Beiträge von susan

    In den frühen Morgenstunden erwachte Semir, weil Ben´s Monitor wieder lauten Herzalarm gab. Er hatte ihn immer noch im Schlaf berührt, fuhr nun aber wie von der Tarantel gestochen zurück, als sich Ben bereits unter dem Elektroschock aufbäumte und danach bleich und mutlos die Tränen unterdrückte. „Wenn das so bleibt, kann ich nie mehr meine Kinder anfassen!“, flüsterte er. „Stell dir mal vor, ich habe gerade Mia-Sophie auf dem Arm und das Ding geht los-die wird in Zukunft zu brüllen anfangen, wenn ich mich ihr nur auf einen Meter nähere und Angst vor ihrem eigenen Vater haben. Tim kann man das vielleicht irgendwie erklären, aber auch der wird mir nie mehr auch nur die Hand geben wollen, geschweige denn etwas spielen-ach es ist alles so aussichtslos!“, teilte er Semir seine Überlegungen mit und der betrachtete voller Mitleid seinen Freund. Was sollte er auch gegen dessen durchaus berechtigte Gedanken sagen. Und das Gemeine war ja wirklich, dass es anscheinend keinen Auslöser brauchte, damit das Herz zu Flimmern begann, denn sie hatten ja gerade eben noch friedlich geschlafen.

    Die Nachtschwester war natürlich ebenfalls sofort zu ihnen geeilt, aber außer Ben ein wenig Morphin zu geben, konnte sie auch nichts machen. Sie nahm dann gleich noch, wie jeden Tag, ein großes Labor ab, kontrollierte die arteriellen und im Vergleich dazu auch die venösen Blutgase, aber da war keine Veränderung zum Vortag fest zu stellen. Nachdem es erst fünf Uhr früh war, versuchten die beiden Freunde danach noch ein wenig ein zu schlafen, aber es wollte ihnen nicht mehr gelingen.
    Die Schwester die Ben in der Frühschicht übernahm, machte ihn vorsichtig, unterstützt von Semir, frisch und kaum war das geschehen, kam auch schon die große Visite. Gerade besah sich der Chefarzt der Kardiologie die Befunde, da kam ein junger Assistenzarzt ganz aufgeregt herein gelaufen und drückte seinem Chef den Telefonhörer in die Hand. „Das Zentrallabor ist dran-sie haben einen Treffer!“, stotterte er aufgeregt, als plötzlich alle Blicke sich auf ihn richteten.

    Der erfahrene Arzt verließ kurz den Raum und besprach sich mit seinem Kollegen im Labor, aber als er dann wieder zurück kam, überzog ein Lächeln sein Gesicht. „Herr Jäger-ich habe gute Neuigkeiten für sie! Aus den Proben, die wir bei der Myokardbiopsie gewonnen haben, konnte ein Erregernachweis geführt werden. Wir können davon ausgehen, dass ihre Herzmuskelentzündung von Adenoviren ausgelöst wird, die wurden nämlich im Präparat nachgewiesen und konnten angezüchtet werden. Das sind Erreger, die kommen unter anderem in den Rachenmandeln vor-daher auch der Name. Die Biopsieproben werden aktuell noch histologisch, immunhistochemisch und molekularbiologisch-virologisch untersucht, aber nachdem jetzt ein Treffer gelandet wurde, werden wir unverzüglich eine antivirale Therapie einleiten. Das bedeutet für sie, dass sie ab heute jede Woche einmal eine Injektion mit Interferon-beta tief in den Gesäßmuskel bekommen. Diese Interferone greifen den Erreger nicht nur gezielt an, sondern geben sozusagen eine Immunantwort vor. So dramatisch der Verlauf ihrer Erkrankung auch ist-Studien zufolge haben sie bei dieser Form die besten Chancen das Ganze folgenlos zu überleben und auch wieder ganz gesund zu werden. Die Schwester wird ihnen später die Spritze geben, das wird etwas weh tun-also nicht die Spritze an sich, aber das Medikament. Sie werden als Nebenwirkung eine grippale Symptomatik bekommen, mit Kopf- und Gliederschmerzen, Schwächegefühl, was aber mit jedem Tag besser wird und bei der nächsten Spritze wieder von vorne los geht. Auch wenn das schwer zu verstehen ist, aber vertrauen sie uns-wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht!“, beschwor er seinen Patienten und Ben, der auf einmal wieder neuen Lebensmut bekam, richtete sich mit blitzenden Augen jetzt ein wenig auf. „Habe ich sie richtig verstanden-ich habe die Chance das Ganze hier zu überleben und das Krankenhaus auf meinen eigenen Füßen zu verlassen?“, fragte er nach und der Arzt nickte. „Dann mal los-schlimmer kanns ja nicht werden!“, sagte Ben nun und während der Chefarzt seine Anordnungen dokumentierte, das teure Medikament in der Krankenhausapotheke bestellt wurde und die Visite beim nächsten Patienten weiter ging, war Ben mit einem breiten Grinsen im Gesicht zurück gesunken. „Semir-hast du gehört? Ich werde wieder ganz gesund!“, tönte er und dann ging ein Ruck durch seinen Körper. „Du musst sofort Sarah anrufen-die soll auch Bescheid wissen!“, beauftragte er dann seinen Freund und ohne zu Diskutieren verließ Semir nun die Intensivstation und trat vors Krankenhaus.
    Immer noch trug er das Krankenhausoberteil und so sehr er sich nach einer Dusche sehnte-es war schließlich nicht so toll in Klamotten zu schlafen-erst einmal musste seine Freundin und danach Andrea Bescheid bekommen. Die Sonne schien, es war ein wundervoller Tag und er hätte jauchzen können vor Glück. Ben würde wieder gesund werden-er war sich ganz sicher!

    Elisa war nach einer unruhigen Nacht im Mehrbettzimmer am frühen Morgen ebenfalls nach draußen geflüchtet. Das war doch der kleine Polizist, der da ganz aufgeregt am Telefon hing? Er stand jetzt mit dem Rücken zu ihr, so dass sie seinen glücklichen Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte. Was gab es für eine andere Erklärung für so ein frühes Telefonat, als dass dieser Jäger gestorben war und er jetzt die Angehörigen verständigte. Mit einem hämischen Lächeln ging sie zurück in ihr Zimmer. Das geschah Sarah Recht-jetzt hatte sie ihren Mann auf dem Gewissen! Diese Storys die die schrieb waren also nicht nur grottenschlecht, sondern auch tödlich-das wäre doch mal ein guter Titel: Tödliche Storys!

    Jetzt weiß ich endlich, wo die Worte herkommen, die unter deinen Beiträgen stehen-war ja klar, dass die aus nem Animé sind, harukaflower! ;)
    Aber als unsere mobile Einsatztruppe ins Gefängnis gerufen wird, stellt sich bald heraus, dass Thore in diesen Fall mehr verwickelt ist, als ihm lieb ist. Mit Sicherheit kennen sich die Mangafans aus den Foren und wenn er da immer den selben Benutzernamen hat, ist es dem Täter in Leichtes, auf den jungen Polizisten hin zu weisen. Der wird sicher zur Schlüsselfigur dieser Story und als ihm das bewusst wird, muss er erst mal kotzen.
    Auch ich habe mir natürlich die Trailer angesehen und muss mich zwar Trauerkloß anschließen, dass ich durch deine Geschichte zwar sicher kein Mangafan werde, aber ein Einblick in diese Szene ist auch mal nicht verkehrt. Und nachdem es ja laut deiner Info da durchaus schon reale Mordfälle gab, ist das Ganze noch viel spannender.
    Das Attentat im Gefängnis weist darauf hin, dass da jemand ein Todesbuch führt und die Bösen, die seiner Meinung nach wohl zu milde bestraft wurden, richtet. Dieser Durchgeknallte sieht sich sicher als den Rächer, den Retter der Welt, oder was auch immer.
    Ich frage mich jetzt nur-auf welcher Seite sieht er Thore? ;(

    Puh ich bin baff!
    Atemlos habe ich deinen Bericht über die Beendigung der Geiselnahme gelesen und war irgendwie als stiller Beobachter mitten drin. Wie schrecklich das für alle Kinder sein muss, als Jens sich selber richtet-so ein Selbstmord auf diese Art und Weise ist eine einzige Schweinerei!
    Aber Kevin reagiert nun völlig professionell und schaltet nacheinander die beiden übrig gebliebenen Geiselnehmer aus und zwar ohne sie zu töten.
    Mir graut immer noch, wie skrupellos die waren und wie sie das Töten von Mitschülern verharmlost haben-wie so ein dämliches Computerspiel. Ich wünsche ihnen, dass sie diese schrecklichen Szenen bis zu ihrem Lebensende in ihren Träumen verfolgen, denn nach höchstens 10 Jahren Jugendknast haben sie ja für ihre Taten "gesühnt". Leider macht das die toten Kinder auch nicht mehr lebendig!
    Wer mir auch noch positiv aufgefallen ist, war der Lehrer, der sich gleich Marvin´s Gewehr schnappt und den in Schach hält-wenigstens einer mit ein bisschen Zivilcourage-allerdings wäre die zu einem früheren Zeitpunkt vielleicht noch sinnvoller gewesen, nämlich als die Schüler gemobbt wurden, denn im Vorfeld hätte man die schreckliche Tat vielleicht durch pädagogische Maßnahmen verhindern können.
    Im Gegensatz zu euch anderen teile ich jetzt euren Optimismus nicht, dass jetzt der Friede-Freude-Eierkuchen-Teil kommt, Ayda unverletzt aus ner Klokabine kommt, wo sie sich eingesperrt hatte , Kevin sie an Semir übergibt und die ab sofort wieder die besten Kumpels sind, auch wenn ich mir das natürlich wünschen würde. Aber nicht vergessen-das ist eine Campinogeschichte!

    Puh-ich habe gerade mit Ben mit gelitten-aber Kim Krüger ist gerade sehr in meiner Achtung gestiegen. Eigentlich hatte ich zunächst erwartet, dass sie den guten Herrn Wedekind jetzt gehörig zusammen faltet-Recht hätte es ihm ja geschehen-aber statt dessen tut sie das Einzige, was Ben in seiner Situation jetzt nützt-sie eilt zu ihm, hält seine Hand, lässt ihm menschliche Zuwendung zukommen, versucht ihm Mut zu zusprechen und verspricht ihm, Semir zu ihm zu holen!
    Die beiden Sanitäter scheinen ihre Arbeit zu verstehen, jetzt hoffen wir mal, dass bald der Hubbi im Anflug ist und auch der Notarzt ein fähiger Mann ist!
    "Ben-jetzt nicht wieder bewusstlos werden, du bist so nahe daran, gerettet zu werden", aber schon passiert und wenigstens hat er so keine Schmerzen mehr, der Arme! ;( Ergreifendes Kapitel!

    Ja ich glaube auch, dass das schwächste Glied in der Kette aufgegeben und sich selbst gerichtet hat, obwohl Jens ja persönlich bisher meines Wissens noch gar niemanden getötet hat-aber mitgefangen, mitgehangen, wie man so schön sagt und das ist ihm wohl bewusst geworden. Alternativ hat vielleicht auch Marvin abgedrückt, aber Kevin nicht-da bin ich mir ganz sicher, denn der ist ja nicht blöd-den Überraschungseffekt braucht er für Marvin oder Tobias!
    Ja ich kann Semir´s Gedankengänge sehr gut nachvollziehen-wenn Kinder zuhause nichts erzählen, merkt man oft gar nicht, wenn sie etwas bedrückt-und eine Garantie gibt es dafür auch nicht, wenn man ein gutes Verhältnis zu seinen Kindern hat, wenn die in falsche Kreise kommen, steht man da oft auf verlorenem Posten. Und dann kann ich auch nur noch sagen-die armen Eltern, deren Leben ist genauso zerstört, wie das ihres Jungen!

    Tja-diese Art psychologischer Gesprächsführung ist in der Medizin üblich-das kann ich euch aus langjähriger Erfahrung in diesem Fachgebiet sagen! ;) Und nachdem der junge Arzt Ben ja nicht absichtlich verletzt hat, sondern das wirklich eine Verkettung unglücklicher Umstände war, würde dem auch nichts passieren, auch wenn man ihn anzeigen und einen Kunstfehlerprozess anstreben würde. Auch weiß niemand zweifelsfrei, ob es nicht auch zu einem Pneu gekommen wäre, wenn er ein Ultraschallgerät benutzt hätte-gleich der erste ZVK, den ich mit unserem früheren Chefarzt der Anästhesie mit 35jähriger Berufserfahrung bei nem hoch privaten Patienten gelegt habe, hatte dieselbe Komplikation. Das kommt einfach hin und wieder vor und auch wenn der Arzt nach bestem Wissen und Gewissen handelt, kann er so ganz nebenbei seinen Patienten umbringen-und ich als Intensivschwester genauso-eigentlich ein Wunder, dass nicht mehr passiert.
    Ach ja-und hier wäre Sarah vonnöten gewesen-die wäre sozusagen die einzige gewesen, derentwegen man den jungen Arzt nicht an Ben ran gelassen hätte, ansonsten ist sowas in jedem Lehrkrankenhaus normal. Auch Anita darf da nichts dagegen sagen-die kriegt sonst sofort eine Abmahnung! :|

    Langsam nahm Ben die inzwischen vertrauten Geräusche der Intensivstation wahr. Er tauchte aus den Tiefen des Narkoseschlafs auf, ohne genau zu wissen, was eigentlich geschehen war. Einen Moment spannte er die Muskeln und war sich nicht ganz sicher, ob er nicht doch verfolgt wurde und sich wehren musste, aber da vernahm er schon Semir´s vertraute Stimme und spürte seine warme, tröstende Hand auf der seinen. „Ben-alles ist gut, ich bin da und passe auf dich auf!“, sagte sein Freund eindringlich und schon wurde sein Atem wieder ruhiger und als er es wenig später schaffte die Augenlider zu heben, die sich immer noch schwer wie Blei anfühlten, erkannte, dass er wirklich auf der Intensivstation in seinem Zimmer lag und zusätzlich zu den ganzen Geräuschen, die er schon kannte, war noch ein kontinuierliches Blubbern zu vernehmen, das aber einschläfernd wirkte und ihn dazu brachte, die Augen wieder zu schließen und noch ein Ründchen weiter zu schlafen.

    Das nächste Mal erwachte er, weil jemand seinen Arm beim Blut abnehmen berührte und als er die Augen jetzt weit aufmachte, stand diesmal Schwester Anita vor ihm, lächelte ihn fröhlich an und sagte gut gelaunt: „Na guten Morgen-oder sagen wir lieber guten Abend? Inzwischen ist es nämlich 19. 00 Uhr und die Nacht liegt noch vor ihnen. Wie fühlen sie sich, Herr Jäger und geht’s mit den Schmerzen?“, fragte sie und Ben horchte jetzt in sich hinein. „Es ziept, aber es ist auszuhalten!“, antwortete er mit rauer Stimme und leckte sich dann über die spröden, rissigen Lippen. Zusätzlich zu den schon wohl bekannten Schmerzen am Bauch und den Leisten brannte es jetzt noch seitlich an seinem Brustkorb und seitdem er mehrfach reanimiert worden war, hatte er sowieso das Gefühl, erst kürzlich von einem LKW überrollt worden zu sein, aber es war kein Vergleich zu den Schmerzen, die er im Keller ausgehalten hatte, als Sarah die Hand in seinem Bauch gehabt hatte.
    „Wenn sie soweit wach sind, mache ich ihre Hand jetzt los und ich denke, wir sollten ihren Freund, der schon seit Stunden ganz verkrümmt neben ihnen auf dem Stuhl sitzt und ihren Schönheitsschlaf bewacht, jetzt einen Happen essen schicken. Ich mache sie derweil gemeinsam mit meinem Kollegen ein wenig frisch und lege sie anders hin, damit sie es in der Nacht auch bequem haben. Ach ja und von Sarah soll ich ihnen ausrichten, dass sie sie liebt, ich habe vor ein paar Stunden mit ihr telefoniert. Sie kommt morgen zu Besuch, aber ich habe ihr schon gesagt, dass sie nicht alleine sind!“, sagte sie und bedachte Semir, der sich soeben erhoben hatte und seine steifen Gelenke durch bewegte, mit einem strahlenden Lächeln. „Also Herr Gerkhan-wie sieht es aus? Stärken sie sich ein bisschen in der Cafeteria, bevor die schließt und kommen in einer halben Stunde wieder?“, fragte sie und nun musste Semir grinsen. „Jetzt weiß ich, was eine rhetorische Frage ist, Schwester Anita-sie beherrschen es perfekt uns Männer zu manipulieren und zwar so, dass wir immer noch denken, zuvor gefragt worden zu sein“, gab er schlagfertig zurück und als Anita jetzt die Stirn runzelte, versuchte böse zu schauen, was aber einfach nicht in ihrer Natur lag und dann sagte: „Verdammt-ein echter Polizist! Er hat mich durchschaut!“, musste sogar Ben lächeln, es tat einfach gut, wenn sogar hier Zeit für ein Späßchen war und solche Geplänkel hatten Semir und er in der Arbeit ständig, das liebte er und sowas war für ihn ein bisschen Salz in der Suppe des Lebens-ach wie sehr wünschte er sich seinen Alltag zurück!

    So ganz richtig hatte er auch noch nicht begriffen, was überhaupt passiert war-vorhin war alles so schnell gegangen, man hatte einen Chirurgen gerufen und er hatte fürchterliche Angst davor gehabt zu sterben, war aber dann einfach in Narkose gelegt worden. Danach war er zwar kurz wieder wach gewesen und hatte den Anflug einer Panikattacke gehabt, aber Semir war da gewesen wie ein Fels in der Brandung, er hatte sich fallen lassen und erholsam geschlafen, allerdings fühlte er sich insgesamt immer noch krank und schwach und jede minimale Bewegung strengte ihn wahnsinnig an.
    So ließ er sich jetzt pflegen, genoss sogar ein wenig die Einreibungen mit der hautpflegenden Lotion, trank einen kleinen Schluck Wasser, den die Schwester ihm anbot und empfand es als unheimlich wohltuend, als seine Lippen mit einer speziellen Salbe bedeckt wurden und danach schon viel weniger spannten. Der Pfleger, der Anita half, beobachtete bewundernd, wie geschickt sie Ben lagerte, dabei mit ihm sprach, ihn ablenkte, wenn es ein wenig schmerzhaft wurde und als der junge Patient endlich frisch gebettet auf einem neuen kühlen Leintuch lag, die verschwitzten Unterlagen gewechselt, angeblutete Verbände erneuert waren und er fragte, was denn eigentlich passiert war, schickte sie kurzerhand den Stationsarzt zu ihm und Semir, der pünktlich nach der halben Stunde, frisch gestärkt, wieder an der Intensivtür geläutet hatte, bekam nun ebenfalls gleich einen aktuellen Lagebericht.

    „Herr Jäger-beim Legen der Thoraxdrainage hat dummerweise unser junger Assistenzarzt einen Stromschlag abbekommen und ist dabei mit der Schere abgerutscht. Leider wurde dabei versehentlich ihre Lunge ein klein wenig verletzt und auch der Arzt hat sich die Schere in den Finger gerammt-sie waren also nicht der einzige Leidtragende. Sowas ist einfach schicksalhaft, aber der Oberarzt, der bereits Feierabend hat und nach Hause gegangen ist, hat gemeint, das hätte ihm genauso passieren können, also seien sie dem jungen Kollegen bitte nicht böse-er hat es nicht mit Absicht gemacht. Was das Gute an der Sache ist-wir haben bei ihnen aus diesem Grund einen HIV-Test gemacht, der ist negativ und nachdem der Kollege erst vor drei Tagen beim Betriebsarzt war und auch von ihm alle Laborergebnisse vorliegen, brauchen sie sich auch da keine Sorgen machen, sich mit irgendeinem bösen Keim angesteckt zu haben und antibiotisch abgedeckt sind sie ja sowieso.
    Morgen erwarten wir auch die ersten Ergebnisse der Herzbiopsie und vielleicht haben wir dann einen Hinweis darauf, wie wir sie weiter behandeln können. Die Blutungen an der Lunge konnten problemlos gestillt werden, aber wundern sie sich nicht, wenn ihr Brustkorb jetzt noch ein wenig mehr wehtut als vorher. Um an die Lunge ran zu kommen, mussten wir ihnen auf einer Seite drei Rippen durchtrennen, die werden aber im Verlauf weniger Wochen von alleine problemlos zusammenheilen. Die Thoraxdrainage hätten sie so oder so gebraucht, die fördert jetzt eben zusätzlich zur Luft und dem Wundsekret noch ein wenig Blut, sie haben zwei zusätzliche Blutkonserven erhalten und mussten anfangs auch kreislaufstützende Medikamente bekommen. Jetzt sind wir aber wieder fast auf dem Stand wie vorher und genauso wenig, wie sie sich die ganzen Zugänge absichtlich heraus gerissen haben, wollte ihnen danach irgendwer schaden, manche Geschehnisse sind einfach schicksalhaft, aber Hauptsache sie leben und vielleicht geht es ja ab sofort schon steil aufwärts bei ihnen“, beendete er das Gespräch mit einer positiven Bemerkung, wie er es im Rhetorikkurs gelernt hatte und Semir beschloss, die Chefin mal bei diesem Arzt in die Lehre zu schicken-der verstand es, unangenehme Neuigkeiten so geschickt zu verpacken, dass man danach das Gefühl hatte, gerade eine gute Nachricht bekommen zu haben. Wie zufällig hatte er auch während seiner Erklärungen seine Hand bestimmt und ruhig auf Ben abgelegt, damit taktilen Kontakt hergestellt und eine vertraute Atmosphäre geschaffen.

    Was geschehen war, ließ sich jetzt sowieso nicht mehr ändern und auch wenn Semir fast sicher war, dass Sarah morgen an die Decke gehen würde, wenn sie erfuhr, was genau passiert war, aber eigentlich hatte der Doktor Recht-es brachte nichts, sich wegen Dingen, die zwar vielleicht schief gelaufen, aber jetzt nicht mehr zu ändern waren, verrückt zu machen. Fakt war-sie standen jetzt nicht schlechter da als vorhin, Ben lebte und anscheinend gab es durchaus Hoffnung, dass man seine Herzerkrankung effizient behandeln konnte. Um Ben weiter Auftrieb zu geben sagte er schnell: „Und wenn ich darf, würde ich heute Nacht gerne hier bleiben-ich habe meiner Frau schon Bescheid gesagt!“ und der Arzt mit der angenehmen Stimme und der ruhigen Ausstrahlung erwiderte voller Freundlichkeit: „Das ist überhaupt kein Problem. Wenn Herr Jäger das ebenfalls möchte, steht dem nichts im Wege!“ und Ben nickte freudig und sagte mit noch schwacher Stimme, denn das Zuhören und zuvor die pflegerischen Tätigkeiten hatten ihn maßlos angestrengt: „Ich bin sehr froh, wenn du da bleibst, Semir!“, aber dann fielen ihm wieder die Augen zu und er war einfach eingeschlafen-sein geschundener Körper holte sich die Ruhe, die er brauchte.

    Anita brachte, bevor auch sie nach der Übergabe um zehn nach Hause ging, den bequemen Mobilisationsstuhl mit Kopfkissen und Zudecke ins Zimmer und wie zuvor Sarah, legte Semir sich nun neben seinen Freund und erstaunlicherweise sanken beide bald in einen tiefen erholsamen Schlaf. Die Nachtschwester wechselte so leise wie möglich die Infusionen und Perfusoren, nur einmal in der Nacht musste Semir aufstehen und beiseite gehen, als sie Ben richtig frisch machte, Blutgase und Laborproben entnahm und Antibiotikafläschchen anhängte. Als danach das Licht wieder gelöscht wurde, sagte Ben leise in den Raum hinein: „Semir-ich hatte heute fürchterliche Angst, sterben zu müssen, aber jetzt ist nochmals Alles gut gegangen. Danke dass du da geblieben bist!“, flüsterte er dann, aber anstatt viele Worte zu machen, griff Semir nun einfach nach der Hand seines Freundes, signalisierte ihm durch die Berührung Hoffnung und Zuversicht und so schliefen die beiden wieder ein. Als der Stationsarzt, der ebenfalls einen eher friedlichen Dienst hatte, wenig später ins Zimmer lugte, dessen Schiebetür einen Spalt offen stand und wo man auch den Monitor auf Privatbildschirm geschalten hatte, um dem Patienten möglichst viel Ruhe zu gönnen, zog ein Lächeln über sein Gesicht. Die Anwesenheit und der Beistand seines Freundes und Kollegen waren für Herrn Jäger sicher genauso heilsam wie ein Medikament und gerade bei Herzerkrankungen war die Psyche ein ganz wichtiger Heilungsfaktor, davon war er fest überzeugt!

    Hallo harukaflower!
    Jetzt konnte ich mir erst mal gar nicht vorstellen, wie du es anstellen willst, Animé in eine Cobrastory rein zu nehmen, aber so langsam kriege ich den Hauch einer Ahnung davon.
    Was mich auch besonders freut-einige der finnischen Charaktere, die wir schon kennen, spielen wieder mit. Ben ist immer noch mit Thore´s Schwester zusammen und ich hoffe ja, auch Mikael schaut zumindest mal vorbei ;) .
    Auf jeden Fall ist der Gegner, der die Briefe schreibt, ebenfalls in der Szene zuhause-im Gegensatz zu Ben, aber der bemüht sich wenigstens da rein zu schnuppern, obwohl es ihn sicher nicht brennend interessiert.

    Endlich, endlich bemerkt Hendrik, der Ben sogar von der Polizeischule kennt, dass Ben noch lebt! Mann-das hat ja eine halbe Ewigkeit gedauert und nur die Hoffnung, dass Semir zu ihm kommt, hat Ben dabei geholfen durch zu halten! Aber noch ist er nicht in Sicherheit und ich hoffe nur, dass es nicht einfach zu lange gedauert hat, bis man unserem Lieblingspolizisten Hilfe angedeien lässt und er bald medizinisch professionell versorgt wird! Aber Sanitäter im Anmarsch und Heli in der Luft klingt schon mal gut!

    Eine Story von dir-und noch dazu mit Ben, der zudem schon verletzt und am Ende ist? Ich bin dabei-was sonst 8o !
    Und wenn der Prolog auch kurz ist-er hats in sich und ist stilistisch einfach toll geschrieben, ich war schon gemeinsam mit Ben im Abwasserkanal und sofort mittendrin.

    In der heutigen Zeit möchte ich auch ehrlich gesagt kein Lehrer sein-und zwar nicht wegen der Kinder-sondern wegen der Eltern :S .
    Nun aber zum aktuellen Kapitel:
    Nur gut, dass Kevin so überzeugend ist, dass er zur Toilette darf und dort an seine gut versteckte Waffe kommt. Ich hatte mir schon überlegt, wo er die wohl gelassen hat, aber so war das wohl eine Strategie, als er sich von Ahmed hat niederschlagen lassen. So sehen die Jungs keine Gefahr in ihm-sie werden irgendwann selber merken, dass sie ihn unterschätzen!
    Allerdings bin ich mir nicht so sicher, ob er nicht den Überraschungsmoment hätte ausnutzen und Marvin sofort überwältigen sollen, aber das ist immer eine Momententscheidung und auch wenn Marvin und Tobias eiskalte Mörder sind, Kevin hat vermutlich nicht vor die abzuknallen, sondern möchte sie festnehmen, damit sie nach ein paar Jahren Jugendknast dann wieder auf die Menschheit losgelassen werden. Andererseits hat er ja auch irgendwie für sie Verständnis gezeigt-wer besser als Kevin weiß, was es bedeutet Außenseiter zu sein!

    Also ich würde Semir den Kopf abreissen, wenn er mir vorenthielte, dass meine Tochter als Geisel genommen wurde-obwohl Andrea ja auch nichts machen kann.
    Ich weiss auch nicht was besser ist, um die Kinder da raus zu holen-eine Hauruckaktion, oder doch erst mal reden. Aber auf jeden Fall wäre mir die Order des Ministerpräsidenten schnurzpiepegal. Wenn die Hoffnung besteht, dass die Eltern ihre Kinder zum Aufgeben überreden könnten, dann würde ich zuerst das probieren. Und Kosicke ist ein erfahrener Mann, vielleicht kann der wirklich etwas bewirken. Immerhin bringt die junge Lehrerin aber Marvin ins Spiel-der in meinen Augen genauso gefährlich ist wie Tobias. Und er kann mit Waffen umgehen-leider...
    Und ich glaube, da sind wir uns alle einig-an dieser Schule hat nicht nur ein Einziger versagt, hier fühlt sich anscheinend keiner für die Schüler verantwortlich, sondern jeder klopft nur seinen Unterricht runter. Hey Leute-ihr seid alle Pädagogen, oder wart das zumindest mal! Aber leider läuft das an vielen Schulen so-von wegen "Schulfamilie".

    Sarah zuckte zusammen als das Telefon läutete. Gerade hatte sie noch keine Auskunft bekommen und irgendwie hatte sie die ganze Zeit ein fürchterlich schlechtes Gefühl gehabt. Mit Ben stimmte irgendetwas nicht, wenn er denn überhaupt noch am Leben war. Jedes Mal wenn ein Auto sich dem Haus genähert hatte, hatte sie nervös aus dem Fenster geblickt-fast erwartete sie einen völlig fertigen Semir zu sehen, der es sich nicht nehmen lassen würde, die Todesnachricht persönlich zu überbringen. Sie hatte vorher noch versucht, ihn auf dem Handy zu erreichen, aber da war sofort die Mailbox ran gegangen.
    Tim hatte inzwischen mit der Zunge zwischen den Lippen ein schönes Bild fertig gemalt-wenn man genau hinsah, konnte man Lucky erahnen, der unter einer Sonne auf grünem Gras stand. „Sehr schön!“, hatte Sarah ihn gelobt und wollte gerade hinzufügen: „Da wird der Papa sich aber freuen!“, aber dann biss sie sich auf die Unterlippe-und was war, wenn Tim´s Vater gar nicht mehr unter den Lebenden weilte?
    Wie in Trance hob sie nun den Hörer ab und hörte Anita´s warme und freundliche Stimme am anderen Ende, die sich mit „Intensivstation Uniklinikum Köln-ich bin es Anita!“ meldete. „Oh Gott-sag es endlich, damit die Ungewissheit ein Ende hat!“, flehte Sarah innerlich und eine eiskalte Hand griff nach ihrem Herzen. Wenn Ben jetzt gestorben war, hatte sie ihn auf dem Gewissen-mit ihren tödlichen Geschichten!

    „Sarah-leider habe ich jetzt nicht ganz so gute Neuigkeiten!“, begann Anita und in Sarah´s Ohren begann es zu rauschen. Sie klammerte sich am Telefonhörer fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervor traten und flüsterte tonlos: „Er ist tot-nicht? Ich habe die ganze Zeit schon so ein ungutes Gefühl!“ und fast konnte sie nicht mehr wahrnehmen, was ihre Kollegin am anderen Ende der Leitung sagte, denn nun begann alles um sie zu schwanken. „Sarah-nein Sarah hör mir zu, er lebt-nur gab es Komplikationen!“, hörte sie wie durch Watte Anita ins Telefon rufen. „Sarah setz dich hin und atme erst einmal tief durch!“, drang nun die beschwörende Stimme der mütterlichen Schwester durchs Telefon, die sofort an der Stimme der jüngeren Frau gehört hatte, dass mit der etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Tim hatte seine Mutter verstört gemustert, aber als seine kleine Schwester jetzt zu quengeln begann, war er auf einmal ganz großer Bruder und ließ sie sogar mit einem seiner Autos spielen, was die Kleine sofort besänftigte-denn normalerweise durfte sie nicht an seine Heiligtümer.
    Sarah tastete sich zum nächsten Stuhl. Immer noch drehte sich alles um sie und schwach und zittrig setzte sie sich, wie die Kollegin ihr befohlen hatte. Erst langsam drangen Anita´s Worte zu ihr durch. Ben lebte! Vor Erleichterung schossen ihr jetzt wieder die Tränen in die Augen und erst als sie gewahr wurde, dass Tim sie voller Sorge musterte und die Mundwinkel des dunkel gelockten Jungen jetzt ebenfalls verräterisch zu zucken begannen-er kannte sich bald gar nicht mehr aus und der Kummer seiner Mutter machte ihm schwer zu schaffen-riss sie sich zusammen, zog ihn an sich und flüsterte beschwörend: „Schatz-es ist alles in Ordnung, die Mama ist nur müde!“ und jetzt schmiegte er sich an sie und umklammerte sie fest.

    Sarah hatte tief durch geatmet-wo war nur ihre Professionalität geblieben? Sie war es doch von Berufs wegen gewohnt, auch mit Katastrophen zu Recht zu kommen, aber wenn es um ihren geliebten Mann ging, war es vorbei mit der Beherrschung. Anita fragte besorgt: „Soll ich später nochmal anrufen? Ben ist im Moment stabil und sein Freund ist bei ihm-ich denke, das ist das Wichtigste. Was sonst alles geschehen ist, kann ich dir auch zu einem späteren Zeitpunkt mitteilen, wenn du dich etwas gefangen hast“, fragte sie, aber Sarah antwortete jetzt wieder ein bisschen gefasster: „Nein-erzähl. Ich hatte die ganze Zeit so ein komisches Gefühl, ich habe gespürt, dass irgendetwas geschehen ist, aber ich war vorhin mit den Kindern ein bisschen draußen und habe mich abgelenkt-dabei aber blöderweise mein Handy zuhause vergessen!“, erklärte sie, warum sie nicht erreichbar gewesen war. „Als ich dann vor etwa einer halben Stunde angerufen habe, hat mir ein junger Kollege leider am Telefon keine Auskunft erteilt und du warst gerade mit einem Notfall beschäftigt-war das Ben?“, fragte sie und Anita stimmte ihr zu. „Haarscharf kombiniert, aber das Wichtigste ist ja, dass wieder alles in Butter ist. Also Ben wurde heute zur Mittagszeit absediert, weil leider der Defi immer wieder auslöst und er deswegen verständlicherweise mit den Nerven am Ende ist. Beim Aufwachen hat er sich dann leider in verwirrtem Zustand fast alle Zugänge entfernt-Gott sei Dank nicht die ECMO-Zuleitungen-du weißt selber-das hätte er wohl nicht überlebt. Trotzdem hatte sich der venöse Schenkel angesaugt und wir hatten ein wenig Action, bis wir die Maschine wieder am Laufen hatten-aber das kennst du ja!“ spielte sie die Geschehnisse fast ein wenig herunter, aber was half es Sarah, wenn sie sich nachträglich noch aufregte? "Nun musste er ja neu verkabelt werden und leider hat der Assistenzarzt beim ZVK-Legen einen Pneu gestochen. Der Oberarzt hat dann persönlich den neuen ZVK eingebracht und als die beiden Ärzte danach miteinander eine Thoraxdrainage legen wollten, hat ausgerechnet beim Präparieren der Defi ausgelöst und Ben´s Lunge wurde mit der Schere verletzt. Der Assistenzarzt musste danach selber genäht werden und Ben hat leider eine Narkose gebraucht, damit man die Blutungen vor Ort stillen konnte. Jetzt ist er aber stabil und ich hoffe ab sofort geht es nur noch aufwärts mit ihm!“, tat sie kund und Sarah musste jetzt erst einmal tief durchatmen, um das Gesagte zu verdauen. „Aber er ist extubiert und stabil?“, fragte sie nochmals nach und Anita bejahte. „Richte ihm bitte ganz liebe Grüße aus und sag ihm, dass die Kinder wieder gesund sind. Morgen habe ich jemanden zur Betreuung und komme ihn dann besuchen-und Anita-sag ihm bitte, dass ich ihn liebe!“, setzte sie dann noch leise hinzu und Anita lächelte in sich hinein. Die beiden waren schon ein schönes Paar. „Ich werde es ihm ausrichten, wenn er ganz wach ist, aber im Moment muss er noch seine Narkose ausschlafen, mach dir aber keine Sorgen-ich passe schon auf ihn auf und sein Freund ebenfalls, der ihm heute auch schon das Leben gerettet hat, weil er ihn festgehalten und daran gehindert hat, sich die restlichen Schläuche auch noch raus zu reißen“, erzählte sie dann noch und Sarah musste jetzt erneut schlucken. So ernst war es gestanden, aber sie kannte solche Situationen durchaus, wenn eine Katastrophe die nächste nach sich zog.

    „So jetzt muss ich aber mal weitermachen und nach meinen anderen Patienten schauen-dein Ben wird jetzt hoffentlich eine Weile Ruhe geben, sonst will ich einen Zuschlag in Form einer Tafel Lindt-Schokolade!“, schmunzelte Anita und Sarah wusste, was sie am nächsten Tag mit ins Krankenhaus bringen würde. „Hast du morgen auch noch Spätdienst?“, erkundigte sie sich und atmete erleichtert auf, als Anita bejahte. „Und keine Sorge-ich achte bei der Übergabe drauf, dass eine erfahrene Pflegekraft deinen Mann nachts und in der Frühschicht versorgt, erhol du dich jetzt auch noch ein bisschen und dann sehen wir uns morgen!“, beendete sie das Gespräch und als Mia-Sophie nun zu heulen begann, weil sie sich den Kopf gestoßen hatte, konnte sich Sarah leichten Herzens erheben und sich um ihre kleine Tochter kümmern. „Tim-ich bringe Papa morgen dein Bild-der wird sich riesig freuen!“, sagte sie noch zu ihrem Sohn und jetzt konnte auch der wieder lachen.

    Semir hatte derweil neben Ben´s Bett Platz genommen und dessen Hand ergriffen. Die andere hatte Anita in weiser Voraussicht fest gemacht. „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!“, hatte sie dazu bemerkt und dem hatte Semir nichts hinzu zu fügen. Ben atmete ruhig und schlief noch friedlich seine Narkose aus und langsam kam auch Semir wieder runter. Er musterte seinen schlafenden Freund. So langsam wäre es mal an der Zeit, dass es aufwärts ging-aber das hatten sie leider nicht in der Hand. Würde Ben jemals wieder ganz gesund werden? Aber Hauptsache er überlebte, alles andere würde die Zeit bringen und eines wusste Semir gewiss-sein Partner würde um sein Leben und seine Gesundung kämpfen-Ben war noch nicht bereit aufzugeben!

    Dieser Wichtigtuer Wedekind! X(
    Ja das kann ich mir vorstellen, dass er es genießt im Mittelpunkt zu stehen. Endlich geschieht mal was in seinem öden Rentnerleben-und ich kann mich nicht erinnern, dass der Ben angefasst hätte, wie er behauptet! So vergeht wegen ihm und seiner Behauptung wertvolle Zeit, die vielleicht über Ben´s Leben entscheidet.
    Aber ich denke ich weiss, wo Tassilo hin will-der läuft zu Ben, ja Schäferhunde sind toll, ob Deutsche, oder Canadisch-Amerikanische. Und jetzt hoffe ich mal, dass dann endlich jemand bemerkt, dass Ben noch lebt!

    Oh Mann-Kevin bringt Marvin sogar zum Reden, er erfährt, warum die Flüchtenden erschossen wurden, obwohl sie nichts gemacht hatten und Ahmed versucht ein Held zu sein und wird einfach so umgebracht!
    Ich bewundere Kevin, dass es ihm gelingt, die drohend auf ihn gerichtete Waffe zu ignorieren-ich wär da vermutlich davor gesessen , hätte die wie das Kaninchen eine Schlange angekuckt und mir vor Angst in die Hose gemacht, denn dass die drei Jungs bereits eine Grenze überschritten haben und jetzt nicht mehr zurück können, ist ja klar. Kevin weiß inzwischen auch, wie Marvin gelernt hat mit einer Waffe umzugehen, aber zu meinem größten Erstaunen bekommt er sie nur in den Magen gerammt und wird nicht ebenso erschossen wie der arme Tunesier!
    Und wieder die bange Frage: Wo steckt Ayda?

    Anita reagierte sofort. Sie ging einen kurzen Moment aus dem Zimmer, rief sich einen Kollegen zu Hilfe, der alles andere sofort stehen und liegen ließ und schnappte sich ein Telefon. Wenig später waren ein Thoraxchirurg, unter dem Arm eine Sterilkassette mit speziellen Instrumenten und ein Anästhesist unterwegs und Anita, die vor ihrer Intensivkarriere im OP gearbeitet hatte, hatte mit wenigen Griffen einige Instrumentenverpackungen, Kittel, Tücher und Handschuhe, alles einzeln eingeschweißt, aus dem Eingriffswagen geholt, sich selber Haube und Mundschutz übergestülpt und begann auch schon, sich die Hände bis über die Unterarme chirurgisch zu desinfizieren. Der Oberarzt war inzwischen mit raschen Schritten zu seinem Patienten geeilt, hatte sich einen dicken Stapel Kompressen geschnappt und presste den mit Druck auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen. „Ganz ruhig bleiben, es wird alles gut werden!“, versuchte er dabei Ben und auch Semir zu beruhigen. Bei Ben wirkte das Morphin ein wenig und sein Schluchzen verebbte, aber Semir hatte das Gefühl in einem einzigen Alptraum fest zu stecken.

    Anita entging nicht, wie der Oberarzt nicht nur auf seinen Patienten sah, sondern zeitgleich die EKG-Kurve auf dem Monitor im Auge behielt. Sie wusste genau, was der Arzt befürchtete. Hatte der Assistenzarzt mit der Schere den Herzbeutel verletzt und wurde damit die Herzleistung vermindert? Die Lunge hatte auf jeden Fall etwas abgekriegt, denn als Ben nun hustete, war der Schleim mit schaumigem Blut durchsetzt. Eines war klar-es war die einzige Möglichkeit ihn hier im Zimmer zu operieren, denn bis man ihn mitsamt der ECMO transportfähig hatte, verging viel zu viel Zeit. Allerdings war es jetzt sein Glück, dass dieses Gerät lief, denn so war die Sauerstoffversorgung des Organismus zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Der Kardiotechniker war ebenfalls ins Zimmer geeilt und als der Pfleger, der jetzt sozusagen als Springer fungierte, eine arterielle Blutprobe entnommen hatte, nahm sie der Techniker entgegen und veränderte nach deren Analyse im Blutgasgerät die Einstellungen nach Absprache mit dem Oberarzt. „Ich hätte gerne zwei Konserven-es sind genügend für Herrn Jäger eingekreuzt!“, bat der nun und der Transportdienst machte sich sofort von der Blutbank her auf den Weg.

    Inzwischen waren der Chirurg und die Anästhesistin angekommen, der Assistenzarzt, dem inzwischen nicht mehr schwindlig war, hatte eine Kompresse auf den blutenden Finger gedrückt und sich auf den Weg in die Ambulanz gemacht, wo er mit ein paar Stichen genäht wurde, nachdem man die Wunde noch ein wenig hatte ausbluten lassen, um etwaiges Fremdmaterial heraus zu schwemmen. „Wir brauchen auch noch Blut des Patienten an dem du dich verletzt hast-das wird alles dokumentiert. Wir nehmen auch jetzt sofort bei dir noch Blut ab, das wird aus forensischen Gründen analysiert, damit du für die Berufsgenossenschaft einen Nachweis hast, falls du dich mit irgendetwas angesteckt haben solltest und das Blut des Patienten darf nun, ohne dass er um sein Einverständnis gefragt werden muss, auf HIV untersucht werden. Sollte er positiv sein, beginnen wir noch heute bei dir mit der Prophylaxe, aber die hat ziemliche Nebenwirkungen, also machen wir das nur bei begründetem Verdacht einer Infektion.“, wurde er aufgeklärt und als er einen dicken Verband und eine Schiene erhalten hatte, ihm gesagt worden war, dass er bis zum völligen Zuheilen der Wunde nicht am Patienten arbeiten durfte, was auch bei problemlosem Heilungsverlauf nach dem Fadenzug in etwa 10 Tagen noch ein wenig dauern würde, machte er sich voller schlechtem Gewissen auf den Weg zurück auf die Intensivstation, um noch die Sache mit der Blutprobe in die Wege zu leiten. Die ganze Zeit zermarterte er sich den Kopf, was er hätte anders machen sollen, aber er kam zu dem Entschluss, dass die Verletzung schicksalhaft gewesen war. Der Oberarzt hatte die Wunde bei Herrn Jäger inzwischen sicher gestillt, aber als er nun die Intensiv betrat, kam ihm gerade der leichenblasse Freund des Patienten entgegen. „Er wird gerade operiert!“, sagte der tonlos und ließ sich mit zitternden Knien in der Sitzecke nieder.

    Einerseits hatte Semir eine Stinkwut auf den jungen Arzt, aber andererseits war auch ihm klar, dass das eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen war und er erinnerte sich noch allzu lebhaft an den Stromschlag, den er abgekriegt hatte, als er Ben gebändigt hatte-da hatte man keine Kontrolle mehr über die Feinmotorik! Wie in Trance ließ Semir die Geschehnisse der letzten Minuten Revue passieren. Anita hatte sich einen Instrumentiertisch heranfahren lassen, die Instrumente, die der Thoraxchirurg mitgebracht hatte, ausgepackt und wenig später hatte man mit einem fahrbaren Sauger und dem Einschalten einer speziellen Lampe am Bettplatz das Intensivzimmer in einen OP verwandelt. Die Anästhesistin war vom Kardiologen mit wenigen Worten über die Situation aufgeklärt worden, hatte dem Pfleger gesagt, was sie für die Narkose bei Ben für Medikamente haben wollte und mit schreckgeweiteten Augen hatten Ben und er die Vorbereitungen für die Intubation mit angesehen. „Semir ich will nicht sterben!“, waren die letzten Worte seines Freundes gewesen, dessen Hand er verzweifelt fest gehalten hatte, bis das Narkosemittel in seine Adern floss und seine Augen zufielen. „Herr Gerkhan-warten sie bitte draußen-wir holen sie herein, sobald wir ihren Kollegen versorgt haben!“, sagte Anita mit aller Wärme und Zuversicht in der Stimme, die sie aufbringen konnte und Semir schlich jetzt wie ein geprügelter Hund aus dem Raum. Aus den Augenwinkeln sah er noch, wie die Ärztin Ben´s Kopf überstreckte, das Laryngoskop zur Hand nahm und den Tubus einführte, aber dann blickte er sich nicht mehr um, sondern ging wie befohlen in die Besucherecke, um dort zu warten.

    Im Patientenzimmer hatte man inzwischen ein Beatmungsgerät heran gefahren. Auf Lachgas und andere Narkosegase musste man in diesem Fall verzichten, den dazu hätte man ein Narkosegerät gebraucht, aber es war wichtig, dass Ben mit einem gewissen Überdruck beatmet wurde. Wenn die ECMO nicht gelaufen wäre, hätte man den Patienten mit einem Doppellumentubus intubiert und die eine Lungenhälfte still gelegt, aber in seinem Spezialfall war das nicht notwendig. Die Narkose war tief, woraufhin natürlich der Blutdruck einbrach und kreislaufstützende Medikamente eingesetzt wurden. Erst eine Infusion im Schuss und dann die Blutkonserven stabilisierten den Kreislauf und während der Thoraxchirurg, der sich inzwischen ebenfalls die Hände chirurgisch dreimal desinfiziert und Sterilkittel und Handschuhe angezogen hatte, den Hautschnitt erweiterte und das Gewebe stumpf vom Knochen abpräparierte, reichte Anita ein Instrument an, das aussah, wie aus der Heimwerkerkiste. „Im OP hätten wir die Rippen jetzt elegant mit der Säge durchtrennt!“, erklärte der erfahrene Arzt, während er drei Rippen unter Kraftaufwand mit dem Instrument, das aussah wie eine Baumschere, brach, was laut knackte und dann einen Rippenspreitzer einsetzte, um einen Überblick über das Ausmaß der Verletzung zu bekommen. Man schob mit stumpfen Spateln das verletzte und blutende Gewebe beiseite und jetzt war es am Kardiologen erleichtert aufzuatmen. „Das Herz ist unverletzt“, teilte er mit und nun begann der Thoraxchirurg mit der Blutstillung. Man konnte die Lunge nicht nähen, aber alle Gefäße, die spritzend bluteten, wurden unterbunden oder umstochen, man saugte das Blut ab und als die Blutung nach wenigen Minuten stand, wurde der Rippenspreitzer entfernt und die Rippen wieder an ihren Platz geschoben. „Angesichts seiner Jugend verzichten wir auf eine Verdrahtung-das heilt von alleine. Wir legen die Thoraxdrainage ein wenig tiefer, damit wir das Ganze auch dicht kriegen, wenn wir den Schlauch entfernen!“, erklärte der Chirurg und nur Minuten später befand sich die Drainage an Ort und Stelle, die sofort angeschlossene Thoraxsaugung förderte blubbernd Luft und Blut und die Haut wurde nun fein säuberlich vernäht. Wie der Kardiologe es dem Assistenzarzt hatte zeigen wollen, legte der Thoraxchirurg um den daumendicken Schlauch eine Tabaksbeutelnaht und ließ die Fadenenden lang, damit man nach Entfernung der Drainage einfach die Haut zusammen zurren und dadurch keine Luft einströmen konnte.

    „Soll ich ihn wieder wach werden lassen, oder möchten sie ihn nachbeatmen?“, fragte nun die Anästhesistin, die routiniert die Narkose geleitet hatte. Zum guten Glück war es auch während der Operation nicht zu Kammerflimmern gekommen, aber die beiden erfahrenen Ärzte hatten einfach zwei paar Handschuhe übereinander angezogen, so wären sie isoliert gewesen. „Von meiner Seite aus spricht nichts dagegen, ihn zu extubieren-ich würde aber vorschlagen, wir holen seinen Freund wieder dazu, damit er in der Aufwachphase ruhig bleibt!“, sagte der Kardiologe und so sah Semir überrascht auf, der sich auf eine stundenlange Wartezeit eingestellt hatte, als der Pfleger kaum 20 Minuten später vor ihm stand.

    „Sie dürfen wieder herein kommen-nicht erschrecken, es sieht noch ein wenig chaotisch aus im Zimmer, aber ihrem Freund geht es relativ gut!“, informierte ihn der junge Mann und tatsächlich-Ben lag friedlich auf dem Rücken, als Semir wieder herein kam, er war bereits extubiert, aber noch nicht ganz wach. Seine Seite bedeckte ein dicker Klebeverband und ein weiterer Schlauch ragte aus ihm heraus. „Setzen sie sich zu ihm und reden mit ihm, das tut ihm gut!“, ermunterte ihn Anita, die gerade die blutigen Instrumente abwarf. Man hatte auch anhand der Blutgase die ECMO wieder angepasst, das Serumröhrchen für den HIV-Test entnommen und ins Labor gegeben und die zweite Blutkonserve tropfte gerade in den Patienten, um den Blutverlust auszugleichen.
    „Ich werde, sobald ich hier fertig bin, Sarah anrufen und hoffe, dass ich sie diesmal erreiche. Ich denke so von Fachfrau zu Fachfrau spricht sich das leichter, als wenn sie das machen!“, sagte Anita freundlich und nachdem sie Semir, den verletzten Assistenzarzt und nicht zuletzt sich selber mit einer Tasse Kaffee gestärkt hatte, wählte sie erneut die Nummer ihrer Kollegin, um der endlich Bescheid zu geben.

    Jetzt wissen wir also, dass Marvin noch nicht identifiziert wurde. Jens ist sicher das schwächste Glied in der Kette, wenn, dann kann man vielleicht den zum Aufgeben bewegen. Aber mich macht es wütend, dass der Physiklehrer eigentlich kapiert hat, was an seiner Schule vorgeht, aber nicht verstanden hat, dass es auch an ihm als Lehrer liegt, einzelne Außenseiter zu fördern, zu bestätigen und zu integrieren-eben damit sowas nicht vorkommt!
    Tobias wurde völlig richtig eingeschätzt, aber der ist einfach mega gefährlich und Väter, wie der von Marvin, die mit ihren halbwüchsigen Jungs Schießtraining machen, finde ich auch suspekt-wobei, bei uns auf dem Dorf hat der Schützenverein immer regen Zulauf, etwas , was ich als geborenes Stadtkind eigentlich so nicht kenne.
    Ben behält wenigstens die Nerven, wobei auch er stärker in den Fall involviert ist, als bei einem gewöhnlichen Verbrechen-das hast du sehr gut beschrieben, Campino. Und wie gut kann ich Semir verstehen, der am liebsten sein südländisches Temperament spielen lassen und die Schule stürmen würde-aber ich bin sehr froh, dass er genau das nicht tut, denn das wäre vermutlich das Todesurteil für Ayda-wenn sie denn überhaupt noch lebt ;( . Ben´s Theorie, dass sie nicht in Gefahr schwebt, weil sie ja nicht an dieser Schule, hat nur eine Lücke, die die Kommissare aber beide noch nicht kennen-wer flieht, wird erschossen-und anscheinend ist Ayda geflohen!
    Trotzdem finde ich Ben´s Bemerkung zu Kevin sehr ehrlich-er vertraut ihm wieder-ich hoffe das bleibt auch so!

    Der liebe Tassilo! Der Hund bemerkt natürlich im Gegensatz zu seinem doofen Herrchen, dass Ben noch lebt. Mit der Betonung auf noch...
    Mann das kann doch nicht sein-jetzt ist die Rettung so nah und dieser überhebliche Hundebesitzer behauptet einfach, Ben sei tot, ohne sich davon richtig überzeugt zu haben. Er bestraft sogar noch den treuen Hund-ich bin so sauer, dass ich am liebsten in deine Geschichte springen, den Typen vermöbeln, dem Hund eine riesige Belohnungswurst geben und anschließend Ben medizinisch versorgen möchte!

    Bei Elisa war endlich die Isolierung aufgehoben worden und aufatmend strebte sie aus dem Zimmer. Ihre Tochter war ebenfalls aus dem Urlaub zurück, hatte sie auch pflichtschuldig besucht und ihr ein paar Sachen gebracht, sich dann aber wieder ziemlich rasch aus dem Staub gemacht; auf die weinerlichen Vorwürfe ihrer Mutter, die gleich laut geworden war, konnte sie dankend verzichten. Sie wusste schon, warum sie keinen allzu engen Kontakt mehr wollte, seitdem sie erwachsen war und ihr Bruder dachte da genauso darüber. So schlüpfte Elisa mühsam in eine Leggins und ein weites Kunstfasershirt, das noch Platz für die Thoraxdrainage ließ, zog ihre Pantoffeln an und machte sich mit dem Saugbehälter, der auf einem Wägelchen montiert war, damit er nicht umkippen konnte, auf den Weg, ein wenig das Krankenhaus zu erkunden.
    In der Eingangshalle traf sie zufällig auf Natascha, die gerade gemeinsam mit ihrem Freund an der frischen Luft gewesen war. „Hallo-was treibst du denn noch da-na da sind dem Kindchen wohl die Nerven durchgegangen-dir hat doch überhaupt nichts gefehlt, als wir aus dem Keller befreit wurden. Aber das war ja klar, dass sich da jemand in den Mittelpunkt spielen, oder vermutlich in der Nähe ihres Geliebten sein wollte!“, spottete Elisa, die sich noch gut an die Erzählung Natascha´s im Keller erinnern konnte und auch an Sarah´s erschrockene Reaktion darauf. Dieser Jäger war einfach fremd gegangen. So wie der aussah, nahm der doch alles mit, was nicht bei drei auf den Bäumen war und voller Genugtuung gönnte sie Sarah diese Schmach und gleichzeitig verachtete sie diese Kindfrau vor ihr, die vermutlich mit ihrem Bruder gerade ein wenig unterwegs war und seit Tagen das Krankenkassensystem belastete. Der fehlte doch nichts, während sie diejenige war, die es am Schlimmsten erwischt hatte.

    Natascha kämpfte mit sich, ob sie sich gegen die Anschuldigungen wehren sollte, aber dann beschloss sie zunächst, die Frau einfach reden zu lassen. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, dass die beiden Grazien im Keller Ben nicht geholfen hatten. „Und wie geht es deinem Liebhaber-lebt er noch, oder ist er schon abgekratzt?“, fragte Elisa dann hämisch, aber jetzt wurde es der jungen Frau doch zu viel. „Erstens ist Ben nicht mein Liebhaber, es stimmt, dass ich in ihn verknallt war, aber jetzt weiß ich, dass er glücklich verheiratet ist und mich nur dienstlich als Informantin benutzt hat und außerdem schwebt er immer noch in akuter Lebensgefahr, aber er wird es schaffen, daran glaube ich fest. Aber sie wissen nicht im Geringsten, was seitdem geschehen ist, sondern reden einfach blöd daher, um mich zu verletzen und sowas ist unterste Schublade!“, warf sie ihrer Kontrahentin an den Kopf, Stefan legte liebevoll den Arm um sie und gemeinsam wandten sie sich von Elisa ab, die für einen Augenblick sprachlos zurück blieb, dann wütend auf schnaubte und mit ihrem Wägelchen weiter fuhr. Was fiel dieser Rotzgöre ein, so mit ihr zu reden! Na warte, das würde die noch büßen, nur fiel ihr im Augenblick nicht ein wie.

    Auf der Intensivstation war inzwischen der Oberarzt zunächst einmal an Ben´s Bett getreten und hatte ihn mit warmer freundlicher Stimme angesprochen: „Herr Jäger-ich weiß, dass sie sehr erschöpft sind und ich verspreche ihnen, sie in Ruhe zu lassen und ihnen ihren Schlaf zu gönnen, wenn die Drainage liegt, aber wie sie vielleicht schon heraus gehört haben, müssen wir jetzt noch einen kleinen Eingriff vornehmen. Ich habe ihre Akten studiert und meine mich zu erinnern, dass sie schon einmal eine Lungenverletzung hatten, die mit einer Thoraxdrainage behandelt wurde, also haben sie-auch wenn es schon eine Weile her ist- bereits eine Vorstellung davon, was wir jetzt machen müssen. Sie bekommen von uns eine örtliche Betäubung seitlich zwischen zwei Rippen gespritzt, dort gehen wir dann mit einem kleinen Schnitt ein und legen einen Drainageschlauch in den Zwischenrippenraum. An den kommt ein Dauervakuum, damit die Luft, die sich dort angesammelt hat, kontinuierlich abgesaugt werden und sich der aktuell zusammen gefallene Lungenflügel wieder entfalten kann. Diese Drainage muss etwa eine Woche liegen bleiben, aber sie ist absolut notwendig-haben sie mich verstanden und sind sie mit dem Eingriff einverstanden, der leider nicht völlig schmerzfrei durchzuführen ist?“, fragte er dann und Ben nickte müde-was hätte er auch sonst tun sollen.

    Während der Assistenzarzt und der Oberarzt Haube und Mundschutz anlegten und sich jetzt die Hände chirurgisch desinfizierten, wies der erfahrene Arzt seinen Assistenten darauf hin: „Reden sie bitte immer mit ihren Patienten, auch wenn die sediert sind. Erklären sie ihnen, was sie machen wollen, das zeugt auch von ihrem Respekt dem Kranken gegenüber. Sie müssen sich immer im Klaren sein-so notwendig ein Eingriff auch sein mag, im Endeffekt begehen sie eine Körperverletzung, die nur deshalb keinen Straftatbestand darstellt, weil der Patient oder sein gesetzlicher Betreuer eingewilligt haben. Nur als absolute Notfallindikation, oder bei einem bewusstlosen Patienten dürfen-oder müssen sie sogar, lebensnotwendige Maßnahmen auch gegen seinen Willen durchführen, aber das ist rechtlich ein sehr schmaler Grat und auch jedes Mal aufs Neue eine Einzelfallentscheidung. Wenn Herr Jäger jetzt nicht an der ECMO wäre, hätte er allerdings massive Atemnot und würde dann vermutlich gerne zustimmen, aber in seinem speziellen Fall sähe er vielleicht keinen Sinn darin, sich einem durchaus schmerzhaften Eingriff zu unterziehen, darum ist es an ihnen als Arzt, ihm die Notwendigkeit dafür nahe zu bringen“, unterwies er den jungen Doktor.

    Schwester Anita hatte derweil mit einem warmen mütterlichen Lächeln und Semir´s Hilfe eine Einmalunterlage, um das Bett zu schützen, unter Ben´s rechte Seite auf Höhe des Oberkörpers gelegt, das Hemd entfernt und ihn leicht auf die linke Seite gedreht. Der Oberarzt überließ ihr die Entscheidung, was sie mit Herrn Gerkhan machen sollten und sie beschloss, dass der starke Nerven hatte, nicht umfallen würde und außerdem seinen Freund seelisch unterstützen konnte. Zudem war es nicht verkehrt, wenn der Ben´s Arm ein wenig nach oben ziehen und auch festhalten könnte und so bat sie ihn: „Herr Gerkhan-würden sie bitte ans Kopfende des Bettes gehen-dann sind sie uns nicht im Weg und ihr Freund hat sie trotzdem ganz nah bei sich!“, bat sie und Semir nahm mit einem Nicken den ihm zugewiesenen Platz ein. Anita legte nun Ben´s Arm nach oben und wies Semir an, den in dieser Position locker fest zu halten.

    Die beiden Ärzte hatten sich inzwischen steril angezogen, der Oberarzt hatte seinem Assistenten die Schüssel mit den Tupfern und dem farbigen Desinfektionsmittel in die Hand gedrückt und ihn gebeten abzustreichen, während er sich die restlichen benötigten Instrumente und die Drainage selbst von Anita anreichen ließ und auf dem Steriltisch ablegte. Gerade wollte er anfangen, da fing er den auffordernden Blick seines Vorgesetzten auf und ein wenig unwillig, denn er fand dieses ganze Gerede ziemlich unnötig, informierte er dann aber dennoch den Kranken. „Herr Jäger, es wird jetzt mal nass und kalt, ich muss ihren Brustkorb desinfizieren!“, sagte er und das beifällige Nicken seines Chefs bestätigte ihn. Ben´s Brustwarzen richteten sich unwillkürlich auf, als das kalte Desinfektionsmittel aufgetragen wurde, aber wenig später war der gesamte rechte Brustkorb bis zur Mittellinie vorne und hinten, nach unten bis zur Taille und oben bis zur Hälfte des Oberarms desinfiziert. Gemeinsam legten die beiden Ärzte das große Klebesteriltuch mit Fenster auf und Ben verschwand fast darunter. „Sie mussten ja sicher bereits Thoraxdrainagen legen-nach welchem System haben sie das bisher gemacht?“, fragte jetzt der Oberarzt und der Lernende erwiderte. „Ich hab es bisher immer mit Trokar gemacht!“ und der Oberarzt nickte. „Dann werden wir es jetzt einmal mit einer Mikrothorakotomie machen-beide Methoden stehen gleichwertig nebeneinander, ich persönlich fühle lieber, wo ich eingehe“, und nun tasteten die zwei Ärzte Ben´s Rippen ab und zählten sich nach unten, um den optimalen Zugangsort zwischen der fünften und der sechsten Rippe zu finden. Anita hatte bereits das Lidocain angereicht, das Lokalanästhetikum, das steril in eine Spritze aufgezogen wurde und das der junge Arzt jetzt erst in die Haut und dann mit einer zweiten langen Nadel auch in die tieferen Gewebeschichten einbrachte. Auf den mahnenden Blick seines Vorgesetzten hin, erklärte er dazu: „Ich betäube jetzt das Gewebe-Vorsicht es piekt!“ und der Oberarzt nickte zustimmend. Ben zuckte kurz zusammen, blieb aber ruhig liegen und Semir verstärkte nur den warmen Druck seiner Hand ein wenig, um seinem Freund zu signalisieren, dass er ihm beistehen würde. Die Haut fühlte sich an wie Holz und als nach einer kurzen Wartezeit der Oberarzt nun zum Skalpell griff und einen kleinen, nur etwa zwei Zentimeter langen Hautschnitt über dem Unterrand der Rippe machte, tat das zunächst auch gar nicht weh.
    „Wie sie ja aus dem Anatomieunterricht wissen, verlaufen in jedem Zwischenrippenraum eine Vene, eine Arterie und der sehr schmerzempfindliche Interkostalnerv. Der Körper schützt seine wichtigsten Organe und wenn ich spüre, wo ich bin, kann ich schon nichts verletzen, das ist der Vorteil, wenn ich ohne Trokar arbeite“, erklärte der erfahrene Arzt, während er geschickt mit dem Finger das kleine Loch in Ben´s Seite dehnte und sich in die Tiefe tastete. Ben spürte außer einem unangenehmen Druck in seiner Seite bisher nichts, auch nicht, als der Oberarzt seinen Finger aus ihm nahm und nun seinen Assistenten aufforderte, es ihm nachzutun. Nun versenkte der Assistenzarzt seinen Finger und als er jetzt angehalten wurde, stumpf das Gewebe zu durchtrennen, machte er das, aber es war sofort fühlbar, wer hier die längere Erfahrung hatte. „Wenn man mit dem Finger nicht mehr weiter präparieren kann, nehme ich persönlich eine Schere und arbeite mich damit vorsichtig weiter in die Tiefe vor!“, soufflierte der Oberarzt und sein Lehrling tat, wie ihm befohlen wurde. Nun kam ein Aufseufzen über Ben´s Lippen und er verzog das Gesicht. Trotz Betäubung war es jetzt vorbei mit der Schmerzfreiheit und Semir überkam ein großes Mitleid. Erst vor wenigen Tagen hatte ihn Sarah derart gequält, um sein Leben zu retten und jetzt ging das weiter und die ganze moderne Medizin konnte ihm seine Schmerzen nicht nehmen. Während der junge Arzt sich jetzt verbissen unter Anleitung weiter in die Tiefe vorarbeitete, begann Ben vor sich hin zu jammern, der Schweiß brach ihm aus allen Poren und gerade als Anita die Spritze mit dem Morphin zückte, um seine Schmerzen wenigstens ein bisschen zu lindern, begann von der Aufregung und Anstrengung sein Herz zu flimmern.
    Semir konnte ihn, als der laute Alarmton ertönte, gerade noch los lassen und hatte dabei ein schlechtes Gewissen, wusste aber zugleich, dass er nicht nochmals so einen Stromschlag abbekommen wollte. Der Assistenzarzt allerdings kriegte seinen Finger nicht mehr rechtzeitig aus der Wunde und weil er in der anderen Hand die Schere hatte, die den Strom extra gut leitete und sein Handschuh, der das Instrument hielt, wohl irgendwo ein kleines Loch hatte, das man zwar mit bloßem Auge nicht erkennen konnte, das aber dennoch vorhanden war, erhielt er einen Schlag, der ihn beinahe von den Beinen holte. Er schrie gemeinsam mit Ben laut auf, rammte sich bei dieser Aktion gleich noch die Schere in die Fingerkuppe, rutschte damit anschließend ab und als er dann reflexhaft von dem jungen Polizisten weg sprang, lief das Blut aus seiner Fingerkuppe und er starrte fassungslos auf seine Hand, während Ben´s jammervolle Schreie in ein Schluchzen übergingen.

    Anita spritzte geistesgegenwärtig ihrem Patienten ein wenig Morphin und zog dann einen Stuhl heran, auf den sie den verletzten Arzt drückte, der ganz blass um die Nasenspitze war. Der Oberarzt besah sich, ohne sich unsteril zu machen kurz die Wunde seines Kollegen und ordnete an: „Wenn ihr Kreislauf wieder mitspielt, gehen sie in die Ambulanz und lassen das nähen!“ und dann wandte er sich Anita zu und bat sie: „Und sie rufen mir bitte sofort einen Chirurgen aus der Thoraxchirurgie und einen Anästhesisten zu Hilfe, ich befürchte, das schaffe ich nicht alleine!“, denn jetzt sah man erst, wie das Blut pulsierend aus Ben´s Seite schoss.

    Nun sind Semir und Ben endlich am Tatort eingetroffen. Ja das kann ich mir vorstellen, dass niemand den türkischen Hengst aufhalten kann, wenn der versucht, seine Tochter zu befreien, aber gut, dass erfahrene Beamte in der Einsatzleitung sind.
    Vielleicht bringt es tatsächlich was, wenn die Eltern der Geiselnehmer versuchen auf ihre Kinder einzuwirken, allerdings befürchte ich, dass sich die drei Jungs-oder zumindest zwei davon schon so in ihrem Rachefeldzug verstrickt haben, dass die sich nicht bequatschen lassen werden. Ich sehe Semir schon irgendwie ins Gebäude klettern, um Ayda da raus zu holen-ach ja, wo steckt die eigentlich? Meine Unruhe steigt mit jedem Kapitel, in dem du uns das nicht verrätst, Campino! Und ich muss silli beipflichten-du hast die Charaktere Semir und Ben sehr nah an der Serie beschrieben, genau so würden die agieren!