Leider verlief die Nacht nicht so,wie Ben sich das vorgestellt hatte.Als die Schwester dazukam die Aufnahmeformalitäten zu erledigen,gab er Semirs Adresse und Telefonnummer als Kontaktdaten an und verfügte gleich,dass der Auskunft kriegen dürfe,was seinen Gesundheitszustand anging.Als das Fieber nachgemessen wurde,war es bei 39,5°C und so fühlte Ben sich auch.Seine Infusion wurde auf einen fahrbaren Ständer gehängt und so war er wenigstens nicht auf fremde Hilfe angewiesen,wenn er zur Toilette musste und das war leider öfter der Fall,als ihm lieb war.Er bekam nämlich noch Durchfall.Er döste immer fiebrig und todmüde vor sich hin,bis ihn wieder Bauchschmerzen quälten und er sich zur Toilette schleppte.Sein trockener Husten quälte ihn zusätzlich und als er es der Schwester sagte,die bei ihrem Durchgang nach ihm sah,schüttelte sie den Kopf.“Ich kann ihnen keinen Hustenstiller geben,denn es soll sich eigentlich Schleim bilden und abgehustet werden.Morgen bekommen sie NAC,aber momentan muss es so gehen.“ Ben fühlte sich immer elender.
Nun bekam er es doch mit der Angst zu tun,dass er sich da in der Ballettschule irgendwas eingefangen hatte.Er überlegte krampfhaft,wie das passiert sein könnte und nachdem ja kein einziger Schüler erkrankt war,musste es irgendwo sein,wo kein Schüler hinkam.
Bald fiel es ihm wie Schuppen von den Augen,na klar,die Infrarotkabine.Obwohl-da war ja Karl auch mit dringewesen,aber dem fehlte doch nichts! Mann,was war es sonst? Unter Grübeln fiel Ben doch noch in einen unruhigen Schlaf und erwachte wie gerädert,als die Schwestern zum Bettenmachen kamen.Als sie ihn ansprachen und sich vorstellten,schaute er sie verständnislos an und faselte immer was vom Rhein und einer Kabine.Er wusste nicht,welches Datum man schrieb und so holte die Frühdienstschwester den diensthabenden Stationsarzt und meldete ihm:“Herr Jäger ist jetzt auch noch verwirrt und das Fieber ist immer noch bei 39,5°C.“Der Arzt sah Ben nochmals an und als er ihn abhörte,wurde sein Blick immer ernster.
„Herr Jäger,ich möchte sie gerne bronchoskopieren lassen,da wird mit einer flexiblen Optik in ihre Bronchien gekuckt,um die Entzündung zu beurteilen und Proben zu gewinnen.Bleiben sie bitte nüchtern und ach ja,die Antibiose kriegen sie ab sofort intravenös!“ erklärte er ihm,aber Ben sah ihn nur mit fiebrigen Augen an.Er hatte keinen Peil was los war und jedesmal wenn er nur kurz den Sauerstoff beiseite legte,bekam er schreckliche Atemnot.Er wurde sehr unruhig und sagte immer wieder „Semir,ich muss dir was sagen!“ aber dann endete sein Satz wieder in einem trockenen Hustenanfall.Der Stationsarzt beschloss,diesen Semir zu informieren,wie es auf dem Aufnahmebogen vermerkt war und griff zum Telefon,um ihn anzurufen.
Semir hatte auch eine unruhige Nacht hinter sich.Immer wieder waren ihm die Bilder vom blau angelaufenen Ben,der gerade zusammenbrach, durch den Kopf geschossen.Dann beruhigte er sich wieder,immerhin war der schliesslich im Krankenhaus und wurde überwacht,alles weitere würde sich zeigen.Er kam gerade aus der Dusche,als sein Handy klingelte.Als er ranging war der Krankenhausarzt von gestern dran.“Herr Gerkan,ich habe hier ihre Nummer als Kontaktperson von Herrn Jäger.Leider muss ich ihnen sagen,dass es ihm deutlich schlechter geht,er jetzt hoch Fieber hat und ausserdem verwirrt ist.Er ist auch sehr unruhig und möchte ihnen anscheinend immer etwas mitteilen!“
„Ich komme sofort!“ schrie Semir fast in den Hörer und war 5 Minuten später schon angezogen und abfahrbereit.Andrea hatte auch besorgt die Reaktion ihres Mannes beobachtet und rief ihm nach:“Sag Ben gute Besserung von mir!“ Semir nickte und gab Gas.Weil Sonntagmorgen und fast kein Verkehr war,kam er auch ohne Blaulicht in Rekordzeit am Krankenhaus an,bekam sofort ganz nahe beim Eingang einen Parkplatz und rannte,so schnell er konnte die Treppen hinauf.Etwas ausser Atem stand er kurz danach vor Bens Zimmer,der anscheinend gerade für eine Untersuchung fertiggemacht wurde.Als er sah,dass die Schwestern versuchten eine tragbare Sauerstoffflasche am Bett zu befestigen,die Unterlagen bereitlegten und gleichzeitig probierten,einen verschwitzten,aufgeregten Ben zu beruhigen,war er mit zwei Schritten am Bett und nahm dessen fieberheissen Hände.“Ben ich bin da,was musst du mir so dringend mitteilen?“ sagte er äusserlich ganz ruhig,wobei er sich innerlich schreckliche Sorgen machte.“Semir die Kabine,der Rhein,haben geschwitzt…“ stammelte Ben aufgeregt.Obwohl auch Semir keine Ahnung hatte,was sein Kollege ihm mitteilen wollte,wirkte er doch beruhigend auf ihn ein.Wenn er so aufgeregt war,bekam der noch weniger Luft und die blauen Lippen sagten Semir,dass es ernst war.“Ist schon gut,ich werde mich darum kümmern,jetzt konzentrier dich mal auf deine Atmung und versuch nicht ständig zu reden!“ sagte er autoritär und Ben nickte und befolgte seine Anweisung.Er schloss die Augen,fühlte Semirs tröstende Hände und bekam wirklich bald wieder besser Luft.
Der Stationsarzt hatte die Szene beobachtet und sagte lächelnd:“Gut gemacht,Herr Gerkan.Ihr Freund wird jetzt bronchoskopiert,damit sich meine Kollegen ein Bild vom Aussehen der Bronchien machen können und ausserdem brauchen wir dringend Trachealsekret zur Untersuchung auf Keime.Durch den trockenen Husten kommt aber nichts hoch und deswegen wird das jetzt im Rahmen einer Bronchiallavage gewonnen werden.Ich gehe zwar jetzt nach Hause,aber meine Kollegen werden sich um ihren Freund kümmern,Alles Gute!“ und damit verschwand er um die Ecke.Bens Bett wurde in die Endoskopieabteilung gebracht und Semir lief nebenher und hielt seine Hand,die der einfach nicht mehr loslassen wollte.
In der Funktionsabteilung wollte man Semir rausschicken,aber Ben klammerte sich weiterhin mit aller Kraft an der Hand seines Freundes fest und stammelte:“Soll dableiben,nein,nicht weggehen!“ und so durfte Semir doch mit zur Untersuchung.
Ben wurde auf den Tisch mit einem Rollbrett hinübergezogen und ein grünbekittelter Internist sagte zu ihm:“Herr Jäger,sie bekommen jetzt von mir eine Rachenanästhesie mit einem Spray,machen sie bitte den Mund weit auf.Ben erledigte das folgsam und bekam ein betäubendes Xylocainspray in den Rachen gesprüht,der daraufhin schnell etwas taub wurde.Ein Pulsoximeter wurde auf Bens Finger zur Überwachung geklemmt,der nur 88% anzeigte.
Während er nebenbei erklärte,was er machte,nahm der Arzt auch schon ein Bronchoskop und liess der Endoskopieschwester das Licht im Saal dimmen.Das Instrument war etwa 80cm lang,am einen Ende sass eine Optik mit verschiedenen Anschlüssen und zum Patienten hin ging ein schwarzer,etwa 3mm dicker Schlauch.Der wurde mit Gleitgel eingerieben und dann bekam Ben erst mal einen Beissring in den Mund,damit er das wertvolle Instrument nicht beschädigte.
Er sah Semir angstvoll an,aber der beruhigte ihn mit Blicken und Streicheln.Dann führte der Arzt das Instrument durch Bens Mund ein und man konnte auf einem Monitor,der an der Decke hing verfolgen,was die innenliegende Minikamera aufzeichnete.Man sah den Gaumen,der gut betäubt war und dann kam der Kehlkopf,der schon hochrot und gereizt war.Der Arzt forderte Ben auf zu husten,damit sich die Stimmritze öffnete und als der das brav machte,schob er schnell das Instrument in die Luftröhre.Ben bekam nun Angst und Atemnot,er wollte das Gerät herausreissen,aber Semir hielt die Hände mit eisenhartem Griff fest.Der Arzt sagte:“Herr Jäger,es dauert nicht lange,versuchen sie ruhig weiterzuatmen,glauben sie mir,sie bekommen genug Luft.“ Neben dem Gerät strömte durch eine Sauerstoffsonde hochdosierter Sauerstoff in Bens Mund.Er hustete immer wieder und wurde aber so panisch,dass man ihm Tavor intravenös geben musste,um ihn etwas zu beruhigen.Nun liess er den Rest der Untersuchung teilnahmslos über sich ergehen.Semir hielt die Hände fest,die nun lockerer waren und sah gebannt auf den Monitor.Er hatte ja keine Ahnung,wie sowas normal aussah,aber die komplette Schleimhaut war hochrot und entzündet.Nirgends war Schleim zu finden und so gewann der Arzt seine Proben,indem er sterile,isotonische Kochsalzlösung in die Bronchien spritzte und danach wieder absaugte.Am Gerät war nämlich ein Saug-und ein Arbeitsgang angebracht.Die Flüssigkeit lief direkt in Untersuchungsröhrchen und so wurden aus verschiedenen Teilen der Lunge Sekretproben gewonnen.
Nach etwa fünf Minuten war die Untersuchung beendet und der Arzt zog das Instrument heraus.Die Sättigung hatte mehrmals alarmiert und war nur noch bei 80% trotz Sauerstoff.Ben,der fast nichts mehr mitbekam,ausser dass es ihm schlecht ging,wurde ins Bett zurückgelegt,sein Kopfteil hochgestellt und der Sauerstoff über die Maske auf 15Liter,die Maximaleinstellung hochgedreht.
Der Arzt hatte sein Instrument weggelegt,seine Handschuhe ausgezogen,die Hände desinfiziert und griff nun zum Telefon.“Wir brauchen einen Platz auf der Intensiv,das ist nichts mehr für Normalstation!“ sagte er zu Semir,der besorgt seinen erschöpften Partner beobachtete,der gierig den Sauerstoff aus der Maske sog.Nach kurzer Zeit nickte er und packte dann zusammen mit der Schwester das Bett.Fahren wir los,wir haben einen Beatmungsplatz reserviert!“ sagte er und dann machte sich der kleine Trupp auf den Weg zur Inneren Intensivstation.