Beiträge von susan

    Oh Mann Kevin!
    Die Strafe folgt stehts auf dem Fuß-war nicht so das Sprichwort? Ja das trifft gerade eben zu. Alle sind wütend auf den jungen Polizisten, dabei hat er schon ein bisschen Recht mit dem was er sagt. Wer hat noch nie gezögert etwas zu tun, oder weiter zu geben und im Nachhinein war das ne superblöde Idee und führt zu allerlei Verwicklungen, aber auch Annie konnte sich ja nicht vorstellen, was die Sturmfront mit Semir gerade anstellt und für sie war der als Polizist ja auch sowas wie der Antichrist. So kam eines zum anderen und hat auch eine gewisse Eigendynamik entwickelt und vor allem waren da von Anfang an unheimlich viele Emotionen im Spiel. Die kriegt Kevin jetzt in Form der Faust von Semir zu spüren. Was mich aber mehr erschreckt ist, dass er wirklich völlig alleine steht-der einsame Wolf gegen den Rest der Welt, dabei war er doch auf einem so guten Weg. nicht einmal Jenny kommt zu ihm-na ja, wenns der selber nicht gut geht, ist das vielleicht ein kleines bisschen verständlich, aber eben nur ein kleines bisschen! Verdammt, warum macht Kevin das nicht wie die anderen und sucht sich jemanden mit denen er seine Probleme beredet, aber das hat er wohl nie gelernt-bei seinem Background allerdings nur verständlich! Er tut mir einerseits leid, andererseits hat er sich seine blutige Nase durchaus ein bisschen verdient. Und wenn die Chefin von Semir´s Attacke hört, ist der erst mal wieder weg vom Fenster, aber meiner Meinung nach mit Recht, denn bei allem Frust-nen Kollegen umhauen geht gar nicht!

    Oh nein, ich kann es nicht fassen! Mikael hat Ben verschont und dadurch falsch gepokert. Tonteri hat mit sowas gerechnet und rächt sich, indem er Eva umbringt! Oh Gott ich kann es nicht fassen , die war mir doch auch schon so ans Herz gewachsen! Mikael und auch Ben werden ein Leben lang damit zurecht kommen müssen, dass das eine schreckliche Entscheidung war-aber bei der Skrupellosigkeit von Hugo muss man davon ausgehen, dass er das so oder so gemacht hätte und er hat sicher vor, Ben genauso grausam umzubringen und zuletzt Mikael mit der Schuld am Leben zu lassen-und der wird daran zerbrechen, hat er schon Josh´s Ermordung bis heute nicht verkraftet! Die armen Kinder!

    Die Endoskopieschwester verharrte. Hatte sie gerade richtig gehört? Verständnislos schaute sie auf ihren neuen Patienten, der sich nun krampfhaft in seine Decke krallte und nicht zuließ, dass sie ihn entblößte. „Herr Jäger-das ist für uns eine Routinesache und sie müssen sich vor mir und meinen Kollegen auch nicht genieren, wir wollen ihnen nur helfen!“ versuchte sie ihn in begütigendem Ton zu beruhigen, aber ihre Worte bewirkten gar nichts. Klar-gegen seinen Willen konnte man ihn nicht behandeln, aber dann musste er unterschreiben, damit sie aus der Haftung waren. Sie holte den Urologen, der schon in den Waschraum gegangen war, wieder her und gemeinsam versuchten sie, Ben davon zu überzeugen, dass die Behandlung erstens notwendig war, er zweitens eine örtliche Betäubung bekommen würde und drittens kein Grund bestand sich zu genieren, aber alle beide stießen auf Granit.
    Semir hatte seinen Freund zunächst verständnislos betrachtet, was hatte er denn plötzlich-das war doch nicht seine erste Blasenspiegelung und er war schon von Ärzten und Pflegekräften beiderlei Geschlechts behandelt worden, ohne dabei zu übertriebener Schamhaftigkeit zu neigen? Er hatte an und für sich ein normales Gefühl für seinen Körper und klar war das etwas, was niemand gerne über sich ergehen ließ, aber wenn er doch erstens solche massiven Schmerzen hatte und dann noch wusste, dass er vielleicht seine linke Niere verlieren würde, wenn er nichts machen ließ, warum war er plötzlich so voller Abwehr, ja regelrecht Panik? Semir beobachtete, wie Ben verzweifelt seine Zudecke festhielt und er fragte sich, warum er denn dann nicht gleich dem Arzt gesagt hatte, dass er sich nicht behandeln lassen wollte, sondern da ja so gut wie zugestimmt hatte?

    Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen! Er hatte sich schon gewundert, dass Ben auch vorher schon so abweisend gewesen war-sowohl bei der Schwester oben, als auch bei der Physiotherapeutin. Lag das vielleicht einfach an der Tatsache, dass das Frauen waren? Hatte er den sexuellen Missbrauch durch Estelle vielleicht doch nicht völlig verschlafen, wie er Hartmut versucht hatte weis zu machen, sondern davon im Gegenteil ein Trauma davon getragen? Aufgeregt bat er den Arzt und die Schwester ins Nebenzimmer-freilich war das nur eine Vermutung, aber vielleicht lag da tatsächlich der Grund für sein Verhalten!
    „Ich kenne meinen Freund und Kollegen nun schon einige Jahre und er ist gerade nicht er selber. Normalerweise sieht er den Grund für eine medizinisch notwendige Behandlung ein und weiss auch, dass medizinisches Personal Patienten nicht nach Männern und Frauen einteilt, wir konnten aber anhand der Spuren nachweisen, dass er während seiner Entführung einen schweren sexuellen Missbrauch durch eine Frau erlitten hat, den er aber verneint. Vielleicht weiss sein Unterbewusstsein aber mehr als er und er hat jetzt eine Aversion gegen Frauen-gerade wollte er sich auch nicht von einer Physiotherapeutin behandeln lassen!“ teilte Semir aufgeregt dem Doktor und der Schwester mit. Die beiden wechselten einen Blick. „Gut versuchen wirs!“ sagte der Doktor und dann besprach er mit seiner Mitarbeiterin die Möglichkeit eines Tausches-im Nebensaal war nämlich ein älterer Urologiepfleger im Einsatz.

    Während Semir wieder zu Ben zurück eilte, der inzwischen gegen die Tränen ankämpfte, seine Decke festhielt und völlig mit den Nerven runter war und dem liebevoll eine verirrte Strähne aus dem Gesicht strich, besprach der Arzt die Sache mit seinem Kollegen und dem Pfleger und wenig später stand der etwa sechzigjährige Mann mit einem Lächeln vor Ben´s Bett. „Meine Kollegin ist leider anderweitig beschäftigt, ich übernehme hier-Herr Jäger, da haben wir jetzt ein reines Männermeeting. Kommen sie, ich helfe ihnen beim Rüberrutschen!“ sagte er aufmunternd und nahm wie selbstverständlich die Decke weg und Ben ließ zu, dass er ihm die kurze Sporthose und die Unterhose auszog. Gerade überfiel ihn wieder eine Schmerzwelle und bis er sich versah, lag er schon auf dem Untersuchungstisch, wurde gut zugedeckt und bekam Beinlinge übergezogen. „Alles wird gut!“ beruhigte ihn Semir und Ben schloss jetzt die Augen und erwartete ohne Gegenwehr, was als Nächstes geschehen würde.
    In Semir´s Kopf ging es rund-anscheinend hatte er mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen und Ben tat ihm jetzt unendlich leid. Nicht nur wegen der Koliken, die ihn sich gerade wieder krümmen ließen, sondern auch wegen seiner nervlichen Verfassung. Warum hatte er denn nichts gesagt? Er als bester Freund hätte ihn doch von Anfang an unterstützt, ihm geholfen, ihm zugehört, aber anscheinend versuchte Ben gerade, das alleine mit sich auszumachen, aber bei manchen Dingen funktionierte das einfach nicht. Allerdings musste Semir ja auch fast ein wenig schuldbewusst zugeben, dass er durch seine Krankheit auch nicht da gewesen war-und das war sicher etwas, was man nicht am Telefon besprach! Als Hartmut ihm mitgeteilt hatte, dass Ben sich an nichts erinnern könne und die Entführungstage fast komplett verschlafen hatte, war er froh und erleichtert gewesen-ja man glaubte das Angenehmere nur zu gerne! Aber wenn jetzt die medizinische Behandlung vorbei war, musste man sich dringend um Ben´s Psyche kümmern, den wieder aufbauen, für ihn da sein und dazu brauchte man unbedingt einen Fachmann-Semir hatte nämlich keine Ahnung, wie man sowas anstellte, aber jetzt begann die Behandlung und seine Aufmerksamkeit wurde von anderen Dingen abgelenkt.

    Ben musste eine Menge trotz Lokalanästhesie aushalten und letztendlich schüttelte der Urologe, der sich nach Kräften bemüht hatte, den riesigen, scharfkantigen Harnleiterstein von unten zu zerkleinern, den Kopf. „Herr Jäger-so leid es mir tut, ich schaffe es nicht, den ohne Hautschnitt zu entfernen. Ich werde deshalb bei ihnen jetzt sofort eine perkutane Nephrolitholapaxie, kurz gesagt PNL vornehmen. Das bedeutet, dass wir sie jetzt auf die Seite lagern, sie bekommen eine Lokalanästhesie in die Flanke und ich entferne den Stein, eventuell, nachdem ich ihn mit dem Laser in Stücke geschossen habe, von außen. Danach legen wir noch eine Ureterschiene ein und dann haben sie hoffentlich ihre Ruhe!“ erklärte er begütigend, während Ben gerade wieder von einer heftigen Schmerzwelle heimgesucht wurde, die ihn aufstöhnen ließ. Er fühlte sich gerade wie ein Stück Schlachtvieh und wäre nur froh gewesen über den finalen Bolzenschuss, der seinem Leiden ein Ende machen würde. Man gab ihm nochmals Opiate, aber auch die konnten gegen die heftigen Schmerzen, die in ihrer Intensität Wehen glichen, nichts ausrichten. Sein Körper zeigte deutlich, dass ein wichtiges Organ in Gefahr war und der Schmerz sollte die Dringlichkeit einer Behandlung unterstreichen, nur konnte Ben sich dafür wahrlich nichts kaufen, sondern wünschte sich nichts mehr als eine gnädige Bewusstlosigkeit.

    Bevor er sich versah, wurden lange Beinstützen an den bisher kurzen Tisch angebaut, man nahm Ben´s inzwischen vor Erschöpfung zitternden Beine aus den Haltern heraus und ließ ihn sich ausstrecken. Mit ein paar Handgriffen entfernte man dann die Beinhalter und legte sie beiseite, denn nachher würde man sie wieder brauchen. Man lagerte ihn auf die Seite, Semir war weiterhin am Kopfende und versuchte seinen Freund zu trösten und ihm beizustehen, während der Arzt sich nun frisch steril anzog und dann sofort begann, Ben´s linke Flanke zu desinfizieren. Anschließend deckte er ein großes gefenstertes Steriltuch über ihn, so dass Ben fast völlig darunter verschwand und nachdem der Pfleger den Tisch noch elektrisch verstellt hatte und das Kopf-und Fußteil jeweils ein wenig abgesenkt hatte, so dass der Patient regelrecht ein wenig aufgeklappt war, ließ sich der Urologe das Lokalanästhetikum in einer Spritze mit einer langen Nadel anreichen und infiltrierte den Bereich, in dem er in Kürze schneiden würde.
    Der erfahrene Pfleger hatte derweil routiniert den neuen Steriltisch hergerichtet und kaum wirkte die Betäubung, eröffnete der Arzt auch schon mit einem kleinen Schnitt die Nierenpartie. Vorsichtig arbeitete er sich durch Muskulatur und die Fettkapsel, die die Niere umschloss, die auch bei schlanken Menschen das Organ an seinem Platz hielt und wenig später hatte er den riesigen, kantigen Stein, der sich kurz unterhalb des Nierenbeckens verklemmt hatte, freigelegt. Ben jammerte und stöhnte, aber nicht weil der Eingriff so weh tat, sondern weil ihn gerade wieder eine Kolikwelle überlief. Mit einem nicht allzu großen Schnitt eröffnete der Arzt den Harnleiter und der Pfleger, der inzwischen ebenfalls einen Mundschutz und sterile Handschuhe angezogen hatte, saugte den austretenden, angestauten Urin und das Blut ab. Ein letztes Mal kam der Laser zum Einsatz und schoss den Stein unter Sicht in Stücke, die der Arzt nun mit einem Fasszängchen herausziehen und in eine kleine Metallschale auf dem Instrumententisch fallen lassen konnte. Als keine großen Teile mehr zu entdecken waren, verschloss der Doktor erst den Harnleiter mit sehr feinen Fäden unter einer Lupenbrille und erledigte dann zügig den weiteren Wundverschluss. Ben war nun ganz still geworden und hatte erleichtert aufgeatmet. Mit einem Schlag waren die Kolikschmerzen vorbei und als man ihn nach dem erfolgreichen Wundverschluss nun nochmals auf den Rücken drehte, erneut seine Beine in die Halterungen legte und er nun durch das wieder eingeführte Cystoskop noch eine Ureterschiene eingelegt bekam, sagte er keinen Ton, sondern hatte nur erschöpft die Augen geschlossen.

    Wenig später lag er in seinem vorgewärmten Bett, sogar auf den Blasenkatheter hatte der Arzt verzichtet. „Falls das mit dem Pinkeln nicht klappt, melden sie sich. Ich muss sie auch warnen-es sind fast mit Sicherheit noch irgendwo kleine Steinreste, die auf natürlichem Weg abgehen werden, was durchaus noch Koliksymptome machen kann, aber es besteht keine Gefahr für die Niere mehr!“ erklärte der Urologe und Ben nickte, während ihm schon die Augen zufielen. Jetzt wirkte das Opiat erst so richtig und eine bleierne Müdigkeit ergriff von ihm Besitz. Man überwachte ihn noch kurz im Vorraum, aber als nach einer halben Stunde Blutdruck und Sauerstoffsättigung stabil waren, wurde die Station zur Abholung angerufen. Semir, der die ganze Zeit bei seinem Freund gesessen hatte, erhob sich nun und dankte dem Arzt und dem Pfleger im Nebenraum für ihre Hilfe. „Ich denke mein Verdacht hat sich dadurch bestätigt, aber das ist eine andere Geschichte und die werden wir jetzt gemeinsam in Angriff nehmen-sie haben ihm durch ihre Unkompliziertheit seine Niere gerettet und dafür sind wir ihnen sehr dankbar!“ fasste er in Worte, was ihm die ganze Zeit schon durch den Kopf ging und der Mediziner und der erfahrene Pfleger freuten sich über das Lob und wünschten ihnen noch alles Gute.

    Also ich denke, dass Mikael zwar abgedrückt hat, aber keine Kugel im Lauf war, oder eine Platzpatrone. ich denke Mikael würde eher Ben als seine Frau opfern, aber das wird deren Freundschaft dann vermutlich endgültig zerstören. Oder er hat so visiert, dass er Ben nicht lebensbedrohlich verletzt, der das aber glaubwürdig spielt-na ja, ich hoffe wir erfahren das im nächsten Kapitel!
    Die restliche finnische Polizei steht vor einem Rätsel und immer noch hat keiner eine Ahnung, wo man nach den Entführten suchen soll-na klasse!

    Gerade hatte sich Sarah voller Verzweiflung vor Mia-Sophie´s Bettchen, das man an das Elternbett anbauen konnte, gesetzt und versucht, ihr wenigstens mit der Flasche ein wenig Tee einzugeben, aber sie brüllte und fieberte nach wie vor und Sarah bekam keinen Tropfen in sie hinein. Ihre Sorgen wuchsen ins Unermessliche, aber wenigstens hatte Tim jetzt aufgehört nach dem Papa zu rufen und war in einen unruhigen Fieberschlaf gesunken. Plötzlich läutete es an der Haustür und auch wenn Sarah sich nicht vorstellen konnte, wer bei diesem Schneetreiben zu ihr vorgedrungen wäre, ging sie an die Tür und öffnete sie. Zuvor hatte sie sich noch mit der Hand die Tränen fort gewischt, ohne zu bedenken, dass sie ja wenige Stunden vorher Make-Up, Lidschatten und Kajal aufgetragen hatte, so dass sie jetzt in Verbindung mit ihren Tränen einfach nur schrecklich aussah.
    Vor ihrer Tür standen bis oben herauf zugemummelt, zwei dunkelhäutige Flüchtlinge aus dem Ort, die den ersten Schnee ihres Lebens erlebten. Sie hatten als Dank für Sarah´s Hilfe und die Geschenke im vergangenen Jahr aus Wurzeln, Zapfen, Moos und anderen Dingen, die sie draußen gefunden hatten, ein paar wundervolle Dekogegenstände gebastelt und wollten ihr und ihrer Familie jetzt auch eine Freude machen. Seit Tagen hatten sie ihre Gaben schon vorbeibringen wollen, aber nie war jemand zuhause gewesen, jetzt hatten sie Sarah in einem unbekannten Wagen vorbei fahren sehen und wenig später wieder zurück kommen und die Gelegenheit beim Schopf ergriffen. Die Deutschkenntnisse schritten bei Allen Dank Sarah´s Hilfe gut voran und der junge Mann, der da vor ihrer Tür stand, sprach außerdem perfekt Englisch, wie sie wusste. Beide Flüchtlinge aus Ghana spürten sofort Sarah´s Verzweiflung, die ältere Frau, deren Haut bereits ein wenig runzlig war, aus deren Augen aber Lebenserfahrung und Güte sprachen, streckte, nachdem sie ihre Handschuhe ausgezogen hatte, ihre Hand aus und wischte in einer tröstenden Geste eine Träne aus Sarah´s Gesicht. „Was ist geschehen?“ fragte sie mitleidig in gutem Deutsch und nun brach Sarah vollends zusammen. „Meine Kinder sind sehr krank!“ schluchzte sie „und mein Mann hat mich verlassen!“

    Die beiden Flüchtlinge wechselten einen Blick. „Dürfen wir hereinkommen?“ fragte nun der junge Mann, augenscheinlich der Sohn der Frau und Sarah nickte und trat beiseite, denn gerade rief Tim wieder nach dem Papa und weinte, während das Baby jetzt gerade für einen Augenblick still war. Schnell entledigten sich die beiden Helfer ihrer Winterjacken, Mützen und Handschuhe, schlüpften aus den Schuhen und ließen sich von Sarah zu den kranken Kindern führen. Der junge Mann untersuchte mit wachen Sinnen und seinen Händen Tim, der unter den Berührungen ganz ruhig wurde und den Mann, den er ja bereits kannte, mit großen Augen ansah. Die ältere Frau, die Hebamme ihres Heimatdorfs, nahm dagegen das Baby in ihre Arme und wiegte es. Auch sie scannte mit ihrer großen Erfahrung das blonde Mädchen und als sie sich kurz in ihrer Muttersprache unterhalten hatte, übersetzte der Mann in einer Mischung aus Deutsch und Englisch, was sie zu sagen hatten. „Beide Kinder sind sehr krank-sie brauchen entweder Antibiotikum oder Pflanzen aus unserer Heimat!“ erklärte er Sarah und die hätte beinahe höhnisch aufgelacht. Ja soweit war sie auch schon mit ihren Erkenntnissen, aber nun erklärte sie den beiden Dunkelhäutigen, dass sie nicht zum Arzt, oder in ein Krankenhaus durch kam und das mit den afrikanischen Pflanzen dürfte auch ein Problem darstellen! „Ich habe in meiner Heimat Medizin studiert, bin allerdings noch vor den Prüfungen geflohen. Lassen sie mich doch bitte ihre Hausapotheke sehen, vielleicht finden wir etwas!“ bat er freundlich und während die alte Hebamme sich liebevoll um die Kinder kümmerte, führte Sarah den jungen Mann ins Bad und schloss den Medizinschrank auf. Zielsicher griff er nach einer Medikamentenpackung. Ben hatte nach seiner letzten Verwundung eine ganze Weile ein Antibiotikum nehmen müssen und von der letzten Packung Amoxicillin waren noch ein paar Tabletten übrig geblieben, die holte der Beinahe-Arzt jetzt heraus, sah auf die Milligrammanzeige und begann zu lächeln. „Da haben wir ja schon etwas!“ sagte er und Sarah, die sich das auch schon überlegt hatte, schüttelte den Kopf. „Erstens ist das viel zu hoch dosiert und zweitens werden mir die Kinder weder Tabletten schlucken, noch einen übel schmeckenden Saft trinken, wenn ich das auflöse!“ sagte sie, aber nun lächelte der Mann geheimnisvoll. „Ich hole nur schnell etwas und komme bald wieder!“ sagte er und rannte beinahe aus dem Bad, schlüpfte in seine Winterkleidung und nachdem er seiner Mutter Bescheid gesagt hatte und die ihm auch noch etwas aufgetragen hatte, verschwand er eilig zu ihrer Unterkunft.

    Sarah trat wieder zu ihren Kindern, die gerade von der alten Hebamme in einem wundervollen Singsang etwas erzählt bekamen. Auch wenn sie fast mit Sicherheit kein Wort davon verstanden, hingen sie an den Lippen der alten Frau, die sie wiegte und kühlte und Sarah merkte, wie sie selber ruhiger wurde, als sie die beruhigenden Schwingungen spürte. Beschämt ging sie nochmals kurz ins Bad, wusch sich das Gesicht und entfernte die verschmierten Make-Up-Reste, als der junge Mann schon wieder zurückkehrte und eine Tasche mit allerlei Dingen mitbrachte. „Ich brauche einen kleinen Topf!“ sagte er und holte einen weisslichen Brocken heraus und seine Mutter nahm die Tasche mit dem restlichen Inhalt entgegen. Die alte Frau begann sofort mit der Essenz aus Wurzeln und Flechten, die sie im nahen Wald gesammelt hatte, die Beine der Kinder einzureiben und beruhigte sie weiter in ihrem speziellen Singsang. „Ich brauche noch Milch-egal ob Kondensmilch, oder normale Milch!“ bat der Ghanaer und voller Erstaunen sah Sarah zu, wie er erst nach dem Gewicht der Kinder, das er fast exakt geschätzt hatte, die Amoxicillindosis errechnete. Dann löste er in ein wenig Kondensmilch und Wasser die Tabletten auf, maß mit einer Spritze, die er ebenfalls im Schrank gefunden hatte die Dosis ab und kochte in zwei Portionen-eine für Tim, eine für das Baby- mit dem mitgebrachten Palmfett die Basis für Antibiotikazäpfchen. Er brachte die Masse kurz vor die Tür und als sie im Schnee sehr schnell halbfest geworden war, formte er Zäpfchen daraus, wog sie mit einer kleinen Briefwaage, die er ebenfalls dabei hatte und wenig später konnte man die den Kindern verabreichen, was die auch ohne Jammern über sich ergehen ließen, so beeindruckte sie die ruhige fremde Frau. „Mein Sohn wird wieder nach Hause gehen-ich bleibe heute Nacht bei dir!“ sagte sie mit einem freundlichen Lächeln zu Sarah. „Wir Frauen müssen zusammen halten, so ist das in meiner Heimat!“ radebrechte sie und Sarah wurde vor Erleichterung ganz warm ums Herz.
    Wenig später schliefen beide Kinder ein und als Mia-Sophie ein bisschen später erwachte, trank sie gierig an Sarah´s Brust und fühlte sich schon viel kühler an. Auch Tim schlief jetzt ruhig und ohne zu Phantasieren und als die dunkelhäutige Frau Sarah dann einen Tee brachte, damit die Milch nicht versiegte und aus dem Inhalt von Sarah´s Küchenschränken ein wundervolles Reisgericht gezaubert hatte, begann Sarah zu hoffen, dass diese Krise auch vorüber gehen würde. Ein wenig schuldbewusst dachte sie daran, wie sie Ben in ihrer Verzweiflung zum Sündenbock gemacht hatte, dabei konnte der nun wirklich nichts dafür, dass die Kinder krank geworden waren. Sobald sie ihren Nachwuchs wieder alleine lassen konnte, würde sie erneut das Gespräch suchen, aber jetzt gingen erst einmal Tim und das Baby vor, aber Sarah fühlte sich jetzt wieder ruhig und konnte klar denken, etwas was vor wenigen Stunden aus lauter Angst um die Kinder noch nicht funktioniert hatte.

    Ben und Semir waren inzwischen in der Uro-Endo angelangt, die Schwester und der Arzt hatten ihren Patienten mitsamt Akte übergeben und wenig später holte der Urologe Ben in seinem Bett in das Untersuchungszimmer. Aufmerksam hatte er zuvor die Berichte der Innsbrucker Kollegen studiert-aha, er wusste schon in etwa, was ihn erwartete. Ben jammerte immer noch leise vor sich ein-ein wenig hatten die Medikamente gewirkt, aber die Schmerzen waren immer noch ziemlich stark. Erst betastet der Urologe mit geübten Händen Ben´s Bauch und die Flanke und griff dann zum Schallkopf des bereit stehenden Ultraschallgeräts. Nach dem Auftragen des Sonographiegels betrachtete er die wabernden Schatten auf dem Monitor und Semir bemühte sich, Ben´s Hand fest zu halten und ihm so seine Unterstützung zu signalisieren. Aufmerksam beurteilte der Arzt die Bilder und sagte dann: „Herr Jäger, wie der Kollege schon vermutet hatte, haben sie eine Nierenkolik. Ein sehr großer Stein sitzt in ihrem linken Harnleiter fest und ihr Körper bemüht sich nach Kräften-leider wegen der Größe erfolglos-den Richtung Blase zu befördern, was die schlimmen Kolikschmerzen verursacht. Leider haben sich oberhalb der Verengung bereits der Harnleiter und das Nierenbecken aufgestaut, was auch die Übelkeit und den Brechreiz erklärt!“ dozierte er, denn Ben hatte schon wieder gewürgt. Der Arzt stand nun auch vor einem Dilemma. Einen Patienten, dem übel war und der ständig erbrach, konnte man nicht sedieren. Entweder der bekam gleich eine Vollnarkose mit Ileuseinleitung, was aber ein unverhältnismäßig großes Risiko darstellte, oder man begnügte sich mit einer Lokalanästhesie, wozu der Facharzt gerade tendierte. „Wenn sie einverstanden sind, versuche ich jetzt erst einmal von unten den Harnleiterstein zu fassen und zu entfernen. Vielleicht gelingt es mir auch, ihn mechanisch zu zerkleinern, oder mit Laser in Stücke zu schießen. Auf jeden Fall muss eine Ureterschiene eingebracht und auch sofort reagiert werden, sonst verlieren sie ihre linke Niere!“ machte er den Ernst der Lage klar und Ben hätte gerade alles mit sich machen lassen, wenn nur diese fürchterlichen Schmerzen aufhörten. „Falls es mir nicht gelingt, haben wir auch noch andere Möglichkeiten, aber wir müssen jetzt rasch handeln und deshalb darf ich ihren Besuch jetzt bitten draußen zu warten-sie können gleich nach Abschluss der Behandlung wieder zu ihrem“-der Arzt suchte nach Worten, weil er ja nicht wusste, wie die beiden Männer zueinander standen-„Freund“ sagte er dann, aber Ben schüttelte erneut vehement den Kopf. „Semir muss dabei bleiben, sonst halte ich das nicht aus!“ stöhnte er und als Semir nun wieder beteuerte, dass er nicht das erste Mal bei urologischen Behandlungen seines Partners dabei war, erlaubte der Arzt es schulterzuckend. Solange der Gast nicht umkippte, sollte es ihm Recht sein! So trat wenig später die Endoskopieschwester, die sich derweil im Nebenraum aufgehalten hatte, an Ben´s Bett, rangierte das neben den urologischen Behandlungsstuhl, sprach ihn freundlich an und wollte ihm die Decke wegnehmen und ihm helfen, hinüber zu rutschen. In diesem Augenblick erstarrte Ben zur Salzsäule und rief: „Ich lasse nichts machen-ich will wieder in mein Zimmer zurück, das geht schon!“ und nun starrten ihn Semir, der Arzt und die Schwester fassungslos an.

    Jetzt möchte ich mich doch kurz bei den Verantwortlichen bedanken, die heute möglich gemacht haben, dass ich und einige andere wieder auf unsere Seite können.
    Als ich heute Morgen mein neues Kapitel der laufenden Story posten wollte, wurde die Seite nicht angezeigt, weder auf meinem Laptop, noch am Smartphone. Als sich gegen Mittag daran noch nichts geändert hatte und wir in unserer privaten Cobra11 What´s App-Gruppe festgestellt hatten, dass ein Teil von uns damit keine Probleme hatte, andere schon, habe ich mich an die Facebookseite unserer Community und auch an Simon persönlich gewandt-die richtigen Leute ( Hartmut :D ) wurden hinzu gezogen und jetzt funzt es wieder!
    Danke für die prompte Reaktion! Ohne unsere Seite fehlt halt einfach was! ;)

    Du lieber Himmel! Hugo macht seine Drohung wahr, killt die beiden Bewacher-bzw. er lässt sie von seinem Komplizen umbringen und nimmt Mikael mit. der versucht zwar den Schurken mit Worten zu belabern und um Gnade für seine Frau und Ben zu bitten, aber Hugo, von dem der Wahnsinn langsam Besitz ergriffen hat, ist auf dem Rachetrip und wird jetzt nicht zögern, die beiden vor seinen Augen zu foltern, um ihm weh zu tun! Da kommt noch was auf die drei zu, aber erst einmal sind Eva und Ben fast froh Mikael lebend zu sehen, allerdings hätten sie ihm zugetraut, dass er sich zum Geiselaustausch zur Verfügung gestellt hätte, was allerdings ja gar nicht stimmt!
    Leider hat Mikael wohl Recht mit seiner Ahnung dass Antti und seine Polizeitruppe bisher nicht den Hauch einer Ahnung haben, wo die drei versteckt sind-kommt Leute, macht hinne, irgendeinen Hinweis muss es doch geben!

    Der Arzt hatte die Decke nach unten geworfen, mithilfe der Schwester den Gilchristverband ausgezogen und Ben´s Shirt nach oben geschoben, damit er überhaupt an seinen Patienten ran kam. Der stöhnte die ganze Zeit laut, als die Schmerzen in Wellen über ihn hinweg liefen. Nach einer kurzen Tastuntersuchung war dem Arzt klar, dass der Flankenschmerz nichts für sein Fachgebiet war und anhand der Vorgeschichte tippte er stark auf eine urologische Ursache. Zur Schwester gewandt, die aufmerksam zuhörte, sagte er deshalb: „Bringen sie mir bitte eine Ampulle Piritramid in eine Spritze aufgezogen!“ was die veranlasste, sich sofort auf dem Absatz umzudrehen, um das Gewünschte zu holen und dann zog er sein Telefon aus der Kitteltasche, um die urologische Abteilung zu verständigen. Wenig später hatte er den diensthabenden Arzt an der Strippe: „Hör mal, ich habe hier einen Patienten, der an plötzlich aufgetretenen, kolikartigen stärksten Flankenschmerzen leidet. Vor wenigen Wochen wurden bei dem in einem anderen Krankenhaus Blasen-und scharfkantige Harnleitersteine festgestellt, bisher auf seinen eigenen Wunsch hin, aber bei uns nicht behandelt. Ich denke, jetzt wird er nicht drum herum kommen und wie ich ihn mir so anschaue-“ sagte er mit einem Blick auf Ben, der sich vor Schmerzen im Bett wand und das laute Stöhnen konnte sein Kollege ebenfalls durch das Telefon hören „wird er vermutlich im Augenblick nichts dagegen haben, wenn ihr euch um ihn kümmert. Er bekommt jetzt von mir noch ein wenig Piritramid und dann würden wir ihn zu euch runter bringen!“ offerierte er seinem Kollegen, der sofort zustimmte. Semir war wieder näher zu seinem Freund getreten und hatte ihn tröstend berührt. Dessen Schmerzen gingen ihm fürchterlich nahe und sein Herz floss über vor Mitleid. Auch die Übelkeit überfiel ihn wieder und ließ ihn zusätzlich noch würgen. Als die Schwester erneut herein kam und dem Arzt die Spritze in die Hand drückte, packte sie dann schnell eine frische Nierenschale und hielt sie Ben, der zusammen gekrümmt auf der Seite lag, vors Gesicht. Auch wenn im Moment nichts kam, es musste ja nicht sein, dass er das Bett versaute!

    Der Arzt spritzte fraktioniert einige Milligramm des Opiats, aber die Schmerzen wurden nur unwesentlich besser, allerdings bekam Ben Schwierigkeiten mit der Koordination, seine Atmung veränderte sich und eine große Müdigkeit ergriff von ihm Besitz, allerdings war an Schlaf wegen der Koliken nicht zu denken. „Vielleicht geben wir ihm noch Buscopan zum Krampf lösen in die Infusion und dann sollen sich die spezialisierten Kollegen um ihn kümmern-er geht in die Uro-Endo!“ informierte der Doktor die Schwester und die nickte und verließ erneut das Zimmer, um erstens das Medikament und zweitens die Akte zu holen. Der Arzt wandte sich an Semir. „Wenn ich sie dann bitten dürfte nach Hause zu gehen!“ sagte er. „Herr Jäger wird jetzt dann in einer anderen Abteilung behandelt, da ist es nicht möglich Besucher mit zu bringen!“ forderte er Semir zum Gehen auf, aber Ben schüttelte nun wie wild den Kopf. „Nein-er bleibt und soll mitkommen, sonst gehe ich nirgendwohin!“ stöhnte er und Semir beeilte sich zu erklären, dass er schon bei mehreren Blasenspiegelungen und anderen unangenehmen Behandlungen seines Freundes dabei gewesen wäre. „Nun gut-ich kann da jetzt gar nichts dazu sagen-das müssen sie mit meinen Kollegen in der urologischen Abteilung klären!“ beschloss der Doktor und in diesem Augenblick kam auch schon die Schwester wieder herein, spritzte das krampflösende Medikament in die Infusionsflasche zu und stellte dann die Tropfrate schneller. Man warf die Zudecke über Ben, der immer noch jammernd auf der Seite lag, denn irgendwie half die Schmerzmedikation gerade heftig wenig und zwischendurch würgte er immer wieder und Semir tat das schmerzgeplagte Häufchen Elend da vor ihm fürchterlich leid. Die Bremsen wurden gelöst und Sekunden später waren die vier Menschen unterwegs in die Urologie-hoffentlich würde man Ben erfolgreich behandeln können!

    Draußen schneite es weiterhin und obwohl Schnee in und um Köln ja nicht so die Ausnahme war, blieb er diesmal auf den gefrorenen Straßen liegen, es ereigneten sich mehrere Unfälle, die die Polizei auf Trab hielten und viele Kölner stellten fest, dass Winterreifen doch eine gute Anschaffung gewesen wären, wenn sie von den Straßen rutschten. Die Fahrer waren diese Straßenverhältnisse kaum gewöhnt, es gab zu wenige Schneepflüge und Räumfahrzeuge und so kam der städtische Verkehr so nach und nach fast zum Erliegen, während es weiter und weiter schneite.
    Sarah musterte sorgenvoll ihre Kinder, die hatten beide sehr hohes Fieber und sollten dringend von einem Kinderarzt angeschaut werden, aber nun rächte es sich, dass sie den nach ihrem Umzug nicht gewechselt hatten, sondern weiterhin bei dem netten Doktor geblieben waren, der Tim ab seiner Geburt betreut hatte und dessen Praxis um die Ecke ihrer Stadtwohnung lag. Als sie anrief, bedauerte die Arzthelferin, dass der Doktor leider keinen Hausbesuch so weit weg machen könne, sie erstickten hier schon in Arbeit, wenn Sarah aber mit den Kindern kommen würde, würden sie sie sofort dran nehmen. So schlüpfte Sarah seufzend in normale Straßenkleidung, zog die kranken Kinder an, obwohl es ihr sehr leid tat, die jetzt durch halb Köln zu fahren, stieg mit ihnen ins Auto, um nach wenigen Kilometern fest zu stellen, dass kein Durchkommen war. Der Geländewagen, den sie fuhr, lag sicher auf der Straße, dem konnten die Witterungsverhältnisse nichts anhaben, aber leider konnte sie ja schlecht über die anderen Verkehrsteilnehmer die herum schlitterten und die Straßengräben füllten, drüberfahren und musste nach einiger Zeit wieder umkehren. Tim und Mia-Sophie saßen eh brüllend in ihren Sitzen, bzw. dem Maxi-Cosi und kosteten sie den letzten Nerv. Ach Mann-wenn nur Ben da wäre-dem würde sicher was einfallen und als sie wieder zuhause war und Fieber maß, erschrak sie-beide Kinder hatten über 40°C, wollten jammernd getragen werden und weinten, als sie Wadenwickel anlegte. Mia-Sophie stellte das Trinken ein und jetzt wurde es gefährlich! Verdammt-sie brauchte einen Arzt, Medikamente und vielleicht sogar Infusionen-wie schnell kamen Babys in lebensbedrohliche Zustände, wenn sie begannen aus zu trocknen. Die Verzweiflung übermannte sie-sie versuchte es über die Rettungsleitstelle, aber da waren wegen der vielen Notrufe die Leitungen überlastet. Sarah hätte am liebsten gemeinsam mit ihren Kindern geheult und eine Megawut auf Ben überkam sie-eigentlich war der an diesem ganzen Schlamassel schuld, hätte sich der keine andere Frau angelacht, wäre sie jetzt mitten in Köln und viele Ärzte und Kinderkliniken um sie herum, die ihre Kinder behandeln konnten und säße nicht mutterseelenalleine mit den kranken Mäusen in ihrem Vorort, der zwar sehr schön, aber eben auch abgelegen war. Was sollte sie nur tun? Mit dem jammernden Baby auf dem Arm und einem phantasierenden Tim im Elternbett, der nach dem Papa rief, wanderte sie durch das Haus und inspizierte ihre Notapotheke. Leider hatte sie kaum noch Fieberzäpfchen und ob die alleine ihren Kindern halfen, stand eh in den Sternen, die waren ernsthaft krank und obwohl Sarah ja eigentlich eine erfahrene Krankenschwester war-bei Kindern und dann noch ihren eigenen stieß sie rasch an ihre Grenzen. Die Verzweiflung übermannte sie-was sollte sie nur tun?

    Ben und Kevin haben den Unfall halbwegs glimpflich überstanden und fahren-natürlich-nicht mit ins Krankenhaus zur weiteren Untersuchung-was eigentlich ziemlich blöd ist! Und gerade mit nem Schleudertrauma ist nicht zu spaßen, wie meine Tochter aus leidvoller Erfahrung weiss, die dabei im August eine Halswirbelfraktur erlitten hat und immer noch Probleme hat! Aber Kevin hat es wohl nicht allzu schwer erwischt, allerdings plant er den "Urlaub" auf Krankenschein dafür auszunutzen, um nach Bogotá zu reisen und Annie zu suchen.
    Ben durchschaut ihn, stellt ihn zur Rede und weil ja keiner der beiden nur den Hauch einer Ahnung davon hat, dass Semir sich bereits wieder auf der Dienststelle befindet, erfährt der als zufälliger Lauscher lauter Sachen, die er lieber nicht gewusst hätte. Gut auf eines kann er stolz sein-Ben versucht ihn zu schützen und steht voll hinter ihm, während Kevin ihm sozusagen mit seiner geplanten Aktion gefühlt in den Rücken fällt. Allerdings muss ich sagen-wenn ihm das noch so zu schaffen macht, ist er vielleicht doch noch nicht wieder dienstfähig-gerade tut mir Kevin fast ein wenig leid, der jetzt einem zornbebenden Semir gegenüber steht! Nur wie gehts jetzt weiter? Bin gespannt und auch ein wenig ratlos.

    Oh nein, jetzt hat Ben eine gesalzene Wundinfektion und braucht dringend ärztliche Behandlung und ein Antibiotikum! Die Wundreinigung war zwar nicht verkehrt, aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn sie jetzt noch ein paar Tage warten, erledigt sich das Thema Ben von ganz alleine ;( . Eva kriegts auch mit den Nerven, aber das ist in dieser Sch...situation ja kein Wunder!
    Die beiden Entführer schmieden inzwischen neue Pläne-ein wenig macht mir Hoffnung, dass sie sich nicht völlig einig sind, das könnte eine Chance für die Polizei bedeuten, aber insgesamt ist die Lage deprimierend und aussichtslos, wenn nicht bald ein Wunder geschieht!

    Semir saß eine ganze Weile neben dem Bett und sah seinem Freund beim Schlafen zu. Langsam wurde die Hand, die er hielt wärmer und als Ben nach einiger Zeit die Augen aufschlug und nach dem Wasserglas griff, half er ihm beim Trinken und fragte dann: „Wann kommt denn Sarah?“ denn ehrlich gesagt, war er ein wenig verwundert, dass die noch nicht aufgeschlagen war, man hatte sie doch sicher angerufen, als man Ben zur Magenspiegelung gebracht hatte. Ein Schatten flog über Ben´s Gesicht und er sagte leise: „Die war nur gestern kurz da, heute noch gar nicht, wir hatten äh, eine kleine Störung!“ erklärte er und nun betrachtete ihn Semir mit gerunzelter Stirn. Was war eine kleine „Störung“?

    In diesem Augenblick-es ging schon auf Mittag zu- kam die für Ben zuständige junge Schwester, fröhlich eine Waschschüssel aus Edelstahl schwenkend, herein. „So Herr Jäger-jetzt wollte ich ihnen heute Morgen ja was Gutes tun und sie duschen, aber in Anbetracht der Umstände vertagen wir das auf morgen und ich würde sie dafür gerne im Bett waschen. Würden sie bitte solange rausgehen-vielleicht einen Kaffee in der Cafeteria trinken?“ wandte sie sich freundlich an Semir, aber da hatte sie die Rechnung ohne ihren Patienten gemacht. Semir wollte sich nämlich gerade erheben, da sagte Ben heftig: „Mein Freund bleibt und das mit dem Waschen ist mir jetzt zu anstrengend-das macht meine Frau dann am Nachmittag!“ behauptete er und hielt unwillkürlich seine Zudecke fest, damit ihn niemand entblößen konnte. Der Schwester entgleisten gerade die Gesichtszüge. Sie hatte Sarah´s Auftritt am Morgen ja miterlebt und der Stationsarzt hatte, nachdem sie gegangen war, natürlich auch davon erzählt, wie sie reagiert hatte-sie wagte zu bezweifeln, dass die überhaupt noch jemals kommen würde, aber eigentlich ging sie das auch nichts an und wenn ihr Patient partout nicht gewaschen werden wollte, würde sie ihn mit Sicherheit nicht dazu zwingen, das konnte und durfte sie gar nicht. „Na dann eben nicht!“ sagte sie ein wenig pikiert und stellte die Waschschüssel ab. „Ich bringe ihnen später ihr Mittagessen, der Gastroenterologe hat darum gebeten, dass sie Schleimsuppen und Weissbrot zu sich nehmen, damit die Magensäure abgepuffert wird!“ kündigte sie noch an und Ben zog eine Grimasse, als sie den Raum wieder verließ. „Pfui Teufel-Schleimsuppe-die kann sie selber essen!“ sagte er leise zu Semir und der musste sich jetzt ein Grinsen verkneifen-da war ein Hauch des alten Ben zu spüren, aber als der dann den Kopf wieder in die Kissen fallen ließ und vor Schwäche und Erschöpfung die Augen schloss, betrachtete er ihn voller Sorge-irgendwas stimmte nicht mit seinem Freund und einen kurzen Moment erwog er das Gespräch doch auf die Vorfälle in der Wohnung zu bringen, aber dann verrieten regelmäßige Atemzüge, dass Ben eingeschlafen war.

    Als eine Stunde später tatsächlich die angekündigte Suppe und auf einem Teller zwei Scheiben labbriges Toastbrot gebracht wurden, erwachte Ben, aber als Semir ihn aufforderte zu essen, wies er das mit allen Anzeichen von Ekel zurück. „Semir-du musst das verstehen-ich kann das nicht essen!“ sagte er und als Semir ihn dann überredete wenigstens ein bisschen Weissbrot zu probieren, biss er einmal davon ab, aber er hatte es kaum gekaut und runter geschluckt, da begann er schon wieder zu würgen und es kam sofort retour. „Ich bin noch nicht so weit-ich kann nichts essen!“ sagte Ben und verschwieg, dass er soeben wieder gemeint hatte Estelle zu riechen und zu schmecken und das hinderte ihn absolut daran, etwas zu sich zu nehmen. Semir sah ihn unglücklich an, läutete und ließ Ben eine frische Brechschale bringen. „Wollen sie es nicht später nochmals versuchen mit dem Essen?“ fragte die Schwester freundlich, aber als Ben blass den Kopf schüttelte, räumte sie die Suppenschüssel und das Brot wieder ab. Vielleicht war es bis zum Abend besser und zumindest Flüssigkeit hatte ihr Patient immerhin über die Infusionen. Man würde als nächste Trägerlösung für das Schmerzmittel fünfprozentige Glucose nehmen, dann hatte er wenigstens ein paar Kalorien und so machte man das.

    Ben verweigerte, dass man ihm die Kissen aufschüttelte, wollte nicht aus dem Bett und nicht einmal die Urinflasche hatte er benutzt, solange sie im Zimmer war. Semir erkannte seinen Freund nicht wieder, der sonst immer alles machte, um bald wieder gesund zu werden. Jetzt boykottierte er regelrecht alle gut gemeinten Versuche, ihm zu helfen und als kurz nach dem Mittagessen die Physiotherapeutin wieder zu ihm kam, um heute doch nochmals im Bett Übungen zu machen, schickte er sie ebenfalls unter dem Vorwand, er wäre zu müde und ihm sei immer noch übel, weg. „Herr Jäger, sie müssen sehr aufpassen, dass die Schulter nicht Schaden nimmt, wenn die nicht jeden Tag kontrolliert durch bewegt wird. Es kann sein, dass die aufwändige OP dann umsonst war-der Schulterspezialist geht uns allen miteinander an den Kragen!“ warnte sie ihn, aber Ben drehte sich kommentarlos im Bett um und präsentierte ihr seine Rückseite-natürlich zugedeckt bis zum Hals, woraufhin sie schulterzuckend das Zimmer verließ. Sie würde das in der Akte dokumentieren, aber warum hatte der Patient denn die OP dann überhaupt machen lassen, wenn er jetzt so überhaupt nicht dazu tat, dass er wieder vollständig gesund wurde, wofür die Physiotherapie eminent wichtig war?

    Semir starrte sprachlos seinen Freund an, so hatte er ihn noch nie erlebt und gerade wollte er ihn jetzt zur Rede stellen und erfahren, was überhaupt los war, da stöhnte der plötzlich auf und presste die Hände auf seine Flanke. „Oh Gott-Semir ich habe brutale Schmerzen!“ keuchte er und der Schweiß brach ihm aus, was Semir veranlasste, sofort auf den Klingelknopf zu drücken. Was war denn jetzt schon wieder los? Die Schwester kam wenig später und Ben ächzte und weinte inzwischen nur noch, sie holte den Arzt dazu und Semir stand regelrecht schreckensbleich daneben und konnte die Qualen, die sein Freund gerade ausstand regelrecht mitfühlen-du lieber Himmel, was war denn jetzt schon wieder los, irgendwie hörte das gerade gar nicht auf!

    Semir is back!-ja das glaube ich, dass er gerne zurück kehrt, auch wenn er jetzt eine andere Arbeit machen muss, als vor seiner erzwungenen Krankschreibung. Ich freue mich auch schon wieder auf meinen ersten Arbeitstag, ich glaube, ich kann das gerade ganz besonders nachfühlen!
    Sofort wird er wieder ins Team der Past aufgenommen und hat sozusagen Hotte als direkten Vorgesetzten-aber alles besser, als zuhause rum zu lungern!
    Dass ihm das Hakenkreuz zu schaffen macht, kann ich verstehen, allerdings denke ich, er ist erst dann psychisch völlig gefestigt, wenn es ihm gelingt, das seinen Kollegen ohne Angst sehen zu lassen-er kann schließlich nichts dazu und er müsste in seiner beruflichen Tätigkeit, wenn er wieder im Außendienst ist, eher darauf achten, dass es ihm nicht als rechtes Gesinnungszeichen ausgelegt wird-immerhin ist das Hakenkreuz bei uns als Symbol verboten, aber bei der heutigen kosmetischen Chirurgie ist es mit dem Laser ein Klacks diese Narbe ungesehen zu machen-er soll da mal nicht zögern, sich vertrauensvoll an einen plastischen Chirurgen zu wenden, aber auf diese Idee ist bisher anscheinend noch keiner unserer Helden gekommen-nicht einmal Andrea!
    Ja und wir wissen, warum er Kevin und Ben nicht erreichen kann, hoffentlich geht es denen auch gut!

    Jetzt gehts in deiner Geschichte aber wirklich Schlag auf Schlag. Während erst einmal niemand damit rechnet, dass die beiden Bombenleger ungeschoren davon kommen, fällt der Geisel Veikko plötzlich auf, dass sein Entführer mit einem Zündmechanismus spielt und ihm kommt der begründete Verdacht, dass sich eine Bombe im Präsidium befindet, die dann leider auch gleich hoch geht. In dem ganzen Kuddelmuddel gelingt es den beiden Verbrechern zu fliehen und es gibt eine Menge Tote und Verletzte. Semir rettet mit letzter Not noch Kasper aus dem brennenden Gebäude und während die Rettungsaktionen anlaufen, sammeln sich unsere Freunde auf einer kleinen Treppe.
    Jetzt ist guter Rat teuer-sie wissen immer noch nicht, wo Ben und Eva stecken und die Geiselnehmer sind entkommen. Die finnischen Helden sind durchwegs ein wenig lädiert und jetzt muss man erst einmal der Presse irgend etwas erzählen, was die ruhig stellt-nur was?
    Sehr aufregendes und gut beschriebenes Kapitel-und wie geht es Eva und Ben?

    Schön für Semir, dass er zurück an seinen Arbeitsplatz beordert wird-zwar vorerst nur an den Schreibtisch, aber der erste Schritt ist gemacht und wir sind uns denke ich alle einig, dass der erfahrene Beamte dieses Trauma mithilfe der Psychologin und seiner Freunde völlig überwinden wird.

    Ben und Kevin basteln sich inzwischen aus dem verunglückten Fahrzeug, ich fand auch, dass du den Unfall und die Befreiung aus Sicht der Insassen sehr gut beschrieben hast-ich habe fast den Verdacht, Campino, dass du da aus eigener Erfahrung sprichst-gerade das mit dem Rauch vom Airbag, womit man ja primär nicht rechnet, versetzt die meisten nämlich in absolute Panik, fast alle Unfallopfer, die sich damit noch nicht beschäftigt haben, denken dann, der Wagen beginne zu brennen! =O
    Aber so wie es aussieht, sind die beiden nicht allzu schwer verletzt und finden dann auch bald, was den Reifen zum Platzen gebracht hat-ein Projektil und dann auch noch das Gleiche, das sie beim Mordopfer gefunden haben-ja das war ne Warnung, aber ich bin mir sicher, dass die beiden sich davon nicht beeindrucken lassen und weiter ermitteln werden!

    Sarah machte sich zurecht. Sie zog sich den neuen schicken Pulli, den Ben ihr erst kürzlich gekauft hatte an, legte den Schmuck, den sie zu Weihnachten bekommen hatte, an, was eigentlich mit den Kindern unpraktisch war, aber um das gings jetzt nicht, machte ihre Haare und legte dezentes Make-Up auf. Dann rief sie Hildegard an, ob die ihr die Kinder für ein paar Stunden abnehmen könnte, lud die dann gemeinsam mit Lucky ins Auto und fuhr los. Nachdem sie Tim, Mia-Sophie und den Hund abgeladen hatte, fuhr sie weiter zum Krankenhaus und strebte, schon etwas positiver gestimmt, auf die Station, auf der Ben lag. Vielleicht hatte er heute Nacht gut geschlafen und die gestrige Missstimmung wäre einfach verflogen? Sie malte sich aus, wie er die Arme-na gut, zumindest den einen Arm ausstrecken würde und sie sich Entschuldigungen stammelnd, in den Armen liegen würden. Es konnte doch nicht sein, dass man eine langjährige Beziehung jetzt innerhalb von drei Tagen kaputt machte! Sie atmete nochmals tief durch und klopfte dann an der Zimmertüre. Als keine Antwort ertönte, drückte sie dennoch die Klinke nach unten und trat ein. Verwundert und ein wenig entsetzt starrte sie auf den leeren Bettplatz-Ben war nicht da! Allerdings waren seine ganzen privaten Sachen noch auf dem Nachtkästchen, im Bad und in den Schränken, wie sie nach kurzer Kontrolle feststellte, wo steckte er also. Als sie dann im Mülleimer noch eine Brechschale mit blutigem Schleim entdeckte, griff eine kalte Hand nach ihrer Kehle-was war geschehen? Sie drehte sich brüsk um und nachdem sie keinen Arzt und keinen ihrer Kollegen auf dem Flur entdecken konnte, brach sie wie eine Naturgewalt ins Stationszimmer ein, wo die alle miteinander beim Frühstück saßen. „Wo ist mein Mann?“ rief sie panisch und auch die Kollegen, die sie nicht persönlich kannten, wussten sofort wer sie war und wer gemeint war-es war nämlich gerade Thema gewesen.

    Seufzend erhob sich der Stationsarzt, bot Sarah einen Kaffee an, den sie aber ausschlug und forderte sie höflich auf, ihr ins Arztzimmer zu folgen. Oh je-was für eine schwierige Mission! Er persönlich kannte Sarah von seiner Facharztanerkennungszeit auf der Intensivstation her und hatte sie als nette und kompetente Schwester kennen gelernt. Was gerade zwischen ihr und ihrem Mann schief lief konnte und wollte er nicht beurteilen, aber er musste sich an rechtliche Vorgaben halten. „Sarah, nimm doch Platz!“ bat er sie, aber Sarah schüttelte den Kopf und blieb stehen. „Wo steckt Ben, was ist passiert und warum habt ihr mich nicht verständigt?“ fragte sie, aber weil ihm nichts anderes einfiel, antwortete der junge Chirurg einfach wahrheitsgemäß: „Sarah, dein Mann hat uns eine Auskunftssperre erteilt, die sich auch auf dich erstreckt, ich durfte dich nicht anrufen!“ und nun wurde Sarah blass und musste sich jetzt doch setzen. Ihr wurde gerade regelrecht schlecht. So weit war es also schon mit ihnen gekommen, dass sie nicht einmal mehr erfahren durfte, wenn es ihm schlecht ging. Anscheinend hatte er sich innerlich schon völlig von ihr abgewendet, denn er kannte sie gut genug um zu wissen, wie weh er ihr damit tat. Einerseits war jetzt da immer noch die Sorge um ihn, denn sie wusste ja definitiv nicht, wo er sich befand und wie es ihm ging, aber dann war da auch die große Enttäuschung, die ihre Knie weich werden ließ und alle Hoffnung auf ein Leben wie zuvor zunichte machte. „Sag mir wenigstens ob er lebt-ich werde dann auch sofort gehen und keinen Kontakt mehr suchen, wenn er das nicht möchte!“ sagte sie hohl und nach kurzer Überlegung teilte ihr der Arzt mit: „Ich kann dir sagen, dass es ihm schon wieder einigermaßen gut geht, er behandelt wurde und in Kürze wieder auf Station gebracht wird!“ teilte er ihr mit und fügte dann noch hinzu: „Vielleicht solltet ihr mal miteinander reden und ich schicke euch die Psychologin dazu, warte doch einfach noch ein bisschen?“ aber Sarah schüttelte den Kopf, dass ihre blonden Locken nur so flogen. „Ich glaube da gibt’s nichts mehr zu reden-er hat mir mehrfach unmissverständlich klar gemacht, dass ich in seinem Leben-aus welchen Gründen auch immer-nichts mehr zu suchen habe. Ich werde jetzt gehen und nicht mehr kommen!“ sagte sie mit brüchiger Stimme und erhob sich mit Beinen schwer wie Blei. „Ich finde das ist nicht der richtige Weg!“ versuchte der Arzt sie noch umzustimmen, aber Sarah´s Entschluss war gefallen, sie würde von sich aus keinen Kontakt mehr mit ihrem Noch-Ehemann suchen. Der Vertrauensbruch wog zu schwer und mit schleppenden Schritten entfernte sie sich von der Station und schlich zu ihrem Wagen, wo sie erst einmal regelrecht zusammen brach und bitterlich zu weinen begann.
    Als sie sich einigermaßen gefangen hatte, startete sie den Motor und fuhr in dichtem Schneetreiben, das den Verkehr in und um Köln fast zum Erliegen brachte, langsam zu Hildegards Haus. Sie fühlte sich leer und ausgehöhlt. Die glücklichste Zeit ihres Lebens hatte soeben ein Ende gefunden und als sie mit verweinten Augen ihre Kinder und den Hund einsammelte und mit denen im Schneckentempo, aber dank Allradantrieb relativ sicher, wieder zurück nach Hause fuhr, konnte auch Hildegard, die sie zu trösten versuchte und gerne erfahren wollte, was denn überhaupt los war, nichts ausrichten und blickte ihr unglücklich hinterher. Zu allem Unglück hatten beide Kinder zu fiebern begonnen und waren verschnupft und grantig und so hatte Sarah den Rest des Tages genügend zu tun die beiden kranken Mäuse zu pflegen und zu beschäftigen. Sie hatte den Schmuck abgelegt, den schicken Pullover und die zugegebenermaßen kneifende schicke Hose in die Ecke gepfeffert, sich in eine alte Jogginghose und ein ausgeleiertes Sweatshirt geschmissen-es war völlig egal wie sie aussah, ihr Leben war sowieso gerade nicht lebenswert-nie hätte sie gedacht, dass es einmal so weit kommen würde!

    Semir hingegen fühlte sich wieder gut. Er hatte nochmals eine Nacht erholsam geschlafen, das Antibiotikum hatte seine volle Wirkung entfaltet, er war fieberfrei, der Husten hatte nachgelassen und das, was aus der Nase lief war klar und nicht mehr widerlich. „Andrea-ich muss jetzt einfach nach Ben sehen!“ sagte er. „Ich werde mir einen Mundschutz geben lassen und meine Hände desinfizieren, damit ich ihn nicht anstecke!“ erläuterte er ihr und kaum hatte sie die Kinder nach dem Frühstück in Schule und Kindergarten gebracht, machte er sich auf in Richtung Krankenhaus und freute sich, seinen Partner wieder zu sehen. Gott sei Dank hatte der von dem Missbrauch nichts mit bekommen-er würde einen Teufel tun und schlafende Hunde wecken!
    So betrat Semir frohgemut die Normalstation, ließ sich einen Mundschutz geben und desinfizierte sorgfältig seine Hände. Als er dann klopfte und ein müdes „Ja bitte!“ von drinnen ertönte, betrat er das Zimmer und bekam als Erstes einmal einen riesigen Schreck. Ben sah aus wie ausgekotzt, eine Infusion tropfte zügig in ihn und er wirkte wächsern und müde. Seine Augen lagen in tiefen Höhlen und er hatte sichtlich abgenommen-auch im Gesicht, seit Semir ihn zuletzt gesehen hatte. Man hatte seinen Gilchristverband wieder angezogen, aber das Waschen auf später verschoben, wenn er sich ein wenig erholt hatte. Er war zwar wieder einigermaßen wach, aber immer noch schrecklich müde, allerdings hatte er es genossen ein wenig ausgeknockt zu werden, zu schlafen und auch zu vergessen, aber je wacher er wurde, desto unlösbarer erschienen seine Probleme wieder. Trotzdem wandte er sich zu seinem Freund und seine Mundwinkel deuteten ein kleines Lächeln an. „Schön dass du da bist!“ sagte er rau und verzog dann das Gesicht, denn in seinem Rachen ließ gerade die Betäubung nach und auch die Bauchschmerzen waren immer noch da. „Ich hatte gerade eine Magenspiegelung-sie sagen ich habe da lauter Geschwüre!“ teilte er dann seinem betroffenen Freund mit, der sich einen Stuhl näher gezogen hatte und jetzt vor dem Bett seines Freundes Platz nahm und seine warme Hand auf die eiskalte seines Freundes legte. „Ach du liebe Güte!“ erwiderte Semir darauf und Ben schloss seine Augen nun wieder-erstens um das Midazolam noch ein wenig auszuschlafen und dann auch, um die Nähe und tröstliche Fürsorge seines besten Freundes zu genießen-gleich ging es ihm durch Semir´s Anwesenheit ein wenig besser!

    Ach du lieber Himmel-heute läuft aber alles schief!
    Veikko weigert sich in der Klinik zu bleiben, obwohl es ihn ganz schön erwischt hat, Hugo schweigt sich beim Verhör aus, wo Eva und Ben stecken und nun nimmt Hugo´s Komplize auch noch Veikko, der sich gerade eben so auf den Beinen halten kann, noch als Geisel!
    Du lieber Himmel, wie soll das denn enden? Lassen sie Hugo frei, ist vielleicht Veikko gerettet, aber Eva und Ben sind deshalb noch lange nicht gefunden! Wenn sie aber Hugo in Haft lassen, wird das Veikko vermutlich mit dem Leben bezahlen-was für eine Sch...Situation!

    Tja das mit dem Essen auf Normalstation! Nachdem wir Pflegekräfte ja relativ teuer für ein Krankenhaus sind, werden fast überall Tätigkeiten wie Essenstabletts austeilen und einsammeln, Schränke auffüllen, Botengänge machen etc. outgesourced, also an Hilfskräfte delegiert. Die Pflegekräfte müssen zwar durchaus die Mahlzeiten herrichten oder eingeben, wenn jemand dazu nicht in der Lage ist, aber bei einem halbwegs mobilen Patienten stellen die das Tablett ab und nach einer Weile wird das wieder eingesammelt, ohne dass da jemand den Deckel lüpft und drunter sieht. So könnte jemand in einen Hungerstreik treten, ohne dass das bemerkt wird, außer man sieht es am Labor und forscht dann nach.

    Als die Frühdienstschwestern ins Zimmer kamen, sagte die zuständige Bereichsschwester fröhlich: „So Herr Jäger, wenn sie möchten klebe ich ihnen jetzt Duschpflaster auf die OP-Wunden und helfe ihnen beim Duschen!“ denn von Sarah war ja weit und breit nichts zu sehen, aber dazu brauchten sie ja auch keine Angehörigen. Als Antwort kam nur ein Stöhnen unter der Decke hervor, aus der ein dunkler, verstrubbelter Haarschopf hervor ragte. „Herr Jäger, was ist mit ihnen?“ fragte die junge Schwester erschrocken und zog die Decke zur Seite. Ben hatte die eigentlich von innen festhalten wollen, aber er hatte keine Kraft dazu, denn er musste seine beiden Hände-die im Verband und auch die andere, fest auf seinen Bauch drücken, in der Hoffnung so den Schmerz, der scharf wie ein Schwert in ihm tobte, zu begegnen. Zu allem Übel wurde ihm gerade noch kotzschlecht und als die Schwester, die soeben ihre Kollegin losgeschickt hatte, den diensthabenden Arzt zu verständigen, das Würgen hörte, schaffte sie es gerade noch ihm eine Brechschale aus Pappmache vorzuhalten, als sich schon eine Menge scharfer Magensaft, durchsetzt mit Blutfäden den Weg nach draußen suchte. Ben erbrach sich wieder und wieder, zugleich hatte er das Gefühl, ihm schnitte jemand den Bauch entzwei und gerade war es ihm schnurzpiepegal wer ihn anfasste, ob Mann oder Frau.

    Kurze Zeit später stand der diensthabende Arzt vor ihm und besah sich den Inhalt der Brechschale, die dann flugs durch eine neue ersetzt wurde. „Herr Jäger, wie lange geht das schon so?“ fragte er ihn, aber vor lauter Würgen konnte Ben, dem der kalte Schweiß ausgebrochen war, gerade nichts antworten. Irgendwie zog man ihm den Gilchristverband aus, damit der Arzt überhaupt den Bauch betasten konnte, aber Gott sei Dank hielt sich die Abwehrspannung dort noch in Grenzen. Man hatte seinen Blutdruck und die Herzfrequenz kontrolliert, beide waren erhöht, aber das war oft so, wenn die Leute Schmerzen hatten und brechen mussten. „Bitte sofort eine Ampulle Pantozol 40mg auflösen und eine Vollelektrolytlösung vorbereiten!“ ordnete der Arzt an und spritzte wenig später Ben das Medikament. Als die Infusion schnell in ihn tropfte und man der dann auch noch Novalgin zugab, das die Schmerzen ein wenig linderte, wurde es ein wenig leichter.

    Der Arzt hatte inzwischen in der Endoskopieabteilung angerufen und den diensthabenden Gastroenterologen, der gerade seine Schicht begonnen hatte, ans Telefon holen lassen. „Du ich hätte eine Bitte-ich habe hier einen Patienten, den Herrn Jäger, der eigentlich wegen multipler chirurgischer Verletzungen bei uns liegt. Der hat starke Magenschmerzen und erbricht leicht blutig, könntest du dir den mal anschauen, damit wir nichts übersehen?“ bat er und der spezialisierte Internist bat nach kurzer Überlegung und Rücksprache mit der Endoskopieschwester, ihn doch sofort her zu bringen. „Ich denke wir schauen da vorsichtshalber mal rein, Blutfäden sind immer ein Alarmsignal, nicht dass doch schon etwas perforiert ist!“ hatte er überlegt und so war Minuten später Ben in seinem Bett auf dem Weg in die Endoskopieabteilung. Ihm ging es schon ein wenig besser, aber trotzdem bat man ihn auf den Untersuchungstisch rüber zu rutschen, steckte ihm einen Sättigungsfühler auf den Finger und wenig später wurde ihm schwindlig und er bekam nur noch am Rande mit, wie man ihm einen Beißring in den Mund schob, das Zimmer verdunkelte und der Arzt ihm ein Endoskop in den Rachen schob. Ohne lange zu fackeln hatte sich der Internist die letzten Laborwerte angesehen, es sprach nichts gegen eine Sedierung und so hatte er ihm ein paar Milligramm Midazolam gespritzt, was aus Ben eine willenlose Puppe machte, die zu keiner Abwehr fähig war. Er wurde nicht so ausgeknockt, dass er gar nichts mehr mitbekam, denn man wollte ja auch seine Atmung und die Schutzreflexe nicht dämpfen und so bekam er zwar mit, wie das Instrument in seinen Hals geschoben wurde, musste gleichwohl auch würgen, aber es war ihm egal und seine Welt erschien ihm wie in eine dicke Schicht Watte gepackt.

    Als der Internist das Instrument weiter vorschob, konnte man auf dem Videoschirm die rot entzündete Speiseröhrenschleimhaut sehen und der ganze Magen war eine einzige knallrote Wunde mit vereinzelten Kratern. „Oh je-er muss nicht erst seit gestern ziemliche Schmerzen gehabt haben, warum hat er denn nichts gesagt?“ wunderte sich der Internist, während er einige Fotos machte, genau kontrollierte, ob bereits eine Perforation vorlag, was aber nicht so schien und dann sein Instrument wieder heraus zog. Man beförderte Ben auf einem Rollbrett wieder ins Bett, spritzte ihm nochmals Pantozol, um die Produktion der Magensäure zu hemmen, ließ ihn auf der Seite liegen, das dicke Kopfkissen im Rücken und unter dem Kopf ein Einmaltuch, denn manche Patienten sabberten noch eine Weile, bis sie ganz wach waren und stellte ihn mit dem Sättigungsfühler am Finger, gut zugedeckt in den Nebenraum, damit er dort unter Überwachung wieder zu sich kommen konnte. Der Internist informierte noch kurz seinen Chirurgenkollegen, der für Ben zuständig war, während die Endoskopieschwester schon den nächsten Patienten auflegte. Das würde den ganzen Vormittag gehen wie am Fließband, bis zur Mittagsbesprechung würde der Gastroenterologe mindestens 15 einbestellte Patienten untersucht haben, denn für eine Magenspiegelung musste man nüchtern sein, weswegen man die geplanten Untersuchungen als Patientenservice meist am Vormittag durchführte.

    „Ich habe gerade deinen Patienten gespiegelt, er hat eine heftige Refluxösophagitis und eine flächige Gastritis mit mehreren Geschwürkratern, allerdings sieht es noch nicht so aus, als wäre da bereits was perforiert. Ich habe auch noch auf seinen Bauch gefasst, er hat kaum Abwehrspannung, vermutlich haben wir es also noch rechtzeitig erwischt. Du hast gleich richtig reagiert, indem du ihm sofort Pantozol gegeben hast, ich würde sagen, er bekommt jetzt für drei Tage dreimal täglich 40mg, damit das abheilen kann, dazu bitte darauf achten, dass er möglichst oft milde Sachen, am besten Schleimsuppen und Weissbrot zum Puffern isst und Medikamente, vor allem Schmerzmittel, am besten intravenös, um den chemischen Reiz zu vermeiden. In drei Tagen schaue ich nochmals rein und wenn es dann gut ist, kann man das Pantozol für zwei Monate in Tablettenform ein oder zweimal täglich geben. Er bleibt jetzt noch ein wenig bei uns, bis er ganz wach ist und dann rufen wir an, wenn ihr ihn abholen könnt!“ sagte er und erleichtert nahm der Chirurg zur Kenntnis, dass sie noch rechtzeitig reagiert hatten. Allerdings wunderte er sich-erstens dass sich Herr Jäger nicht eher gerührt und von seinen Schmerzen berichtet hatte, denn solch ein Befund erwuchs sich nicht in einem Tag und zweitens, dass die Nahrung, die ja im Magen als Puffer diente, eine derart ausgeprägte Geschwürsentwicklung nicht verhindert hatte. Aber es gab mehr Dinge zwischen Himmel und Erde und gerade bei Magengeschwüren war die psychische Komponente ebenfalls nicht zu vernachlässigen. Sein Patient hatte die letzten Wochen ja so einiges mitgemacht und vermutlich spielte das ebenfalls mit rein.

    Nach kurzer Überlegung griff er dann auch, nach einem Blick auf die Uhr-es war inzwischen halb acht geworden-zum Telefon, um die Ehefrau, die ja Krankenschwester war, zu verständigen. Als er dann allerdings auf die Akte sah, um nach der Telefonnummer zu kucken, entdeckte er den Vermerk: „Auskunftssperre, auch für die Ehefrau!“ und steckte daraufhin achselzuckend sein Telefon wieder weg. Merkwürdig, aber wenn der Patient das so entschieden hatte, war das natürlich auch für ihn bindend und so stillte eine ahnungslose Sarah derweil Mia-Sophie und gab parallel dazu Tim in seinem Hochstuhl sein Frühstück. Bisher hatte sie noch gar keinen Plan für den Tag, aber sie würde auf jeden Fall versuchen noch einmal mit Ben zu sprechen, wenn er es denn zuließ. Mit traurigem Gesichtsausdruck und einem Herz schwer wie Blei räumte sie dann ein wenig zusammen, die Kinder, die Mamas trübe Stimmung natürlich bemerkten waren beide quengelig und Sarah hatte plötzlich eine Heidenangst vor der Zukunft und sah sich schon mit zwei kleinen Kindern alleine da stehen. Wobei-eines war klar, auch wenn Ben sie persönlich nicht mehr wollte-an seinen Kindern hing er und würde für die auch sorgen, aber sie liebte ihn doch noch so unendlich, was war nur in ihn gefahren, dass er sich plötzlich von ihr abwandte-ob da eine andere Frau, vielleicht sogar eine ihrer Kolleginnen auf der Normalstation dafür verantwortlich war? Aber das würde sie herausfinden-sie würde ihn nicht kampflos aufgeben, beschloss Sarah und als sie aus dem Fenster sah und ein wundervolles Morgenrot, das bei diesem Wetter Schnee verhieß aufzog, straffte sie die Schultern-sie würde um ihren Mann kämpfen, egal gegen wen und das war ein gutes Gefühl!

    Hui-da ist aber so einiges passiert, während ich im Krankenhaus war!
    Mikael ist erwacht, aber leider hat Hugo zuvor schon Eva und Ben erwischt und als Geiseln genommen. Ben, der gerade seine Rauchgasvergiftung überstanden hat, wird erneut verletzt und Eva und er kämpfen in dem kalten Kellerloch ums Überleben, während Hugo und sein Helfer ihren Rachefeldzug gegen die Drogenbarone fortsetzen.
    Froh bin ich, dass sofort Semir wieder herbeordert wird, um die finnischen Kollegen bei der Suche nach Eva und Ben zu unterstützen, aber Veikko findet sozusagen im Alleingang heraus, dass Hugo einen Komplizen hat, den sie nun zu ermitteln versuchen. Aber zuvor erschüttert eine erneute Bombendetonation einen kleinen Park und beinahe gelingt es Veikko, Hugo einzuholen, bevor er selber von einem Auto erfasst wird-ach du liebe Güte-der nächste Verletzte! ;(
    Semir schafft es Gott sei Dank dann den skrupellosen Hugo zu überwältigen-ja rennen kann unser kleiner Deutschtürke, das wissen wir- aber ich habe ebenfalls die Befürchtung, dass dessen Komplize genauso skrupellos ist, wie Hugo, der neben vielen anderen sogar die kleine Krankenschwester gekillt hat =O .
    Mikael wird derweil medikamentös ausgeknockt, aber in seinem Zustand wäre er sicher keine allzu große Hilfe, also befürworte ich das! Hoffentlich gelingt es den finnischen Ermittlern aus Hugo heraus zu bekommen, wo Eva und Ben versteckt sind, denn sonst sehe ich schwarz für deren Leben, vor allem nach der erneuten Verletzung Ben´s, der vermutlich nicht mehr lange durchhält! Spannend!