Beiträge von susan

    Dieses dusslige Verhör ist aber sowas von in die Hose gegangen! Wenn natürlich der Dienststellenleiter persönlich mit unter der Decke steckt, wird es schwer, da einen offiziellen Weg zu beschreiten. Anna Engelhardt stellt sich zwar auch immer vor ihre Leute, aber in so einem Fall würde sie das nicht machen, also hat auch Frege Dreck am Stecken und vielleicht ist ja er der eiskalte Mörder.
    Torben wäre in seiner Unsicherheit sicher ein Ansatzpunkt, aber den müsste man sich vornehmen, ohne dass er Rückendeckung von seinen Komplizen hat. Und Kevin mit genau dem zu konfrontieren, was in seiner Vergangenheit den größten Schmerz verursacht hat, hat System, um ihn endgültig beruflich, aber auch psychisch zu vernichten-wenn nicht der Mörder eher zuschlägt... ;(

    Auch wenn Ben schlecht geschlafen hat und ihn die Alpträume an seine Entführung immer noch verfolgen-das gemeinsame Duschen mit Anna, seiner Traumfrau entschädigt ihn dann doch für Vieles!
    Er weiht sie auch in seine Probleme mit Semir ein-und angetrunken zum Nachtdienst-puh, das ist ne ganz schöne Nummer! Semir soll mal schön aufpassen, sonst ist der seinen Job auch bald noch los, nicht nur Andrea!

    Ja Kevin fällt wieder in alte Verhaltensmuster zurück-anstatt sich den Problemen zu stellen, sie anzugehen und vielleicht auch mit psychologischer Hilfe dauerhaft zu bewältigen, will er davon laufen. Auch Drogensucht ist ja eine Art des Davonlaufens und wenn er erst mal mit Jerry im Ausland ist, dann irgendwie von Anis von dessen Verrat erfährt, wird er vermutlich wieder zu Drogen greifen und seine Existenz und seine Gesundheit ruinieren.
    Vielleicht sollte er Jenny auch einfach mal fragen, was sie möchte und ob sie ihn nicht auch so lieben kann wie er ist-mit Altlasten und Geheimnissen-oder habt ihr eure (Ehe)partner haarklein über alle vorherigen Liebschaften etc. aufgeklärt-ich finde nicht, dass für eine funktionierende Partnerschaft alles offen gelegt werden muss, wenn es den neuen Partner nicht direkt betrifft. Jeder will immer einen männlichen Mann mit Geheimnissen, aber er soll mit nichts hinter dem Berg halten-irgendwie ein Paradoxon!
    Aber Semir hört zumindest zu und sagt auch etwas zu der Situation-allerdings kommen alte Erinnerungen hoch und einen väterlichen, oder einen freundschaftlichen Rat geben, ist doch ein Unterschied.

    Ben war wieder in wirren Träumen gefangen. Flashbacks schossen durch sein Hirn, er war abwechselnd im Keller gefesselt, lag voller Schmerzen vor Maria entblößt, ohne sich wehren zu können und dann wieder stand Sarah in ihren atemberaubenden Dessous vor ihm. Er wollte sich ihr begehrlich nähern, aber als er die Hand ausstreckte, um sie zu berühren, verwandelt sich ihr zartes Gesicht plötzlich in Maria´s Fratze, der hübsche Busen fiel herunter und wollte ihn ersticken und dann blitzte wieder die Spritze in ihrer Hand, die ihm weh tun und ihm seinen Samen rauben wollte. Dazwischen starrten ihn hunderte Augen aus Gläsern an und dann wurde ihm bewusst, dass er selber so verschwommen sah, weil eines seiner Augen in so einem Glas schwamm.
    Semir war auf einmal auch ein anderer, der ihn quälte, ihn anschrie und nun gemeinsam mit Maria auf ihn eindrang und ihm etwas in die Nase steckte, was ihn würgen ließ. Mit einem Entsetzensschrei erwachte er. Er fühlte sich hundeelend und hatte Schmerzen, war zu Tode erschöpft, obwohl er doch gerade geschlafen hatte und erst als er seinen hektischen Atem kontrolliert hatte, dann auch nicht mehr so verschwommen sah, wurde ihm bewusst, dass er im Krankenhaus auf der Intensivstation war und jemand neben ihm leise schnarchte. Als er den Kopf drehte, lag da Hartmut und langsam kam Ben ein bisschen runter. Niemand war da, der ihm Böses wollte und als schon die Morgendämmerung durchs Fenster schien, schlief er wieder ein wenig ein, bis die Nachtschwester ihm bei ihrem letzten Durchgang Blut abnahm und ihn anders hin legte.

    Auch Hartmut war wieder wach und besah sich nun seinen schlafenden Freund. Würde das Mittel ihn retten, oder ging es weiter mit ihm bergab? An den Werten auf dem Monitor hatte sich noch nichts geändert, alle Beutel und Zugänge sahen gleich aus und als er die Nachtschwester nach ihrem letzten Durchgang leise fragte, ob sich bei seinem Kollegen irgendetwas verbessert habe, schüttelte sie bedauernd den Kopf. Ben schien nun wach zu sein und als Hartmut ihn anlächelte und ihm einen guten Morgen wünschte, schloss der Dunkelhaarige nur müde die Augen. Verzweifelt versuchte Ben Ordnung in seine wirren Gedanken zu bringen, aber immer wieder erschienen Semir und Sarah mit Teufelsfratzen vor seinem inneren Auge, die auf ihn eindrangen, ihm Gewalt antaten und Schmerzen bereiteten.

    Im Nebenzimmer war anscheinend auch ein Notfall, denn eilig wurden der Reawagen und eine Beatmungsmaschine vorbei gefahren, aber auf so einer Intensivstation war ja immer etwas los und auch wenn er doch etwa vier Stunden geschlafen hatte, war Hartmut wie gerädert und sehnte sich nach einer Dusche und einem bequemen Bett. Als er bemerkte, dass Ben´s vor Fieber glänzenden Augen jetzt auf ihm ruhten, lächelte er ihn an. „Und wie geht’s dir? Fühlst du dich schon ein bisschen besser?“, fragte er betont munter, aber sein Gegenüber schüttelte nur stumm den Kopf. „Das wird schon!“, versicherte er möglichst positiv, aber der junge Polizist wandte den Kopf ab.

    Warum war Semir nur auf die andere Seite gewechselt? Was hatte Maria mit ihm gemacht und warum hatte seine geliebte Sarah ihn verraten? Er schloss erneut die Augen und dämmerte vor sich hin, bis die Schwester vom Frühdienst zum Waschen kam. Hartmut sah kurz auf die Uhr. Um acht wäre die nächste Medikation fällig, er hatte Hunger und musste auch mal dringend zur Toilette, außerdem würde es ihn interessieren, wann Semir käme, um ihn abzulösen. „Ich gehe mal kurz raus, komme aber nachher wieder“, verkündete er und die Schwester nickte. „Geht in Ordnung-wir hier erledigen inzwischen die Morgentoilette, bis später!“, verabschiedete sie ihn betont munter, dabei war ihr gar nicht wohl in ihrer Haut. Im Nebenzimmer kämpfte nämlich die junge Ehefrau ihres Patienten um ihr Leben, doppelt schwer, weil sie ja auch ihrer aller Kollegin und teilweise Freundin war- aber sie waren bei der Übergabe überein gekommen, ihm das nicht zu sagen-damit wollte man warten, bis Herr Gerkhan wieder bei ihm war und das zuerst mit dem besprechen, nicht dass Herr Jäger dann komplett durch drehte. Wie das persönliche Verhältnis zu seinem rothaarigen aktuellen Betreuer war, wusste nämlich niemand-vielleicht war das ja wirklich nur ein Kollege von der Polizei.

    Hartmut fuhr sich auf der Krankenhaustoilette mit einem Kamm durch die Haare, die wie jeden Morgen in alle Richtungen standen, klatschte sich kaltes Wasser ins Gesicht und kaufte sich dann in der Cafeteria, die Gott sei Dank bereits ab sieben Uhr geöffnet hatte, einen großen Kaffee und ein belegtes Brötchen. Danach fühlte er sich wieder wie ein Mensch, telefonierte noch kurz mit Semir, der nach dem Frühstück kommen wollte und machte sich dann auf den Rückweg zur Intensivstation-in 15 Minuten war die nächste Dosis fällig. Tatsächlich war die Schwester auch bei Ben inzwischen fertig, er war gewaschen, seine Verbände waren erneuert und das Bett komplett frisch bezogen. Allerdings war er von der Prozedur furchtbar erschöpft, hatte auch wieder ein Opiat zum Verbandswechsel bekommen, das ihn noch mehr durcheinander machte, als er es sowieso schon war, aber er wehrte sich auch diesmal nicht, als Hartmut ihm das Medikament eingab. Was der zu ihm dabei sagte, war ihm schnurzpiepegal, anscheinend wollte er ihm ja nicht helfen, hier weg zu kommen und so hatte er einfach resigniert. Sollten sie mit seinem Körper machen, was sie wollten, er merkte wie die Lebenskraft immer geringer wurde und wartete auf den hoffentlich gnädigen Tod.

    Semir erwachte am Morgen erholt, als die Sonne ihn in der Nase kitzelte. Der gestrige Tag erschien ihm wie ein böser Traum und als er die noch schlafende Andrea musterte, die völlig entspannt in ihren Kissen lag und aus dem Kinderzimmer die Mädchen kichern hörte, wurde ihm bewusst, wie gut es ihm ging und wie dankbar er für seine Familie sein konnte-und dass sie alle gesund waren. Es war Samstag, deshalb war kein Wecker gestellt und als er nun leise aufstand und gemeinsam mit seinen Kindern, die sich freuten ihn zu sehen, das Frühstück vorbereitete, schalt er sich selber einen Narren. Was hatte ihn nur gestern geritten, so ungerecht zu Ben zu sein? Er würde sich jetzt in aller Ruhe fertig machen und dann in die Klinik zu seinem besten Freund fahren, dem es hoffentlich schon besser ging und sich entschuldigen. Andrea war inzwischen auch aufgestanden und heute frühstückten sie gemeinsam im Schlafanzug und ließen es langsam angehen. Auf seinem Handy war keine Nachricht-weder von Sarah, noch von der Intensivstation und das wertete er als gutes Zeichen. Kurz vor acht rief Hartmut an und er versicherte ihm, ihn demnächst abzulösen. Als er sich gegen neun gemütlich auf den Weg machte, hatten ihm Andrea und die Kinder liebe Grüße an Sarah und Ben aufgetragen und während er durch das morgendliche Köln fuhr, auf dessen Straßen heute nicht- wie werktags um diese Zeit- das Chaos herrschte, fühlte er sich wieder frisch und voller Energie-die Auszeit hatte ihm gut getan!

    Wenigstens ein Ansatz-Semir merkt, wie ihm seine Familie fehlt und will mit ihr reden. Allerdings muss er auch umdenken-denn nur weil ER seine Familie und seine Frau zurück will und sein bisheriges Leben weiterführen möchte, will Andrea das vielleicht noch lange nicht-zumindest nicht solange sich nichts ändert. Zumindest einen Schritt in ihre Richtung muss er gehen, ihr zu verstehen geben, dass er sie um ihrer selbst willen liebt und bereit ist, mit ihr konstruktiv über ihre gemeinsame Zukunft nach zu denken, sonst ist der nächste Krach gleich wieder fällig.
    Oh oh und sogar die Chefin hat gemerkt, dass Semir verkatert ist-momentan hat ihn Susanne noch gerettet, aber jetzt muss er sich am Riemen reißen!

    Hallo TOMBECKFAN!
    Nachdem hier im Fanclub ja auch Jugendliche mitlesen können, habe ich alle Kapitel, die nicht jugendfrei sind, in meinen Storys in Verteilern für interessierte Leser. Ich habe dich jetzt einfach mal für diese Story hinzu gefügt, du findest die Geheimkapitel unter den Konversationen. Ich freue mich, dass dir mein Stil gefällt, ich hoffe der Inhalt, zumindest teilweise auch ;) .
    LG susan

    Ben fliegt jetzt doch mit Carina in den Urlaub. Die ganze Zeit versucht er Semir noch zu überzeugen, seinen Urlaub zu verschieben, bis der Fall abgeschlossen ist, aber der schickt in richtiggehend weg. Na ja, theoretisch schaffen Semir und Kevin, unterstützt von Jenny es wirklich in den drei Wochen den Fall ohne Ben zu lösen, aber irgendwie habe ich ein ganz ungutes Gefühl bei der Sache. Vielleicht weil Kevin sich so von Ben verabschiedet? Wobei das eigentlich eine gute Sache ist, mit jemandem, der einem nahe steht, nicht im Streit auseinander zu gehen. Aber ich befürchte, während der drei Wochen wird etwas geschehen, was die Verabschiedung sinnvoll macht-bitte Campino-mach keinen Scheiss! ;(

    Jetzt ist Semir wirklich völlig daneben! Er benimmt sich wie ein Elefant im Porzellanladen, ist nur auf seine Machorolle fixiert und hört auch nicht auf seinen besten Freund. Die Beziehung zwischen ihm und Ben kühlt merklich ab, obwohl es Semir sofort wieder leid tut, aber anscheinend kann er echt gerade nicht aus seiner Haut und hat sich da in eine fixe Idee verrannt.
    Ben hingegen hat an seiner Entführung, genauso wie Andrea und Aida noch ziemlich zu knabbern, aber das würde ich als normal bezeichnen, nach dem was er mitgemacht hat.

    Hui jetzt habe ich aber Respekt vor Kevin! Obwohl er weiß, dass Torben und Bastian tatsächlich etwas gegen ihn in der Hand haben, nämlich Nachlässigkeit bei den alten Ermittlungen, fasst er den Mut, die beiden vor zu laden. Wobei-ich würde ja sagen-das was die beiden verbrochen haben, nämlich Jenny zu überfallen, sie zu entführen und dann beinahe ersaufen zu lassen, wiegt wesentlich schwerer. Aber so ein Unschuldslamm ist Kevin eben auch nicht. Wobei auch Vorgesetzte immer ihre Beamten kontrollieren müssen und wenn sie denken, da ist jemand nicht fähig eine Mordermittlung zu führen-oder wie in meinem Job einen Intensivpatienten fachgerecht zu betreuen, müssen die tätig werden. Wenn man nicht an der Spitze der Hierarchie steht, was bei Kevin nie der Fall war, muss der Vorgesetzte immer auch seinen Kopf mit hinhalten-ob das allen so bewusst ist? Aber egal wie es weiter geht-ich bin gespannt darauf, was bei der Vorladung der A...polizisten raus kommt. Und Jenny-die ist immer noch verliebt und sitzt irgendwie trotzdem zwischen allen Stühlen.

    Sarah hatte ihr Zimmer noch nicht erreicht, als es ihr trotz Semir´s Stütze die Beine weg zog und sie leichenblass zu Boden sank. Auf Semir´s Hilferufe hin kamen zwei Schwestern aus verschiedenen Zimmern gerannt, holten sofort Sarah´s Bett und gemeinsam hoben sie sie hinein. Der kleine Polizist hätte sie auch alleine tragen können, aber er befürchtete, ihr nur noch mehr Schmerzen zu bereiten, wenn er sie ungeschickt anfasste. Sie wurde rasch in ihr Zimmer gefahren und dort zog man ihr die verschwitzte Kleidung aus. „Sind sie verwandt?“, wurde der kleine Türke gefragt und als er den Kopf schüttelte, forderte man ihn zum Gehen auf. „Wir kümmern uns schon um Frau Jäger, die hat sich vermutlich nur überfordert. Wir holen gleich einen Arzt, aber sie verstehen, dass wir hier die Intimsphäre unserer Patientin bewahren müssen“, war die Erklärung dazu und weil er persönlich jetzt sowieso nichts machen konnte, wandte er sich um und strebte zögernd dem Parkplatz zu.

    Er war selber an der Kante, die letzten Tage und Stunden hatten an seinen Nerven gezerrt, er war übermüdet und hungrig, trotz des kleinen Imbisses vorhin und wusste, dass es jetzt die beste Lösung war, nach Hause zu fahren und eine Mütze voll Schlaf zu bekommen. Und dennoch fühlte er sich schlecht. Er hatte seinen besten Freund angefahren und als Simulanten bezeichnet, dabei wusste er natürlich, was für schreckliche Dinge der hinter sich hatte und wie schwer krank er immer noch war. Was war nur mit ihm los, dass er sich so wenig unter Kontrolle hatte? Aber dann atmete er tief durch, ging aufs Gas und fuhr durchs nächtliche Köln nach Hause. Andrea, die die Kinder bereits ins Bett gebracht hatte und gemütlich auf der Wohnzimmercouch bei einem Buch und einem Glas Wein den Tag beschließen wollte, sah überrascht auf, als sich der Schlüssel im Schloss drehte. „Oh-schön dass du da bist, ich habe nach unserem Telefonat vorhin gar nicht mit dir gerechnet!“, sagte sie. „Hartmut bleibt heute Nacht bei Ben“, war die einzige Information, die ihr Mann daraufhin raus ließ, dann an den Kühlschrank ging, sich ein Bier holte und sich mit einem Seufzen neben sie aufs Sofa fallen ließ.

    „Was ist los-ich merke doch, dass dich etwas bedrückt?“, fragte sie, aber Semir wollte im Moment nicht darüber reden. „Wenn du möchtest-es ist noch eine Portion Spaghetti mit Tomatensauce da!“, informierte sie ihn dann und Semir nickte. „Ich mach sie mir nachher warm, aber erst mal muss ich ein bisschen runter kommen“, erklärte er und jetzt sah ihn Andrea ganz komisch an. Sie hatte gedacht, er käme direkt von Ben aus dem Krankenhaus, warum war er denn gar so schlecht drauf? Aber sie kannte ihren Mann lange genug, um zu wissen, dass er ihr jetzt keine Antwort auf jedwede Frage geben würde. Wenn er ihr etwas erzählen wollte, würde er das tun, wann er wollte und als er später aus den verschwitzten Klamotten gekommen war und frisch geduscht neben ihr lag, nahm er sie fest in den Arm und erzählte: „Ich war heute verdammt ungerecht zu Ben-ich hoffe er nimmt morgen meine Entschuldigung deswegen an. Und wenn er aus irgendeinem Grund die Nacht nicht überleben sollte, werde ich mich mein Leben lang schuldig fühlen, aber ich habe es doch gar nicht so gemeint!“, beichtete er den Grund für seine schlechte Laune und sie tröstete ihn, redete ihm zu, sich trotzdem erst einmal eine Nacht zu erholen und tatsächlich waren eine halbe Stunde später beide fest eingeschlafen.

    In der Klinik hatte man bei Sarah den Blutdruck gemessen, weil sie gar nicht richtig zu sich kam und voller Entsetzen fest gestellt, dass der systolisch unter 60 war. Das rasch gemessene Fieber lag bei 41°C und als der herbei gerufene Arzt ihr sofort einen neuen Zugang gelegt hatte, die Infusion im Schuss in sie hinein lief und man das Bett kopftief gestellt hatte, machte man den Verband auf und beim Anblick der Verletzungsnarbe sog der Arzt die Luft scharf zwischen den Zähnen ein. „Sie muss sofort in den OP, die Wunde muss gereinigt und ein Abstrich gemacht werden und außerdem möchte ich, dass die Intensivstation sie übernimmt, sie ist septisch und braucht engmaschige Überwachung, vermutlich auch Katecholamine!“, diagnostizierte er und als der nächste gemessene Blutdruck eher noch niedriger war, spritzte er ihr eine halbe Ampulle Akrinor, griff zum Telefon und wenig später war Sarah, diesmal im Bett, auf dem Weg zurück, wo sie gerade her gekommen war. Man stabilisierte sie ein wenig und kaum eine halbe Stunde später lag sie auf dem Tisch und man revidierte die Wunde in Vollnarkose.

    Hartmut der keine Ahnung davon hatte, dass der Neuzugang im Nebenzimmer, den er am Rande mit bekam, Sarah war, blickte nachdenklich auf seinen Freund. Er machte sich Sorgen und obwohl Andy, bevor er nach Hause gegangen war, ihm noch den Mobilisationsstuhl mit Bettzeug herein geschoben hatte, konnte er sich nicht vorstellen, hier in der Klinik als Besucher auch nur ein Auge zu zumachen. Obwohl die Tür geschlossen war, herrschte ein hoher Geräuschpegel, ständig läutete das Telefon, man hörte gedämpfte Alarme von Beatmungsmaschinen, Stimmen die sich unterhielten und das Ganze wurde immer wieder untermalt von Ben´s Stöhnen, wenn sich der bewegte und immer noch unruhig herum warf. Andy hatte ihm beim letzten Durchgang nochmals Piritramid verabreicht, das Metamizol, das neben der Schmerzlinderung auch noch fiebersenkend wirken sollte, lief sowieso alle sechs Stunden als Kurzinfusion, aber eine Besserung war noch nicht fest zu stellen, auch die Temperatur lag kontinuierlich über 40°C. Vielleicht war das Mittel auch gar nicht wirksam, sondern es hatte den anderen Patienten nur deswegen geholfen, weil sie fest daran glaubten-Autosuggestion war nicht zu unterschätzen! Hartmut brannte es unter den Nägeln, die Proben zu untersuchen, aber er saß dennoch wachsam neben dem Bett seines Freundes und achtete darauf, dass der sich keinen der Schläuche heraus zog.

    Ben hatte auch nicht mehr gesprochen, seitdem Sarah und Semir gegangen waren und Hartmut wusste nicht, was der überhaupt um sich herum mit bekam. Als Andy vor der Übergabe da gewesen war, hatte er kurz überlegt den Rothaarigen zu informieren, dass Sarah jetzt ebenfalls Intensivpatientin war, aber dann hatte er darauf verzichtet. Erstens einmal-falls Ben doch nicht so weit weg war, wie es schien, würde der sich sicher aufregen, was nicht gut für ihn war und zweitens wusste er auch nicht, ob er damit nicht gegen den Datenschutz verstieß und ob Sarah das überhaupt Recht wäre. Sie war gerade im OP und eine Kollegin hatte sie übernommen-vielleicht wäre es ihr peinlich, von einem männlichen Kollegen versorgt zu werden, darum konnte er sie auch nicht fragen und so beschloss er, jetzt nach Hause zu gehen.

    Hartmut hatte fast ein wenig im Sitzen vor sich hin gedöst, als er plötzlich merkte, dass Ben ihn ansah. Als er seinerseits seinen Freund anblickte, sah der fast noch kränker aus als vorher. Die eingefallenen Gesichtszüge, obwohl der restliche Körper wegen der vielen Infusionen ein wenig aufgequollen wirkte, die mühsame Atmung trotz Sauerstoff und vor allem der absolut mutlose Blick aus den tiefdunklen Augen. „Ben was ist los-kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte er besorgt und der Dunkelhaarige suchte jetzt mühsam nach Worten. „Grüß meine Kinder von mir und sag ihnen, dass ich sie immer geliebt habe!“, flüsterte er, bevor er erschöpft die Augen wieder schloss. „Ben-das sagst du ihnen einfach selber, wenn es dir wieder besser geht!“, versuchte er ihn auf zu muntern, aber Ben schüttelte jetzt nur andeutungsweise den Kopf, bevor er sich wieder in sich selber zurück zog. Hartmut bekam es mit der Angst zu tun. Wusste Ben, dass er in Kürze sterben würde? Er hatte schon gehört, dass Menschen vor ihrem Tod manchmal noch klare Momente hatten, bevor es endgültig zu Ende ging. Er studierte die Werte auf dem Monitor, aber die waren eigentlich nicht anders als vorher. Was sollte er tun? Allerdings waren sie hier immerhin auf einer Intensivstation und wenn es zu einer lebensbedrohlichen Krise kam, würden die Ärzte doch hoffentlich noch etwas in Petto haben, aber so ganz überzeugt war Hartmut nicht.

    Es war inzwischen ruhig auf der Station geworden. Gegen Mitternacht hatte die Nachtschwester die Infusionen gewechselt, seinen Freund nochmals kühl abgewaschen und gelagert, aber als sie ihn angesprochen hatte, hatte er keine Antwort gegeben und auch die Augen nicht aufgemacht.
    Für Hartmut zogen sich die Minuten wie Kaugummi. Immer wieder blickte er auf die Uhr. Kurz vor zwei holte er dann die nächste Pulverdosis aus seiner Jacke, löste sie auf und befüllte die große Spritze. Er erinnerte sich daran, was Sarah ihm aufgetragen hatte und schloss erst einen Ablaufbeutel an die Sonde, aber da lief gar nichts heraus-das war gut! Hartmut überlegte: Sollte er tatsächlich die Hände seines Kollegen fest machen, wie Semir ihm regelrecht befohlen hatte? Ben war völlig passiv und rührte sich nicht und darum sagte Hartmut jetzt: „Ben-nicht erschrecken, ich gebe dir jetzt über die Sonde deine Medizin ein!“ und tatsächlich, außer einer Schluckbewegung, als die Flüssigkeit durch die Sonde lief, erfolgte keinerlei Reaktion. Jetzt ließ die Anspannung bei Hartmut ein wenig nach und er wagte es nun doch, sich auf dem Mobilisationsstuhl aus zu strecken. Als die Nachtschwester bei ihrem nächsten Rundgang ins Zimmer kam, lagen vor ihr zwei tief schlafende Männer und als sie das Stundenglas des Urinbeutels umgeleert hatte, schlich sie sich leise wieder hinaus, um sie nicht zu wecken.

    Hübner verbirgt fast sicher irgendetwas und das merken unsere beiden Polizisten auch. Allerdings kann ich mir vorstellen, was es für Carina für eine Enttäuschung sein würde, wenn Ben den Urlaub jetzt absagt. Wenn immer der Job wichtiger als das Privatleben ist, ist das nie gut für eine Beziehung.
    Aber für Semir und Kevin würde ich mir natürlich wünschen, Ben würde bleiben und wenn das Bauchgefühl des kleinen Türken da was anzeigt, ist da was faul mit dem Typen-aber was? Ist er der Täter, oder der chaotische Chef, oder haben die beiden sonst irgendwelche Geheimnisse. Ich hoffe wir erfahren das in Kürze!

    Oh je-Semir mutiert tatsächlich zum altmodischen Familienoberhaupt, was leider überhaupt nicht mehr zeitgemäß ist! Und sind wir uns doch mal ehrlich-das zusätzliche Geld könnte auch nicht schaden, aber anscheinend ist es ihm wichtiger, nicht die Kontrolle zu verlieren, als seiner Frau zuzuhören und mit ihr gemeinsam einen Konsens zu finden.
    Sogar Ben bekommt eins über gebraten, als er seinen Standpunkt pro Andrea klar macht-oh je, Semir ;( .

    Anis diese Ratte! Da benutzt er Jenny für seine Rache und während in Kevin´s Augen Jerry der einzige Mensch ist, dem er vertrauen kann, missbraucht der das-und zwar schon seit Jahren.
    Wobei klar ist-Jerry hat Kevin´s Schwester nichts angetan, nur eine Route verraten und wenn er das jetzt seinem jungen Freund beichten würde, wäre das zwar schlimm, aber Kevin würde es überleben. Natürlich wäre Jerry´s Zukunft in Gefahr und die Boxschule funktioniert wohl erst einmal auch nur mit einem finanziellen Background, den Kevin´s Gehalt darstellen sollte. aber es könnte passieren, dass Kevin sich von Jerry abwendet, wenn er von der jahrelangen Geheimnistuerei erfährt. Na ja, dumm gelaufen für den Knacki könnte man sagen, aber emotional spielen sich da echte Dramen ab. Und der Titel deiner Geschichte könnte auch "Vertrauen" heissen, denn das ist das zentrale Thema-was für ein Fiasko auf allen Schauplätzen! Und wenn Jenny nichts sagt, ist sie ebenfalls unehrlich und hat kein Vertrauen, dabei darf in einer Beziehung jeder seine Geheimnisse haben und auch behalten-meiner Meinung nach zumindest!

    Das kann ich nachvollziehen, dass Ben sich jetzt lieber zurück in die Toscana, oder zumindest in Anna´s Bett ^^ beamen würde. Allerdings hat ihn jetzt der Alltag wieder-die allgemeine schlechte Laune ist offensichtlich und dann noch Nachtdienst-ich kann es nachfühlen, wie blöd das ist, denn ich hasse ebenfalls den Nachtdienst!
    Wobei es Ben vermutlich nur deswegen stört, weil er Anna dann zu wenig sieht.
    Semir reißt zwar kurz an, dass er Eheprobleme hat, aber wie schlimm es wirklich ist, weiß Ben bisher auch noch nicht. Ja vermutlich ist er eh der einzige Mensch, einfach weil er ein Mann und auch Freund ist, der gerade zu Semir was sagen darf-da sind Männer oft komisch. Aber so ganz sicher ist das noch nicht und ich hoffe schwer, dass unsere beiden Kommissare wenigstens miteinander sprechen und so nebenbei den Fall lösen, das könnte die ganze Situation nämlich ungemein entspannen. Aber die beiden auf der Autobahn ist schon mal gut-der Alltag hat sie wieder unsere Jungs!

    Als Semir zu Ben zurück kehrte, bemerkte er sofort, wie sich der versteifte, als er nur in seine Nähe kam. „Ben was soll das-ich will dir doch nur helfen!“, redete er ihn fast ein wenig schärfer an, als er beabsichtigt hatte. Das wiederum führte dazu, dass Ben sich nur noch mehr in sich selber zurück zog. Hartmut hatte die beiden sehr genau beobachtet und spürte sofort, dass da etwas zwischen ihnen stand. Er bemerkte außerdem, dass Semir ebenfalls am Ende seiner Kräfte angelangt war. Er konnte sich schon vorstellen, dass eine Nacht auf der Intensivstation nicht sonderlich erholsam war und an den Nerven rüttelte. Kurz überlegte er, was er heute noch vorhatte, aber da war nichts, was ihn unbedingt nach Hause geführt hätte. Seine Affäre mit Jenny war lange beendet und aktuell gab es keine neue Frau in seinem Leben. Abends zockte er meistens ein wenig oder lümmelte vor dem Fernseher, aber etwas Besonderes stand heute nicht an. Vielleicht wäre er sogar wieder in die KTU zurück gefahren, um Tests mit dem mysteriösen Pulver durch zu führen. Allerdings hatte Ben die erste Dosis bereits erhalten und war noch am Leben, also konnte man zumindest ausschließen, dass es ein schnell wirksames Gift war. Und die näheren Untersuchungen würden sowieso dauern, also konnte er sich- genauso gut wie Semir schon so oft- die Nacht hier auf der Intensivstation um die Ohren schlagen.
    Aus irgendwelchen Gründen misstraute Ben nämlich seinem Partner und als kurz vor 20.00 Uhr sich dann Sarah, die wieder vom Fieber gerötete Augen hatte, in den Raum schlich und er auch auf sie voller Ablehnung und Misstrauen reagierte, stand Hartmut´s Entschluss fest. „Leute-jetzt zeigt ihr mir, wie man das Pulver eingibt und dann schaut ihr alle beide, dass ihr ins Bett kommt, ich bleibe da!“, offerierte er und heute kamen von niemandem Widerworte.

    Sarah, die sich wirklich kaum mehr auf den Beinen halten konnte, trat aber erst einmal zu ihrem geliebten Mann ans Bett und beugte sich über ihn, woraufhin er sofort den Kopf beiseite drehte, die Lippen fest zusammen presste und regelrecht erstarrte. In Sarah´s Augen schossen die Tränen. „Ben-das ist ungerecht! Wir riskieren hier Kopf und Kragen, unseren Job und unsere Gesundheit, um dir zu helfen und anstatt mit zu machen und uns dankbar zu sein, strafst du uns mit Verachtung!“, klagte sie und konnte ein Aufschluchzen nicht verhindern. Das Verhalten des Dunkelhaarigen, auch wenn er schwer krank war, traf sie bis ins Mark. Ben´s Körpersprache zeigte nur Abwehr, ob er überhaupt erfasste, was sie zu ihm sagte, war nicht zu erkennen, aber wenn ein Außenstehender die Szene beobachtet hätte, wäre er nie im Leben auf die Idee gekommen, dass diese beiden Menschen ein glückliches Ehepaar sein sollten. Viel zu viele Emotionen, wirre Gefühle, Angst, Aggression und Abwehr lagen in der Luft.

    Auch Semir war zutiefst empört. Wenn es gegen ihn zu einer Anzeige kam, war er seinen Job los-er tat hier Ben zuliebe etwas absolut Ungesetzliches und auch Sarah riskierte alles, nur damit dieser Schnösel da im Bett sie ignorierte. Er hatte eine Mordswut in sich und hier schlug sein südländisches Temperament durch, das Ben doch so gut kennen musste nach all den Jahren. „Jetzt tu nicht so, als könntest du nicht bis drei zählen!“, fuhr er ihn an. „Ich sehe doch, dass du uns allen hier nur was vorschauspielerst. Vermutlich bist du gar nicht so krank wie du tust, sondern willst nur mal wieder von allen bemitleidet werden und im Mittelpunkt stehen! Aber nicht mit mir Freundchen, das sage ich dir-ich lasse mich von dir nicht verarschen!“, tönte er und während Sarah sich todtraurig von ihm zurück zog, füllten sich nun Ben´s Augen mit Tränen, die seitlich an seinem Gesicht herunter liefen und aufs sowieso schon schweißnasse Kopfkissen tropften, aber seine Lider hielt er fest zusammen gepresst und die ganze Körperhaltung mit den geballten Fäusten war einzige Abwehr.

    Hartmut überlegte. Die Emotionen hier im Zimmer schlugen hoch, die Luft war genauso wie die Stimmung zum Schneiden und so versuchte er die Wogen zu glätten. „Leute-ihr seid alle miteinander fix und fertig und braucht einfach mal ne Mütze Schlaf, Ben eingeschlossen. Ich würde vorschlagen, ihr zeigt mir jetzt, wie ich die Medizin verabreichen muss und zieht euch dann zurück“, sagte er und das war ein vernünftiger Vorschlag.
    Semir holte das Pulver aus seiner Jacke in der Schleuse, Sarah maß davon einen gehäuften Teelöffel ab, gab ihn in einen Einmalbecher, fügte ein wenig Wasser hinzu und füllte dann einen zweiten Einmalbecher, die in großer Menge auf dem Pflegewagen standen, mit Wasser. Dann zeigte sie Hartmut und Semir unter Mühe, denn mit einer Hand war das gar nicht so leicht, wie man den Inhalt des Bechers in die Spritze zog und bat dann: „Kann jemand den zweiten Becher aufs Nachtkästchen stellen?“ Semir packte derweil das Päckchen mit dem Pulver in Hartmut´s Jackentasche, damit es niemand an sich nehmen konnte und folgte dann seiner Freundin ans Bett des jungen Polizisten.

    Als der wahrnahm, wer ihm nahe kam und plötzlich merkte, wie es an seiner Nase ruckte, erstarrte er und dann fuhr seine Hand unwillkürlich Richtung Kopf, um den Schlauch, der zwar verdammt unangenehm war, den er aber eigentlich schon vergessen hatte, heraus zu ziehen. Da schlossen sich Hände mit eisenhartem Griff um die Seinen und entlockten ihm ein Aufstöhnen. „Lass das!“, herrschte Semir ihn zornig an. „Wenn du die Sonde raus ziehst, stecken wir sie wieder rein, merk dir das-es ist nur zu deinem Besten!“, fügte er dann noch hinzu, aber Ben hörte ihm gar nicht mehr zu, sondern wehrte sich verzweifelt. Allerdings war er völlig kraftlos und außer einem Blutdruckanstieg geschah nichts weiter und Sarah pausierte rasch für zwei Minuten den Monitoralarm, damit an der Zentrale bei ihren Kollegen keine Alarmmeldung kam. Hartmut beobachtete konzentriert auf welche Anzeige sie am Touchscreen drückte und nahm sich vor, das in der Nacht genauso zu machen.

    „Ich denke du bindest ihm in der Nacht am besten die Hände fest und achte darauf, dass die Tür fest geschlossen ist, falls er losbrüllt!“, wies Semir den Rotschopf an und der hatte plötzlich noch mehr Mitleid mit seinem jungen Kollegen als bisher schon. Wie gingen die denn plötzlich miteinander um? Aber auch er kannte Semir lange genug und wusste, wenn er jetzt etwas zu ihm sagte, würde der regelrecht explodieren und das war absolut nicht zweckdienlich. Sarah konnte sich selber kaum mehr auf den Beinen halten, hatte starke Schmerzen und wollte nur noch raus hier. Was war nur in Ben gefahren? Warum war er so undankbar, wo doch alle nur sein Bestes wollten? Obwohl selber mit den Kräften am Ende, zeigte Sarah, wie man den Ablaufbeutel von der Silikonsonde trennte, dann die Spritze aufsetzte, deren Inhalt hinein entleerte und dann sofort den Verschluss zu klemmte, damit nicht ein Teil des Medikaments wieder heraus und ins Bett lief. Das Wasser zum Nachspülen ließ sie nun Hartmut aufziehen und der machte das sehr geschickt-das war nichts anderes als wenn er bei seinen Versuchsreihen mit Pipetten hantierte und nachdem diesmal Hartmut den Stöpsel geöffnet und die 50 ml Wasser zum Nachspülen in die Sonde gab, diese dann wieder abklemmte und dann vom Bett zurück trat, sagte Sarah: „Das wird schon klappen und wenn nicht, lässt du nachts einfach meine Kollegen bei mir anrufen, dass du mich brauchst, ich komme dann und helfe dir. Wichtig ist noch, einen frischen Ablaufbeutel an zu schließen und zu kontrollieren, dass das Zeug auch verdaut wurde, bevor du die nächste Dosis verabreichst, aber ansonsten wird das schon klappen und ich muss mich jetzt einfach flach legen-bis morgen“, und damit entfernte sie sich, riss in der Schleuse ohne weiteren Gruß die Schutzkleidung herunter und strebte wankend ihrem Zimmer zu.

    Semir hatte Ben die ganze Zeit fest gehalten und dessen Abwehr war jetzt erlahmt, auch die Tränen hatten aufgehört zu fließen, nur eine Schluckbewegung, als das kalte Wasser in ihn floss, verriet, dass er nicht völlig weg getreten war. Auch als Semir ihn los ließ und nach einem kurzen Gruß Sarah nach lief, um sie zu stützen und auf ihr Zimmer zu bringen, rührte er sich nicht-er hatte aufgegeben. Die ganze Welt hatte sich gegen ihn gestellt, er war mutterseelenalleine und jeder wollte ihn nur quälen und ihm Gewalt antun. Er betete innerlich um einen schnellen Tod, fühlte sich hundeelend und weil seine Frau und sein bester Freund sich gegen ihn verschworen und mit Maria, deren schreckliche Fratze er immer wieder vor sich sah, verbündet hatten, gab es nichts mehr, was ihn hier auf dieser Erde hielt. Seine Kinder-ach wie er sie vermisste- aber wer hätte gedacht, dass es das letzte Mal war, dass er sie gesehen hatte, als er vor unendlich lange erscheinender Zeit, die aber vermutlich noch kaum mehr als eine Woche her war, mit ihnen gefrühstückt und sie mit Küsschen verabschiedet hatte. Was war nur schief gelaufen, dass es so enden musste, aber er wusste nur eines-er würde nicht mehr kämpfen, der Tod würde kommen wie ein Freund, nicht wie ein Feind, dann würden auch die schlimmen Schmerzen verschwinden und als es jetzt ruhig um ihn wurde, dämmerte er weg, bis Andy ihn ein letztes Mal vor der Übergabe frisch machte. Als er die Augen ein wenig öffnete, bemerkte er überrascht, dass Hartmut neben ihm saß und ihn beobachtete, aber auch das interessierte ihn nicht mehr-er wollte nur noch sterben!

    Vertrauen, das ist wirklich das Schlüsselwort, das untrennbar mit Kevin verbunden ist. Er macht es allen schwer ihm zu vertrauen, aber bei seiner Vergangenheit ist das auch kein Wunder-ich sag nur Jerry und von dessen Verrat weiss er ja noch gar nichts.
    Ben, selber eher emotional gesteuert, stellt ihn zur Rede, führt ihn regelrecht vor und jetzt schottet sich Kevin erneut ab und hört auf, Teil des Teams zu sein. Aber wie schon Semir sagte-er macht es den anderen auch sehr schwer, spielt immer wieder den einsamen Wolf, der die Hand beisst, die ihn doch nur streicheln will. Gibt es bei dem Tankstellenmord tatsächlich ein Geheimnis, oder sagt Kevin die Wahrheit, wenn er behauptet, er konnte darüber nicht mehr heraus finden. Trotzdem läuft da jetzt einer rum, der Rache übt und anstatt sich gegenseitig zu beschuldigen, wäre es vielleicht sinnvoller, den Mörder zu fassen.
    Oh je und jetzt wissen wir um den Grund von Hotte´s Vergesslichkeit-er hat einen Hirntumor! Hoffentlich ist der wirklich operabel und Hotte übersteht das Ganze! Ich mach mir Sorgen! ;(

    Mann, Mann, Mann-jetzt ist aber sein Temperament mit Semir durch gegangen! Egal was ihn geritten hat, er versteht glaube ich gerade nicht, wie wichtig Andrea dieses Gespräch war und so sehr ich den türkischen Hengst mag-ich finde, er hats gründlich verbockt! Andrea hält ihm alle Türen offen, appelliert an ihre Liebe und er beisst sich an einzelnen Worten fest und lässt den Macho raushängen. Böses Foul und Andrea macht eigentlich genau das Richtige, wenn sie ihre Koffer packt. Aber ich glaube auch, dass Semir jetzt gerade gar nicht klar denken kann und so viel Adrenalin im Blut hat, dass ein Gespräch total schwierig ist. Ich hoffe die beiden reden zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal miteinander! ;(

    Semir und Sarah waren ganz verzweifelt. Ben wandte sich von ihnen ab, entzog ihnen seine Hände und öffnete die Augen kein einziges Mal mehr. „Was meinst du-ist das eine Nebenwirkung des Medikaments?“, fragte Semir bedrückt und Sarah zuckte mit den Schultern, was sie gleich darauf das Gesicht verziehen und schmerzvoll ausatmen ließ-Mann sie verdrängte immer, dass sie selber auch angeschlagen war. „Ich weiß es nicht, aber ich kann mir sein Verhalten auf jeden Fall nicht erklären. Vielleicht ist er aber einfach zu weit weg, als dass er das bewusst macht“, vermutete sie.

    Inzwischen war es später Nachmittag geworden und auf den Stationen wurde das Abendessen ausgeteilt. „Semir-ich gehe mal kurz auf mein Zimmer, esse einen Happen und werfe eine Schmerztablette ein, sonst verträgt die mein Magen nicht. Danach löse ich dich ab und dann gehst du bitte in die Cafeteria was essen, bevor die zumachen. Wir müssen auch auf uns schauen, denn wir müssen ihm das Medikament regelmäßig verabreichen, wenn es wirken soll-wenn es denn überhaupt wirkt!“, teilte sie ihm mit und erhob sich mit leichtem Stöhnen. „Sarah-ich würde sagen-wir machen das das nächste Mal noch gemeinsam, du zeigst mir, worauf ich achten muss, aber heute Nacht übernehme ich das-ich hatte ja eh vor da zu bleiben“, offerierte Semir und als Sarah keine Widerworte fand, machte sich Semir Sorgen-ihr musste es wirklich selber nicht gut gehen, auch wenn sie es zu verbergen versuchte, ansonsten hätte sie vermutlich protestiert.
    „Um 20.00 Uhr ist die nächste Dosis fällig, die Cafeteria hat bis 19.00 Uhr auf-ich gehe jetzt und komme in Kürze wieder!“, kündigte die junge Frau an und verließ leicht schwankend den Raum. Semir sah ihr besorgt nach-sie gehörte ins Bett und sonst nirgendwo hin, aber er hatte bis jetzt erst einmal bei der Verabreichung zu gesehen und musste das noch einmal gezeigt bekommen, dann würde er sich alleine um seinen Freund kümmern.

    Kaum war Sarah verschwunden, da stand Andy in der Tür. „Herr Gerkhan-Semir-ich weiß nicht wie ich sie nennen soll, da ist ein Herr Freund draußen, anscheinend ein Kollege von ihnen beiden, der sie dringend sprechen will-soll ich ihn herein lassen, oder wollen sie raus gehen?“, fragte er, denn er nahm es mit den Besuchsregelungen nicht so genau wie manche seiner Kolleginnen, die nur enge Angehörige zuließen. Wer seinen Patienten gut tat, durfte rein, er fand, dass man da nicht zum Paragraphenreiter werden durfte. Klar waren Besuche für die Patienten oft auch anstrengend, konnten aber durchaus neuen Lebensmut vermitteln, gerade bei Langliegern. Freilich konnte er persönlich nicht einschätzen, wie dieser sympathische Rothaarige draußen zu Ben stand und der hatte auch ganz bescheiden nur gefragt, ob er kurz Herrn Gerkhan sprechen dürfe.
    „Erstens einmal-Semir genügt als Anrede, immerhin sind sie ein Teil unseres Komplotts, oder wollen wir uns nicht gleich duzen?“, schlug der Ältere vor und Andy ging mit erfreutem Kopfnicken darauf ein. „Und zweitens wäre es super, wenn unser Kriminaltechniker kurz rein dürfte, ich möchte Ben nämlich nicht alleine lassen, nicht dass er die Magensonde wieder raus zieht und wir diese ganze Prozedur, die für ihn ja einer Tortur geglichen hat, nochmal durchführen müssen“, bat er und so stand wenig später Hartmut in der Schleuse und wurde von dem jungen Pfleger angeleitet, wie er sich zu verkleiden hatte.

    Als er kurz darauf in den Raum kam und besorgt an Ben´s Bett trat und die ganzen Schläuche musterte, die in seinem Freund steckten, die Kurven auf dem Monitor betrachtete und die Latte an Infusomaten und Perfusoren, den fast leeren Urinbeutel und das schweißbedeckte Häufchen Elend, das da vor ihm lag und sich unruhig herum warf, streckte er unwillkürlich die Hand aus und berührte Ben an der Schulter. „Hey Kollege, wie geht’s dir denn?“, fragte er und nun geschah etwas, was Semir, der ein wenig abseits stand, die Stirn runzeln ließ. Ben wurde plötzlich ganz ruhig, öffnete die Augen, sah Hartmut konzentriert an und sagte „Beschissen geht’s mir, aber gut dass du da bist!“, bevor er wieder die Augen verdrehte und in seine Fieberphantasien eintauchte. Auch Andy, der noch einen Perfusor gewechselt und ein Antibiotikafläschchen umgesteckt hatte, nahm wahr, wie sein Patient auf den Rotschopf reagierte. „Hey-also bist du gar nicht so weit weg, wie ich gedacht habe, Ben-brauchst du was, hast du starke Schmerzen?“, fragte er und erneut öffnete der Dunkelhaarige die Augen, sah den Pfleger gezielt an und schüttelte den Kopf, bevor er die Augen wieder schloss. Semir allerdings würdigte er keines Blickes, was dem einen Stich versetzte.

    „Hartmut hast du ein wenig Zeit? Ich würde gerne in die Cafeteria gehen und mir was zu essen kaufen, bevor die zumacht. Jemand muss aufpassen, dass Ben sich die Sonde nicht aus der Nase zieht und Sarah sah gerade gar nicht gut aus, die gehört dringend ins Bett und nicht hierher, aber sie hat Angst um ihren Mann und will ihn auch nicht alleine lassen!“, erklärte er und ein verächtliches Lächeln flog jetzt über Ben´s Gesicht, so dass Semir ihn stirnrunzelnd ansah. „Sag mal Ben, spielst du uns allen hier was vor?“, fragte er dann ein wenig angesäuert, bekam aber keine Reaktion von dem jungen Polizisten. So ging er kopfschüttelnd in die Schleuse, riss sich die Handschuhe, den Mundschutz und den Kittel herunter und atmete erst einmal erleichtert auf. Seine Hände waren feucht, er hatte unter dem Kittel geschwitzt und unter dem Mundschutz zu atmen war auch nicht gerade angenehm. Nachdem er sich die Hände noch gewaschen und desinfiziert hatte, verließ er die Intensivstation, ging kurz bei Sarah vorbei, um der mit zu teilen, dass sie bis 20.00 Uhr liegen bleiben konnte und suchte dann die Cafeteria auf.

    „Kaum war Semir verschwunden, richtete sich Ben ein wenig auf. „Hartmut, du musst mich hier weg bringen!“, stieß er aufgeregt hervor, um dann noch anzufügen-„Oh Gott mir wird so schwindlig!“ und dann verdrehte er die Augen und wurde einen kurzen Moment ohnmächtig. Der Monitor schlug Alarm und Sekunden später stand Andy wieder im Zimmer-gerade hatte Hartmut auf die Glocke drücken wollen. „Was war das jetzt?“, fragte der junge Pfleger verwundert, der nur schnell Handschuhe über gezogen hatte und das Noradrenalin höher stellte. Ben´s Blutdruck war gerade abgerauscht, aber als der Kriminaltechniker erklärte, dass Ben sich aufgesetzt hatte, verstand er warum. „Sein Kreislauf ist noch so instabil, er reagiert schon auf die kleinste Lageänderung mit Blutdruckschwankungen. Ben du musst vorerst noch liegen bleiben-verstehst du?“, sagte er, aber von seinem Patienten kam jetzt keine Reaktion. „Was hat er denn-er faselt was davon, dass ich ihn wegbringen soll?“, fragte Hartmut verwundert, aber Andy hatte auch keine Antwort auf diese Frage. „Er hat immer noch hoch Fieber, es kann durchaus sein, dass er phantasiert!“, vermutete er und als sich der Blutdruck stabilisiert hatte, verließ der Intensivpfleger wieder den Raum, um sich um seine anderen Patienten zu kümmern und der alten Dame im Nebenraum das Abendbrot ein zu geben.

    Semir kaufte sich ein Abendessen und eine Flasche Cola und rief kurz Andrea an, die bereits besorgt auf eine Nachricht ihres Mannes wartete. „Semir-meinst du nicht, du solltest mal wieder in deinem Bett schlafen-Ben ist doch in der Klinik und wird professionell versorgt, bei anderen Patienten ist ja auch nicht rund um die Uhr jemand da!“, äußerte sie ihre Bedenken, aber als Semir ihr erklärte, dass man Ben alle sechs Stunden ein wichtiges Medikament verabreichen und ihn zudem daran hindern musste, sich die Magensonde zu ziehen, verstand sie, warum ihr Mann bei seinem besten Freund bleiben musste, er hätte zuhause keine ruhige Minute. „Richte Ben eine gute Besserung von mir aus, wenn du möchtest, bringe ich dir morgen frische Klamotten in die Klinik und ich drücke die Daumen, dass das neue Medikament wirkt!“, gab sie ihrer Hoffnung Ausdruck und Semir sagte leise: „Bei Gott Andrea-das hoffe ich auch!“, bevor er auflegte und sich auf den Rückweg zur Intensivstation machte.

    Maria war in der Klinik inzwischen extubiert worden. Man hatte sie noch einige Stunden nach beatmet und gewärmt, bis der Blutverlust durch Konserven halbwegs ausgeglichen, der Kreislauf mit einer Spur Noradrenalin stabil war und man ohne Gefährdung ihres Lebens den Tubus entfernen konnte. Die Ärzte und Pflegekräfte waren freundlich, allerdings war sie mit Fußfesseln ans Bettgestell gekettet und eine Bewacherin saß im Zimmer und las gelangweilt in einer mit gebrachten Zeitschrift. Maria stand erst noch unter dem Einfluss der sedierenden Medikamente, aber als sie langsam wacher wurde, kam die Erinnerung zurück. Als das nächste Mal ein Arzt, gemeinsam mit einer Schwester ins Zimmer kam, fragte sie aufgeregt: „Mein Baby-wie geht es meinem Baby?“, denn die letzte Erinnerung, die sie hatte, waren die fürchterlichen Schmerzen in ihrem Unterleib, als die andere Gefangene mit dem Besenstiel zugestoßen hatte. Der Arzt, ein älterer, grauhaariger Mann mit gütigem Gesicht, wandte sich ihr zu. Voller Mitleid, denn er wusste nicht, warum die Frau vor ihm im Gefängnis saß, aber das war ihm auch egal. Was er ihr jetzt mitteilen musste, war nicht schön, aber was brachte es, die Wahrheit noch länger zu verschleiern? „Frau Gregor!“, sagte er freundlich. „Uns ist es zwar gelungen ihr Leben zu retten, sie wären nämlich beinahe verblutet, aber leider mussten wir ihre Gebärmutter entfernen, wobei mir von einer bestehenden Schwangerschaft nichts mitgeteilt wurde, aber es hätte auch keine Konsequenz gehabt, denn das Organ und auch Teile des Enddarms waren zu schwer verletzt, um sie zu erhalten. Wir konnten die Eierstöcke belassen, aber der Uterus musste entfernt werden und leider haben sie auch einen künstlichen Darmausgang, der nicht mehr zurück verlegt werden kann, also einen endständigen Anus Präter“, teilte er seiner Patientin mit, die ihn erst fassungslos anstarrte und dann laut zu schreien begann. Nachdem es niemandem gelang, sie zum Schweigen zu bringen, musste sie mit starken Beruhigungsmitteln ruhig gestellt werden. Die JVA-Beamtin, die in etwa in Maria´s Alter war, sah sie an, als sie dann schlafend, im Banne der schweren Medikamente, in ihren Kissen lag. „Mein Gott-das hättest du dir früher überlegen müssen, im Knast herrschen eigene Gesetze, das wirst du noch lernen, dich mit gewissen Leuten nicht an zu legen!“, murmelte sie und widmete sich dann wieder Kaugummi kauend ihrer Zeitschrift, nicht ohne vorher den Sitz ihrer Waffe und des Gummiknüppels überprüft zu haben.