Als Semir auf die Zufahrtsstraße des Schlösschens bog, war Berghoff schon ein ganzes Stück vor ihm. Semir drückte aufs Gas, aber da der PS-starke Motor des SUVs auch genügend unter der Haube hatte, verringerte sich der Abstand nur unmerklich. Berghoff schlug den Weg zur nahegelegenen Autobahn ein. Um diese Zeit würde er es schon schaffen auf der vielbefahrenen Fernstraße irgendwie im Feierabendverkehr zu verschwinden und den Polizisten abzuhängen. Als er auf den Beschleunigungsstreifen einbog atmete er sozusagen schon auf, ja, der Verkehr floss, aber es war viel los, das würde klappen! Allerdings hatte er nicht mit Semir gerechnet. Das hier war sein Revier, da war er zuhause und routiniert begann er den Abstand durch geschickte Fahrmanöver zu verringern. Außerdem hatte er das Blaulicht eingeschaltet, so dass die anderen Verkehrsteilnehmer auch Platz machten, na ja, einige zumindest. Andere schnallten gar nichts, aber mit ein paar Ausweichmanövern auf den Standstreifen verringerte sich Semir´s Abstand zum Porsche zusehends. Zugleich gab Semir die Fahrzeugdaten durch und bat um Hilfe uniformierter Polizeistreifen in der Nähe. Das wäre doch gelacht, wenn er diesen Berghoff nicht kriegen würde! Inzwischen war er so gut wie sicher, dass der etwas mit Ben´s Verschwinden zu tun hatte, denn was hätte er sonst für einen Grund gehabt zu fliehen? Fahrzeug um Fahrzeug wurde der Abstand zwischen den beiden Autos kleiner.
Berghoff sah nervös in den Rückspiegel. Verdammt, das hatte nicht hingehauen den BMW abzuhängen. Er wurde immer hektischer und unvorsichtiger. Nun begann auch er rechts zu überholen, mit Lichthupe und Gestikulieren die Vordermänner wegzuscheuchen. Als plötzlich eine Lücke im fließenden Verkehr war, drückte er aufs Gas und versuchte mit hoher Geschwindigkeit, er war schon bei etwa 230km/h, seinen Verfolger abzuhängen. Gerade hatte er noch in den Rückspiegel geschaut, wo Semir war, da zog plötzlich eine unaufmerksame Autofahrerin vor ihm heraus, um einen langsam dahintuckernden Gefahrguttransporter, der Flüssiggas geladen hatte, zu überholen. Berghoff versuchte noch zu bremsen und auszuweichen, aber vergeblich. Erst fuhr er auf den Vordermann auf und dann begann sein schwerer Wagen durch die Wucht des Aufpralls zu schleudern und ohne dass er irgendetwas dagegen unternehmen konnte, prallte er in die Seite des Gefahrguttransporters und schob den sozusagen auf den Standstreifen, wo sie beide zum Stehen kamen. Einen kurzen geisterhaften Moment war alles still und dann gab es eine gewaltige Explosion, als der Inhalt des Transporters plötzlich explodierte. Der Fahrer des LKWs war noch aus dem Führerhaus gesprungen, aber Berghoffs Wagen wurde einige Meter hochgeschleudert, überschlug sich und verschwand in dem riesigen Feuerball.
Semir hatte voller Entsetzen den schrecklichen Unfall beobachtet, aber er konnte nichts anderes mehr tun, als die Feuerwehr und Rettungskräfte zu verständigen. Er stellte seinen BMW mit Warnblinker hinter der Unfallstelle ab und nahm seinen Feuerlöscher heraus, aber die Hitze, die ihm entgegen schlug, als er näher rannte, war so stark, dass er nur Abstand halten konnte und warten, bis die Feuerwehr eintraf. Der LKW-Fahrer stand geschockt, aber unverletzt neben seinem ausbrennenden Fahrzeug und stammelte nur: „Ich konnte nichts machen, ehrlich und Semir beruhigte ihn. „Ich habs gesehen, er war ganz alleine schuld und auch das ausscherende Fahrzeug, aber das wird man später klären!“ sagte er. Andere Autofahrer hatten inzwischen Erste Hilfe in dem Fahrzeug geleistet, auf das Berghoff aufgefahren war und das nun nicht mehr fahrtüchtig und um einen Meter kürzer, quer über der Autobahn stand, aber außer einem Schleudertrauma und Kopfschmerzen war der jungen, fahrlässigen Fahrzeuglenkerin nichts Schlimmeres passiert.
Die Flammen begannen schon kleiner zu werden, als endlich die Feuerwehr und die Rettungskräfte eintrafen. Die Autobahn wurde total gesperrt und die Trümmer abgelöscht. Als Semir danach einen Blick auf die qualmenden Wrackteile des Cayenne warf, konnte man darin beinahe nichts mehr erkennen, nur die verkohlten Überreste Berghoffs auf dem Fahrersitz zeugten noch davon, dass hier soeben ein Mensch grausam ums Leben gekommen war. Alles was sonst noch mit im Wagen gewesen war, war verbrannt oder zerschmolzen, auch Hartmut würde da vermutlich nichts mehr finden können, was einen Hinweis auf Ben´s Aufenthaltsort gab.
Ben lag inzwischen voller Schmerzen in seinem Verließ und wartete auf den nahen Tod. Ihm ging es so schlecht, er hatte überhaupt keine Reserven mehr. Die Wunden an seinem Körper brannten, er hatte hohes Fieber und dämmerte nur so vor sich hin. Er war zudem dem Verdursten nahe und außerdem wusste er ja nun, was ihm bevorstand. Er begann zu beten, dass er doch bitte zuvor bewusstlos werden dürfte, bevor ihn diese Freaks vor laufender Kamera zu Tode quälten, aber willentlich gelang ihm das einfach nicht. Immer wieder dachte er an Ereignisse aus seiner Vergangenheit, seine verstorbene Mutter und seine toten Freundinnen. Ob er sie wohl bald wiedersehen würde, oder ob nach dem Tod alles vorbei war? Er würde es bald erfahren, wenn ihn nicht in Kürze jemand fand.