergeführt werden, denn es ist immer möglich, dass Killernachschub aus Bolivien nachkommt. In Südamerika zählt ein Menschenleben nicht so sehr viel und Andreas Utzdorf kann seine skrupellosen Gene nicht verleugnen-der erzählt von den Ermordungen, als wenn er von der letzten Klassenfahrt berichtet! X(
    Allerdings hat ihn sein Schicksal ereilt und hoffentlich bleibt er noch viele Jahre Pflegefall und büßt so für seine Taten!

    Du hast in dieser Geschichte zumindest mich gehörig aufs Glatteis geführt, denn die beiden Fälle-Sophie und die Rachemorde hatten wirklich nichts miteinander zu tun-da habe ich bis zum Schluss immer noch auf einen Knalleffekt oder ne heimliche Querverbindung gewartet, aber das war halt wie im richtigen Polizistenleben-da bearbeitet man viele Fälle nebeneinander, die nichts miteinander zu tun haben, was aber für ne FF eher ungewöhnlich ist!
    Die Geschichte war nett zu lesen, ein paarmal waren große Emotionen drin, das habe ich dann aber auch gleich immer lobend erwähnt und Spannung war auch vorhanden, allerdings nicht immer-manchmal erschienst du mir als kühler Berichterstatter, gerade im Sophie-Teil, aber das ist eben deine Art.
    Nachdem ich mir ja ziemlich sicher bin, dass von dir wieder eine Geschichte kommt, bleibt abzuwarten, ob das mit der Rache weiter geht, oder ob das Thema damit ein Ende gefunden hat.

    Sarah lauschte während des Frühstücks mit offenem Mund, was den beiden Freunden bei der Schneeschuhwanderung und danach zugestoßen war. Semir hatte unter der Dusche getrickst-er hatte einfach eine große Plastiktüte um seinen Arm gewunden und die oben mit Gummiband festgezurrt-schließlich war das nicht die erste Verletzung am Arm, die nicht nass werden durfte-und jetzt war er sehr erfrischt. Als er dann allerdings-während die Kinder sich schon in der Spielecke beschäftigten- im Detail Ben´s Verletzungen und Behandlungen beschrieb, dazu noch, wie spärlich die pflegerische Versorgung war, von der Freundlichkeit mal ganz abgesehen, wie nachlässig die Schmerztherapie gehandhabt wurde und was bei Ben alles für offene Baustellen waren, da beschloss sie ebenfalls sofort, einen Transport nach Köln in die Uniklinik zu organisieren. So ein kleiner Ambulanzflieger war gleich gechartert und das mit der Arztbegleitung würde sie auch einfädeln-sie kannte schließlich genügend Notärzte, die das für sie-und natürlich gegen Bezahlung-machen würden. Eine Versicherung würde den Transport nicht übernehmen-erst wenn er von der Intensiv runter war und dann im Wagen, denn innerhalb der EU waren die medizinischen Standards ja genormt und Österreich bot dieselbe Basisversorgung wie Deutschland, also das war kein Verlegungsgrund für einen Intensivpatienten, aber das war egal-für diesen Zweck würden sie doch gerne ein wenig Geld ausgeben-es war ja nicht so, dass sie keines hätten!
    Wenn sie dann in Köln waren, konnte sie so oft sie wollte zu ihrem Mann, außerdem wäre da Hildegard in der Nähe, die die Kinder betreuen würde und so war dann Andrea entlastet und außerdem kannte man Ben in dieser Klinik sozusagen in-und auswendig und konnte ihm so sicher am besten helfen.

    So gingen sie nach dem Frühstück aufs Zimmer zurück und Sarah hängte sich mit Feuereifer ans Telefon. Wenn alles glatt ging, hatte sie Ben noch am selben Tag in Köln und sie würde mit dem Wagen nachkommen-auf die paar Stunden kam es dann auch nicht mehr an, dort wusste sie ihn gut versorgt. Sie dachte auch daran, den diensthabenden Oberarzt, der über den Neujahrstag die Stellung in Köln hielt und der auch einen Professorentitel vor seinem Namen trug, was in Österreich immer schon Eindruck gemacht hatte, anzurufen und erstens zu fragen, ob für Ben überhaupt ein Intensivbett frei war und zweitens, ob er sich schon mal mit den Kollegen aus Innsbruck kurz schließen könnte. Der versprach das schmunzelnd, konnte aber Sarah durchaus verstehen-er selber hätte seine Angehörigen auch so schnell wie möglich nach Hause geholt, natürlich nur, wenn es medizinisch vertretbar war, aber das konnte er ja erfragen, ob Herr Jäger transportfähig war. So läutete er wenig später durch und wurde auch auf die Intensivstation verbunden, wo er seinen diensthabenden Innsbrucker Kollegen zu sprechen verlangte. Der sei gerade beschäftigt, würde aber zurück rufen!“ bekam er Bescheid und dann hörte er erst einmal mehrere Stunden gar nichts.

    Sarah hatte inzwischen einen kleinen Ambulanzflieger gechartert-die Ausrüstung und das Personal stellte die Firma, die sich auf Patiententransporte innerhalb Europas spezialisiert hatte, den Notarzt dazu hatte Sarah engagiert, den kannte sie schon sehr lange und erfuhr auch noch von deren Mitarbeiter in der Zentrale, dass der Ambulanzflieger nur am Flughafen landen konnte und man für die drei Kilometer von der Klinik dorthin noch zusätzlich einen RTW brauchte, den man über die Österreichische Leitstelle dazu buchen musste. „Außerdem ist es sinnvoll, wenn der begleitende Notarzt den Patienten persönlich auf der Intensivstation übernimmt-das erspart viele Nachfragen!“ regten sie an-na klar, das war deren Geschäft und die machten den ganzen Tag auch nichts anderes. Sarah beschloss, den Arzt nach der Landung persönlich mit dem Wagen am Flughafen abzuholen und ihn zur Klinik zu bringen-vielleicht konnte sie dann Ben vor der Verlegung noch einmal kurz sehen.

    Wenigstens verging so die Zeit mit dem Organisieren-Andrea und Semir waren mit den Kindern ein wenig raus gegangen und Sarah war ganz überrascht, als es plötzlich fast Mittag war und sie Mia-Sophie zum Stillen bekam. Voller Ungeduld rief sie dann nochmals den Professor in Köln an-der hatte doch versprochen, ihr sofort Bescheid zu sagen, wenn er etwas von seinen Kollegen in Innsbruck erfahren hatte und eigentlich war das ein Mann, der sein Wort hielt. „Sarah-ich habe dort um Rückruf gebeten, aber der ist bisher noch nicht erfolgt!“ gab er ihr Bescheid, versprach aber, es gleich nochmals zu versuchen und sie dann sofort zu verständigen. Kaum hatte er aufgelegt, läutete Sarah´s Telefon. „Universitätsklinikum Innsbruck am Apparat-spreche ich mit Frau Jäger?“ hörte sie eine Stimme und sie bejahte. „Hier spricht Dr. Wenger, ich bin der behandelnde Arzt ihres Mannes auf der Intensivstation. Frau Jäger-ich muss ihnen leider mitteilen, ihrem Mann geht es sehr schlecht-wenn sie ihn noch sehen wollen, sollten sie sich beeilen und so schnell wie möglich herkommen!“ sagte er und Sarah wurde kalkweiss und hätte beinahe das Telefon fallen gelassen. „Was ist passiert?“ fragte sie tonlos, aber der Arzt hatte schon aufgelegt.

    Irgendwie bin ich ein wenig schadenfroh, denn Andreas hat sich zwar von seinem Onkel einwickeln lassen und war-wie sein Vater und natürlich alle anderen im Clan immer nur unschuldiger Mörder-äh, das sollte Mitwisser heissen, aber das befreit ihn deshalb nicht von seiner Schuld und die Gerechtigkeit hat in meinen Augen bei ihm gesiegt!
    Allerdings-tatsächlich, auch wenn Andreas niemanden mehr umbringen kann-der Arm des Clans reicht weit, aber das macht mir jetzt schon große Sorgen, denn sobald die einen eliminiert haben, rückt der Nächste nach!
    Da hat mir das Modell Vendetta, das es dann auch mal gut sein lässt, oder alternativ auch die Bibel-Auge um Auge, Zahn um Zahn besser gefallen!
    Aber was kann man dagegen tun? Bin gerade ein wenig ratlos!

    Jetzt muss ich mich mal kurz zu Wort melden. Diese Zustände, die ich in dieser Story beschreibe, herrschen leider auf vielen Intensivstationen, vor allem in den Städten. Die Bezahlung ist nicht der Clou, man wird ausgenutzt und nachdem ja, wenn in einem Krankenhaus jemand krank wird, immer jemand einspringen muss, um die Patienten zu versorgen, steigt die Arbeitsbelastung für alle anderen. Stellen können oft nicht besetzt werden, einfach weil jeder auch mal frei haben will und wenn du dann hörst, dass du als Vollzeitkraft nur vier freie Tage im Monat kriegst-wohlgemerkt mit Nachtdienst, drei Wochenenden sowieso arbeitest und das ganze eigentlich für Gotteslohn, denn witzigerweise sind in unserem Job geplante Überstunden-das sind manchmal bis zu 40 im Monat-keine entlohnungspflichtigen Überstunden, sondern werden über die Jahre gut geschrieben und irgendwann, wenn es dem Arbeitgeber passt, kriegst du die als Freizeitausgleich-manchmal kannst du dann in den Wintermonaten früher gehen, wenn die Station mal nicht ganz voll ist-machen viele einfach was Anderes.
    So herrschen genau solche Zustände in vielen Häusern und das Personal kämpft-wie die Patienten- ums Überleben, für Hygiene bleibt keine Zeit und für Mitgefühl irgendwann auch keine mehr. Dann arbeiten auf so eingeführten Intensivstationen wirklich oft solche Dinosaurier, die aber für Freundlichkeit und Patientenservice einfach keinen Nerv mehr haben, aber immerhin sie arbeiten-die wird die Klinikleitung auch bei Beschwerden nicht anrühren. Die Besuchszeiten werden in sehr vielen Kliniken rigoros durchgesetzt-da sind eigentlich die anderen Krankenhäuser eher Ausnahmen, aber das liegt wirklich und wahrhaftig am Personalmangel.
    Nur ein praktisches Beispiel aus einer Münchner Klinik aus eigener Erfahrung: Die siebzehnjährige Tochter von Bekannten war dorthin nach einem schweren Autounfall mit dem Hubschrauber verlegt worden. Sie haben mich nach einer Woche, als sie immer noch beatmet als Polytrauma auf der Intensiv lag, sozusagen illegal eingeschleust-ich bin plötzlich zur Pflegemutter avanciert-sonst hätte ich keine Chance gehabt, da rein zu kommen. Das Mädchen war seit dem sieben Tage zurückliegenden Unfall zwar sechsmal operiert worden, aber noch kein einziges Mal gewaschen. Ich habe das dann übernommen, aber das ging auch nur, weil eine sehr nette völlig überforderte Kollegin das genehmigt hat und mir eine Waschschüssel, Waschlappen und ein Handtuch gegeben hat. Sogar der Tampon, den sie vor dem Unfall benutzt hatte, lag noch.... Nur soviel zu Intensivpflege in Deutschland. Die medizinische Versorgung war allerdings allererste Sahne! Was ich sonst immer beschreibe ist, wie das in unserem Krankenhaus gehandhabt wird-da geht man noch zufrieden von der Arbeit heim und die Kollegen besuchen einen im Krank mit Geschenken-wir leben hier echt auf einer Insel der Glückseligen-fragt sich nur wie lange noch? Fakt ist allerdings, dass die Arbeitsbelastung überall steigt und die Bezahlung leider nicht-die Industrie biete da viel höhere Löhne! Und warum müssen die Schwestern die Bettplätze putzen? Sowas könnten sogar dressierte Schimpansen, oder eben Mitarbeiter des Reinigungsdienstes ohne fünfjährige Ausbildung, die dann vielleicht mit ein wenig weniger nach Hause gehen als unsereiner-oder putzt ihr in eurer Firma die Klos? Gut-das war jetzt vielleicht ein sozialpolitischer Post, aber ich wollte euch nur mal einen Anstoß geben zu überlegen, wie sowas zustandekommt! Trotzdem will ich Ben natürlich auch in Köln haben-aber wir werden sehen, ob das so einfach klappt! :D

    Manchmal geht doch nichts über eine kleine Erpressung :D , aber der Zweck heiligt die Mittel! Durch eine Drohung werden Kevin und Ben vom JVA-Beamten mitten in der Nacht zu Jerry gebracht. Der hat zwar sichtlich Angst um seinen ehemaligen Schützling, aber dennoch verrät er das Versteck der Sturmfront.
    Jetzt aber schnell und am besten mit ner Menge Verstärkung-sonst haben die Typen Semir vielleicht schon den Garaus gemacht, bevor unsere Freunde eintreffen!

    Infolge des ausschwemmenden Medikaments verlor Ben ziemlich viel Flüssigkeit und die Infusionen tropften nur im Zeitlupentempo vor sich hin, so dass er binnen Kurzem einen fürchterlichen Durst bekam. Auch der Blutdruck sank wieder ab, was die zuständige Schwester dann mit der Erhöhung des Noradrenalins beantwortete. Sie musste bald den Urinbeutel ausleeren, der ansonsten geplatzt wäre, aber es kümmerte sie wenig, dass Ben´s Lippen inzwischen vor Trockenheit regelrecht in Fransen hingen. „Kann ich irgendwas zu trinken haben?“ fragte er leise, aber die Schwester schüttelte wortlos den Kopf und ging wieder aus dem Zimmer. „Semir-ich könnte einen ganzen See austrinken!“ stöhnte Ben und Semir erinnerte sich mit Sehnsucht an die Kölner Klinik. Dort hatte man zumindest den Mund ausgespült, Lippencreme und Mundpflegestäbchen oder künstlichen Speichel verwendet, um das Durstgefühl zu verringern, aber davon hatten die hier anscheinend noch nie etwas gehört.
    Auch Semir hätte sich nach wie vor gerne frisch gemacht und die Erlaubnis des Arztes, dass er ebenfalls trinken durfte, hallte auch noch in seinen Ohren-aber niemand brachte ihm etwas, wobei er das jetzt nicht allzu dramatisch empfand, denn er hatte immerhin ausreichend Infusionen, was man von Ben nicht sagen konnte, dessen Flüssigkeitshaushalt inzwischen wieder in die andere Richtung kippte. Seine ansonsten gesunde Niere produzierte auf das Diuretikum wie verrückt Urin und nachdem nichts nachgefahren wurde, ging der Kreislauf immer mehr in die Knie, was man aber nur mit einer ständigen Erhöhung des Noradrenalins beantwortete. Ben´s Herzschlag beschleunigte sich infolge des Flüssigkeitsmangels, aber auch dagegen bekam er nur einen Betablocker gespritzt und fühlte sich fürchterlich schwach, zittrig und eben durstig. Und dann kamen die Schmerzen! Nach etwa sechs Stunden ließ die Spinale nach und wie der Operateur gesagt hatte, meldete er sich. Die Nachtschwester, die inzwischen die Versorgung der beiden neuen Patienten übernommen hatte, aber genau so mufflig und gestresst wie ihre Vorgängerin wirkte, versprach ihm zwar, ein Schmerzmittel zu bringen, aber dann kam es zu einem Notfall im Nebenzimmer und während dort reanimiert wurde, dachte keiner mehr daran, die restlichen Patienten ordentlich zu versorgen-sie fuhren aber auch in der Nacht mit dem absoluten Minimum an Personal und die Arbeit war tatsächlich eigentlich nicht zu schaffen.

    So lag Ben, als das neue Jahr anbrach und sie aus dem Fenster den dunklen Nachthimmel sehen konnten, der von allerlei Feuerwerk erhellt wurde, meist mit geschlossenen Augen, die Hände vor Schmerz zu Fäusten geballt im Bett und obwohl er eigentlich hätte schwören können, dass er keinen Tropfen mehr in sich hatte, lief ihm dennoch der Schweiß in Strömen herunter. Semir lag voller Mitleid im Bett daneben, hatte die kleine Leselampe angeknipst und war schrecklich unglücklich und auch aufgebracht deswegen. Er hatte es versucht, ein Schmerzmittel für Ben zu organisieren, hatte geläutet und gerufen, aber niemand reagierte und als endlich gegen ein Uhr-das Feuerwerk war inzwischen beendet- die Schwester einen Perfusor mit Piritramid brachte und Ben eine Dosis zukommen ließ, war der soweit, dass er sich vor Qual am liebsten aus dem Fenster gestürzt hätte. Das Pflegepersonal hatte natürlich um Mitternacht auch erst einmal mit alkoholfreiem Sekt anstoßen müssen und dann hatte man zunächst die wichtigsten Routinearbeiten nachgeholt-so ein Notfall vor Mitternacht war ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Endlich wurde es leichter mit den Schmerzen und als der zuständige Stationsarzt einen letzten Rundgang machte, ordnete er bei dem jungen Polizisten doch noch einen Liter Infusion an, um die Hämodynamik zu verbessern und so langsam wurde es auch leichter mit den Schmerzen, so dass Semir und Ben gegen drei endlich in einen unruhigen Schlaf fielen.

    Als die Frühschicht übernahm, wurden Semir und Ben von einem jungen Pfleger betreut, der zwar ein wenig netter war, als seine Vorgängerinnen, aber leider genauso überarbeitet. So bekam Ben zwar wieder ein Schmerzmittel, das ihn vor sich hindämmern ließ, aber ansonsten köchelte er sozusagen immer noch in seinem eigenen Saft vor sich hin. Semir wartete vergeblich darauf, dass jemand zu seinem Freund zum Waschen kam, statt dessen wurde ein dringendes Intensivbett für eine Alkoholleiche gebraucht, die völlig ohne Schutzreflexe und total unterkühlt in der Innsbrucker Altstadt aufgefunden worden war. So hörte der Stationsarzt Semir kurz ab, nickte zufrieden und sagte: „Wir können sie sofort entlassen, Herr Gerkhan. Sie können sich anziehen und ich schreibe nachher noch einen kurzen Entlassbrief. Warten sie bitte draußen in der Sitzecke, ich bringe ihnen den dann raus-alles Gute!“ und damit war Semir´s Intensivaufenthalt beendet. Zögernd schlüpfte er-schmutzig und hungrig wie er immer noch war- in seine verschwitzten Skiklamotten. Was sollte er nur machen-er konnte Ben doch nicht einfach alleine bei diesen Drachen lassen? Aber ihm blieb nichts anderes übrig als nach einer kurzen Verabschiedung zu gehen, denn man hatte sein Bett bereits weg gerissen, war nachlässig mit einem Desinfektionstuch über den Monitor und die Kabel gefahren und dann nötigte man ihn nach draußen. „Ben –alles Gute-ich hol dich hier raus und versuche zusammen mit Sarah deine Verlegung nach Köln zu organisieren!“ flüsterte er ihm zum Abschied ins Ohr und Ben nickte völlig erledigt kurz mit dem Kopf.

    So stand Semir morgens um sieben vor der Innsbrucker Uniklinik und versuchte Andrea´s Handynummer im Kopf zu rekonstruieren. Verdammt-die hatte erst eine Neue gekriegt, die konnte er sich einfach noch nicht merken und so bat er den Pförtner, ihn kurz zunächst nach Deutschland telefonieren zu lassen und hatte wenig später Susanne in der PASt am Telefon, die Neujahrsfrühdienst hatte. „Susanne-kannst du mir bitte Andrea´s neue Handynummer durchgeben?“ bat er und verwundert machte sie das. „Semir alles in Ordnung bei euch? Ich habe eure Handys gestern zu orten versucht, aber seitdem nichts mehr weiter gehört-ich freue mich deine Stimme zu hören, wie geht es Ben und warum wart ihr verschollen?“ fragte sie, allerdings fertigte Semir sie nun kurzerhand ab: „Susanne, das ist eine lange Geschichte-du erfährst sie in Kürze persönlich, aber ich blockiere hier anscheinend ne wichtige Telefonleitung-ciao, ciao!“ sagte er rasch, weil ihm der Pförtner bereits böse Blicke zuwarf und wählte dann Andrea´s Handynummer.
    „Schatz-ich bin soeben entlassen worden und stehe völlig mittellos vor dem Haupteingang der Uniklinik-kannst du mir bitte sagen, wo ich hinkommen soll?“ fragte er und Andrea schoss nun regelrecht in ihre Kleider und machte sich eilig auf den Weg zu ihrem Mann und holte den ab. Sie wollte ein Taxi nehmen, aber Semir winkte ab, als er erfuhr, dass es nur eine kurze Strecke zu laufen war. So stand er wenig später, erfreut begrüßt von seinen Töchtern, die gerade erst wach geworden waren, in der Dusche der Hotelsuite, wusch sich Ruß und Schweiß ab und als sie wenig später gemeinsam beim fürstlichen Frühstücksbuffet des Hotels saßen, erzählte er, was die letzten Tage geschehen war und vor allem wie es Ben ging.

    „Herr Jäger-was ist los?“ drang eine fragende Stimme in sein Ohr und sowohl der Anästhesist, als auch die Narkoseschwester hatten sich besorgt über ihn gebeugt. Ben rang verzweifelt nach Luft, die Sättigung war in besorgniserregende Tiefen abgefallen und mit einem Schlag hatte er Angst, auf der Stelle zu sterben. Die beiden Unfallchirurgen unterbrachen für einen Moment ihre Tätigkeit. „Können wir weiter machen, oder sollen wir euch helfen!“ fragten sie, aber der Anästhesist winkte ab. Eilig hatte man die Sonde in Ben´s Nase gegen eine Atemmaske ausgetauscht und den Sauerstoff auf 15 l hoch gedreht. Ein wenig besserte sich daraufhin die Sättigung und man hatte Ben´s Oberkörper noch ein bisschen weiter nach oben gefahren. „Ist die Spinale aufgestiegen?“ wollte einer der Chirurgen wissen, denn das kam zwar selten, aber doch immer mal wieder vor. Man musste dann den Patienten meist intubieren und unter leichter Sedierung ein paar Stunden beatmen, bis die Lähmung der Atemmuskulatur nachließ, allerdings wäre der Zeitpunkt ein wenig merkwürdig gewesen, denn das Stechen der Spinalen lag nun doch schon mehr als eine halbe Stunde zurück und meistens bemerkte man diese Komplikation schon sehr viel eher. Außerdem war das Medikament genau das richtige gewesen-eines das nach unten sackte und normalerweise rein physikalisch gar nicht aufsteigen konnte. Der Patient war die ganze Zeit mit leicht erhöhtem Oberkörper gelagert gewesen-eigentlich konnte gar kein Fehler vorliegen!

    Der Anästhesist ließ in Kürze die Diagnosen, die er von dem Patienten hatte, im Hinterkopf Revue passieren. Gut eine Schocklunge wäre möglich, chronische Lungenerkrankungen waren nicht bekannt, das hatte man präoperativ erfragt, blieb noch eine Komplikation infolge der Rauchgasvergiftung und als er sein Stethoskop zur Hand nahm und Ben´s Brustkorb abhörte, der sich mühsam mit jedem Atemzug hob und senkte und die ganze Atemhilfsmuskulatur dazu nahm, kristallisierte sich die Diagnose heraus, vor allem als Ben nun auch noch hustete. Er konnte gar nicht mehr aufhören zu husten und aus seinem Mund kam nun auch eine Menge leicht blutiger Schaum-es war ein Lungenödem! Infolge der zügig laufenden Infusion und weil Ben´s Organismus auch ziemlich am Ende war, wegen des Blutverlusts zu wenig Eiweiß in ihm war, das ein Wasserbindungsvermögen aufwies und auch wegen der vorausgegangenen Strapazen, hatte sich die Flüssigkeit in der Lunge angesammelt und konnte aktuell nicht oder nur schlecht abtransportiert werden. „Sofort die Infusion stoppen und bitte 40mg Furosemid!“ ordnete der Arzt an und fuhr Ben´s Oberkörper nochmals ein bisschen höher. Nachdem das ausschwemmende Medikament noch ein wenig brauchen würde, bis es wirkte, entschloss man sich, ihm zur Beruhigung und damit sein Leidensdruck nachließ, ein wenig Morphium zu geben und so erlebte Ben den Rest seiner OP nicht mehr völlig bei Bewusstsein mit, er merkte nur, wie es allmählich besser wurde mit der Luftnot und man dann auch den Sauerstoff wieder herunter drehen konnte. Der Urinbeutel füllte sich mit nach wie vor leicht blutigem Urin, aber als der erste halbe Liter ausgeschieden war, bekam er wenigstens wieder so einigermaßen Luft.

    Routiniert beendeten die Unfallchirurgen den Eingriff, machten mit dem C-Bogen intraoperativ noch einige Röntgenaufnahmen, um die korrekte Lage der neuen Platten und Schrauben zu kontrollieren und nach Hautnaht und Einlage zweier Redondrainagen öffnete man die Blutleere und wickelte einen straffen Kompressionsverband bis zum Oberschenkel um sein Bein. „Na da haben sie uns aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt!“ bemerkte der Chirurg als er nun ans Kopfende trat. Der hatte den Eingriff dank einer sehr großen Routine in Rekordzeit durchgeführt. Wenn man als Orthopäde und Unfallchirurg inmitten vieler Skigebiete arbeitete, waren Osteosynthesen das tägliche Brot und als Patient konnte einem eigentlich nichts Besseres passieren, als von so einem Arzt operiert zu werden. „Wenn die Spinale nachlässt werden sie Schmerzen kriegen-ich denke das wird ziemlich weh tun, denn wir haben den Knochen ganz schön bearbeitet-melden sie sich bei der Schwester bevor es richtig los geht, hier werden keine Tapferkeitsmedaillen vergeben!“ sagte er freundlich und schon hatte man Ben aus dem Saal gebracht und die Intensivstation zur Abholung angerufen.

    Semir wandte sich erleichtert um-er hatte gerade ein kleines Nickerchen gemacht-als das Bett seines Freundes wieder herein gefahren wurde. „Und wie geht´s dir? Wars schlimm?“ wollte er wissen, fing sich aber gleich erst einmal einen Anpfiff von der unfreundlichen Schwester ein. „Lassen sie ihn in Ruhe ausschlafen, er ist jetzt sicher noch nicht sehr gesprächig!“ pampte sie Semir an, während sie an Ben herum zog und zerrte, bis der nach ihren Vorstellungen korrekt im Bett lag. Sie tauschte die Sauerstoffmaske wieder gegen eine Brille aus und verließ dann stampfend das Zimmer. Als eine Weile Ruhe eingekehrt war und man vom Flur kein Geräusch mehr vernehmen konnte, sagte Ben leise: „Es hat zwar nicht weh getan, aber ich hatte fürchterliche Angst zu ersticken!“ erklärte er seinem Freund und der hätte jetzt nichts lieber getan, als auf einem Stuhl neben Ben Platz zu nehmen und ruhig seine Hand zu halten-irgendwie hatte er das Gefühl, das wäre jetzt genau das, was der junge Polizist brauchen könnte, aber er getraute sich das Pflegepersonal nicht zu fragen und so sagte er nur weich: „Ich bin da-Ben, sag mir, wenn du Hilfe brauchst!“

    Inzwischen war die Silvesternacht eiskalt und klar über Innsbruck herein gebrochen. Erste Raketen und Knaller stiegen bereits in die Luft, dabei waren es bis Mitternacht noch ein paar Stunden. Sarah hatte nochmals auf der Intensiv angerufen und sogar die Auskunft bekommen, dass Ben´s Operation gut verlaufen war-sie wusste zwar nicht was operiert worden war-sie vermutete das Bein- aber immerhin klang das schon mal wenigstens ein bisschen positiv! Sie gingen im Hotel zum Essen, wo ein wunderbares Silvesterdinner aufgetischt war-wie es in ihrem Skihotel auch gewesen wäre und worauf Ben sich schon tierisch gefreut hatte. Wer hätte sich das träumen lassen, dass der Start ins neue Jahr so voller Sorgen und Ungewissheit ablaufen würde? Aber trotz allen Kummers mussten sowohl Sarah als auch Andrea immer daran denken, dass Knut´s Familie nie mehr mit ihm Silvester feiern würde und so waren sie betroffen und demütig ganz still-immerhin lebten ihre Männer!

    Na ja-ich arbeite ja auch im öffentlichen Dienst und das schon seit 35 Jahren, allerdings fließen da noch mehr Dinge mit ein. Natürlich bewirbt man sich mit den vollständigen Unterlagen, kriegt dann einen persönlichen Vorstellungstermin, aber dann muss man im Krankenhaus zwei Tage( übrigens unentgeltlich) probearbeiten und erst danach entscheiden Stationsleitung, Pflegedienstleitung und Personalchef gemeinsam, ob derjenige eingestellt wird-allerdings nur, solange es genügend Bewerbungen gibt. Werden die rar geht das dann völlig ohne dieses ganze Brimborium-wer eine bestandene Weiterbildung in Anästhesie und/ oder Intensivpflege vorzuweisen hat, beginnt zum nächstmöglichen Termin und vor Ende der Probezeit wird dann entschieden-wird derjenige übernommen, bekommt er einen befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag ( Verhandlungssache) etc. Allerdings hat die Abteilungsleitung-vermutlich gleich zu setzen mit nem Revierleiter- da ein gewichtiges Wörtchen mit zu reden! Allerdings ist bei uns natürlich niemand verbeamtet und kann jeder auch eben mal schnell in eine andere Abteilung oder eines unserer Häuser versetzt werden-da kannst du nichts machen. Evtl. fährst du dann eben statt fünf km zur Arbeit plötzlich 50 km einfach. Ob man dann natürlich als hoch motivierter junger Mitarbeiter viel Lust auf die Arbeit im Altenheim z. B. hat, bleibt dahin gestellt-so wird das meist in öffentlichen Krankenhäusern, die vom Kreis getragen werden, geregelt! Da müssen die Mitarbeiter gar nicht zu Mobbing etc. greifen!

    Jetzt wird wieder ein Überfall gemeldet und Semir und Alex entdecken auch gleich den verdächtigen Wagen und nehmen die Verfolgung auf. Allerdings wird nun erneut ein unschuldiges Opfer in den Fall mit rein gezogen-dieser Bruno geht echt über Leichen und ich vermute, dass die Polizisten sich-wie es sich auch gehört-sich um die verunglückten Opfer kümmern-höchstens ein anderer nimmt ihnen das ab und sie können die Verfolgung aufnehmen. Obwohl-wir wissen ja noch gar nicht, ob dieser flüchtige Verbrecher überhaupt Bruno ist, oder vielleicht die Schutzgelderpresser? Hoffentlich überlebt die Oma-ich finde das so toll, dass die ihren Enkel betreut, damit die Tochter arbeiten gehen kann, das ist besser als jede Krippe!

    Dieter´s Abschiedsparty ist ziemlich zweigeteilt-die Wehmut Dieter´s, die Sorge von Jenny wegen dem neuen Partner und zuletzt auch noch die praktischen Überlegungen Hartmut´s zur Seekrankheit. Echt solche Brillen gibts? Das ist ja interessant-nur falls ich mal in See stechen sollte <X , wobei sich das bei uns in Bayern meist auf eine Dampferfahrt über irgendeinen bayerischen See beschränkt und da ist meist der Wellengang nicht so dramatisch :D , aber trotzdem gut zu wissen!
    Semir ist zwar noch gehandikapt, wird aber von Ben bestens versorgt-der passt schon auf, dass sein Freund nicht verhungert! Aber das mit dem Wegmobben war nicht nett-hat denn Semir da gar nichts mit zureden bei dieser Entscheidung-er ist doch jetzt Revierleiter?

    Schwere Kost das Kapitel heute. Ja das ist so nach Schädel-Hirn-Traumen, dass es manchmal quälend langsam voran geht und sogar stagniert. Ben hatte auch völlig andere Erwartungen an seinen Besuch, wollte Mikael in den Fall mit einbinden, ihm alles erzählen, aber der ist depressiv und hat genug mit sich und der Bewältigung der Vergangenheit zu tun. Außerdem tun weder sein Kopf noch sein Körper das was er will-das muss ganz schrecklich sein, sich in so einer Situation zu befinden. Hoffentlich geht es bald aufwärts und ja ich glaube auch, dass Ben das schafft den Kontakt zu halten und seinen Freund zu besuchen, auch wenn es ihn deprimiert-Semir wird ihn dabei unterstützen und er sollte es auch für Eva und Oskari tun, die sind nämlich die am meisten Betroffenen!
    Ich hätte Mikael allerdings wegen dem Streit und der Entschuldigung die Wahrheit erzählt, denn wenn irgendwann seine Erinnerung wieder kommt, wird er sich betrogen vorkommen!

    Ben sah sich um. Er war ja schon mehrfach in einem Krankenhaus operiert worden, aber da hatte er meistens entweder eine Narkose gehabt, oder war von irgendwelchen Betäubungsmitteln doch ein wenig müde und gedämpft gewesen. Jetzt hingegen war er hellwach, bekam alles mit, sah die grün vermummten Menschen, die metallenen, klappernden, glänzenden Instrumente, die grünen Tücher, seine Röntgenbilder auf dem großen Bildschirm an der Wand, mehrere fremdartige Geräte und hatte ehrlich gesagt ziemlich Schiss. Irgendwie war das schon viel besser, wenn man bei ner OP schlafen durfte und wenn man aufwachte war alles vorbei, aber die Erklärung des Arztes, dass eine Narkose für seine durch den Rauch geschädigte Lunge nicht gut wäre, hatte ihn überzeugt. Nun ja-inzwischen glaubte er den Ärzten wenigstens, dass er nichts spüren würde, denn nun war wirklich seine untere Körperhälfte wie ein Stück Holz und er konnte nichts mehr bewegen und spürte nur noch ganz entfernt Druck. So musste sich ein Querschnittgelähmter fühlen!

    Nachdem der Tisch in der Mitte des Saales auf dem steuerbaren Fuß fest arretiert war, clipste die Anästhesieschwester die Überwachungselektroden um, denn während der OP würde er trotz alledem mit dem Narkosegerät überwacht werden, das auch ein selbstständiges Protokoll mitschreiben würde, das nach der OP zu Dokumentationszwecken ausgedruckt wurde und ans Anästhesieprotokoll geheftet würde. Man gab ihm wieder eine Sauerstoffsonde in die Nase, denn ohne Sauerstoff waren seine Sättigungen nicht besonders gut. Das Noradrenalin floss in der selben Dosierung gleichmäßig in ihn hinein, die Infusion, die man inzwischen schon gegen die nächste ausgetauscht hatte, tropfte zügig und nun sah Ben zu, wie man ihm an den Oberschenkel des linken Beins eine Erdungselektrode klebte und dann zwei Mann anfassten, um um den Oberschenkel des kaputten rechten Beins eine breite Manschette zu legen und auch gleich die Vakuumschiene zu entfernen. Der OP-Pfleger rasierte nun noch das gebrochene Bein, wusch es ab und dann wurde die Manschette aufgepumpt, denn die OP würde in Blutleere stattfinden. Ben merkte nur den Druck, als sich die Manschette auf 300mm/Hg aufpumpte und dann wurde das Bein vom Pfleger gehalten und einer der Operateure strich es dreimal mit grell orangem Desinfektionsmittel vom Knie bis zu den Zehen ab, dann wurde es auf einem sterilen Tuch abgelegt und der Fuß in sterile Einmaltücher gehüllt und das Stück ab Mitte des Unterschenkels ebenfalls. Dann kam noch ein großes Steriltuch darüber und während sich nun die beiden Unfallchirurgen einander gegenüber aufstellten und die OP-Lampen mit sterilen Handgriffen justierten, war Ben mega erleichtert, denn jetzt hatte man um den sogenannten Narkosebügel, der seitlich am Tisch befestigt war, ein großes, ebenfalls steriles Tuch gebreitet, das sozusagen wie eine grüne Wand den sterilen OP-Bereich und den Bereich für die Anästhesie am Oberkörper trennte. Er hätte sonst ab sofort die Augen fest zugekniffen, denn einen Logenplatz bei der eigenen Operation einzunehmen, dazu taugten seine Nerven nicht. So aber konnte er zwar hören was gesprochen wurde und die Geräusche wahrnehmen, aber oberhalb des Bügels kümmerten sich der Narkosearzt, der auf seinem bequemen Stuhl Platz genommen hatte und die Narkoseschwester um ihn.

    Der Operateur ließ sich ein Skalpell anreichen und anhand der Röntgenbilder und der alten Narben, machte er zunächst einen Schnitt, ließ sich dann einen passenden Schraubenzieher geben und begann damit, zunächst die alten Platten zu entfernen. Nachdem die ganz schön festgewachsen waren, war das ein mühsames Unterfangen und man zerrte, zog, klopfte und riss ordentlich an Ben umeinander, dem es dabei ganz anders wurde. Er wartete immer darauf, dass es doch noch weh tun würde, aber so wie es aussah, hatte man ihm nicht zu viel versprochen-er hatte keine Schmerzen! Es klang wie im Hobbykeller, aber Ben musste sich sehr anstrengen, dass er an etwas anderes dachte, damit ihm nicht schlecht wurde. Dann allerdings hatte er plötzlich kein Ohr mehr für die Geräusche, obwohl inzwischen Bohrmaschinen liefen und das neue Metall, das die alte und die neue Bruchstelle stabilisieren sollte, eingepasst wurde, denn plötzlich bekam er ganz schlecht Luft. Die Sättigung sank und Ben begann mühsam zu atmen und hatte plötzlich fürchterliche Angst zu ersticken.

    Der junge spielsüchtige Pfleger sah in seiner Pause auf sein Handy. Er hatte eine Whats- App-Nachricht darauf. „Kümmere dich um Ben Jäger, finde heraus, was ihm fehlt und wenn er das Krankenhaus nicht lebend verlässt, bist du um 25 000 € reicher!“ stand da. Der Absender war der Mann, der den gut organisierten Schlepperring leitete. Karsten hatte seine Ausbildung vor zwei Jahren beendet und arbeitete jetzt in der Chirurgie. Durch seine Spielsucht war er immer in finanziellen Nöten und hatte so immer mal kranke Flüchtlinge gegen dessen Bezahlung mit geklauten Medikamenten aus dem Krankenhaus behandelt. Das funktionierte leichter als gedacht-er nahm die Medikamente nicht nur aus dem Schrank der eigenen Station, sondern stellte sich sehr geschickt an, indem er einfach auf allen möglichen Nachbarstationen vorsprach und dort-natürlich in Dienstkleidung- Medikamente, meist Antibiotika angeblich auslieh, weil sie auf seiner Heimatstation ausgegangen seien. Man gab ihm die und dann war die Sache erledigt, niemand dachte mehr daran. Bisher hatte er es vermieden mit Opiaten zu dealen, denn da war die Gefahr aufzufliegen viel zu groß-die wurden streng kontrolliert! Weil er während seiner Ausbildung ja auf vielen Stationen eingesetzt gewesen war, kannte er sich ziemlich überall aus, wusste um die Abläufe und konnte so das System unterlaufen. Bisher hatte sich seine Bezahlung immer so um die hundert oder zweihundert Euro bewegt, aber jeder Cent war ihm willkommen, denn inzwischen standen die Geldeintreiber der Spielsalons schon immer häufiger vor seiner Tür. Mit 25 000 € konnte er die ein für allemal bezahlen-wobei, er hatte da noch eine viel bessere Idee-da war am kommenden Wochenende ein illegales Pokerturnier-da würde er mit seinem Einsatz starten und gewinnen und seinen Gewinn vervielfachen! Wenn er es geschickt anstellte, konnte er die nächsten Jahre gut davon leben und deshalb stand er gleich nach seiner Pause am PC und suchte diesen Ben Jäger. Ah-der lag auf der Intensivstation, da musste er sich jetzt etwas einfallen lassen, um an den ran zu kommen!

    Semir dachte intensiv an Ben. Er selber merkte, dass er immer leichter Luft bekam und nach der Inhalation musste er auch deutlich weniger husten. Vermutlich würde er am nächsten Tag entlassen werden, aber was geschah dann mit seinem Freund? Ob der die Operation jetzt wirklich so völlig wach erleben musste, oder würden die ihm etwas geben, dass er ein wenig ruhiger wurde? Semir hatte den Eindruck gehabt, dass Ben die beiden furchtbar schmerzhaften Eingriffe in der Höhle sehr zugesetzt hatten, er würde es nicht nochmal aushalten, wenn man ihm weh tat. Hoffentlich war man im OP freundlicher zu ihm, als hier auf der Station. Mann jetzt wusste er es erst richtig zu schätzen, wie gut sie bisher immer in den Kölner Kliniken aufgehoben waren! So drehten sich seine Gedanken unentwegt um seinen Freund und er sah gar nicht, wie der junge Pfleger wenig später in das Zimmer spähte. Verdammter Mist-der Vogel war ausgeflogen, aber beiläufig fragte Karsten das Intensivpersonal ein wenig aus und es fiel gar nicht auf, denn er war ein hübscher junger Mann mit angenehmen Umgangsformen, beliebt bei Patienten und Kollegen-niemand hätte sich vorstellen können, dass er ein regelrechtes Doppelleben führte. „Mensch Karsten-wir haben so wenig Personal-kannst du dich nicht aufraffen die Fachweiterbildung zu machen und bei uns auf Intensiv zu arbeiten?“ fragte der ältere Pfleger, der schon wieder im Laufschritt unterwegs war. „Ich werde es mir überlegen!“ rief Karsten fröhlich und nahm das eingeschweisste Instrument, das er angeblich gefunden hatte und gedacht habe, es gehöre der Intensiv, wieder mit.
    Gut-das hatte er heraus gefunden: Sein Opfer war gerade im OP, es war nicht intubiert und hatte einen wachen Mitpatienten. Heute würde da nichts mehr gehen, aber vielleicht morgen? Er würde dran bleiben!

    Bruno hat die nächste Schandtat begangen und einen unbescholtenen Raststättenpächter nicht nur ausgeraubt, sondern auch noch angeschossen. Wusste der, dass die Kamera nur eine Attrappe ist, oder war es ihm egal? Aus dem heutigen Kapitel geht nicht hervor, dass der Täter maskiert oder kostümiert war, aber eben wegen der Puppe gehe ich schon davon aus, dass es Bruno war. Was mich allerdings stutzig macht-jetzt kennen wir doch schon so einige Namen, aber noch bei keinem unserer Helden klingelt irgendwas-haben die zuletzt doch nichts damit zu tun?
    Kleiner Kritikpunkt-ich vermute, du wolltest Bahre schreiben, aber nachdem du zweimal Barre zum Krankentransportgerät geschrieben hast, möchte ich das doch bemängeln. Natürlich wäre auch Bahre nicht völlig falsch, aber diese Bezeichnung wird heutzutage doch eher für das Transportmedium von Leichen verwendet-Trage oder Liege wäre unverfänglicher, auch wenn Bahre nicht völlig falsch ist. Aber als Barre kenne ich eher die Übungsstangen im Ballett oder den Gitarrengriff.

    Das ist das nächste schwere Erbe, das Dana da angetreten hat und das jetzt verkauft wird. Eine Erinnerung an ihre unbeschwerte Kindheit, die so ein jähes Ende gefunden hat. Ich fand dieses Kapitel beklemmend und auch wieder schön-jeder der erinnerungsbeladene Stätten aufsucht, die ihn an früher erinnern, kennt diese Gefühle. Was ich sehr schön finde ist, dass Dana Andrea hier mit dabei haben will-langsam wachsen die Gerkhans doch zusammen!

    Nachdem die Patienten versorgt sind und sowohl Semir als auch Antti rausgeschmissen wurden, sieht das fürs Erste schon mal gar nicht so schlecht aus!
    Ben hat nach drei Wochen ziemliche Sehnsucht nach Mikkael und macht sich sofort auf den Weg, den zu besuchen, während Antti und Semir in der Klinik bei Veikko bleiben. Tss,tss und bei dir ist Ben schon groß und braucht keinen Händchenhalter-das ist ja in meinen Story´s ganz anders! :D
    Diese Pläne die gefunden wurden zeigen sicher ein Gebäude, das nur Mikkael anhand seines Superhirns erkennen kann-Mann lasst den nicht so außen vor-der wird schneller gesund, wenn er helfen kann, aber ich vertraue da auch auf Ben! Und ich glaube-jeder der die Wege dieser Sekte kreuzt ist erst einmal in Gefahr!

    Im Anschluss ging Andrea ins Krankenhaus-obwohl sie fast nicht glauben konnte, was Sarah erzählt hatte und zunächst dachte, die hätte vielleicht etwas Falsches gesagt oder getan, was ihren Kollegen aus Innsbruck sauer aufgestoßen wäre, aber sie machte die selben Erfahrungen. Von der Pforte wurde sie zur Intensiv geschickt, aber auch sie wurde durch die Rufanlage kurz abgefertigt, dass sie morgen zur Besuchszeit kommen solle und da auch mit einem Arzt sprechen könne. „Richten sie meinem Mann dann bitte wenigstens liebe Grüße und gute Besserung aus-ist er denn überhaupt schwer verletzt?“ versuchte Andrea noch etwas zu erfahren, aber die Rufanlage war schon verstummt.
    Der ausgebrannte ältere Intensivpfleger, der den Türruf bearbeitet hatte, ging wieder an seine Arbeit, allerdings richtete er tatsächlich im Vorbeigehen Semir den Gruß aus. Der starrte die ganze Zeit voller Sorge auf den leeren Bettplatz neben sich und fragte dann: „Kann meine Frau nicht wenigstens kurz herein kommen?“ aber der Pfleger schüttelte den Kopf. „Wir haben hier sehr strenge Vorschriften-außerhalb der Besuchszeit dürfen Angehörige nur herein, wenn wir sie anrufen und der Patient im Sterben liegt-wir sind eh personell total unterbesetzt und die Angehörigen stören die Abläufe. Also seien sie froh, dass sie gerade keinen Besuch kriegen-das bedeutet, dass sie reelle Chancen haben zu überleben!“ sagte er mit einem Anflug von Humor und war auch schon wieder verschwunden.

    Semir seufzte auf und versuchte sich irgendwie abzulenken, um nicht die ganze Zeit an Ben zu denken, der schreckliche Angst gehabt hatte, als er in den OP gebracht worden war. Semir hatte versucht zu fragen, ob er ihn dorthin nicht begleiten dürfe, aber der vernichtende Blick der Schwester hatte ihm gereicht die gesagt hatte: „Jetzt schlägts aber dreizehn-so ein OP ist nicht für Publikumsverkehr geeignet!“ und dann Ben´s Bett gepackt, dem noch ein grünes Mützchen übergezogen hatte und gemeinsam mit einem jungen, etwas eingeschüchterten Assistenzarzt los gefahren war. Der junge Arzt hatte vorher bei ihnen beiden noch kurz die Aufnahmeuntersuchung gemacht, hatte aber auch nicht viel gesprochen und Ben nur kurz die Einverständniserklärung für die Spinalanästhesie unterschreiben lassen. Man konnte an seinem Dialekt hören, dass er aus Deutschland kam-ach ja-so konnte man mit einem schlechten Notenschnitt im Abitur doch ohne Wartezeit Medizin studieren, war Semir da eingefallen. Allerdings waren das sicher nicht unbedingt die schlechteren Ärzte, die eben den Numerus Clausus nicht erreichten-der hatte ja mit praktischer Eignung überhaupt nichts zu tun. Allerdings hatten auf dieser Station eindeutig die alten Hasen-ob von ärztlicher, als auch von pflegerischer Seite- das Sagen und es herrschte ein völlig anderer Umgangston als in der Kölner Uniklinik, oder auch im Marienkrankenhaus, wo sie sonst meist behandelt wurden. Semir wollte den Medizinern nicht absprechen, dass sie wussten was sie taten, aber die menschliche Zuwendung fehlte hier einfach, er kam sich eher wie ein Werkstück vor, das man eben reparierte, ohne viel Erklärungen und Brimborium. Semir wäre sich sicher gewesen, dass Sarah ihren Ben vor dem OP noch fürsorglich gewaschen hätte-der lag jetzt seit der vorigen Nacht in seiner eigenen Soße, alle Körperteile die dem Feuer ausgesetzt gewesen waren, waren immer noch rußgeschwärzt, auch bei ihm und er hätte sich liebend gerne wenigstens die Hände und das Gesicht gewaschen, aber da war nicht daran zu denken-alle waren hier sehr gestresst und zeigten das auch!

    Ben war inzwischen im OP an die Anästhesieschwester übergeben worden. Die und auch der Narkosearzt waren hingegen sehr nett und kümmerten sich freundlich um ihn. Er war so überfordert und schmerzgeplagt, es hatte ihn sehr durcheinander gebracht, als man Sarah regelrecht von seiner Seite gerissen hatte, dabei hätte er sie jetzt so dringend gebraucht, aber der Drachen-wie Ben im Geiste die für ihn zuständige Schwester nannte, aber einen Namen hatte die ihm eh nicht genannt und er hatte auch keine Lust das Namensschild zu entziffern- hatte ihre Aversion gegen sie nicht verbergen können. Klar-seine Sarah sah einfach gut aus und trotz allem Stress und den anstrengenden Kindern, obwohl sie stillte und sicher die letzte Nacht kaum geschlafen hatte, hatte sie ausgesehen wie aus dem Ei gepellt und das Ganze ohne viel Schminke. Der neue Mantel stand ihr auch extrem gut und er hatte ihr den einfach kaufen müssen, obwohl der ein Vermögen gekostet hatte, allerdings sah man dem das an, dass das ein Designerstück war und vielleicht war es das, was die Schwester so abstieß. Aber vielleicht hatte das auch gar nichts mit ihnen persönlich zu tun und das war einfach so eine Bissgurke, er konnte es nicht einschätzen!

    Jetzt allerdings wurde es ernst und als er von der Schleuse auf den OP-Tisch umgelagert und dann in die Einleitung gefahren wurde, ergriff ihn die blanke Panik und seine Herzfrequenz schoss in die Höhe. Die Schwester, die den OP-Tisch und die daran angeclickten Perfusoren schob, sagte tröstend: „Herr Jäger-das wird halb so schlimm-sie werden von der Operation nichts spüren, es gibt jetzt nur einen Pieks in den Rücken und das wars!“ versuchte sie ihn zu beruhigen, aber trotzdem war Ben mega aufgeregt. Auf einem kleinen Tischchen war schon alles für die Betäubung vorbereitet und jetzt drehte man ihn auf die rechte Seite, denn auf der verletzten Schulter zu liegen war faktisch unmöglich. Die Anästhesieschwester und auch der Arzt hatten in der Schleuse schon missbilligend bemerkt, dass ihr Patient alles andere als sauber war, aber zum Intensivpersonal deswegen was zu sagen war sowieso sinnlos-die waren heillos überfordert, unterbesetzt und genervt, das war im ganzen Haus bekannt und so nahm die Schwester jetzt wortlos, als sie gemeinsam mit dem Narkosearzt, der sofort mit anpackte und ihren Patienten zur Seite gedreht hatte, mehrere Einmalwaschlappen mit Flüssigseife und wusch sorgfältig seinen Rücken und Po, wo sich Blut und Schweiss vermischt hatten, was Ben zusammenzucken ließ, sobald sie nur in die tieferen Regionen kam. „Das tut sehr weh, ja?“ fragte sie mitleidig und Ben nickte unter Tränen. „Ich bin ganz vorsichtig und die Betäubung wirkt nachher auch in diesem Bereich, das wird dann bald besser!“ erklärte sie und Ben fühlte sich trotz allem getröstet.

    Der Arzt hatte sich inzwischen die Hände desinfiziert und ließ sich jetzt einen sterilen Kittel und Handschuhe anreichen, dann öffnete die Schwester noch das Abdeckset und die benötigte Spinalnadel. Man zog ein spezielles Lokalanästhetikum auf und dazu ein bestimmtes Opiat, das man im Spinalkanal anwenden durfte. In eine andere Spritze mit einer feinen Nadel kam das Lokalanästhetikum für die Haut. Als alles vorbereitet, abgestrichen und abgedeckt war, trat die Schwester, die die Infusion jetzt sehr schnell gestellt hatte, vor ihn und griff ihm unter Knie und Nacken, wobei sie seinen Kopf nach vorne drückte. „Machen sie jetzt einen schönen Katzenbuckel, dann haben sie es bald überstanden!“ ermunterte sie ihn und kaum hatte sie das gesagt, fühlte Ben schon die tastenden behandschuhten Finger des Arztes an seiner Lendenwirbelsäule zwischen dem dritten und vierten Lendenwirbel. Er hielt momentan die Luft an, als es piekte, aber der Arzt setzte schnell eine Lokale an der Haut und hatte mit der Spinalnadel gleich darauf routiniert aufs erste Mal getroffen und als die klare Rückenmarksflüssigkeit aus der Nadel tropfte, setzte er die Spritze mit dem Gemisch aus Anästhetikum und Opiat auf und injizierte da eine genau abgemessene Menge davon langsam in den Spinalkanal. Dann zog er die Nadel heraus, klebte ein Pflaster darüber und jetzt drehte man Ben wieder auf den Rücken, das Kopfteil des OP-Tisches leicht erhöht und wartete auf das Einsetzen der Betäubung. „Sie werden jetzt erst ein starkes Wärmegefühl spüren und dann wird in etwa fünf bis zehn Minuten von den Füßen beginnend die ganze untere Körperhälfte taub!“ erklärte er und streckte nun den Kopf durch die Schiebetür in den Saal, aus dem man schon Instrumente klappern hörte, was Ben stärkstens beunruhigte. Und was war, wenn die Betäubung nicht wirkte? Er würde eine nochmalige Operation unter Schmerzen nicht aushalten-das in der Höhle war der pure Horror gewesen, aber nun bemerkte er plötzlich, wie seine Beine bereits schwer wurden und er immer weniger spürte, bis er schließlich von der Hüfte abwärts wie gelähmt war. Der Narkosearzt testete nun mit einer Nadel an den Beinen, ob Ben noch irgendwas wahrnahm, aber die Spinale saß. „Wir können anfangen!“ sagte er und schon wurde der Tisch in den Saal gerollt.