Beiträge von susan

    Nun ist sie zu Ende, die Geschichte, die mich in ihren Bann gezogen hat. Inzwischen erscheinen mir die finnischen Kollegen wie ein Ableger der Autobahnpolizei, man kennt die einzelnen Charaktere, mag sie, oder mag sie nicht, die Örtlichkeiten sind so anders wie im betriebsamen Köln, aber dennoch gibt es überall auf der Welt Freundschaft, Kollegen, Amtshilfe, interessante Menschen, spannende Fälle-das ist eben deine höchst private Finnlandreihe.
    Im Gegensatz zu Elli stört es mich nicht, dass der Bezug zu Cobra eher klein ist-eigentlich ja fast nur aus den beiden Charakteren Ben und Semir besteht, aber das ist ja die Definition von Fanfiktion, das alleine reicht schon aus, um sie zu einem Serienableger zu machen. Es würde auch reichen nur die PASt als Hintergrundbild zu nehmen-schwupps schon wäre das auch rechtlich bzgl. Veröffentlichung eine Sache die einem Copyright unterliegt.
    Wobei ich muss mich berichtigen, gerade diese Story hat eigentlich mit der filmreifen Entfernung der Bombe durch Semir und Antti, die in bester Cobramanier mit Vollgas und quietschenden Reifen durch Helsinki jagen, um die Menschen dort zu retten, ner Explosion und allem was dazu gehört eine tolle Cobraszenerie aufgebaut. Auch die Befreiung von Veikko und Ben war spannend, hoch dramatisch und blutig und genauso auch die Szene im Klinikpark, als Enni erschossen wurde. Also mein Bedarf an Action war völlig gedeckt!
    Auch in der Originalserie wurden die Helden schon mal ausgeliehen, auf Schulungen geschickt etc., nur um dann in irgendwelche Fälle zu stolpern, also ich finde das ok so.
    Nachdem ich ja sowieso eher an den Emotionen, den psychologischen Momenten, den Dialogen und den zwischenmenschlichen Dingen interessiert bin, hat mir die Geschichte gut gefallen und ich werde selbstverständlich auch deine Nächste lesen.
    Was mich besonders freut ist, dass Mikael zurück ins Leben kehrt und das mit dem Heiratsantrag an Eva hat mich schon ein Tränchen der Rührung verdrücken lassen. Ben hat sogar den Ring vorgeschlagen und Trauzeuge will er auch werden-wie schön, ich würde sagen es geht weiter und hoffe, deine nächste Story ist zumindest schon in der Entstehung begriffen!

    Als Sarah und Semir voller Bangen die Intensivstation betreten hatten, sahen sie sofort die zwei uniformierten Polizisten, die wachsam vor dem Zimmer saßen-nun war klar, wo Ben lag. Semir begrüßte die Kollegen und folgte dann Sarah, die sofort in die Einzelbox gestürzt war. Nun beugte sie sich gerade über Ben, der käsebleich, sediert, beatmet und sichtlich schwer angeschlagen in den Kissen lag und bedeckte sein Gesicht mit zarten Küssen, fasste ihn an und streichelte ihn. „Mein armer Schatz!“ flüsterte sie mit Tränen in den Augen und als Semir nun hinzu trat, war er auch erschrocken, was für ein Unterschied zwischen der Verfassung seines Freundes heute Morgen und jetzt bestand. Sarah´s Freundin, die ihn immer noch betreute kam herein und nahm Sarah erst einmal ganz fest in ihre Arme: „Eine schreckliche Geschichte-wer hätte denn erwartet, dass jemand deinem Mann nach dem Leben trachtet?“ bedauerte sie und schickte sich danach an, den diensthabenden Doktor zu holen. Nun trat auch schon der Stationsarzt ins Zimmer und auch er drückte Sarah erst einmal an sich. Semir war irgendwie froh, dass Ben hier von herzlichen Menschen betreut wurde, die auch noch Gefühle zeigen konnten. Dass die dennoch gute Arbeit leisteten stand außer Frage, aber in so einem Team zu arbeiten war sicher angenehmer, als umgeben von lauter miesepetrigen Drachen, aber genau das war wahrscheinlich auch der Grund bei ihnen in der PASt, dass sie so eine gute Aufklärungsrate hatten-sie verstanden sich und zogen alle an einem Strang, man ging gerne zur Arbeit und gerade Ben und er waren ein Dreamteam und sich noch nie auf die Nerven gegangen-ansonsten würden sie sicher nicht so viel Freizeit miteinander verbringen.

    „Also Sarah, bei der Messerstichattacke wurde der linke Ast der Bauchaorta, kurz nach der Bifurkation verletzt. Der Gefäßchirurg konnte das patchen und Gott sei Dank scheint es bisher dicht zu sein. Bis morgen Abend bleibt er aber auf jeden Fall nachbeatmet, damit wir den Blutdruck gut einstellen können!“ sagte der Intensivarzt und Sarah wusste, was er meinte. Jeder hatte nach Gefäßoperationen schon erlebt, wie durch eine Hochdruckkrise und starkes Pressen eine frische Gefäßprothese wieder undicht wurde und der Patient einem unter den Händen verblutete. Das dauerte einfach bei allen Nahttechniken, bis das Material mit dem körpereigenen Gewebe verklebte und unwillkürlich fasste Sarah an ihren eigenen Bauch-in ihrer ersten Schwangerschaft war ihr nämlich dasselbe passiert und sie hatte nur knapp überlebt. An die ersten Tage nach der Messerattacke hatte sie aber keinerlei Erinnerung mehr, sogar nach der Extubation hatte man sie noch medikamentös so runter gefahren, dass ihr einfach ein paar Tage fehlten, obwohl sie sich da nachweislich sogar mit ihren Eltern und den Kollegen unterhalten hatte. Dasselbe würde man jetzt bei Ben machen und es war gut und sinnvoll.

    „Die zweite Baustelle ist der Dickdarm-auch er wurde durch das lange und sehr scharfe Messer verletzt, aber auch hier konnte man ohne Resektion auskommen, der Viszeralchirurg hat die Verletzung übernäht, den Bauch gespült und jetzt hoffen wir, dass es zu keiner Infektion kommt. Er war ja vorher schon antibiotisch abgedeckt-jetzt hoffen wir, dass diese Behandlung ausreichend ist, wir beobachten die Entzündungswerte und sehen, ob er Fieber bekommt, denn was natürlich schlecht ist-das Messer hat ja zunächst den Darm und dann erst die Arterie verletzt, also war das kontaminiert. Immerhin hat er aber in der Akutphase keine Darmbakterien in den Kreislauf eingeschwemmt, sonst hätten wir ihn nicht so schnell relativ stabil gekriegt, jetzt heisst es hoffen und beten!“ erklärte er und Sarah nickte. Wie oft hatte sie das schon gehört, Ben zog seitdem sie zusammen waren-nein eigentlich auch schon vorher- die Verletzungen magisch an, hatte bisher aber immer alles ohne Folgeschäden überlebt, hoffentlich würde das diesmal auch wieder so sein.

    Semir hatte inzwischen auf einem Stuhl, den die Freundin Sarah´s ihm hingestellt hatte, Platz genommen und Ben´s rechte Hand ergriffen, die unfixiert auf einem kleinen Kissen lag. So gut kannte Semir sich inzwischen aus-das bedeutete, dass sein Freund so viele Medikamente bekam, dass er aktuell keinen Zucker machen würde, ansonsten hätten sie ihn fest gebunden, damit er sich nicht selber schadete, indem er den Tubus oder etwas anderes heraus zog. Auch Sarah bekam nun einen Stuhl hergestellt und bevor sie den Raum verließ, sagte Sarah´s Freundin noch: „Ich gehe davon aus, dass einer von euch heute Nacht hier bleiben wird? Ich habe schon ein Bett hergerichtet, sobald wir ihn nachher noch gebettet haben, fahre ich es herein und dann kommt erst mal alle miteinander zur Ruhe!“ ordnete sie regelrecht an und Sarah lächelte daraufhin und versicherte, dass sie natürlich da bleiben würde. Keine zehn Pferde würden sie heute Nacht von der Seite ihres Mannes bringen!

    So saßen sie eine Weile da und dann kam die junge Schwester vor der Übergabe an den Nachtdienst nochmals herein, nahm zunächst Blut ab, saugte Ben dann endotracheal ab, was aber durch die tiefe Sedierung ebenfalls keine Reaktion hervor rief und dann half Sarah ihr mit geübten Griffen noch, Ben auf die Seite zu drehen. Mit Schaudern musterte Semir, der mitsamt Stuhl ein wenig zur Seite gegangen war, mit wie vielen Verbänden und Drainagen sein Freund versorgt war, der hatte sicher überall Löcher wie ein Nadelkissen, denn natürlich hatte man zum Lagern die Decke beiseite genommen. Mit vielen Kissen und Rollen unterpolsterte man Ben´s willenlosen Körper rieb seinen Rücken mit Creme ein und befeuchtete auch seinen Mund. Eine Magensonde ragte aus seiner Nase und Semir wusste schon wieder, dass Ben die als erstes dringend loswerden wollte, wenn er wieder wach wurde und das konnte er nur zu gut verstehen!

    Nun merkte er allerdings auf, denn gerade hatte Sarah´s Freundin erzählt, dass Ben auf dem Weg in den OP anscheinend schon ein wenig verwirrt gewesen war, denn er hatte irgendetwas von einem Bergführer gefaselt. Momentan maß Semir dem auch keine Beachtung bei-gerade war auch bei ihm selber die Luft raus und den Täter konnte man morgen suchen-wichtig war, dass Ben nichts mehr passierte und dafür sorgten die gewissenhaften Kollegen draußen, aber als er nach der Verabschiedung dann zuhause im Bett lag, kam ihm das dann wieder in den Sinn-was wäre, wenn der Attentäter der Bergführer gewesen wäre und was hatte der für einen persönlichen Groll gegen Ben? Aber dann schlief er doch vor Erschöpfung in Andrea´s Armen ein-zu viel war am vergangenen Tag geschehen.

    Semir fuhr rasch und konzentriert und Andrea folgte ihm einfach. Sarah starrte die ganze Zeit auf ihr Handy und hielt es wie einen Talisman in der Hand, denn sie hatten ausgemacht, dass Susanne, oder wer auch immer, ihnen auf dieser Nummer Bescheid geben würden, sobald man Näheres wusste. Als auf Höhe Aschaffenburg das Handy läutete, ging Sarah sofort ran und fragte bang: „Ja-was gibt’s Neues?“ denn ihr Display verriet ihr, dass Ben´s Chefin am Apparat war. „Frau Jäger-ich komme gerade von ihrem Mann!“ begann sie zu sprechen und Sarah hatte das Telefon auf Lautsprecher gestellt, egal ob die Kinder davon aufwachten, aber das war ihr gerade egal-Semir sollte auch hören können, was los war. „Also zunächst einmal er lebt und ist nach der Operation wieder auf der Intensivstation, allerdings beatmet und in kritischem Zustand. Der behandelnde Arzt hat mir erklärt, dass seine Bauchaorta und der Dickdarm verletzt wurden, sie konnten die Blutungen aber stillen und jetzt kann man nur abwarten. Ich habe zwei Bewacher vor seinem Zimmer postiert, von daher dürften jetzt keine Bedrohungen mehr kommen, denn der Täter konnte leider noch nicht gefunden werden. Ich bringe jetzt Herrn Freund nach Hause, der bei seinem heldenhaften und erfolgreichen Rettungsversuch verletzt wurde, aber Gott sei Dank nicht lebensbedrohlich. Ich denke ja, sie werden gleich nach ihrer Ankunft noch ins Krankenhaus fahren-wenn sie etwas brauchen, ich bin jederzeit erreichbar!“ sagte sie und Sarah bedankte sich für die Auskunft und legte auf.

    Semir sagte: „Gott sei Dank-er lebt!“ und Sarah gab dann gleich noch Andrea Bescheid. „In etwa zwei Stunden sind wir an der Uniklinik!“ erklärte Semir und nun rief Sarah Hildegard an, die aus allen Wolken fiel, als sie hörte, was geschehen war. „Sarah-ich komme natürlich zur Klinik, wenn ihr eintrefft und übernehme die Kinder. Die können bei mir bleiben und ich habe auch Fläschchen für die Kleine hier-wir kriegen das gemeinsam und Ben wird wieder gesund-ich weiss das!“ prophezeite sie und Sarah kamen beinahe die Tränen-ja auf Hildegard konnte man sich verlassen! Sie rief dann noch ihre Kolleginnen an, aber die konnten ihr auch nicht mehr sagen wie die Chefin-gut ein paar medizinische Details schon noch, aber sonst konzentrierte sich Sarah nun auf die nächtliche Autobahn auf der der Verkehr schon ein wenig nachgelassen hatte, immerhin ging es schon auf neun und sie kamen gut voran.

    Andrea bog in Köln angekommen Richtung zuhause ab, denn wie sie telefonisch besprochen hatten, musste ja jemand bei Ayda und Lilly bleiben und sie konnte im Krankenhaus auch nichts machen. Man würde sie auf dem Laufenden halten und die Betreuung der beiden Kleinen war ja nun organisiert. Als sie zuhause ankam, erwartete sie ein dunkles, ein wenig muffig riechendes Haus, aber als sie die Heizungen auf gedreht und gelüftet hatte, ging es und die Kinder waren nun leider aktuell überhaupt nicht mehr müde, aber sie legte ihnen eine DVD ein und parkte sie bei einem Kinderfilm vor dem Fernseher und öffnete ihnen eine Packung Kekse und Limo. „Wie geht es Ben?“ fragte Ayda leise und Andrea bemerkte nun, dass ihre große Tochter wohl nicht so viel geschlafen hatte, wie sie gedacht hatte. „Er wird im Krankenhaus versorgt und weisst du was-wir zünden jetzt eine Kerze an und denken ganz fest an ihn und wünschen ihm, dass er wieder gesund wird!“ sagte sie und fast andächtig machten sie das und dachten ganz fest an ihren Freund und Paten.

    Am Krankenhausparkplatz angekommen, wartete Hildegard schon. Sie hatte Kindersitze in ihrem Caddy und so konnte man Tim schlafend in das andere Fahrzeug setzen. Sarah stillte die kleine Mia-Sophie im Wagen, die gerade munter wurde und nachdem Semir noch den Koffer für die beiden Kinder umgeladen hatte, verschwand Hildegard und sagte: „Lucky wird sich freuen, wenn wenigstens ein Teil seiner Familie wieder da ist!“ aber Sarah antwortete mit düsterer Miene: „Aber den Menschen, an dem er am meisten hängt, nämlich sein Herrchen, bringst du nicht mit-ich hoffe er kann jemals wieder mit ihm über die Felder streifen!“ und darauf antwortete Hildegard nun nichts, denn Sarah´s Sorgen und Ängste waren fast greifbar. Als nun der Caddy vom Krankenhausparkplatz fuhr, fasste Semir nach Sarah´s Hand, die eiskalt war und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Intensivstation.

    Hartmut war auf dem Heimweg noch eingefallen: „Frau Krüger-war denn die Spusi schon da?“ aber die Chefin musste sagen, dass sie völlig vergessen hatte, die zu verständigen. „Die sollen nach dem Fensterputzzeug sehen, da müssten Fingerabdrücke drauf sein und ich zeichne daheim an meinem PC noch ein Phantombild und jage das durchs System, damit wir wissen, nach wem genau wir suchen müssen!“ sagte Hartmut und die Chefin bedankte sich und ließ ihn wenig später vor seiner Wohnung aussteigen. „Wenn sie Hilfe brauchen, rufen sie mich an!“ versicherte sie ihm und Hartmut bedankte sich mit einem Nicken. Tatsächlich konnte man auf den Sachen Fingerabdrücke feststellen, die aber nicht im System waren. Auch Hartmut´s Phantombild ergab keinen Treffer und so konnte man da nur noch die Beschreibung zu Größe und etwaigem Gewicht hinzufügen und die Fahndung ging an alle Streifen in Köln und Umgebung heraus.

    Susanne hatte inzwischen Feierabend und als sie hörte, dass Andrea zu Hause war, fuhr sie sofort zu ihr und schloss sie einfach in ihre Arme, als die ihr die Tür öffnete. „Ich bleibe hier und dann warten wir erst einmal, was für Neuigkeiten aus dem Krankenhaus kommen!“ sagte sie liebevoll und kochte zunächst einmal einen schönen Tee. Andrea ließ sich nun neben ihrer Freundin aufs Sofa fallen und hätte beinahe zu schluchzen begonnen-zu viel war die letzten Tage geschehen und sie fühlte sich wie ausgehöhlt, aber der Tee, die Wärme und Freundschaft halfen ihr und als die beiden Kinder dann Susanne aufgeregt von ihrem Schneeurlaub erzählten und was sie in dem Hotel alles erlebt hatten, schloss Andrea einfach die Augen und ließ die Geräusche an sich vorbei ziehen-sie war jetzt nur noch fertig.
    Etwa zwei Stunden später-langsam wurden die Kinder nun wieder müde und man konnte sie ins Bad und dann ins Bett schicken- fuhr ein Auto in die Einfahrt und wenig später drehte sich ein Schlüssel im Schloss. „Und?“ fragten Andrea und Susanne gespannt, aber Semir sah ebenfalls wahnsinnig fertig aus und ließ sich erst einmal neben die beiden Frauen aufs Sofa fallen. „Er lebt, aber gut geht es ihm nicht. Sarah bleibt die ganze Nacht bei ihm, die haben ihr ein Bett ins Zimmer gestellt. Zwei Bewacher passen auf und wir haben jetzt ausgemacht, dass ich Sarah morgen früh ablöse!“ erzählte er und berichtete noch ein paar Details.

    Susanne verabschiedete sich dann, um nach Hause zu fahren und wenig später gingen Andrea und Semir ebenfalls zu Bett, wo sie sich aneinander fest hielten wie zwei Ertrinkende. „Er wird es schaffen-er hat es schon so oft geschafft, du weisst er ist ein Kämpfer!“ flüsterte Andrea beschwörend und Semir antwortete grenzenlos erschöpft und ausgelaugt: „Ich hoffe es, Andrea, ich hoffe es!“

    Im OP hatte man derweil in Windeseile Ben´s Bauchraum eröffnet und einen sogenannten Rahmen eingesetzt, ein Hilfsmittel, das selbsttätig den Bauch weit offen hielt und so den Chirurgen einen guten Überblick bot und nebenbei auch einen Assistenten sparte, der sonst nur damit beschäftigt gewesen wäre, die Haken zu halten und die Bauchwand auseinander zu ziehen. Das hellrote Blut sprudelte nur so und man setzte den Sauger an, um freie Sicht zu bekommen. Erst hatte man überlegt, evtl. einen Cellsaver einzusetzen, also das austretende Blut durch eine Maschine laufen zu lassen, die es reinigte und es dem Patienten danach zu retransfundieren, aber da hatte der Gefäßchirurg schon etwas entdeckt, was dagegen sprach-der Dickdarm war ebenfalls verletzt und der austretende Darminhalt hatte das Blut kontaminiert, dass man dem Patienten so eine hausgemachte Sepsis verpassen würde, also musste man auf Fremdblut zurück greifen.
    Man legte über die Darmverletzung nur schnell ein grünes Bauchtuch-darum würde man sich später in Ruhe kümmern-wechselte die Handschuhe und eröffnete dann schon das Retroperitoneum auf der Suche nach der Blutungsquelle. Das war aber eigentlich nicht schwer, denn in pulsierendem Strahl schoss mit jedem Herzschlag eine hellrote Fontäne aus der linken Bauchaorta, kurz unterhalb der Bifurkation, also der Aufspaltung in zwei Hälften, wodurch die Beckenorgane und die Beine versorgt wurden. Der Assistent hielt vorsichtig mit langen, weichen gepolsterten Spateln den Darm beiseite und weil die Verletzung direkt nach der Abzweigung war, entschloss man sich, die komplette Aorta vorübergehend abzuklemmen.

    Das war auch dringend nötig, denn trotz der Bemühungen des Anästhesisten, der mit Konserven, Infusionen und Medikamenten versuchte den Blutdruck einigermaßen stabil bei 80 systolisch zu halten, war der aktuell ziemlich abgerauscht. Als man die Aorta abklemmte, sackte als Zeichen der Blutumverteilung im Organismus der Blutdruck zunächst nochmals ab, um sich dann zügig zu erholen. Trotzdem ging es jetzt um Zeit, denn während der Abklemmphase wurden viele Organe und die unteren Extremitäten nicht ausreichend versorgt, obwohl natürlich schon einige Nebenkreisläufe der Blutgefäße bestanden, ganz vom Netz war sozusagen der untere Teil des Körpers nicht, aber mit jeder Minute Abklemmzeit wurde das Coming out-also das folgenlose Überstehen der Operation- schlechter und gerade der sowieso verletzte Dickdarm hatte mit einer Mangeldurchblutung besonders zu kämpfen. Also beeilte sich der Gefäßchirurg mit einer Lupenbrille auf dem Kopf in die Gefäßwand unter den etwa einen Zentimeter langen Schnitt einen Patch einzubringen und den mit speziellen, nicht auflösenden haarfeinen Nähten innerhalb der Aorta zu fixieren. Zuletzt wurde noch eine Längsnaht gemacht und dann löste man nach 16 Minuten vorsichtig die gepolsterte Gefäßklemme, jederzeit bereit, die wieder zu schließen, wenn die Naht nicht dicht war. Aber sie hatten Glück-kein Tröpfchen Blut trat mehr aus, auch nicht, als Ben´s Blutdruck, der beim Öffnen der Blutzirkulation erneut abgerauscht war-es war ja ein sehr belastender Umverteilungsprozess-sich durch Volumen- und Katecholamingabe wieder stabilisiert hatte.

    Man legte noch das Retroperitoneum über die Flickstelle und dann widmete sich der zweite Chirurg, der Viszeralchirurg und somit für den Darm zuständig war, dem verletzten Dickdarm. Nun assistierte der Gefäßchirurg und der zweite Assistent war ein junger Assistenzarzt der Chirurgie, der so beim Zusehen, Absaugen und auch durch die Erklärungen der beiden Fachärzte viel lernte. „Sehen sie-jetzt werden die Bauchorgane die zuvor mangelversorgt waren, wieder rosig!“ wies ihn der Gefäßchirurg darauf hin. „Wenn sie während der Abklemmphase die Fußpulse gesucht hätten, hätten sie keine gefunden und deshalb war es wichtig, die Abklemmzeit so kurz wie möglich zu halten. Jetzt für den Darm kann sich der Kollege länger Zeit lassen-das eilt nicht so!“ sagte er mit breitem Grinsen, was dem Viszeralchirurgen ein unwilliges Brummen entlockte. Jeder dieser Götter in Weiß war von der Wichtigkeit seiner Arbeit überzeugt und fand die Arbeit der anderen Fakultäten nicht so berauschend, aber letztendlich war jeder Einzelne wichtig, aber kein Arzt konnte in der heutigen Zeit mit den ganzen Spezialisierungen das komplette Spektrum abdecken. Der Bauchchirurg übernähte nun die Schnittverletzung am Darm, Gott sei Dank war auch hier keine Resektion, also eine Entfernung eines Darmabschnitts nötig, weil die Wundränder glatt und nicht zerfetzt waren. Man spülte mit viel Ringerlösung, insgesamt fast zehn Litern den gesamten Bauchraum aus, in der Hoffnung so eine Peritonitis zu verhindern. Ben war ja schon antibiotisch abgedeckt und man beschloss, erst einmal das Antibiotikum das er bereits hatte, nach Schema weiter laufen zu lassen und es nur zu wechseln, wenn er Fieber bekam, oder die Entzündungswerte anstiegen. Ben war noch jung, man wollte nicht schon jetzt Resistenzen züchten und so verschloss man jetzt den Bauch komplett.

    „Wie geht’s ihm?“ fragte der Gefäßchirurg mit einem Blick über das grüne Tuch zum Narkosearzt, der nun endlich auch einmal auf seinem Stuhl saß-bisher hatten er und die Anästhesieschwester Schwerstarbeit geleistet. Der Doktor zuckte mit den Schultern. „Aktuell ist er auf niedrigem Level stabil. Ich werde ihn aber nachbeatmet lassen, denn ich möchte keine Aufregung und damit eine Hochdruckkrise provozieren-nicht dass es den Patch wieder weg sprengt!“ sagte er und der Gefäßchirurg nickte zufrieden. „Ich wäre ihnen sehr verbunden!“ sagt er ein wenig sarkastisch, aber nun waren auch schon mehrere Drainagen in den Bauch eingelegt und ein dicker Verband zierte die Mitte des jungen Polizisten. Obwohl er sich nun wieder stabilisiert hatte und durch die erneute Massentransfusion auch die Blutwerte so halbwegs in Ordnung waren, war er von einem kalten Schweißfilm überzogen, seine Augen lagen in tiefen Höhlen und man sah ihm schon rein optisch an, dass er immer noch nicht völlig außer Gefahr war-zu viele Komplikationen konnten jetzt noch drohen. Trotzdem wurde die Intensivstation zur Abholung angerufen und als die wenig später mit dem Transportbeatmungsturm in die Schleuse fuhren und ihren Patienten abholten, waren sie froh, dass er noch lebte und auch Chancen hatte, das folgenlos zu überstehen. Man würde ihn aber trotzdem scharf überwachen und gerade die ersten 24 Stunden wie ein rohes Ei behandeln.

    Kim Krüger war vor der OP-Abteilung wie eine ruhelose Raubkatze im Käfig hin- und her-getigert. Sie hatte schon eine Bewachung für ihren jungen Beamten organisiert, aber noch war völlig unklar, ob er den OP überhaupt lebend verlassen würde. Nach einer Weile war Hartmut zu ihr gestoßen, dessen Arm genäht und auf eine dicke Schiene gewickelt war, die auch über den Ellenbogen reichte. Auch er war blass, denn das Nähen in mehreren Schichten in örtlicher Betäubung war kein Zuckerlecken gewesen, aber jetzt hatte er es überstanden und zusammen mit einigen Schmerztabletten und einer Antibiose, weil er ja mit einem kontaminierten Messer geschnitten worden war, hatte man ihn nach Hause entlassen. Er gab der Chefin gleich mal die Krankmeldung, die die in ihrer Handtasche verstaute. Wie Unwichtig schienen solche Kleinigkeiten, wenn man um das Leben eines guten Freundes bangte!
    Endlich öffnete sich die Schiebetür der OP-Abteilung und Ben wurde heraus gefahren, immerhin-er lebte, auch wenn immer noch ein Tubus in seinem Mund steckte und er einfach schrecklich aussah. „Wie sieht´s aus?“ fragte sie den abholenden Intensivarzt, aber der zuckte mit den Schultern. „Wir müssen die ersten 24 Stunden abwarten, dann können wir mehr sagen!“ teilte er ihr mit und umriss kurz die Schwere der Verletzungen. Die Chefin und auch Hartmut quetschten sich mit in den Aufzug: „Wir müssen ihn bewachen, weil wir nicht wissen, ob der Attentäter nicht erneut zuschlägt, er ist uns nämlich entkommen!“ teilte sie dem Arzt mit und der nickte. „Ihnen würde ich aber raten nach Hause zu gehen und sich ins Bett zu legen-ich denke nicht, dass sie bei einem eventuellen weiteren Angriff eine große Hilfe wären!“ sagte er dann allerdings zu Hartmut gewandt und die Chefin beeilte sich zu versichern, dass das schon organisiert wäre. Tatsächlich standen zwei uniformierte Polizisten vor der Intensiv bereit und blieben vor der Zimmertür sitzen, während Ben drinnen versorgt wurde. „Kommen sie Herr Freund-ich fahre sie nach Hause und dann informieren wir noch seine Frau und Semir!“ sagte sie und nun trottete Hartmut hinter ihr her zu ihrem kleinen Mercedes und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen, während Kim Krüger Sarah´s Nummer wählte.

    Ein großer Schritt ist gemacht. Ben erzählt Kevin von seinen Zweifeln-ja nur sprechenden Menschen kann geholfen werden und dass er das Semir erzählt hat war der erste Schritt, aber das jetzt ist ein großer Vertrauensbeweis und wie er richtig erkennt-Kevin ist dessen würdig, denn er kann Geheimnisse für sich behalten.
    Als sie dann in die Past kommen sind ein paar unangenehme Herren vom Staatsschutz bei der Chefin-ich platze bald vor Wut, denn anscheinend decken die tatsächlich die Sturmfront unter dem Deckmäntelchen der Kontaktleute zu einer wesentlich größeren Neonazi-Verschwörung. Die versuchen Kevin ans Bein zu pissen, aber ich bin gerade sehr stolz auf die Chefin, dass die ihre Männer in Schutz nimmt, aber so ganz koscher sind diese Typen wirklich nicht!

    Wie Mikael prophezeit hat, treibt es Kasper immer wieder zu ihm in die Klinik. Er fordert ihn, konfrontiert ihn mit unangenehmen Dingen aus der Vergangenheit und beide legen ihre Gefühle offen. Sie sind zwar momentan beide davon überzeugt, dass der andere eigentlich ein A... ist, aber vielleicht ist das wirklich der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, oder zumindest einer tragfähigen Kollegialität, denn inzwischen bin ich fest davon überzeugt, dass Mikael wieder in den Polizeidienst zurück kehrt!

    Hartmut war von den Schwestern freundlich gebeten worden, doch kurz draußen zu warten: „Wir machen Herrn Jäger jetzt ein wenig frisch, kontrollieren die Blutwerte und danach dürfen sie gleich wieder herein!“ hatte man ihm versprochen und Hartmut hatte die Zeit genutzt, mal schnell zur Besuchertoilette zu gehen, die außerhalb der Intensivstation lag. Als er zurück gekommen war, hatte er voller Entsetzen gesehen, dass der Fensterputzer, der schon den ganzen Nachmittag die Station geschrubbt hatte, über seinen Freund und Kollegen gebeugt war und mit einem Messer auf ihn ein stach. Verdammt noch Mal-er hatte sich schon gewundert, warum Semir so Wert darauf gelegt hatte, dass Ben nicht alleine war, aber eine konkrete Gefahr hatte er nicht erwähnt. Ben hatte auch nichts Näheres erzählt, nur dass er von einer vermutlich absichtlich ausgelösten Lawine verschüttet worden war, von Semir und einigen syrischen Flüchtlingen in einer dramatischen Aktion gerettet und danach knapp einem Mordanschlag im Innsbrucker Klinikum entgangen war. Der Täter-ein Pfleger- war allerdings auf der Flucht überfahren worden und so war man davon ausgegangen, dass aktuell keine Gefahr bestand. Wie sich nun zeigte, war das eine falsche Annahme gewesen.

    Ohne groß nachzudenken, hatte sich Hartmut auf den Fensterputzer gestürzt und seine Hand umklammert, damit er nicht ein zweites Mal zustechen und seine Tat vollenden konnte. Er hatte um Hilfe gerufen und aus dem Augenwinkel Ben´s vor Schmerz verzerrtes Gesicht gesehen und das Blut, das zwischen dessen Fingern hervor quoll, die er auf seinen Bauch gedrückt hatte. Ein scharfer Schmerz an seinem Arm hätte ihn beinahe dazu gebracht, die Hand des drahtigen Mannes, der ihm sicherlich körperlich überlegen war, los zu lassen, aber das hätte vermutlich den Tod Ben´s und vielleicht auch seinen eigenen bedeutet. So erinnerte er sich an die Nahkampfausbildung, die er in der weit zurück liegenden Polizeischule gelernt und danach nie mehr gebraucht hatte, nachdem ein Einsatz an Semir´s Seite nicht zu dessen Zufriedenheit ausgefallen war und er statt im aktiven Polizeidienst nun in der KTU gelandet war, wo er seine intellektuellen Fähigkeiten wesentlich besser ausleben konnte. Aber sein Lehrer hatte ihm immer eingeprägt einen überlegenen Gegner zu überraschen und ihm dort weh zu tun, wo er es am wenigsten erwartete und so hatte er sein Knie angezogen und mit aller Kraft in dessen Weichteile gerammt und zugleich hatte er laut um Hilfe gebrüllt.

    Der Mann drehte sich auf dem Absatz um und während aus allen Richtungen Schwestern, Pfleger und Ärzte herbei eilten, wichen sie allerdings vor dem Täter zurück, als er drohend mit dem blutigen Messer herum fuchtelte und so gelang es ihm in den Aufzug zu springen, der Gott sei Dank leer war und er fuhr auch nicht direkt ins Erdgeschoss, sondern erst einmal in den Keller, zog derweil die Fensterputzerjacke und das Käppi aus, schmiss das in die nächste Ecke, wischte zuvor daran noch sein Messer sauber und steckte es ein und ging dann, zwar unter Schmerzen und mit immer noch leichter Übelkeit, aber doch gemächlichen Schrittes, in unauffälligen Jeans und Sweatshirt erst die Treppe hinauf und dann aus der Eingangshalle und zum Polo, während nun Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hektisch begannen alle Fensterputzer aufzuhalten und zu befragen. Während er vom Parkplatz fuhr kamen ihm schon Polizeiautos mit Blaulicht entgegen, aber seine Flucht gelang ohne Probleme und wenig später war er im abendlichen Kölner Feierabendverkehr verschwunden.

    Als auf der Intensiv der erste Schock gewichen war, beugten sich mehrere Schwestern und der Stationsarzt über Ben. Ein Pfleger hatte Hartmut zur Seite gezogen und dessen kombinierte Stich- und Schnittverletzung begutachtet, aber die war nicht lebensbedrohlich und so hatte er ihn auf einen Stuhl gesetzt, einige Kompressen aus dem Pflegewagen genommen, die auf die Wunde gelegt und ihn gebeten, da fest drauf zu drücken. Sobald Herr Jäger versorgt war, würde man sich weiter um ihn kümmern, aber bei dem sah es wesentlich ernster aus.
    Das Blut sprudelte nur so aus der Wunde am Bauch, denn inzwischen hatten die Medizinprofis alle Handschuhe angezogen, Ben´s Hand zur Seite gezogen und die Verletzung begutachtet. „Verdammter Mist-er scheint ein großes Gefäß, ich vermute die Bauchaorta- getroffen zu haben!“ fluchte der Intensivarzt und ließ sofort den OP verständigen. „Wir brauchen einen Gefäßchirurgen und sofort mindestens vier Blutkonserven seiner Blutgruppe!“ ordnete er an und war wütend auf sich selber, dass er versäumt hatte, Blut für seinen neuen Patienten einkreuzen zu lassen. Allerdings waren dessen Werte soweit stabil gewesen, der hatte nicht mehr akut geblutet und nachdem man ja als Ursache für dessen vorherige starke Blutungen die Actilysegabe ausgemacht hatte, war man nicht davon ausgegangen, dass er noch Konserven brauchte. Jetzt allerdings ging dessen Kreislauf trotz Katecholaminen in die Knie, er war schockig, sein Herz raste und nur eine Notoperation konnte ihn retten. Man brachte das Bett in Kopftieflage, eine Schwester drückte nun fest mit einem Stapel Kompressen auf den Bauch in der Hoffnung durch die Kompression den Blutfluss ein wenig einzudämmen, man drehte eine Infusion voll auf und bereitete ihn auf den Transport vor, was mit den Katecholaminen und Überwachungsgeräten nicht so ganz einfach war und seine Zeit benötigte.
    Ben hatte zu zittern begonnen, seine Augen waren dunkel vor Schmerz, aber aktuell konnte man ihm wegen der Kreislaufproblematik kein Opiat geben, bevor er nicht im OP war. Man steigerte das Noradrenalin nur ein wenig, damit zwar sein Gehirn noch versorgt wurde, aber die Blutungen nicht noch stärker wurden. Sarah´s Freundin, die diejenige war, die fest auf seinen Bauch drückte, was ihm natürlich noch zusätzliche Schmerzen bereitete, redete ihm gut zu und versuchte ihn zu beruhigen, aber noch viel mehr achtete sie darauf, ja den Druck nicht zu verringern und so war nach wenigen Minuten Ben auf dem Weg in den OP, wo man ihn in Windeseile aufs Schleusenband hievte und nun ein Arzt von drinnen die Kompression übernahm.

    Ben hatte einmal geflüstert: „Es war der Bergführer!“ aber die Schwester hatte dem momentan keine Bedeutung beigemessen. Jetzt war es wichtig, dass ihr Patient gerettet wurde und um den Täter kümmerten sich die Polizei und der hauseigene Sicherheitsdienst. Kaum lag Ben auf dem Tisch, fuhr man ihn ohne Zwischenhalt in der Einleitung in den Saal, spritze ihm ein Narkosemittel und sobald seine Augen zufielen hatte er schon einen Tubus im Hals und man schüttete einfach Desinfektionsmittel über seinen Bauch und schnitt den Gilchristverband auf. Die OP-Schwester, ein Assistenzarzt und der Gefäßchirurg hatten die Zeit ab der Voranmeldung genutzt, sich steril gewaschen und die Instrumente vorbereitet. Man schmiss ein steriles Abdecktuch über Ben und nun wurde in Windeseile seine Bauchdecke eröffnet, während der Narkosearzt und die Anästhesieschwester alle Hände voll zu tun hatte, seinen Kreislauf einigermaßen zu stabilisieren und die erste Konserve , die inzwischen aus der hauseigenen Blutbank eingetroffen war, nach dem Bedsidetest zu transfundieren.

    Hartmut hatte derweil nach einem Telefon verlangt und bevor man ihn mit dem Rollstuhl in die Notaufnahme zur Wundversorgung fuhr, hatte er Susanne und die Chefin verständigt, die sofort versprach in die Klinik zu kommen. Susanne rief Andrea an und Kim Krüger machte sich in Windeseile auf den Weg zur Uniklinik-die Sorge um ihre besten Männer ließ nicht nach-das neue Jahr begann schon mal nicht gut!

    Hartmut war von Semir gebeten worden nach Ben zu schauen. „Hallo Einstein!“ hatte er ins Telefon gerufen. „Ich weiss ja nicht wie viele Überstunden du hast, aber ich vermute, wenns nach dem ginge, könntest du ein ganzes Jahr zuhause bleiben!“ hatte er ins Telefon geflachst und nach kurzer Überlegung hatte der Rotschopf ihm zugestimmt. „Hör mal-Ben wird vermutlich mit dem Flieger ein wenig schneller in Köln sein als wir, obwohl ich mir ja alle Mühe geben würde, diese Zeiten zu unterbieten, aber wir fahren im Konvoi, ich sitze nicht am Steuer und außerdem haben wir Kinder an Bord. Jetzt wollte ich dich bitten, ob du nach Ben schauen könntest, ihn fragen, ob er gut untergebracht ist oder etwas braucht. Wir kommen so schnell wie möglich nach!“ hatte er den Kriminaltechniker gebeten und der hatte natürlich sofort zugestimmt. Semir hatte auch überlegt, ob für Ben wohl eine akute Gefährdung bestand, aber nach wie vor war es völlig nebulös, warum der Bergführer ihnen allen nach dem Leben getrachtet hatte und schließlich konnte der Anschlag durchaus auch Knut gegolten haben, der ja ihren Ausflug mit dem Leben bezahlt hatte. Vielleicht hatte der Bergführer im Anschluss nur die Zeugen ausschalten wollen und das war das Motiv für den Überfall auf das Biwak gewesen?

    Gut der Mordversuch in der Uniklinik hatte eindeutig Ben gegolten und da war kein Bergführer weit und breit gewesen, aber vielleicht war das wirklich der pure Zufall gewesen und ein mordlustiger Pfleger hatte Todesengel spielen wollen, wie die österreichische Polizei schon vermutet hatte? Auf jeden Fall rechtfertigten die Fakten keinen Polizeischutz und außerdem-wer wusste denn schon, dass Ben wieder in Köln war? Und ab morgen würden entweder Sarah oder er wieder am Bett des dunkelhaarigen Polizisten sitzen und bis dahin würde schon nichts sein, obwohl Semir sich im Nachhinein hätte selber prügeln können, weil er nicht auf sein Bauchgefühl gehört hatte, das ihm im Unterbewussten da schon akute Gefahr signalisiert hatte.

    So kam es, dass Ben am späten Nachmittag, allerdings noch bei Tageslicht, Besuch von Hartmut bekam, der ihm vergnügt den neuesten Klatsch und Tratsch aus der PASt erzählte, ihn aufmunterte und die Gewissheit in ihm reifen ließ, dass er bald wieder am Steuer seines Mercedes sitzen würde-so ein paar Knochenbrüche warfen doch einen Jäger nicht aus der Bahn und das mit den Blasensteinen verdrängte er sowieso gerade erfolgreich.

    Der Bergführer hatte derweil hingebungsvoll eine Zwischenwand nach der anderen geputzt. Mann wann haute dieser Typ denn endlich ab, damit er seinen Auftrag erledigen konnte? Aber der hatte ein gutes Sitzfleisch und der Bergführer war dazwischen sogar mehrfach von der Intensivstation verschwunden, damit das nicht so auffiel, denn ein paar Schwestern hatten schon begonnen, ihm merkwürdige Blicke zuzuwerfen. Als er kurz nach fünf wieder zur Station zurück kehrte, war sein großer Augenblick gekommen. Der Platz neben dem Bett des dunkelhaarigen Mannes war verwaist. Der war anscheinend gerade frisch gebettet worden, denn er lag jetzt ganz anders da als vorhin, die Zudecke war sichtlich frisch aufgeschüttelt, die frisch gecremten Lippen glänzten und er hatte die Augen geschlossen und erholte sich gerade von seinem Besuch. Wie ein Schatten war der Bergführer über ihm und bevor Ben, der zwar im Unterbewusstsein bemerkt hatte, dass da jemand das Zimmer betreten hatte, aber gedacht hatte, das wäre Hartmut, reagieren konnte, wurde ihm die Zudecke vom Leib gerissen und ein Messer bohrte sich in seinen Bauch.
    Der Bergführer fluchte verhalten. Verdammt noch Mal-er hatte vorgehabt zielsicher zwischen den Rippen seines Opfers durch zu stechen und zwar auf der linken Seite. Er wusste wo das Herz lag, denn er war im Lechtal in einer kleinen bäuerlichen Landwirtschaft aufgewachsen und da hatte man jedes Jahr zwei Schweine gefüttert und heran gezogen und im Herbst geschlachtet. Nachdem die menschliche Anatomie sich nicht so sehr von der schweinischen unterschied, wie er schon mehrfach gelesen hatte, wollte er mit seinem frisch geschliffenen Butterflymesser links zwischen den Rippen eingehen und das Herz treffen, aber als er die Decke mit einem Ruck zur Seite gezogen hatte, war da ein komischer Verband gewesen, mit dem der Arm seines Opfers genau über dem Bezirk fixiert war, wo er den tödlichen Stich hatte ansetzen wollen. Im Reflex stach der Bergführer trotzdem zu, aber nun sozusagen ein Stockwerk tiefer. Ben riss überrascht und erschrocken die Augen auf und noch bevor der Schmerz von ihm Besitz ergriff, kam ein gurgelnder Schrei über seine Lippen. Der Österreicher riss das scharfe Mordwerkzeug wieder aus seinem Opfer und wollte ihm gerade die Kehle durchschneiden, wie er soeben umdisponiert hatte, da wurde sein Arm, der im Augenblick Schwung holen wollte, plötzlich von hinten fest gehalten und in seinem Augenwinkel erschien ein roter Schopf. Mit einem tierischen Aufbrüllen versuchte der Attentäter seinen Arm wieder frei zu bekommen, was ihm teilweise auch gelang, aber zugleich hatte Hartmut ihn zu sich herum gezerrt und als er das nächste Mal zustach, erwischte er anstatt seinem wehrlosen Opfer, das nun mit weit aufgerissenen Augen die gesunde Hand auf den Bauch presste und nach Luft japste, den Kriminaltechniker, der zeitgleich laut um Hilfe rief. Obwohl er ihn sicher schmerzhaft am Arm erwischte, ließ der das Handgelenk des Mörders nicht los, sondern hielt es krampfhaft fest. Mit diabolischem Grinsen begann der durchtrainierte Bergführer gerade das Messer wieder frei zu bekommen, um seine böse Tat zu vollenden, da traf ihn das Knie des Technikers zwischen den Beinen, ließ ihn schmerzvoll nach Luft japsen und sich zusammen krümmen. Nachdem nun gerade das Rufen des Rothaarigen und auch das Alarmieren des Monitors die halbe Station auf den Plan rief, beschloss er zu flüchten-dieser Anschlag hatte nicht so funktioniert, wie er sich vorgestellt hatte, aber er würde jetzt abhauen und dann wiederkommen-denn seine Ehre war getroffen!

    Jetzt werden die ganzen Geschehnisse aufgearbeitet. Veikko´s Vater wird sich nicht ändern und denkt immer noch, er sei der Gutmensch in der Geschichte-gut dass Veikko sich von ihm distanzieren kann, denn der ist nur verblendet.
    Allen anderen geht es langsam gesundheitlich besser, Andrea ist auch mit im Boot und sogar Mikael und Kasper nähern sich an. Und haben wirs nicht gesagt? Mikael bekommt es besser, wenn er kämpft, das ist seiner Genesung eher zuträglich, als das in Watte packen!
    Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich deine Geschichte dem Ende nähert, aber da ist ja noch viel Potential für neue Storys rund um unsere und die finnischen Helden, aber wer weiss, vielleicht hast du auch in dieser Geschichte noch viele Kapitel für uns parat!

    Semir ist endlich zuhause und wird von Kevin und Ben an eine aufgelöste Andrea übergeben.
    Wunderbar beschrieben, welche Gefühle da in allen Protagonisten toben und wie Semir dann seiner Frau gegenüber in groben Zügen erzählt, was geschehen ist. So manch anderer hätte da vermutlich einen Nervenzusammenbruch erlitten und würde im Krankenhaus liegen, aber Semir zieht aus seiner Familie und seiner Liebe zu Andrea, aus der Unterstützung seiner Freunde und Kollegen die Kraft weiter zu machen und nicht aufzugeben, aber ich sehe die beiden Eheleute gerade aneinander geklammert deutlich vor mir-tolles Kapitel!

    Ja ich weiss, es war ein ultrakurzes Kapitel heute, aber vielleicht gibt es heute Abend noch einen Nachschlag. Allerdings bot sich das einfach so an mit dem Cliffhanger, ich konnte da nicht widerstehen!
    Das mit diesem speziellen Reiniger ist tatsächlich so-da kommen aber nur professionelle Fensterputzfirmen ran. Unser Krankenhaus hat eine Glasfassade, die wie die Fenster auch einmal jährlich von so einem Unternehmen gereinigt wird. Dieses Mittel hat Nanopartikel drin, da perlen nachher mindestens sechs Monate Schmutz und Wasser einfach ab. Allerdings haben diese Fensterputzer von Hygiene natürlich keine Ahnung und wenn du sie nicht dran hinderst, würden die ne ganze Intensivstation-beginnend mit den Isolierzimmern mit einem Bodendeckel Wasser-Reiniger-Gemisch putzen. Mir ist auch immer schleierhaft, wie sowas klappen kann, denn nach kurzer Zeit sieht die Putzbrühe aus wie Jauche, reinigt aber dennoch streifenfrei!

    Sarah und Andrea hatten beide die Freisprechfunktion ihrer Handys aktiviert, so dass sie sich unterwegs auch während der Fahrt kurz schließen konnten. Gott sei Dank schliefen die Kinder erst einmal eine ganze Weile und sie kamen gut voran. Auf deutschem Boden erst über die A9 und dann die A3 näherten sie sich der Heimat. Auf Höhe Nürnberg gerieten sie dann in einen Feierabendstau und die Kinder erwachten. Gott sei Dank gelang es ihnen die Autobahn an der nächsten Ausfahrt zu verlassen und sie steuerten einen Landgasthof an. Dort konnte Sarah stillen, alle anderen benutzten die Toiletten, Tim und Mia-Sophie wurden gewickelt und Gott sei Dank war das Lokal auf Kinder eingerichtet und bot ein Bällebad und andere Spielmöglichkeiten, so dass sich die Kinder dann, nachdem sie etwas gegessen hatten, nochmals bewegen konnten.

    Die Dunkelheit war herein gebrochen und gerade wollten sie weiterfahren, da läutete Andrea´s Handy. Susanne war am Apparat und sagte: „Andrea-kann ich Semir sprechen?“ und die gab wortlos ihr Telefon weiter, hatte aber bereits an der Stimme ihrer Freundin gemerkt, dass da irgendetwas ober faul war. Semir meldete sich, hörte zu und wurde blass. „Um Himmels Willen!“ flüsterte er dann. „Auf Ben wurde ein erneuter Anschlag verübt-er ist gerade im OP und wird operiert, aber sie wissen nicht, ob er es schafft!“ informierte er dann die beiden Frauen und Sarah schlug entsetzt die Hände vor den Mund und begann zu schluchzen. „Hartmut wurde ebenfalls verletzt, allerdings nicht allzu schwer!“ gab er noch weiter. „Aber so wie es aussieht, hat er dennoch Ben das Leben gerettet, falls der die OP übersteht.“

    Nun sprach er in den Hörer: „Susanne, wir kommen so schnell wir können, aber wir brauchen auch ohne Verkehr noch etwa vier Stunden, halt uns bitte auf dem Laufenden!“ bat er und weil er sah, dass Sarah unmöglich in der Lage war, jetzt noch zu fahren, sondern blass und zitternd in Andrea´s Armen lag und auch die Kinder, die sie gerade angeschnallt hatten, schon unruhig wurden, setzte er sich wortlos hinters Steuer. Seine Frau fragte besorgt: „Semir geht das?“ aber er antwortete nur: „Und wie das geht-du weisst-zum Fahren brauche ich nur eine Hand!“ und so nahm Sarah auf dem Beifahrersitz Platz und Semir fuhr vorneweg und bereits nach kurzer Zeit war klar, dass sie keine vier Stunden bis Köln brauchen würden. „Wenn wir geblitzt oder aufgehalten werden-das mache ich dann schon mit den Kollegen!“ sagte er noch zu Sarah, die das an Andrea telefonisch weiter gab. Gott sei Dank schliefen die Kinder bald wieder ein und so kamen sie gut voran, aber die Angst ließ ihre Herzen bis zum Hals schlagen-du lieber Himmel, was war bloß passiert?

    Knappe acht Stunden später war er in Köln eingetroffen und stellte den Polo auf dem Parkplatz der Uniklinik ab. Logischerweise musste ein Patient mit Verletzungen auf einer anästhesiologischen Intensivstation liegen und nicht auf einer Inneren, allerdings gab es da auch in Köln, wie auch in anderen großen Kliniken, so einige. In Zivil würde er auffallen, aber als er so durchs Krankenhaus streifte und die Augen offen hielt, sah er plötzlich eine Fensterputzfirma an der Arbeit. Es waren mehrere Putztrupps damit beschäftigt, die riesigen Fronten zu reinigen und die hatten ihre Jacken mit dem aufgedruckten Firmenlogo teilweise abgelegt, weil ihnen drinnen natürlich warm wurde, während sie beim Putzen draußen schon eine Jacke brauchten. In Köln war es auch nicht so kalt wie in den Bergen und bei trübem Wetter mit Temperaturen über fünf Grad konnte man diese Reinigungsarbeiten durchaus vornehmen. Dem Bergführer gelang es unauffällig eine Jacke und ein Käppi an sich zu nehmen. Bei einem anderen Trupp staubte er einen Wischer und einen speziellen Eimer mit Inhalt ab und wenig später marschierte er frech über die Intensivstationen und spähte in die Patientenzimmer, auf der Suche nach Ben Jäger. Die eine oder andere Schwester sprach ihn an: „Sie müssen es uns sagen, wenn sie in einem Zimmer putzen wollen und bitte für jeden Raum frisches Wasser, wegen der Keimverschleppung!“ wurde er ermahnt und nickte artig. Auf der zweiten Intensivstation wurde er fündig. Sein Opfer lag mit geschlossenen Augen, blass und erschöpft in einem Bett und schien zu schlafen.
    Gerade wollte er das Zimmer betreten, die Tür hinter sich schließen und sein Werk vollenden-das Butterflymesser lag schon in seiner Hosentasche bereit-da kam eine Schwester und ging ins Zimmer: „Na Ben-wie gehts dir-brauchst du ein Schmerzmittel?“ fragte sie freundlich, aber der dunkelhaarige junge Mann schüttelte den Kopf. „Für dich ist Besuch draußen, ein Kollege, soll ich den rein lassen?“ fragte sie dann, denn beim Mann ihrer Freundin machte man schon mal Ausnahmen und als er nickte, betrat wenig später ein etwa vierzigjähriger Mann mit auffallend rotem Haarschopf das Zimmer und zog sich einen Stuhl neben das Bett. Der Bergführer, der währenddessen so getan hatte, als würde er eine gläserne Zwischentüre reinigen und das Ganze beobachtete, fluchte verhalten auf. So ein Mist-jetzt musste er warten, bis der Typ verschwunden war, aber dann tat er so, als würde er ganz in seiner Arbeit aufgehen und stellte überrascht fest, dass das Glas tatsächlich mit dem speziellen Reiniger und dem Wischer ziemlich sauber wurde, obwohl er ja eigentlich gar keine Ahnung vom Putzen hatte.

    Ben hatte den Flug so ziemlich verschlafen. Der Notarzt hatte ihm nach seiner Verabschiedung von Sarah etwas gegeben, was in ihm ein richtiges Ach-ist-doch-alles-egal-Gefühl hervorrief und ihn die Augen schließen ließ. Die Schmerzen waren gut erträglich und als sie knappe zwei Stunden später in Köln-Bonn landeten, wurde er in einen RTW umgeladen und dann in die Uniklinik gefahren. In der Notaufnahme wurde er von einem Intensivarzt, den er von seinem letzten Aufenthalt noch kannte, übernommen und der und der Notaufnahmearzt ließen sich mündliche ärztliche Übergabe machen und studierten dann noch die Unterlagen, während man ihn vorsichtig mit dem Rollbrett in ein frisches Bett zog. Das tat kurz weh und ließ ihn aufstöhnen, aber bis er sich versah, hatte er schon wieder ein Schmerzmittel intus und überließ sich dann dem wohltuenden Gefühl der Schwerelosigkeit, während sich der Notarzt verabschiedete und man ihn kurz äußerlich durch untersuchte. Die Katecholamine und die Trägerlösung hatte man vorsichtig in die hauseigenen Perfusoren umgebaut. Die frei tropfende Infusion wurde verworfen und auch ein anderes Arteriensystem, wie es in Köln verwendet wurde, angeschlossen, aber soweit war er von den Österreichern medizinisch gut versorgt worden und nachdem man noch die Verbände aufgemacht und die Schulter- und Beinwunden mit den ganzen Drainagen besichtigt hatte, erneuerte man die Kompressen und nahm gleich noch Blut aus der Arterie ab.

    „So-jetzt geht’s auf die Intensivstation, wir haben ein nettes Einzelzimmer für sie reserviert!“ sagte der Intensivarzt und kontrollierte nochmals die Werte auf dem Monitor, den man natürlich auch umgebaut hatte. Eine Schwester der Notaufnahme packte mit an und schon schob man das Bett in den Aufzug, der sich auf den Weg nach oben machte. Auf der Intensiv wurde Ben freundlich von den Pflegekräften, die er größtenteils noch kannte, begrüßt und eine Freundin Sarah´s, die auch auf ihrer Hochzeit gewesen war, übernahm ihn. Ben seufzte innerlich zwar ein wenig auf-er hatte da immer ein wenig Hemmungen, wenn die bei ihnen zu Besuch war, denn die kannte ja wirklich sein Eingemachtes, aber da ließ sich wohl nichts daran ändern und die Freundlichkeit aller war wohltuend und ein großer Kontrast zu der Stimmung auf der Innsbrucker Intensiv. Hier gab es auch keinen einzigen Drachen und als man seinen Körper nun nochmals pflegerisch von Kopf bis Fuß inspiziert, ihn bequem gelagert, seine Lippen gecremt und ihm auch schluckweise etwas zu trinken angeboten hatte, konnte er sich endlich entspannen und ein wenig vor sich hin schlafen. Er erwachte erst wieder, als Sarah´s Freundin vor ihm stand und ihm Besuch ankündigte. Ein wenig war er nun doch neugierig, wer zu ihm kam, aber als nun Hartmut mit einem breiten Grinsen um die Ecke bog und ihn mit den Worten begrüßte: „Ich bin von Semir vorgeschickt worden, um dich ein wenig zu unterhalten!“ musste er doch lächeln. Ja die PASt-Familie hielt zusammen-es war schön, wieder zuhause zu sein!

    Das Kapitel heute habe ich von der ersten bis zur letzten Zeile atemlos und voller Spannung gelesen. Das war großes Kino und bis zum Schluss war ich nicht sicher, ob Semir nicht doch einen Blödsinn macht!
    Die inneren Kämpfe die in ihm toben, hast du genauestens beschrieben, aber ob er ohne die Unterstützung seiner Partner nicht doch Rocky erschossen hätte-keine Ahnung!
    Ben versucht seinen Freund ein wenig hilflos zu trösten, aber auch mir haben dessen Worte, dass er da drinnen schon mal gestorben wäre, kalte Schauer über den Rücken gejagt.
    Campino, allen Respekt, du bist ein hervorragender Autor! Das musste mal wieder gesagt werden!

    Also ich fand dieses Kapitel auch sehr positiv für Mikael-der pennt nicht sofort weg, sondern hat wieder Elan, denkt-im Rahmen seiner Möglichkeiten- nach und Ben sollte sich überlegen, ob er ihn nochmals anschwindelt-bald wird er es merken!
    Ja der Transport eines aktuell Behinderten ist ne zeitaufwendige und anstrengende Sache, aber trotzdem war es sehr wichtig, dass Mikael bei Eva war, der es anscheinend schon wieder ganz ordentlich geht. Der hat jetzt wieder nen Kick, sich anzustrengen!

    Der Tag verlief ohne besondere Vorkommnisse, Sarah lehnte weitere urologische Untersuchungen bei Ben ab und bestimmte, dass das in Köln gemacht würde, wo Ben ja diesbezüglich schon bekannt war. Ben war ihr dafür sehr dankbar-er wollte nämlich am liebsten überhaupt nichts mehr von dieser Materie wissen und hoffte, dass sich diese blöden Steine einfach von selber in Wohlgefallen auflösen würden, was allerdings nicht mehr als ein frommer Wunsch war. Aber auch in der Blase hatte die Blutung aufgehört, der Hb war zwar immer nur noch bei acht, weil man dann aufgehört hatte zu transfundieren, als die Blutungen nachgelassen hatten, aber das würde ein gesunder junger Mann innerhalb weniger Tage bis Wochen mithilfe von Eisenpräparaten selber wieder aufholen können. Der Urologe hatte einige Bilder ausgedruckt und die Befunde wurden kopiert, genauso wie die ganzen Röntgenbilder und OP-Dokumentationen.
    Semir bestand darauf, in der Nacht vor der Verlegung komplett bei Ben zu bleiben, denn Sarah und Andrea mussten am nächsten Tag die ganze Strecke fahren, denn er war mit der Verletzung am Arm einfach noch gehandikapt. Sie würden wegen der Kinder viele Pausen machen müssen und allen graute schon ein wenig vor der Heimfahrt. Wenn es nicht ging, würden sie unterwegs irgendwo über Nacht bleiben, aber Sarah hatte schon ausgiebig mit ihren Kollegen telefoniert und ihnen alles Wissenswerte mitgeteilt-es stand nämlich schon fest, dass Ben auf die Station kommen würde, auf der sie zwischen den Kindern gearbeitet hatte, da war er nach seinem Starkstromunfall vor wenigen Monaten auch gelegen und da wusste sie ihn in besten Händen. Wenn sie nach Hause kommen würden, stünde auch Hildegard schon bereit und würde die beiden Kleinen übernehmen und mit Ayda und Lilly war das sowieso kein Problem, denn deren Freundinnen in der Nachbarschaft waren in den Ferien überwiegend zuhause und da konnte man die ohne Probleme ein paar Stunden unterbringen, falls sie bei Tag eintrafen.

    So landete dann der Ambulanzflieger, wie schon zwei Tage vorher geplant, holte Sarah den Notarzt am Innsbrucker Flughafen ab, der bekam gründliche Übergabe seiner Kollegen und eine große Mappe mit Befunden und Berichten und dann wurde Ben vorsichtig erst auf die Liege des RTW umgelagert und am Flughafen dann in den Flieger gebracht. Ben brauchte zwar noch Katecholamine und war auch schwach, aber ansonsten ging es schon wieder aufwärts bei ihm. Mit einem liebevollen Kuss verabschiedete sich Sarah von ihm. „Bis morgen mein Schatz-wir fahren jetzt zwar bald los, aber wegen der Kinder werden wir nicht so schnell zuhause sein!“ sagte sie und Ben lächelte. „Fahrt vorsichtig und kommt mir sicher an, das ist das Wichtigste, du weisst doch-ich bin in der Uniklinik gut versorgt und ich bin auch schon groß, ich komme auch mal ein paar Tage ohne Babysitter zurecht!“ spöttelte er ein wenig und Sarah kniff ihn dafür in den gesunden Oberarm. „Wenn du frech bist, komme ich erst wieder, wenn man dich abholen kann, also sei vorsichtig mit dem, was du sagst!“ gab sie zurück und unter dem Schmunzeln des Notarztes und der Flugbegleiter stieg Sarah wieder aus und beobachtete wehmütig, wie der Flieger abhob.

    Semir war derweil noch zur Wundkontrolle und zum Verbandwechsel in der Krankenhausambulanz gewesen und auch er bekam einen Arztbrief für die Kölner Kollegen mit. Nachdem Sarah ja sicher noch ein wenig brauchen würde, bis sie am Flughafen ihren Mann verabschiedet hatte, ging er kurz entschlossen auf die Station, um den Patriarchen zu besuchen. Die Zimmernummer hatte er an der Rezeption erfragt und als er klopfte und eintrat, überzog ein breites Lächeln das Gesicht des immer noch schwer angeschlagenen Mannes, der aber ebenfalls über dem Berg war. Auf Türkisch verständigten sie sich, aber eigentlich war die Sprache unwichtig, denn beide hatten eigentlich nur ein wichtiges Wort für den anderen und das war „Danke!“ Semir war dankbar, dass der Patriarch und seine Familie Ben gerettet hatten, denn er hätte schon in der Lawine nicht gewusst, wo er nach ihm suchen sollte und die medizinische Versorgung war ebenfalls lebensnotwendig gewesen und Semir seinerseits hatte allen Menschen in der Höhle durch sein entschlossenes Eingreifen das Leben gerettet. So hielten sie eine ganze Weile gerührt ihre Hände gedrückt und Semir bekräftigte dann nochmals die Bitte, dass sie sich melden sollten, wenn man wusste, wie es weiter ging, oder sie Hilfe brauchten.

    Andrea war mit den Kindern den ganzen Vormittag draußen gewesen, die hatten im Schnee getobt und waren an einem kleinen Rodelberg direkt hinter dem Hotel mit Plastiktüten den Hang hinunter gerutscht, hatten einen wunderschönen Schneemann gebaut-nur Tim hatte man davon abhalten müssen, den wieder zu zerstören und in die Karotte, die als Nase dienen sollte, hatte er zunächst einmal herzhaft hinein gebissen- aber so waren die alle gut müde und begannen schon beim Mittagessen zu gähnen. Semir würde bei Sarah mitfahren, weil die beiden Kleinen sicher schwerer zu beschäftigen waren als Ayda und Lilly und so machten sie sich direkt nach dem Mittagessen auf den Weg nach Hause. Sie waren kaum auf die Inntalautobahn aufgefahren, da schliefen die Kinder schon und sie kamen gut voran. „Jetzt hoffen wir, dass wir gut durchkommen und keinen Stau haben!“ hoffte Semir und Sarah, die vorne weg fuhr, nickte. Im Rückspiegel sahen sie Andrea, die ebenfalls konzentriert und zügig den schweren Geländewagen über die Autobahn lenkte. Nun ging es nach Hause und sie konnten hoffen, dass ihr Winterabenteuer ein gutes Ende nehmen würde.

    Der Bergführer hatte sich ebenfalls noch einen Tag erholt und sich dann von seinen Freunden den Zweitwagen, einen kleinen Polo geliehen. „Ich habe in Deutschland noch etwas zu erledigen, aber ihr kriegt das Auto spätestens nächste Woche zurück!“ versprach er und war dann ebenfalls-allerdings viele Stunden früher als Sarah, Andrea und Semir- auf dem Weg nach Köln, denn Winkler hatte seine Kontakte spielen lassen und war bestens informiert, wohin dieser Jäger verlegt werden würde und hatte das dem Bergführer mitgeteilt. Der würde seinen Auftrag diesmal ordnungsgemäß erledigen und drückte das Gaspedal durch!

    Ach ist das alles schwierig! Mich hat es auch erstaunt, dass Kasper früher mal mit Eva zusammen war, aber trotzdem finde ich es klasse, dass er sich entschieden hat, Enni auszuschalten-wenn die Mikael erschossen hätte, wäre Eva ja vielleicht zu ihm zurück gekommen-na ja vielleicht nicht wirklich, aber vielleicht hat er drüber nach gedacht!
    Was ich allerdings auch nicht nett finde, ist, dass er denkt, dass Mikael nie mehr gesund wird-der hat doch keine Ahnung von Schädel-Hirn-Traumen! Da ist Zeit einfach ein wichtiger Faktor! Aber Eva hat Recht-dieses Porzellanpuppengehabe ist vielleicht völlig verkehrt für Mikael. Der soll kämpfen, wie alle anderen auch und sich nicht schonen-vielleicht ist das der Kick, den er zum Gesund werden braucht-und ein wenig Konkurrenz.
    Und Veikko-der ist einfach ein Lieber <3 -anstatt auf den Mann , der seine Schwester getötet hat, sauer zu sein, verzeiht er ihm und sucht sogar den Kontakt!

    Der Bergführer war zu seinen Bekannten im Kleinwalsertal abgestiegen, die auch gleich seine Schulterwunde verbanden und ihm Schmerzmittel und Antibiotika gaben, die sich in ihrem Medizinschränkchen fanden. „Wie ist denn das passiert?“ wollte sein Freund wissen. „Bei der Jagd hat sich ein Schuss gelöst!“ log der Bergführer. „Aber jetzt ist doch Schonzeit!“ sagte der Freund tadelnd, aber als der Bergführer daraufhin sagte: „Drum wollte ich ja auch nicht ins Krankenhaus-ich weiss, dass das nicht ok ist!“ ließen sie es auf sich beruhen und stellten ihm ihr Gästezimmer zur Verfügung, kochten etwas Gutes und innerhalb weniger Tage war die Wunde schon ziemlich gut verheilt und er traute sich Winkler anzurufen. „Wegen dem Zusammentreffen mehrerer unglücklicher Umstände konnte ich ihren letzten Auftrag nicht zur vollsten Zufriedenheit erfüllen!“ sagte er kleinlaut. „Ich wollte sie aber trotzdem fragen, ob ich weiterhin für sie tätig sein darf?“ wollte er wissen und der reiche Mann schnaubte ins Telefon. „Eigentlich wollte ich nie mehr mit ihnen zusammen arbeiten, aber sie haben noch eine Chance. Ich mag es nicht, wenn meine Wünsche nicht erfüllt werden und gerade hat schon wieder ein Mitarbeiter versagt-wenn sie diesen Jäger innerhalb der nächsten Woche töten, vergessen wir das Ganze und sie bekommen noch eine Bonuszahlung!“ sagte er und dann lauschte der Bergführer den neuesten Nachrichten aus Innsbruck. „Mir wurde allerdings mitgeteilt, dass dieser Jäger in Kürze nach Köln verlegt werden soll, vermutlich ist es dort einfacher, weil ja niemand mit einem Anschlag rechnet. Er steht in der Tiroler Klinik nicht unter Polizeischutz, allerdings sind angeblich ständig Angehörige bei ihm. Ich stelle es ihnen allerdings frei, wo sie ihren Auftrag vollenden-wichtig ist nur, dass dieser Typ von der Bildfläche verschwindet!“ sagte er, denn gerade vor einer halben Stunde hatte seine Frau ihn gebeten, doch Blumen und Genesungswünsche nach Innsbruck zu senden. „Schatz-dieser nette junge Mann war doch unser Miturlauber, ich finde das gehört sich!“ hatte Estelle geflötet und Winkler hätte sie daraufhin am liebsten gewürgt. Wenn dieser Jäger das überlebte, würde er nie seine Ruhe haben-die war in den gutaussehenden Typen verschossen und meinte, er wäre zu blöd, um das zu bemerken. Er würde das schaffen, den killen zu lassen, ohne dass an ihm etwas hängen blieb. Das Handy von dem aus er die Mitteilung an Karsten geschrieben hatte und dessen Nummer auch der Bergführer hatte, hatte er in Südamerika gekauft, das war zu ihm nicht zurück zu verfolgen. Er war sicher, aber er konnte auch erst wieder ruhig schlafen, wenn dieser Jäger, der anscheinend wie eine Katze neun Leben hatte, endlich tot und begraben war und seinetwegen konnte dann Estelle sogar auf die Beerdigung gehen, damit sie es auch glaubte-kein anderer Mann würde sie besitzen!

    Als Semir nun langsam in die Cafeteria ging, während Ben im OP war, traf er zu seiner Überraschung die Mutter des kleinen Murat. Er sprach sie auf Türkisch an und irgendwie konnten sie sich verständigen. Sie erzählte ihm, dass sowohl ihr Sohn, als auch ihr Schwiegervater auf dem Wege der Besserung waren und der Patriarch sogar schon extubiert war und morgen auf Normalstation kommen würde. „Unsere Gruppe wird von den Menschen im Lechtal wunderbar versorgt und die Chancen stehen gar nicht so schlecht, dass wir erneut nach Deutschland einreisen dürfen, denn das Biwak, wo sich die schrecklichen Dinge zugetragen haben, befindet sich auf deutschem Boden-wie mein Schwager mir telefonisch mitgeteilt hat. Hier im Krankenhaus bin ich in einem Mutter-Kind-Zimmer untergebracht und in Österreich ansässige Landsleute finanzieren das, damit ich bei meinem Sohn sein kann, wenn er aufgeweckt wird. Ich habe auch eine Dolmetscherin, die für uns übersetzt und unser Asylantrag soll in Deutschland zügig geprüft werden!“ erzählte sie und Semir freute sich sehr über die guten Nachrichten. Er drückte die Frau zum Abschied-dieses schreckliche Abenteuer, das sie miteinander erlebt hatten, würde sie für immer in Verbindung bleiben lassen, da war er sich ganz sicher! Er schrieb ihr auch noch seine Kölner Adresse und Festnetztelefonnummer auf und sie versprach sich in Kürze zu melden und ihn auf dem Laufenden zu halten.
    Semir holte sich einen Kaffee und sah auf die Uhr. Die Schwester hatte gemeint, der Eingriff würde etwa eine halbe bis eine Stunde dauern und so trank er sein Lieblingsgetränk und beobachtete gedankenverloren die Menschen, die geschäftig durch die Gänge wuselten. Diesbezüglich war ein Krankenhaus wie das andere, aber trotzdem freute er sich, wenn sie wieder zurück in Köln waren.

    Ben hatte ziemliche Angst, als er in den OP gefahren wurde. Das Einzige was ihn beruhigte war, dass er diesmal eine Narkose bekommen würde, denn die Rauchgasvergiftung war aktuell kein besonderes Thema mehr. So wurde er mit dem Schleusenband schonend auf den OP-Tisch gefahren und wenig später fielen ihm die Augen zu, als der Narkosearzt, der sehr nett zu ihm war, ihm das Propofol in den ZVK spritzte und er einschlief. Wegen der Kürze der beiden Eingriffe verzichtete man sogar auf eine Intubation, sondern setzte eine Larynxmaske-abgekürzt LAMA in seinen Hals ein und dann wurden die Blutergüsse an der Schulter und am Bein nach Desinfektion und Abdeckung großflächig eröffnet und mehrere Drainagen eingelegt. Die Blutungsneigung war zwar noch leicht verstärkt, aber nachdem man nun wusste, was die Ursache dafür gewesen war, konnte man gegensteuern und so war er nach einer guten halben Stunde wieder in seinem Bett und auf dem Rückweg zur Intensivstation. Er schlief noch ein wenig vor sich hin, gut abgedeckt mit Schmerzmitteln und das Erste was er bewusst sah, als er wieder wach wurde war Semir, der ihn anlächelte und so schloss er beruhigt wieder die Augen und schlief noch ein Ründchen weiter.