Beiträge von susan

    Nein, nein-Andrea ist Polizistenfrau und hat langjährig in der Past gearbeitet-die hat sozusagen ein absolutes Gehör, was Schüsse betrifft! Wir hätten vielleicht gedacht-na klar, ein Schuss, aber Andrea konnte vermutlich noch die Waffen identifizieren, aus denen die abgefeuert wurden! ;)

    Also ich werde erst mal abwarten-denn ich wurde schon öfters positiv, aber auch negativ überrascht.
    Und ehrlich gesagt-jeder will immer was Neues-aber dass Semir´s Partner was mit seiner Tochter hat, hatten wir noch nie!
    Und dass in der Serie Paul sehr potent ist, kann man nicht leugnen ;) .

    Bravo Ben-mal wieder hat dich ein Ganove unterschätzt und das mit seinem Leben bezahlt!
    Allerdings mache ich mir große Sorgen um unseren Lieblingspolizisten. So schwer wie der verletzt ist, wird das höchste Zeit, dass er in ein ordentliches Krankenhaus kommt-wie gesagt, sein Bett ist reserviert!
    Und immer noch muss man auch Angst haben, dass Gabriela schneller ist, als die Helfer. Außerdem müssen ja Andrea und Ayda auch erst einmal aus dem Nirgendwo ins Irgendwo kommen, um Hilfe zu organisieren. Ich hoffe auch mit Trauerkloß, dass es nur eine gnädige Ohnmacht ist, die ihn heimsucht, denn sonst... ;(

    Wie befohlen ging Semir auf die Personaltoilette, zog sich erst sein blutiges Shirt aus, dann das blaue Pflegeroberteil an, das ihm Schwester Anita überreicht hatte und wusch sich Gesicht und Hände. Die Spritzer auf der Lederjacke konnte er auch entfernen, nur seine Jeans war nicht ganz sauber zu kriegen, aber die größte Schweinerei konnte er immerhin beseitigen. Er spritzte sich nochmals Wasser mit beiden Händen ins Gesicht, sparte auch die kurz geschorenen Haare nicht aus und als er sich dann abgetrocknet hatte, stützte er sich auf dem Waschbecken ab und sah in den Spiegel. „Ben mein Freund-es muss jetzt einfach langsam aufwärts gehen mit dir-so viel Aufregung halte ich in meinem Alter nicht mehr die ganze Zeit aus!“, sagte er mehr zu sich selber, bevor er die Türe aufsperrte, sein Shirt in der Plastiktüte verstaute, die ihm die erfahrene Schwester mitgegeben hatte und ins Einzelzimmer zurück kehrte.

    Dort war inzwischen ein junger Arzt eingetroffen, der zwar versuchte ruhig zu bleiben, dem man aber die Aufregung durchaus ansah. Er hatte bisher erst wenige Male unter der Aufsicht eines erfahrenen Oberarztes eine Arterie und einen ZVK gelegt-heute sollte er es das erste Mal alleine probieren. Der Eingriffswagen stand ebenfalls bereit und nun wollte der Arzt Semir weg schicken. „Was fällt ihnen ein, einfach ohne Anmeldung hier herein zu platzen!“, herrschte er den kleinen Türken an, aber noch bevor der etwas erwidern konnte, hatte sich Anita zwischen ihm und dem Doktor aufgebaut. „Herr Gerkhan ist nicht herein geplatzt, sondern der war sozusagen die ganze Zeit da-er hat sich nur kurz frisch gemacht. Wenn er nicht wäre, würde Herr Jäger vermutlich jetzt keinen ZVK und keine neue Arterie mehr brauchen, denn wenn er in seinem verwirrten Zustand nach der Sedierung, die meines Wissens sowieso nicht so stark sein sollte, die Schläuche, die ihn mit dem Herzunterstützungssystem verbinden, heraus gerissen hätte, wäre er wohl nicht mehr am Leben. Also mäßigen sie sich und falls Herr Jäger seinen Freund zur Unterstützung dabei haben möchte, steht da auch nichts dagegen!“, sagte sie mit Autorität in der Stimme und schenkte dabei den beiden Freunden ein warmes und fast ein bisschen verschwörerisches Lächeln.

    Der Arzt brummte irgendetwas Unverständliches, zog es aber vor, sich nicht mit Anita anzulegen-dieser Schuss konnte, wie er aus Erzählungen wusste, ordentlich nach hinten los gehen. Erfahrene Schwestern konnten einem jungen Arzt einerseits manchmal den Hals retten, wenn der im Dienst den Überblick verlor, weil es so zuging und andererseits das Leben zur Hölle machen. Jeder Assistenzarzt erfuhr das von seinem einarbeitenden Kollegen an seinem ersten Tag auf einer Intensivstation, wenn er genauso heillos überfordert war wie jeder andere. Die alten Hasen, die ihre Ruhe haben wollten hielten sich an die Pflege, stellten sich gut mit der und hatten wenig Probleme, weil ihnen zugearbeitet wurde, man sie auf Versäumnisse und Fehler hinwies und Verbesserungsvorschläge gab-die man ja auch nicht unbedingt ausführen musste, aber zumindest freundlich zur Kenntnis nehmen konnte. Wer allerdings die Pflege überging musste sehr gut und schnell sein, um alle Patienten gleichzeitig im Auge zu behalten und jederzeit auch unter extremen Bedingungen den Überblick bewahren, um keinen Fehler zu machen. Aber manche Ärzte mussten das schmerzhaft lernen, während andere mit einer netten Art da nie Probleme hatten. Dieser noch recht neue Arzt war nicht unnett, aber manchmal doch etwas hochmütig und von sich eingenommen. So aufgeregt und unsicher er gerade auch war-er würde das nie offen zugeben und ehrlich gesagt, hätte er lieber weniger Zeugen gehabt, falls etwas nicht so gut klappte. Aber er hatte Anita´s Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und murrte jetzt nicht mehr, weil dieser kleine Türke, der rätselhafterweise über der Jeans ein Pflegeroberteil trug, wie der Arzt erst jetzt bemerkte, dabei bleiben wollte. Der sollte nur nicht umkippen, denn dann hätte man wesentlich mehr Arbeit mit ihm als gewünscht!

    „Ich möchte zunächst die Arterie legen, Schwester!“, sagte er deshalb an und Anita nickte. Das war in Ordnung und während der Doktor nun an Ben´s beiden Unterarmen nach dem Radialispuls tastete und sich dann für die rechte Seite entschied, hatte sie schon die dafür benötigten Dinge routiniert aus dem Eingriffswagen genommen. Wie viele tausend Male in ihrem Leben sie schon beim Legen einer Arterie oder eines zentralen Venenkatheters assistiert hatte, konnte sie nicht mehr sagen. Nur wenn so ein junger Arzt sich bemühte, das Gefäß zu treffen, war sie so manches Mal versucht, ihm die Nadel einfach aus der Hand zu nehmen. Sie kannte nämlich noch die Zeiten, als man keine dauerhaft liegenden Arteriensysteme benutzte, die ja gleichzeitig die Möglichkeit der kontinuierlichen Blutdruckmessung und der Entnahme von Blutgasen boten, sondern früher war der Blutdruck immer nichtinvasiv mit einer Manschette gemessen worden und die Pflege entnahm-gerade bei beatmeten und kritischen Patienten- mehrmals pro Schicht arterielle Blutgase und hatte deshalb mehr Routine im Punktieren einer Arterie als diese ganzen jungen Ärztegreenhorns. Aber jeder hatte mal angefangen und so würde sie jetzt einfach hoffen, dass er sich nicht blöd anstellte und ihren Lieblingspatienten quälte.

    Nachdem der Arzt sich für einen Arm entschieden hatte, lagerte er, wie man es ihm gezeigt hatte, den so mit einer kleinen Rolle unter dem Handgelenk, dass der Daumen nach oben zeigte und das Handgelenk leicht überstreckt war. Unter den Arm hatte er zuvor eine Einmalunterlage gelegt, denn beim Punktieren eines arteriellen Zugangs konnte es immer bluten. Und eine Schweinerei die ein Arzt verursachte, wurde streng mit einer Kuchenlieferung an die Pflege geahndet. Dann zog der Doktor rasch Haube und Mundschutz an, desinfizierte sich am Desinfektionsmittelspender mehrfach die Hände, schlüpfte dann in den Kittel, den Anita anreichte und zog sich die sterilen Handschuhe an.
    Ben beobachtet misstrauisch das Tun des Arztes, aber weil Semir ihn beruhigend anlächelte, auch Anita ganz locker war und der Arzt jetzt konzentriert seine Arbeit machte, hielt sich dann doch seine Aufregung in Grenzen-und tatsächlich-der Doktor desinfizierte, deckte ab, nahm die Punktionsnadel zur Hand und nach einem einzigen gezielten Pieks, der durchaus auszuhalten war, tropfte hellrotes Blut im Rhythmus von Ben´s Herzschlag aus der Kanüle. „Bravo!“, sagte Anita und auch der Seldingerdraht ließ sich vorschieben. Dann wurde die Kanüle entfernt und der arterielle Zugang aus Kunststoff, der in Ben liegen bleiben würde, über den dünnen Draht aufgefädelt, den man dann wieder heraus zog. Schnell spülte der Doktor den Schlauch mit steriler Kochsalzlösung aus einer Spritze, verschloss die Schiebeklemme, wischte alles Blut auf Ben´s Haut mit sterilen Kompressen ab und verklebte dann gemeinsam mit Anita die Arterie nach Standard. Die Schwester schloss das inzwischen von ihr vorbereitete und mit dem Monitor verbundene und genullte Arteriensystem an und entnahm gleich eine Blutprobe, während der Arzt alle spitzen Dinge in den Spritzenabwurf entsorgte und den Rest seines Arbeitsmaterials wegwarf. Anita entfernt noch das grüne Tuch und den Bettschutz und sagte: „Na das ging aber gut-sehen sie Herr Jäger, den ersten Eingriff haben sie schon hinter sich. War´s schlimm?“, fragte sie freundlich, aber Ben schüttelte den Kopf. Da hatte er in den letzten Tagen wahrlich Schlimmeres ausgehalten!

    Milena war inzwischen in ihrer Heimat eingetroffen. Mit dem Bus fuhr sie zu ihrer kleinen Wohnung, in der die Luft schal und abgestanden roch, obwohl sie doch gar nicht so lange weg gewesen war. Ihre Hand schmerzte und es war ganz schön mühsam gewesen, den schweren Koffer die Treppe herauf zu tragen, denn wie immer hatte sie ja viel zu viel mitgenommen. Ihre Hand tat unangenehm weh und so nahm sie erst einmal eine Schmerztablette, um dann den Computer hoch zu fahren, bevor sie damit begann den Koffer auszupacken und eine Verlustliste zu schreiben.
    Als sie auf die Autorenseite ging, war da eine PN vom Forenbetreiber, der sie aufforderte, zu Vorwürfen, die ein anderes Mitglied, dessen Namen er nicht nannte, ihm mitgeteilt habe, Stellung zu nehmen. Er hatte auch noch bemerkt, dass er die betreffenden Posts bereits nachgelesen habe, ihm bekannt war, dass Elisa und sie einen Doppelaccount betrieben, der nur zu einem Zweck angelegt worden war, nämlich bestimmte Personen, besonders Sarah zu beleidigen und er jetzt wissen wollte, was sie dazu zu sagen habe. Nach kurzer Überlegung schrieb sich Milena ihre ganze Wut von der Seele, was darin gipfelte, dass sie Elisa anschwärzte und dann auch noch kund tat, dass der Typ, der alles aufgedeckt hatte, nun tot und daran selber schuld war. Ihr war zwar schon irgendwie bewusst, dass das eine sehr persönliche Auslegung der Sache war, aber sie wollte mit diesen ganzen Dingen und dem blöden Forum sowieso nichts mehr zu tun haben-und was konnte sie dazu, dass der Mann ihrer Feindin Polizist war und da ein Verbrecher ohne ihrer aller Wissen mitgemischt hatte? Sie war sich keiner Schuld bewusst und so löschte sie dann den Doppelaccount und ihren eigenen und ging danach zufrieden schlafen.

    Als der Forenbetreiber wenig später die Antwort las, blieb ihm beinahe der Mund offen stehen, aber er wohnte auch in Köln, hatte von den Morden und der Beinahe-Gasexplosion gehört, ein wenig in Sarah´s Geschichte rein gelesen und begann so langsam eins und eins zusammen zu zählen. Um Himmels Willen-hier war etwas Schreckliches geschehen, aber wie konnte nur eine Frau so mitleidlos sein? Seit Tagen versuchte er vergeblich Felix zu erreichen, aber so langsam wurde ihm bewusst, dass das wohl der Tote war von dem Milena soeben erzählt hatte. Oh Gott-natürlich würde er auch mit Elisa Miller noch Kontakt aufnehmen, aber es bemächtigten sich seiner große Schuldgefühle. Völlig unbeabsichtigt war sein Forum zu einer Plattform für ein schreckliches Verbrechen geworden, aber indem Milena nun selber ihre Accounts gelöscht hatte, konnte er gegen sie keine Strafe mehr verhängen. Nie im Leben hätte er sich träumen lassen, dass es auf seiner Plattform eines gab, nämlich tödliche Storys!

    Wenn ich so höre, was die Mitschüler mit den drei Einzelgängern angestellt haben, habe ich den Hauch von Verständnis dafür, dass da ein großes Rachebedürfnis besteht. Allerdings haben bis zu diesem Zeitpunkt wohl schon viele versagt, darunter eben vor allem Lehrer. So ein Mobbing und tätliche Angriffe auf schwächere Schüler dürfen an einer ordentlich geführten Schule eigentlich nicht vorkommen. Da sollten idealerweise die gemobbten Schüler sich vertrauensvoll an die Erzieher wenden können und dann sollten die Täter zur Rechenschaft gezogen und mit Strafen die weh tun, wie vorrübergehender Ausschluss aus der Handballmannschaft für Kai oder ähnliche sinnvolle Maßnahmen greifen.
    Hier ist so einiges schief gelaufen, aber dennoch gibt es den Jungs nicht das Recht zur Selbstjustiz. Und jetzt sind sie außer einem bereits zu Mördern geworden-die kennen keine Skrupel mehr und vermutlich haben sie sowieso selber nicht vor, das Ganze zu überleben. Eine brandgefährliche Situation also und die Lehrer haben hier nur in weiteres Mal versagt.
    Ob ich Kevin´s Verhalten gut finden soll-ich weiss nicht, aber es wird sich erst im Nachhinein heraus stellen, was wohl gut gewesen wäre. Jetzt hat er eine Momententscheidung getroffen und wir alle wissen nicht, ob es die Richtige war.
    Aber auch mich beschäftigt eine Frage: Wo steckt Ayda :?:

    Puh jetzt ist es mir richtig kalt den Buckel runter gelaufen. Es ist erschreckend mit welcher Kaltblütigkeit Marvin die Schülerinnen und Schüler erschießt! Er war ja auch gut vorbereitet-erstens von seinen Computerspielen und zweitens hat ihn der Vater schon mit auf die Jagd genommen. Da hätte der Jäger seinem Sohn lieber Mitleid, Menschlichkeit und Güte beibringen sollen, anstatt ihm beizubringen wie man tötet!
    Aber anscheinend haben die Attentäter einen ganz speziellen Plan, wie der allerdings aussieht wissen wir noch nicht. Klar ist nur, die gehen über Leichen und kennen keine Gnade, wie sie bereits bewiesen haben.
    Was hat Kevin vor? Und wo hat er sein Handy und seine Waffe versteckt? Hoffentlich kann er weitere Gräueltaten verhindern und Hilfe holen-oder die Mörder ausschalten, bevor es weitere Opfer gibt!

    Das kann ich voll verstehen, dass Semir jetzt noch mehr verzweifelt-die einzige heiße Spur endet im Nirgendwo, denn Schneider ist tot.
    Gut-wir alle wissen, dass Gabriela und ihr Bruder Luca tatsächlich in diesen Fall verwickelt sind-aber wie heiß die Spur tatsächlich ist, kann Semir ja nicht ahnen!
    Aida gefällt mir. Die sagt ihrer Mutter Bescheid und tut gemeinsam mit ihr das einzig Richtige-nämlich Hilfe für Ben holen! Hoffentlich sind die beiden bald an der Straße und es hält dann auch jemand an, der dann sofort die Rettung verständigen kann. Denn ich befürchte bei Ben geht es um jede Minute! Und hey-ich kann das Bett bei uns nicht unbegrenzt frei halten, also mach hinne Mikel ;) .

    Der Arzt legte rasch einen Zugang an Ben´s Unterarm, damit man wenigstens die allerwichtigsten Medikamente verabreichen konnte, man warf schnell ein Laken über den blutigen Patienten, bat die Putzfrau den Boden zu wischen, der lauter blutige Fußabdrücke aufwies und nach einem Blick auf die Uhr stellte Anita fest: „So Herr Gerkhan-wir lassen sie jetzt kurz mit ihrem Freund alleine und machen Übergabe, danach werde ich die Schweinerei hier beseitigen und dann müssen wir sie leider wieder verkabeln, Herr Jäger!“, beschrieb sie, was in nächster Zeit auf den jungen Polizisten zukommen würde. Jeder der den Raum verließ, reinigte und desinfizierte seine Schuhsohlen mit den überall herum stehenden, fertigen Flächendesinfektionsmitteltüchern, benutzte danach den Desinfektionsmittelspender an der Schiebetür und kurze Zeit später waren die Freunde alleine.

    Ben hatte eine Sauerstoffbrille in der Nase, die Stellen, wo er etwas heraus gerissen hatte, waren mit dicken sterilen Kompressenpacks provisorisch verbunden und man hatte das Bettkopfteil wieder ein kleines bisschen höher gestellt. Allerdings waren nach wie vor seine Extremitäten fest gebunden, aber im Moment war er einfach zu erschöpft und fertig, als dass ihn das maßgeblich gestört hätte. So ganz fit im Kopf war er immer noch nicht, die letzten Reste des Beruhigungsmittels benebelten sein Hirn, aber eines war ihm klar geworden-er war weder auf der Flucht, noch wollten ihn Verbrecher foltern, aber seine ganz spezielle Situation verbesserte sich dadurch kein bisschen-es war egal, ob einem ein Taser oder ein implantierter Defi einen Stromschlag verpasste-es tat immer gleich weh!
    Semir, dessen Shirt, Hände und Gesicht immer noch Blutspuren aufwiesen-Ben´s Blut- hatte sich einen Stuhl näher gezogen und so neben ihm Platz genommen, dass der Jüngere sein Gesicht sehen konnte. Er wollte nach der Hand seines Freundes greifen, aber dann verharrte er einen Moment, bevor er dann doch entschlossen zupackte. Sein Instinkt hatte ihn gerade gewarnt: „Vorsicht, nicht anfassen-das kann sehr weh tun“, wie Rinder oder Pferde eben einen Heidenrespekt vor einem Weidezaun hatten, wenn sie kurz zuvor einen Stromschlag erhalten hatten. Aber dann rief Semir sich sozusagen selber innerlich zur Ordnung. Es war ihm nichts passiert und ihm war vorhin erklärt worden, dass der elektrische Impuls zwar unangenehm und schmerzhaft für ihn gewesen war, aber keinerlei Gefahr darstellte. „Die Spannung ist viel zu schwach, als dass sie anderswo als genau vor Ort im Herzen des Patienten etwas bewirkt!“, hatte der Arzt zu ihm gesagt, aber nun hatte er am eigenen Leib erfahren, was Ben mehrmals täglich durchstehen musste und er erschauerte, wenn er nur daran dachte, was sein Partner aktuell mitmachte. Außerdem würde im Normalfall ja der Monitor vorher Alarm schlagen und dann hatte er noch Zeit genug, Ben los zu lassen. Und so hielt er mit seiner warmen Hand die seines Freundes, die nach den durch gestandenen Strapazen ganz kalt war und nach einer Weile schloss der getröstet die Augen. Es tat gut, nicht alleine zu sein.

    Anita hatte nach der allgemeinen Übergabe im Stationszimmer erst ihre beiden anderen Patienten am Bett übernommen. Bei Ben waren sie ja gerade gewesen, da machten sie und die übergebende Schwester anhand der Patientenkurve draußen Übergabe, um ihm noch ein wenig Zeit zum Erholen zu lassen. Der Stationsarzt hatte bestimmt, dass ein junger Kollege den neuen ZVK und den frischen arteriellen Zugang zu Übungszwecken legen sollte. Den Blasenkatheter würde Schwester Anita erneuern und ihren jungen Patienten auch von dem ganzen Blut befreien und das Bett beziehen, aber zuvor sollte sie vielleicht noch kurz Sarah Bescheid sagen. Sie hatte der versprochen, ihr alles mit zu teilen und es war ja Gott sei Dank auch gut ausgegangen. Allerdings erreichte sie sie weder auf dem Handy noch auf dem Festnetztelefon und so legte sie schulterzuckend den Hörer wieder auf.

    „Mir ist gerade eingefallen-hoffentlich waren der ZVK und die Drainage vollständig-nicht dass wir da noch Reste davon aus ihm rausholen müssten-gerade beim ZVK wäre das extrem unangenehm und gefährlich!“, hatte es gerade den jungen Arzt wie ein Blitz durchzuckt und er sah sich schon seinen Patienten von oben bis unten durch röntgen, um zunächst die abgerissenen Teile zu suchen und dann je nach Lokalisation eine Strategie zur Entfernung zu finden. Beim ZVK würde das auf einen erneuten Herzkatheter herauslaufen und im Bauch eventuell auf eine Laparotomie, was auch wegen der damit verbundenen Transporte und Narkose wieder sehr gefährlich für den Patienten werden konnte, aber Anita konnte den Arzt beruhigen. „Das war das Erste, was ich nachgeschaut habe, bevor ich die Infusionen und den anderen Kladderadatsch in den Müll geworfen habe. Er hat ganze Arbeit geleistet und den Zentralen, die Arterie und auch die Drainage komplett mitsamt Annaht entfernt. Das blutet jetzt zwar ein bisschen mehr, aber besser so als anders!“, teilte sie dem Doktor mit und schüttelte innerlich den Kopf. Wenn dem das jetzt erst einfiel, wo der Müllsack mit den ganzen blutigen Dingen vielleicht bereits entsorgt war, war er ja früh dran. Sowas lernte eine Schwesternschülerin im ersten Jahr und weder sie noch vermutlich der Arzt hatten Lust, den blutigen Inhalt eines Müllsacks in Schutzkleidung auf einem Tuch am Boden auszubreiten, um nach diesen Dingen zu fahnden. Gerade im OP kam sowas trotz aller Vorsichtsmaßnahmen gelegentlich vor, wenn die OP-Schwester noch vor dem Verschluss des Bauches oder Brustkorbs eine Klemme oder ein Bauchtuch vermisste und man dann intensiv danach suchte, aber das wurde eigentlich immer irgendwo gefunden und sie persönlich hatte es noch nie erlebt, dass das dann im Patienten war.

    Allerdings, erinnerte sie sich zurück, hatten sich Ben und Sarah vor etwa fünf oder sechs Jahren genau wegen so eines Zwischenfalls hier auf der Station kennen gelernt, als bei Ben das abgerissene oder abgeschnittene Ende eines ZVK mittels Herzkatheter entfernt worden war. Aber das war auch das einzige Mal gewesen, wo so eine Sache noch einen positiven Effekt gehabt hatte. „Sie müssen sich keine Sorgen machen, in diesem Fall ist das folgenlos abgelaufen, aber merken sie es sich fürs nächste Mal, da sofort nach zu schauen-sowas liegt auch in der ärztlichen Verantwortung!“, bekam der Arzt sozusagen durch die Blume noch eine kleine Rüge, aber von Schwester Anita konnte er sie annehmen, die ritt da nicht darauf herum und er wusste jetzt genau-in Zukunft würde er daran denken!

    Sarah war nach einem wundervollen Spaziergang bei strahlendem Sonnenschein mit den Kindern und dem Hund wieder zurück. Tim war am Hinweg brav gelaufen, aber am Rückweg merkte man doch, dass er noch ein wenig schwach war, aber genau zu diesem Zweck hatten sie ein Mitfahrbrett am Kinderwagen montiert. Sie besaßen sowieso mehrere Kinderkarren-ein Dreirad fürs Gelände das Ben am liebsten nahm und das sie schon gleich nach Tim´s Geburt erstanden hatten. Das war sozusagen das Geländefahrzeug mit speziellen Federn und sehr wendig. Damit konnte man sich auch abseits befestigter Wege fort bewegen und Ben nahm das, um mit den Kindern bergauf und bergab joggen zu gehen. Sie allerdings bevorzugte das Fahrzeug im Retrolook, das eben eine Mitfahrgelegenheit für Tim bot und durch seine vier Räder perfekt auf befestigten Wegen zu rangieren war. Als sie den Wagen genommen hatte, der in der Remise neben dem Geländegängigen stand, hatte es ihr erneut einen Stich versetzt. Ob Ben jemals wieder kräftig genug sein würde, um den zu schieben? Aber sogar wenn das der Fall sein würde-vermutlich würde Mia-Sophie keinen Kinderwagen mehr brauchen, bis Ben wieder gesund war. Als sie dann ins Haus ging, sah sie plötzlich ihr Handy auf dem Küchentisch liegen, von dem sie angenommen hatte, es befände sich in ihrer Hosentasche und gleichzeitig bemerkte sie das Festnetztelefon blinken-oh Gott-die Nummer des Krankenhauses. Erst hörte sie die Mailbox ab, aber da war keine Nachricht drauf und dann wählte sie mit zitternden Fingern die Nummer der Intensivstation-um Himmels Willen, was war geschehen?

    Schwester Anita hatte derweil in aller Ruhe erst alles zum Katheterlegen vorbereitet und dann die komplette Infusionstherapie mit allen Leitungen, Hahnenbänken und Perfusoren frisch aufgezogen. Wenn man einen neuen ZVK legte, wurde immer ein sogenannter Systemwechsel mit gemacht, um keine Keime vom alten auf den neuen zentralen Zugang zu übertragen. Das Zubehör zum Arterienlegen befand sich im Eingriffswagen und nachdem sie mit dem Arzt ausgemacht hatte, dass der sich in etwa einer halben Stunde bereit halten würde, versorgte Anita erst ihre beiden anderen Patienten und fuhr dann den ganzen Aufbau auf einem kleinen Wagen aus Edelstahl ins Patientenzimmer. „Herr Jäger-ich möchte ihnen jetzt zunächst einen neuen Blasenkatheter legen und werde sie dann erst einmal waschen und das Bett beziehen. Danach kommt der Arzt und sie bekommen von ihm einen neuen ZVK und einen frischen arteriellen Zugang-Herr Gerkhan-würden sie bitte draußen warten?“, bat sie freundlich, aber Ben schüttelte heftig den Kopf. „Er soll dableiben!“, bestimmte er und Anita nahm das gleichmütig zur Kenntnis. Jungs genierten sich meistens weniger voreinander als Frauen und ihr sollte es Recht sein-der kleine Türke würde ihr vermutlich sogar zur Hand gehen, wie sie ihn kennen gelernt hatte.

    Kurz überlegte sie, aber dann machte sie als Erstes Ben´s Arme und Beine los. „Ich denke, sie sind inzwischen wieder wach genug, um keinen Blödsinn mehr zu machen!“, bemerkte sie und Ben sah sie dankbar an. Er hatte die Fesselung hingenommen, aber angenehm war das natürlich nicht gewesen und inzwischen waren die Medikamente in seinem Organismus, die seinen Verstand vernebelt hatten, auch ziemlich abgebaut, was allerdings auch bedeutete, dass die Schmerzen wieder gekommen waren. Zusätzlich zu den frischen Wunden, die er sich zugefügt hatte, tat sein Brustkorb von der Reanimation weh, der Bauch zwickte und sein Tiefparterre brannte wie das Höllenfeuer. „Oh Gott-muss das denn sein?“, fragte er verzagt, als Anita, die eine Plastikschürze und Einmalhandschuhe angezogen hatte, seinen Unterleib aufdeckte und ihn dort erst einmal mit ein paar Einmalwaschlappen vom Blut befreite. „Doch das muss sein, Herr Jäger-erstens müssen wir sie bilanzieren und die Nierenfunktion beobachten und das geht nur mit einer externen Harnableitung und außerdem hätten sie vermutlich massive Probleme damit, normal zu pinkeln, weil erfahrungsgemäß die Harnröhre anschwillt und ein wenig einreißt, wenn man einen geblockten Katheterballon da durchzerrt. So tuts einmal weh und dann ist Ruhe!“, bemerkte sie gleichmütig, während sie schon geschickt die sterilen Handschuhe anzog, das Steriltuch über ihn breitete und das betäubende Gleitgel in die Harnröhre einspritzte. Man merkte, dass die Schwester sowas schon tausendfach gemacht hatte und das sehr professionell und unaufgeregt erledigte. Auch wenn sie eine Frau war, genierte sich Ben kaum, allerdings tat es trotz Betäubungsgel kurz weh und er keuchte auf, als der Katheter eingeführt wurde. Semir, der die ganze Zeit das Gesicht seines Freundes beobachtet hatte, verstärkte den Druck seiner Hand und dann war es auch schon vorbei.

    Nachdem Anita die sterilen Handschuhe ausgezogen hatte, holte sie eine Waschschüssel und frische Wäsche aus dem Schrank und begann jetzt-unterstützt von Semir- das ganze Blut von ihrem Patienten abzuwaschen. Sie erneuerte auch die Verbände und die Blutungen hatten fast völlig aufgehört. „So leid es mir tut, aber das haben sie sich selber zuzuschreiben, wenn wir sie jetzt noch ein bisschen plagen müssen!“, bemerkte sie kurz, aber dann befragte sie ihn und Semir ein wenig zu ihrem Beruf und wenn Ben auch sehr schwach war, man merkte aus seinen Erzählungen, dass er mit Leib und Seele bei der Autobahnpolizei war. Als das Bett frisch bezogen war und sie die kleinen Blutspritzer am Gitter und am Nachtkästchen ebenfalls noch entdeckt und mit Desinfektionstüchern beseitigt hatte, sagte sie mit einem Lächeln zu Semir: „Der Einzige, der jetzt noch voller Blut ist sind sie-ich würde vorschlagen, ich gebe ihnen einfach ein blaues Oberteil, so wie es unsere Pfleger tragen, sie waschen sich auf der Personaltoilette und nehmen ihr blutiges Shirt zum Waschen mit nach Hause!“, befahl sie regelrecht und Semir nickte mit dem Kopf. „Widerstand ist bei ihnen sowieso zwecklos!“, sagte er dann mit einem kleinen Lächeln und die Schwester lächelte zurück. „Das sagt mein Mann auch immer!“, antwortete sie schlagfertig und Ben schloss jetzt erschöpft die Augen. Auch wenn er schon ein wenig Schiss vor dem hatte, was als Nächstes gemacht würde, aber insgesamt fühlte er sich aufgehoben und fast ein wenig zuhause-und so sollte es sein.

    Also das Bett für Ben ist reserviert-ich habe als Reservierungsgrund: "Polytrauma" im PC vermerkt-denn wenn nicht Ben, wer dann hätte diese Klassifikation verdient. Moment wie war das noch mal :whistling: -Mehrfachverletzung, wovon wenigstens eine, oder die Kombination davon zum Tode führen können. Das kann ich als Fachfrau nur unterschreiben-ich würde sagen, auch wenn es Ben vorher schon schlecht ging, aber jetzt braucht er verdammt viel Glück, um das zu überleben! Und seine Qualen sind so gut beschrieben, dass man sie beinahe selber körperlich spürt.
    Ich kann nur sagen: Andrea beeil dich, bevor es zu spät ist! ;(

    Gut-jetzt wissen wir zwar, wie Kevin an die Montessorischule gekommen ist und dass er tatsächlich völlig unschuldig ist, aber trotzdem kann ich mich nicht darüber freuen, denn soeben ist bereits der erste Mord geschehen. Oh Gott-hoffentlich ist Ayda noch heil!
    Ja Campino-wenn ich deine Schilderungen so lese, hat sich seit meiner Schulzeit dort nicht viel verändert :D Und kann das sein, dass ein gewisser Direktor an Ayda´s Gymmi fatale Ähnlichkeit mit einem engen Familienmitglied hat? ^^
    Aber ich hoffe jetzt nur, dass anhand der Indizien Semir und Ben jetzt nicht mehr Kevin irgendetwas in die Schuhe schieben wollen, sondern erkennen, dass er völlig ungewollt in den Amoklauf verwickelt wurde. Irgendwie ist er aber vermutlich eine große Chance für alle Eingeschlossenen-denn erstens ist er Polizist mit einer hervorragenden Ausbildung, zweitens bewaffnet und drittens noch ortskundig! Und zu verlieren hat er auch nichts, vermutlich wird er notfalls sein Leben für Ayda geben, denn er will sicher Semir beweisen, dass er sein Vertrauen verdient!

    Semir und das ganze Team der Past, sogar der gerade eben so genesene Hartmut arbeiten mit Hochdruck daran, eine Spur von den Vermissten zu finden. Frau Krüger signalisiert sogar, dass sie nicht auf die Einhaltung der Vorschriften beharren wird, wenn sich nur irgendetwas ergibt. Eine winzige Spur haben sie jetzt auch-aber ob das Ben noch helfen wird? Der Arme saust nun auch noch den Abhang runter und beschädigt sich vermutlich so ziemlich alles , was zuvor noch heil war-und das war eh nicht viel.
    Oh Gott-hoffentlich werden die Flüchtigen bald gefunden, sonst sehe ich schwarz für unseren dunkelhaarigen Kommissar. Und seine Schreie habe ich bis nach Nordschwaben gehört! ;(

    „Verdammt noch mal was ist los!!“, schrie Semir, als niemand ihm Antwort gab, aber Ben unter ihm sich nicht mehr regte. Eines war klar-der war im Moment keine Gefahr mehr für sich selber und Semir verstand auch gar nicht, was genau hier abging-er hatte nur seinen gesunden Menschenverstand eingeschaltet und das getan, was ihm am Vernünftigsten erschien, nämlich seinen Freund daran zu hindern aufzustehen und die restlichen Schläuche heraus zu reißen. Aber war ihm das auch gelungen? In diesem Moment bekam Semir einen Stromschlag, als wenn er an ein Weidezaungerät gefasst hätte und das ließ ihn erschrocken aufschreien und zurück zucken. Nun war ihm klar, warum Ben so panisch reagierte-das war ja furchtbar! Warmes Blut bedeckte seine Vorderseite und Hände und hatte als Leiter gedient. Der Stationsarzt der inzwischen ebenfalls ins Zimmer gehetzt war, rief ihm allerdings beruhigend zu: „Keine Angst-ihnen droht durch den Defi ihres Freundes keine Gefahr, aber bitte gehen sie jetzt zur Seite, damit wir an ihn ran können!“, was Semir dann auch machte.

    Als der türkische Polizist sich jetzt langsam von seinem Freund löste, erschauerte er. Es sah hier aus wie in einem Schlachthaus-konnte ein Mensch zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit so einen Blutverlust überstehen und was war eigentlich genau passiert? Er hatte ja schon gedacht, dass die Situation im Keller völlig aussichtslos wäre, war dort aber eines Besseren belehrt worden. Aber jetzt waren die Profis gefragt und die begannen jetzt auch, angstvoll beobachtet von dem kleinen Türken, mit ihrer Arbeit.

    Eine Schwester klebte in Windeseile frische Elektroden für die EKG-Ableitung auf Ben´s Brust, Arme und Beine und schloss die Kabel an. Das Gesicht ihres Patienten war wächsern mit einem Ton ins Graue, der Muskeltonus schlaff und während der Kardiotechniker fluchend versuchte, heraus zu finden, was der Grund für den lauten Alarmton der ECMO war, begann der Pfleger, nachdem man das Reabrett unter den jungen Mann geschoben hatte, bereits mit Herzdruckmassage. Eine weitere Schwester hatte den Notfallwagen gebracht und beatmete den jungen Polizisten nun mit der Maske, denn auf dem inzwischen wieder aussagekräftigen Monitor war zu erkennen, dass das Herz nicht richtig arbeitete, sondern nur gelegentlich einzelne Kontraktionen im Wechsel mit Kammerflimmern zu sehen waren. „Au-verdammt-jetzt hats mir auch gerade eine verbraten!“, schimpfte der Pfleger, der nun ebenfalls, trotz seiner isolierenden Handschuhe einen Stromschlag bekommen und kurz inne gehalten hatte, um aber dann unverdrossen weiter zu machen.

    Der Arzt hatte inzwischen das Laken von Ben gezogen, begutachtete nun die beiden Leisten und kontrollierte die dicken Zuleitungen zur Herz-Lungen-Maschine, aber noch steckten sie in Ben-ob sie allerdings noch im Gefäß waren, wusste im Augenblick keiner. Außen waren sie jedenfalls nicht beschädigt und als nun die Schwester, die den jungen Mann beatmete, nebenbei eine Kompresse auf seine Halsseite drückte, wo er den ZVK samt Annaht heraus gerissen hatte, man einen Druckverband auf den Unterarm machte, wo aus der Arterieneinstichstelle das Blut in Strömen gelaufen war, man am Bauch nach dem Wegwischen des Blutes den abgerissenen Verband und die ebenfalls mitsamt Annaht ausgerissene Drainage entdeckte und den Katheter noch mit prall gefülltem Blockungsballon auf dem Boden liegen sah, war klar, wo das ganze Blut herkam. Immerhin lief inzwischen ja ein niedrig dosierter Heparinperfusor, um die gefürchteten Thrombosen und Embolien während des ECMO-Betriebs zu verhindern und sorgte so für eine verstärkte Blutungsneigung. Aber warum funktionierte die ECMO nicht und warum war Ben nach seinem Ausraster kollabiert?

    Der Arzt staute einen Arm und suchte dort nach einer Vene, damit man Ben kreislaufstützende Medikamente verabreichen konnte. Bald hatte er sie gefunden, nahm zuvor noch kurz Blut aus dem nun liegenden Zugang ab, damit man wusste, wo man stand und spritzte dann sofort eine Ampulle Suprarenin-also pures Adrenalin, das Notfallmedikament schlechthin, hinein. Für einen kurzen Moment begann das Herz wieder zwar schnell, aber geregelt zu schlagen und während der Pfleger die Reanimation für den Moment einstellte, kam Ben sogar für einen Augenblick kurz zu sich und musterte mit Panik im Blick die vielen Menschen, die an ihm herum machten, ohne zu begreifen, was los war, aber dann versagte das Herz von Neuem und nun übernahm eine Schwester die Herzdruckmassage-sowas war nämlich saumäßig anstrengend und der Pfleger rang selber schon mühsam nach Atem.

    „Die ECMO zeigt Druckalarm an-ich vermute, einer der dicklumigen Katheter hat sich an der Gefäßwand angesaugt. Ich werde die Maschine zurücksetzen und einen Neustart versuchen!“, vermeldete nun der Kardiotechniker und wieder unterbrach man für einen Augenblick die Herzdruckmassage, die Kreiselpumpe versuchte sich zu drehen, aber anstatt einer geregelten Funktion, kam erneut der schrille Alarmton. Wieder drückte die Schwester-entsetzt beobachtet von dem geschockten Semir, der nur betete, dass Ben den verzweifelten Kampf um sein Leben nicht verlor- und jetzt kam Schwester Anita zur Türe herein, die schon ein wenig vor Schichtbeginn erschienen war, denn sie kam mit dem Auto zur Arbeit und plante immer einen großzügigen Zeitpuffer ein. Lieber trank man gemütlich vor Dienstbeginn eine zweite Tasse Kaffee, als zu spät zu kommen, aber auch wenn sie offiziell noch gar nicht im Dienst war, bei einer laufenden Rea konnte sie sich doch nicht den Hintern im Stationszimmer platt sitzen und außerdem hatte sie am Zentralmonitor gesehen, dass es um ihren augenblicklichen Lieblingspatienten ging.

    Mit geübtem Blick hatte sie die Situation erfasst und sogar fast automatisch die Blutmenge berechnet, die Ben wohl verloren hatte. Das war nicht dramatisch-Blut sah immer nach wesentlich mehr aus und das war vielleicht ein viertel bis maximal ein halber Liter, obwohl alle, die an dem jungen Mann arbeiteten aussahen wie Fleischer bei der Arbeit. Der Kardiotechniker war einer der Neuen, der noch nicht so viel Erfahrung hatte, der Intensivarzt, der gerade seine Arbeit machte, war zwar bereits ausgebildeter Internist, aber noch nicht lange bei ihnen und deshalb im Umgang mit der ECMO nicht geübt und ihre Kollegen reanimierten zwar professionell, warteten aber auf die Ansage der beiden Fachleute Arzt und Techniker, was sie weiter machen sollten.

    Ohne den Arzt bloß zu stellen, hatte sie schnell Handschuhe angezogen und sogar die Zeit, Semir mit einem aufmunternden Lächeln zu bedenken, der gerade schreckliche Minuten durchlebte und außerdem ebenfalls voller Blut war-aber das würde sie später herausfinden, was eigentlich geschehen war. Jetzt musste man erst die ECMO wieder zum Laufen bringen und nachdem die von ihr persönlich am meisten gefürchtete Komplikation, nämlich der Abriss der Zuleitungen nicht vorlag-das überlebten nämlich die meisten Patienten nicht- hatte sich vermutlich der Schlauch auf der venösen Seite angesaugt und konnte so kein Blut mehr aus dem Organismus entnehmen und so das Herz unterstützen, das aber durch die schwere Myokarditis im Augenblick einfach noch zu schwach war, um den Kreislauf alleine aufrecht zu erhalten. Ben lag auch ganz merkwürdig verdreht da, als wenn er um sich getreten hätte und so zog sie erst einmal seine beiden Beine gerade nach unten, stellte das Bett komplett flach und nahm alle Lagerungskissen heraus. Dann übte sie mechanisch einen leichten Zug auf den venösen Schenkel aus und forderte dann den Kardiotechniker auf: „Jetzt nochmal starten!“, und kaum hatte der das gemacht, lief die Maschine wieder.

    Alle Anwesenden wären jetzt am liebsten in lauten Jubel ausgebrochen und als nur eine Minute später der erfahrene Kardiologe ins Zimmer stürzte, der gerade den neuen Patienten versorgt und just in diesem Augenblick nicht weg gekonnt hatte, begann Ben sich bereits wieder zu regen und verwirrt um sich zu blicken. „Gehen sie zu ihrem Freund-so dass er sie sieht!“, forderte Anita jetzt Semir auf und wie in Trance trat der in Ben´s Gesichtsfeld. Ohne zu zögern machte Anita nun die beiden Hand- und Fußgelenke des jungen Polizisten fest, redete ihm dabei beruhigend zu und so langsam begann Ben zu begreifen, dass hier nicht Verbrecher um ihn herum waren, die ihn foltern wollten, sondern er sich im Krankenhaus befand und außerdem sein Freund Semir auf ihn aufpasste.

    Ben war nach seinem Ausraster und der darauf folgenden Ruhigstellung einfach eingeschlafen, ob er das wollte oder nicht-die Medikamente waren einfach stärker. Er war zwar nicht völlig weg, wie durch einen dichten Nebel vernahm er Stimmen und spürte auch Berührungen, aber es war ihm egal. Irgendwann, eine ganze Zeit später, befand er sich dann in einem unruhigen Traum. Er begann im Schlaf zu murmeln und sich ein wenig hin- und her- zu werfen, soweit es die körperliche Schwäche zuließ. Allerdings bemerkte das niemand. Die Intensivschwester, die ihn betreute, assistierte gerade bei der Notfallversorgung eines neu aufgenommenen Patienten, der Monitor zeigte keine Auffälligkeiten und so ging man davon aus, dass alles in Ordnung war.

    Ben durchlebte wirre Szenen aus seiner Vergangenheit, aber leider war keine einzige Schöne dabei, sondern es gab nur eine willkürliche Aneinanderreihung von Prügeln, Folterungen und Verfolgungsjagden-die aber immer gemeinsam hatten, dass er der Gejagte war. Sein Verstand war so vernebelt von dem Ganzen, dass er der Überzeugung war, gerade mit einem Taser gequält worden zu sein. Er stand mit freiem Oberkörper, nur mit Jeans bekleidet und die Arme über dem Kopf zusammen gebunden und an der Decke befestigt, in einem Raum und ein paar Verbrecher, die ihn geschnappt hatten, probierten aus ihm heraus zu pressen, was er wusste. Er war verprügelt worden und hatte versucht, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen, indem er flotte Sprüche abließ, dabei wütete in seinen Eingeweiden die pure Panik. Der Verbrecher kam, den Taser drohend gezückt, nun langsam auf ihn zu, um ihn erneut zu schocken und Ben wusste nur eines-er musste sich mit aller Kraft wehren und dann abhauen, denn er konnte das nicht mehr aushalten. „Hey-wenn ich mit dir fertig bin, leuchten deine Eier im Dunkeln!“, höhnte sein Entführer. Diese Schmerzen würden ihm den Verstand rauben und deshalb nahm Ben seine ganze Energie zusammen, befreite seine Hände aus den Fesseln, riss sich die Stricke, mit denen man ihn gebunden hatte, ab und trat wild um sich. Er musste weg hier-nur weg! Die Angst hatte von ihm Besitz ergriffen und setzte ungeahnte Kräfte frei. Er war in seinem Alptraum gefangen und während er die Monitorkabel abriss, den ZVK aus seinem Hals zog und der arterielle Zugang aus seinem Unterarm flutschte, begann er laut und panisch um Hilfe zu schreien.

    Auf der Intensiv hielten die Ärzte und Pflegepersonen inne. Oh je-da tickte erneut jemand aus-mal sehen, welchem Kollegen man da zu Hilfe eilen musste. Meistens sedierte man den Patienten ab, wie vorhin diesen Ben Jäger, dem leider die unglückliche Kombination von implantiertem Defi und Herzunterstützungssystem immer wieder schmerzhafte Stromstöße bei vollem Bewusstsein bescherte und der deswegen einen kleinen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, dann aber sofort eingeschlafen war. „Wer braucht was?“, rief der Intensivpfleger, während er schon den Medikamentenschrank aufriss und nach einer Ampulle Propofol griff. Das war das Beste um tobende Patienten augenblicklich schachmatt zu setzen, damit man sie dann in Narkose liegend, ordentlich fixieren konnte. In diesem Moment sah man dann auf dem Monitor an der Zentrale und auch in den anderen Patientenzimmern, wer da so schrie und den Alarm auslöste. Es war wieder der junge Polizist und wer konnte es ihm auch verdenken! „Ich kann grad nicht weg, schaut bitte mal jemand nach Herrn Jäger!“, rief seine betreuende Schwester, die steril gewaschen gerade einem der Ärzte assistierte, aber ihre Kollegen würden das schon machen-deswegen war man ja auf Intensiv ein Team.

    Der Pfleger mit der Propofolampulle und eine weitere Pflegekraft eilten in das Zimmer und trafen dort gleichzeitig mit Semir ein, der ausnahmsweise nicht geläutet hatte, weil die Schiebetür offen gestanden war und er sofort die Stimme seines Freundes erkannt hatte. „Um Himmels Willen-wenn er aufsteht, reißt er sich die Schläuche der ECMO heraus und das kann seinen sofortigen Tod durch Verbluten bedeuten!“, rief der Pfleger entsetzt und zog, ebenso wie seine Kollegin so rasch er konnte Einmalhandschuhe und eine Plastikschürze an, denn aktuell war schon der ganze Patient voller Blut und Eigenschutz ging in der Medizin immer noch vor Patientenwohl. Semir allerdings war egal, ob er mit dem Blut seines Freundes in Berührung kam. So eklig das war, aber er konnte da jedes Gefühl unterdrücken und außerdem war er sich völlig sicher, dass er sich bei seinem Partner nichts holen würde. So oft wie der schon medizinisch untersucht worden war, konnte er kein HIV, keine Hepatitis oder eine andere ansteckende und durch Blut übertragbare Krankheit haben und sogar wenn es so gewesen wäre-Semir wäre es egal gewesen! Hier ging es um das Leben seines Freundes und so warf er sich mit dem Mut der Verzweiflung auf den, packte seine beiden Handgelenke und fixierte ihn mit aller Kraft auf dem Bett. Überall war Blut, plötzlich alarmierte die ECMO, der Kardiotechniker rannte ebenfalls dazu und Ben verdrehte die Augen.
    „Oh Gott, was ist geschehen-lebt er noch?“, keuchte Semir, der plötzlich merkte, wie sein Freund, der gerade noch panisch gegen ihn gekämpft hatte, erschlaffte.

    Sarah sah auf die Uhr. In Kürze müsste die Übergabe laufen und später würde sie erneut auf der Intensiv anrufen. Gerade schliefen die Kinder noch, aber sobald sie wach waren, würde sie ihnen Banane, Tee und Zwieback geben und dann mit ihnen ein wenig raus gehen. Heute war ein herrlicher Frühlingstag und wenn sie Mia-Sophie in den Kinderwagen setzte, konnten sie Lucky mitnehmen und ein wenig durch den Ort laufen. Sie brauchte frisches Brot und Milch und Gott sei Dank existierte hier noch ein kleiner Tante- Emma-Laden, in dem man alles bekam, was für den täglichen Bedarf notwendig war. Die Kinder gingen da sehr gerne mit, denn sie bekamen immer eine Süßigkeit von der Besitzerin geschenkt und Sarah erinnerte sich immer an ihre Kindheit, wenn Tim mit großen Augen auf das Glas mit den Gummibärchen sah. Auch bei dem Bäcker bei ihnen zuhause um die Ecke war das so gewesen, dass man was kriegte und darum machten dort alle Kinder gerne Besorgungen. Kaum hatte sie in diesen Erinnerungen geschwelgt, hatte sie sich traurig daran erinnert, dass Ben so etwas laut eigener Aussage nie erlebt hatte. In der hochherrschaftlichen Villengegend in Düsseldorf, in der er aufgewachsen war, gab es keinen normalen Bäcker, nur eine hochherrschaftliche Konditorei und außerdem war er als Kind auch nie mit seinen Eltern beim Einkaufen gewesen. Das hatte die Haushälterin erledigt und sobald er nur ein wenig älter gewesen war, war er ins Internat gekommen und auch dort existierte sowas einfach nicht. Darum war es ihr sehr wichtig, dass ihre Kinder diese Normalität erlebten, überall hin mitgenommen wurden und sich auch zu benehmen wussten. Sie sollten trotz des Geldes, das ihr Vater besaß, einfach völlig normal aufwachsen, Tim ging ja auch in den regulären Kindergarten im Ort, hatte die Nachbarskinder zu Freunden und würde auch in der Regelschule eingeschult werden. Wie alle Kinder hier würde er mit dem Bus fahren, wenn er schulpflichtig war, zur Haltestelle auch laufen und sie würde nicht zu diesen Übermamis gehören, die ihre Kinder jeden Tag mit dem Auto zur Schule brachten.
    Nun hörte sie Mia-Sophie fröhlich vor sich hin singen, die Kleine war hoch musikalisch-ganz wie der Papa-und mit einem Lächeln holte Sarah ihre bezaubernde Tochter, wechselte noch deren Windel-auch der wehe Popo heilte Gott sei Dank-und als dann auch noch Tim dazu stieß, machten sie sich fertig, schnappten sich Luckys Leine und gingen gemeinsam los. Das Handy lag achtlos auf dem Küchentisch, in dem ganzen Trubel vergaß Sarah völlig das einzustecken und als sie draußen die Vögel singen hörte, genoss sie den schönen Tag und hoffte einfach, dass alles gut werden würde.

    Als Semir bei Ben ankam, bemerkte er sofort die düstere Stimmung bei seinem Freund. „Was ist los und wie geht’s dir heute?“, wollte er daher wissen. Ben schwieg erst eine Weile, aber dann brach es aus ihm heraus und auch wenn er zwischendrin lange Pausen machen musste, weil ihn sogar das Sprechen anstrengte, erzählte er von der Visite, von dem Gespräch zwischen der Schwester und dem Krankenpflegeschüler, das er voll auf sich gemünzt hatte und von seiner Angst vor einem monatelangen Krankenhausaufenthalt, den er vielleicht letztendlich doch nicht überleben würde. Als er schwer atmend geendet hatte und sein Augen schloss, bekam er aus heiterem Himmel wieder einen Stromstoß und diesmal schrie er seinen Schmerz und seine Verzweiflung heraus, so dass die halbe Station erschrocken zusammen lief. „Ich halte das nicht mehr aus!“, weinte er, als es vorbei war und der Stationsarzt spritzte ihm nun höchstpersönlich eine größere Dosis Morphin und Tavor, die ihn weg beamte, ob er es wollte oder nicht. Semir war erschrocken und erschüttert und als Sarah wenig später anrief und ihren Mann sprechen wollte, beschied man ihr, dass das im Moment nicht möglich wäre, was sie in große Sorge versetzte. „Sein Freund ist aber bei ihm und wacht neben seinem Bett!“, erzählte die Schwester, die Ben vormittags betreute, aber noch nicht sehr lange auf der Intensivstation arbeitete und Sarah deshalb auch nicht kannte.

    Sarah legte bedrückt das Telefon wieder zurück in die Station. Sie hätte wenigstens gerne mit Semir gesprochen, aber der hatte mit dem Handy ja keine Verbindung innerhalb des Stahlbetons und ihre junge Kollegin, die ihr leider unbekannt war, hatte zügig den Hörer aufgelegt. Allerdings machte sie sich nicht allzu große Sorgen-wenn etwas Schlimmes wäre, hätte man sie sicher verständigt. Dabei hätte sie nur positive Neuigkeiten für Ben gehabt. Die Kinder waren bereits wieder topfit und futterten was das Zeug hielt, sie selber hatte sich anscheinend nicht angesteckt, denn ansonsten hätte sie fast mit Sicherheit bereits erste Symptome gehabt und auch Hildegard war wieder halbwegs auf dem Damm und hatte ihr angeboten, ab dem morgigen Tag immer ein paar Stunden zu ihnen nach Hause zu kommen und auf die Kleinen aufzupassen, damit Sarah Ben wenigstens besuchen konnte. „Tim und Mia-Sophie den ganzen Tag zu betreuen, traue ich mir noch nicht zu-auch wenn ich es immer nicht wahrhaben will, ich bin nicht mehr die Jüngste und stecke solche Infektionen nicht so weg wie früher. Aber so zwei oder drei Stunden geht schon, dann bringe ich auch Frederik mit, der kann derweil mit Lucky im Garten spielen, dann sind die Hunde ebenfalls versorgt!“, hatte sie Sarah ihren Vorschlag unterbreitet und die hatte freudig zugestimmt.

    Dann beschloss Sarah, es am Nachmittag mit dem Telefonieren wieder zu versuchen, wenn Anita da war-mit der konnte man wenigstens reden und vielleicht machte Ben auch einfach nur ein Nickerchen. Während die Kinder sich freiwillig zu einem ausgiebigen Mittagsschlaf hinlegten, begann Sarah wie eine Wilde mit Desinfektionsmittel zu putzen, etwas was sie normalerweise nicht machte-aber bei Noroviren gab es andere Regeln. Außerdem würde sie, bevor sie Ben besuchte, noch duschen und sich komplett frisch anziehen. Sogar das Lenkrad und die Autositze reinigte sie und freute sich schon sehr auf den morgigen Tag, wenn sie endlich ihren Mann wieder sehen würde.

    In der Klinik hatte Semir´s Magen inzwischen laut und vernehmlich zu knurren begonnen und zwar so, dass es sogar die Schwester hörte, als sie Blutgase bei dem jungen Polizisten abnahm, der aber wie in Narkose da lag und davon nichts mit bekam. Es war aber auch Punkt zwölf-gerade die Zeit, zu der sie normalerweise nach einer Dönerbude, oder einem Imbiss Ausschau hielten, wenn Ben und er auf Streife waren-und der Magen seines jüngeren Freundes war da normalerweise sogar noch pünktlicher. „Gehen sie doch was essen-er wird noch eine ganze Weile schlafen. Er hat 2 mg Tavor bekommen und 3 mg Morphin, das wird ihn mindestens die nächsten zwei Stunden ausruhen lassen und das ist nur gut für ihn!“, sagte sie mit einem Lächeln und nach kurzer Überlegung erhob sich Semir. „Ich gehe dann mal in die Cafeteria, mache danach noch einen Besuch hier in der Klinik und dann komme ich wieder. Falls er inzwischen aufwacht, richten sie ihm bitte aus, dass ich noch nicht nach Hause gegangen, sondern bald wieder zurück bin!“, beauftragte er die Schwester und die versprach, das Ben zu erklären, falls er vorher wach würde, aber sie war sich ziemlich sicher, dass das nicht passieren würde.

    So machte sich Semir auf in die Cafeteria und traf dort zu seinem Erstaunen Natascha und Stefan, die sich gerade einen leckeren Capucchino genehmigten. „Wie ich das vermisst habe!“, lächelte die junge Frau, die zwar noch ein wenig blass war, aber ansonsten ganz normal aussah-vermutlich auch, weil sie jetzt eine Leggins und ein buntes T-Shirt trug-diese Krankenhaushemden zog wohl keiner auch nur eine Stunde länger an, als unbedingt nötig. Man hatte vor der Verlegung auf Normalstation auch ihren ZVK und den Blasenkatheter gezogen. Sie hatte nur für den Notfall einen abgestöpselten Venenverweilkatheter im Handrücken stecken, aber wenn die Laborwerte sich weiter verbesserten, würde sie Ende der Woche die Klinik verlassen dürfen. „Stefan´s Oma freut sich schon auf mich und sobald ich hier raus bin, stelle ich mich sofort wegen der Vorpraktikantenstelle im Kindergarten vor!“, berichtete sie und während Semir sich eine Kleinigkeit schmecken ließ, beobachtete er gerührt, wie liebevoll der junge Mann und Natascha miteinander umgingen. „Meine zwei Lebensretter an einem Tisch versammelt!“, fiel der nun ein und sie bedankte sich nochmals herzlich. „Ohne euch würde ich nicht hier sitzen-ich wünsche mir für meine Zukunft nichts mehr, als einfach ein ganz normales bürgerliches Leben mit geregelter Arbeit und später vielleicht auch mal einer Familie-ich denke meine Sturm- und Drangzeit ist vorbei!“, erklärte sie und als sie sich nun nach Jerry erkundigte, flog ein Schatten über Semir´s Gesicht.
    „Ich war heute bei ihm in der Tierklinik, ihm geht es schon wieder sehr gut und er soll Ende der Woche ebenfalls entlassen werden-ich weiß nur nicht wohin. Wenn ich nicht bald ein Plätzchen für ihn finde, kommt er ins Tierheim!“, berichtete er nun und jetzt wurde Natascha plötzlich ganz aufgeregt. „Der arme Hund-der hat ebenfalls versucht mich zu beschützen und wenn der Wanke nicht aufgehalten hätte, wären wir schon weg gewesen und der Verbrecher hätte mich im Rhein ertränkt, ohne dass es jemand mitgekriegt hätte. Der ist also sozusagen mein dritter Lebensretter-Stefan-das dürfen wir einfach nicht zulassen, dass er ins Tierheim kommt, das hat er nicht verdient, das ist so ein toller und hübscher Hund-und lieb noch dazu!“, ereiferte sie sich und wenig später saß der junge Mann, der heute frei hatte, bei Semir im Wagen und sie waren unterwegs zur Tierklinik.
    „Wenn Frauen sich etwas einbilden!“, grinste er und Semir konnte sich nun ein Lächeln nicht verkneifen. „Na da gewöhn dich nur beizeiten dran, das wird sich auch nie ändern-aber genau deshalb lieben wir sie ja so!“, philosophierte er nun und kurz darauf bogen sie in den Hof der Praxisklinik ein. „Guten Tag Herr Gerkhan-haben sie so Sehnsucht nach Jerry?“, fragte die junge Dame am Empfang und als Stefan wenig später bei dem Hund auf dem Boden saß und der ihm abwechselnd die Pfote reichte, seine Hand ableckte und sich an ihn schmiegte, war es um den jungen Mann geschehen. „Ich werde mit Oma reden! Sie und Opa hatten früher sogar mal einen Dackel-ich kann mich an den allerdings nicht mehr erinnern. Aber ein Bild von dem hängt immer noch im Hausflur, also denke ich, die wird nicht grundsätzlich gegen einen Hund eingestellt sein. Ich mache jetzt schnell ein paar Fotos von dem Hübschen und zeig sie ihr nachher“ sagt er, und wie als wenn Jerry wüsste, worum es ging, posierte er wie ein Model. Semir machte auch mit Stefan´s Handy noch ein paar Aufnahmen von den beiden beim Bäuchlein kratzen und Pfote geben-wenn das nicht das Herz einer alten Frau erwärmte, was dann! Anschließend fuhren sie wieder zurück zur Uniklinik und Stefan ging geradewegs zu Natascha aufs Zimmer, um ihr erst einmal die Fotos zu zeigen und sich dann mit U-Bahn und Straßenbahn auf den Weg zu seiner Großmutter zu machen.

    Semir ging inzwischen gut gelaunt zu seinem Freund, aber als er wenig später die Intensivstation betrat, gefror ihm fast das Blut in den Adern-was er hörte war Ben´s Stimme, die erst panisch um Hilfe schrie und dann gurgelnd erstarb.

    Nur getrieben von unbändiger Willenskraft gelingt Ben, gemeinsam mit Andrea und Aida, die Flucht. Ich kann mir den Anblick, wie er da so durch den Wald humpelt, lebhaft vorstellen und mein Herz zieht sich vor Mitleid zusammen.
    Dann kommen sie an einem Abhang an, der einfach für ihn zu steil ist. Gerade wollte ich Ben noch loben, weil er das Unmögliche nicht versucht, sondern brav wartet, bis Andrea und Aida Hilfe geholt haben, aber da greift er ins Leere und seine Welt beginnt sich zu drehen. Um Himmels Willen-hoffentlich ist er nur ohnmächtig geworden und nicht abgestürzt! ;(

    Ben und Semir klappern erst mal alle möglichen Anlaufstellen Kevin´s ab. Das ist vermutlich vernünftig und normale Polizeiarbeit. Aber das Vertrauen in ihren jungen Kollegen haben sie verloren und das spürt auch Kalle überdeutlich. Ja da ist keiner davor gefeit, in alte Verhaltensmuster und Denkschemata zu verfallen, auch die beiden Helden nicht.
    Für Kevin ist es trotz allem schön, dass Kalle fest zu ihm steht und auch ich bezweifle nicht, dass er Ayda nie etwas antun würde-das wäre auch nicht der Kevin, den wir mit all seinen Ecken und Kanten ins Herz geschlossen haben. Allerdings kann ich Semir auch verstehen-in Bezug auf seine Kinder ist mit rationalem Denken vorbei. Man würde alles tun, sogar Verbrechen begehen, nur um sie zu schützen.
    Aber eins ist sonnenklar-Kevin würde Ayda auch nicht mit in den Knast zu Jerry schleppen, wie zum Teufel sind sie also mitten in die Geiselnahme geraten?

    In der Nacht bekam Ben erneut zwei Stromstöße und starrte danach stundenlang die Wand an-innerlich voller Angst und Panik. Trotzdem versuchte er, sich nicht aufzuregen oder anzustrengen, aber er konnte das einfach nicht kontrollieren wann, oder aus welchen Gründen sein Herz zu flimmern begann. Es war einfach furchtbar, seinem eigenen unberechenbaren Körper ausgeliefert zu sein. Er konnte jetzt verstehen, warum Häftlinge in Gefängnissen in Südamerika, oder wo sonst auch immer die Stromfolter angewendet wurde, nachher oft gebrochen und psychische Wracks waren-es war einfach nur schrecklich. Außerdem war der Pfleger, der ihn heute Nacht betreute, zwar sicher fachlich okay, aber ihm fehlte jede Empathie. Der machte seinen Job, wechselte Infusionen und Perfusoren, nahm Blutgase ab, beobachtete den Monitor und die ECMO, machte ihn auch einmal frisch und lagerte ihn, aber es fehlte der menschliche Aspekt. Dieser junge Mann klopfte seine Schicht herunter und erledigte seine Arbeit sicher völlig korrekt, aber diese kleinen liebevollen Worte und Gesten, die zum Beispiel Schwester Anita, oder auch andere Pflegekräfte für ihre Patienten aufbrachten und so dafür sorgten, dass die sich auch als Mensch wahrgenommen fühlten, fehlten hier komplett. Ben verstand nun, was ihm Sarah schon oft versucht hatte zu erklären, dass man in der Pflege, oder auch als Arzt eben ehrliches Interesse an seinen Patienten haben musste und sich auch für deren Sorgen und Nöte interessieren musste, um gut zu sein. Er hatte da früher manchmal darüber gelächelt, wenn sie von der Arbeit erzählte und wie sie sich bei schwerst kranken, beatmeten Patienten sogar auch um die Angehörigen kümmerte und versuchte, etwas über die Menschen, die sie oft bis zu deren Tod versorgte, zu erfahren, um ihnen gerecht zu werden. Aber jetzt erlebte er es am eigenen Leibe, wie wichtig sowas war und als er irgendwann doch wieder eindämmerte, einfach weil er furchtbar erschöpft und todkrank war, sehnte er sich wahnsinnig nach Sarah´s liebevollen Berührungen und kleinen Gesten. Aber das Wissen, dass Semir ihm morgen wieder beistehen würde, gab ihm wenigstens ein bisschen Kraft nicht völlig aufzugeben und als die Frühschicht kam, hatte er doch ein bisschen geschlafen, auch wenn er sich immer noch wie gerädert fühlte.

    Als er gewaschen wurde, versuchte er, selbst seine Zähne zu putzen, aber er musste nach wenigen Sekunden abbrechen, weil sogar das zu anstrengend war. Dabei war sein Geist vollständig auf der Höhe, es langweilte ihn, nur immer im Bett zu liegen und den Geräuschen auf der Intensivstation zu lauschen. Er trank wieder eine Tasse Kaffee aus dem Schnabelbecher und nötigte sich selber, wenigstens eine halben Marmeladentoast zu essen, damit er zu Kräften kam. Verdammt-wenn er gesund war, war das eine Menge für den hohlen Zahn, aber jetzt hatte er überhaupt keinen Appetit. Auch musste man ihm sogar beim Essen und Trinken helfen, weil sein Herz zu jagen begann, wenn er nur den Becher zum Mund führte. Manchmal, wenn er die Augen schloss, wünschte er sich, einfach einschlafen zu dürfen, damit es vorbei war, die Sorgen um eine ungewisse Zukunft damit gelöst waren und er seiner Familie nicht zur Last fallen musste.
    Aber ganz im Gegensatz dazu, war da ein Teil in ihm, der unbedingt leben wollte. Er wollte doch seine Kinder groß werden sehen, keine Sekunde verpassen, mit Semir über die Autobahn jagen, Sport treiben, mit seinem Hund lange Spaziergänge machen, mit Freunden feiern, Skifahren, Schwimmen, Joggen und Sex haben. Er wollte mit Sarah alt werden und stellte sich vor, wie die wohl mit 60 einmal aussah. Eines wusste er mit Sicherheit-er würde sie immer noch lieben, wenn er das nur erleben durfte. Sie beide hatten sich gefunden und ihre Ehe hatte schon so manche Stürme überstanden, aber sie hatten fest zusammen gehalten und deswegen würde es weiter gehen-aber nur wenn er das erleben durfte. Die Schwester, die ihn heute Morgen versorgte war auch nett, aber er freute sich schon ein wenig auf den Nachmittag, wenn Schwester Anita wieder kam. Das hatte sie ihm gestern gesagt, als sie ihn an die Nachtschicht übergeben, ihn mit Handschlag verabschiedet und ihm eine gute Nacht gewünscht hatte. „Herr Jäger-ich komme morgen Nachmittag wieder zu ihnen und vielleicht geht es ihnen da schon ein ganz kleines bisschen besser!“, hatte sie ihm mit einem Lächeln Hoffnung gemacht und ihre mütterliche Art hatte ihn in seinen Bann gezogen. Er hatte sich bei ihr geborgen gefühlt. Sie machte an ihm sicher nichts anderes als die anderen Pflegekräfte, aber die Chemie stimmt einfach zwischen ihnen beiden und wenn sie ihn nackt sah, war das völlig ok, während er sich vor der jungen Schwester, die ihn am Morgen überall gewaschen hatte, genierte. Ach war das doof, wenn man nicht selber einfach unter die Dusche springen konnte-etwas, was so selbstverständlich war, wenn man gesund war.

    Als nach dem Frühstück dann die Visiten kamen, teilte ihm der Professor mit: „Die ersten Ergebnisse der Herzmuskelbiopsien können wir morgen erwarten und dann unsere weitere Behandlungsstrategie planen. Bis alle Befunde da sind, kann es bis zu zwei Wochen dauern, weil das Gewebe teilweise angezüchtet wird, aber vorerst machen wir weiter wie bisher!“, teilte er ihm und dem ganzen Schwarm von Weisskitteln mit, die in einem beeindruckenden Aufmarsch die Chefvisite begleiteten. Ben sagte nichts darauf-er hatte keine Ahnung nach was man bei dieser Untersuchung überhaupt fahndete und als er zwei Wochen hörte, kroch in ihm eine Ahnung hoch, dass er noch sehr lange Zeit auf der Intensivstation verbringen würde-oh mein Gott! Als die Truppe den Raum verlassen hatte, hörte er von draußen, wie eine Schwester einem Krankenpflegeschüler erklärte: „Wenn man sich zu einer Herztransplantation entschließt, müssen die Patienten, um auf der Liste ganz oben zu stehen, bei uns auf der kardiologischen Intensiv bleiben, bis ein Spenderorgan zur Verfügung steht, auch wenn sich ihr Befinden zwischenzeitlich leicht bessert. Manche verbringen Monate bei uns und sterben dann doch, bevor ein Organ zur Verfügung steht. Manchmal entschließt man sich deshalb heute eher für die dauerhafte Kunstherzvariante. Allerdings gibt es da noch nicht so viele Langzeiterfahrungen-ich wüsste auch nicht, was ich lieber hätte. Wir haben allerdings immer wieder Patienten, die schon sehr lange transplantiert sind und denen es gut geht!“, erklärte sie dem jungen Mann und als Semir am späten Vormittag endlich bei Ben eintraf, hatte der sich die Decke über den Kopf gezogen und versuchte an etwas Schönes zu denken, was ihm aber einfach nicht gelingen wollte. Vor ihm lag vermutlich eine sehr lange Zeit als schwer kranker Patient und der Mut wollte ihn so langsam verlassen.

    Semir hatte eigentlich gleich nach dem Frühstück zu seinem Freund fahren wollen, dann hatte aber die Tierklinik, wo er natürlich seine Handynummer hinterlassen hatte, bei ihm angerufen. „Herr Gerkhan-wir müssten jetzt einmal so langsam wissen, wie es mit Jerry weiter gehen soll. Er ist ein sehr lieber Hund und zügig auf dem Wege der Besserung. Sie haben ja bereits gesagt, dass er in sein altes Zuhause nicht zurück kann-und da würden wir ihn auch nicht herausgeben. Wenn ein Besitzer seinen eigenen Hund dermaßen schwer verletzt, würden wir immer die Behörden einschalten, wenn der die Herausgabe fordert. Allerdings kommt er dann ins Tierheim und nachdem sie ja den Behandlungsvertrag unterschrieben und ihn auch abgegeben haben, können wir ihn-nur so als kleiner Tipp- wenn sie die Rechnung begleichen, ihnen aushändigen, denn eigentlich wissen wir offiziell ja gar nicht, wem der Hund nun wirklich gehört!“, teilte ihm der behandelnde Tierarzt am Telefon mit.

    Semir versuchte nun mit Andrea, die heute frei hatte, zu verhandeln, ob sie sich nicht vorstellen könnte, ihr weiteres Leben mit einem Schäferhund zu teilen, aber wie so oft kamen sie auf dasselbe Ergebnis. „Semir-ich will jetzt keinen Hund und schon gar keinen großen! Nicht dass ich Hunde nicht mag, aber du weißt ja, dass die meiste Arbeit dann an mir hängen bleibt. Du verbringst so viele Stunden im Dienst, die paar Mal am Wochenende, wenn du mit ihm gehen würdest, wären bei weitem nicht ausreichend. So einen großen Hund kann man auch nicht mit den Kindern Gassi schicken und wenn der zudem als Schutzhund ausgebildet ist, hätte ich da nie ein gutes Gefühl dabei. Wenn das so ein ganz Kleiner wäre, wie ihn unsere Nachbarn haben, könnten wir ja vielleicht nochmals drüber reden!“, spielte sie auf den Malteser an, den die Leute im Nebenhaus kürzlich als Welpen gekauft hatten. „So ne Fußhupe-niemals, das ist doch kein richtiger Hund!“, empörte sich daraufhin Semir und so teilte ihm Andrea nun unmissverständlich mit, dass er sich gerne einen Hund zu legen dürfe-wenn er mal in Rente war!

    So war Semir ziemlich deprimiert, als er zur Klinik fuhr, um den prachtvollen Schäferhund zu besuchen. Der lag in einer kleinen Krankenbox, erhob sich aber sofort schwanzwedelnd, als Semir ihn ansprach. Er führte ihn dann auf dem Gelände der Klinik ein wenig an der Leine herum und ihm brach es fast das Herz, als der kluge Hund, der ihn sofort am Geruch erkannt hatte, ihn aus ruhigen dunklen Augen ansah. „Ach Mann-ich würde dir so gerne ein Zuhause bieten, aber es geht nicht!“, erzählte er ihm und kraulte ihn hinter den Ohren und am Bauch, was der Rüde sichtlich genoss. „Aber ich verspreche dir-ich suche dir einen guten Platz und bis dahin komme ich jeden Tag zu dir!“, teilte der türkische Polizist dann dem Tier mit und besprach das dann auch noch mit dem leitenden Tierarzt. „Bis Ende der Woche kann er noch bei uns bleiben, aber dann müssen wir eine Lösung haben, ansonsten geht er ins Tierheim und ich sage ihnen gleich-bis die Behörden die Eigentumsverhältnisse geklärt haben und der Hund dann von dort vermittelt werden kann, vergehen Monate. Darum habe ich sie auch angerufen, dem prachtvollen und charakterlich einwandfreien Tier zuliebe, sollten wir eine andere Lösung finden. Die Rechnung ist auch nicht sonderlich hoch-wir haben die Wunde gereinigt, ihm ein paar Infusionen und Schmerzmittel gegeben und ihn geröntgt, aber ansonsten hat die Natur sich selber beholfen!“, sagte der Arzt und Semir versprach, sich bis Ende der Woche etwas zu überlegen.

    So fuhr er von der Klinik aus direkt zu Hartmut in die KTU „Einstein-du wolltest doch immer schon einen Hund haben-sieh mal, der könnte mit dir zur Arbeit kommen und hier brav in der Ecke liegen, während du am PC sitzt!“, versuchte er ihm einzureden, aber der Rothaarige schüttelte entschieden den Kopf. „In meinem ganzen Leben wollte ich noch keinen Hund haben. Mich hat als Kind mal einer gebissen und ich muss mich jedes Mal überwinden, wenn ich zu Ben fahre und dieser große graue Riesenköter mich begrüßt, obwohl der ja nun wirklich nichts macht!“, teilte er ihm mit und Semir zog nun unverrichteter Dinge weiter.
    In der PASt versuchte er es ein zweites Mal: „Dieter-so lange dauert es ja nun gar nicht mehr, bis du in Rente gehst. Du möchtest doch sicher gesund und aktiv bleiben, dich jeden Tag an der frischen Luft aufhalten und einen Garten hättest du auch!“, begann er seine Rede und Bonrath sah ihn misstrauisch an. „Auf was willst du raus?“, fühlte er Semir dann auf den Zahn, aber als der nun mit seinem Anliegen rausrückte, schüttelte er heftig den Kopf. „Nein Semir-wenn ich in Pension bin möchte ich reisen-vor Hotte´s Tod wollten wir gemeinsam aufs Schiff, das er sich gekauft hat und stell dir vor-er hat mir das Boot vermacht, als wenn er wissen würde, was geschieht. Ich werde eine große Reise machen-in Memoriam Horst Herzberger, ich weiß noch nicht, wer mit mir auf Tour geht, aber mit Sicherheit kein Hund!“, beschied er seinem Freund und so machte sich Semir nun schweren Herzens auf den Weg zum Krankenhaus. Es musste einfach ein neues Heim für Jerry finden-das war er ihm schuldig!

    Auch wenn Ben sich heldenhaft gewehrt hat und Andrea ebenfalls nicht untätig war-unser dunkelhaariger Polizist hat ordentlich eingesteckt, auch wenn er es sich nicht anmerken lässt.
    Ayda und auch Andrea zuliebe mobilisiert er seine letzten Kraftreserven, wie auch immer er das bei der Schwere seiner Verletzungen macht und tritt den Weg in die Freiheit an. Ich denke auch, dass Luca außer Gefecht, oder sogar tot ist, aber Mario ist vermutlich immer noch ein ernst zu nehmender Gegner-ach du liebe Güte-beeilt euch, damit ihr Land gewinnt, bevor die weitere Jagd beginnt! ;(

    Ben ist schon ein Teufelskerl! Trotz seiner schweren Verletzungen schafft er es den Dicken in einer Überraschungsaktion nieder zu schlagen und ich kann mir richtig bildlich vorstellen, wie dann auch Andrea mit dem Mute der Verzweiflung auf ihn eindrischt. Irgendwie habe ich auch das Gefühl, dass der schwerer verletzt ist, als die beiden denken, aber ehrlich gesagt ist mir das egal-hier geht es ums nackte Überleben und ich hoffe nur, dass es Ben jetzt gelingt den Schrank umzulegen, bevor der seinerseits ihn , Andrea und Aida umbringt. Sehr spannend! :thumbup: