Beiträge von susan

    Kevin ist wirklich ein schwieriger Fall! Er hat Alpträume, fühlt sich für Annie verantwortlich und sein Unterbewusstsein macht ihm noch weis, dass Semir sie dafür bestrafen würde, wenn er sie in die Finger kriegen würde. Da bin ich mir allerdings absolut sicher, dass er das nicht täte, denn Semir ist so weise ( Gott sei Dank nicht verwaist :D ), dass er sich zu so einer Tat nie hin reißen lassen würde. Damit würde er sich ja auf die selbe Ebene mit jedem Verbrecher begeben und außer in seinen Tagträumen ist er denke ich nicht so rachsüchtig!
    Aber Kevin wird schon wieder von seiner alten Paranoia heimgesucht und zieht sich zurück, vertraut niemandem so richtig und kocht sein eigenes Süppchen. Er verdächtigt Ben sogar, dass ihn der bei der Chefin angeschwärzt hätte, derweil bittet Ben doch nur um eine neue Chance für Semir und erzählt das danach auch frank und frei, was Kevin dann wieder ein schlechtes Gewissen beschert. Ja wenn der im "Einsamer Wolf-Modus" ist, ist mit dem schwer aus zu kommen!
    Jenny kommt derweil nicht auf den naheliegendsten Gedanken für ihre Morgenübelkeit, na das kann ja noch was werden!
    Nun redet Ben gerade mit Kevin im Wagen Tacheles, da wird auf das Fahrzeug geschossen! =O Die beiden verlassen mit mehreren Überschlägen die Straße -ja und ich muss jetzt auch dringend wissen, was den beiden passiert ist (momentan dank der Airbags und Gurte vermutlich nicht allzu viel), wer der Schütze war und was der Grund für den Anschlag war-und natürlich bibbere ich auch davor was passiert, wenn der Schütze sich jetzt die Insassen näher betrachten will! ;(

    So liebe Leser!
    Meine OP ist gut verlaufen und auch wenn ich Teile eines Lendenwirbels opfern musste, bin ich meine fürchterlichen Nervenschmerzen, die mich an den Rand des Wahnsinns gebracht haben, nach drei Monaten endlich los. Es ist zwar ein wenig aufwendig zu schreiben, weil ich noch nicht lange sitzen darf und auch ein sexy Korsett tragen muss ^^ , aber in Etappen gehts und so nimmt die Geschichte ab heute wieder wie gewohnt ihren Lauf. Danke für eure lieben Genesungswünsche-das hat sicher mit geholfen, dass Alles glatt gegangen ist ;) .

    Die nächsten Stunden verlebte Ben wie in Trance. Der Krankengymnast kam wieder und machte mit ihm Übungen, die er wie eine Marionette absolvierte. Der Mann war freundlich zu ihm und versuchte ihn in ein Gespräch zu verwickeln, auf das Ben aber nur einsilbige Antworten gab, oder gar nichts erwiderte. Innerlich zuckte der Physiotherapeut mit den Schultern, gut, wenn sein Patient sich nicht unterhalten wollte, dann eben nicht, er versuchte dennoch sich Mühe zu geben, das merkte man, aber ein wenig abgelenkt, durch was auch immer, war er schon. Als die Schulter mobilisiert war, Ben wieder mit dem Gehwagen ein wenig gelaufen war und auch der verkrampfte Rücken, dessen Muskeln teilweise hart und fest wie Stahl waren, ein wenig gelockert war, verabschiedete sich der Physio: „Morgen lasse ich sie zu uns runter bringen, Herr Jäger, da haben wir mehr Möglichkeiten und auch ein wenig Wärme, um die Muskulatur vor den Übungen zu lockern, der Fahrdienst wird sie dann mit dem Rollstuhl abholen!“ kündigte er an und Ben nickte. Allerdings war er froh, als er wieder angezogen war, der Schulterverband ihn schützte und er sich unter seiner Decke verkriechen konnte. Als die Schwestern durchgingen und ihn fragten, ob er etwas brauche, schüttelte er nur den Kopf und schlüpfte nur noch tiefer in die Kissen. Das Mittagessen ließ er unberührt zurück gehen, schluckte aber brav seine Tabletten gegen die Schmerzen und das Antibiotikum, das ab sofort oral gegeben wurde. Wieder wehrte sich sein Körper mit Magenkrämpfen, aber er sagte niemandem etwas davon, sondern hielt sie still aus und irgendwann wurde es auch besser.

    Am Nachmittag stand plötzlich die Chefin vor seinem Bett und er erschrak. Anscheinend war er doch kurz eingenickt gewesen und als sie ihn an der Schulter berührte und freundlich fragte: „Hallo Herr Jäger-wie geht es ihnen denn?“ zuckte er zurück, als hätte sie ihn mit einem Flammenschwert gestreift. Als er dann allerdings gewahr wurde, wer da vor seinem Bett stand, riss er sich zusammen und hörte auch interessiert zu, als sie ihm erzählte, dass der überlebende Wrestler die Tötung Frau Winkler´s ohne Umschweife zugegeben hatte, wie auch seine Beteiligung an den grausamen Morden an den Flüchtlingen. Anscheinend hatte dessen Leben durch den Verlust seines Partners keinen Sinn mehr und er nahm sein Schicksal, das ihn den Rest seines Lebens, oder zumindest die nächsten zwölf bis fünfzehn Jahre hinter Gitter führen würde, an. „Ich denke sie werden nicht einmal bei der Verhandlung aussagen müssen, denn die Entführung fällt bei den anderen Taten eigentlich nicht mehr ins Gewicht-außer da wäre noch etwas, was sie gerne gesühnt hätten?“ erklärte Frau Krüger und sah ihn aufmerksam an, aber Ben schüttelte den Kopf. „Da war sonst nichts!“ antwortete er und wusste, auf was die Chefin hinaus wollte. Immerhin hatte man ihn nackt im Bett der beiden Muskelprotze gefunden, aber Gott sei Dank war Semir rechtzeitig gekommen, bevor sie sich an ihm vergreifen konnten. Es hatte ihn schon angeekelt den beiden zuzusehen, wie sie sich zunächst miteinander vergnügt hatten und er wäre in Kürze dran gewesen, aber das war jetzt so weit weg und so unfassbar, dass er daran nicht mehr denken wollte.
    „Gut-dann fahre ich jetzt wieder!“ erklärte die Chefin und erhob sich von dem Stuhl, den sie sich ans Bett gezogen hatte. „Viele liebe Grüße von allen Kollegen aus der PASt, die wünschen ihnen-wie auch ich- eine baldige Genesung!“ richtete sie aus und streckte die Hand aus, um sich von Ben zu verabschieden. Der schützte allerdings einen Hustenanfall vor und presste seine rechte Hand auf seinen Mund, so dass Kim Krüger nun die Ihrige wieder zurück zog und mit einem kurzen Winken den Raum verließ. Irgendwie war Jäger ihr merkwürdig vorgekommen, aber dann schob sie die trüben Gedanken beiseite, der würde sich schon wieder fangen, er hatte sich schon so oft erholt, wenn er irgendwie verletzt worden war. Der war ein Stehaufmännchen und mit Hilfe seiner Familie und Gerkhan´s wäre der bald wieder auf den Beinen, da war sie sich ziemlich sicher. Erleichtert kehrte Kim Krüger wieder in ihr Büro zurück und begann Berichte zu diktieren, die Susanne später abtippen würde. Das war das Privileg einer Revierleiterin, die ließ schreiben und musste die Schriftsätze nicht selber mühsam in den PC eingeben, wie die anderen Beamten!

    Sarah war, nachdem Ben sie abgewiesen hatte, zu den Flüchtlingen in ihre Wohnung gefahren. Sie musste sich jetzt ablenken und bedankte sich als Erstes ganz herzlich für deren aufmerksame Beobachtungsgabe, die ihr und den Kindern das Leben gerettet hatte. Tim wurde gebührend bedauert und zeigte stolz seinen Verband, der schon ziemlich ramponiert war, her, bevor er mit Murat und den anderen Kindern zu spielen begann, das Baby ging von Arm zu Arm und die Frauen waren alle aufs Neue entzückt von dem süßen strampelnden Blondschopf. Sarah half beim Ausfüllen mehrerer Formulare, gab der ganzen Gruppe Deutschunterricht und fühlte sich wohl und gebraucht. Außerdem konnte sie so verdrängen, was innerlich an ihr nagte-der Streit mit Ben und dessen merkwürdiges Verhalten, das aber keinen anderen Schluss zuließ, als dass er sie nicht mehr liebte und daran hatte sie schwer zu knabbern! Zuletzt ließ sie die Kinder kurz in der Obhut der Großfamilie zurück, Tim, der lauter tolle neue Freunde gefunden hatte, wäre jetzt eh nicht mitgegangen und Mia-Sophie schlummerte gerade satt und zufrieden auf einem der Betten, liebevoll bewacht von den Frauen und so fuhr Sarah mit einem der Männer und der ältesten Frau in ein Geschäft in der Nähe, das arabische Lebensmittel führte und man kaufte die gewohnten Zutaten und Gewürze, woraufhin die Frauen in der Wohnung ein köstliches Mahl bereiteten, das wunderbar schmeckte. Mit leisem Bedauern dachte Sarah, dass Ben davon vermutlich ebenso begeistert wäre wie sie-er liebte doch fremdländische Küche-und kurz überlegte sie, ob sie etwas in Tupperschüsseln abfüllen und ihm bringen sollte, aber dann verwarf sie den Gedanken. Sie wollte jetzt nicht an Ben und ihren Streit denken und das war auch ein Grund, warum sie nicht zu Hildegard fuhr. Die würde ihr sicher ins Gewissen reden und versuchen die Gräben zu kitten, aber Sarah hatte eben auch ihren Stolz und wenn Ben jetzt nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, dann musste sie eben versuchen, damit zurecht zu kommen und die Verdrängungstaktik funktionierte ausnehmend gut.
    Erst am Abend fuhr Sarah mit den Kindern zurück in ihr Haus und die waren von den ganzen neuen Eindrücken so geschafft, dass sie fast sofort schliefen und erneut lenkte Sarah sich mit einem alten Film und einer Tüte Chips ab. Schuldbewusst betrachtete sie sich danach im Spiegel-wenn sie so weiter machte, würde sie bald aussehen wie eine Matrone, kein Wunder, wenn Ben nichts mehr an ihr fand, vielleicht hatte sie selber Schuld daran, dass er sie nicht mehr liebte-wenn sie an die Figur dieser Winkler dachte, die sie im Hotel im knappen Bikini gesehen hatte und an der kein Gramm Fett gewesen war, nur straffe große Brüste und ein flacher Bauch, an dem man jeden Muskel gesehen hatte, dann war sie dagegen ein undisziplinierter Fettkloß mit Schwabbelbauch und Hängebusen, der noch überhaupt nichts gegen die Schwangerschaftspfunde unternommen hatte, sondern stattdessen tütenweise Chips aß. Trotzdem kamen ihr nun die Tränen und sie weinte sich in den Schlaf. Was war nur zwischen Ben und ihr geschehen, dass sie nicht mehr miteinander konnten? Aber irgendwann verlangte die Natur ihr Recht und Sarah sank in einen Schlaf, der allerdings von allerlei bösen Träumen angereichert war und der Kern war immer, dass sie Ben verlor und als sie am Morgen aufwachte, war sie müde und traurig und hoffte im ersten Moment, dass der gestrige Tag nie stattgefunden hätte, aber leider war der bittere Realität.

    Semir erholte sich zusehends. Er überlegte zwar kurz, seinen Freund heute schon zu besuchen, aber Andrea ermahnte ihn streng, das nicht zu tun. „Semir-wenn du Ben ansteckst, hat der überhaupt nichts davon. Gönn dir noch einen Tag zuhause, dann kann das Antibiotikum wirken und umso eher bist du wieder fit!“ beschwor sie ihn und widerstrebend stimmte Semir ihr zu. Wie immer hatte seine Frau Recht, aber trotzdem vermisste er seinen Freund, aber der hatte ja Sarah-morgen allerdings würde ihn niemand mehr davon abhalten können, zu Ben zu fahren, aber so verbrachte er noch einen geruhsamen Couchabend, um danach zeitig ins Bett zu gehen und am Morgen erholt aufzuwachen-er war wieder gesund, Gott sei Dank!

    Ben brachte irgendwie einen schrecklichen, trostlosen Tag hinter sich. Am Abend weinte er sich lautlos in den Schlaf. Was war in seinem Leben nur schief gelaufen, dass er alles kaputt machte? Er fühlte sich von Gott und der Welt verlassen und als er am Morgen völlig erschöpft erwachte, merkte er, wie es in seinem Bauch plötzlich zu toben begann und er rollte sich voller Schmerzen unter seiner Decke zusammen-oh Gott, was geschah nur mit ihm? Am liebsten würde er auf der Stelle sterben!

    Ben hat eben doch ein Rittergen! Die junge Frau wirkt auf ihn schwach und verletzlich, wobei sie das mit Sicherheit nicht ist, denn wer einen dementen Angehörigen pflegt ist aus einem harten Holz geschnitzt! Allerdings ist es eben der Beschützerinstinkt, der hier rauskommt und der hat ja auch etwas Gutes-und nein, ich denke nicht, dass Carina da in dunkle Machenschaften verwickelt ist-vielleicht hat sie was mitbekommen, aber ich glaube das ist eine Gute! :D
    Nichtsdestotrotz weiss Ben trotzdem vermutlich nicht auf was er sich einlässt-wer ahnt das schon, der noch nie einen kranken Angehörigen gepflegt hat und körperlich wirkt Frau Bachmann ja noch ganz fit, das kann also noch Jahre so gehen! Wobei-mit Geld und einer privaten Pflegeperson im Haus könnte sich Carina schon Freiraum schaffen, aber mal sehen wie sich das entwickelt mit den beiden-aber ich wette, Verwicklungen gibts da noch genug!

    Oh je, jetzt schweben Ben und Mikael gleichermaßen in Lebensgefahr. Ben quält sich, obwohl verletzt in den brennenden Club, um seinen Freund zu retten und wird dabei ohnmächtig. Wenn er jetzt nicht schnell gefunden wird, wars das mit ihm! ;( Ich habe gerade null Lust auf etwas Gegrilltes! <X
    Solheim hingegen war gar nicht der Böse, sondern ein Mann aus der Selbsthilfegruppe, der Mikael für alles Leid verantwortlich macht.
    Solheim, der den Verrückten leider auch nicht von seiner Tat abhalten konnte, springt jetzt über seinen Schatten und leistet dem jungen Kommissar, der schwer verletzt ist, Erste Hilfe-du lieber Himmel, harukaflower, lass Mikael bitte nicht sterben, denk an Eva und die Kinder! :(
    Sehr spannend-ich werde den Laptop mit in die Klinik nehmen, mal sehen ob die in München ne bessere Internetverbindung haben, als in unserem Krankenhaus! Möchte doch dringend wissen, wie es hier weiter geht!

    Liebe Leser!
    Jetzt melde ich mich mit dem 100. Kapitel bei euch für ein paar Tage ab. Ich gehe morgen in die Klinik und werde am Donnerstag in München an der Bandscheibe operiert, nachdem die konservative Therapie erfolglos war. Ich gestehe, dass ich letzte Woche als ich den OP-Termin gekriegt habe eigentlich vorhatte, die Story bis heute zu beenden, aber irgendwie ist die noch nicht auserzählt und deshalb muss ich euch ein wenig vertrösten. Sobald ich wieder fit bin, bekommt ihr den Rest der Geschichte geliefert-bis bald!
    Eure susan

    Als Sarah am Morgen erholt aufwachte, hatte sie schon fast vergessen, dass sie gestern einen kleinen Streit mit Ben gehabt hatte. Nach einer Nacht darüber schlafen war sie beinahe ein wenig beschämt, dass sie wegen einer Kleinigkeit so ein Fass aufgemacht hatte. Ben hatte Recht gehabt-sie ging normalerweise auch alleine zum Arzt, sie wäre gar nicht auf die Idee gekommen, außer in den Schwangerschaften zum Ultraschall, da ihren Mann mit zu schleifen-ganz abgesehen davon, dass der daran gar kein Interesse hätte. Und außerdem rechtfertigte die Tatsache dass sie Krankenschwester war ja nicht, dass sie sich um alle Belange, die Ben´s Körper angingen, kümmern musste. Auch er hatte ein Recht auf eine Privatsphäre und sie würde sich jetzt einfach entschuldigen und dann den gestrigen Tag aus ihrer Erinnerung streichen. Sie würde die Kinder jetzt auch gleich mitnehmen, dass Ben die wieder sah, denn gerade Tim hatte schon mehrmals gefragt, ob denn der Papa nicht bald käme und Sarah hatte ihm dann kindgerecht erklärt, dass der noch ein bisschen im Krankenhaus bleiben müsse, bevor er wieder nach Hause dürfe. Tim hatte den Urlaub gemeinsam mit der ganzen Familie sehr genossen, denn wenn der Papa arbeiten war, sah er ihn nur morgens und abends kurz und eben am Wochenende, wenn Ben da frei hatte. Dann allerdings beschäftigte der sich viel mit seinen Kindern-manchmal war er ja selber noch wie ein großes Kind, wie Sarah mit einem glücklichen Lächeln konstatierte und wenn er mit Tim mit Matchboxautos im Kinderzimmer auf dem Bauch am Boden liegend, Autobahn spielte, wusste sie manchmal nicht, welchem von ihren beiden dunkelhaarigen Männern das besser gefiel! Nein sie liebte ihn einfach von Herzen und würde jetzt schnellstmöglich die Unstimmigkeiten ausräumen und sich bei ihm entschuldigen! So machte am späten Vormittag sie die Kinder fertig und fuhr dann los in die Klinik.

    Semir hatte wirklich fast den kompletten Nachmittag und die Nacht verschlafen. Am Morgen war er fieberfrei und sehnte sich nach einer Dusche, die ihm Andrea, nach einem prüfenden Blick aufs Thermometer, auch erlaubte. Er war zwar noch etwas wacklig auf den Beinen, aber er genoss die Dusche und als er sich danach wieder ein wenig hinlegte, hatte Andrea derweil sein verschwitztes Bett frisch bezogen. Im Laufe des Vormittags bekam er einen Bärenhunger und als er dann fürstlich gefrühstückt hatte, war er schon wieder ein anderer Mensch, obwohl er sich danach bereitwillig nochmals hinlegte und ein Ründchen schlief. Hartmut hatte ihn am gestrigen Tag von der KTU aus noch angerufen, dass Ben anscheinend keine Erinnerung an die Szenen in der Wohnung hatte und die ganze Zeit verpennt hatte. Semir wünschte ihm nichts mehr als das, denn er kannte seinen Freund und Partner und wusste, dass der anderenfalls an dieser Sache schwer zu knabbern hätte.

    Ben wurde am Morgen wieder von den Schwestern in den Waschraum hinaus gefahren. Er schloss die Tür hinter sich und sperrte sogar zu, damit ihn auch niemand überraschte. Die Schwester im Zimmer, die derweil sein Bett machte, das Nachtkästchen desinfizierte und die Antibiotikainfusion herrichtete, musste lächeln. Man konnte die Tür sofort mithilfe einer Münze von außen öffnen, falls nötig und was meinten denn die Patienten-dass sie als Schwestern ihnen was wegschauen würden? Mann die wenn wüssten, was man im Laufe seines Berufsleben zu sehen bekam, ob man wollte oder nicht, dann wären sie nicht so genant, allerdings musste sie schon sagen, dass so ein knackiger, durchtrainierter Männerkörper schon was hatte-vor allem weil er im Krankenhaus doch eher die Ausnahme war, die große Mehrzahl der Patienten war eher älter und hatte eben einen nicht so tollen Körper, aber das war schließlich egal.
    Ben hatte sich zuvor aus dem Schrank frische Wäsche geben lassen und die Pflegerin hatte das ein wenig verwundert konstatiert, sie hätte eigentlich gedacht, dass er sich erst frisch anziehen würde, wenn seine Frau da war und ihm half-alleine konnte er sicher noch nicht allzu viel machen mit seinen ganzen Verletzungen. Allerdings war das nicht ihr Bier und mehr als ihm Hilfe anzubieten, die er aber sofort ausschlug, konnte sie nicht machen. „Herr Jäger-denken sie bei der Visite auch mit dran, dass wir fragen, ob sie nicht mal duschen dürfen. Wir könnten Duschpflaster auf die OP-Wunden kleben, dann dürfte das klappen, aber der Arzt muss das nach einer Knochenoperation erlauben!“ rief sie noch durch die geschlossene Tür und Ben signalisierte seine Zustimmung. Ach wäre das schön, sich die ganzen Körperzellen von Estelle vom Leibe zu waschen. Er hatte inzwischen das Gefühl schon wie die zu riechen und ihn ekelte es vor sich selber. Irgendwie gelang es ihm nach dem Zähneputzen aus dem Gilchristverband zu schlüpfen, sein T-Shirt auszuziehen und sich, soweit er ran kam, zu waschen. Er schrubbte wie ein Wahnsinniger mit ganz viel Duschgel, aber es gab schmerzbedingt so viele Stellen, die er nicht erreichte und er hatte richtig das Gefühl, die würden zum Himmel stinken und die frisch gewaschenen Körperteile sofort wieder überwuchern!

    Man hatte in der Nacht, als die Infusion durch gewesen war, diese abgestöpselt. Die Nachtschwester hatte ihm erklärt: „Herr Jäger, ab sofort bekommen sie nur noch ihre Antibiose intravenös. Sie können ja essen und trinken und wenn sie ein Schmerzmittel brauchen, bekommen sie das als Tropfen oder Tablette.“ Und er hatte genickt, auch wenn es ihm schon beim Anblick der Schmerztropfen übel würde und er Magenschmerzen bekam. Nachdem er mit allerlei Verrenkungen in seine frische Wäsche geschlüpft war, ließ er sich ins Zimmer zurück fahren und setzte sich selber an den Bettrand. Wenn er sich festhalten konnte ging das ganz gut und er wollte einfach nicht, dass eine Schwester ihn anfasste. Gott sei Dank half ihm ein junger Pflegepraktikant beim Anziehen des Schulterverbandes, das konnte er aushalten! Inzwischen stand sein Frühstück auf dem Nachtkästchen, aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte einfach keinen Bissen hinunter bringen, nur den Kaffee trank er wieder, was ihm prompt heftige Magenkrämpfe bescherte. Er legte sich zurück und verkroch sich erneut unter seiner Decke und wartete, bis die vorbei gingen. Die Stationshilfe, die das Essenstablett abräumte, sah ihn merkwürdig an, aber dann verließ sie schulterzuckend den Raum-das war nicht ihr Bier, wenn die Patienten keinen Hunger hatten!
    Man ließ die Antibiose in ihn hinein laufen und als die Schwester dazu nur ein wenig seinen Unterarm berührte, durchfuhren ihn heisse Schauer-er wollte einfach nicht angefasst werden, aber er hielt es aus, um sich nicht zum Gespött zu machen. Die Visite brachte keine neuen Erkenntnisse, nur dass die HIV-Prophylaxe jetzt abgeschlossen war, man später nochmals Blut abnehmen würde und es jetzt sehr wichtig wäre, dass er kräftig Krankengymnastik machte. Das Duschen wurde für den morgigen Tag erlaubt und Ben war sich sicher, das würde erstens das Highlight des Tages werden und zweitens würde es ihm danach besser gehen, wenn er alle Reste von Estelle von sich abgewaschen hatte. Im Halbdämmer in der Nacht hatte er geträumt, sie wäre wieder von den Toten auferstanden und würde langsam auf ihn zukommen, um ihm erneut schlimme Dinge anzutun. Er hatte das Licht anmachen, seinen aufgeregten Atem beruhigen und sich selber zur Ordnung rufen müssen. „Ben-jetzt beginnst du langsam zu spinnen, die ist tot und du hast ihre Leiche gesehen, die jetzt sicher bereits in der Gerichtsmedizin im Kühlfach liegt, Tote sind tot und damit basta!“ sagte er zu sich, allerdings hatte er danach das Licht brennen lassen.

    Jetzt klopfte es an der Tür und als sich die öffnete, stand da Sarah mit Mia-Sophie auf dem Arm und Tim an der Hand und lächelte ihn an. Tim riss sich sofort los und rannte zu ihm. „Papa!“ rief er und war schon zu ihm ins Bett geklettert und hatte sich in seine Arme geworfen, soweit das mit den ganzen Verbänden möglich war. Obwohl es ihm weh tat, überzog ein glückliches Lächeln Ben´s Züge. „Na kleiner Kamikaze, wie geht’s dir denn und tut dein Arm noch sehr weh?“ erkundigte er sich und nun sah Tim erst auf seinen Verband-er hatte den anscheinend völlig vergessen. Sarah trat nun näher, legte das Baby ebenfalls auf dem Bett ab und beugte sich zu ihm herunter, um ihn zärtlich zu küssen. Ben hatte es wirklich nicht vor gehabt, aber unwillkürlich zuckte er zurück, so dass ihre Lippen ihn nur streiften und Sarah´s Miene versteinerte. Gerade hatte sie ansetzen wollen und sich entschuldigen, aber jetzt sah die Sache anders aus. Ben sah sie unglücklich an und sagte nur leise: „Es tut mir leid!“ woraufhin Sarah begann mit den Tränen zu kämpfen, ihre Kinder packte, was Tim lauthals protestieren ließ und aus dem Zimmer rauschte. Anscheinend wollte Ben wirklich nichts mehr mit ihr zu tun haben und gerade stürzte ihre Welt zusammen!

    Der sank wie ein Häufchen Elend in seinem Bett zusammen, wenn er nicht schon gelegen wäre, wäre er jetzt zusammen gebrochen und begann bitterlich zu weinen-oh verdammt, er machte gerade alles verkehrt, was man nur verkehrt machen konnte-was sollte nur aus ihm und Sarah werden? Aber auf diese Frage wusste er keine Antwort.

    Oh nein-ich weiss es-Kevin wird fliegen, wird damit seine Beziehung zu Jenny gefährden ( ist die jetzt übrigens schwanger 8o -und wenn ja von wem ;( ). Ben und Semir werden das erst nicht verstehen können, aber ich wette, wenn Kevin dann um Hilfe schreit, sitzen sie im nächsten Flieger um ihm dort unten seinen hübschen A... zu retten.
    Ole hat das aber schon geschickt gemacht und ihm ein schlechtes Gewissen eingeredet, aber er mag halt Annie und möchte, dass der Prinz kommt und sie rettet-na wenn das nicht in die Hose geht! :(

    Ach du liebe Güte! =O Erst lässt sich Mikael von Solheim provozieren und obwohl es die Kollegen ja nur gut mit ihm meinen, wird er beurlaubt. Dann weiss er mal wieder selber nicht was er will und macht sich in bester Häkkinnen-Manier alleine auf den Weg, allerdings verfolgt von Ben. Beinahe wäre es zu einer Aussprache gekommen, aber dann überlegt sichs Mikael doch wieder anders-das dürfte jetzt ein Fehler gewesen sein, denn er wurde anscheinend in eine Falle gelockt und weil man Ben zuvor ausgeknockt hat, steckt er ganz alleine in der Sch....

    Hartmut war inzwischen in der Klinik eingetroffen und ging, nachdem er an der Pforte nach der Zimmernummer gefragt hatte, langsam auf die Station zu Ben. Je näher er seinem Ziel kam, desto zögernder wurden seine Schritte. Verdammt wie fing man so ein Gespräch an? „Hallo Ben-ich habe anhand der Spuren nachgewiesen, dass du vergewaltigt worden bist-kann ich dir irgendwie helfen?“ Ne das ging nicht! Er konnte doch nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen! Und wenn Ben jetzt gar kein Problem damit hatte? Oder einfach nicht darüber sprechen wollte? Eines war klar-die Täterin war tot, eine Strafverfolgung war also nicht notwendig. Der Wrestler hatte sich ja vermutlich nicht an seinem Kollegen vergangen-zumindest nicht körperlich, denn auch da hätte er Spuren davon gefunden-und weil er wegen Mordes an Estelle angeklagt werden würde und außerdem auf Dutzenden der Filme zu sehen war, die die Folterung und Hinrichtung der Flüchtlinge zeigte, waren die Entführung und die anderen Dinge eher Kleinigkeiten und mehr als Lebenslänglich konnte er schließlich nicht bekommen und das war ihm so gut wie sicher. Ben legte sicher keinen Wert darauf, dass irgendetwas von den Dingen, die in der Wohnung geschehen waren, an die Öffentlichkeit kam und wenn er das nicht wünschte, würde er das auch in keinem Bericht erwähnen. Er würde von den Fesselungseinrichtungen und dem Knebel berichten, von den Spuren von Ben´s nächtlicher Flucht, aber was sich in Estelle´s Schlafzimmer zwischen den beiden abgespielt hatte, das musste niemand wissen. Inzwischen war Hartmut vor dem Patientenzimmer angelangt, atmete tief durch und klopfte dann, worauf von drinnen ein „Ja bitte!“ ertönte. Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich und begann das Gespräch mit etwas Unverfänglichem: „Schöne Grüße von Semir!“ sagte er und Ben bedankte sich.

    Hartmut musterte seinen jungen Kollegen aufmerksam. Er sah müde und ein wenig eingefallen aus. Kein Wunder nach dem, was er hinter sich hatte! Ben machte keine Anstalten auch nur irgendwas zu sagen, also fragte Hartmut und legte alles Mitleid und Freundlichkeit in seine Stimme, die er aufbringen konnte: „Mensch wie geht´s dir denn?“ und Ben zuckte mit den Schultern, was ihn im selben Augenblick das Gesicht verziehen ließ-verdammt er hatte vergessen, dass er da ja ziemlich ramponiert war. Hartmut blickte ihn erschrocken an: „Hast du Schmerzen? Soll ich eine Schwester holen?“ fragte er, aber Ben winkte ab. „Nein, nein-ich hatte nur einen Moment vergessen, dass ich nicht alle Bewegungen einfach so machen kann. Gerade war der Physiotherapeut da und hat mit mir Krankengymnastik gemacht und ich war sogar schon ein wenig mit dem Gehwagen unterwegs!“ berichtete er harmlos. Natürlich verschwieg er, dass das mit der KG erst beim zweiten Anlauf geklappt hatte, weil es ihm aktuell nicht möglich war, sich von einer Frau berühren zu lassen, aber das ging Hartmut nichts an. Das würde er mit sich selber ausmachen und wie sagte man immer so schön-die Zeit heilt alle Wunden-darauf vertraute er jetzt einfach.

    Hartmut startete einen neuen Anlauf: „Semir wäre zu gerne selber zu Besuch gekommen, aber ihn hat eine schwere Grippe echt flach gelegt. Ich war gerade bei ihm und da hat es ihm die Beine weg gezogen, als er aufstehen wollte. Jetzt hat ihm Andrea strengstens untersagt das Bett zu verlassen, sonst fesselt sie ihn höchstpersönlich mit seinen eigenen Handschellen an dasselbe, hat sie gedroht!“ berichtete er und sah Ben auffordernd an. Das wäre doch ein guter Einstieg-jetzt könnte Ben einfach weiter erzählen, aber der sagte nur: „Oh je-der arme Semir, ja da ist mit Andrea nicht zu spaßen, der soll nur im Bett bleiben bis es ihm besser geht-ich komme schon zurecht!“ und nun biss sich Hartmut auf die Lippen. „Du warst ja anscheinend auch mit Handschellen ans Bett gefesselt!“ begann er nochmals und wies auf Ben´s wundes Handgelenk-das andere war unter dem Verband nicht zu erkennen. „Ja, da haben sie mich fest gemacht. Allerdings haben sie mich ja einmal alleine zur Toilette gelassen und da habe ich dann versucht zu fliehen, bin aber nicht weit gekommen!“ berichtete er. Dann fuhr er fort: „Die meiste Zeit haben die mich allerdings mit einem Betäubungsmittel schachmatt gesetzt, ich kann mich an die restliche Zeit eigentlich nicht erinnern!“ flunkerte er, denn das war seiner Ansicht nach eine kluge Strategie, falls Hartmut irgendwelche Spuren gefunden hatte, wovon er fast ausging.

    Hartmut war plötzlich verunsichert. Das stimmte-er hatte mehrere Ampullen eines Medikaments gefunden, das sedierend wirkte und den Willen ausschaltete-und Spritzen dazu, das war ja sicher auch für die Entführung benutzt worden. Vielleicht hatte Ben ja von dem Missbrauch keine Ahnung und hatte dabei die ganze Zeit vor sich hin gepennt. Dann wollte er natürlich jetzt auch keine schlafenden Hunde wecken, er würde damit vielleicht erst ein Trauma hervor rufen, das bisher gar nicht bestanden hatte. Nein-jetzt war auf jeden Fall nicht der richtige Zeitpunkt dafür und vielleicht wäre es für Ben sogar besser, er würde das gar nie erfahren! Er würde jetzt dann sofort in der Gerichtsmedizin vorbei fahren und den Pathologen löchern, ob der nach sexuell übertragbaren Krankheiten bei Estelle nachgesehen hatte. Die Blutwerte müssten inzwischen auch schon da sein und wenn Estelle sauber war, brauchte Ben weder eine HIV-Prophylaxe noch sonst irgendetwas. Dann war es vielleicht sogar besser, um sein Eheleben und sein Seelenheil nicht zu gefährden, er würde nie erfahren, was mit ihm gemacht worden war.
    Hartmut war in einer schwierigen Situation, entschied aber, dass die absolute Wahrheitsfindung manchmal nicht so wichtig war. Außerdem wirkte Ben ja ziemlich normal, er hatte schon geturnt und nahm immer mal wieder einen Schluck Wasser aus dem Glas, das am Nachtkästchen stand. Ein wenig war Hartmut zwar verwundert, dass Sarah nicht bei ihrem Mann war, er hätte eigentlich erwartet, dass die ihm jetzt nicht von der Seite wich, aber die beiden hatten immerhin zwei kleine Kinder-die mussten auch versorgt werden, vielleicht brauchten die gerade die Mama notwendiger als Ben seine Ehefrau.
    Hartmut erhob sich also und sagte: „Ben-wenn du was brauchst oder einfach reden willst-ich bin für dich da-du hast ja meine Nummer und kannst mich jederzeit anrufen!“ versicherte er und Ben gab ihm die Hand: „Dank dir-und wenn du mir nicht das Leben gerettet hättest, wäre ich jetzt gar nicht mehr hier, ich weiss das zu schätzen!“ sagte er, woraufhin Hartmut abwehrte, dass das doch selbstverständlich gewesen sei. Ordentlich stellte er den Stuhl zurück und winkte seinem Kollegen zum Abschied noch einmal zu, bevor er ein wenig verwirrt das Zimmer verließ. Da kenne sich einer aus! Aber als er jetzt zum Taxistand ging, war er mit den Gedanken schon in der Gerichtsmedizin und dann zurück in der KTU, um sich mit Dingen zu beschäftigen, die ihm geläufig waren.

    Ben wartete bis sich die Tür hinter Hartmut geschlossen hatte und atmete dann laut und vernehmlich aus. Mann das war der reinste Spießrutenlauf gewesen, aber seine Strategie war aufgegangen-Hartmut glaubte, er könne sich an die Zeit in der Wohnung nur teilweise erinnern. So würde er es mit seiner Umwelt halten und sich bemühen zu vergessen und zum Tagesprogramm übergehen! Als ihn sein Vater wenig später mit Krücken besuchte, machte er auch mit dem ein wenig Smalltalk. Das Abendessen ließ er wieder unberührt zurück gehen-das schmeckte nach Estelle-vielleicht hatte irgendjemand in der Küche dasselbe Parfum wie sie oder so-und einerseits hätte er fast erwartet, dass Sarah nochmals auftauchte, ob mit oder ohne Kinder, aber die war anscheinend immer noch sauer und wenn er ehrlich war, war es auch besser so, dass er sich mit ihr jetzt nicht auseinander setzen musste. Vielleicht konnte er diese Nacht erholsam schlafen, müde genug wäre er, aber als die Dunkelheit herein brach, lag er wieder Stunde um Stunde wach in seinen Kissen und starrte die Decke an. Allerdings waren seine Tränen jetzt versiegt. Er war dabei einen Panzer um sein Herz zu errichten, damit ihm niemand mehr weh tun konnte und als endlich der Morgen zu dämmern begann, war er froh, dass er wieder eine Nacht hinter sich gebracht hatte.

    Mikael geht es beschissen-er hat Alpträume, muss sogar kotzen und sieht Doppelbilder-ein Zeichen dass das wirklich von seinem Kopf ausgeht! Seine Liebe zu Eva und den Kindern ist allerdings etwas, das ihn aufrecht hält und genau deswegen muss er sich jetzt den anderen einfach offenbaren, damit sie gemeinsam den oder die Typen schnappen können, die ihm und seiner Familie nach dem Leben trachten.
    Auch Antti hat deswegen Schlafstörungen und als Semir nächtens durch die Wohnung geistert, entdeckt er noch Licht und unterhält sich über genau dasselbe Thema mit seinem Gastgeber. Semir denkt, dass Ben seinem Freund ebenfalls Druck machen wird-da könnte er damit Recht haben!

    Die Physiotherapeutin erschrak selber, als ihr Patient dermaßen zurück zuckte, aber Ben hatte sich schnell wieder gefangen und sagte: „Der Arzt hat das schon angekündigt, danke sehr!“, allerdings hörte sich seine Stimme ein wenig gepresst an. „Ich würde ihnen jetzt zunächst den Schulterverband ausziehen, könnten sie bitte ihr T-Shirt runter nehmen?“ bat sie und Ben krabbelte mühsam an den Bettrand. Es kostete ihn große Überwindung auch nur aus dem Shirt zu schlüpfen und als er mit nacktem Oberkörper vor ihr saß und sie behutsam seinen Arm aus dem Gilchristverband zog, brach ihm der Schweiß aus, aber nicht vor Schmerz. Verdammt-diese Frau interessierte sich doch überhaupt nicht für seinen Unterkörper, die wollte seine Schulter lockern, aber er konnte nichts dagegen machen, seine Muskeln waren hart wie Stahl, er spannte dagegen und jede Berührung war ihm unangenehm. „Haben sie starke Schmerzen?“ fragte die junge Frau mitfühlend und warf einen Blick auf die Infusion. Merkwürdig, da tropfte eigentlich ein starkes Schmerzmittel mit, er dürfte prinzipiell gar keine so schlimmen Schmerzen haben, aber das Schmerzempfinden war eben individuell und gerade Männer waren manchmal doch empfindlicher als Frauen, gerade die dunklen, eher südländischen Typen, zu denen er ja gehörte. Sie machte also unverdrossen weiter und Ben bekam sogar eine Gänsehaut, als sie nun an seinem Rücken manipulierte und versuchte die Muskulatur zu lockern. Plötzlich zog Ben die Decke über sich und sagte: „Tut mir leid-es geht nicht!“ und ihm wären beinahe die Tränen gekommen, allerdings beherrschte er sich mühsam, um nicht aufzufallen. Er konnte einfach die Berührung einer weiblichen Hand nicht ertragen-nicht einmal am Rücken, denn sofort kamen ihm da andere Berührungen in den Sinn, die nur ein Ziel gehabt hatten und das war furchtbar gewesen.

    Die junge Frau sah ihn erstaunt und brüskiert an. „Habe ich ihnen jetzt so weh getan, dass sie keine weitere Behandlung wünschen?“ fragte sie erstaunt, aber Ben schüttelte den Kopf. „Gerade nach Schulteroperationen ist Bewegung das A und O, wenn wir die ganzen Strukturen nicht weich halten, verkleben die miteinander und die Schulter versteift!“ versuchte sie noch zu erklären, aber Ben konnte gerade nur an eine andere Versteifung denken, die ihm so schrecklich gewesen war und ließ sich jetzt einfach ins Bett zurück fallen, rollte sich wie ein Igel zusammen und zog sich die Decke über den Kopf. „Herr Jäger-dann müssen wir wenigstens den Gilchristverband wieder anziehen, wenn sie mich jetzt nichts an sich machen lassen!“ sagte die Physiotherapeutin, die noch nicht so sehr lange in ihrem Beruf war, aber Ben ließ sie nicht mehr an sich ran. Verunsichert ging sie zurück in die Physioabteilung im Keller und berichtete ihrem Chef, der gerade einen anderen Patienten bearbeitete von ihrem Misserfolg. „Er hat sich nicht einmal den Verband wieder anlegen lassen, ich weiss nicht, was ich falsch gemacht habe!“ berichtete sie unglücklich und ihr Kollege versprach, nachher selber rauf zu gehen und sich darum zu kümmern.
    Kaum war Ben wieder alleine im Zimmer, konnte er die angehaltene Luft entweichen lassen, verdammt, ihm war schon klar, dass er sich gerade unmöglich benommen hatte, aber Fakt war, dass er die weibliche Berührung einfach nicht hatte ertragen können. Er schlüpfte unter Schmerzen in sein Shirt und versuchte dann vergeblich diesen blöden Verband irgendwie anzulegen, was aber nicht von Erfolg gekrönt war. Gerade hatte er sich ordentlich in die ganzen Strippen und Klettverschlüsse verwickelt, da kam der männliche Physiotherapeut herein und als der ihn nun behandelte, die Muskeln lockerte und seine Schulter durch bewegte, konnte er es aushalten und als der dann zunächst noch das Bein bis zum Knie bearbeitete und dann sogar ein paar Gehübungen mit einem Gehwagen mit ihm machte, war es gar kein Problem und als er wenig später mit seinem frisch angelegten Verband wieder im Bett lag, atmete er auf.

    Als wenig später das Essen serviert wurde, aß er zwei Löffel Suppe, aber obwohl er inzwischen bereits Magenschmerzen hatte von den ganzen Medikamenten, ging einfach nicht mehr, denn ihm war kotzübel und Estelle´s Geruch ging nicht aus seiner Nase und er meinte sie überall zu riechen, sogar in seinem Essen. So legte er sich aufseufzend wieder zurück und als es wenig später an seiner Zimmertür klopfte, sah er erstaunt auf, als nun Hartmut plötzlich vor ihm stand und ihn freundlich anlächelte, bevor er sich einen Stuhl heran zog. „Schöne Grüße von Semir!“ begann der das Gespräch und sah den jungen dunkelhaarigen Kollegen prüfend an. Verdammt-wie sollte er nur das Thema anschneiden und machte das überhaupt Sinn? So gut er sich mit Computern und Geräten auskannte, von Psychologie hatte Hartmut keine Ahnung, aber er gab sein Bestes!

    Sarah hatte sich inzwischen wieder ein wenig beruhigt. Auch wenn Hildegard sie merkwürdig ansah, der sofort klar war, dass da irgendetwas nicht optimal gelaufen war, half sie ihr dann doch die Kinder fertig zu machen und ein paar Sachen zusammen zu packen. „Ben geht es schon wieder soweit gut, ich werde ihn nachmittags vielleicht mit den Mäusen besuchen, aber ansonsten sind wir dann wieder in unserem Haus-vielen Dank für deine Hilfe!“ sagte Sarah und lud dann auch Lucky in die Hundebox im Kofferraum des Geländewagens. Verdammt-nach einem neuen Wagen müssten sie sich dann auch mal umschauen, aber sowas machte normalerweise Ben-sie hatte doch keine Ahnung von Autos, aber momentan tat der Geländewagen seinen Dienst, obwohl Sarah diese Fahrzeuge im vorwiegenden Stadtverkehr eigentlich ablehnte. SUV´s brauchten mehr Sprit, also war die Ökobilanz schlecht und wenn man keinen Wohnwagen oder Pferdehänger ziehen musste, nicht in unwegsamem Gelände, auf Baustellen oder im Gebirge unterwegs sein musste, dann machte so ein Fahrzeug keinen Sinn-sie war mit ihrem Kombi, der sehr sparsam gewesen war, immer sehr zufrieden gewesen. Ach Mann-bisher hatten sie immer alles gemeinsam gemacht und entschieden, aber jetzt fühlte sie sich aus Ben´s Leben ausgeschlossen und es hatte sie sehr getroffen, als er sie bei der Visite raus geschmissen hatte.

    Trotzdem fuhr sie jetzt erst einmal zu den Flüchtlingen in ihre Wohnung, erkundigte sich, was die so brauchten und genoss es, sich inmitten dieser freundlichen Menschen, die ihr sehr dankbar waren und das auch beteuerten, zu bewegen. Die Kinder spielten miteinander, das lachende Baby ging von Frau zu Frau, die die blonden Löckchen und die blauen Augen bewunderten und gleich die deutschen Worte dafür wissen wollten und Lucky sammelte alle Streicheleinheiten ein, die er kriegen konnte. Auf dem Tisch lagen aufgeschlagene Wörterbücher und eine Kinderfibel-die Menschen bemühten sich mit Kräften die Sprache zu lernen und Sarah würde ihnen dabei helfen und machte das wie bei ihren Nachbarn, indem sie die Worte und Redewendungen langsam vorsprach, mit Gesten untermalte und Bilder dazu herzeigte. Der Patriarch, der zwar noch sehr angeschlagen war, aber schon wieder stolz in einem Sessel thronte, strich Tim über den Kopf, als der mit einem Spielzeugauto an ihm vorbei sauste. „Ganz der Papa!“ sagte er auf Deutsch und lächelte und Sarah versetzte es einen Stich. Ja-nur dass der Papa gerade ein wenig neben der Spur war und herum zickte wie ein Teenager, aber das brauchten diese freundlichen Menschen, die ihm das Leben gerettet hatten, jetzt nicht zu wissen. Sie würde ihn jetzt eine Weile mit Verachtung strafen und nur Pflichtbesuche mit den Kindern machen, bis er sich wieder einkriegte, aber Strafe musste sein! So verging der Nachmittag und weil die Kinder dann müde und quenglig wurden, entschloss sich Sarah, nun direkt nach Hause zu fahren, ohne Umweg über die Uniklinik. Morgen war ein neuer Tag und wenn sie da gute Laune hatte, würde sie ihn besuchen, aber nur dann!

    Sie ließ Lucky in den Garten, der zur Not sein Gassi auch mal alleine erledigte, was sonst Ben´s Lieblingsbeschäftigung nach der Arbeit war-mit Lucky ne Runde joggen gehen, gab Tim ein Abendessen und stillte Mia-Sophie, bevor sie die beiden Kinder dann schlafen legte und sich selber den Fernseher anmachte. Ach Mensch-das Haus war irgendwie so einsam ohne Ben und ehrlich gesagt vermisste sie ihn schon wieder so, dass es fast weh tat. Morgen würden sie sich versöhnen, sie hielt so eine schlechte Stimmung bei ihrem Harmoniebedürfnis einfach schwer aus. Sinnend sah sie auf ihr Telefon. Sollte sie ihn anrufen? Aber dann machte sie sich eine Tüte Chips auf und starrte in die Glotze, wo eine uralte Schnulze lief, die sie ein wenig ablenkte. Trotzdem war das Bett neben ihr so leer und sie vermisste Ben mit allen Fasern, als sie endlich schlafen ging.

    Oha-Mikael wird bedroht und steht vielleicht im Mittelpunkt der ganzen Anschläge, aber der Dödel erzählt mal wieder niemandem von den Drohungen gegen ihn. Da geht es irgendwie um das Drogenimperium seines Vaters.
    Immerhin hat Ben ein Wort davon verstanden,was der Filmer zu Mikael gesagt hat und das belegt ja eigentlich, um was es geht-jetzt mach mal den Mund auf und erzähl das Antti, damit der die richtigen Schlüsse ziehen und Mikael und seine Familie schützen kann. Veikko hat schon den ersten Anpfiff gekriegt, weil er wegen der Akten geschwiegen hat, jetzt schmeisst mal alle eure Erkenntnisse zusammen und passt auf Mikael und seine Familie auf, bevor da noch was Schlimmes passiert!

    Semir hatte ein wenig geschlafen und fühlte sich schon ein bisschen besser, als plötzlich Hartmut vor seinem Bett stand. „Hartmut was gibt’s?“ fragte Semir besorgt, denn er wusste sofort, dass der Kriminaltechniker sicher nicht zu ihm nach Hause gekommen war, um einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. „Semir, ich muss was Wichtiges mit dir besprechen!“ erklärte der Rotschopf. „Wenn ich mir selber zu helfen wüsste, würde ich dich nicht stören, aber es ist besorgniserregend-und es geht um Ben!“ sagte er unglücklich und Semir war sofort in Habachtstellung. „Komm setz dich!“ sagte er auffordernd und wies auf einen Hocker an der Wand, den Hartmut nun näher zog, allerdings nicht ohne zuvor die Schlafzimmertüre geschlossen zu haben, die Andrea hatte offen stehen lassen.
    „Semir, ich habe heute früh begonnen die Spuren aus der Wohnung auszuwerten, aus der du Ben befreit hast.“ erklärte er und nun richtete Semir sich ein wenig im Bett auf und war ganz Ohr. „Ich weiss nicht, ob du in das zweite Schlafzimmer geschaut hast?“ begann er, aber Semir schüttelte den Kopf. „Dort war Ben anscheinend mit Hand-und Fußfesseln ans Bett gekettet. Was mir allerdings mehr Sorgen macht, sind die DNA-Spuren von ihm und einer Frau-vermutlich dieser Winkler. Da lagen massenweise Sextoys rum und zwar vorwiegend aus der Sado-Masoszene und die waren fast alle benutzt und du hast mir doch diese Spritze zur Auswertung bringen lassen, die du aus Winkler´s Nachtkästchen hattest!“ fuhr er fort und jetzt sah ihn Semir gespannt an und fragte: „Ja das hat mich interessiert, wozu man sowas braucht-der wird ja wohl Thrombosespritzen nicht im Schlafzimmer aufbewahren, wenn er im Bad nen riesigen Medizinschrank hat.“ Und nun nickte Hartmut unglücklich. „Leider habe ich heraus gefunden, wozu man solche Spritzen benutzt und habe den Inhalt auch zweifelsfrei analysiert. Ich hatte bis dato allerdings keine Ahnung davon, dass es sowas überhaupt gibt. Diese Spritzen benutzen Männer mit Erektionsstörungen die aus medizinischen Gründen, z.B. wegen Herzkrankheit oder Ähnlichem, kein Viagra nehmen dürfen. Das Medikament spritzt man direkt in den Penis und dann kommt es, ohne dass irgendwelche Gefühle im Spiel sein müssen, vom Anwender nicht kontrollierbar, zu einer etwa zwei Stunden andauernden Erektion und was das Schlimmste ist-ich habe im Müll in der Küche der Wohnung so eine benutzte Spritze gefunden, die wies an der Nadel Ben´s DNA auf!“ ließ er die Bombe platzen und nun wurde Semir ganz blass.

    „Ach du lieber Himmel!“ sagte er erschüttert und unglücklich. „Ich hatte mich eigentlich gefreut, dass es mir gelungen ist, Ben aus den Händen dieser Muskelprotze zu befreien und war der festen Überzeugung noch rechtzeitig gekommen zu sein, aber das lässt jetzt natürlich die Sache in einem anderen Licht erscheinen. Vermutlich hat sich Estelle an ihm vergangen, ohne dass er was dagegen tun konnte, oh Gott wie mag er sich fühlen und wie hat es wohl Sarah aufgenommen?“ fragte er laut in den Raum und Hartmut sagte leise: „Wenn sie es denn überhaupt schon weiss-ich habe keine Ahnung, ob ich in so einer Situation mit irgendjemandem darüber sprechen wollte und vielleicht am Allerwenigsten mit meiner Frau, aber wie gesagt, deshalb wollte ich jetzt unbedingt sofort, dass du Bescheid weisst. Du kennst Ben am Besten und wirst wissen was zu tun ist ach ja und außer uns beiden kennt meine Ergebnisse bisher niemand!“ sagte er und Semir nickte.
    „Ich muss auf jeden Fall zu ihm und mit ihm reden!“ sagte Semir voller Überzeugung, erhob sich schwungvoll aus dem Bett, um sich wenig später am Boden liegend wieder zu finden und wie aus weiter Ferne Hartmut´s und Andrea´s erschrockene Stimmen zu hören. „Semir wach auf, tief durchatmen!“ und er daraufhin mit Hilfe der beiden nur wieder zurück ins Bett krabbelte-verdammt, dass sein Kreislauf gleich so schwächelte, hätte er nicht gedacht. Als das Rauschen in seinem Kopf nachließ, sagte Andrea streng, die vor seinem Lager stehen geblieben war und ihn besorgt musterte: „Semir Gerkhan-wenn du heute nochmals einen Fluchtversuch aus diesem Schlafzimmer unternimmst, werde ich dich höchstpersönlich mit deinen eigenen Handschellen ans Bett fesseln!“ und nun wechselten Semir und Hartmut einen Blick-verdammt, was sollten sie tun?
    „Hartmut-ich denke du solltest nach Ben sehen und ihm versichern, dass wir alle für ihn da sind. Sobald ich wieder auf den Beinen bin, werde ich ihn besuchen-richte ihm das bitte aus!“ bat Semir nun und Hartmut nickte. Er rief sich ein Taxi und war wenig später auf dem Weg zur Uniklinik.

    Ben war zutiefst unglücklich. Sein Leben ging gerade den Bach runter! Er konnte Sarah einfach nicht die Wahrheit sagen-das glaubte ihm doch niemand, dass er mit einer fremden Frau geschlafen hatte, ohne das zu wollen! Also war er definitiv fremd gegangen und Sarah durfte das nie erfahren, sonst würde sie ihn verlassen und was sollte er nur ohne sie und die Kinder tun? Ihm blieb nichts anderes übrig als sie auf Distanz zu halten, bis an seinem Körper keine Spuren mehr zu entdecken waren und danach vorsichtig zu versuchen, sich zu versöhnen. Er verkroch sich wieder unter seiner Decke und versuchte ein wenig zu schlafen, was aber nicht funktionierte. Immer wenn er gerade dabei war einzudämmern, erschien Estelle´s Gesicht zur Fratze verzogen über ihm und er fuhr wieder hoch. Er probierte sich wenigsten auszuruhen, aber als eine Krankengymnastin plötzlich vor seinem Bett stand und ihn sanft berührte, während sie sagte: „Herr Jäger-ich würde gerne mit ihnen im Bett ein paar Übungen machen!“ schreckte er vor ihr zurück, als wäre ihre Hand heiss wie glühende Lava.

    Die Stimmung zwischen Ben und Kevin ist immer noch-na sagen wir mal-leicht angespannt. Ben lehnt kategorisch ab, dass Kevin auch nur Annie´s Handynummer ortet, was erstmal auch gar nicht so einfach ist. Allerdings schafft Hartmut natürlich mal wieder das Unmögliche und ich wette fast, dass die Stadt in der das Handy eingeloggt ist, Eindhoven ist und die Fälle irgendwie zusammen hängen!
    Ben holt sich derweil Amtshilfe in den Niederlanden und anscheinend ist das ein größerere Fall um das Sportartikelgeschäft, nicht nur popeliger Versicherungsbetrug! Also Jungs-auf nach Holland und am besten nehmt ihr Semir gleich mit, der ist wieder gut drauf!

    Als die Ärzte und die Schwester im Zimmer standen, stellten sie sich erst einmal vor. Die Stationsärzte waren Chirurgen, die Ben´s Verletzungen weiter behandeln würden, die Antibiose und Schmerztherapie gingen auch klar und so begutachtete man erst miteinander die Schulter, den Oberbauch und das Bein. „Das sieht soweit ja alles gut aus!“ sagte der Oberarzt. „Wir werden zusehen, dass sie bereits ab heute wieder Physiotherapie bekommen, vielleicht heute und morgen noch auf dem Zimmer, aber ab übermorgen dann in der Physioabteilung, damit sie bald wieder beweglich sind. Sie dürfen leichte Kost essen und frei trinken und bitte so viel wie möglich raus aus dem Bett.
    Jetzt haben wir da noch eine weitere Diagnose, die nicht unbedingt in unser Fachgebiet fällt und würden deswegen gerne einen Urologen zuziehen!“ sagte er und sah Ben prüfend an, der daraufhin heftig den Kopf schüttelte. „Keinen Urologen!“ sagte er und versuchte seiner Stimme, die beinahe zu zittern begonnen hatte, ein wenig Festigkeit zu geben. „Und wie wäre es mit einem Psychologen, der könnte ihnen –hmm- in Anbetracht ihrer besonderen Situation-vielleicht auch ein wenig helfen?“ forschte der Arzt nach, aber Ben schüttelte entschlossen wieder den Kopf. „Ich komme schon zurecht-kümmern sie sich darum, dass ich bald wieder laufen und mich bewegen kann, dann wird alles andere von selber!“ behauptete er.
    „Ich wünsche es ihnen ja, aber aus unserer Erfahrung heraus sollten sie lieber professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.“ sagte der Arzt weich, ohne Ben nur in irgendeiner Weise zu bedrängen, der sich wieder unter seiner Zudecke verkrochen hatte, aber dessen Entschluss stand fest. „Ich hätte jetzt nur noch eine Frage, die dient zu ihrer persönlichen Absicherung. Der Aufnahmearzt hat mehrere Blutproben entnommen, bevor man mit der HIV-Prophylaxe begonnen hat. Wir würden gerne damit eine HIV-Serologie machen, auch zu ihrer persönlichen Sicherheit und fraglicher Regressansprüche. Das dürfen wir aber nur mit ihrer Zustimmung. Wir würden ihnen auch empfehlen-auch wenn diese Probe jetzt negativ ist- in etwa drei Wochen beim Hausarzt eine weitere Testung vornehmen zu lassen und in einem halben Jahr erneut, dann sind sie auf der sicheren Seite. Die Prophylaxe in Tablettenform geht jetzt noch drei Tage weiter, dann hoffen wir wenigstens diese Problematik abgeschlossen zu haben und wenn sie es sich anders überlegen und doch psychologische Hilfe in Anspruch nehmen wollen, wenden sie sich einfach an uns-wir leiten das dann in die Wege!“ erklärte er und Ben stimmte zu, dass die Blutprobe untersucht wurde, alles andere allerdings lehnte er kategorisch ab. So konnte er Sarah wenigstens beweisen, dass er vorher sauber gewesen war. Aber er konnte sich aktuell sowieso nicht vorstellen, dass er jemals wieder Sex haben wollte und das halbe Jahr bis der zweite negative Befund da war, würde er schon irgendwie rumbringen, da musste er sich eben was einfallen lassen, auf jeden Fall würde er seine Frau nicht dem Risiko einer Infektion aussetzen, auch wenn HIV ja inzwischen behandelbar war!

    „Gute Besserung Herr Jäger!“ sagte der Oberarzt und dann verließen die vier Personen das Zimmer und Sarah stürmte regelrecht hinein und stellte ihn zur Rede: „Kannst du mir vielleicht erklären was das sollte und warum ich jetzt plötzlich bei der Visite nicht mehr dabei sein darf?“ fragte sie zornig und Ben ging jedes ihrer Worte durch und durch wie ein Peitschenschlag. Verdammt-wie sollte er das denn nur erklären-er wollte den Vorfall mit Estelle nur zu gerne vergessen und diese schrecklichen 30 Stunden aus seinem Gedächtnis streichen. Sein Körper würde schon wieder heilen, aber aktuell brauchte er seine Ruhe und keine Vorwürfe! Nachdem Sarah´s Ton ziemlich aggressiv und vorwurfsvoll war, gab er jetzt im selben Stil zurück. „Und warum musst du überall dabei sein? Ich bin schließlich erwachsen und gehe ja auch nicht mit dir zum Arzt! Ein bisschen Privatsphäre kannst du mir schon zugestehen!“ polterte er los und nun sah Sarah ihn fassungslos an. Sie hatte eine Entschuldigung erwartet, irgendetwas, was seine Vorgehensweise erklärte, aber anstatt dessen griff er sie jetzt an, weil sie sich um ihn sorgte und kümmerte. Wusste er nicht, dass sie vor Sorge um ihn fast kaputt gegangen war, dass sie sich schier die Augen ausgeweint hatte, als er verschwunden gewesen war und ihm jetzt nur helfen wollte, so bald wie möglich wieder gesund zu werden? Er aber tat, als würde sie sich um Dinge kümmern, die sie nichts angingen und das warf sie ihm nun auch an den Kopf. „Es geht dich auch nichts an-das ist mein Körper und meine Gesundheit und ich weiss nur eines-ich brauche jetzt einfach meine Ruhe um gesund zu werden!“ entgegnete Ben und nachdem Sarah ihn daraufhin noch einen Moment beleidigt und fassungslos gemustert hatte, drehte sie sich auf dem Absatz um, griff nach ihrer Jacke und stürmte aus dem Zimmer. Als sie am Krankenhausparkplatz angelangt war und die kalte Winterluft ihr ins Gesicht blies, bemerkte sie erst, dass ihr Tränen der Wut und der Enttäuschung herunter liefen, aber sie schniefte kurz, sperrte den Wagen auf und schoss mit Vollgas vom Hof. Dieser Arsch-sie wollte ihn vorerst nicht mehr sehen-der fuhr hier einen Egotrip und merkte gar nicht, wie sehr er sie damit verletzte! Sie würde jetzt zu ihren Kindern fahren, die abholen und dann mit ihnen zu den Flüchtlingen gehen. Da konnte sie wenigstens etwas Nützliches machen, während ihr Mann ihre Fürsorge einfach schroff von sich wies und sie damit zutiefst getroffen hatte!

    Ben sah Sarah nach, als sie zur Tür hinaus schoss. Er wusste, dass er sie gerade sehr verletzt hatte, aber was sollte er nur tun. Ach irgendwie lief gerade alles schief was er anpackte, er war doch selber so verwirrt, durcheinander und gedemütigt. Konnten sie ihn nicht einfach alle in Ruhe lassen? Er drehte sich zur Seite, zog sich die Decke über den Kopf und als zwei Stunden später das Mittagessen ausgeteilt wurde, sah die Schwester die das machte, dass seine Schultern zuckten, aber als sie ihn freundlich fragte, ob sie ihm helfen könne, schüttelte er nur vehement den Kopf. Als man eine halbe Stunde später das Essenstablett abräumte war das unberührt, nur Wasser hatte er getrunken und seine Tabletten genommen. „Herr Jäger-es wäre gut, wenn sie ein bisschen was essen würden, die Tabletten sind auf nüchternen Magen ziemlich schwer verdaulich!“ sagte die Schwester, aber unter der Decke kam nur ein undeutliches Genuschel hervor: „Ich habe keinen Hunger, lassen sie mich bitte in Ruhe ich bin müde!“ und mit einem Schulterzucken räumte die Pflegekraft das Tablett ab. Ihr Patient war erwachsen und mehr als ihm Hilfe anzubieten, konnten sie von der Klinik her nicht machen, wenn er sie ausschlug war das sein Problem.

    Inzwischen wird die Finnisch-Deutsche Polizeitruppe formiert. Darin befindet sich allerdings ein alter Beamter, der auf Mikael nicht gut zu sprechen ist-gut, als Mikael Ben den Grund dafür miteilt, habe ich erst mal die Luft angehalten. Puh, da kann Mikael echt froh sein, dass sie ihn mit dieser Drogenvergangenheit überhaupt bei der Polizei genommen haben! Und so unsympathisch mir dieser Solheim ist-ich kann ihn verstehen-er hat seinen Sohn verloren und auch wenn er da letztendlich selber daran schuld war und Mikael ihm nur den Einstieg bereitet hat, gibt er ihm zumindest ne Mitschuld daran!
    Momentan tappt man bei der Suche nach einem Motiv für die Anschläge noch im Dunkeln, aber auf jeden Fall sind da Drogen im Spiel.
    Bei einem erneuten Anschlag fällt Mikael und Ben ein Mann auf, der das Ganze filmt. Nach einer filmreifen Verfolgungsjagd gelingt es ihnen den fest zu nehmen. Beim Verhör gibt er zu, von jemandem gedungen worden zu sein, aber wer ist das und was bezweckt der damit? Fragen über Fragen!
    Und ach ja-ich fände es auch sehr schön, wenn sich Mikael und seine Familie wieder einen Hund aus dem Tierheim holen würden, da soll sich Mikael mal nicht so anstellen und Eva sich durchsetzen!

    Kevin springt über seinen Schatten und erzählt Ben direkt, um was die beiden Punks ihn gebeten haben. Ich kann ja Ben´s Wut auf Annie verstehen, aber ich denke, dass Semir das vielleicht gar nicht so eng sehen würde, denn der ist ja gerade mit Riesenschritten dabei, wieder seelisch zu gesunden! Aber mal sehen, wo Kevin das Handy orten kann und ob er sich da wirklich raushalten wird-ich denke nicht!

    Auf Semir bin ich derweil mega stolz! Der kriegt gerade sein Leben wieder in den Griff und bei der fremdenfeindlichen Attacke des Kaufhausdetektivs gelingt ihm die perfekte Deeskalation. Bravo!

    Hartmut war gerade dabei einige Genanalysen durchzuführen, die ihm den Schweiß auf die Stirn trieben. Langsam hatte er anhand der Spuren in der Wohnung ziemlich genau rekonstruieren können, was diese Bestien mit Ben angestellt hatten. Sogar seine Flucht durchs Badfenster hatte er anhand von abgeschabter Haut am Fensterrahmen nachvollziehen können, aber was ihm am meisten Sorge machte, waren die Spuren im zweiten Schlafzimmer. Am Bett waren Hand-und Fußschellen und er hatte bei seinem kurzen Blick auf Ben die eindeutigen Spuren an dessen Handgelenk gesehen. Das ganze Sexspielzeug wies ebenfalls Körperzellen auf-teilweise von ihm und teilweise die von einer Frau oder beiden. Hartmut würde nachher in der Pathologie anrufen und sich Material von Estelle Winkler schicken lassen, denn er war sicher, dass es von der stammte. In der Küche hatte er den Inhalt des Mülleimers mitgenommen und dabei eine merkwürdige leere Spritze mit einer feinen Nadel entdeckt. Die sah aus wie so eine Thrombosespritze und hatte einen Aufdruck in kyrillischer Schrift darauf, worüber er in seiner Datenbank zunächst nichts fand. Als nun Jenni und Dieter dieselbe Spritze-diesmal voll-zu ihm brachten, die Semir ihm geschickt hatte, mit dem Zusatz, dass die aus Winkler´s Nachtkästchen stammte, begann es ihm zu dämmern, wozu die wohl verwendet werden konnte. Nachdem er weiter nachgeforscht hatte und schließlich den Inhalt chemisch aufgeschlüsselt hatte, was natürlich leichter war, wenn man wusste nach was man suchte, verbarg er seinen Kopf in den Händen. Um Himmels Willen-der arme Ben! Hartmut hatte zuvor noch nie davon gehört, dass man bei einem Mann sogar gegen seinen Willen eine Erektion provozieren konnte, aber genau dazu dienten diese Spritzen, die auf dem deutschen Markt Caverjekt hießen. Ihm lief es kalt den Rücken herunter. An der Nadel konnte er Spuren von Ben´s DNA feststellen, das bedeutete wohl, dass der zum Verkehr mit dieser Winkler gezwungen worden war. Wie schlecht musste es seinem Kollegen jetzt gehen-Hartmut war voll des Mitleids. Hoffentlich hatte Sarah die Sache gut aufgenommen und unterstützte ihn jetzt.
    Hartmut bat bei einem Anruf in der Gerichtsmedizin, doch bitte bei Estelle Winkler explizit nach sexuell übertragbaren Krankheiten zu forschen und Proben zu entnehmen. Wieder dachte Hartmut nach. Hoffentlich hatte Ben das im Krankenhaus auch gesagt und nicht aus Scham verschwiegen, was ihm angetan worden war, eigentlich sollte er das sofort mit Semir besprechen, aber das ging nicht am Telefon! So bat er einen Uniformierten, der gerade etwas in der KTU abgab, ihn doch zu Semir nach Hause zu fahren, denn Jenni und Dieter hatten ihm berichtet wie krank der zu Bett lag, aber Semir kannte einfach Ben am besten und sie mussten nun miteinander beratschlagen, wie man ihrem jungen Kollegen helfen konnte. Hartmut würde seine Erkenntnisse auch momentan als geheime Verschlusssache behandeln-das hatte niemanden zu interessieren, aktuell nicht einmal die Chefin!

    So sah Andrea um die Mittagszeit erstaunt auf, als ein Streifenwagen vor dem Haus hielt und Hartmut wenig später an ihrer Haustür läutete. „Mein Gott-ist Semir denn so wichtig, dass der nicht einmal einen Tag ungestört im Bett bleiben kann?“ fragte sie momentan ein wenig ungehalten, wie sollte ihr Mann denn gesund werden, wenn die Kollegen in seinem Schlafzimmer aus-und ein spazierten, aber als Hartmut dann ganz schuldbewusst und unglücklich sagte: „Andrea-es geht um Ben und es ist wichtig!“ wies sie ihm dann doch aufseufzend den Weg.

    Sarah saß derweil still neben Ben´s Bett und sah ihm beim Schlafen zu. Seine Brust hob und senkte sich regelmäßig. Sie sah auf die Infusion, die mit einem Schmerzmittel versehen, langsam in ihn tropfte und war einfach nur froh, dass sie ihn relativ unversehrt wieder hatte. Es war ein gutes Zeichen, dass er nicht auf Intensiv gemusst hatte, seine Entführer waren entweder tot oder im Gefängnis, wie Semir ihr gestern erzählt hatte und so konnte Ben jetzt einfach gesund werden und sie ihr normales Leben wieder aufnehmen.
    Es klopfte und gleich darauf öffnete sich die Tür. „Visite-würden sie bitte rausgehen?“ bat die Schwester, die mit dem Kartex in der Türe stand. Sarah kannte die Schwester nicht, bei einem Haus in der Größe der Uniklinik war es gar nicht möglich alle Mitarbeiter auch nur schon mal gesehen zu haben. „Ich bin die Ehefrau und außerdem Schwester hier im Haus auf der Intensivstation!“ sagte Sarah daraufhin und bewegte sich keinen Millimeter von der Stelle. „Ich muss trotzdem darauf bestehen!“ beharrte die Pflegekraft nun mit einem etwas strengeren Ton und gerade als Sarah aufgehen wollte, öffnete Ben die Augen und sagte: „Schatz-bitte tu was sie gesagt hat!“ und nun blieb Sarah das Wort im Halse stecken. Warum fiel ihr Ben jetzt in den Rücken? Sie hatten bisher Alles immer geteilt, sie kannte seinen Körper beinahe so gut wie ihren eigenen und genieren tat man sich ja auch nicht voreinander, es gab ja nichts am anderen, was sie nicht schon gesehen hatten. Ben hatte ihr bei Mia-Sophie´s Geburt geholfen und sie hatte ihn schon Dutzendmale von Kopf bis Fuß gewaschen, wenn er mal wieder schwer verletzt auf der Intensivstation gelegen hatte, Was sollte das also? Aber sie wollte jetzt doch keinen Streit provozieren und schlich deshalb wie ein geprügelter Hund vor die Tür und kam sich gedemütigt vor. Die drei Ärzte und die Schwester schlossen demonstrativ die Tür hinter sich und es dauerte eine ganze Weile bis sie wieder heraus kamen.

    Sarah hatte wider Erwarten eine gute Nacht verbracht und erwachte am Morgen voll neuer Energie. Hoffentlich ging es Ben gut, aber er hatte vermutlich Recht gehabt, sie alle hatten nach dem ganzen Stress einfach eine Mütze voll Schlaf gebraucht und heute ging es ihnen sicher besser. Sie duschte, machte gemeinsam mit Hildegard die Kinder fertig und hatte sogar wieder genügend Milch für Mia-Sophie, die nach dem Stillen ausgeruht und fröhlich strampelte und krähte. Tim schien auch keine Schmerzen zu haben und sauste schon vor dem Frühstück mit den beiden Hunden durch das Haus und sorgte dafür, dass der Castverband noch ein paar Schrammen mehr abbekam. „Kinder-die Mama fährt jetzt erst mal alleine zum Papa, aber am Nachmittag gehen wir ihn gemeinsam besuchen!“ erklärte Sarah und Hildegard lächelte. Ja die Nacht voller Schlaf hatte ihnen allen gut getan!

    Semir war am Abend von Andrea besorgt ins Bett gebracht worden. Er fühlte sich heiß an, verweigerte aber das Fieber messen und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Sie stellte ihm noch eine Flasche Wasser ans Bett, die er über Nacht austrank, aber er wälzte sich abwechselnd frierend und schwitzend im Bett herum und fühlte sich einfach schrecklich. Am nächsten Morgen hatte er solche Wackelknie und schlimmen Husten, dass Andrea, nachdem sie die Kinder in Schule und Kindergarten gebracht hatte, den Hausarzt anrief und einen Hausbesuch vereinbarte-es wäre für Semir ein Ding der Unmöglichkeit gewesen in die Praxis zu gehen. Sie selber hatte Gott sei Dank die ganze Woche noch frei-der Resturlaub des Vorjahrs musste genommen werden und gerade war sie froh darum, denn sie hätte es Semir zugetraut, dass er sich trotz seines schlimmen Zustands auf den Weg zu Ben machte, aber der war schließlich im Krankenhaus gut versorgt, um den mussten sich jetzt andere kümmern und Sarah würde sicher schon wieder an seinem Bett sitzen!
    Während sie noch auf den Hausarzt warteten, kamen Jenni und Dieter vorbei und brachten ihm den BMW. In der PASt waren ja die Ersatzschlüssel und so hatte die Chefin das angeordnet, denn das Fahrzeug war immer noch halb auf dem Gehsteig vor dem Bordell gestanden und der Geschäftsführer hatte sich schon beschwert, dass es geschäftsschädigend sei, wenn seine Kunden das zivile Polizeifahrzeug entdeckten. Die beiden Beamten kamen kurz herein und Andrea führte sie ins Schlafzimmer ans Bett ihres Mannes, weil er das so wünschte. „Jenni, Dieter, könntet ihr mir einen Gefallen tun?“ fragte er, denn ihm war noch etwas eingefallen. „Könntet ihr diese Spritze zu Hartmut in die KTU bringen, mich würde interessieren, was darin ist!“ bat er sie und holte aus seiner Jackentasche das Muster, das er im Haus der Winklers mitgenommen hatte. Dann legte er sich wieder zurück, bedankte sich für die Besserungswünsche. „Unkraut vergeht nicht, aber ich glaube heute werde ich mal im Bett bleiben!“ sagte er und Andrea war froh, dass er es wenigstens einsah. Als im Laufe des Vormittags der Hausarzt kam, verordnete er ein Antibiotikum, denn inzwischen brodelte Semir wie ein alter Kanonenofen vor sich hin und die schmerzhaften Hustenstösse die ihn erschütterten, trieben ihm den Schweiß auf die Stirn und der Auswurf schillerte in allen Farben. „Ja Herr Gerkhan, ich schreibe sie mal den Rest der Woche krank, sie kurieren sich richtig aus, bleiben im Bett und trinken viel. Das Antibiotikum müsste bald helfen, aber Ruhe ist die erste Bürgerpflicht und wie ich sehe, sind sie ja bei ihrer Frau in den besten Händen!“ sagte er, nachdem er ihn sorgfältig abgehört hatte. Semir ließ sich aufseufzend in die Kissen zurück fallen, allerdings sah er es selber ein-im Augenblick wäre er für niemanden eine Hilfe und Ben würde sich bedanken, wenn er ihn noch ansteckte, wenn das gestern nicht sowieso schon geschehen war!

    Hartmut hatte in der Nacht noch zusammen mit seinem Kollegen die Spuren in der Wohnung gesichert. Nachdem sie die ganzen Proben dann zum Auswerten in die KTU gebracht hatten, machten sie Feierabend, aber am nächsten Morgen erklärte Hartmut sich selber für arbeitsfähig, denn mit einer Ibuprofen konnte er seinen verletzten Arm schon wieder ganz gut bewegen. So saß er, als Jenni und Dieter noch die Spritze von Semir vorbei brachten, schon im Labor und machte-unterstützt von seinem Assistenten-die ersten Genanalysen. Er freute sich auf die Arbeit-nichts Schlimmeres als zuhause im Bett zu liegen und nichts tun zu können. Außerdem war er es Ben als Freund und guter Kollege schuldig, dass er sich persönlich um die Aufarbeitung dieser Entführung kümmerte und das nicht an irgendwelche Hilfskräfte delegierte!

    Ben war inzwischen vom Frühdienst aus dem Bett geholt worden. Sie brachten ihn mit einem fahrbaren Plastikstuhl in die Nasszelle, wo er sich am Waschbecken mühsam die Zähne putzte und das Gesicht erfrischte. Eine Schwester hatte in Konrad´s Zimmer seine Sachen zusammen gepackt und herüber geräumt. „Herr Jäger ich soll ihnen von ihrem Vater liebe Grüße ausrichten und sie fragen, ob sie nicht doch wieder bei ihm liegen wollen!“ richtete sie aus, aber Ben schüttelte den Kopf. „Soll ich ihnen beim Waschen helfen?“ fragte sie, allerdings kam von Ben nun die Antwort, die sie erhofft hatte, denn sie hatte noch sehr viel zu tun. „Vielen Dank, sie brauchen mir nicht zu helfen-meine Frau kommt sicher später zu Besuch und dann erledigt die das!“ sagte er und versprach zu läuten, wenn er ins Zimmer zurück gefahren werden wollte. Mühsam versuchte er sich nun selber ein wenig frisch zu machen, aber gerade als er an seinen Unterkörper kam, schossen ihm die Tränen in die Augen, so schmerzhaft geschwollen war das alles. Im Endeffekt lief es auf eine Katzenwäsche hinaus, aber das war momentan egal, obwohl er nichts lieber getan hätte als sich stundenlang unter die heiße Dusche zu stellen und sich mit viel Duschgel von Kopf bis Fuß zu schrubben, um auch die letzten Reste von Estelle´s Körperflüssigkeiten von sich abzuwaschen. Wenigstens funktionierte das mit dem Pinkeln und als er sich irgendwie mühsam in ein weites Shirt gezwängt hatte, das er einfach über den Gilchristverband zog und unten rum mit akrobatischen Verrenkungen in eine kurze Sporthose geschlüpft war, atmete er auf. In nächster Zeit würde ihn niemand mehr nackt zu sehen kriegen, das würde er zu verhindern wissen!

    Nachdem er geläutet hatte, wurde er zu seinem Bett zurück gefahren und kurz darauf kam auch schon das Frühstück. Allerdings trank er nur schwarzen Kaffee, er hatte überhaupt keinen Appetit und als man danach wieder erst das Antibiotikum und dann noch eine frische Infusion mit Schmerzmittel darin anhängte, legte er sich in die Kissen zurück und versuchte zu ruhen, denn nach dieser Nacht war er einfach hundemüde, aber er fand einfach nicht in den Schlaf. Als sich kurz darauf die Tür öffnete und Sarah mit einem strahlenden Lächeln eintrat, öffnete er nur kurz die Augen, murmelte, dass er müde sei und stellte sich dann wieder schlafend. Sie zog sich einen Stuhl ans Bett und setzte sich, ihm schien es einigermaßen gut zu gehen und sie würde einfach warten, bis er sein Morgennickerchen beendet hatte!