Beiträge von susan

    Hey da kommen ja die ganzen alten Bekannten wieder dran!
    Nachdem sich Kim immer noch Vorwürfe macht, wegen ihrer Liebestollheit, die Semir in Frankreich fast das Leben gekostet hat, versichert ihr Ben, dass er und Semir das verstehen können-aber tatsächlich-so ist das halt mit den Gefühlen-die sind manchmal nicht steuerbar!
    Jetzt müssen alle bei der Gerichtsverhandlung gegen Felipe aussagen-sehen wir mal, was weiter passiert, bin gespannt und nach deiner Aussage kann ich die Geschichte problemlos lesen-Leute, wenn ich das kann, dann ihr auch!

    Nachdem unser Scharmützel nun eine gute Woche her ist, möchte ich dir dennoch ein Abschlußfeed für deine Geschichte schreiben-musst es ja nicht lesen, wenn du nicht magst.
    Ja-wie Silli schon sagte, hat diese Story den beiden Helden ganz schön was abverlangt. Auch der Titel und die Idee dahinter waren sehr interessant.
    Bei den Foltermethoden ist es mir teilweise kalt den Buckel runtergelaufen, aber wenn ich uns im Krankenhaus dann so anschaue, dann sind wir auch nicht viel besser, auch wenn wir den Leuten Schmerzmittel etc geben-aber wir quälen die oft auch zu ihrem eigenen Besten-was man vom verrückten Doc ja nicht behaupten kann. Wenn er sich nicht selbst gerichtet hätte, wäre er sicher bis zu seinem Lebensende hinter den verschlossenen Türen einer psychiatrischen Einrichtung geblieben-und das mit Recht.

    Ein wenig vermisst, habe ich die Beschreibung der Gefühle, gerade als es bei Semir ans Eingemachte ging und er und Ben dachten, es wäre jetzt dann vorbei. Aber da hat halt jeder seine Stärken und Schwächen und du betonst ja auch immer, du bist nur der Berichterstatter. Gefühle kann man halt auch von außen nicht sehen-nur die Reaktionen drauf.

    Nichtsdestotrotz war das eine sehr interessante Jubiläumsstory und ehrlich gesagt verstehe ich dich nicht, warum du da so vehement gegen andere Schilderungen vorgehst-wir nehmen uns doch nichts, sondern ergänzen uns höchstens. Außerdem ist dein Protagonist ja ein anderer und im Gegensatz zu meinem bleibt der ja-also hast du doch da die besseren Karten ;) .

    Jetzt würde ich ja gerne sagen, ich freue mich auf deine nächste Story, aber wenn ich den Titel so lese, weiß ich nicht, ob ich mir das antun will-außer du versicherst, dass keiner der Hauptpersonen stirbt! Trotz unserer Querelen lese ich deine Geschichten nämlich nach wie vor gerne, du bist ja auch diejenige, die zuverlässig täglich einstellt und das schon seit Jahren!

    Die Tieflader waren schon geladen und Semir und Ben stiegen aus und suchten den Verantwortlichen für den Transport, der ihnen gleich ein Funkgerät in die Hand drückte. Ein etwas merkwürdig aussehender Mann um die 60 mit wallendem Haupthaar und sehr alternativ wirkender Kleidung wuselte gestikulierend zwischen den Tiefladern herum und sagte anscheinend allen Fahrern gerade die Meinung. Die unterschiedlichen Betonteile in verschiedenen Grautönen waren gut verzurrt und gegen Beschädigungen mit Polsterung und Folie gesichert. Trotzdem war dem Mann die Anspannung anzusehen. „Hey, das ist der große Künstler, der dieses monströse Ding-in mir sträubt sich alles, das als Kunstwerk zu bezeichnen-geschaffen hat und der nun den Transport und den Aufbau seines Babys überwachen wird!“ erklärte Ben seinem Freund, der ebenfalls interessiert diese auffällige Persönlichkeit musterte. Er hatte den frühen Feierabend genutzt und noch eine Weile im Internet recherchiert.

    Der Künstler war auch überregional sehr bekannt, aber überall wo er ausstellte, gab es verschiedene Meinungen zu seinen Werken. Viele Kunstliebhaber waren hingerissen und priesen seine innovativen Ideen, die außergewöhnlichen Materialien und die monumentale Umsetzung von Kunst der Gegenwart.
    Der Gegenpol dazu waren bodenständige Menschen, die seine Werke einfach hässlich fanden-ob innovativ, oder nicht und beanstandeten, dass noch irgendjemand bereit war, Geld für so eine Geschmacksverirrung zu bezahlen. Jetzt war der Neumarkt in Köln ja ein beliebter Platz ohne Bebauung, sogar mit einem kleinen Park dabei. Viele Leute nutzten ihn, um von der Straßenbahn in die verschiedenen U-Bahnen umzusteigen, also kamen fast alle Kölner, die in das Zentrum wollten, da immer mal vorbei-von den Touristen mal ganz abgesehen. Egal was dort aufgestellt wurde-es war faktisch unmöglich, das zu ignorieren. Zu zentral war der Platz, an dem der Aufbau verwirklicht werden sollte.
    Nun hatte sich ein bekannter Kölner Kunstmäzen, der Deutschrusse Waldemar Sharpov, für den Künstler interessiert und angekündigt, die Kosten für das Kunstwerk in Höhe von 500 000 € zu übernehmen. Allerdings mussten die Kosten für den Transport und das Aufstellen, sowie die spätere Pflege der begehbaren Anlage von der Stadt Köln getragen werden, was nochmals mit mindestens 200 000 € beziffert war. Genug, um den gemeinen Kölner Bürger wegen Verschwendung von Steuergeldern auf die Barrikaden zu bringen. Die Zeitungen überschlugen sich fast in ihrer Berichterstattung und ganz Köln war in zwei Lager gespalten. Die, die Kunst im Alltag für wichtig hielten und andere, die das nicht als Kunst anschauen wollten, sondern in den „ Kunstwerken“ eher eine Verschandelung von Kölner Plätzen befürchteten. Nichtsdestotrotz hatte der Stadtrat beschlossen, dass das Kunstwerk aufgestellt und am nächsten Wochenende mit einem Festakt eingeweiht werden sollte.

    Endlich war alles fertig, der sichtlich nervöse Künstler stieg zum Kulturreferenten, der ihnen kurz zugenickt hatte, ins Auto und der Konvoi setzte sich in Bewegung.
    Zwei Polizeifahrzeuge mit jeweils zwei uniformierten Beamten begleiteten die Fahrzeugkolonne mit Blaulicht. Einer vorne dabei und einer als Nachhut. Semir und Ben folgten dem Trupp in einiger Entfernung und beobachteten routiniert den fließenden Verkehr, der an den Fahrzeugen vorbeirauschte. Ben hatte im Rückspiegel immer wieder den Eindruck, dass ihnen ein Fahrzeug folgte, aber wenn er ein zweites Mal hinsah, war er sich nicht sicher. Semir, der sich nebenbei ja auch noch aufs Fahren konzentrieren musste, konnte nichts erkennen und schalt Ben schon fast wegen dessen Paranoia.
    Die Morgendämmerung war nicht mehr fern und plötzlich erschienen vor dem Konvoi die blinkenden Lichter einer Baustelle. Semir und Ben waren irritiert, denn eines der ersten Dinge, die sie am Vortag gemacht hatten, war die Strecke nach eventuellen Gefahrstellen abzuklopfen, aber eine Autobahnbaustelle und auch noch kurz vor dem Kölner Stadtbeginn war ihnen nicht gemeldet worden. Sowas hatten sie normalerweise im Computer, aber da war gestern mit Sicherheit nichts bekannt gewesen. „Semir pass auf!“ sagte Ben deswegen angespannt, „Da stimmt was nicht!“ und genau so war es auch.

    Das führende Polizeifahrzeug setzte den Blinker und scherte auf die linke Spur aus, gefolgt vom ersten Tieflader, da erschien wie aus dem Nichts mitten aus der Pseudobaustelle ein Transporter, der sich vor das Polizeifahrzeug setzte und es ausbremste. Als nun der ganze Konvoi zum Stehen kam, sprangen wie Schatten mehrere vermummte Gestalten mit Sprühdosen auf die Tieflader und begannen, die Betonteile mit verschiedenfarbigen Spraydosen anzusprühen.
    Die vier Polizisten, die Fahrer und Semir und Ben sprangen aus den Fahrzeugen und versuchten die Aktionisten, die auch noch Wurfzettel mit „Verschwendung von Steuergeldern für widerliche Bauteile!“ und andere Pamphlete dabei hatten, teilweise erfolgreich wegzuziehen. Der Künstler und auch der Kulturreferent sprangen ebenfalls heraus und versuchten die Attentäter in die Schranken zu weisen. Ben sah aus den Augenwinkeln noch, wie ein silbergrauer Geländewagen anhielt und auch aus dem ein paar Männer ausstiegen.

    Die Morgendämmerung hatte gerade begonnen und so war in dem ganzen Kuddelmuddel im ersten Licht des Tages zunächst nur eine heillose Verwirrung zu bemerken. Plötzlich fiel ein Schuss und einer der vermummten Aktionisten, der gerade eine Spraydose gezückt hatte, fiel zu Boden und seine Mitstreiter hörten sofort mit ihren Sprühattacken auf und blickten geschockt auf die Gestalt, die nun reglos am Boden lag. Noch bevor irgendjemand reagieren konnte, sprangen die Männer wieder in den Geländewagen und wendeten auf der Autobahn, um dann auf den Standstreifen zu fahren und mit Vollgas in Richtung der nicht weit entfernten Ausfahrt zu brausen. Semir rief Ben noch zu: „Kümmere dich um den Verletzten!“ und sprang dann seinerseits in seinen BMW, um in halsbrecherischem Tempo mit Blaulicht dem flüchtenden Fahrzeug hinterherzujagen.

    So liebe Leser!
    Wie versprochen beginnt heute meine neue Geschichte. Diesmal wird mehr Autobahn enthalten sein, als in der letzten, was ja auch nicht schwer ist ;) .
    Ich freue mich darauf euch einen Einblick in die merkwürdige Welt der modernen Betonkunst zu geben-ach ja-mein Mann ist Betriebsleiter in einem Betonwerk und wundert sich in letzter Zeit, dass ich mich so für den Werkstoff interessiere, mit dem er sein Geld verdient ^^ .
    Allerdings-auch in dieser Geschichte wird einer der Protagonisten im Krankenhaus landen, das kann ich einfach nicht lassen-nur zur kurzen Info vorab.
    Jetzt wünsche ich euch viel Spaß mit der Geschichte -ich hoffe, ihr könnt sie überhaupt lesen, denn meine Startseite macht gerade Schwierigkeiten!

    „Gerkan, Jäger, in mein Büro!“ tönte die Stimme der Chefin durch die PASt. Ben, der noch gar nicht richtig wach war und gerade dabei war einen Kaffee für Semir und sich einzuschenken, verzog das Gesicht. „Mann, was hat denn die schon für eine Laune am frühen Morgen!“ moserte er und nahm noch schnell einen Schluck aus der Tasse, woraufhin er sich prompt den Mund verbrannte und beinahe den Kaffee wieder ausgespuckt hätte. Mit beleidigter Miene machte er sich gemeinsam mit Semir auf den Weg ins Büro und dort erwartete sie neben Kim ein Mann, der ihnen beiden unbekannt war.

    „Meine Herren, darf ich vorstellen-das ist der Kulturreferent der Stadt Köln, Herr Weidenhiller, der ein Hilfeersuchen an uns gerichtet hat“ erklärte Frau Krüger. Semir und Ben sahen den korrekt im Anzug gekleideten Mann fragend an und der räusperte sich und reichte den beiden dann nacheinander die Hand. Auch sie stellten sich mit Namen vor und dann begann er nach einem Seitenblick auf die Chefin zu erzählen.
    „Ich weiß ja nicht, wie kulturinteressiert sie sind und inwieweit sie die Kölner Tagespresse verfolgen, aber ein großer Mäzen der Stadt hat sich bereiterklärt, den Bürgern ein wunderbares Kunstwerk zu schenken, das am Neumarkt aufgestellt werden soll!“ erklärte er den beiden Autobahnpolizisten. Semir und Ben warfen sich einen Blick zu. Natürlich hatten sie davon gehört, denn seit Wochen schlugen deswegen die Wogen hoch und es hatten sich in Köln mehrere Gruppierungen gebildet, die erbittert pro und contra dieses Kunstwerk mobil machten.

    „In Anbetracht unserer modernen Welt hat unser großzügiger Spender sich für ein wundervolles, interaktives Kunstwerk aus einem Werkstoff entschieden, der ein Symbol für unsere Zeit ist, nämlich Beton!“ erklärte der Referent mit einem verklärten Lächeln. Semir und Ben warfen sich einen wissenden Blick zu. Der Typ hatte einen an der Klatsche, das war klar zu erkennen, wer konnte sich sonst in einer sowieso schon viel zu sehr zubetonierten Welt an einer Betonskulptur erfreuen? Als hätte die Chefin ihre Gedanken gelesen, sagte sie, bevor einer der beiden eine unpassende Bemerkung ablassen konnte, indem sie sie warnend ansah: „Gut, über Kunst kann man sowieso nicht streiten, aber konkret sollen die einzelnen Betonbauteile dieses Kunstwerks, das am nächsten Wochenende feierlich eingeweiht werden soll, mit Tiefladern über unsere Autobahnen von der Betonfabrik, in denen der Künstler sie gegossen hat, zum Neumarkt gebracht werden. Einige Gruppierungen, die schärfstens gegen dieses Vorhaben protestieren, haben bereits angekündigt, dass der Transport nicht ohne Zwischenfälle verlaufen wird. Daher bittet die Stadt Köln um Unterstützung und den Schutz des Kunstwerks, was ich selbstverständlich bereits zugesagt habe!“
    Na klasse, das war ja sozusagen schon entschieden!
    „Ach ja, damit der Straßenverkehr in der Innenstadt nur so wenig wie möglich gestört wird, findet der Transport morgen früh zwischen vier und sechs statt!“ erzählte die Chefin nun munter und Ben begann sofort zu protestieren. „Chefin, das können sie doch nicht verlangen, da drehe ich mich gerade zum zweiten Mal um, das ist ja vor Tau und Tag!“ maulte er, aber sie sah ihn mit einem stechenden Blick an. „Morgen früh um 4.00 stehen sie beide in ihrem Fahrzeug an der Betonfabrik-keine Widerrede!“ verwarf sie sofort Bens Einwand und der konnte nun nichts anderes tun, als gute Miene zum unfairen Spiel zu machen. Während sich der Kulturreferent verabschiedete und ihnen noch die genaue Adresse des Werks gab, drehte sich die Chefin triumphierend um. Na das hatte ja besser geklappt, als sie erwartet hätte! Sie schmunzelte in sich hinein und fragte dann: „Gibt’s eigentlich schon Kaffee?“ woraufhin sich die Miene der beiden Männer erhellte. „ Natürlich, Ben hat schon welchen gekocht!“ gab Semir bereitwillig Auskunft und Ben spürte plötzlich wieder seine verbrannte Zunge.

    Obwohl sie deswegen früher Feierabend hatten machen dürfen, meinte Ben nicht aus dem Bett zu kommen, als um kurz vor drei sein Wecker klingelte. Mühsam schleppte er sich unter die Dusche, kippte sich ein Glas Orangensaft hinter die Kiemen und schlüpfte gerade in seine Klamotten, als Semir schon unten läutete. Der saß munter hinter dem Steuer des BMW und grinste seinen Kollegen an. „Na, ausgeschlafen?“ fragte er und Ben warf ihm erst mal einen bösen Blick zu. Wie schaffte es Semir nur immer, dermaßen fit zu sein, egal um welche Tageszeit das war? Na egal, während Ben langsam wach wurde, fasste Semir für ihn nochmals den geplanten Ablauf des Einsatzes zusammen.
    „Wir eskortieren die sechs Tieflader, unterstützt von mehreren Polizeifahrzeugen der Uniformierten. Die fahren mit Blaulicht vorneweg und hinterdrein, allerdings werden die Autobahnen nicht gesperrt, sondern der Verkehr soll normal weiterlaufen. Wir sollen sozusagen zusätzlich die Augen offen halten und eingreifen, sobald uns ein Fahrzeug, oder etwas anderes, merkwürdig vorkommt!“ erklärte er. Ben nickte und bald hatten sie das 30 km außerhalb Kölns gelegene Betonwerk erreicht.

    So-das war´s mal wieder mit einer Geschichte, die eigentlich nur ein kleiner Nachtrag zur Folge werden sollte, aber dann ein Eigenleben bekommen hat.
    Auch wenn sie nicht allen gefallen hat, aber das muss ja auch nicht sein, danke ich den fleißigen Lesern und Feedern auf diesem Wege für ihre Unterstützung, das Mitleiden und Mitfiebern-mit euch als Publikum macht Schreiben Spaß! Das musste mal gesagt werden.
    Auch die nächste Geschichte, die morgen an den Start geht und wieder eine "richtige" Cobrageschichte ist, besteht bisher nur in groben Zügen in meinem Kopf. Ich werde wieder täglich aktuell schreiben und kann deswegen auch auf eure Wünsche und Vorschläge eingehen-na ja, inwieweit die sich halt mit meinen Vorstellungen decken. ;)
    Jetzt hätte ich noch eine Frage an euch: Soll Sarah weiterhin vorkommen, oder nicht? Bin für eure Wünsche und Vorstellungen offen.
    DANKE nochmals!
    Eure susan

    Die Tage vergingen, an jedem einzelnen davon ging es für Ben ein wenig aufwärts. Aber das Highlight für ihn waren Sarahs Besuche. Als nacheinander alle Kollegen bei ihm vorbeischauten, waren sie erst erschrocken darüber, was ihm als Folge des Unfalls alles passiert war-Ben erzählte es freimütig-aber trotz alledem war er guter Dinge und strahlte sozusagen von innen heraus.
    Die Zuckerwerte stabilisierten sich und als nach einer Woche versuchsweise das Kreon weggelassen wurde, bekam Ben auch keine Durchfälle, was bewies, dass die Bauchspeicheldrüse sich wieder erholt hatte. Die Entzündungswerte fielen ebenfalls kontinuierlich und deshalb beschloss man, die Drainage zu ziehen. Auch die Klammern waren schon lange entfernt worden, was überhaupt nicht schlimm gewesen war.

    Semir, der jetzt immer vormittags kam, weil er nachmittags seine Kinder betreuen musste, war zufällig gerade zu Besuch, als der junge Stationsarzt, der den ZVK abgeschnitten hatte, zur Drainagenentfernung kam. Man sah ihm selber an, wie aufgeregt er war. Er hatte versucht, das an einen Kollegen zu delegieren, aber sein Chef hatte darauf bestanden, dass er seine Arbeit selber machte-vermutlich auch aus erzieherischen Gründen.
    „Herr Jäger, ich werde jetzt die Drainage entfernen! Legen sie sich bitte hin!“ bat ihn der junge Arzt. Ben sah Semir hilfesuchend an und streckte die Hand nach ihm aus. „Aber bitte im Ganzen!“ bat er den Doktor und eine flammende Röte überzog das Gesicht des jungen Arztes. Ben hatte schon seit Tagen kein Schmerzmittel mehr-auch weil er vor Sarah nicht als Memme dastehen wollte und es ging durchaus auch ohne, aber jetzt hätte eigentlich lieber eines gehabt. Semir positionierte sich auf der anderen Seite des Bettes und sah fasziniert zu, wie der letzte Verband gelöst wurde und der Arzt dann erst einmal die Wundumgebung absprühte und mit sterilen Kompressen abwischte. Die beiden Fäden waren hochrot und teilweise eingewachsen, kein Wunder, denn lange genug lag die Drainage ja schon.

    „Das wird jetzt sicher ein wenig weh tun!“ kündigte der Arzt an, als er mit dem Scherchen unter den ersten Faden fuhr und ihn durchtrennte. Ben entwich ein scharfer Laut zwischen den Zähnen. Das merkte er selber, das hätte ihm keiner sagen müssen! Ohne den Schlauch zu beschädigen waren endlich die beiden Fäden draußen und nun begann der Arzt langsam und gefühlvoll an der Drainage zu ziehen. Ben krallte sich an Semir´s Hand fest und begann laut zu stöhnen, so schlimm war das! Er hatte das Gefühl, mitsamt dieses eigentlich ja dünnen Schläuchleins, würden seine gesamten Eingeweide herausgezogen. Mitleidig hielt Semir seine Hand, er konnte sich vorstellen, welche Qualen sein Freund gerade aushalten musste. Sicher war das Silikonteil innen drin genauso verbacken und verwachsen, wie außen an der Haut. Ganz langsam, sozusagen Millimeter für Millimeter kam die Drainage zum Vorschein und irgendwann war sie ganz draußen, was von Ben mit einem Seufzer der Erleichterung quittiert wurde.

    Der Arzt kontrollierte auch gewissenhaft die Vollständigkeit derselben und sagte dann triumphierend zu Ben: „Wir haben´s geschafft-alle beide!“ und legte noch einen sterilen Verband an. „Das kann jetzt noch eine ganze Weile sekretieren, bitte melden sie sich immer, sobald das feucht wird und brennt, denn der Pankreassaft ist sehr scharf und ätzt sonst ihre Haut an-wir wechseln dann sofort den Verband!“ informierte der junge Arzt noch seinen Patienten bevor er ging und der nickte nur erschöpft. Er war bei der Tortur ganz blass geworden und ihm war gar nicht gut, vor lauter ausgehaltenen Schmerzen, aber trotzdem war er froh, dass das Ding draußen war. Er hatte schon befürchtet, das mit nach Hause nehmen zu müssen und hatte sich ehrlich gesagt eine Kuschelstunde mit Sarah mitsamt Anhängsel nicht so gut vorstellen können.

    „Danke, dass du da warst und mich unterstützt hast!“ sagte er zu Semir, der nun grinsend bemerkte: „Na im Händchenhalten bin ich ja inzwischen Profi!“ woraufhin Ben ihm einen Stoß verpasste und dabei ebenfalls grinsen musste. Als er sich nach einer Weile vorsichtig aufrichtete ging es ihm wieder gut und er konnte zum normalen Gespräch übergehen.
    „Und wie läuft´s bei den Hausaufgaben-ist Andrea mit eurer Leistung zufrieden?“ wollte er dann von Semir wissen und der verdrehte die Augen. „Ayda macht das eigentlich ziemlich selbstständig, aber trotzdem wünsche ich mir nichts sehnlicher, als endlich wieder mit dir über die Autobahn zu düsen. Dieses Dasein als Hausmann ist nicht so meines!“ erklärte er. Auch bei Semir hatte der Hausarzt inzwischen die Fäden entfernt und die Haare waren wieder so weit nachgewachsen, dass es nicht mehr auffällig war.

    „Genau das wünsche ich mir auch, Semir!“ sagte Ben leise. „Und noch viel mehr weiß ich, dass ich in dir jemanden habe, wie ich es zuvor noch nie erlebt habe. So was wie uns gibt es glaube ich nicht so oft-Freunde fürs Leben!“ und Semir nickte bestätigend.
    ENDE

    Jetzt versuchen unsere beiden Helden also in die Wohnung Jans einzubrechen. Trotz seiner Autoknackervergangenheit klappt das nicht so leicht, wie die beiden sich das vorgestellt haben.
    Sie werden von der Nachbarin gestellt, die ich mir nach deiner Beschreibung wunderbar vorstellen konnte-sogar der mürrische Gesichtsausdruck der Perserkatze ist mir vor meinem inneren Auge präsent. Und na also!-war das Schlossknacken gar nicht notwendig, wo doch die Frau Nachbarin nen Schlüssel hat und den auch bereitwillig an die Polizei rausrückt.
    Jetzt hoffe ich sehr, dass die beiden in der Wohnung einen Hinweis entdecken, der sie zu Flavios Villa führt und sie Iris und Jan befreien können!
    Prima Sonja, dass es bei dir mit der Story weitergeht! ^^

    Am Abend wurde noch ein Herzultraschall gemacht, aber die Herzklappen waren unbeschädigt und es floss auch kein Blut zurück, so dass der Internist ihm zufrieden einen guten Abend wünschte.
    Ben schlief gut in dieser Nacht. Ein paar Mal wurde der Verband kontrolliert, aber er bekam da nur immer mit, wie die Nachtschwester kurz die Decke hob. Der Druckverband war zwar nicht sonderlich angenehm, aber auch nicht so schlimm, als dass er ihn vom Schlafen abgehalten hätte. Morgens wurde er dann entfernt und man stellte ihm das Waschzeug ans Waschbecken und half ihm aufzustehen. Es klappte ohne Schwindel oder sonstige Probleme, er machte sich frisch und fragte ganz beiläufig seine betreuende Schwester, die derweil das Bett aufschüttelte: „Ach, hat Schwester Sarah übrigens einen Freund?“ woraufhin die heftig grinsen musste. „Ich denke, da müssen sie sie wohl selber fragen!“ antwortete sie und Ben fühlte sich ertappt.

    Die Visite sah kurz bei ihm vorbei und er bekam mitgeteilt, dass er im Laufe des Vormittags wieder zurück auf die Normalstation dürfe.
    Ein paar Schmerztropfen nahm er allerdings heute gerne, denn erstens ziepte sein Bauch noch ganz ordentlich, aber hauptsächlich hatte er irgendwie einen Muskelkater am ganzen Körper. Als er das der Schwester schilderte, klärte sie ihn auf, dass das ganz normal sei nach einer Defibrillation. „Bei den elektrischen Impulsen verkrampfen sich alle Muskeln und das gibt eben diesen typischen Ganzkörpermuskelkater, aber die Novalgintropfen helfen auch dagegen und in ein paar Tagen ist das vergessen!“
    Ben nickte und genoss sein Frühstück. So schlecht schmeckte diese Diabetikermarmelade gar nicht und die Wurst war dieselbe, wie er sonst auch aß. Lediglich ein frisches Brötchen hätte er vermisst, aber man klärte ihn auf, dass das zur Pankreasdiät nicht passte, nun gut, dann musste er halt mit normalem Brot vorlieb nehmen. Das Kreon hatte er auch erhalten, aber nach dem Frühstück stiegen seine Zuckerwerte wieder rasant an, was man mit Altinsulin behandelte. „So ganz klappt das noch nicht mit dem Zuckerhaushalt, aber geben sie die Hoffnung nicht auf!“ sagte seine Pflegekraft, die die Verlegung vorbereitete.

    Wenig später war er wieder auf seinem alten Zimmer und griff dort gleich zum Telefon, um Semir anzurufen. „Semir, ich bin wieder zurück, mir geht´s gut und stell dir vor, ich habe gestern noch ein Date gekriegt!“ fiel er gleich mit der Tür ins Haus. Semir, der gerade ins Krankenhaus hatte starten wollen, musste schmunzeln. „Na wie funktioniert denn das auf ner Intensivstation?“ wollte er wissen. „Da war eine wunderhübsche Schwester-Sarah heißt sie übrigens, die saß eine viertel Stunde bei mir im Bett und dabei sind wir uns halt näher gekommen!“ erklärte Ben vergnügt. „Aha!“ antwortete Semir nur und kratzte sich verwundert am Kopf. Bei ihm war noch nie eine Schwester im Bett gesessen und er hatte höchstens einen Anschiss gekriegt, wenn er das bei Ben gemacht hatte. „Aus hygienischen Gründen sehen wir das nicht so gerne!“ hatte es da immer geheißen! Aber egal, viel wichtiger war, dass sein Freund guter Dinge schien und das gestrige Trauma anscheinend gut weggesteckt hatte. „Ich komme jetzt dann gleich zu dir, denn nachmittags kann ich nicht, da muss Andrea arbeiten. Die haben im Kinderheim jetzt die ganze Zeit den kompletten Dienstplan umgeschmissen, damit Andrea bei mir sein konnte und jetzt muss sie das wieder reinarbeiten!“ erklärte Semir seinem Freund. „Also gut, bis dann!“ sagte der fröhlich und Semir machte sich auch gleich auf den Weg.

    Er war erstaunt, wie gut Ben heute im Gegensatz zu gestern aussah und als der immer wieder verstohlene Blicke zur Tür warf, war Semir schon klar, wen er hoffte zu sehen. Nach ein wenig Smalltalk verabschiedete sich Semir also wieder und fuhr zurück nach Hause. Hoffentlich war das eine Nette und Ben machte sich jetzt auch nicht vergebliche Hoffnungen, denn irgendwie hatte er bisher kein Glück mit Frauen gehabt. Entweder sie waren Verbrecherinnen, wurden getötet oder kehrten nach einem kleinen Intermezzo mit Ben zu ihrem Partner zurück. Aber das war im Augenblick das Beste, was seinem Freund passieren konnte-eine neue Liebe.

    Ben, dessen Infusion nun auch entfernt worden war, wuselte, sobald Semir weg war, ins Bad und stylte sich. Nach einer Dusche und Rasur benutzte er ausgiebig Aftershave und abgestimmt natürlich das passende Deo. Die Schwester machte seine kleinen Verbände noch frisch und außer dass er die Pankreasdrainage als Anhängsel hatte, sah er frisch angezogen schon wieder fast aus wie immer. Gut vielleicht ein wenig dünner, aber das würde er schnell wieder aufholen, da war er sich ganz sicher!

    Nach dem Mittagessen klopfte es endlich an der Tür und die Person, auf die er schon die ganze Zeit gewartet hatte, kam ein wenig verlegen, herein. Er hatte gewusst, dass sie kommen würde und im ersten Augenblick raubte es ihm fast den Atem, wie hübsch Sarah in Zivilklamotten aussah. Zur hellen Jeans hatte sie eine lässige Bluse an, wenig Make up und das dunkelblonde Haar trug sie offen. Sie trat näher, streckte die Hand aus und Ben ergriff sie voller Scheu. „Hallo!“ sagten beide gleichzeitig und dann mussten sie lachen. Irgendwie war es, als würden sie sich schon ewig kennen und in der Stunde bis Sarah zum Dienst musste, unterhielten sie sich über Gott und die Welt und waren in den meisten Dingen gleicher Ansicht. Ben hätte sie zum Abschied gerne geküsst, aber irgendwie traute er sich noch nicht. Es wurde Zeit, dass er nach Hause kam, dann wäre er kein Patient mehr und sie konnten normal an die Sache rangehen. Eines wusste er-das war eine Traumfrau und er würde alles tun, um sie für sich zu gewinnen!

    Nach einer Weile kam Semir wieder herein. „Susanne und die anderen wussten schon Bescheid. Andrea hatte sie angerufen. Ich habe ihnen aber gesagt, dass es dir schon wieder besser geht, ohne auf nähere Details einzugehen.“ Ben nickte zufrieden und als sie sich noch eine halbe Stunde unterhalten hatten, begann Ben zu gähnen. „Semir, ich habe mich wieder gefangen, tut mir leid, dass ich dich, kaum dass du zu Hause warst, wieder hergesprengt habe. Außerdem sollst du dich ja auch noch ausruhen. Ich komme jetzt alleine zurecht, grüß Andrea und die Mädels, ich werde ein wenig schlafen!“ erklärte er und Semir nickte. „Wenn du mich wieder brauchst-Anruf genügt, du weißt?“ sagte er und Ben nickte. „Ich weiß und es hat mir so gut getan, mit dir über alles zu sprechen, jetzt geht’s mir schon viel besser!“ und tatsächlich, als Semir seinen Freund prüfend musterte, sah der wirklich schon besser aus. Mit einer kurzen Umarmung verließ er ihn und machte sich auf den Heimweg.

    Die Schwester kam kurz darauf, nahm nochmals Blut ab und kontrollierte den Verband. Sie entsorgte auch die Urinflasche, die er inzwischen befüllt hatte und dann drehte sich Ben zur Seite und war wenig später eingeschlafen.
    Er erwachte, als eine andere Schwester vor seinem Bett stand. „Herr Jäger, ich werde jetzt die Schleuse entfernen, ich bin übrigens Schwester Sarah!“ teilte sie ihm mit und lächelte ihn an. Ben starrte dieses unirdische Wesen fasziniert an und hätte fast nicht verstanden, was sie zu ihm gesagt hatte. Sie war unheimlich hübsch, ein dunkelblonder Pferdeschwanz brachte ihre sympathischen Gesichtszüge noch besser zur Geltung und er wusste nicht was es war, aber diese junge, etwa 30jährige Frau, faszinierte ihn auf den ersten Blick. Er schalt sich: Ben, erstens bist du im Krankenhaus und jetzt ist wirklich nicht die Situation für sowas und außerdem, so wie die aussieht, hat die natürlich einen Partner, aber trotzdem musste er sie einfach nur ansehen. Unbewusst strich er sich mit der Hand prüfend übers Haar. Mein Gott, wie er wohl aussah, sicher nicht sonderlich vorteilhaft.
    Als die Schwester nun die Decke zurückschlug und den Verband entfernte, überzog eine flammende Röte Bens Gesicht. Mein Gott, normalerweise würde er jetzt versuchen ein Date mit dieser Göttin zu kriegen und hätte einen lockeren Spruch auf Lager, aber so funktionierte das nicht, denn die sah jetzt gleich beim ersten Zusammentreffen alles von ihm und ehrlich gesagt, war ihm das ganz schön peinlich. Allerdings war das gar nicht nötig, denn die schob das Hemd so geschickt zur Seite und legte ein Tuch über seine edelsten Teile, dass sein Schamgefühl auch respektiert wurde. „Es tut jetzt sicher kurz weh, wenn ich die Schleuse herausziehe und danach muss ich 15 Minuten fest drücken, das ist auch nicht angenehm!“ kündigte sie an und Ben nickte. „Wenn sie zuvor ein Schmerzmittel wollen, können sie das natürlich haben, dann warten wir noch ein wenig!“ fragte sie ihn dann, aber Ben schüttelte den Kopf. „Nein, machen sie nur, ich bin nicht so empfindlich!“ erwiderte er und schalt sich, dass seine Stimme ganz komisch klang. Sie sah ihn an und ein kleines Lächeln flog über ihr Gesicht. „Na und das, obwohl sie ein Mann sind!“ neckte sie ihn und sprühte nebenbei schon Desinfektionsspray auf die Wundumgebung.

    Sie legte noch eine Einmalunterlage unter seinen Oberschenkel, stellte den Abwurf neben das Bett und legte einen großen Stapel steriler Kompressen und für danach eine breite elastische Binde und ein Kompressionspäckchen bereit. Dann legte sie noch einen frischen Kopfkissenbezug neben ihn ins Bett, damit sie sich setzen konnte, ohne ihre Kleidung zu kontaminieren und dann desinfizierte sie erst hygienisch ihre Hände und zog dann zwei Paar unsterile Einmalhandschuhe übereinander an. Mit einem Scherchen entfernte sie den Faden, mit dem die Schleuse befestigt war und zog sie dann mit einer raschen Bewegung heraus, um dann sofort fest mit einem Stapel Kompressen draufzudrücken. Ehrlich gesagt tat das einen Augenblick tatsächlich ganz schön weh, aber Ben hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als nur einen Laut von sich zu geben. Er versuchte sogar seine Gesichtszüge zu kontrollieren, damit er nicht als Memme dastand. Die Schwester drückte nun erst von oben und setzte sich dann neben ihn ins Bett und übte weiter Druck auf das doch recht große Loch im Blutgefäß aus, damit sich das zusammenzog und kein Bluterguss entstand. Irgendwie war das dasselbe wie bei der Piccoentfernung, gut es war zwar eine Vene, die da eröffnet worden war, aber die Schleuse war auch entsprechend dicker, daher hatte man mit mechanischem Druck auch die besten Erfahrungen gemacht, um einem Hämatom vorzubeugen.

    Obwohl der Druck schon unangenehm war, merkte Ben kaum etwas davon. Unbewusst sog er den feinen Duft nach einem wohlriechenden Deo, das die junge Frau benutzt hatte, ein und fragte sich sofort, ob er wohl hoffentlich nicht stank. Gut, er hatte morgens geduscht, aber er hatte danach auch geschwitzt. Schwester Sarah begann sich mit ihm zu unterhalten und fragte ihn nach seinem Beruf und wie er zu der schweren Verletzung und den nachfolgenden Komplikationen gekommen war. Sie zeigte ehrliches Interesse an ihm, beantwortete aber auch ein paar private Fragen seinerseits und die 15 Minuten vergingen wie im Flug.

    Die Schwester, die eigentlich für Ben in dieser Schicht zuständig war, sah im Vorbeilaufen ins Zimmer und musste grinsen. Sarah hatte sich, als sie gejammert hatte, dass sie jetzt eigentlich gar keine Zeit zum Schleusenziehen hatte, bereitwillig bereiterklärt, das zu übernehmen und die beiden jungen Leute unterhielten sich anscheinend sehr gut. Aber ihr sollte das egal sein. Solange der junge Polizist Patient war, ging da natürlich gar nichts, aber irgendwann würde er ja auch entlassen werden und dann sah die Sache anders aus. Sarah hatte nach einer gescheiterten Beziehung jetzt trotz ihres Aussehens, lange keinen Freund mehr gehabt und ehrlich gesagt würden die beiden ein schönes Paar abgeben, stellte die ältere Schwester für sich fest.

    Als die Wunde nicht mehr blutete, erklärte Sarah Ben noch, dass sie nun einen Druckverband anlegen musste und mit einigen sportlichen Verrenkungen wie Brücke machen, gelang das mit ein wenig Gelächter von beiden Seiten. Als Sarah das Zimmer verlassen wollte, sah Ben ihr bedauernd nach, eigentlich traute er sich nicht, aber nun musste er es einfach tun. Mehr als Nein sagen konnte sie schließlich nicht. „Schwester Sarah, ich weiß, der Augenblick ist vielleicht denkbar unpassend, aber würden sie nach meiner Entlassung einen Kaffe mit mir trinken gehen?“ fragte er sie und nun überzog sich ihr Gesicht mit einer leichten Röte. „Sehr gerne!“ sagte sie und brachte ihm kurz danach einen Zettel, auf dem ihre Telefonnummer notiert war.

    „Ich besuche sie mal, wenn sie auf Normalstation sind!“ kündigte sie an, bevor sie ihrer weiteren Arbeit nachging. „Ich denke, sie werden nämlich, wenn ich morgen zur Spätschicht komme, nicht mehr da sein.“ „Schade!“ sagte Ben mit echtem Bedauern in der Stimme. Mit so einer Betreuung würde er hier sogar einziehen!
    Als „seine“ Schwester später zur Verbandkontrolle kam und ihm einen Becher Wasser hinstellte, bemerkte sie das glückliche Lächeln, das auf seinem Gesicht war. Na da war doch was im Busch, das merkte sie genau. „Übrigens Herr Jäger-ihre Zuckerwerte waren ohne Essen jetzt völlig normal!“ teilte sie ihm mit und machte ihm damit noch eine größere Freude. Vielleicht würde er ja wirklich völlig gesund werden-obwohl, vielleicht wäre so eine Privatschwester nicht das Schlechteste!

    Hah-an meinen Elektrozaun würdet ihr freiwillig kein zweites Mal hinfassen! Es kommt ja auch darauf an, wieviel Erdung man hat, wie feucht das Gras ist und was für Schuhwerk man anhat. Ich hatte mal mein metallenes Weidetor in der Hand und habe es geschlossen,es regnete und ich war barfuss. Dann bin ich versehentlich mit dem Ellenbogen an den Elektrozaun gekommen. Der Strom ging durch mich durch, mich hats echt von den Füssen gehauen-(sehr nett übrigens, wie meine Pferde sich dann immer um einen " kümmern") und den halben Tag hatte ich vom Ellenbogen abwärts kein Gefühl mehr im Arm. Das verging schon wieder, aber glaubt mir, ich weiss, warum die Zossen strikt vermeiden, da ranzukommen. Ausserdem habe ich auch ein schlagstarkes Gerät-da gibts totale Unterschiede! Der Doktor muss zur Strafe natürlich an meinen Zaun.

    Ach ja Yon, wenn die Leute mal an der Beatmungsmaschine hängen, achtet man nicht mehr auf die Atmung beim Reanimieren, das tut man nur bei der Mund-zu Mund, oder Ambubeatmung. Die modernen Maschinen synchronisieren das selbstständig. Da muss man nur den richtigen Beatmungsmodus wählen. Sonst ist das auch eher ne Vorsichtsmassnahme, dass da nichts hochkommt und der Ersthelfer dann ne Ladung abkriegt, egal ob Ausatemluft oder Mageninhalt mit den Pausen. Wir reanimieren durch und machen nur Pausen um zu sehen, ob am Monitor wieder ne Frequenz kommt, weil durch die Intubation ja die Atemwege gesichert sind.
    Bevor wir den Lukas hatten, mussten wir auch manchmal stundenlang durchreanimieren-bei Lungenembolien und Ertrinkungsunfällen vorwiegend.Da wechselt man sich ständig ab und die Einsätze werden immer kürzer, weil man sehr schnell erschöpft ist. Ich habe da immer totalen Muskelkater danach-aber es erspart das Fitnessstudio!

    Ach na ja, ich könnte euch nach dem Lesen meiner Geschichten ja einen Schrieb ausstellen: Ersthelfer deluxe, wäre das in Ordnung? :D

    Etwa eine halbe Stunde später stand plötzlich ein sichtlich nervöser junger Mann im Arztkittel, den Semir noch nie gesehen hatte, vor ihnen. Ben hatte ein Geräusch gehört und machte nun die Augen auf. So richtig hatte er nicht geschlafen-zu aufgewühlt war er dazu gewesen. Sofort erkannte er, wer da vor ihm stand. Der scharrte unruhig mit den Füssen und sagte dann mit stockender Stimme. Man merkte, dass ihm die Worte schwer von den Lippen kamen und er sich überwinden musste, zu sprechen „Herr Jäger, ich möchte mich vielmals bei ihnen entschuldigen, dass ich den Katheter abgeschnitten und sie damit in Lebensgefahr gebracht habe. Mir ist sowas noch nie passiert und ehrlich gesagt, wäre ich auch nicht auf die Idee gekommen, dass sowas passieren könnte. Sowas wird im Studium nicht unterrichtet, allerdings haben mir meine ganzen Kollegen hier jetzt erzählt, dass ich da nicht der Erste bin, der diesen Fehler gemacht hat. Nichtsdestotrotz würde ich alles tun, damit ich das ungeschehen machen könnte und ich habe mit ihnen gezittert und gebangt und als ich gehört habe, dass sie sogar defibrilliert werden mussten, wäre ich fast soweit gewesen, meinen Beruf an den Nagel zu hängen!“

    Ben überlegte eine Weile und streckte dann die Hand nach dem jungen Arzt aus. „Auch wenn ich sowas nie mehr wieder in meinem Leben mitmachen möchte und eigentlich stocksauer auf sie war und immer noch bin, nehme ich die Entschuldigung an. Ich bin mir sicher, sie haben das nicht mit Absicht gemacht und werden da in Zukunft höllisch aufpassen. Ich fände es schade, wenn sie das Medizinstudium umsonst absolviert hätten und habe ja gemerkt, wie sehr sie in Eile waren, als sie den Fehler gemacht haben. Lassen sie sich in Zukunft einfach nicht so hetzen und ach ja-es wäre mir eine Genugtuung, wenn sie mal herzhaft an den nächsten Weidezaun fassen würden, an dem sie vorbeilaufen-dann könnten sie sich in etwa vorstellen, wie angenehm das war!“ und ein kleines Lächeln überzog seine Miene.
    Der junge Assistenzart schlug erleichtert ein und beteuerte: „Das mit dem Weidezaun mache ich, wenn sie möchten, sogar in ihrem Beisein, wenn sie wieder gesund sind, versprochen!“ Mit einem Grinsen auf dem Gesicht verschwand er und Semir und Ben blieben alleine zurück.

    „Ich weiß nicht, ob ich dem so einfach verzeihen könnte?“ sagte Semir nachdenklich, aber Ben dem es, seit sein Freund bei ihm war, um einiges besser ging, erwiderte: „Weißt du, als ich gerade auf dem Tisch lag, kurz bevor mein Herz da zu flimmern angefangen hat, habe ich mir das sogar überlegt mit der Anstrengung eines Kunstfehlerprozesses. Mein Vater hätte das sofort gemacht und viel Energie und Geld in ein Verfahren mit ungewissem Ausgang gesteckt. Vielleicht hätte es die Karriere dieses jungen Arztes, dem ich ja keine Absicht, sondern höchstens Fahrlässigkeit unterstellen kann, zerstört und das dafür, dass ich Monate später ein wenig Geld von irgendeiner Versicherung kriege, mit der sich meine Anwälte dann auf einen Vergleich einigen.
    Am Geld mangelt es mir ja nicht und ich möchte meine Energie jetzt in meine Genesung stecken und nicht in Gerichtsprozesse. Außerdem klang die Entschuldigung echt und er ist ohne Krankenhausjuristen oder Chefarzt gekommen-was ich eigentlich fast erwartete hatte. Das rechne ich ihm hoch an und jetzt vergessen wir das einfach. Erzähl, wie war´s zuhause?“ fragte er dann begierig Semir, denn er wollte jetzt nur noch eines haben: Normalität.

    Semir berichtete also von seinem Einsatz beim Salatwaschen und dem anschließenden Mittagsschläfchen mit Lilly. Auch der Anruf der Kollegen fiel ihm ein und dass die wohl nicht auf die Intensivstation zu Besuch kommen konnten. „Semir geh doch kurz raus und ruf Susanne an, nicht dass die umsonst anrücken. Menschenskinder, dabei hätte ich mich so auf die gefreut! Sag ihnen, sobald ich wieder auf Normalstation bin, holen wir das nach.“ Semir nickte und erhob sich dann. Im Rausgehen fragte er Ben noch: „Soll ich deinem Vater auch Bescheid sagen?“ aber nach kurzem Überlegen schüttelte Ben den Kopf. „Der braucht das gar nicht zu erfahren, denn der fängt sonst bloß wieder mit irgendwelchen Regressansprüchen an. Da habe ich einfach keine Lust drauf!“ und Semir nickte und erledigte seinen Auftrag.

    Also das mit den Nahtoderfahrungen ist anscheinend wirklich so, wie es in der Literatur steht-viele Patienten haben mir das schon berichtet. Allerdings sind diese Gedankenblitze anscheinend nicht chronologisch, sondern man denkt an dies und das und jenes, was einem gerade einfällt. Was auch sehr erstaunlich ist, dass anscheinend wirklich im Angesicht des Todes Zeit und Raum verschwimmt-gefühlte Stunden dauern eigentlich nur Sekunden. Ob das dann immer die wichtigsten Dinge sind, die einem einfallen-nach den Berichten meiner Patienten eher nicht, eher zufällig-wie man ja auch nicht auf Kommando träumen kann.

    Ja wie oft kann man schocken? Das kommt auf die Ursache fürs Kammerflimmern oder andere Herzrythmusstörungen an. Manchmal haben Menschen eine entzündliche Herzerkrankung, z. B. infolge einer verschleppten Grippe und dann ist das mal ein paar Tage so, dass das mehrfach gemacht werden muss-mein persönlicher Rekord bei einer Patientin, die das auch überlebt hat, war mal 64 Mal in einer Nacht.Allerdings klappt das nur, wenn dann dazwischen wieder ein Kreislauf zustande kommt und bei etwa 10 Schocks ohne Erfolg hören wir meistens auf und reanimieren dann lieber von Hand mit Herzdruckmassage und Medikamenten. Wir haben auch ein mechanisches Reanimationsgerät, den Lukas, in den wird der Patient mit dem Brustkorb eingespannt und der macht notfalls über Stunden eine perfekte Herzdruckmassage-wie danach die Prognose ausschaut, steht da allerdings in den Sternen!

    Wenn Menschen immer wieder spontan Kammerflimmern kriegen, das sich manchmal auch selbst immer wieder limitiert, dann implantiert man denen einen Defi direkt ins Herz, der misst dann ständig das EKG und löst mit wesentlich geringerer Schlagstärke den Stromstoss innerlich aus-der muss ja auch nicht durchs Gewebe. Wenn du so einen Patienten gerade anfasst, wenn das geschieht, dann kriegst du zwar ordentlich eine gewichst, aber dir passiert nichts.Oft haben aber die Patienten dann furchtbare Angstzustände, weil die oft die Stromstösse auch noch mitkriegen, bevor sie bewusstlos werden.

    Jetzt könnte ich ja noch stundenlang weiterschreiben, aber das sprengt jetzt langsam den Rahmen der Feeds ;) .

    Eine Schwester brachte ihn zu Ben. Semir betrat das Zimmer und dachte erst, sein Freund würde schlafen, aber als der ein Geräusch von der Tür hörte, öffnete er die Augen und ein erleichtertes Lächeln zog über sein Gesicht. Semir erschrak. Wenn er Bens Aussehen von heute Morgen, als sie sich so herzlich voneinander verabschiedet hatten, mit seinem jetzigen verglich, dann war das der Schatten der Person, die er verlassen hatte. Seine Gesichtszüge waren grau und er sah einfach angegriffen aus. Mit wenigen Schritten war er am Bett seines Freundes und ohne sich irgendwelche Gedanken wegen der Schwester zu machen, die aber sowieso gerade wieder ging, zog er ihn einfach in eine feste Umarmung.

    Ben, der angespannt darauf gewartet hatte, dass Semir kam, konnte sich endlich ein wenig fallen lassen. Er schaffte es einfach nicht, die vergangenen Stunden aus seinem Gedächtnis zu streichen. Zu aufgewühlt und verwirrt war er. Immer wenn er die Augen schloss, meinte er wieder diesen schrecklichen Schmerz des Elektroschocks zu spüren. So mussten sich Folteropfer vorkommen-das ganze Denken wurde von diesem Erleben beherrscht und das Geschehen ließ sich einfach nicht ausblenden. Immer wieder hatte er, seit er alleine war, angstvoll zum Monitor gesehen. Wenn der wieder Alarm schlug, würden die Ärzte und Pflegekräfte wiederkommen und ihm mit diesem Gerät einen Schock versetzen, das war klar. Wenn er das logisch betrachtete, hatte es ihm vermutlich ja das Leben gerettet, aber nichtsdestotrotz war es furchtbar gewesen.

    „Ben, was war los, weshalb bist du hier?“ fragte Semir leise, der ihn immer noch ganz fest hielt. „Heute Mittag wollte ein junger Arzt diesen ZVK an meinem Hals ziehen und hat ihn dabei versehentlich abgeschnitten!“ erklärte Ben. „Ja und, was hat das damit zu tun, dass du jetzt auf der kardiologischen Intensivstation liegst?“ wollte Semir nun wissen.
    „Das Ende, das unter der Haut lag, hat sich selbstständig gemacht und ist in mein Herz geflutscht.“ erklärte nun Ben. „Und jetzt? Wie will man das wieder rausbringen?“ fragte Semir entsetzt, der meinte, eine eiskalte Hand würde nun nach seinem eigenen Herzen greifen. „Es ist schon draußen, ich habe einen Herzkatheter gekriegt und ein Arzt hat das mit einem kleinen Zängchen über die Leiste herausgeholt.“ erzählte Ben weiter. „Dabei hat mein Herz aufgehört zu schlagen, oder zumindest so etwas Ähnliches und mir ist furchtbar schummrig geworden. Es war zuvor schon so schlimm-ich hatte Atemnot, eiskalte Hände und Füße und schreckliche Angst. Aber als ich dann meinen Lebensfilm habe ablaufen sehen- Semir, es war, wie es immer beschrieben wird. Mir sind lauter Erlebnisse und Gefühle aus meiner Kindheit, Jugend, der Arbeit und Freizeit durch den Kopf geschossen. Ich habe mich in ganz kurzer Zeit an unheimlich viele Dinge erinnert, die mir wichtig waren…-sind!“ setzte er nach einer kurzen Pause nach. „Und weißt du was, du bist ständig darin vorgekommen.“ Semir der nun Tränen in den Augen hatte, zog Ben noch fester in seine Umarmung.

    Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte, aber er merkte, wie es Ben erleichterte, darüber zu sprechen. Nach einer Weile des gemeinsamen Schweigens begann Ben wieder zu reden. Er musste unbedingt noch loswerden, was ihn gerade am Allermeisten beschäftigte. „Und dann haben sie mir diese Defibrillationsdinger auf die Brust gesetzt und mir einen Elektroschock versetzt. Es war einfach schrecklich, ich habe gemeint ich sterbe jetzt sofort und dann weiß ich nichts mehr, bis irgendwann der Arzt etwas zu mir gesagt hat und ich wieder zu mir gekommen bin.Der Kardiologe hat es geschafft, das fehlende Stück zu greifen und herauszuziehen und mir so eine richtige Herzoperation erspart. Dann wurde ich zur Überwachung, wie sie sagen, auf diese Intensiv hier gebracht und in meiner Leiste steckt immer noch so ein Kunststoffding, über das die ihre Geräte in einen reinschieben. Das soll erst nach ein paar Stunden entfernt werde, falls noch was wäre-haben sie gesagt. Semir, ich habe so eine Scheißangst, dass die mir wieder bei vollem Bewusstsein so einen Schock verpassen, das hat einfach nur weh getan!“ erzählte er Semir von seinen Befürchtungen.

    Der ließ seinen Freund jetzt wieder in das Kissen zurückgleiten und sah ihn prüfend an. „Denkst du, sowas wird nochmal passieren?“ fragte er und Ben zuckte hilflos mit den Schultern. Semir wischte sich unauffällig die Tränen aus den Augen, erhob sich und sagte zu Ben: „Weißt du was? Ich schaue mal, ob ich einen Doktor finde, der uns sagen kann, ob an deinen Befürchtungen überhaupt etwas dran ist!“ bestimmte er und mit diesen Worten verließ er den Raum. Auf dem Intensivflur wurde er von einer Schwester angesprochen, der er sein Anliegen schilderte. Sie versprach einen Arzt ins Zimmer zu schicken, der auch kurz darauf bei ihnen erschien.

    „Und Herr Jäger, wie geht´s ihnen?“ wollte er wissen und Ben zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht genau, aber ich glaube ganz gut!“ antwortete er und der Arzt runzelte die Stirn. Man musste doch wissen, ob es einem gut oder schlecht ging! Er konnte den Ausführungen seines Patienten nicht so ganz folgen, aber nun sprang Semir in die Bresche, der genau verstand, was Ben damit sagen wollte. „Ich glaube, mein Freund will damit ausdrücken, dass es ihm zwar körperlich im Moment wieder ganz gut geht, aber er hat einfach Angst davor, wieder irgendeine Komplikation und darauffolgend einen Elektroschock zu kriegen.“ Ach so, dass war es! Die Miene des Arztes hellte sich auf.
    „Also Herr Jäger-ich kann es ihnen natürlich nicht zu 100% versprechen, dass das nicht wieder passieren wird, aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr gering. Die Ursache für das Kammerflimmern, das während des Herzkatheters aufgetreten ist, war ja die Reizung der entsprechenden Nerven durch das Kunststoffschläuchlein. Nachdem das ja jetzt draußen ist, fehlt schon mal der Auslöser. Ich werde später noch einen Herzultraschall, ein UKG, machen, um zu sehen, ob die Klappe noch dicht schließt, aber sonst hat man ja auch bei der Katheteruntersuchung gesehen, dass ihr Herz völlig in Ordnung ist. Dass wir die Schleuse nach invasiven Eingriffen noch 6 Stunden liegen lassen, ist Routine. Ich denke, ihre Befürchtungen sind unbegründet und sie sollten versuchen, sich einfach auszuruhen. Wenn wir die Schleuse gezogen haben, bekommen sie noch für 12 Stunden einen Druckverband und morgen dürfen sie wieder auf die normale Station. So wie es aussieht haben sie nochmal Glück gehabt, ich habe es schon öfter erlebt, dass wir in so einem Fall die Herzchirurgen bemühen mussten.“

    Mit einem Gruß verabschiedete er sich und Ben atmete hörbar auf. „Na siehst du, alles halb so schlimm!“ munterte ihn Semir auf und Ben nickte dankbar. Semir setzte sich jetzt einfach auf einen Stuhl neben Ben´s Bett und nahm dessen Hand fest in die Seine. Sein Freund konnte sich nun endlich entspannen und döste kurz danach sogar ein wenig ein.

    Als eine Schwester und ein Arzt mit einem Transportmonitor zu ihm kamen, erfolgte die Übergabe und er wurde mit Überwachung zu einer anderen Intensivstation, als beim letzten Mal gefahren. Er kam in eine Einzelbox und als er endlich alleine war, drehte er sich ein wenig zur Seite und versuchte sich auszuruhen, was aber nicht gelang. Er war innerlich so aufgewühlt und als wenig später eine Schwester nach ihm sah und den Verband um die Schleuse kontrollierte, fragte sie, ob er jemanden anrufen wolle. Ben nickte und als sie ihm das Telefon brachte, wählten seine immer noch ein wenig zitternden Finger wie von selbst Semir´s Nummer.

    Semir war nach seiner Ankunft zu Hause erst mal auf die Wohnzimmercouch gefallen und hatte seine Blicke durch sein Haus schweifen lassen. Eine große Dankbarkeit durchflutete ihn, dass er nach allem, was in letzter Zeit passiert war, noch hier sitzen durfte. Es hätte auch anders kommen können und als Andrea sich mir einer Tasse Kaffee zu ihm setzte, zog er sie fest in seine Arme und küsste sie zärtlich. „Schön, wieder daheim zu sein!“ sagte er und sie schmiegte sich an ihn und beide genossen schweigend die Zweisamkeit.
    Nach einer Weile klingelte das Telefon und Susanne war dran. „Und, hast du ihn zu Hause, deinen Helden?“ fragte sie und Andrea bejahte glücklich. Susanne ließ sich Semir ans Telefon geben und erzählte ihm, dass Jenni, Dieter und sie nach Dienstschluss vorhatten, Ben im Krankenhaus zu besuchen. Auch wie es ihm ging, wollte sie wissen und wahrheitsgemäß antwortete Semir: „Ganz gut, ich merke eigentlich kaum mehr was, aber das ist super, dass ihr zu Ben wollt, dem ist sicher schon langweilig!“ und nach ein wenig Smalltalk folgte er seiner Frau in die Küche, die inzwischen begonnen hatte das Mittagessen zuzubereiten. Er wurde gleich zum Salatwaschen herangezogen und bald war das Essen vorbereitet und Andrea brach auf, die Kinder von Schule und Kindergarten abzuholen.

    Die beiden Mädels freuten sich unheimlich, dass der Papa wieder zu Hause war und als sie miteinander gegessen hatten, machte sich Ayda gleich an die Hausaufgaben, während Semir Lilly zum Mittagsschlaf hinlegte. Als ein wenig später Andrea einen vorsichtigen Blick ins Kinderzimmer warf, lag Semir selig schlummernd mit seiner Tochter im Bett.
    Ein halbes Stündchen später erwachte er erfrischt und zog sich zum Munterwerden eine Tasse Kaffee am Automaten. Andrea hatte mit einem Auge nach Aydas Hausaufgaben gesehen und inzwischen die Küche aufgeräumt. „Und, gut geschlafen?“ fragte sie schmunzelnd und Semir nickte vergnügt. Gerade wollte er etwas sagen, da klingelte sein Telefon. Die Nummer, die darauf erschien war ihm nicht völlig bekannt, aber die ersten Ziffern waren definitiv die der Uniklinik. Sofort bekam er ein schlechtes Gefühl und ging eilig ran.
    „Ich bin´s, Ben, Semir mir geht’s nicht so gut, ich bin wieder auf der Intensivstation!“ teilte ihm Ben am anderen Ende mit schwacher Stimme mit. „Was!“ schrie er fast ins Telefon. „Ben ich komme sofort, auf welchem Zimmer liegst du?“ fragte er und dann hörte er wie Ben im Hintergrund jemanden fragte und dann antwortete. „Ich bin auf der kardiologischen Intensiv-du sollst draußen läuten, sie führen dich dann zu mir!“ Bevor Andrea noch etwas sagen konnte, griff Semir nach seiner Jacke, schlüpfte in seine Schuhe und rief ihr im Hinauslaufen nur noch zu: „Ich fahre zu Ben, der liegt wieder auf Intensiv, mehr weiß ich auch nicht!“ und schon war er weg.

    Auf der ganzen Fahrt grübelte Semir, warum Ben auf der Herzintensiv lag. Der war an der Pumpe doch kerngesund-obwohl, sein Vater hatte ja schon mal ´nen Infarkt gehabt, das war ja erblich, soweit er gehört hatte. Hoffentlich war es nichts Schlimmes. Fast unmerklich drückte sein Fuß das Gaspedal durch, aber der Kölner Stadtverkehr verhinderte ein rasches Vorankommen. Obwohl, wenn es nicht schlimm war, warum lag Ben dann auf Intensiv? Außerdem hatte seine Stimme sehr angegriffen geklungen. Allerdings-so lange Ben noch sprechen konnte, würde es schon nicht gar so schlimm sein, beruhigte er sich. Endlich kam er an und fand wie durch ein Wunder sogar einen Parkplatz.
    Beinahe im Laufschritt durchquerte er die Eingangshalle und folgte der Beschilderung zur Inneren Intensiv. An der Kardiologie drückte er auf den Klingelknopf und wartete ungeduldig, bis er hereingeholt wurde.

    Nein,nein, das hängt nicht von der Stromstärke ab, die ist bei den Geräten gleich oder kann so eingestellt werden, sondern von der Muskelmasse. Wenn jemand sehr viele Muskeln hat-wie Ben-dann kontrahieren sich die und die Bewegung wird stärker, als bei einem sehr dicken oder alten Menschen.
    Es ist auch nicht so, dass der Mensch regelrecht in die Höhe fliegt, aber es wirkt oft so, weil sich der Rücken überstreckt. Ich habe ja schon viele Male in meinem Leben jemanden defibrilliert und das sieht immer wieder anders aus.
    Schlimm ist das halt, wenn jemand noch bei Bewusstsein ist, aber bis man den in Narkose gelegt hätte, dauert es zu lange und deshalb hält man da eben, wie in der Story schon drauf, wenn der noch nicht ganz bewusstlos ist-was nach einer Weile aber bei Kammerflimmern immer eintritt, weil dann das Gehirn nicht mehr durchblutet wird. Allerdings reicht der im Blut vorhandene Sauerstoff oft noch einige Minuten aus, bevor die wegdriften.

    Erst war es Ben ein wenig besser gegangen. Nachdem seine Füße wieder ein wenig wärmer waren, hatte das Zähneklappern aufgehört und es hatte auch nichts mehr wehgetan, oder sich komisch angefühlt. Er war einfach so dagelegen, hatte zwar immer noch nicht so toll Luft gekriegt, aber anscheinend hatte das medizinische Personal die Sache im Griff. Er hoffte jetzt, dass der Arzt, der ihm sehr nett erschien und ihm mit freundlicher, ruhiger Stimme immer erklärte, was er gerade machte, seine Arbeit gut machte und ihm eine weitere Operation erspart blieb. Ob das wohl ein Kunstfehler war, was ihm passiert war? Der junge Arzt, der das Schläuchlein abgeschnitten hatte, hatte sehr verwirrt gewirkt, während der ältere Anästhesist das sehr unaufgeregt kommentiert hatte. Es sah nicht so aus, als wenn der sowas das erste Mal in seiner Laufbahn erlebt hätte. Ben hatte auch null Lust, seine Kraft in einen Kunstfehlerprozess zu stecken. Finanziell hatte er es nicht nötig und wenn man mit relativ geringem Aufwand den angerichteten Schaden bereinigen konnte, dann wäre er mit einer Erklärung und evtl. einer Entschuldigung zufrieden.

    Während er über solche Dinge nachdachte-irgendwie musste er sich ja ablenken-bemerkte er, dass der Arzt anscheinend gerade sehr ins Schwitzen kam. Das Witzige war aber, dass er davon wirklich nichts mitbekam. Er lag da völlig relaxed, ein anderer arbeitete an ihm, dass es ihm den Schweiß auf die Stirn trieb, aber er selber bemerkte eigentlich gar nichts von dessen Tätigkeit. Er sah auf die Monitore, denn in dieser High-Tech-Abteilung war eine ganze Wand von den verschiedenen Bildern eingenommen und beobachtete dann, wie der Arzt mit dem Zänglein versuchte den Katheter zu fangen. Es war sehr merkwürdig da einen Zusammenhang zu sich selber herzustellen. Auf einem Teil des großen Bildschirms, oder war das eine Wand und ein Beamer?-keine Ahnung-lief sein EKG. Mehrere Röntgenbilder, teils bewegt, teils unbewegt bedeckten die Wände. Gespannt verfolgte er die Bemühungen der Zange, den Strich, der in Wahrheit der Röntgenfaden des Cavakatheters war, zu erhaschen. Fast juckte es ihn in den Fingern, da mitzutun. Die Sache hatte richtige Ähnlichkeit mit einem Computerspiel.

    Endlich war es geschafft. Mit Erleichterung beobachtete er, wie die Zange das dünne Strichlein gepackt hatte und begann, es aus seinem Herzen zu ziehen. Plötzlich fühlte er sich sehr unwohl und wenig später brach er in Panik aus. Oh nein, ihm wurde schwindlig und schlecht, aus den Augenwinkeln sah er, dass sein EKG nur noch eine Wellenbewegung machte, alle Alarme ansprangen und dann begann er bewusstlos zu werden. Er fühlte noch, wie jemand etwas auf seiner Brust festklebte und dann erschien das Gesicht des vermummten Arztes über ihm. Er starrte ihn mit weitaufgerissenen Augen angstvoll an und während sein Bewusstsein weiter schwand, durchzog ihn ein furchtbarer Schmerz, alle Muskeln verkrampften sich und während es ihn fast 20 cm in die Höhe hob, driftete er endgültig in die Bewusstlosigkeit ab.

    „Supra bereithalten!“ befahl der Arzt mit einem Blick auf den Monitor und die Schwester griff zur aufgezogenen Spritze verdünnten Adrenalins, die für jede Herzkatheteruntersuchung routinemässig bereitgehalten wurde. Sie setzte sie an den Konus des Zugangs an, auch ein Intubationsset lag abgedeckt auf einem Beistelltisch bereit. „Bitte zurücktreten!“ forderte der Arzt nochmals die Anwesenden auf und schockte Ben ein zweites Mal mit derselben Stromstärke und siehe da- langsam wandelte sich das EKG von einer Wellenform in ein anderes Muster und nach wenigen Sekunden war auf dem Monitor wieder ein langsamer Sinusrythmus zu erkennen. Die Schwester hatte, nach einem Blick auf den Bildschirm, nach einem Ambubeutel und einer Maske gegriffen, denn natürlich war auch Bens Sättigung besorgniserregend abgefallen. Sie schloss ein Schläuchlein unten an dem Beutel an, so dass 15l Sauerstoff pro Minute in den Ambu strömten und begann Ben mit diesem hochprozentigem Gemisch zu beatmen. Sie überstreckte dazu seinen Kopf und hielt sein Kiefer mit dem sogenannten Esmarck-Handgriff nach vorne, damit seine Zunge nicht nach hinten fallen konnte.

    Das Herz schlug immer kräftiger und regelmäßiger und dann begann Ben sich wieder zu regen. Er presste gegen die manuelle Beatmung an und als die Schwester damit aufhörte und bloß noch die blaue Silikonmaske vor sein Gesicht hielt, schlug er die Augen auf und sah verwirrt um sich. „Willkommen zurück, Herr Jäger!“ sagte der Kardiologe herzlich und machte sich nun daran, seine Instrumente wegzuräumen. Ben hatte noch gar nicht so richtig begriffen, was los war und wollte sich aufrichten, woraufhin starke Hände ihn auf den Behandlungstisch zurück drückten. „Einfach ruhig liegenbleiben-na da haben sie uns aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt!“ sagte die Schwester und mit einem Krächzen fragte Ben, was denn losgewesen sei.

    „Durch die Manipulation am Vorhof hat ihr Herz beschlossen, geregelt zu schlagen aufzuhören und wir mussten sie zweimal elektrisch defibrillieren, also mit Stromstößen wieder einen Rhythmus herstellen!“ erklärte der Arzt und Ben begann sich wieder zu erinnern. Aua, das hatte wehgetan! Und als er nun wieder die einfache Sauerstoffmaske angelegt bekam und merkte, wie das blutige Abdecktuch von ihm heruntergenommen wurde, wurde ihm erst bewusst, dass es nun beinahe vorbei gewesen wäre.
    Der Arzt reinigte mit frischen Handschuhen und sterilen, desinfektionsmittelgetränkten Tupfern noch die Leiste, die beim Legen der Schleuse blutig geworden war und legte einen gepolsterten Verband an.

    „Sie kommen jetzt für eine Nacht zur Überwachung auf die kardiologische Intensivstation. Die Schleuse bleibt noch für 6 Stunden liegen und wird dann erst entfernt, falls wir nochmal an ihrem Herzen aktiv werden müssten. Aber das Wichtigste ist, wir haben den Übeltäter erwischt!“ sagte der Kardiologe und hielt das entfernte ZVK-Ende in die Höhe. Es sah eigentlich ganz unscheinbar aus, dieses hellblaue Schläuchlein mit den drei Öffnungen am einen Ende.
    Während Bens Bett neben den Behandlungstisch geschoben wurde, versuchte der das eben Erlebte zu verarbeiten. Man zog ihm nach dem Umlagern noch die Reste seines durchgeschwitzten T-Shirts aus, das immer noch an seinem Rücken geklebt hatte und legte über ihn ein Krankenhaushemd. Die Unterlage war feucht, bei der Defibrillation hatte er durch die Muskelanspannung unter sich gelassen, aber bald lag er sauber und trocken in seinem Bett und die Intensiv wurde zur Abholung angerufen.