Beiträge von susan

    Ja warten! Dieses nervenzerrüttende Warten, wenn man nicht weiß, wie es den Angehörigen geht-das ist fast schlimmer, als jede Folter, weil man sich im Kopf die schlimmsten Horrorszenarien ausmalt. Noch dazu ist Ben ja selber angeschlagen und gehört eigentlich ins Bett, aber er möchte nur wissen, wie es seiner kleinen Schwester geht.
    Der Arzt ist dann sehr nett, aber außer dass es dem Baby gut geht,hat er aktuell keine Neuigkeiten zu berichten, die einen aufatmen ließen. Bei Julia kann alles passieren-sie kann das folgenlos überstehen, kann im Wachkoma bleiben oder durch auftretenden Hirndruck jederzeit versterben, wenn man nicht sofort reagiert-alles ist offen, also werden Ben´s Sorgen nicht weniger.
    Ich fand das aber so süß, wie er dann Julia´s Bauch streichelt und so Kontakt mit dem Ungeborenen aufnimmt-dem gehts wenigstens gut.
    Aber was soll jetzt die Reaktion von Peter? Dass der völlig aufgelöst und voller Sorge um seine Frau ist, steht ja außer Frage, aber warum geht er jetzt auf Ben los?

    Jenny bleibt bei Kevin und steht ihm bei! Ich finde das ganz toll und eigentlich spielt es auch gar keine Rolle, ob er tatsächlich für einen Moment wach war, oder sich Jenny das nur eingebildet hat-wichtig ist, dass sie bei ihm ist und ihn nicht alleine lässt.
    Wenn Patienten beatmet sind und kaum oder keine Sedierung mehr haben, aber festgebunden im Bett liegen, kriegen die richtig Angst, wenn sie wach werden, weil sie ja erst mal nicht wissen, wo sie sind, was Traum und was Realität ist. So ein vertrauter Mensch um einen herum ist dann Gold wert und ich persönlich glaube schon, dass Jenny nicht geträumt hat, dass Kevin mit ihr Kontakt aufgenommen hat. Er ist halt nur nicht so wach geworden, dass sich die Vitalparameter verändert haben und die Geräte angeschlagen haben. Und auch wenn nicht-die vertraute Verbundenheit tut ihm auf jeden Fall gut.

    Als Hartmut diesmal nach Hause kam, fiel er sofort in einen tiefen traumlosen Schlaf und erwachte erst gegen eins, weil sein Magen knurrte. Weil er wie üblich nichts Ordentliches im Haus hatte, aber sofort mega Lust auf einen Besuch im Burgerladen, schüttete er schnell eine Tasse Kaffee hinunter, sprang unter die Dusche und kontrollierte sein Handy, auf dem aber keine Nachricht war, was er als gutes Zeichen wertete. Nach kurzer Überlegung rief er Semir an: „Bist du schon unterwegs, oder noch zu Hause und hast du irgendwelche Neuigkeiten aus der Klinik gehört?“, fragte er, während er sich schon hinter das Steuer seines Wagens-übrigens eine Lucy 2-schwang, die er im Internet gefunden und ebenfalls liebevoll mit Originalteilen restauriert hatte. Er liebte einfach Oldtimer und hatte daran tausend Mal mehr Spaß als an jedem schicken neuen Auto. „Ich wollte gerade los fahren!“, bekam er zur Antwort und nun sagte Hartmut: „Weißt du was-ich übernehme das, ich glaube ansonsten flippt Ben wieder aus, der muss erst wieder fit im Kopf werden, damit er dich nicht als Feind wahr nimmt!“, besprach er mit seinem Kollegen und nach langem Zögern stimmte der zu.
    „Ich würde ihn und auch Sarah ja zu gerne sehen, aber vielleicht hast du Recht und wir können darauf hoffen, dass morgen die Klinikpsychologin seine wirren Gedanken und die Paranoia wieder in die richtige Spur bringt. Magst du danach auf einen Kaffee bei uns vorbei kommen? Andrea hat mit den Mädchen Muffins gebacken, die freuen sich, wenn die jemand gebührend bewundert-normalerweise ist Ben da immer der größte Abnehmer, aber ich glaube, wenn ich dem aktuell was mitbringe, denkt der, da ist Gift drin!“, lud ihn Semir ein und Hartmut stimmte ohne Zögern zu.

    In der Klinik war die Situation noch fast unverändert, außer dass Ben´s Fieber nochmals gesunken war. Er war inzwischen auch kaum mehr aufgequollen, döste vor sich hin, aber so richtig zur Ruhe kam er einfach nicht, weil er sich immer umdrehte und angstvoll auf den Monitor sah, wenn da Alarmmeldungen anderer Patienten erschienen. Damit das Pflegepersonal wusste, wann es sich beeilen musste und wann es sich Zeit lassen konnte, wurden nämlich die kritischen Alarme aller Patienten der Intensivstation an jeden Bettplatz übertragen und auch wenn es vielleicht vom Datenschutz her nicht ganz einwandfrei war, erschien in dem Fenster, das sich dann öffnete, nicht nur das Monitorbild, sondern auch der Name des betroffenen Patienten. Ben´s ganze Angst war, dass da irgendwann eine Nulllinie erschien, die eine Asystolie, also den Tod des Patienten anzeigte und darüber stand: „Jäger, Sarah“.

    „Hallo Ben-wie geht es dir?“, fragte Hartmut freundlich, als er sich wieder voll vermummt mit dem aufgelösten Pulver am Bett seines Freundes einfand. „Ist doch völlig egal wie es mir geht, ich habe schreckliche Angst um Sarah!“, bekam er zur Antwort und Hartmut nickte. „Das kann ich verstehen, aber es bringt nichts, wenn du dich deswegen fertig machst. Ich gehe dann gleich zu ihr und gebe ihr auch ihre Medizin, jetzt hoffen wir einfach, dass die bald genauso hilft wie bei dir. Ich bin jetzt dann zu Semir zum Kaffee trinken und Muffins essen eingeladen, ich soll dir liebe Grüße von ihm, von Andrea und den Kindern ausrichten!“, entgegnete er freundlich, aber Ben sah ihn jetzt wild an. „Pass bloß auf, dass er Andrea und den Kindern nichts antut, glaub mir, den hat Maria umgedreht, er ist gefährlich und gehört weg gesperrt!“, stieß Ben ängstlich hervor und Hartmut musste innerlich den Kopf schütteln. Du liebe Güte-da brauchte er gar nichts drauf zu sagen, da mussten die Profis ran. Er verabreichte also Ben die Medizin und als er bei Sarah eintraf, war da die Situation noch genauso unverändert wie am Morgen. Gerade spielte ihr Vater ihr wieder Ben´s Lied vor und wenn die Werte auf dem Monitor sich auch nicht verbessert hatten-immerhin lebte sie noch.

    So fuhr er danach zu Kaffee und Kuchen und auch wenn die Stimmung im Hause Gerkhan zunächst ernst war, die Mädchen schafften es auf die Gesichter der Erwachsenen ein Lächeln zu zaubern. „Semir-ich denke nicht dass es irgendeinen Sinn macht, wenn du zu Ben gehst, solange der denkt, du wärst sein Feind-das gibt höchstens Aufregung und die ist für niemanden gut. Ich habe ja nicht so weit zur Klinik, ich übernehme erst mal bis morgen die Verabreichung der Medizin und dann hoffen wir, dass es erstens Sarah besser geht und zweitens Ben auf die Psychologin hört!“, teilte Hartmut seinen Entschluss mit und schweren Herzens stimmte Semir zu. „Weißt du Hartmut-es setzt mir wahnsinnig zu, dass Ben mir zutraut, ihm etwas Böses zu wollen, ich bin doch sein bester Freund und habe noch nie an ihm gezweifelt!“, vertraute er dem Kriminaltechniker an und der musste nun auch Semir trösten-was für eine vertrackte Situation!

    Wie sie es ausgemacht hatten geschah es und Andy, der wieder Spätschicht hatte, begrüßte nun Hartmut ebenfalls schon wie einen alten Freund. Irgendwie steckten sie hier alle unter einer Decke. „Sarah hat sich ein ganz klein wenig stabilisiert-es ist zwar kein echtes Wunder geschehen, aber die Herzfrequenz ist wieder normal und der Blutdruck mit der hohen Noradrenalindosis immerhin um die achtzig systolisch, was mit dem Leben vereinbar ist!“, teilte er Hartmut mit. „Ich glaube wir haben das Richtige getan und bin fest davon überzeugt, dass das Mittel auch Sarah retten kann, wenn sie nur lange genug durchhält!“, fügte er hinzu und die Gesichter von Sarah´s Eltern waren nicht mehr ganz so hoffnungslos. „Wir haben in einem kleinen Hotel ganz in der Nähe ein Zimmer gebucht und werden uns ab sofort abwechseln, damit immer einer schlafen kann“, vertraute Sarah´s Mutter dem Rotschopf an und als der nach der Medikamentengabe noch kurz in der KTU vorbei fuhr, um nach seinen Proben zu sehen, wurde der Bakterienrasen auf der Platte zwar nicht angegriffen, aber er wuchs an den Stellen, wo das Orchideenmedikament aufgetragen war, nicht weiter. „Ah-jetzt wird mir was klar-das Mittel wirkt zwar bakteriostatisch, also es hemmt das Wachstum der Keime, aber es kann bereits im Organismus vorhandene Bakterien nicht vernichten, das muss das Immunsystem selber tun!“, murmelte er, aber auf die praktische Behandlung der beiden Sorgenpatienten hatte das keinen Einfluss. So erklärte sich aber das langsame Wirken und man musste auch noch ein funktionierendes Immunsystem haben, damit das Mittel helfen konnte-bei Ben war das anscheinend so, aber wie die Immunlage bei Sarah war, entzog sich seiner Kenntnis. Nach einem kurzen Abstecher in den Burgerladen fuhr er dann nach Hause, schlief ein paar Stunden, machte sich nächtens erneut auf den Weg in die Klinik und dasselbe erledigte er nochmals in der Frühe und witschte gerade von der Intensivstation als die Chefvisite begann.

    Der Chefarzt war positiv überrascht, wie sich Ben´s Zustand stabilisiert hatte. „Sehen sie-unsere altbewährte Therapie ist doch wirksam. Wir brauchen keine Urwaldmedizin und irgendwelche Schamanen die ums Bett hüpfen und geheimnisvolle Rituale durchführen!“, tönte er und als er sah, dass Ben bereits ein paar Schluck Kaffee zu sich genommen und einen Brei gegessen hatte, ordnete er die Entfernung der Magensonde an. „Es war sicher gut, ihn übers Wochenende mit Sondenkost zu ernähren, aber jetzt kann er selber essen und wie ich das sehe ist er katecholaminfrei und die Entzündungswerte fallen-falls wir ein Bett brauchen, wird er auf die Normalstation verlegt, ich denke die Urologen werden sich freuen, wenn sie nicht ständig zu uns rennen müssen und jede Isolierung auf der Intensivstation weniger schützt die anderen Patienten.“, tönte er und niemand widersprach.

    In der PASt war der normale Alltag wieder eingekehrt. Frau Krüger war erstaunt, Semir an seinem Schreibtisch vor zu finden. „Was ist los Herr Gerkhan-ich hatte gar nicht mit ihnen gerechnet-geht es Ben so gut, dass er ihre Unterstützung nicht mehr braucht?“, fragte sie freundlich. Sie war froh gewesen, dass sie am Wochenende keine schlechten Neuigkeiten aus der Klinik bekommen hatte und vertraute auch darauf, dass sie informiert worden wäre. „Äh das ist ein bisschen schwierig…“, druckste Semir herum und folgte Frau Krüger in ihr Büro. „Ben geht es zwar besser, aber er leidet unter Paranoia und ist der festen Überzeugung, ich würde gemeinsam mit Frau Gregor einer Teufelssekte angehören und ihn vergiften wollen. Hartmut hat deswegen die Verabreichung des Orchideenmedikaments übernommen, was übrigens heimlich geschehen muss, weil der Chefarzt kein Risiko eingehen möchte. Allerdings geht es Sarah sehr schlecht, sie kämpft im Zimmer neben Ben ums Überleben und niemand weiß, wie es ausgehen wird“, berichtete er bedrückt. „Aber Sarah bekommt ebenfalls das Medikament und wir hoffen jetzt einfach, dass es auch bei ihr hilft“, berichtete er in Kürze von den Geschehnissen des Wochenendes und Frau Krüger schaute ihn besorgt an.
    „Das ist ja schrecklich-ich habe hier auch eine Meldung von der JVA. Frau Gregor wurde in der Gefängnisdusche mit einem Besenstiel von Mitgefangenen so schwer verletzt, dass sie beinahe verblutet wäre. Ihr mussten in einer Notoperation die Gebärmutter und der Enddarm entfernt werden, sie hat einen bleibenden künstlichen Darmausgang und wird vermutlich morgen in die Krankenabteilung des Gefängnisses zurück verlegt. Ich muss jetzt auch sagen-mein Mitleid hält sich in Grenzen, wenn ich mir überlege, was sie ihren armen Opfern angetan hat“, berichtete sie und Semir schaute sie an. „So schlimm das für sie ist, aber vielleicht gibt es ja doch irgendeine Gerechtigkeit. Wenigstens muss Ben jetzt keine Sorge mehr haben, dass er gegen seinen Willen Vater wird und ich gönne dieser Teufelin ihr Schicksal, so böse das auch klingt. Aber ich hoffe nur, dass jetzt gerade in der Klinik keine Katastrophe passiert!“, fügte er leise hinzu und die Chefin nickte. „Das hoffe ich auch!“

    Das war wirklich ne kreative Idee einer Verfolgungsjagd! Wie raffiniert Semir seinen Plan durchzieht, den Toyota "ablädt" und so Platz für Ben schafft. Das Einzige was er nicht berücksichtigt hat, ist , dass Frege völlig skrupellos ist und bewaffnet, so wird Semir jetzt mal wieder angeschossen. Und das auch nur, weil er den korrupten Mörder unverletzt festnehmen wollte-pah-dem hätte es gehört, in den Arm geschossen zu werden und nicht Semir! X(
    Jetzt hängen die Helden links und rechts am Transporter und Frege versucht sie abzuschütteln-hoffentlich kann Semir sich mit dem einen Arm gut genug festhalten-jetzt ist Ben gefragt, der muss sofort aktiv werden!

    Dieser sture Bock! Ja ich befürchte auch, dass bald irgendjemand Ben vom Boden aufkratzen muss-sowas kenne ich zur Genüge. Bei uns fallen die Angehörigen ja schon manchmal um, wenn sie die ganzen medizinischen Geräte sehen und ihre Liebsten dazwischen und unseren Lieblingspolizisten hat es ja zusätzlich noch ordentlich erwischt. Die Verletzungen sind zwar sicher nicht mega gefährlich, aber er sollte mit einer Gehirnerschütterung und dem Schock wirklich besser flach liegen, aber das sieht Ben mal wieder anders.
    Ich hoffe ja auch, dass Anna ihm die Hammelbeine lang zieht und ihn notfalls mit seinen eigenen Handschellen am Bett festbindet, wenn sie aus dem OP kommt. Aber zusätzlich interessiert mich jetzt natürlich auch wie es Julia geht-und dem Baby. ;(

    Frege gesteht und dieser Perversling hat sogar das Kind ohne mit der Wimper zu zucken ermordet, nur damit er die Morde alle nachstellen kann und die ermittelnden Beamten , die den Fall nicht aufklären konnten, zu bestrafen!
    Und er hat Verbindungen zu Anis-der Leiter der Mordkommission steht im Kontakt mit Unterweltgrößen, man hat sich hin und wieder einen Gefallen getan-pfui-bäh, genau deswegen haben Torben und Bastian die ganze Zeit Kevin verfolgt und wollten ihn aus dem Polizeidienst kicken! Und das Attentat von Anis auf Kevin war sozusagen ein Versehen-da sind die Typen, die ihn umbringen wollten gleich Schlange gestanden!
    Ui und jetzt kommt es noch zu einer Verfolgungsjagd in bester Cobramanier-ich freu mich!

    Und Juan ist auch noch da und hängt an Kevin. Vermutlich kann er bald wieder in seine Heimat zurück, aber ihm werden bei Jennys Erzählungen sofort die Zusammenhänge klar, ich vermute mal, jetzt kann sich Anis auf was gefasst machen, der hat vergessen, dass Juan kein kleines Licht, sondern eigentlich ein einflussreicher Mann mit einem Drogenkartell im Hintergrund ist, der nur eine kleine-äh Auszeit in Köln genommen hat, bis sich die Konkurrenz wieder beruhigt!

    Ben hörte, wie Andy und eine weitere Pflegekraft sich in der Schleuse umzogen. Ein letztes Mal vor der Nacht sollte er frisch gemacht und sein verschwitztes Bettzeug gewechselt werden und- wie in der Pflege üblich- auch um den eigenen Rücken zu schonen, half man sich gegenseitig, wenn es nur irgendwie zeitlich möglich war. Zuerst hatten die beiden schon Sarah gelagert, aber mehr als nur eine minimale Schwerpunktveränderung konnte man bei ihr gar nicht vornehmen, so instabil wie sie war. Dass die Tür zwischen Schleuse und Patientenzimmer nur angelehnt war, bemerkten sie nicht. „Verdammt noch mal-ist dir das gerade auch so schwer gefallen? Sarah geht es so schlecht, ich denke eigentlich nicht, dass sie diese Nacht überlebt-so ein Mistkeim! Dabei hilft dieses Orchideenmedikament ja anscheinend schon, denn Ben ist eindeutig auf dem Wege der Besserung. Aber das Zeug braucht seine Zeit, um zu wirken, Zeit die Sarah wohl nicht mehr hat. Warum haben wir nur nicht verhindert, dass sie ihren Mann besucht? Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn jemand, den man gut kennt, eine Freundin und liebe Kollegin, einem unter den Händen weg stirbt! Es ist ja schon bei fremden jungen Menschen schwer, aber warum ausgerechnet Sarah?“, belauschte er unfreiwillig das Gespräch der beiden Pflegekräfte und eine eisige Hand schloss sich wie eine Klammer um sein Herz.

    Sarah-seine Sarah würde sterben? Und auch wenn sie auf die andere Seite gewechselt war, das spielte jetzt keine Rolle mehr, er würde ihr verzeihen und vermutlich hatte die Teufelssekte um Maria und Semir auch mit bewusstseinsverändernden Drogen gearbeitet und sie sozusagen gegen ihren Willen umgedreht. Semir als Polizist hätte da aufmerksam sein und etwas dagegen unternehmen müssen, ihm konnte er nicht verzeihen. Aber Ben zermarterte sich verzweifelt den Kopf, wie er zu seiner geliebten Frau gelangen konnte. Er war sich irgendwie sicher, wenn er nur bei ihr sein könnte, an ihrem Bett sitzen und ihre Hand halten, würde er ihr die Kraft zum Durchhalten geben.

    Als die beiden Pflegekräfte den Raum betraten, warf Ben sich unruhig in seinem Bett herum und einzelne Tränen benetzten seine Wangen. „Sarah-ich muss zu Sarah!“, flüsterte er und versuchte erneut, sich auf zu setzen und sein Bett zu verlassen, worauf ihm mega schwindlig wurde. „Ben um Himmels Willen-leg dich wieder hin. Wir machen dich jetzt vor der Nacht noch einmal frisch!“, beschwor ihn Andy und wechselte einen verzweifelten Blick mit seiner Kollegin. Erst als sie herein gekommen waren, war ihnen aufgefallen, dass die Tür nicht ganz zu gewesen war und Ben vermutlich ihr Gespräch in der Schleuse gehört hatte.
    „Das geht aber nicht-ich muss zu meiner Frau, sie braucht mich!“, begehrte Ben auf und der Blutdruck stieg erneut, so dass Andy sich beeilte, das kreislaufstützende Medikament ganz aus zu schalten. „Ben es stimmt, du hast richtig gehört, es geht ihr sehr schlecht, aber erstens ist sie nicht alleine, ihre Eltern stehen ihr bei und zweitens wissen wir einfach nicht, ob es wirklich der absolut gleiche Keim ist, der für euer beider schlechten Zustand verantwortlich ist. Falls das zwei unterschiedliche Bakterienstämme sind, kannst du sie noch kränker machen als sie sowieso schon ist-sei bitte vernünftig. Denk an sie-ganz fest-glaub mit, im Angesicht des Todes verschwimmen die Dimensionen, sie kann deine Liebe spüren, auch wenn du nicht ganz nah bei ihr bist und bemühe dich selber gesund zu werden, das ist es, was sie wollen würde und warum sie dieses Risiko eingegangen ist, dich gegen ärztlichen Rat zu besuchen und dir diese Medizin zu geben.

    Ben ließ sich nun ohne Gegenwehr betten und er protestierte auch nicht, als dann das Licht gelöscht wurde. In seinem Kopf arbeitete es, er versuchte die Dinge an ihren richtigen Platz zu schaffen, was ihm aber nicht so richtig gelang. Immer wieder überliefen ihn Fieberschauer, manchmal war er in Alpträumen gefangen, die ihn angstvoll aufschreien ließen und mehrmals versuchte er noch im Halbdämmer auf zu stehen. Man verzichtet zwar darauf ihn an zu binden, aber der Arzt verordnete ein Beruhigungsmittel, da die Kreislaufsituation es jetzt zu ließ und so war er wenig später in der Klammer des Psychopharmakums, kämpfte gegen die Müdigkeit und nickte doch immer wieder ein. Als Hartmut in der Nacht eintraf und ihm das Medikament verabreichte, bekam er das gar nicht so richtig mit, aber Hartmut zerriss es fast das Herz, als er ihn wieder und wieder murmeln hörte: „Sarah nein-bitte nicht sterben! Ich bin schuld, ich liebe dich doch!“

    Im Nebenzimmer waren Sarah´s Eltern auf das Schlimmste gefasst, ihre Mutter hatte keine Tränen mehr und sagte mit ersterbender Stimme: „Gerade war der Arzt da-es kann jede Minute so weit sein-er weiß auch nicht mehr, was er noch tun könnte!“ Neben Sarah´s Bett war ein beeindruckender Perfusorbaum, es liefen unzählige Medikamente, ein Wust von Kabeln versorgte sie und sie lag blass und irgendwie winzig inmitten dieser ganzen Maschinen. Ihre Herzfrequenz, die erst immer mit 120 Schlägen pro Minute vor sich hin gejagt hatte, war inzwischen nur noch um die 50, der Blutdruck ging systolisch nicht mehr über 70, eigentlich war das Ende der Fahnenstange erreicht. Hartmut´s Hände zitterten, als er ihr die Urwaldmedizin in die Ernährungssonde spritzte-nach seinem Gefühl war es das letzte Mal, dass er seine Freundin lebend sah, der Tod war irgendwie schon mitten im Raum. Trotzdem musste er ihr das wenigstens mitteilen, auch wenn es sehr unwahrscheinlich war, dass sie irgendetwas mit bekam. „Sarah-ich komme gerade von Ben. Er sagt immer wieder dass er dich liebt und denkt, dass er schuld daran ist, wie krank du bist“, strömte es einfach aus ihm heraus und dann erschrak er, als sich ganz langsam Sarah´s verschwollene Augen öffneten und ihn ansahen. In ihrem Blick lag unendlich viel Liebe und auch Trauer, als sie wieder mit den Lippen um den Tubus nur ein einziges Wort formte: „Ben!“. Allerdings beschleunigte sich der Herzschlag jetzt wieder ein wenig, der Blutdruck ging auf 80 systolisch und als die Nachtschwester kurz darauf ins Zimmer kam-Hartmut hatte die Spritze und den Becher schon lange im Müllsack verschwinden lassen- sah sie überrascht auf den Monitor. Es war noch nicht vorbei!

    Hartmut fuhr wieder nach Hause, er konnte in der Klinik sowieso nichts machen, allerdings fiel ihm unterwegs ein, dass er Ben´s Handy immer noch in der KTU liegen hatte. Er hatte darauf nach der Entführung nach Spuren gesucht, Bewegungsprofile erstellt und noch nicht daran gedacht, es Ben zurück zu geben. Telefonieren konnte der auf Intensiv ja nicht damit, aber wenn es ihm besser ginge, konnte er sich mit den Spielen darauf vielleicht ein wenig ablenken! Oder Bilder seiner Familie anschauen, oder was auch immer. Ben ohne sein Handy war normalerweise ein Ding der Unmöglichkeit.
    So holte er es mitten in der Nacht, lud es bei sich zuhause und weil er danach nicht schlafen konnte, schrieb er Semir um sieben, dass er die Medikamentengabe um acht noch übernehmen würde, so konnte Semir vielleicht ein wenig länger liegen bleiben. Er hatte ihm noch die Nachricht gesandt, dass es Ben besser ginge, aber Sarah weiter in kritischem Zustand war und ein trauriger Smiley war als Antwort zurück gekommen.

    Als Hartmut um acht in Ben´s Zimmer kam, sah er überrascht auf seinen Freund. Dessen Blick war deutlich klarer, anscheinend war das Fieber weiter gesunken, was der Monitor auch bestätigte. 38,6°C stand da-gegen die Werte der Vortage ein Traum. Der Kreislauf war stabil, es liefen fast keine Perfusoren mehr und vor Ben war ein Kaffee in einem Schnabelbecher aufgebaut und eine Schüssel mit Milchbrei, allerdings hatte sein Freund nichts angerührt.
    Das Bett war ein wenig hoch gestellt und Ben ließ sich widerstandslos das Medikament über die liegende Ernährungssonde eingeben. „Sarah lebt noch, aber es steht sehr kritisch!“, hat mir der Arzt gerade mitgeteilt“, flüsterte er und der Kummer und die Mutlosigkeit in seinem Blick gingen dem Rotschopf ans Herz. „Sie lassen mich nicht zu ihr, weil sie nicht wissen, ob ich ihr noch mehr schaden würde als so schon-Hartmut, wenn sie das nicht überlebt, bin ich ganz alleine schuld daran!“ sagte er dann und die Schuldgefühle waren fast greifbar. „Ben-wenn jemand an dieser Situation schuld ist, dann deine Entführerin und sonst niemand. Rede dir da nicht so einen Blödsinn ein!“, versuchte Hartmut ihn umzustimmen und zog dann das Handy heraus. „Da-ich dachte damit kannst du dir vielleicht die Zeit ein wenig vertreiben!“, sagte er und reichte es seinem Kollegen. Der schaltete es ein, sah dass der Akku voll war und sagte dann: „Ich werde Sarah da was drauf sprechen-nein singen-kannst du bitte einen Moment warten und ihr das dann vorspielen?“, sagte er und wenig später musste Hartmut schlucken als Ben, zwar noch mit schwacher und ein wenig heiserer, aber dennoch geschulter und tragender Stimme ein von ihm selbst geschriebenes Liebeslied für Sarah anstimmte, ihr danach noch bewegende Worte darauf sprach und dann Hartmut mit der kostbaren Nachricht zu seiner geliebten Frau schickte.

    Er traf ihren Vater in der Schleuse, der völlig fertig aussah. „Lange halten wir das alle miteinander nicht mehr durch!“, sagte der. "Hoffentlich hilft das Wundermittel, das sie dabei haben-ich kanns ja nicht glauben“, gab er seiner Skepsis Ausdruck, aber als Hartmut dann ins Zimmer trat und während er seiner Freundin das Mittel einspritzte, die Handybotschaft abspielte, wurde Sarah, die auch von der Unruhe des nahen Todes heim gesucht worden war, plötzlich ganz ruhig, ihre Augen öffneten sich weit, sie lauschte und der Herzschlag, der schon wieder kritisch niedrig gewesen war, beschleunigte sich ein wenig. „Es tut ihr auf jeden Fall gut-ich lasse das Handy da-spielen sie das einfach immer wieder ab, ich glaube es hilft ihr!“, sagte Hartmut verwundert, als er Sarah´s Reaktion beobachtete. „Vielleicht gewinnen wir genau die Zeit die wir brauchen-zu verlieren haben wir nichts mehr!“, bekräftigte er und die Schwester, die bewusst aus dem Zimmer gegangen war, als er gekommen war, um nichts zu sehen, was sie nicht mitkriegen durfte, aber jetzt wieder zurück war, bestätigte seine Meinung.

    Nach kurzer Überlegung ging Hartmut nochmals zu Ben zurück. „Sarah tut deine Stimme anscheinend sehr gut, wollte ich dir nur sagen. Ich fahre jetzt nach Hause und die nächste Medizin gibt dir dann Semir heute Nachmittag!“, sagte er, aber jetzt runzelte Ben die Stirn, er ballte seine Hände zu Fäusten und stieß wütend hervor: „Der soll weg bleiben, ich will ihn nicht sehen-er ist schuld daran, dass es Sarah so schlecht geht, weil er sich mit dieser Teufelin Maria und ihren Anhängern verbündet und sie mit hinein gezogen hat. Ich traue ihm nicht-was weiß ich, welches Gift er mir und meiner Frau verabreicht-Hartmut du musst ihn von uns fernhalten, er will uns nur schaden! Er tut dir scheinheilig ins Gesicht, aber bis du dich versiehst, bist du selber dran-hüte dich vor ihm!“, versuchte er Hartmut von seiner Meinung zu überzeugen. „Ben-du bist völlig auf dem falschen Dampfer! Semir ist dein Freund und will für euch beide nur das Allerbeste!“, probierte nun Hartmut ihm das Gegenteil ein zu bläuen, aber es war erfolglos. Ben stellte selbsttätig sein Bett flach, drehte sich demonstrativ zur Seite und streckte Hartmut seine Rückfront entgegen. „Ich bin müde und will schlafen!“, sagte er trotzig und zog sich die dünne Decke bis oben herauf. Oh je-das würde noch ein schwerer Weg werden, Ben wieder in die Realität zurück zu bringen, aber immerhin das Mittel wirkte und vielleicht hatte auch Sarah noch eine Chance!

    Was müssen das für schreckliche Gedanken sein, die Ben durch den Kopf schießen, als er verzweifelt versucht seine Schwester zu retten, von der er annimmt, sie sei in dem explodierenden Wagen. Er kommt zu spät und wird auch noch verletzt, als der Mercedes in die Luft fliegt.
    Allerdings hat Semir sofort erkannt, was seinem Partner Sorgen macht und Gott sei Dank konnte Julia schon vorher von beherzten Ersthelfern aus dem brennenden Wagen gezogen werden.
    Nur klingt die Erstdiagnose des Notarztes nicht so toll-Schädel-Hirn-Trauma mit tiefer Bewusstlosigkeit, ich hoffe, Julia und das Baby tragen keine bleibenden Schäden davon!
    Ben allerdings hat in meinen Augen zumindest eine schwere Gehirnerschütterung, wenn nicht sogar mehr. Das Erbrechen und die initiale kurze Bewusstlosigkeit sprechen sehr dafür-ich hoffe die Sanis nehmen ihn gleich mit, wenn der Hubschrauber in der Luft ist!

    Ha mein Gefühl hat mich die ganze Zeit nicht getrogen! Frege ist der Polizistenmörder und als ihn Semir und Ben mit der Aussage der Putzfrau konfrontieren, knickt er auch ein-ich würde sagen, das wird ein komplettes Geständnis!
    Also gibt es wirklich zwei Fälle, die sozusagen parallel ablaufen-oder wenn wir Jenny´s Einschüchterungsversuch durch Torben und Bastian, den sie fast nicht überlebt hätte, noch dazu nehmen, eigentlich sogar drei.
    Allerdings ist Kevin in allen drei Fällen sozusagen der Schlüssel-war nur die Frage, wer ihn zuerst erwischt!
    Nur hilft es ihm leider gerade kein bisschen, dass der Fall jetzt gelöst ist, wir können nach wie vor nur hoffen und beten, dass die Antibiotika wirken, er die Sepsis übersteht und auch keine dauerhaften Schäden zurück bleiben, wenn er wieder aufwachen sollte, was ich von Herzen hoffe. Ach ja und nur wir Leser und Kevin wissen ja bisher, dass Anis der Attentäter war, aber auch das werden Semir und Ben noch heraus finden, da bin ich mir ganz sicher!

    Ben hatte regelrecht aufgeatmet, als er alleine war. Jetzt konnte er sich entspannt zurück legen und musste nicht mehr aufpassen, ob Semir ihm Gift verabreichen, oder sonst etwas antun wollte. Die Nieren arbeiteten wieder, so dass Andy mit dem Ausleeren des Urinbeutels fast nicht mehr nachkam. Die kreislaufstützenden Medikamente konnten weiter zügig reduziert werden, das Fieber war inzwischen schon zum ersten Mal seit Tagen unter 39°C gefallen und weil nicht mehr so viel Flüssigkeit im Organismus war, verbesserten sich auch die Blutgase. Lediglich manche Elektrolyte wie Kalium musste man stattdessen immer wieder ausgleichen, weil der Körper die mit dem vielen Wasser ausschwemmte. Als Andy einmal alarmiert ins Zimmer stürzte, weil er auf dem Flur im Vorbeigehen lautes schmerzvolles Stöhnen hörte und schon das Schlimmste befürchtete, plagten üble Wadenkrämpfe seinen Patienten, die man aber mit einem hoch dosierten Magnesiumperfusor gut in Griff bekam.

    Andy hatte beschlossen, einfach nicht auf Ben´s Verschwörungstheorien ein zu gehen, er hatte Gott sei Dank keine Probleme mit seinem Patienten, weil der ihm vertraute und keinen Zusammenhang zu seiner Entführerin und ihrem Bruder herstellte. Eines war klar, in Ben´s Kopf liefen Mechanismen ab, die man als Laie vermutlich nicht beeinflussen konnte-da musste man am Montag auf die Psychologin warten. Aber unabhängig davon-anscheinend wirkte die Urwaldmedizin! Mehrmals warnte Ben allerdings den jungen Pfleger vor seinem Kollegen und weiteren Personen, namens Maria und Elias, ohne dass der näher darauf einging. Er warf sich schwitzend im Bett herum und schreckliche Alpträume, in denen auch Teufelskinder ,. tote Augen und andere unheimliche Dinge vorkamen, schienen ihn wieder und wieder heim zu suchen, so dass er dem Personal richtig leid tat.

    Als kurz vor acht Semir wieder kam, griff Andy deshalb zu dem Trick, den mittags seine Kollegin bei der Übergabe angewandt hatte. Als Semir geläutet hatte, bat ihn Andy: „Bereite doch gleich mal die beiden Dosen in der Schleuse vor und zieh dich um, ohne dass er dich sieht-er ist nämlich immer noch völlig in seinen verqueren Verschwörungstheorien gefangen, in denen du eine große Rolle spielst. Ich gehe dann kurz vor dir rein, gebe ihm einen großzügigen Opiatbolus, verschwinde wieder und bevor er so richtig merkt, wie ihm geschieht, hat er das Medikament schon drin!“, und so wurde es gemacht. Als Ben, der einen Moment völlig orientierungslos von dem Opiat war, mit geschlossenen Augen und glücklichem Lächeln in seinen Kissen lag, bemerkte, dass etwas kühl seinen Rachen hinunter lief, war Semir schon fertig.

    Allerdings setzte es ihm furchtbar zu, als Ben laut und angstvoll um Hilfe zu rufen begann, als er seiner ansichtig wurde und keiner Argumentation zugänglich war. Also trat Semir voller Kummer den Rückzug an und verabreichte auch Sarah, der es immer noch sehr schlecht ging, die nächste Dosis. Die reagierte inzwischen überhaupt nicht mehr und die Dosierung der kreislaufstützenden Medikamente war am Anschlag, wie ihre Mutter ihm mit Tränen in den Augen mitteilte, während sie voller Verzweiflung die Hand ihrer Tochter hielt. Es wurde für jeden Patienten, abhängig vom Körpergewicht, die individuelle Höchstdosis errechnet und die war bereits ein wenig überschritten, wie er erfuhr.

    „Semir-der Arzt hat gesagt, falls Sarah gläubig wäre, wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, einen Priester zu rufen-wir sind völlig fertig. Ich meine das mit dem Priester wird sie höchstens beunruhigen, wenn sie noch irgendetwas mitbekommen sollte, darum haben wir uns dagegen entschieden. Aber wenn ein Wunder jetzt das Einzige ist, was noch helfen kann-oh mein Gott-ich darf gar nicht daran denken!“, schluchzte sie und Semir blieb mit besorgter Miene am Bett seiner Freundin stehen, legte ihr die Hand auf die nicht verbundene Schulter und versuchte ihr Kraft zu spenden.

    Wie schrecklich wäre es, wenn Ben infolge der Verkettung solch schlimmer Dinge seine Frau verlieren sollte! Freilich war der gerade nicht ganz bei sich und in seinem Kopf lief etwas schief, aber irgendwann würde er wieder klar denken können und eines wusste Semir ganz sicher, nicht zuletzt auch durch seine unbedachten Worte, würde er sich alleine schuldig am Tod von Sarah fühlen und vermutlich daran zerbrechen. „Sarah-du darfst einfach nicht sterben!“, brach es aus ihm heraus. „Ben geht es besser, also hat dein Plan funktioniert und die Urwaldmedizin wirkt. Sie wird sicher auch bei dir helfen, aber anscheinend dauert das seine Zeit. Du musst kämpfen Sarah-deine Kinder, Ben, deine Eltern-wir alle brauchen dich“, feuerte er sie regelrecht an, aber keine Regung kam von der Schwerkranken.
    „Ich fahre jetzt trotzdem nach Hause, in der Nacht kommt mein Kollege Herr Freund und verabreicht Ben und Sarah die Medizin-ich denke an sie alle und komme morgen früh wieder!“, teilte er schweren Herzens mit und die mutlosen Worte der verzweifelten Mutter hallten noch lange in seinem Kopf nach. „Wenn Sarah bis dann noch am Leben ist!“, hatte sie gemurmelt und war an der Seite ihrer Tochter regelrecht zusammen gesunken.

    Als er das Krankenhaus verließ, machten sich gerade die ersten Nachtschwärmer schick gekleidet auf Tour. Das Leben in Köln brandete voller Überfluss an ihm vorbei, als er langsam nach Hause fuhr. Niemand wusste, welche Dramen sich nur wenige Meter von ihnen entfernt abspielten, aber auch das war das Leben und die Welt würde sich weiter drehen, auch wenn in dieser Nacht eine junge Frau starb, die Ehefrau, Mutter von zwei kleinen Kindern und ebenso Tochter, Schwester, Freundin und Kollegin war.
    Als Semir zuhause ankam, waren die Kinder bereits im Bett und er war ehrlich gesagt froh darüber. Andrea schloss ihn wortlos in die Arme und als er ihr mit wenigen Worten berichtete, wie schlecht es um Sarah stand, weinten sie gemeinsam und keiner schämte sich seiner Tränen.

    Maria ging es ebenfalls noch schlecht. Der massive Blutverlust machte ihr zu schaffen, aber was viel schlimmer wog, sie hatte nicht nur ihr Kind und jede weitere Möglichkeit auf eine erneute Schwangerschaft verloren, sondern der künstliche Darmausgang war eine Realität, die sie einfach nicht wahrhaben wollte. Immer wenn sie eindämmerte hatte sie schöne Träume, wie sie mit ihrem wunderhübschen Kind und einem makellosen Körper in Brasilien am Strand lag und wenn sie dann wieder wach wurde, bemerkte sie, dass sie im Krankenhaus war und eine streng gekleidete und schwer bewaffnete Justizvollzugsbeamtin jede ihrer Regungen beobachtete. Immer wieder von Neuem brach der Schock über sie herein-nein das durfte einfach nicht wahr sein-sicher war das ein Alptraum aus dem sie in Kürze erwachen würde. Aber wenn sie sich dann ein bisschen bewegte und trotz starker Medikamente eine Schmerzwelle durch ihren Körper fuhr und sie stöhnen ließ, war ihr klar-das war kein Traum, sondern bittere Realität!

    Jetzt kommen neue Komplikationen bei Kevin hinzu-ja um das alles zu überleben, braucht er viel Kraft, Unterstützung und vor allem den Willen zu kämpfen! Die medizinische Therapie ist ja Standard, aber ob sie anschlägt, kann man leider nie vorher sagen-die meisten Patienten bei uns auf Intensiv, die ihre Erkrankung nicht überleben, sterben an einer Sepsis. Allerdings war Kevin vorher körperlich in einer guten Verfassung, das ist eines der Dinge, die seine Chancen verbessern.
    Wenn man allerdings nun Kalle zuhört, muss zumindest ich schlucken. Sie erzählt Jenny von Kevin´s Mutter, von seiner so engen Verbindung zu Janine und vermutet, dass er nicht zurück möchte, wenn es denn sowas wie ein Leben nach dem Tod gibt und er hoffen kann, seine Schwester wieder zu treffen.
    Freilich hat vielleicht Erik ein Recht darauf vom schlechten Zustand seines Sohnes zu erfahren, aber ich denke, wenn Kevin das entscheiden könnte, würde er ihn nicht an seinem Krankenbett haben wollen, immerhin hat er mit dieser Schutzgeldsache Kevin erst noch so richtig in den Strudel rund um Anis rein gezogen und ist sicher mittelbar dadurch irgendwie an dem Attentat mit schuldig.
    Jetzt können wir alle miteinander nur hoffen und beten, dass Kevin das Ruder noch einmal herum reisst!

    Das Kapitel hat ja erst ganz ruhig angefangen. Ein wenig Geplänkel unserer beiden Lieblingskommissare, so wie wir es kennen und gewohnt sind. Ben futtert, vermüllt Semir´s Auto, also nichts was nicht völlig normal wäre. ;) -übrigens danke für die absolut treffende Situationsbeschreibung, man fühlt sich gleich zuhause. :D
    Dann kommt kurz vor Feierabend noch eine letzte Arbeitsanweisung von Susanne und ich stimme da Trauerkloß völlig zu-wenn Susanne gewusst hätte, welches Fahrzeug darin verwickelt ist, hätte sie jede Streife außer Cobra 11 dorthin geschickt! Oh Gott-hoffentlich hat sich Ben getäuscht und es ist ein ganz anderes Fahrzeug als das seiner Schwester ;( .

    Hartmut hatte derweil aus seinem Brutschrank in der KTU die Bakterienkulturen, die er dort aufbewahrt hatte, entnommen. Als er sah, wie die Rasen auf der Nährlösung gewachsen waren, gruselte es ihn. Das waren wirklich sehr aktive Bakterienstämme, es verwunderte nicht, dass sie so ein Verheerungswerk in seinem Freund und auch in Sarah angerichtet hatten. Gewissenhaft löste er ein wenig Orchideenextrakt auf, gab den auf die Platte und stellte das Ganze dann zurück in den Wärmeschrank. Als sein Blick darüber strich, schmunzelte er. In einer Klinik benutzte man dazu teure Gerätschaften, er hatte einfach vor einigen Jahren ein billiges Teil aus der Geflügelzucht erworben, das tat genauso zuverlässig seinen Dienst und falls einmal einer seiner Kollegen Küken bräuchte-er konnte sie ausbrüten! Eine Weile besah er sich noch einige Proben unterm Mikroskop, recherchierte mit wenig Erfolg im Internet und packte dann gähnend seine Sachen. Er würde jetzt nach Hause fahren, sich unterwegs was zu Essen kaufen und sich dann ein bisschen hinlegen-die unruhige Nacht in der Klinik forderte ihren Tribut.

    Semir hatte dankbar den Isolierkittel, den Mundschutz und die Handschuhe ausgezogen. Seine Hände schwitzten und rasch wusch er sie mit kaltem Wasser und trat dann auf den Krankenhausflur. Sarah´s Eltern waren ebenfalls für eine Weile hinaus geschickt worden, weil der Arzt einige Messungen vornehmen musste und die Pflege sie danach noch frisch machen wollte. Semir trat zu den beiden und begrüßte sie. Man kannte sich-nicht nur von der Hochzeit und anderen Familienfeiern, sondern auch von einem Fall, als der kleine Tim gemeinsam mit seiner Tante entführt worden war. „Wie geht es Sarah?“, fragte der kleine Türke und der verzweifelte Gesichtsausdruck der beiden sprach Bände. „Gerade hat der Arzt uns nochmals gesagt, dass es sehr ernst ist und wir jederzeit mit allem rechnen müssen!“, gab die Mutter mit einem Aufschluchzen die schreckliche Information weiter.
    „Sie waren ja bei unserem Schwiegersohn-wie sieht es denn bei dem aus?“, fragte nun der Vater und hatte den Arm fest um seine Frau gelegt. „Immerhin geht es ihm anscheinend nicht schlechter als gestern, aber wir müssen abwarten“, teilte Semir ihnen mit und als Andy wenig später mit einem kleinen Tablett aus dem Stationszimmer balancierte, auf dem er drei wundervolle Tassen Kaffee und einige abgepackte Kekse drapiert hatte, folgten sie ihm dankbar zu der Sitzgruppe vor der Intensivstation. „Gönnen sie sich eine Auszeit, gehen vielleicht auch mal an die frische Luft-wir passen derweil gut auf ihre Angehörigen auf und falls sich bei einem der beiden was verschlechtern sollte, sagen wir natürlich sofort Bescheid!“, teilte er ihnen freundlich mit und die drei nickten. Semir gab den Großeltern die Telefonnummer von Hildegard, die beiden wollten natürlich auch ihre Enkel sehen, aber momentan stand es so kritisch, dass sie sich nicht getrauten, das Krankenhaus zu verlassen.

    Andy hatte sich derweil bei Ben eingeschleust, er musste nämlich dringend die Noradrenalindosierung wieder reduzieren, der Blutdruck war erneut angestiegen, obwohl Ben völlig ruhig in seinem Bett lag. Als Andy das Stundenglas des Urinbeutels umleerte, war das randvoll und ein leises Lächeln stahl sich auf das Gesicht des jungen Pflegers. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen, Ben stabilisierte sich-zumindest ein wenig. „Hey-wie fühlst du dich?“, fragte er und als Ben die Augen aufschlug und ihn ansah, lächelte er ihn freundlich an. „Beschissen, aber Andy-wie geht es Sarah-oder habe ich das Alles nur geträumt?“, fragte er, worauf der Gesichtsausdruck des jungen Pflegers ernst wurde. „Ich weiß überhaupt nicht mehr was Realität ist, was ich mir einbilde und was in Wirklichkeit passiert ist!“, berichtete der Dunkelhaarige und während Andy ihn ein wenig anders hin legte, dabei routiniert die Unterlage erneuerte und die Verbände kontrollierte, sagte er: „Deiner Frau geht es leider gar nicht gut. Sie hat einen septischen Schock erlitten und ist beatmet und ziemlich instabil. Allerdings darf man die Hoffnung nicht aufgeben-sie war ja vorher kerngesund und hat sicher noch Reserven, trotzdem ist die Lage natürlich ernst. Ihre Eltern sind übrigens bei ihr, sie ist also nicht alleine“, teilte er ihm mit und man merkte, wie es in Ben´s Kopf arbeitete. „Aber sie und Semir haben mich verraten-trotzdem mache ich mir natürlich irre Sorgen um sie-kann ich nicht zu ihr?“, fragte er, aber Andy schüttelte den Kopf. „Ben beim besten Willen-das geht nicht. Werde erst mal selber gesund und vor allem-verrenne dich da nicht in Verschwörungstheorien. Du hast selber seit Tagen hohes Fieber und hast Schreckliches hinter dir, da gaukelt einem der Kopf manchmal Dinge vor, die nicht real sind. Jeder hier, vor allem dein Freund Semir will doch nur dein Bestes!“, sagte er, aber als er nur den Namen erwähnte, versteifte sich der junge Polizist und richtete sich aufstöhnend ein wenig auf. „Der soll mir vom Leibe bleiben, du glaubst ja nicht, wie der mich quält, wenn keiner von euch dabei ist-er ist mit dem Teufel im Bunde“, keuchte er und Andy merkte, dass er da im Augenblick mit vernünftigen Argumenten nicht ankommen würde.
    Aber eines war klar-Ben stabilisierte sich und wenn man davon ausging, dass vielleicht das Dschungelmedikament dafür verantwortlich war, wäre es vielleicht Sarah´s einzige Chance. Er musste sich da etwas überlegen und so schnappte er sich wenig später Semir, gerade als der wieder in die Schleuse gehen wollte.

    „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ben ist gegen dich voller Abwehr und denkt, du wärst mit dem Teufel im Bunde und wolltest ihn nur quälen. Aber wenn es auch nur ganz kleine Schritte sind-es geht ihm ein bisschen besser und vielleicht ist es tatsächlich diese ominöse Medizin, die dafür verantwortlich ist. Ich denke eigentlich, man sollte das Sarah auch zukommen lassen, aber du kennst ja unser Dilemma hier als Krankenhausmitarbeiter-wir gefährden unsere berufliche Existenz, wenn wir da mitwirken!“, kam er auf den Punkt und jetzt überlegte Semir nicht lange. „Hat Sarah eine Magensonde?“, fragte er und Andy nickte. „Wenn du und deine Kollegen die nächsten 10 Minuten nicht in ihr Zimmer kommt, erledige ich das und mache das alle sechs Stunden, wie bei Ben-ich denke sie würde diese Chance haben wollen“, teilte er ihm mit und Andy wies wortlos auf die frische Magensondenspritze und die Becher, die er bereits wie zufällig in der Schleuse deponiert hatte und dann ging er hinaus. Semir löste nun gewissenhaft eine Dosis auf, huschte dann in die Schleuse des Nebenzimmers und wenig später schauten Sarah´s Eltern, denen er mit kurzen Worten die Sache erklärte, verwundert zu, wie er fast schon routiniert ihrer Tochter das Medikament applizierte, mit Wasser nachspülte und irgendetwas davon drang nun auch zu der nur leicht sedierten Patientin durch, so krank sie auch war. Sie öffnete die geschwollenen Augenlider und sah Semir direkt an. „Sarah-anscheinend wirkt die Medizin-Ben geht es besser, ich gebe dir die jetzt auch!“, sagte Semir, nicht wissend, was die junge Frau mit bekam, aber zu seiner Überraschung nickte sie ein wenig, lächelte und versuchte trotz Tubus ein Wort zu formulieren-Ben!

    Als er wenig später, wieder frisch umgezogen das Zimmer seines Partners betrat, der gerade relativ entspannt im Bett gelegen hatte, versteifte sich der sofort, wandte sich ab und als er versuchte ihn zu berühren, schüttelte er ihn ab wie ein lästiges Insekt. „Ben-ich will dir doch nichts Böses-versteh doch!“, appellierte er an dessen Verstand, aber es war aussichtslos und als ihn wenig später Andy hinaus bat, der das im Vorbeigehen durch die Glasscheibe beobachtet hatte, ging er relativ erleichtert. „Semir ich glaube deine ständige Anwesenheit ist gerade für ihn mehr Stress als alles andere. Könnt ihr das nicht so organisieren, dass alle sechs Stunden jemand das Mittel verabreicht und er sonst in unserer Obhut bleibt, wie die anderen Patienten auch? Am Montag ist schon eine Klinikpsychologin angefordert, vielleicht kann die ihm aus seinen verqueren Verschwörungstheorien helfen, oder er wird von alleine wieder normal wenn das Fieber weiter gesunken ist“, teilte er seine Gedanken mit und nach kurzem Zögern stimmte er zu. „Ich komme dann wieder kurz vor acht, wenn die nächste Dosis fällig ist-bis dann!“, verabschiedete er sich von dem jungen Pfleger.

    Nach kurzem Überlegen klopfte er dann an die Scheibe von Sarah´s Zimmer und winkte ihre Eltern in die Schleuse. „Ich hätte jetzt Zeit-wenn einer von ihnen zu ihren Enkelkindern gebracht werden will, während der andere bei Sarah bleibt, wäre das kein Problem“, sagte er und so trafen eine gute halbe Stunde später Sarah´s Mutter und er bei Hildegard ein. Die Kinder begrüßten die Oma unbeschwert, nahmen ihre kleinen Mitbringsel voller Freude in Empfang und begannen sofort damit zu spielen. „Wir sind ihnen so dankbar, dass sie unsere Enkelkinder so liebevoll betreuen, aber wenn es ihnen zu viel ist, können mein Mann und ich sie auch mit zu sich nach Hause nehmen und dort versorgen-wir würden uns dann in der Klinik abwechseln“, bot Sarah´s Mutter an, aber Hildegard lehnte voller Herzenswärme ab. „Die Kinder sind für mich keine Last, ich liebe sie genauso wie meine eigenen Enkel. Sie kennen sich hier aus, sind bei mir wie zuhause und ich denke es ist besser, sie schenken ihrer Tochter alle Kraft. Ich bete für Sarah und Ben und hoffe wir erhalten bald gute Nachrichten!“, bestimmte sie und so verabschiedeten sich die beiden Besucher nach kurzer Zeit. Nur Lucky hatte sich in seinem riesigen Korb verkrochen und war nur noch ein Schatten seiner selbst.

    Semir fuhr, nachdem er Sarah´s Mutter vor der Klinik abgesetzt hatte dann nach Hause und als sich gegen 19.00 Uhr Hartmut via Whats App bei ihm meldete, machten sie aus, dass Semir die Dosis um acht bei beiden Patienten verabreichen würde, eine zweite Jacke mit dem Pulver darin in der Schleuse hängen lassen würde und Hartmut die nächtliche Dosis übernehmen würde. „Hoffen wir, dass es wirklich das Mittel ist, das hilft und Sarah ebenfalls damit gerettet werden kann!“, sagte Semir und Hartmut stimmte ihm aus vollem Herzen zu-einen Versuch war es auf jeden Fall wert!

    Gut der Attentäter, der Kevin fast umgebracht hat, war tatsächlich Anis. Und anscheinend ist er gar nicht so unglücklich darüber, dass der junge Polizist noch lebt. Allerdings hatte er wirklich auf Jenny gezielt-warum denn das? =O Wollte er ihm das Liebste nehmen, oder nacheinander alle beide erledigen? Das ist die eine Sache, aber damit ist die Mordserie noch nicht geklärt!
    Falls Anis tatsächlich auch hinter den anderen Morden steckt-der ersten und der zweiten Serie, warum liefern dann Frege und Carsten ihren Kollegen ans Messer? Warum mussten dann die ganzen Mordermittler sterben? Und wen beschreibt die Putzfrau jetzt?
    Wenn es Anis ist, dann geht es vielleicht um Korruption und organisierte Kriminalität im großen Stil, aber ich lasse mich überraschen, was du dir zu diesem Thema hast einfallen lassen. Dann wäre ja das Motiv, das Carsten und Torben angeblich zu ihren Taten gebracht hat nur lachhaft-was Kevin getan hat, sind dagegen Peanuts!

    Ben´s Gefühle vor seinem Besuch bei Schwester und Schwager kann ich nachvollziehen. Wie begegnet man jemandem, der einem einen Privatdetektiv auf den Hals gehetzt und einen beim Vater schlecht gemacht hat? Aber immerhin schaffen sie es Smalltalk zu machen und damit sind Anna und Julia schon zufrieden!

    Jetzt bin ich auch erleichtert-nicht Semir war in Gefahr, sondern die Räuber-na meinetwegen hätte er da gerne ein paar Minuten wegschauen dürfen :D . Wetten die Gefahr einer Wiederholungstat hätte gegen null tendiert ;) . Aber Semir ist Polizist und muss sich deshalb an die Regeln halten.
    Trotzdem haben unsere Helden Sorge, dass sie einen Anschiss von Frau Krüger kriegen-na wie man sieht, ist die jedoch vernünftig. Wäre ja noch schöner, eigentlich haben die ja durch ihre äh Insubordination erst die Verhaftung der Bösen möglich gemacht. Sonst würden sie noch bis zum Sanktnimmerleinstag Nachtdienst machen, aber so winkt ein freies Wochenende, das Semir gleich mit seiner Familie verbringt.
    Ich finde es auch sehr richtig, dass er den Termin beim Psychologen jetzt wahrnehmen will, aber ich hoffe er nimmt den Mund nicht zu voll, wenn er behauptet, nichts könne ihn davon abhalten ;( -was wäre wenn etwas mit Ben ist?

    Semir sah auf die Uhr. Es war wieder Zeit für die nächste Dosis. Seufzend erhob er sich, holte aus seiner Jacke in der Schleuse den Beutel, maß die Dosis ab und löste sie auf. Als er die Medizin in die Spritze aufgezogen hatte, trat er an Ben´s Bett. Der hatte ihn die ganze Zeit unter leicht geöffneten Lidern misstrauisch beobachtet. So ganz war er noch nicht bei sich, hatte auch immer noch hohes Fieber und die Überzeugung, dass Semir ihn umbringen wollte und ein Anhänger der Teufelssekte war, wie so viele hier, war fest in seiner Einbildung verankert.
    Als Semir die Utensilien auf dem Nachtkästchen abstellte und zunächst seinen schwer kranken Freund begütigend ansprach, drang das gar nicht zu ihm durch. „Ben-ich möchte dir jetzt die nächste Dosis des Medikaments geben. Den anderen Patienten ging es ab dem zweiten Tag besser, hat die Brasilianerin uns erzählt. Mach es uns beiden nicht so schwer und bleib jetzt einfach ruhig liegen!“, sagte er begütigend, aber Ben spannte wie eine in die Ecke gedrängte Katze unter der Decke alle Muskeln an. Als Semir mit der aufgezogenen Spritze in die Hand näher trat, schoss eine abwehrende Hand hervor und verpasste ihm einen heftigen Schlag ins Gesicht, so dass er im ersten Moment zurück taumelte, dass Ben noch so viel Kraft hatte, hätte er nicht erwartet. Der Patient warf nun die Decke von sich und versuchte ohne Rücksicht auf Verluste aus dem Bett zu springen und zu fliehen, dass überall in ihm Schläuche steckten und er sich damit in Lebensgefahr brachte, war ihm nicht bewusst. „Verdammt noch mal Ben, was tust du da?“, schrie Semir und warf sich auf ihn. Bei dem nun folgenden Handgemenge stieg Ben´s Blutdruck, die Herzfrequenz schoss in die Höhe und obwohl die Übergabe im Stationszimmer gerade begonnen hatte, sprang die betreuende Schwester auf, um nach ihrem jungen Patienten zu sehen. Das verwackelte EKG zeigte, dass er in Bewegung war und als sie sich rasch einen Isolierkittel übergeworfen hatte, kam sie gerade zurecht um in ein regelrechtes Handgemenge zwischen Semir und Ben ein zu greifen.
    „Was ist denn hier los?“, rief sie kopfschüttelnd, aber da hatte Semir mit speziellen Fixierungstechniken, die er als Polizist lebenslang trainierte und anwendete, Ben schon überwältigt und ins Bett gepresst. „Verdammt-ich will ihm doch nur die Medizin geben, ansonsten ist doch sowieso jeder hier mit seinem Latein am Ende und wenn wir es nicht wenigstens versuchen, werden seine Kinder vielleicht als Waisen aufwachsen, aber dieser Blödmann hier tut, als ob ich ihm ans Leder wollte!“, presste Semir zwischen vor Anstrengung zusammen gebissenen Lippen hervor.

    Die Schwester versuchte es mit gutem Zureden. „Hört auf ihr beiden-ich darf ja offiziell gar nicht hier sein und von euren Aktionen auch nichts wissen, sonst bin ich meinen Job los, aber Ben-vielleicht solltest du deinen Freund einfach machen lassen, bisher hat es dir zumindest nicht geschadet?“, schlug sie vor, aber der wehrte sich nur um so heftiger. Er war irgendwie nicht anwesend, sondern kämpfte erneut im Keller gegen Maria, die ihm wieder das Zeug verabreichen wollte, das ihn wehrlos machte und ihn dennoch bei vollem Bewusstsein die schrecklichen Dinge erleben ließ, die sie mit ihm anstellte. Auf ihm lag gerade Elias und gegen den Koloss hatte er sowieso keine Chance, wie er erfahren hatte, aber dennoch wollte er nicht kampflos untergehen. „Nein-Maria, Elias-nicht!“, wimmerte er und jetzt wusste Semir, was Ben gerade durchlebte. Bei aller Anstrengung durchflutete ihn eine Welle des Mitleids, ihm war klar, dass sein Freund gerade nicht wusste, dass er es war, der auf ihm lag und ihn nach allen Regeln der Polizeikunst festhielt.

    Die Schwester hatte das Noradrenalin ein wenig reduziert, denn der Blutdruck war durch die körpereigene Adrenalinausschüttung immer noch erhöht und nach kurzer Überlegung verabreichte sie ihrem Patienten noch einen Opiatbolus, der ein wenig höher bemessen war als die vorher. Sein Kreislauf würde das momentan vertragen und wie erwartet, erschlaffte Ben wenig später, als das Medikament in seinem Gehirn an flutete ein bisschen, so dass Semir rasch die Handfixierungen anbringen konnte. Bevor sein Freund wieder ganz bei sich war, verabreichte er ihm dann das Medikament und die Schwester hatte derweil das Zimmer schon wieder verlassen.

    „Was war denn los?“, fragten die Kollegen im Stationszimmer. „Herr Jäger hatte Schmerzen und hat sich deswegen ein wenig aufgeregt!“, bemerkte sie betont beiläufig und sah nicht, wie die Mundwinkel des Stationsarztes, der der Übergabe ebenfalls beiwohnte, ein wenig zuckten. Hielten ihn hier alle für blöd? Aber es war vielleicht besser, wenn man das wirklich nach außen hin geheim hielt, dann war keine ihrer Stellen in Gefahr! Keiner wusste was, niemand hatte etwas gesehen und man sprach auch nicht darüber-basta!

    Semir ließ Ben vorsichtshalber noch ein wenig angebunden, aber als der nicht mehr festgehalten wurde, entspannte er sich und so löste der Türke die Handfesseln bereits wieder, als der junge Pfleger und die Frühdienstschwester das Zimmer zur Übergabe betraten. „Na alles im grünen Bereich?“, fragte Andy mit Wärme in der Stimme und scannte mit geschultem Blick die Geräte, die Perfusordosierungen und die Werte auf dem Monitor. Obwohl Ben wieder ruhig war, hielt sich der Blutdruck und im Gegensatz zum Vortag war die Dosis nun schon ein bisschen niedriger-vielleicht ein kleiner Silberstreif am Horizont. „Hey Ben-ich bin heute Nachmittag wieder bei dir!“, sagte er freundlich, aber aktuell reagierte der nicht, sondern genoss die wohltuende Auszeit, die das Medikament ihm verschaffte. Sein Kopf fühlte sich an wie Watte, er schien schwerelos zu schweben und wenn ihm auch ein wenig schwindlig war, hatte er doch gerade keine Schmerzen und das war ein Zustand, den er seit Tagen herbei sehnte.
    „Sieht ja gar nicht so schlecht aus-Semir magst du nach der Übergabe mit mir draußen noch einen Kaffee trinken?“, fragte Andy und machte eine einladende Bewegung Richtung Schleuse. Auch wenn er wohl heute Nacht zuhause geschlafen hatte, wirkte der ältere Polizist ganz schön fertig und die Falten, die sein wahres Alter verrieten, obwohl er ansonsten noch gut in Schuss war, hatten sich durch die Sorgen und die Anspannung tiefer in sein Gesicht gegraben. „Gerne!“, stimmte Semir zu, er brauchte wirklich gerade eine kleine Auszeit und außerdem wollte er dringend erfahren, wie es Sarah ging.

    Mann da kommt man ein paar Tage nicht zum Lesen und schon wieder ist eine Menge passiert!
    Ben ist aus dem Urlaub zurück und richtet brennende und auch wahre Worte an den komatösen Kevin. Nachdem man nie weiß, was Patienten in diesem Zustand mitkriegen, war es auf jeden Fall einen Versuch wert. Und Carina ist eine Süße und kriegt von Ben auch gleich mal klare Ansagen ;) .
    Jenny ist sich ihrer Liebe mehr und mehr bewusst, also wenn Kevin aufwachen sollte, ist sein Nest vorbereitet.
    Jerry musste warten und erfährt jetzt, dass sein lange gehütetes Geheimnis inzwischen mehr als einem bekannt ist. Gut Jerry hat ein felsenfestes Alibi, auch wenn Jenny´s Alpträume was anderes vermuten lassen,.aber wie siehts mit Anis aus? Verdammt da hat die Polizei sich aber auch geirrt, in meinen Augen ist der Attentäter nicht Torben und eigentlich bräuchte Kevin deswegen Personenschutz. Und Anis hätte ich schon gar nicht nur in Kevin´s Nähe gelassen, ob mit oder ohne Blumen-der A.... X(

    Bei Sarah waren die aktuellen Laborbefunde regelrecht explodiert, die Entzündungszeichen waren in den Himmel geschossen und der erste Keimnachweis des Abstrichs unterm Mikroskop hatte dieselben nekrotisierenden Bakterien gezeigt, wie bei ihrem Mann. Ob sie ebenso multiresistent waren wie bei ihm, wusste man noch nicht, aber es war fast anzunehmen. So liefen zwar hoch dosiert zwei verschiedene Breitbandantibiotika, aber es schien die Ursache der Sepsis nicht zu berühren. Sarah war sehr kreislaufinstabil, trotz hoher Dosen Noradrenalin ging der systolische Blutdruck kaum über hundert und wenn man sie nur ein wenig zu lagern versuchte, schmierte sie regelrecht ab. Trotz der Kardioversion jagte das Herz immer noch viel zu schnell, es bestand ein subjektiver Volumenmangel, obwohl man sie literweise infundierte und insgesamt war die Lage sehr ernst.
    Der Stationsarzt hatte zusammen mit einem Internisten nochmals gründlich Visite und einen Herzultraschall gemacht, aber auch die beiden konnten nicht mehr tun als abzuwarten und zu hoffen, dass eines der Antibiotika griff und die Bakterien, die man auch in ihrem Blut nachgewiesen hatte, davon bekämpft wurden. „Wenn sie Pech hat bilden sich septische Thromben, verursachen eine Herzinnenhautentzündung und schießen auch ins Gehirn, dann hat sie Dauerschäden, auch wenn sie die Sepsis überleben sollte“, bemerkte der Internist, dem die junge Frau nicht persönlich bekannt war. „Mal den Teufel nicht an die Wand-Sarah ist eine sehr nette und engagierte Mitarbeiterin-sie ist langjährig hier Intensivschwester, nur arbeitet sie wegen der Familie aktuell nur zur Aushilfe. So schwer es generell ist, wenn man Patienten näher kennt, aber hier in diesem Fall ist es besonders tragisch, weil wir uns alle Vorwürfe machen-die Pflege und wir vom ärztlichen Dienst- ihre Besuche als frisch Operierte bei ihrem Mann nicht unterbunden zu haben. Der ist von denselben Bakterien infiziert und liegt in ebenfalls kritischem Zustand im Nebenzimmer!“, berichtete er dem Kardiologen und der sagte nun betroffen: „Das tut mir leid und ich wusste das natürlich nicht!“, worauf der Anästhesist noch hinzu fügte: „Und zwei kleine Kinder haben die beiden auch!“, was den Kardiologen dazu brachte, betreten zu Boden zu schauen-ja manchmal waren die Schicksale ihrer Patienten in ihrem Beruf schwer zu ertragen.

    Weil die beiden Ärzte momentan keine weiteren Therapieoptionen fanden, verließen sie das Zimmer und trafen in der Schleuse auf die betreuende Schwester, der eine verschwitzte Haarsträhne auf der Stirn klebte und die sich gerade wieder in einen gelben Kittel zwängte. Auf dem kleinen Tischchen lagen einige aufgezogen Perfusorspritzen und Antibiotikafläschchen-alles was in Kürze leer werden würde, oder laut Behandlungsplan verabreicht werden musste.
    „Der Urologe war gerade bei Herrn Jäger und hat die Drainagen gezogen, ich glaube das hat ihm psychisch mehr zugesetzt als körperlich“, berichtete sie im Vorbeigehen dem Stationsarzt. „Vielleicht wäre eine psychologische Betreuung gar nicht so verkehrt“, gab sie noch einen Denkanstoß und der Internist grinste seinen Ärztekollegen an, während die beiden sich ihre Hände noch desinfizierten und die Pflegekraft zu Sarah in die Intensivbox eilte. „Dann weißt du ja, was du zu tun hast!“, stichelte er, aber der Stationsarzt blieb ernst. „Wo sie recht hat, hat sie recht-bei uns hier darf jeder seine Gedanken einbringen, was gut für unsere Patienten wäre-allerdings liegt natürlich die letzte Entscheidung darüber heute bei mir-und ab Montag wieder beim Chefarzt. Aber wir arbeiten viel zu sehr im Team, um uns mit hierarchischen Spielchen gegenseitig auf die Nerven zu gehen“, stellte er klar und jetzt schwieg der Kardiologe-ja auf Intensiv herrschten spezielle Gesetze, daran erinnerte er sich noch, auch wenn sein halbes Jahr Intensivmedizin zur Facharztanerkennung schon eine Weile zurück lag.

    Die Schwester war derweil zu Sarah getreten, hatte erst mit geschultem Blick die Werte, die Infusionen und Perfusoren gecheckt, nahm dann zunächst ein arterielles Blutgas ab, machte Mundpflege, cremte ihre Lippen ein, machte eine Mikrolagerung und saugte sie dann ab. Die ganze Zeit sprach sie derweil mit ihrer Kollegin: „Sarah ich war gerade bei deinem Mann, er lässt dir liebe Grüße ausrichten, ihm geht es zumindest nicht schlechter!“, redete sie und versorgte derweil routiniert ihre Patientin und tatsächlich, die versuchte die Augen zu öffnen und sie anzusehen. Sie war auch nicht sehr tief sediert, das würde ihr Kreislauf gar nicht packen, aber irgendwie war die Schwester froh darüber, dass sie noch Kontakt mit ihrer Umwelt aufnehmen konnte. Das zeigte zumindest, dass Sarah kämpfte.
    Als sie sich gerade ausschleusen wollte, kamen auch schon Sarah´s Eltern, stellten sich vor und sie wies sie an, wie sie sich zu verhalten hatten und half ihnen die Schutzkleidung anzulegen. Als sie im Hinausgehen noch einen Blick zurück warf, sah sie die beiden Mittfünfziger voller Sorge rechts und links vom Bett sitzen und ihre schwerst kranke Tochter berühren und ansprechen. Das war gut so, Sarah sollte bei ihrem härtesten Kampf nicht alleine sein.

    Inzwischen war es Zeit für die Dienstübergabe geworden und Semir saß bereits wieder am Bett seines Freundes, der sich unter dem Laken versteckte und den Kopf abwehrend abgewendet hatte.
    Hartmut war nach einiger Überlegung in die KTU gefahren und hatte ein kleines Pröbchen des Orchideenextrakts mitgenommen. Er würde zumindest erste Versuche damit machen, auch wenn das Zeug doch nichts zu bringen schien. Vermutlich war die Heilung der Patienten in Südamerika dem Placeboeffekt zuzuschreiben, der Schamane hatte da ein Brimborium veranstaltet und wie bei Geistheilungen hatten sich die Patienten durch Autosuggestion selber geheilt. Ach wenn das Ben und auch Sarah helfen sollte, würde er höchstpersönlich unter lauten Gesängen im Lendenschurz um ihre Betten tanzen und geheimnisvolle Zeremonien durchführen, aber er war doch ein Mann der Wissenschaft, der eher an knallharte Fakten glaubte!